Isaac Asimov & Martin Greenberg (Hg.) – Die besten Stories von 1940

SF-Stories aus dem Goldenen Zeitalter: Grüße von Klaatu

Dieser Auswahlband der „Great SF Stories“ enthält zwölf Erzählungen. Sie stammen von einigen bekanntesten SF-Klassikern, darunter A.E van Vogt, Fritz Leiber, Theodore Sturgeon und Isaac Asimov, aber auch von etlichen Autoren, die heute völlig (zu Unrecht!) vergessen sind, darunter ein gewisser Willard Hawkins und Harry Bates. Der „Astounding“-Herausgeber Bates jedoch lieferte die Vorlage zu dem zweimal verfilmten SF-Klassiker „Der Tag, an dem die Erde stillstand“. Die erste Verfilmung stammt aus dem Jahr 1951.

Jede Erzählung wird mit einer Anmerkung von Greenberg zum Autor und seinem Werk eingeleitet. Asimov steuert lediglich eine persönliche, gewöhnlich ironische Anekdote bei, wie er den Autor kennengelernt hat – oder auch nicht.

Die Herausgeber

1) Isaac Asimov, geboren 1920 in Russland, wuchs in New York City auf, studierte Biochemie und machte seinen Doktor. Deshalb nennen seine Fans ihn neckisch den „guten Doktor“. Viel bekannter wurde er jedoch im Bereich der Literatur. Schon früh schloss er sich dem Zirkel der „Futurians“ an, zu denen auch der SF-Autor Frederik Pohl gehörte. Seine erste Story will Asimov, der sehr viel über sich veröffentlicht hat, jedoch an den bekanntesten SF-Herausgeber verkauft haben: an John W. Campbell.

Dessen SF-Magazin „Astounding Stories“, später „Analog“, setzte Maßstäbe in der Qualität und den Honoraren für gute SF-Stories. Unter seiner Ägide schrieb Asimov nicht nur seine bekannten Robotergeschichten, sondern auch seine bekannteste SF-Trilogie: „Foundation“. Neben SF schrieb Asimov, der an die 300 Bücher veröffentlichte, auch jede Menge Sachbücher, wurde Herausgeber eines SF-Magazins und von zahllosen SF-Anthologien.

2) Martin H. Greenberg

Martin Harry Greenberg, 1941 geborener Politologe, ist ein bekannter amerikanischer Anthologist, der viele Sammlungen zusammen mit Isaac Asimov herausgab. Inzwischen müssen es mehr als 100 sein. Viele davon erschienen auf Deutsch, so etwa bei Moewig. Neben politologischen Sachbüchern veröffentlichte er in der SF Indizes und Bibliografien. Anthologien, siehe „Encyclopedia of Science Fiction“ Seite 523 bis 524 (1995).

Die Erzählungen

1) Willard Hawkins: Die Schrumpfkugel (The dwindling square)

Der Naturwissenschaftler Frank Baxter beschießt anno 1945 Materieklumpen mit den neu entdeckten Neutronen. Zu seiner maßlosen Enttäuschung entstehen immer bloß schwarze, geschrumpfte Klumpen, ganz egal, was er als Ausgangsstoff hernimmt. Er will Atomkraft erzeugen, aber was kriegt er stattdessen? So was wie Kohle. Und wo ist die ganze Energie hin?

Frank kommt sich wie ein Versager vor und bittet deshalb seinen Exkommilitonen Bernard Ogilvie, seine Ergebnisse und Methode zu prüfen. Der Ingenieur sieht jedoch im Gegensatz zu Frank die unglaublichen Möglichkeiten, die in dieser neuen Technologie stecken. Aus Müll und Stein lassen sich alle denkbaren Formen und Stoffe erzeugen. Weil er ein guter Kumpel ist, lässt Ogilvie einen Vertrag aufsetzen, der Frank und seinen Erben ein Vermögen verschafft. Das Verfahren nennt er Plastoscene.

120 Jahren später hat Plastoscene die Erde völlig umgekrempelt. Alle Metallindustrien sind verschwunden und mit ihnen die Arbeitsplätze. Es gibt nur noch die beherrschende Schicht der techno- und Bürokraten, darüber thront wie ein böser Gott ein weiterer Baxter, der Urenkel des Erfinders. Zusammen mit seinem rebellischen Sohn leiten sie eine Revolution ein, die Plastoscene der gesamten Menschheit zur Verfügung stellt.

Es kommt zu mehreren Verteilungskriegen, die rund 80 Jahre dauern. Der Frieden wird vom Weltkontrollrat gesichert, der die Geburtenrate rigoros kontrolliert. Doch nun beginnt unmerklich ein neues Problem, das sich erst im Lauf der Jahrhunderte bemerkbar macht: Die Gruben, aus denen das Rohmaterial für den Plastoscene-Umformer gewonnen wird, werden immer tiefer und fressen immer mehr der irdischen Substanz. In ferner Zukunft ist die Erdkugel kleiner als die ihres lunaren Trabanten…

Mein Eindruck

Tja, und was ist nun aus der Energie geworden, die Frank Baxter so dringend gesucht hat? Und Asimov, selbst Wissenschaftler der Biochemie, weist darauf hin, dass die Atomspaltung von weniger komplexen Atomen als Eisen Energie VERBRAUCHT als sie zu liefern. (Das ist einer der vielen Gründe, warum Uran-235 bzw. 238 ein so guter Atomenergie-LIEFERANT ist.)

Sei’s drum. Die ist eine der raren Erzählungen, die sich schon vor Hiroshima mit der Atomspaltung befassten, auf sehr kindliche Weise zwar (es gibt keinen Reaktor), aber immerhin. Clive Cartmills Story „In letzter Sekunde“ aus dem Jahr 1944 (siehe den Heyne-Band „SF aus den goldenen Jahren“) beschreibt die Folgen der Atomspaltung schon viel realistischer. Das rief allerdings auch den Militärischen Abschirmdienst auf den Plan, denn das MANHATTAN-Projekt zu verraten, fanden die Agenten überhaupt nicht lustig. Und deshalb ging die Angelegenheit weder für den Autor noch für den Herausgeber John W. Campbell besonders angenehm aus.

Hawkins erstaunte mich hingegen mit seiner Vorhersage schrumpfender Ressourcen und überhand nehmender Weltbevölkerung – also ungefähr jenem Szenario, dem wir uns heute gegenübersehen. Dass dadurch die Erdkugel schrumpft, ist allerdings blühender Blödsinn, denn vorher würde uns das Feuer aus der Tiefe verschlingen: Vulkane brächen aus, die Kontinentalplatten verschöben sich katastrophal und dergleichen mehr. Und die Sache mit der Energie, die ständig freigesetzt wird, bekommen wir im Zuge des Treibhauseffektes zu spüren.

2) Fritz Leiber: Die automatische Pistole (The automatic pistol)

Es ist die Zeit der Prohibition in den USA. In New York City und New Jersey liefern sich die Alkoholschmuggler ein Hasch-mich-Spiel mit der Polizei, zu Lande und zu Wasser. Anton Larsen ist der Kopf einer kleinen Bande von Schmugglern. Zu ihr gehören No Nose, der Ich-Erzähler, Glasses, ein ehemaliger Kleinstadtpolizist mit Professoren-Look – und schließlich der seltsame Inky Kozacs, der eine automatische Pistole sein Eigen nennt.

Die Pistole hat ein Magazin von acht Kugeln, besteht aus völlig schwarzem Metall und wird von Inky ständig gehegt und gepflegt, als sei es sein Haustier. Er redet sogar mit ihr in einer fremden Sprache. Das bringt Larsen derart auf die Palme, dass er Inky auf dem Kieker hat. Inky will seine Pistole um keinen preis verkaufen. Als No Nose und Glasses erfahren, dass Inky tot und seine Pistole verschwunden ist, machen sie sich gleich den richtigen Reim darauf.

Deshalb wird ihnen reichlich mulmig zumute, als Larsen zurückkehrt und sich von ihnen ins Versteck bringen lässt, eine Hütte in einem Nebenwasser des Sundes, an dem New York City liegt, umgeben von flüsterndem Schilf. Angeblich hat eine konkurrierende Schmugglerbande Inky um die Ecke gebracht, aber warum hat dann Larsen Inkys Pistole?

Für No Nose und Glasses beginnen Tage und Nächte, die ihnen den letzten Nerv rauben. Denn Inkys Pistole beginnt ein unheimliches Eigenleben zu entwickeln. Aber auf wen hat sie es abgesehen?

Mein Eindruck

Eigentlich ist dies ja eine Fantasygeschichte, denn sie funktioniert nicht aufgrund von Naturwissenschaft, sondern aufgrund von schwarzer Magie. Die titelgebende Pistole ist für den verblichenen Inky – der möglicherweise ein ungarischer Zigeuner war – eine Art Hausgeist, ein Familiar. So ein Hausgeist pflegt für sein Herrchen, allerlei dienstbare Aufträge zu erledigen, aber es wäre natürlich völlig verrückt zu glauben, dass eine Pistole ein Eigenleben entwickeln und auf Rache für den Mord an seinem Herrn sinnen könnte, nicht wahr?

Die Story ist äußerst anschaulich erzählt und entwickelt aus nur drei Personen ein psychologisches Drama, das man in der SF selten findet. Das zeigt eben die Klasse von Fritz Leiber. Er hat viel in der Fantasy und im Horror („Herrin der Dunkelheit“) geschrieben, aber nur wenig in der SF, so etwa „Verpass nicht den Zeppelin!“ und „Eine tolle Zeit“. Geliebt wird er für seine Sword & Sorcery-Geschichten um Fafhrd und den Grauen Mauser. Aber auch in der kleinen SF-Form weiß er immer zu überzeugen – und seinen augenzwinkernden Sinn für schwarzen Humor unter Beweis zu stellen, genau wie hier.

3) Jack Williamson: Späte Einsicht (Hindsight)

Vor 20 Jahren war William Webster ein Marskolonist und Student der achronischen Wissenschaft. Seine besten Freunde waren Tony Grimm und Elora Ronee, die Tochter des Professors für Achronistik und Geodäsie. Als sich Elora, die er liebte, jedoch für Tony entschied, nahm William das Angebot des Astrarchen von Ceres an, dessen Hauptingenieur zu werden. So wurde der Erdenmann zum Renegaten.

Heute erhält Brek Veronar, wie er sich nun nennt, in einer sonderbar riechenden Zigarre eine Geheimbotschaft von Tony und Elora: Die Erde werde massiv vom Diktator der Astrarchie unterdrückt, dem sie sich unterwerfen musste. Dem Diktator kann sich nichts mehr in den Weg stellen, denn das achronistische Visier, das Brek Veronar für die Schiffe entwickelt hat, berechnet Flug- und Schussbahnen um ein Vielfaches genauer als herkömmliche Methoden. So ist das Flaggschiff zum Schrecken des Sonnensystems geworden.

Vier Offiziere der Leibgarde nehmen Brek fest und bringen ihn zum Astrarchen. Der Diktator, der bislang sein Gönner gewesen ist, weiß von dem Plan, der auf dem Zettel in der Zigarre stand! Um seine Haut zuretten, beteuert Brek, dass man mit einem verbesserten achronen Visier auch die Vergangenheit ändern könne. Diese Behauptung kann er gleich beweisen, denn das Flaggschiff rast gleich los, um die in aller Heimlichkeit gebaute Kriegsflotte der Erde zu bekämpfen. Dahinter können nur Tony und Elora stecken, ahnt Brek…

Mein Eindruck

Das SF-Urgestein Jack Williamson veröffentlicht seit 1928 – da lag Asimov quasi in den Windeln. Er hat so viele Serien wie die „Legion of Space“ geschrieben, dass andere vor Neid erblassen, nicht zuletzt Asimov, der ihm nacheiferte, als er 1939 seine erste Story veröffentlichte.

Der O-Titel „Hindsight“ ist doppeldeutig, denn er meint nicht nur „späte Einsicht“, sondern auch „Blick zurück“. Das ist im Fall der achronischen Visiere wörtlich zu nehmen. In einer Szene werfen Brek und der Diktator einen Blick zurück auf eine Verzweigung der Geschichte: Elora Ronee schreibt eine Einladung an Tony zu einer Vorlesung, die dessen Wissen über die Achronik bedeutend erweitern wird – und das führt 20 Jahre später zur Niederlage der Flotte des Astrarchen.

Mit gewaltigem Energieaufwand ändert Brek diese entscheidende Einladung – doch die Wirkung bleibt die gleiche! Was kann William Webster nur übersehen haben? Tja, er hat nicht bedacht, dass die Wissenschaft der Achronik nicht nur die Vergangenheit berücksichtigt, sondern auch die Zukunft. Was diese Achronik jedoch ausmacht, wird sonderlich plausibel erklärt. Die Behauptung, dass sowohl die Vergangenheit als auch die Zukunft festgelegt wären, ist schlichtweg unhaltbar. Denn schon 1940 gab es ja die Quantenphysik, die alles relativ machte.

Das ist aber nicht das Thema der Geschichte. Das Thema ist vielmehr ist die Treue zur Erde, zum Heimatplaneten. Dass William diese Loyalität verraten hat, um sich einem Diktator – unschwer als eine Analogie zu Adolf Hitler zu erkennen – zu verdingen, ist unverzeihlich. Die Story ist also schon vor dem Kriegseintritt der USA in den 2. Weltkrieg eine Warnung vor Landesverrat und ein Aufruf zu Vaterlandstreue.

4) Ross Rocklynne: In die Dunkelheit (Into the darkness)

Dunkel wird in einem der 47 Ringe des Hyperraums von seiner Mutter Funke des Lebens geboren und ist vom ersten Tag an anders als seine Altersgenossen. Wie anders, erkennt sie bei einem Besuch des Ältesten, der bereits dem Ende seines Lebenszyklus‘ entgegensieht. Wo Dunkel umherhüpft wie ein Neugeborenes, da winkt der Älteste erst einmal weise und nachdenklich ab. Das Junge solle sich erst einmal umsehen, denn das Universum sei ja schließlich recht groß.

Nach den ersten Jahrmillionen seiner Existenz erwachte Dunkel aus einem langen Schlaf und merkt, dass ihn die Spiele seiner Gefährten nicht nur anöden, sondern regelrecht nerven. Dieses Herumspielen mit Himmelskörpern, Sonnensystemen und Galaxien kann doch nicht alles sein! Er hat drei Fragen an den Ältesten, die bislang kaum jemand zu stellen gewagt hat:

1) Worin besteht der Sinn meines Lebens?
2) Was hat das Purpurlicht in meinem Zentrum zu bedeuten?
3) Was liegt hinter der Dunkelheit am Rande des Universums?

Der Älteste weigert sich rundweg, die Frage 2 zu beantworten (denn dabei geht es um Sex…), und Frage 1 wäre eh sinnlos. Hinsichtlich Frage 3 wäre zu erwähnen, dass sich vor langer Zeit mehrere Wesen wie Dunkel auf die Wanderung begeben hätte – aber sie seien nie zurückgekehrt. Das schreckt Dunkel keineswegs ab, denn Jünglinge, die erst ein paar Jahrmilliönchen hinter sich haben, müsse das Unbekannte erkunden; das ist nun mal so.

Tatsächlich gelangt Dunkel in ein anderes Universum. Potztausend, hier gibt es einen Hyperraum mit 48 Ringen! Ein attraktives Wesen mit grünem Zentrallicht hat zwar ein wenig Furcht vor dem Fremdling Dunkel, findet ihn aber in seiner Andersartigkeit auch anziehend. Schwupps, saust sie in den 48. Ring. Dort findet Dunkel endlich Verwendung für sein Purpurlicht, denn damit kann er sich endlich mit ihrem Grünen Licht vereinen, um etwas Neues hervorzubringen.

Nach dieser Großtat jedoch beginnt für Dunkel die Existenz bittere Töne anzunehmen. Um die Vereinigung und Geburt nachzuahmen erschafft er seine eigene Welt, haucht ihm Leben ein und einen Spin, der ihn weit fort führen wird…

Mein Eindruck

Dies sei eine New Wave Story, die schon 20 Jahre vor dem Beginn der New Wave in der SF geschrieben wurde – derart fasst Asimov mal wieder ironisch den Sachverhalt zusammen. Nur, dass dem erfahrenen Leser all dieser Schilderungen schon verdächtig bekannt vorkommen. Hat nicht schon der Brite Olaf Stapledon ab 1930 in ähnlich kosmischen Dimensionen gedacht und Geschichten ausgemalt, nämlich in „The Star Maker“ aus dem Jahr 1937? Womöglich hat sich Rocklynne davon „inspirieren“ lassen. Mit New Wave hat das jedenfalls rein gar nichts zu tun.

Obwohl die Oberfläche funkelt und fasziniert, ist der Plot doch im Grunde reichlich banal: Es ist die Äonen alte, immer gleiche Story vom Aufbruch eines unzufriedenen Jünglings in ein fremdes Land, wo er einer unwiderstehlichen Maid begegnet und sofort den Drang verspürt, sich mit der Schönheit zu vereinen. Kaum ist der Sprössling da, macht sich unser Jüngling vom Acker, um einem ernsthafteren Geschäft nachzugehen: Planeten-Design. Prometheus, mach Platz! Douglas Adams hätte dazu einige witzige Dinge anzumerken, etwa über das Entwerfen attraktiver Fjorde…

5) Lester del Rey: Ein geheimnisvoller Auftrag (Dark Mission)

Der Fremde erwacht vor den Trümmern eines unbekannten Hauses. Die Überreste eines Raketenschiffes sind noch zu erkennen. Ist er damit gekommen? Er kann sich nicht an seinen Namen erinnern. Der Bewohner des Hauses hat den Absturz nicht überlebt. Ein geheimer posthypnotischer Befehl veranlasst den Fremden aufzustehen und zur nächsten Straße zu taumeln. Ein Autofahrer, dem er bei einer Motorreparatur helfen kann, nimmt ihn zur nächsten Stadt mit. Der Fremde merkt, dass er es nicht ertragen kann, berührt zu werden. Den Grund dafür kennt er nicht.

Der Arzt, vor dessen Praxis er sich absetzen lässt, ist zwar alt, aber immer noch geistig fit: Im Handumdrehen hat er aus der Brieftasche dieses Amnesieopfers eine Visitenkarte gefischt: „Dr. Lurton Haines“ steht darauf. Er bezweifelt, dass dies seine wahre Identität ist, denn er benötigt weder die beiliegende Brille noch die abscheulich riechenden Zigaretten.

Der geheime Befehl veranlasst ihn, mit dem Geld aus der Brieftasche von Dr. Haines eine Zugfahrkarte in die nächste Großstadt zu kaufen. Eine Zeitung berichtet über den bevorstehenden Start der ersten Rakete, die den Mars erreichen soll. Ein reicher Mann namens Oglethorpe hat sie gebaut und will damit in Kürze abheben. Für „Haines“ ist eines gewiss: Diese Rakete darf den Mars niemals erreichen – um jeden Preis…

Mein Eindruck

Lester del Rey war einer der ersten Autoren, die für John W. Campbell schreiben durften. Seine beste Story ist in meinen Augen „Nerven“, zu finden in Nummer 10 der TITAN-Bände der Heyne SF Classics Reihe. Wie dort ergibt sich die Spannung der Geschichte aus dem psychologischen Rätsel, das die Handlung zu ihrem mehrfach bekanntgegebenen Ende vorantreibt – doch keineswegs den Grund für das Handeln des Fremden.

Unerklärlich und zunehmend für Befürchtung Anlass gebend ist die wachsende körperliche Schwäche des Fremden. Was stimmt mit ihm nicht? Geschickt füttert der Autor den Leser mit weiteren Informationen, bis die Pointe am Schluss folgt. Die „dunkle Mission“, die ja auch einen Agenten einer ausländischen Macht zu einem Sabotageakt veranlasst haben könnte, entpuppt sich als altruistisch.

Das steht im krassen Gegensatz zu den bisherigen Absichten der Marsianer, wie sie bereits H.G. Wells in seinem Roman „Krieg der Welten“ als menschenfeindlich anprangerte (mit einem warnenden Hintergedanken). Man sieht also, dass die so harmlos und geheimnisvoll daherkommende Erzählung doch ein wertvoller Beitrag zu diesem Auswahlband ist.

6) Theodore Sturgeon: Es (It)

Es erhebt sich aus dem Waldboden, modrig, schwarz und heiß vor schimmliger Fäulnis. Es lebt nicht, es existiert, aber es kann seine Umgebung wahrnehmen, neugierig und suchend. Als es einem Hund begegnet, der es ankläfft, trifft es ihn mit einer mächtigen Pranke, dass er zusammenbricht. Auch das ist sehr interessant: Tod, Schlaf, der mit der Nacht kommt. Dann macht es sich über den Hund her.

Kimbo ist verschwunden, und Alton Drew, sein Herrchen, macht sich auf den Weg, um ihn zu suchen und gehörig auszuschimpfen. Alton wohnt auf der Farm seines Bruders Cory, der die schöne, blonde Clissa geheiratet hat und mit ihr die Tochter Babe aufzieht. Als Alton selbst noch um neun Uhr abends nicht zurückgekehrt ist, um die Kühe zu melken, zieht Cory wütend mit seiner Schrotflinte in den Wald, um Alton zur Rede zu Stelle.

Doch Alton hat seinen zerfetzten Hund Kimbo entdeckt und weicht nicht von dessen Seite, um das Monster zu stellen und zu töten, das seinen Jagdkameraden auf dem Gewissen hat. Deshalb schickt er Cory unter Androhung von Gewalt wieder nach Hause. Als Cory am nächsten Morgen merkt, dass Alton noch nicht zurück ist, stellt er sein Pflügen ein. Vier gewaltige Gewehrschüsse donnern durch den Wald, dann folgt Altons gequälter Schrei.

Als Cory zurück zum Farmhaus eilt, um seine Schrotflinte zu holen. Clissa ist verzweifelt: Babe ist fortgelaufen, hinaus in den Wald zu Onkel Alton. Cory flucht, bevor er in den Wald eilt. Er stößt auf eine Szene des Grauens – und auf einen seltsamen, schwarzgekleideten Mann…

Mein Eindruck

„Es“ ist eine der besten Horror-Stories überhaupt. Sie weist nämlich Gewaltakte auf, die man wegen der Zensur der Filmindustrie im Kino nie gezeigt bekommt: Gewalt gegen Tiere und gegen Kinder. Hier kommt beides zusammen, und die Kombination kann einem empfindsamen Gemüt ganz schön auf den Magen schlagen.

Das wichtigste Merkmal des Monsters aus dem Schlamm ist nicht etwa sein grässlicher Gestank, sondern seine seelenlose Neugier. Alles, was es in die Finger bekommt, muss es zerquetschen und sich einverleiben, so als wäre es ein kleines Kind. Das macht es zum Gegenteil eines Menschen, der über Gefühle wie Liebe und Hass verfügt. Und diese Fühllosigkeit ist noch gruseliger als der Tod, den es bringt. Indirekt warnt der Autor so davor, lebendige Dinge zu untersuchen, ohne ihnen Empathie entgegenzubringen. So wie es beispielsweise Atomphysiker oder andere Wissenschaftler tun. „Es“ ist eine warnende Story.

Aber es gibt auch eine Wendung zum Guten, so unwahrscheinlich das klingt. Babe findet die Aktentasche des kleinen, schwarzgekleideten Mannes und durchwühlt sie. Der Proviant ist lecker, wohingegen es die Notizen über ein Testament nicht sind. Darin werden 62.000 Dollar für denjenigen ausgesetzt, der die Gebeine eines bestimmten Kriegsveteranen aufspürt. Es ist der quicklebendige, sprudelnde Bach, der genau diese Gebeine bloßlegt, sobald das Monster in ihn gefallen ist und sich auflöst….

Es gibt eine andere Übersetzung dieser Story im Goldmann-Verlag. Im Storyband „Es“ sieht der Text ganz anders aus, denn der Übersetzer hatte viel mehr Platz. Ein Vergleich lohnt sich, auch im Hinblick auf ein besseres Verständnis.

7) A. E. van Vogt: Der Turm der Bestie (Vault of the Beast)

Mächtige Wesen aus einer anderen Dimension schicken einen Roboter in unser Sonnensystem, der in der Lage ist, laufend seine Gestalt zu verändern – ungefähr wie der T-1000, nur dass die Kreatur nicht metallisch ist. Als einziges fürchtet sie Fundamentales Metall (was auch immer das sein mag), denn darin kann sie eingesperrt werden. Mit einem Frachtraumschiff fliegt sie getarnt zur Erde.

Ihr Auftrag enthält drei Befehle: Finde das größte mathematische Genie dieses Sonnensystems; bringe es zum Turm, in dem einer der Alien-Wissenschaftler seit Jahrmillionen eingeschlossen ist, auf den Mars; öffne das Schloss, das durch eine nahezu unendliche große Primzahl gesichert ist, um den Wissenschaftler zu befreien.

Da es fortwährend eine andere Gestalt annehmen und Gedanken lesen kann, braucht das Wesen nicht lange, im Jim Prender ausfindig zu machen, ein Mathegenie, das sich als Investor Reichtümer, eine blühende Firma und die schönste Frau der Welt verschafft hat. Als Prender jedoch auf sein eigenen Doppelgänger schaut, beginnen die Dinge kompliziert zu werden…

Mein Eindruck

Dies ist pure Pulp Fiction, der reinste Trash, aber actionreich, rasant und ungemein faszinierend. Zumindest für Köpfe, die sich noch über mathematische Phänomene wie Primzahlen und das Problem ihrer Zerlegung Gedanken machen. Andererseits haben wir alle, ohne uns dessen bewusst zu sein, ständig mit Primzahlen zu tun: Damit werden die Datenübertragungen im Internet verschlüsselt (im SSL- und im TLS-Protokoll). Je größer die Primzahlenfaktoren, desto sicherer die Verschlüsselung. Genau diese Rolle spielen Primzahlen auch am Zeitschloss des Marsturms.

Heute erinnert die Geschichte fatal an „Terminator II“ und den gestaltwandelnden Roboter T-1000 (gespielt von Robert Patrick). Gut möglich, dass sich James Cameron davon „inspirieren“ ließ, so wie sich H.R. Giger bei seinem Alien-Entwurf von einer anderen Van-Vogt-Story „inspirieren“ ließ.

Wie auch immer: Die Aliens aus dem anderen Universum wollen auch unseres unterwerfen. Wer hätte das gedacht? Der Schlüssel dazu ist die Befreiung ihres genialen, aber leider eingesperrten Wissenschaftlers. Prender verrät ihnen die mathematische Lösung, aber es gibt da einen klitzekleinen Haken, der mit der Zeit zu tun hat – zu spät! Die ganze Aktion scheitert mal wieder am Teufel, der im Detail steckt. Erstaunlicherweise hat dabei der sonst so dienstbare Roboter seine Finger im Spiel.

8) Oscar J. Friend: Die unmögliche Straße (The impossible highway)

Professor Nelson und sein Biologiestudent Mackensie machen eine Wanderung durch das wilde Ozark-Gebirge westlich des Mississippi, als sie mitten im Wald auf eine makellos reine Betonstraße stoßen. Dieses Betonband macht den Prof sofort misstrauisch: Es endet bzw. beginnt mitten im Nirgendwo, ohne Anzeichen einer Bautätigkeit aufzuweisen, und ist so neu, dass sich keinerlei Spuren einer Benutzung finden. Kaum stehen er und sein Begleiter darauf, verstummt die Außenwelt. Nur die kleine Smaragdeidechse, die der Prof gefangen hat und in seinem Rucksack gefangen hält, macht sich geräuschmäßig bemerkbar.

Sie erspähen einen Glaskasten, der in ein paar Metern Entfernung am Straßenrand steht. Eine Texttafel erklärt den Inhalt des Schaukastens, der sogar mit einem Mikroskop versehen ist: Bakterien. Der Inhalt ist für die beiden Biologen verblüffend: Unter dem Mikroskop rührt sich nichts. Alles ist wie erstarrt, als ob eine unsichtbare Kraft es in Stasis versetzt hätte.

Zahlreiche weitere Kästen zeichnen die nächsten Milliarden Jahre des Lebens auf der Erde nach. Der vorletzte ist leer: Er ist für den homo sapiens sapiens reserviert. Professor Nelson schaut sich seinen Assistenten an und kommt auf einen teuflischen Einfall…

Mein Eindruck

Die Story hat weder Handlung noch Konflikt, sondern dient vielmehr als Ersatz für einen Essay über die Evolution auf der Erde. Was uns heute selbstverständlich und allgemein akzeptiert erscheint, war es anno 1940 keineswegs, zumindest nicht in den USA. Besonders im Bibelgürtel des Mittelwestens, in dem die Ozark Mountains liegen, begann die Erdgeschichte erst vor rund 6600 Jahren – von wegen Darwin und so! Daher kann man die Nachzeichnung der Evolution, die der Autor präsentiert, auch als Streitschrift für Darwins Lehre betrachten.

Etwas makaber, aber zwangsläufig erscheint mir Nelsons Einfall, den Schaukasten, der für homo sap. sap. reserviert ist, mit Mackensie zu füllen. Genauso wie er zuvor den leeren Schaukasten für die Eidechse mit seinem Exemplar aus seinem Rucksack bestückt hat. Doch Nelson steht noch der letzte Schaukasten noch bevor: die Evolutionsstufe, zu der sich der Mensch weiterentwickeln könnte…

9) Isaac Asimov: Ein seltsamer Spielgefährte (Strange playfellow; später „Robbie“)

Die achtjährige Gloria spielt für ihr Leben gern mit ihrem Roboter. Er ist einfühlsam, lässt sie immer gewinnen, und als Belohnung / Entschädigung muss sie immer das Märchen vom Aschenputtel vorlesen (in dem der Prinz die Hand der schönen, guten Schwester erringt). Schade, dass er sich nur durch Zeichensprache verständlich machen kann.

Doch Glorias Mutter ist gegen diesen seltsamen Spielgefährten. Obwohl ihr Mann George ein halbes Jahresgehalt für diesen Roboter ausgegeben hat, überredet sie ihn durch emotionale Erpressung, den Roboter durch einen Hund zu ersetzen. Gloria ist untröstlich und soll durch einen Monat des Vergnügens in New York City auf andere Gedanken kommen. Doch das gelingt erst, als der Weg erst in ein Museum für Roboter und dann in eine Produktionsfabrik für Roboter führt.

Dort entdeckt Gloria ihren Robbie wieder und saust entzückt auf ihn zu – direkt in den Weg eines Traktors, der sie zu überfahren droht! Robbie rast los, um sie zu retten…

Mein Eindruck

Das Erste Gesetz der Robotik lautet: „Ein Roboter darf einem menschlichen Wesen keinen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.“ Und genau dies tut Robbie auch im dramatischen Finale dieser Geschichte, die Asimov mit 19 Jahren schrieb – und nur an Frederik Pohl verkaufen kaufen konnte. Der änderte auch gleich den Titel von „Robbie“ in „Ein seltsamer Spielgefährte“ um. In allen späteren Ausgaben sorgte Asimov dafür, dass sie ihren O-Titel trug.

Interessanterweise ist hier an keiner Stelle die Rede von den Gesetzen der Robotik. Die wurde erst mit der fünften Robot-Geschichte formuliert. Aber Robbie verhält sich, als habe er das Erste Gesetz einprogrammiert bekommen. Merkwürdig ist hingegen, dass Robbies Metallhaut „siebzig Grad warm“ wird, das Kind aber trotzdem damit in Kontakt kommen darf. Was die Übersetzung verschweigt: Gemeint sind offenbar 70° Fahrenheit, nicht etwa Celsius!

10) Harry Bates: Abschied vom Herrn (Farewell to the master)

Die Aliens sind gelandet, und sie kommen in Frieden. Das Raumschiff steht eine Weile zwischen dem Weißen Haus und dem Washington Monument, bevor sich eine Luke öffnet und eine Rampe ausfährt. Vor den inzwischen eingetroffenen Panzern, Geschützen und Polizisten erscheint in der Öffnung ein schöner Mensch, der geradezu gottähnliche Züge trägt. Als er die Rampe hinuntergeht, erscheint hinter ihm ein riesiger Roboter.

„Hallo, habt keine Angst. Ich bin Klaatu, und das ist Gnut“, sagt der schöne Mann. Dann blitzt es im Gebüsch auf, gefolgt von einem Knall, und Klaatu sinkt tödlich getroffen zu Boden. Der Roboter, der zwei bedrohlich rote Augen aufweist, rührt sich nicht. In dem Aufruhr schließt sich unbemerkt die Luke des Raumschiffs.

Wochen später ist Klaatu in einem Mausoleum bestattet und das Raumschiff samt Roboter in einem neugebauten Seitenflügel des Smithsonian Museums untergebracht worden. Cliff Sutherland ist ein neugieriger Fotoreporter, der eine Story entdeckt: Entgegen allen Meinungen hat sich der Roboter Gnut doch bewegt!

Cliff versteckt sich im Museum und lässt sich einschließen. Etwa um Mitternacht erwacht Gnut zum Leben und entdeckt ihn mühelos, doch der angstzitternde Reporter sieht sich unverhofft verschont. Gnut geht zurück in sein Raumschiff, das Cliff nicht zu betreten wagt. Kurz darauf erscheint ein wütender Gorilla, der sich sogleich auf die wachenden Roboter stürzt. Cliff, der sich hinter einem der Roboter versteckt, fürchtet um sein Leben. In einem vehementen Kampf besiegt der behände Gnut den Gorilla und bringt ihn zurück an Bord seines Raumschiffs.

In der folgenden Nacht gelingt es Cliff erneut, sich im Museum zu verstecken. Diesmal entdeckt er noch viel Seltsameres: Der Museumsleiter Prof. Stillwell wird von Gnut in zweifacher Kopie herausgebracht und im Vestibül vor dem Raumschiff abgelegt. Neben dem toten Gorilla und einer ebenfalls toten Spottdrossel, die in der Nacht zuvor sang. Was hat das zu bedeuten? Stillwell lebt doch noch.

Diesmal wird Cliff beim Verlassen des Museums erwischt und von den höchsten Stellen der Bundespolizei des Sonnensystems verhört. Alle Planeten nehmen Anteil an der Landung der Aliens und verfolgen jedes Detail an ihren Fernsehapparaten. Bevor er sich verhören lässt, verkauft Cliff seine Story meistbietend an ein Nachrichtennetzwerk. Nachdem die Aufregung vorüber ist, muss er eine Bitte erfüllen: eine dritte Nacht mit dem Roboter zu verbringen. Aber diesmal innerhalb des fremden Raumschiffs…

Mein Eindruck

Der „Astounding“-Herausgeber Bates jedoch lieferte die Vorlage zu dem zweimal verfilmten SF-Klassiker „Der Tag, an dem die Erde stillstand“. Die erste Verfilmung stammt aus dem Jahr 1951. Deren Drehbuch unterschied sich ganz beträchtlich von der hier vorliegenden Originalerzählung. Nur der Reporter, der Roboter und Klaatu wurden beibehalten.

Im Rückblick erscheint uns Cliffs aufgeregtes Verhalten heute geradezu kindlich, doch anno 1940, als die USA sich noch nicht im Krieg befanden, war die Welt wohl noch einigermaßen in Ordnung und die Leser wollten möglichst aufregende Stories kaufen. Immerhin sorgt die hohe Emotionalität von Cliffs Erlebnissen und Reaktionen für gute Unterhaltung.

Diese Geschichte ist innerhalb der SF-Historie insofern bemerkenswert, als sie die erste ist, die belegt, wie unterentwickelt die menschliche Spezies gegenüber möglichen Fremden von den Sternen ist. Und zwar nicht in technischer Hinsicht, wie uns die 1930er Jahre suggerierten, sondern in moralischer Hinsicht. Diesen Aspekt griff Arthur C. Clarke 1953 in seinem Roman „Das Ende der Kindheit“ (Childhood’s End“) wieder auf. Außerdem gibt es eine Pointe, die den Titel rechtfertigt, aber das darf hier nicht verraten werden.

11) L. Sprague de Camp: Der exaltierte Professor (The exalted)

An der ehrwürdigen Yale-Universität gehen seltsame Dinge vor sich. Prof. Ira Methuen hat mit einem speziellen Elixier die Nervenzellen seiner Wenigkeit und die eines Schwarzbären aufgemotzt, nun müssen beide die Konsequenzen tragen. Der Schwarzbär Johnny Black wird Zeuge, wie sich sein Mentor in einen verrückten Erfinder verwandelt, dem allerlei Schabernack einfällt. Geniale Erfindungen zwar, doch stoßen sie bei einem Spender in spe auf wenig Gegenliebe. Methuen wird in eine Irrenanstalt gebracht.

Doch Johnny kommt zusammen mit dem Redakteur der Studentenzeitung Bruce Ingelhart auf die geniale Idee, dass nur Alkohol das Problem des verrückt gewordenen Professors lösen kann: Der Alk neutralisiert das Elixier und macht Methuen wieder „normal“. Mit der ironischen Begleiterscheinung, dass er seine „Wärter“ dazu bringen muss, ihm zu glauben, dass er nur besoffen „normal“ sei.

Um die ganze Angelegenheit zufriedenstellend abzuschließen, machen sich Johnny und Bruce ans Werk, um dem abtrünnigen Spender wortwörtlich ins Gewissen zu reden…

Mein Eindruck

Lyon Sprague de Camp ist ein richtiger Spaßvogel, und seine Erzählung belegt sein humoristisches Talent. Er schrieb SF, Fantasy und Sachbücher. An letzteren nahm sich Asimov für seine eigenen Sachbücher ein Beispiel, wie er im Vorwort erwähnt.

Obwohl die Übersetzung vor schrecklich entstellenden Fehlern („Neurosen“ statt „Neuronen“ usw.) nur so strotzt, ist doch immer noch erkennbar, dass der Autor in Sachen Naturwissenschaft durchaus beschlagen ist. Anwendungsbeispiele aus Optik, Akustik und Energieübertragung zeigen hier verblüffende Wirkungen – natürlich zum Vergnügen des Lesers. Andererseits könnte man diese Erfindungen auch fürs Militärs verwenden, und das war ja schon 1940 gar nicht so abwegig. Außerdem war Naturwissenschaft in einem Text, der für John W. Campbell bestimmt war, unerlässlich.

„The exalted“, also der O-Titel, kann aber nicht nur den Prof meinen, sondern auch den intelligenten Schwarzbären. Das Prinzip der Anhebung (exaltation) wurde später von David Brin wieder aufgegriffen. Er nannte es „Uplifting“ und schrieb dazu einen ganzen SF-Zyklus. Innerhalb ist der mehrfach ausgezeichnete Roman „Sternenriff/ Startide Rising“ sicherlich der beste.

12) P. Schuyler Miller: Der alte Mulligan (Old man Mulligan)

Die Venus ist er seit wenigen Jahren kolonisiert worden und die Zeiten sind noch rau. Auch für Polizisten wie Captain Davis und Sgt. Gibbon, die gerade im Städtchen Laxa zu einer Kneipe gerufen werden. Natürlich wieder mal der alte Mulligan! Er grölt sein schwachsinniges Lied darüber, er sei schon hunderttausend Jahre alt und habe schon Petrus, Paulus und Moses gekannt. Damit er bringt er bloß die Kundschaft auf die Palme.

Davis und Gibbon wollen ihn gerade abführen, um ihn in die Ausnüchterungszelle zu stecken, als sie von Waffen unbekannter Herkunft niedergestreckt werden. Sie kommen erst wieder auf einer Klippe am Venusozean zu sich – splitterfasernackt. Genau wie die anderen zwei Studenten, ihr Professor – und natürlich der alte Mulligan. Von dem Mädchen Anne Bradshaw, der Tochter des Regenten, findet sich jedoch keine Spur. Wer waren bloß diese Angreifer, fragt Davis die anderen. Er erfährt, dass ein Gangster namens Slip Hanlan hinter Anne her gewesen sei. Es handelte sich also um eine simple Entführung, und deswegen hocken sie jetzt alle schutzlos und nackt auf diesem Eiland im Ozean.

Da die Flut steigt, entfernt sich das Festland immer weiter von der Insel, der Boden unter ihren Füßen wird immer knapper – und schon bald werden die Seeungeheuer sich einen saftigen Leckerbissen auf dieser Klippe suchen. Doch der alte Mulligan macht allen Monstern der Tiefe einen dicken Strich durch die Rechnung und besorgt sich ein seltsames Gefährt, mit dem sie übersetzen können – zurück zu Slip Hanlan und Anne Bradshaw. Na, die werden eine Überraschung erleben…

Mein Eindruck

Irgendwie hatten die Autoren der damaligen Zeit ein Faible für urtümliche Umgebungen, in denen sich „echte Kerle“ beweisen konnten, ob sie noch den alten Pioniergeist intus hatten. Wie sich zeigt, machen schon bald Typen wie der Professor und seine Studenten schlapp, dann aber auch Davis und der verwundete Gibbon.

Lediglich der alte Mulligan, der schon seit Jahrtausenden gelebt haben will, bringt alle durch dick und dünn. Er ist ein Rückfall in der Evolutionsgeschichte, behauptet der Anthropologieprofessor, geradezu ein Neandertaler. Mulligan sieht aber auch etwas affenähnlich aus, findet Davis. Allerdings hat Mulligan Arme und Beine wie Baumstämme und legt im Überlebenskampf den Einfallsreichtum eines Oberpfadfinders an den Tag.

Ist dies schon die Vorbereitung des Lesers auf den kommenden Krieg im Dschungel der Pazifikinseln? Manchmal kamen mir die vorausschauenden Schilderungen richtig unheimlich vor. Es kommt sogar eine Art „Heimatfront“ vor: Slip Hanlan ist nur der Handlanger eines korrupten Politikers aus dem Regierungsrat, der noch ein größeres Stück vom Kuchen haben will. Und Anne Bradshaw ist keineswegs die „Jungfer in Not“, der Davis gerne ritterlich zu Hilfe eilen würde, sondern schmiedet ihre eigenen Pläne als „Höllenkatze“…

Die Story ist mitreißend, rasant, voller verblüffender Einfälle und einer unterschwelligen Kritik an der korrupten Politikerkaste. Der Zusammenhalt unter den „Guten“ ist der von Marine-Infanteristen oder Großstadtpolizisten in der Grundausbildung. Deshalb finden sie auch nichts dabei, nackt wie Adam zu gehen und zu kämpfen. Die Not schweißt sie zu einer eingeschworenen Truppe zusammen.

Merkwürdig ist allerdings, dass ein Planet wie Venus – inzwischen längst als Höllenplanet entlarvt – Flut und Ebbe haben soll. Denn dafür ist eindeutig ein Mond nötig, und der fehlt dem Abendstern.

Die Übersetzung

Eva Malsch versteht zwar etwas von Physik, aber allzu oft hat sie die Formulierungen, Bezeichnungen und Darstellungen falsch übertragen. Seit wann haben Frequenztöne denn „Umdrehungen“ (S. 283) statt Schwingungen? Aus Neuronen werden „Neurosen“ (S. 259), aus einem Richtstrahl wird ein „Sichtstrahl“ (S. 280). Aus Spenden bzw. Zuwendungen werden „Subventionen“ (s. 273), als handle es sich um öffentliche statt um private Gelder.

Permanent schreibt sie „Billionen“ statt Milliarden, selbst wenn klar ist, dass das Universum nicht 1000 Milliarden Jahre alt sein KANN. Sie klammert sich einfach an die „billions“ des Originals, und schreibt folglich auch „Trillionen“, wo es nur Billionen sein dürften. Das amerikanische Englische kennt ja keine Milliarden und Billiarden, die die Deutschen aus dem Französischen übernommen haben.

Von den unzähligen Rechtschreib- und Kommafehlern will ich hier keine aufzählen, denn die Liste wäre so lang, dass jeder Leser darüber einschlafen würde. Von den Bänden der Reihe „Die besten Stories“ ist dies eine der mangelhaftesten Übersetzungen, die ich gelesen habe.

Unterm Strich

Martin Greenbergs Auswahl für das Jahr 1940 umfasst in der Tat einige Meilensteine des SF-Genres. Da wäre einmal die erste Roboterstory Isaac Asimovs zu nennen, dann die eindrucksvolle Literaturvorlage für die zwei Filme mit dem Titel „Der Tag, an dem die Erde stillstand“. Auch „Der Turm der Bestie“ gehört zu den meistdiskutierten Erzählungen, die den Beginn des Goldenen Zeitalters markierten.

Nach Asimovs Ansicht begann diese kurze Ära, die bis 1944 währte, mit der Juli-Ausgabe von „Astounding“ im Jahr 1939. Damals erschien nicht nur – wen wundert’s? – eine Asimov-Story, sondern auch Van Vogts Klassiker „The Black Destroyer“. Diese Story lieferte die Schablone für alle Horror-Alien-Stories bis hin zu Gigers schwarzem Zerstörer an Bord der „Nostromo“…

Wieder einmal hat mich nach langen Jahren das Lesen von Th. Sturgeons Horrorstory „Es“ überzeugt, dass hier ein Meister der Kurzform seine ersten Gehversuche machte. Sturgeon sollte noch zahlreiche weitere Erzählbände veröffentlichen, und fast alle davon sind bei Goldmann und bei Shayol verlegt worden.

Wie bei „Es“ kann man sich bei Leibers Story „Die automatische Pistole“ allerdings fragen, was denn daran, bitteschön, so naturwissenschaftlich sei. Es ist eine Fantasystory, in der mehr Magie als sonstwas steckt. Ja, es ist sogar von einem Hausgeist und einem Zauberer die Rede. Aber man darf das wohl nicht so eng sehen, jedenfalls wenn es nach Greenberg geht.

Neben diesen Geschichten verblassen die anderen ein wenig, aber das wäre ungerecht gegen überragende Autoren wie Jack Williamson, L. Sprague de Camp und Lester del Rey (der später seinen eigenen Verlag gründete). Mit de Camp und Miller sind hier zwei Spaßvögel am Werk, deren Arbeit noch heute gut zu unterhalten weiß – auch wenn die Ozeane der Venus längst ins Reich der Fantasie gehören.

Selbst ziemlich didaktische Geschichten wie „Die unmögliche Straße“ und „Die Schrumpfkugel“ haben hier ihre Berechtigung. Ob Rocklynne für „In die Dunkelheit“ bei Stapledon abgekupfert hat, finde ich recht wahrscheinlich. Der Brite wurde vielfach als Steinbruch an Ideen benutzt, und „In die Dunkelheit“ hat genau die kosmische Dimension, für die Stapledon bekannt wurde. Leider sind sowohl Greenberg als auch Asimov in ihren Einleitungen zu dieser Story völlig auf dem Holzweg und verkennen die Nähe zu Stapledon.

Dieser Band sah offensichtlich nie den Schreibtisch eines Korrekturlesers. Die zahllosen Druckfehler, die den Sinn entstellen, sind Legion. Mehr dazu oben in dem Abschnitt „Die Übersetzung“. Die Fehler führen zu Punktabzug.

Taschenbuch: 320 Seiten
Originaltitel: Isaac Asimov presents: The great stories 2 (1941) 1979
Aus dem Englischen von Eva Malsch
ISBN-13: 9783811867116

Moewig Pabel

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