Moderner Terror: U-Boote gegen Alaska
Der US-Sicherheitsberater Admiral Arnold Morgan muss einen der gefährlichsten Terroristen ausschalten – einen Mann, den die westlichen Militärs selbst ausgebildet haben. Ray Kerman ist der Kopf hinter den brutalen Anschlägen der islamischen Hamas. Jetzt will er mit dem Atom-U-Boot Barracuda 945 die gesamte Ölversorgung der Amerikaner an der Küste Alaskas lahm legen. (Verlagsinfo)
Wieder einmal entwirft U-Boot-Spezialist Patrick Robinson ein gar schröckliches Zukunfts-Szenario: Hamas-Terroristen haben es auf die Versorgung der USA mit Alaska-Erdöl abgesehen. Unfair!
Der Autor
Der Brite Patrick Robinson, geboren in Kent/England, war jahrelang Journalist, bevor er sich mit Seefahrt-Sachbüchern und seinen Technothrillern um gefährliche U-Boote einen Namen als Schriftsteller machte. Mit „Nimitz Class“ schrieb er einen Bestseller, dem noch weitere bei Heyne veröffentlichte Bände über den U-Boot-Krieg folgten: u.a. „HMS Unseen“ und „Kilo-Class“. Er lebt in Irland und den USA.
Erzählende Werke
Admiral Arnold Morgan
Nimitz Class – Nimitz Class (1997)
Kilo Class – Kilo Class (1998)
In tödlicher Mission – H.M.S. Unseen (1999)
Unter Beschuss – U.S.S. Seawolf (2000)
Tödliche Tiefe – Shark Mutiny / U.S.S. Shark (2001)
Gefährlicher Einsatz – Barracuda 945 (2003)
Tödliche Flut – Scimitar SL-2 (2004)
Jagd in der Tiefe – Hunter Killer (2005)
Codename Viper – Ghost Force (2006)
Bis zum bitteren Tod – To the death (2008)
Navy Seal Lt. Commander Mack Bedford
Mission auf Leben und Tod – Diamondhead (2009)
Lauschangriff-Im Visier der Feinde – Intercept (2010)
The Delta Solution (2011)
Power Play (2012)
Handlung
Zunächst steht Ray Kerman im Mittelpunkt der Handlung. Ray wurde als Ravi Rashud in der iranischen Stadt Kerman geboren, doch als 1979 Ayatollah Khomeini den Schah vertrieb, musste auch seine Familie fliehen. Er wuchs in London auf, besuchte ein Internat für die Elite (Harrow), doch statt in die Wirtschaft zu gehen, schloss er sich der Armee an. Dort brachte man ihm alle Methoden des Tötens bei, bis er schließlich ob seiner Führungsqualitäten bei Stoßtrupps zum Major in der SAS-Elitetruppe aufstieg. Eine soldatische Bilderbuchkarriere. Dann fangen die Dinge an, merkwürdig zu werden.
Ein Mann verschwindet
Kerman ist der leitende Ausbilder der israelischen Armee (IDF), als die Israelis eines frühen Morgens in der palästinensischen Stadt Hebron einmarschieren, um Waffenlager der Hamas auszuheben. So gut organisiert Kerman den Vormarsch auch geplant hat, so chaotisch entwickelt sich die Lage, als die Hamas zurückschießt und die israelischen Soldaten ausrasten. Sie machen alles platt. In dem Chaos verschwindet Major Kerman spurlos. Nur zwei seiner Untergebenen findet man später ermordet in der Ruine eines arabischen Hauses.
Ist es möglich, dass dieser hochrangige Offizier, der demnächst die Leitung des SAS – eine Art britische GSG-9 – übernehmen sollte, zu den Feinden der Briten, Amerikaner und Israelis übergelaufen ist?
Geniestreiche
Tatsächlich müssen Lt. Jimmy Ramshawe von der National Security Agency (NSA) und sein Chef Arnold Morgan, der fast allmächtige Sicherheitsberater des US-Präsidenten, bald feststellen, dass die Aktionen der Hamas neuerdings offenbar von einem militärischen Genie gesteuert werden, das sich jeder Verfolgung entzieht. Höhepunkt dieser Serie von Aktionen ist die generalstabsmäßig geplante und ausgeführte Befreiung von 47 politischen Gefangenen aus einem israelischen Hochsicherheitsgefängnis. Es gibt nur einen Verdächtigen: Major Ray Kerman.
Eskalation
Die Amerikaner ahnen nicht, dass Kerman einen genialen Plan verfolgt, der die Albträume des Pentagon wahr werden lassen könnte: Mit einem russischen Atom-U-Boot, das die Chinesen für den Iran kaufen, will Kerman die Ölversorgung der Amerikaner an der Küste Alaskas, Kanadas und Kaliforniens lahmlegen. Sollte dieses Vorhaben gelingen, würden sich als Folge davon die Ölpreise binnen einer Woche mindestens verdreifachen, würde die kalifornische Wirtschaft zusammenbrechen und würden die Amerikaner wieder von den Ölexporten der Iraner und anderer islamischer Staaten abhängig.
Ein durchtriebener Plan
Der Plan ist ebenso wahnsinnig wie durchtrieben. Gelingt es den Amis nicht, die Anschläge zu verhindern, so stürzt die westliche Welt in ein wirtschaftliches Chaos, das die Zeit nach dem 11. September 2001 in den Schatten stellt. Und dabei sollen nicht einmal Menschen Opfer der Attacken werden, sondern lediglich Maschinen und Installationen. Das Jahr 2008 soll ein denkwürdiges Jahr werden.
Das Katz-und-Maus-Spiel kann beginnen. Das Problem für die Katze ist dabei, dass die Maus keinen Piep von sich gibt…
Mein Eindruck
Wieder einmal führt Robinson dem Leser vor Augen, dass ein Atom-U-Boot die gefährlichste Waffe darstellt, die es zur Zeit gibt. Es ist kaum zu hören, zu orten, geschweige denn zu versenken, und es kann jahrelang ohne aufzutauchen operieren. Damit dies auch glaubwürdig vermittelt wird, beschreibt der Autor das 8000 Tonnen schwere U-Boot „Barracuda 945“ in allen Details, fast schon bis zum Überdruss. Man ist wirklich erleichtert, wenn endlich die Action losgeht.
Die Dimension der Bedrohung durch das Boot wird in den Reaktionen der Geheimdienste sichtbar gemacht, allen voran bei der NSA. Unser Mann am Computer ist dort Lt. Commander Jimmy Ramshawe, der einem mit seiner australischen Direktheit durchaus sympathisch werden kann. Auch gegenüber seinem Boss Arnold Morgan, der selbst einem deftigen Fluch nicht abgeneigt ist, kann er ab und zu schon mal ausfallend werden, allerdings nur per Zufall. Merke: Auch bei der NSA, also in „Crypto City“, arbeiten Menschen.
Nach einem furiosen Beginn in Hebron und einem tollen zweiten Teil an der syrischen Grenze gerät die Handlung in den langsamen Mittelteil. Da muss man durch, denn hier wird der Coup des Jahrhunderts vorbereitet, der schließlich in allen erschreckenden Details vor uns ausgebreitet wird. Im Mittelteil fädeln die Hamas und der Iran das U-Boot-Geschäft mit den Russen und Chinesen ein. Und zwar so ausgeklügelt, dass man später alle Beteiligten nicht an den Pranger stellen kann. Das ist fein ausgedacht und perfide durchgezogen. Die Amis haben später alle Mühe, den Schuldigen überhaupt auf die Spur zu kommen. Aber sie werden zurückschlagen, keine Frage.
Schwächen
Dies wäre also die unterhaltsame Oberfläche der Handlung. Was bei mir immer wieder ein Stirnrunzeln hervorgerufen hat, ist die Begründung des Überlaufens von Ray Kerman alias Ravi Rashud. Dieser psychologisch-emotionale Umschwung erfasst offensichtlich sein ganzes Sein, Denken und Fühlen. Seine englische Erziehung und die Wertvorstellungen aus seiner militärischen Ausbildung sind plötzlich alle beim Teufel, und er besinnt sich auf seine islamischen Wurzeln. Das erscheint mir höchst unglaubwürdig. Dass er sich in eine schöne Hamas-Angehörige verliebt, kann man schon eher verstehen. Shakira Sabah wird nicht nur Seelen- und Lebens-, sondern auch seine Kampfgefährtin. Die Amis dürften sie ebenfalls zum Teufel wünschen, denn ihre detailierte Planung ist es, die die Raketenangriffe auf Alaska etc. so erfolgreich macht.
Republikaner
Robinson macht keinen Hehl aus seinen Sympathien für die Republikaner, die für ein wehrhaftes Amerika sorgen. Er lässt seinen Admiral Morgan heftig gegen die beiden letzten demokratischen US-Präsidenten wettern, deren Schuld es ist, dass die USA den Panama-Kanal verloren. Und das Szenario, das er zeichnet, sieht vor, dass die Rotchinesen die Macht am Kanal übernehmen, aber nicht in Gestalt der Volksbefreiungsarmee, sondern in Form eines Konzerns, den die VBA fest in der Hand hat. Diplomatie zwecklos!
Unterm Strich
Ich fand den Techno-Thriller von Marinefachmann Robinson äußerst spannend. Eine Durststrecke war lediglich der Mittelteil. Unglaubwürdig fand ich den Sinneswandel der Hauptfigur Ray Kerman. Aber sonst genoss ich die Attacken gegen Banken, Gefängnisse und schließlich gegen die gesamte Westküste Amerikas. Die Spannung wird laufend aufrecht erhalten, und beim Angriff während der OSCAR-Verleihung im Jahr 2008 ergeht sich der Autor in finsterster Ironie, dass es eine Pracht ist. (In Hollywood wimmelt es bekanntlich vor verhassten Demokraten.)
Die Übersetzung
Ein besonderes Vergnügen war mir die deutsche Übersetzung von Karl-Heinz Ebnet. Der muss wohl selbst Marine-Experte sein, denn niemals kommen Zweifel an der Korrekt der Terminologie auf. Auch der Jargon, sei es bei der Marine oder in der Umgangssprache, ist astrein und stilecht. Diese Übersetzung ist ein Lichtblick in der Buchlandschaft.
Bleibt eigentlich nur eine Frage offen: Schreibt man „Bar(r)acuda“ mit einem oder mit zwei R? Siehe dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fer_Barrakuda.
Taschenbuch: 544 Seiten
ISBN-13: 978-3453878006