Classic SF: Mit der Flinte im Jurassic Park
Lyon Sprague de Camp war einer der witzigsten und vielseitigsten Autoren der Genres Science Fiction, Fantasy und Phantastik. Dieser Erzählband bietet den ersten Teil seiner besten Stories: „sieben Kostproben seines schnurrigen und bissigen Humors“, wie der Heyne Verlag formuliert. Die anderen Stories finden sich in dem Erzählband „Neu-Arkadien“ (Heyne Buch Nr. 3728).
Hier gibt es beispielsweise die vielfach abgedruckte Story über Saurierjagd, in der ein paar schießwütige Yankees ein Zeitparadox erzeugen, das ihnen zum Verhängnis wird.
Der Autor
Lyon Sprague de Camp wurde 1907 in New York City geboren, studierte dort lebte in verschiedenen Südstaaten und in Kalifornien, erwarb den akademischen Grad eines Bachelor of Science und machte 1933 seinen Master of Science. Neben seinen Gelegenheitsarbeiten als Dozent, Ingenieur, Patentanwalt, Werbetexter und Offizier der US Naval Reserve war er doch die meiste Zeit als freier Autor und Herausgeber tätig. Er verfasste mehr als achtzig Bücher, von denen die SF nur einen geringen Teil ausmacht. Am liebsten war mir immer „Mathemagie“, die fünf Harold-Shea-Romane, die de Camp zusammen mit Fletcher Pratt schrieb (1988, ISBN 3-453-02790-6).
Seine erste Story erschien 1937 in „Astounding Stories“. Seine besten Stories sind in der Collection „A gun for dinosaur“ gesammelt, die 1980 bei Heyne unter den Titeln „Ein Yankee bei Aristoteles“ und „Neu-Arkadien“ erschien. De Camp schrieb seinen Roman „Vorgriff auf die Vergangenheit“ bereits 1939, wobei er zunächst eine Kurzgeschichte im Magazin „Unknown“ veröffentlichte. Der komplette Roman erschien 1941 bei H. Holt & Co. und wurde 1949 von Galaxy Publishing sowie Philadelphia Prime Press nachgedruckt.
Schon bald schrieb de Camp Romane, auch in der Fantasy und in Zusammenarbeit mit Fletcher Pratt und P. Schuyler Miller. Sein herausragender SF-Roman ist „Vorgriff auf die Vergangenheit“ (Lest Darkness Fall, 1939), aber auch in der Fantasy und im Sachbuchbereich erhielt er mehrere Preise, und 1979 wurde ihm den Nebula Award für sein Lebenswerk, der „Grand Master Award“, verliehen. Er starb am 6. November 2000 und wurde auf dem Nationalfriedhof in Arlington, neben seiner Frau, beigesetzt.
Die Erzählungen
1) Ein Yankee bei Aristoteles (Aristole and the Gun, 1958)
Sherman Weaver hat nicht immer in Hesperia gelebt, das uns als Nordamerika vertraut ist und einst von sogenannten „Indianern“ bevölkert war – so also ob sie aus Indien stammen würden. Sherman stammt ursprünglich aus unserer Zukunft und hat an einem staatlich finanzierten Forschungsinstitut nahe New York City eine Zeitmaschine entwickelt. Sie funktioniert inzwischen so gut, dass sie dem Komitee für die Auswahl von Forschungsprojekten in Washington, D.C., Angst macht. Man will es eingestellt sehen, um stattdessen ein Projekt in der Antarktis zu fördern.
Doch Sherman ist stur und überlistet seinen direkten Vorgesetzten. Unter dem Vorwand, einen abschließenden Report verfassen zu wollen, bereitet er seine eigene Zeitreise vor: zu Aristoteles, dem größten Philosophen der Antike. Er will ihn die wissenschaftliche Methode lehren. Die Reise führt ihn zurück ins Jahr 340 v. Chr. und nach Pella in Mazedonien. Um seinen schlechten griechischen Akzent zu tarnen, gibt er sich als Inder aus. Das sind zwar auch „Barbaren“, aber wenigstens nicht aus dem verachteten Norden und Westen. Was er nicht bedacht hat: Die Hellenen und v.a. die eroberungswütigen Mazedonier unter König Philippos hassen die Perser. Auf seinem Weg von Indien nach Hellas müsste doch dieses Zandras aus Paliputra doch durch das Reich der Perser gekommen sein, oder?
Nach ein paar Tagen im königlichen Garten, in dem Aristoteles mit seiner Familie weilt, hat sich „Zandras“ gut mit dem lispelnden Philosophen angefreundet, und auch der junge Alexander verschont ihn mit seinen Streichen. Sherman glaubt sich bereits sicher, als er bei einem Gelage von General Attalos in die Mangel genommen wird. Ob er nicht nur das Perserreich und dort durch eine Stadt namens Orchoe gekommen sei? Offensichtlich ist dies eine Fangfrage. Obwohl betrunken, kann Sherman der Falle ausweichen, beginnt dann aber mit dem Erfindungsreichtum der Inder zu prahlen.
Er beschämt Attalos mit seinen „Märchen“, und der rächt sich bald. Er stellt „Zandras“, um ihn als persischen Spion gefangenzunehmen und auf der Stelle zu töten. Sherman bleibt nichts anderes übrig, als seine mitgebrachte Pistole zu ziehen und abzudrücken. Doch Donner und Blitz können nur zwei der Krieger aufhalten, keiner läuft wie ein Hasenfuß weg. Das Schwert des Generals schwebt bereits über Shermans Nacken, als ihn die voreingestellte Zeitmaschine rettet – und ihn eine alternative Zeit schleudert: Hesperia. Dort schreibt Sherman seinen Bericht und erzählt, wie er als Bibliothekar einem Häuptling der Lenape (Delawaren) nach seinem Fehler gesucht hat. Er findet eine Biografie von Aristoteles: Die Erkenntnis seines Fehlers ist für Sherman niederschmetternd…
Mein Eindruck
Diese wunderbar kenntnisreich und humorvoll erzählte Geschichte greift den Ansatz aus „Vorgriff auf die Vergangenheit“ und fragt, wieso sich die Wissenschaft nicht früher entwickelt hat, nämlich bei den Hellenen vor Alexander dem Großen. Die Antwort gefällt Sherman nicht, denn Aristoteles liefert drei Gründe, warum Hellenen die Wissenschaft bleiben lassen sollte: 1) Es gibt zu viele winzige Fakten und Details zusammenzutragen. 2) Das Experimentieren erfordert viel körperliche Arbeit – und das sei Sache der Sklaven, jedenfalls unter der Würde von edlen Hellenen. 3) Zudem haben einige „barbarische“ Völker (wie die Inder) die Hellenen bereits in puncto Erfindungen übertroffen. Wozu sich also abplacken mit etwas, was es schon gibt? Die Hellenen sollten nach Vervollkommnung ihres Charakters streben, so der Philosoph.
Die Geschichte selbst großenteils lebhaft und anschaulich erzählt, wird aber zunehmend spannender, als Attalos Verdacht schöpft und „Zandras“ schließlich zu töten versucht. So kann man also wissenschaftliche Philosophie ebenfalls betreiben.
2) Saurierjagd im Mesozoikum (A Gun for Dinosaur, 1956)
Der Ich-Erzähler ist ein Büchsenmacher und Safari-Veranstalter bei der Agentur Rivers & Aiyar. Nur, dass seine Safaris für Großwildjäger in die Vergangenheit führen, als die Riesenechsen noch existierten. Mit einer Geschichte über eine Safari, die gründlich schiefging versucht er, Mr. Seligman von der Teilnahme an einer so gefährlichen Expedition abzuhalten.
Die Kunden sind meistens blutige Amateure, bei denen man von Glück sagen kann, wenn sie schon mal ein Gewehr in der Hand gehalten haben. Unser Chronist Mr. Rivers und sein Partner „Radscha“ Aiyar haben diesmal die Wahl zwischen dem arroganten Macho Courtney James und dem braven Millionenerben Augustus Holtzinger. Immerhin schaffen sie es, die überaus besorgten Begleiterinnen der beiden Herren loszuwerden – immerhin soll die Reise in die Zeit vor 85 Mio. Jahren gehen. Zuerst fahren sie zu Dr. Prochaska, der die Zeitmaschine gebaut hat und betreibt. In den Aufzug passen nur der Lift Boy und vier Passagiere sowie ein Teil der Ausrüstung. Drei Wochen soll der Aufenthalt dauern.
Schon nach der ersten Woche geht vieles nicht nach Plan, denn Mr. James ballert auf alles, was sich bewegt. Mr. Holtzinger beschwert sich, dass er nicht zum Schuss kommt. Rivers macht sich Sorgen um ihn, denn Holtzinger hat keine Büchse, die für die Jagd tauglich wäre. So ein T. Rex kann ja mehrere Tonnen wiegen, und sein Herz liegt hinter Schichten von Muskeln und Fett. Wenigstens hat Mr. James eine annehmbare Kanone – solange ihm nicht die Munition ausgeht.
Als sie tatsächlich auf einen wütenden T. Rex treffen, dem Mr. James gerade die nächste Mahlzeit weggeschossen hat, ist Not am Mann. James erst am Boden, dann in Panik, Holtzinger mit einer Vogelflinte, und die Safari-Jäger versuchen, weder den einen noch den anderen zu treffen…
Mein Eindruck
Der Autor schildert den Chronisten Rivers wie einen erfahrenen Yankee, der ein kapitalistischer Realist ist, alles andere als ein Träumer. Dementsprechend schwankt die Erzählung zwischen grotesker Komik und blutiger Action. Leider haben die beiden Profi-Jäger die Rechnung ohne den Hitzkopf James gemacht, der sich weder an Befehle noch an Regeln hält. Zu dritt kehren sie in die Gegenwart zurück, doch James bricht noch einmal zu einem wütenden Rachefeldzug gegen die beiden Guides auf – in die Vergangenheit. Leider hat er dabei eine Sache nicht bedacht: So etwas wie ein Zeitparadox darf es nicht geben…
3) …Kontrolle ist besser (The Guided Man, 1952)
Ovid Ross stammt aus dem ländlichen Mittelwesten der USA, will es aber in der großen Stadt New York City zu etwas in einem Verlag bringen. Da er entsprechende Minderwertigkeitsgefühle hat, bittet er die neuartige Telagog-Firma um ihre Dienste. Telagog dient praktisch der emotionalen Fernsteuerung ihrer Klienten. Sie hält Experten für alle Lebenslagen bereits, etwa für ein Bewerbungsgespräch. Über ein Implantat aus Elektroden kann der Telagoge die Emotionen des Kunden beeinflussen, und der Kunde kann über drei verschiedene Klicks – beim einfachsten Modell – dem Experten mitteilen, ob er ihn braucht oder ober er Schluss machen will.
Die Bewerbung in Mr. Hoolihans Verlag wird zunächst ein Erfolg. Der Verleger ist ein schwergewichtiger Tyrann und Ausbeuter, der Ross‘ Vorgänger gefeuert hat, weil er eine Kaffeepause einzulegen pflegte. Ross gratuliert seinem Experten Gilbert Falck und freundet sich mit ihm an. Er lädt auch seine eigene Freundin Claire ein, die bei einem reichen russischen Ehepaar namens Peshkov als Hauslehrerin arbeitet. Insgeheim hofft Ross, mit Claire eine Familie gründen zu können, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Sein erster Auftrag für ihn zu Marcus Ballin, einem Hersteller von Trikotagen und Sportbekleidung. Ballin ist sehr von Ross angetan und erzählt von einem Schönheitswettbewerb, den er plane. Ross hört sich entsetzt sagen, er wäre gerne der dritte Schiedsrichter.
Er ahnt nicht, dass sich Gilbert Falck, der durch seine Augen „sieht“, unsterblich in Claire verliebt hat und alles daran setzt, dass Claire an diesem Busen-Schönheitswettbewerb teilnehmen wird. Daher denkt er sich nichts dabei, als Falck ihn bittet, Claire zu fragen, ob er, Falck, mit seiner Freundin Dorothy mit ihnen ein Wochenende auf dem Anwesen der Peshkovs verbringen könnten. Ross sagt ja, Claire sagt ja, alles läuft wie am Schnürchen – bis die russischen Windhunde ihnen die Bekleidung wegschnappen und sie alle zum benachbarten Helios-Nudistenklub flüchten müssen. Dort sonnt sich gerade kein anderer als Marcus Ballin höchstselbst. Ihm wäre es peinlich, wenn in seiner Branche ruchbar würde, dass er FKKler ist. Nun hat Ross ein Druckmittel. Und als Ballin die hübsche Claire im Evaskostüm erblickt, schlägt er Ross vor, Claire am Wettbewerb teilnehmen zu lassen. Gebongt!
Der Busen-Schönheits-Wettbewerb bei Tausendsassa-Trikotagen verspricht ein sehr interessanter Event zu werden, als 46 Grazien auftreten und von drei Schiedsrichtern beurteilt werden. Am Schluss der Vorentscheidung befindet sich Claire unter den Top Drei! Ross ist hingerissen. Aber er hat den Fehler gemacht, Claires Arbeitgeber Peshkov, einen stalinistischen Kommissar, als Zaungast zuzulassen. Als Peshkov merkt, dass sein Claire nicht auf Platz 1 kommen soll, zieht er wütend eine Pistole. Doch Falck hat Ross für solche Fälle „präpariert“. Es kommt zu einem turbulenten Showdown…
Mein Eindruck
Anfang der fünfziger Jahre dachten sich die Autoren und ihre Figuren offenbar noch nichts dabei, die Schönheit von Frauen auszubeuten. Das ist mittlerweile anders, aber Schönheitswettbewerbe wird es wohl immer geben. Wie auch immer: Die Handlung führt den – damals meist männlichen – Leser auf schlüpfrige Pfade der Erotik: der Busen-Wettbewerb (die Grazien tragen natürlich Trikotagen), das Nacktbaden und der Nudistenklub:
Diese unterhaltsame Seite dient als Cover für die eigentliche Handlung: die Emanzipation des Landeis Ovid Ross. Der Vorname ist ein Verweis auf dem römischen Dichter Ovidius Naso, dessen „Metamorphosen“ und „Liebeskunst“ bis heute bekannt sind. Leider wurde er wegen seiner Schlüpfrigkeiten, ähnlich wie Oscar Wilde, von der Gesellschaft geächtet und ans Schwarze Meer verbannt. Das passiert Ross zum Glück nicht: Im Gegenteil ist sein Aufstieg nahezu unaufhaltsam, und dafür sorgt Marcus Ballin. Folgerichtig emanzipiert sich Ross von seinen Marionettenspielern bei Telagog. Das Heiraten, sagt er, bekommt er noch alleine hin…
4) Energiekrise (Internal Combustion, 1956)
Am Strand von Coquila hat der alte Roboter Napoleon das leerstehende Haus der MacDonalds übernommen und es mit seinen Kumpanen Herkules, Konfuzius, Galahad und Sancho Pansa besetzt. Nappo träumt, es seinem berühmten Namensvetter gleichzutun und ein Imperium zu gründen. Er gibt seinen Ropennern den Befehl, ein Menschenjunges zu entführen und herzubringen.
Unterdessen erhält der alte Roboter Homer, der für sein Leben gerne dichtet, von Archie Sanborn die Anweisung, 20 Liter Benzin an der Tankstelle zu kaufen, damit er seinen Wagen wieder flottkriegt und zum Psycho-Doc fahren kann. Doch auf dem Rückweg fällt der arglose Homer den listigen Robotern Napoleons in die Hände. Sie bringen ihn dazu, ihn von dem köstlichen Rohstoff etwas abzugeben. Daraus entwickelt sich eine Party.
Da läuft ihnen aus Sanborns Haus dessen dreijähriger Sohn Gordon über den Weg, der Homer sucht. Sie locken ihn in Napoleons Haus und sperren ihn ein. Leider vertragen sich alte Robotechnik und neues Benzin nicht besonders gut: Die innere Verbrennung beginnt – die MacDonald-Villa fängt Feuer – mit dem kleinen Gordie darin. Homer ist ebenso alarmiert wie die Nachbarn, darunter die Sanborns…
Mein Eindruck
In seinem Vorwort in Josh Pachters Anthologie „Top Science Fiction 1“ nennt der Autor sein Vorbild: Es handelt sich um John Steinbecks Roman „Die Schelme von Tortilla Flat“. Aber mit Steinbeck hat er sich wenigstens einen Literaturnobelpreisträger zum Vorbild genommen. Das Ergebnis ist einigermaßen unterhaltsam, reichlich turbulent und natürlich höchst humorvoll – wie von einem Autor wie Sprague de Camp nicht anders zu erwarten. Konfuzius und Homer sprechen in den ihnen gemäßen Worten – Zitate ihrer jeweiligen Namensvorbilder, die ihnen einprogrammiert worden sind.
Aber wenn man sucht, findet man auch ein paar ernsthafte Vorhersagen, die der Autor über die Zukunft seines Landes macht. So sind die diversen Roboter ausrangierte, längst veraltete Modelle, denn anders als Menschen unterliegen sie einem ständigen Innovationsdruck. Die Ansprüche der Kunden steigen ständig, und was diesen nicht mehr genügt, wird außer Dienst gestellt. Ist es ein Zufall, dass dies auch für ältere Menschen gilt? Wahrscheinlich nicht.
Zweitens ist Mr. Sanborn ständig arbeitslos. Ähnlich wie der Roboter Napoleon leidet seine Frau Roberta an dem Größenwahn, Dinge erlangen zu müssen – Urlaubsreisen, Luxusautos, Imperien – die für ihre Einkommensschicht längst unerschwinglich geworden sind. (Dies klagt Sanborn seinem Psychiater.) Doch bei ihr wie bei Napoleon herrscht noch die Selbsttäuschung vor.
Das menschliche Kind Gordon Sanborn, genannt „Gordie“, ist der Prüfstein für alle diese Fehlwahrnehmungen und Illusionen. Er wird entführt, um von Menschen, die eh nichts besitzen, Leistungen wie etwa Benzin zu erpressen. Als er in Gefahr gerät, im Haus seiner Entführer zu verbrennen, richten die Gesetze der Physik und der Moral darüber, welcher von den Robotern überlebt und welcher nicht: „innere Verbrennung“ ist eben ein vieldeutiger Begriff.
5) Cornzan der Mächtige (Cornzan the Mighty, 1955)
In der TV-MP-Produktion „Cornzan der Mächtige“ steht die WCNQ-Produktion der ersten Folge der zweiten Staffel an. Der hauptsächliche Unterschied zu früheren TV-Shows der Altvorderen besteht darin, dass die Schauspieler die Droge Consilin verabreicht bekommen, die sie, verstärkt durch Hypnose, glauben lässt, dass sie wirklich die Figuren SIND, die sie SPIELEN sollen. Franklin Hahn ist der Drehbuchautor und seine liebevolle Sehnsucht gilt Cassia McDermott, der superblonden Hauptdarstellerin. Zum 35. Mal hat sie seinen Heiratsantrag abgelehnt, aber er ist hartnäckig und geduldig. Auf den titelgebenden Hauptdarsteller Remington Dallas ist er jedenfalls nur begrenzt eifersüchtig.
In der TV-MP-Produktion „Cornzan der Mächtige“ steht die WCNQ-Produktion der ersten Folge der zweiten Staffel an. Der hauptsächliche Unterschied zu früheren TV-Shows der Altvorderen besteht darin, dass die Schauspieler die Droge Consilin verabreicht bekommen, die sie, verstärkt durch Hypnose, glauben lässt, dass sie wirklich die Figuren SIND, die sie SPIELEN sollen.
Franklin Hahn ist der Drehbuchautor und seine liebevolle Sehnsucht gilt Cassia McDermott, der superblonden Hauptdarstellerin mit dem einfallsreichen Rollennamen Lululu. Zum 35. Mal hat sie seinen Heiratsantrag abgelehnt, aber er ist hartnäckig und geduldig. Auf den titelgebenden Hauptdarsteller Remington Dallas ist er mit Recht eifersüchtig, denn „Lululu“ liebt natürlich „Cornzan“. Die dritte Hauptfigur braucht kein Consilin: Sascha, die Riesenanakonda. Das 30-Meter-Monster ist ebenfalls ein Erzeugnis aus den Laboren des Consilin-Erfinders Sorokin.
Als Remington Dallas anfängt Shakespeares unsterbliche Verse aus „Macbeth“ zu zitieren, ahnen die Mitarbeiter noch nicht, was auf sie zukommt. Erst Sorokin macht klar, dass Dallas durchdreht und zu einer Gefahr für die anderen Darsteller“ geworden ist. Man muss ihm eine Dosis Betäubungsmittel verpassen! Franklin Hahn soll ihm helfen. Seltsamerweise enthält die Betäubungspistole kein Betäubungsmittel, so dass Dallas Gelegenheit hat, noch mehr auszurasten: Er betrachtet jetzt Hahn als seinen unmittelbaren Gegner und zieht sein Schwert. Der Regisseur bekommt graue Haare, der Ausführende Produzent schreit Zeter und Mordio. Schließlich kommt es zu einigen Ausrutschern und Dallas landet im Rachen der Anakonda…
Mein Eindruck
In dieser turbulenten Story über die TV-Filmwelt zieht der Autor seine eigenen CONAN-Romane durch den Kakao, aber auch die gesamte heroische Superhelden-Fantasy. Die Figur des Cornzan erinnert natürlich an Conan, lebt aber auf einer Gegenerde, die nicht etwa „Gor“ heißt, sondern „Anthon“ – die Kurzform von Anti-Chton, also Gegen-Erde. Der Held will die Tochter des tyrannischen Herrschers Djurk, der natürlich ihr Vater ist, und als solcher wenig geneigt, sein liebes Töchterlein einem dahergelaufenen Schlagetot anzuvertrauen. Er würde seinen Gefolgsmann Bogan bevorzugen.
Ziemlich schräg wird die Geschichte, als der Autor den Drehbuchstil verwendet und die Figuren hanebüchene Sätze aufsagen lässt. Schlimmer wird es, als der Hauptdarsteller sich für Macbeth, den Königsmörder, hält und Shakespeare-Verse in der Schlegel’schen Übersetzung vorträgt, als hätte er sie selbst gedrechselt. Das ist zum Schreien komisch, sofern man etwas für das Bühnen-Deutsch des 18. Jahrhunderts übrighat.
Die ganze Geschichte, in der sich irgendwo ein Mordanschlag verbirgt (die versagende Betäubungspistole, schon vergessen?!), endet für „Lululu“-Cassia und Franklin Hahn jedenfalls gut. Romantisch veranlagte Leserinnen brauchen sich also keine Sorgen machen: Hahn ist jetzt Millionär und kann eine Familie ernähren.
6) Rückfall (Throwback, 1949)
Durch genetische Rückzüchtung ist es dem Huebner-Institut gelungen, drei Meter große Riesenmenschen zu züchten. Von der Regierung als menschliche Wesen anerkannt, dürfen sie in einem Gebirgsreservat leben. Professor Frybush führt den Football-Scout Oliver Grogan ins Reservat. Grogan ist überrascht, dass diese, ähm, Neanderthaler so gutes Englisch sprechen und so sensibel sind. Der Vize-Häuptling heißt George Ethelbert und möchte gerne an der Kunstakademie in Chicago studieren. Grogan verpflichtet ihn für sein Chicagoer Football-Team und sichert ihm vertraglich die Vermittlung an die Kunstakademie zu. Er denkt gar nicht daran, das Versprechen einzulösen.
Georges erster Einsatz im Team der Wolves ist ein voller Erfolg – und erregt erhebliches Aufsehen. Es kommt zu einer Konferenz der Liga, die dazu führt, dass alle Züchtungen wie die Giganten ausgeschlossen werden. George ist arbeitslos. Er findet einen Anwalt und verklagt Grogan. Dieser steckt stets in Geldnöten und versucht, sich mit der Klubkasse aus dem Staub zu machen, indem er einen Helikopter aufs Hoteldach bestellt. Mit seinen Kräften fällt es George leicht, Grogan das Handwerk zu legen. Die Polizei ist von Georges Fähigkeiten begeistert und stellt ihn auf der Stelle als Anwärter ein…
Mein Eindruck
Die Geschichte liest sich flott und abwechslungsreich. Sie zeigt, wie sich die Züchtung von Riesen auf den Rest der Gesellschaft auswirken könnte. Auf die anfängliche Ablehnung folgt aber die Akzeptanz. Jeder findet irgendwo sein Bestimmung, lautet das amerikanische Credo. Man darf nur nicht den Mut nicht verlieren. Auf dem Weg dorthin hat der Held, ein vermeintlicher Neanderthaler, allerdings einige Hindernisse zu überwinden, nicht zuletzt seinen halbseidenen Manager.
Dass Riesen in SF-Stories wie dieser im American Football auftauchen, ist als Idee so neu nicht. Mehreren Autoren ist das eingefallen, aber die bemerkenswerteste und reifste Umsetzung des Themas ist wohl Michael Bishop gelungen. In „Brüchige Siege“ tritt kein anderer als Frankensteins Ungeheuer im Baseball seine Karriere an.
7) Der Tag des Gerichts (Judgment Day, 1955)
Wade Ormont ist 53 Jahre alt und am Ende seines Lebenswegs angelangt. Der Wissenschaftler hat die Formel gefunden, wie die Erde als Festkörper zerstört werden kann: All ihr Eisen – und sie hat eine Menge davon – lässt sich umwandeln, sei es in andere Stoffe, sei es in Energie. Es ist Halloween und die Entscheidung steht an.
Wie es dazu kommen konnte, erzählt Ormont in mehreren halbwegs anschaulichen Rückblenden. Als Schwächling und Einzelgänger ist er stets die Zielscheibe von Hänseleien, üblen Scherzen und Gewalttaten gewesen. Einer seiner Lehrer gab ihm den Rat, nicht zurückzuschlagen, nicht zu widersprechen und auf diese Weise den Schlägern den Spaß an der Prügel zu nehmen. Als Folge baute er eine Mauer um seine Seele herum, die sich auf jede Art von menschlicher Beziehung bezog. Als Folge gilt er als verschrobener Sonderling, obwohl er ein Genie ist.
Als er von einem Abendessen nach Hause zurückkehrt, ist sein Heim, seine Garage und sein Oldtimer-Wagen von den Streiche spielenden halloween-Kindern verwüstet und zerstört worden. Wieder einmal hat sich sein hass gegen die menschliche Rasse bestätigt, sein Zorn bricht sich Bahn. >Er wird den Bericht veröffentlichen, um die Zerstörungsformel in die Welt zu entlassen.
Mein Eindruck
Obwohl die Geschichte nur aus Rückblenden und der inneren Perspektive besteht, ist sie doch psychologisch interessant genug, um den Leser bei der Stange zu halten. Spaß und Ironie, wie sie für die anderen Erzählungen kennzeichnend sind, wird man hier vergeblich suchen. Als die Story 1955 veröffentlicht wurde, war der Kalte Krieg nach dem Koreakrieg und dem Fall Vietnams 1954 am kältesten. Die Russen hatten sowohl die A-Bombe als auch die H-Bombe und konnten somit auch die USA mit einem Knopfdruck vernichten.
Der Nuklearphysiker Ormont steht stellvertretend für alle Wissenschaftler, die damals für das Militär und die Regierung arbeiteten. Die Frage, die der Autor stellt, lautet also: Was soll einen dieser Experten davon abhalten, abtrünnig zu werden und auf eigene Faust den Gegner, also die „Roten“, aus ganz persönlichen Gründen zu vernichten?
Die Übersetzung
S. 30: „Artaxer[x]es“. Das X fehlt.
S. 34: „ein feldfamer Mann“: Aristoteles lispelt und spricht jedes S als F aus. Dennoch müsste „feldfamer“ korrekt mit einem T statt D geschrieben werden.
S. 81: „in diese[r] Periode“: Das R fehlt.
S. 106: „Sagen Sie, Ovid, warum sollte Sie nicht an meinem Wettbewerb teilnehmen?“ Das zweite „Sie“ bezieht sich offensichtlich nicht auf Ovid, sondern gemeint ist vielmehr Ovids Freundin Claire. Das S muss daher klein geschrieben werden.
140: „als Hollywood noch Filme herstellte, für die Zuschauer in Theatern Eintritt bezahlten.“ „Theater“ sagt man nur in USA, hierzulande sagt man „Kino“.
S. 142: „Knight kam in die Krankenstation zurückgestürmtl Ilya, Cassia und Remington folgten kurz hintereinander.“ Das kleine L am Schluss von “ zurückgestürmtl“ müsste also stattdessen ein Komma sein.
S. 160: „Mushogee“: Ein zweifelhafter, aber vielleicht erfundener Ortsname. Es gibt aber einen Ort namens „Muskogee“.
Unterm Strich
Die ersten beiden Erzählungen sind vielfach abgedruckt worden. Sie sind spannend, actionreich, kenntnisreich – und doch mit einer ironischen Pointe versehen, die eine pessimistisches bzw. kritisches Licht auf die Natur des Menschen wirft. Dieser ist unbelehrbar, von Emotionen getrieben, so etwa von Egoismus, Misstrauen und Fremdenhass (General Attalos) usw. Die restlichen Geschichten sind ebenfalls unterhaltsam, witzig, flott und mitunter mit einem Knalleffekt.
Einzige Ausnahme ist die letzte Story. Innerhalb des Gesamtbandes aus 14 Stories, der von Heyne auf zwei Bände verteilt wurde (s.o.), dürfte „Der Tag des Gerichts“ den schwergewichtigen Mittelpunkt bilden, in diesem ersten Band ist sie ein pessimistischer, warnender Ausreißer. Das ist in Ordnung, denn damit zeigt der Autor, dass er sich auch auf andere Tonarten, Stile und Ansichten versteht, ähnlich wie „Tomorrow Never Knows“ auf dem BEATLES-Album „Revolver“ (1966), das ebenfalls völlig unerwartet auf die Ohren des Hörers trifft.
Taschenbuch: 208 Seiten
Originaltitel: A Gun for Dinosaur. And Other Imaginative Tales, 1. Teil, 1963
Aus dem Englischen von Werner Fuchs, Sylvia Pukallus und Irmhild Hübner
ISBN-13: 9783453306226
www.heyne.de
Der Autor vergibt: