Im Auge des Orkans: blutige Action
Shalyn Shan, geboren 2077, ist die Kommandantin des modernen Forschungsschiffes TITAN. Sie hat bereits einige gefährliche Abenteuer hinter sich, und bei einem davon verlor sie ihren Gatten Jörn Callaghan, der seitdem verschollen ist. Nach einem dieser Abenteuer tritt Shalyn den verdienten Urlaub an. An dessen letztem Tag lernt sie die hübsche Monja Anjetta kennen und verliebt sich seltsamerweise Hals über Kopf in sie. Shalyns Begleiter, der extraterrestrische Ritter Sir Klakkarakk, wundert sich. Was ist in die Kommandantin gefahren? Liegt es daran, dass Shalyn eine suuranische Empathin ist?
Mit knapper Not entkommen Shalyn Shan, Wernher von Witzleben und die Anderen einem erneuten Anschlag – ein Kamikaze-Gleiter ist in das alte Gebäude gestürzt, in dem sie Roseanne aufgesucht hatten und zu Monjas Vergangenheit befragen wollten. Wie sich später herausstellt, gehörte das Raumschiff der WORLD-MARKET-Flotte an. Dieser Umstand wirft neue Fragen auf…
Der Autor, die Reihe, die Chronologie
Über den Autor oder die Autorin S.H.A. Parzzival ist nichts bekannt und der Verlag vermeldet auch nichts. Wie auch immer: Jörg Kaegelmann konzipierte die Buchreihe „Sternenabenteuer TITAN“ mit dem am 11.9.2004 verstorbenen Autor und Übersetzer Thomas Ziegler. Zunächst hieß die Reihe noch „Raumschiff PROMET“, doch wie uns die Vita von Shalyn Shan erklärt, wechselte die Hautpfigur der Reihe mehrmals das Schiff. Gegenwärtig ist es die TITAN. Diese Kurzbiografie findet sich im Anhang des Buches und ist Teil des TITAN-Lexikons. Dies wird in jedem Band fortgesetzt.
Jedem Band ist eine Seite vorangestellt, die den Leser darüber aufklärt, WAS BISHER GESCHAH. Das ist ein unerlässlicher Service für den Einstieg in jedes Abenteuer. Es ist also nicht nötig, mit Band 22 zu beginnen, um die Folgebände zu verstehen. Mit Band 22 start eine neue Unterserie, die etwa zwei erzählte Jahre nach dem Ende der vorherigen Abenteuer einsetzt.
Der Zyklus „Raumschiff TITAN“
22) Todesanzeigen
23) Germania
24) Gefühlsjäger
25) Himbeertod
26) Fledermaus
27) Krakentanz
28) Dorlog
29) Sternenkind
Wird fortgesetzt.
Handlung
Shalyn Shan, die Kommandantin des Raumschiffs „Titan“, versucht die Vergangenheit und Herkunft ihrer Geliebten Monja Anjatta aufzuklären. Auf den Hinweis des zwielichtigen Polizei-Agenten Wernher von Witzleben, genannt „Die Fledermaus“, hin besucht sie in einem Wolkenkratzer von Yellowknife, Kanada, zwei Frauen. Diese geben an, mehr über Monja zu wissen. Eine von ihnen sei sogar Monjas Schwester – aber sie sieht aus, als wäre sie neunzig, und Monja ist wohl höchstens zwanzig.
Bevor sie ihr weitere Informationen abkaufen kann, muss Shalyn jedoch einem Alarm nachkommen. Ein Gleiter droht in das Hochhaus zu krachen – Unfall oder Anschalg? Bei Shalyn weiß man das nie so genau. Sir Klakkarakk, die ritterliche Riesenheuschrecke, beschützt Shalyn und Monja, indem er sie und die alte Frau mit Riesensprüngen aus dem Haus schafft. Als der Gleiter hineinkracht, gibt es eine vernichtende Explosion. Hat es wirklich jemand auf Shalyn abgesehen? Und was hat die sich verändernde Tätowierung in Monjas Gesicht zu bedeuten?
Draußen in den Straßenschluchten von Downtown Yellowknife tobt sich ein Orkan aus, der von der Wetteranomalie über GERMANIA in Arizona hervorgerufen wurde. GERMANIA ist der Nachbau der von Adolf Hitler geplanten Reichshauptstadt, den der Tycoon Michael Moses, Chef des Konzerns WORLD MARKET, als Firmenzentrale aufbauen ließ. Allerdings haben Öko-Terroristen die Wettermaschine von GERMANIA manipuliert, doch sie verloren die Kontrolle. Das Ergebnis ist ein riesiger Hurrikan, der nicht nur Kanada plattzumachen droht, sondern ganz Nordamerika.
Immerhin kümmert sich „Fledermaus“ wieder um Shalyn und Monja. Sie traut ihm nicht ganz, denn seine Methoden und sein ganzes Gebaren sind höchst unorthodox, so dass er alles andere als ein Polizist sein dürfte. Aber wer bezahlt ihn dann? Ist es vielleicht Michael Moses? Verdächtig ist schon mal, dass er behauptet zu wissen, dass Moses gerne eine Gesangskarriere für die süße Monja in die Wege leiten würde. Doch Fledermaus warnt Monja vor solch einer lebensverändernden Wahl, sagt aber nicht, wieso.
Zu allem Überfluss will er sie nun auch noch nach GERMANIA mitnehmen, um die dortige Alieninvasion abzuwehren. Was sollen sie dort? Shalyn soll in wenigen Stunden das Kommando über die „Titan“ übernehmen, und ihrem Beschützer fällt nichts Besseres ein, als einen Ausflug in die Wüste zu unternehmen. Sein Auftritt gegenüber den cadschidischen Aliens ist noch bizarrer als alles, was Shalyn bislang von ihm geboten bekommen hat…
Unterdessen…
…entdeckt der Müllmann Benyam Eriksson, dass er in Wahrheit ein hochgezüchter Spezialagent ist beziehungsweise war – vor zehn Jahren. Als ihn der Polizist Peterson verfolgt, sterben alle von Benyams Kontakten eines sehr unnatürlichen Todes: durch eine Kugel oder einen Laserstrahl. Doch selten bekommt Benyam den Killer zu sehen. Erst als er sich in die Höhle des Löwen wagt und Peterson im Yellowknifer Polizei-Hauptquartier aufsucht, enthüllt dieser ihm die schreckliche Wahrheit…
Mein Eindruck
Die TITAN-Reihe nimmt für sich in Anspruch, „Social Fiction-Thriller“ zu bieten. Um diesen Anspruch zu erfüllen, setzen sich die Romane stets aus mindestens zwei Erzählsträngen zusammen, je einen für die Social Fiction und den Thriller. Die spannenden Ereignisse um Michael Moses in seinem Kampf gegen die Ökoterroristen eignen sich meines Erachtens ausgezeichnet für die Social Fiction-Seite, denn hier geht es um Auswüchse der Gesellschaft, platziert im Jahr 2109.
Zukunft
Bemerkenswert, dass diese Extrapolation gar nicht so weit an den Haaren herbeigezogen erscheint. Schon heute haben wir ja Multis, die sich wie etwa Microsoft einem weltweiten Monopol annähern. Warum sollte nicht das Gleiche im Bereich der Supermärkte passieren? ALDI for the world – warum nicht? Dass Ökoterroristen nicht erst im Jahr 2109 auftreten dürften, verlangen die Gesetze der Wahrscheinlichkeit. Der Schritt vom Greenpeace-Aktivisten zum Terroristen ist vermutlich nur ein kleiner, wenn auch ein signifikanter. Aber dass er erst so spät erfolgen soll – oder wieder einmal, halte ich für unwahrscheinlich. Hier gibt sich das Zukunftspanorama, das der Autor entwirft, harmloser als es sein könnte. Aber natürlich ist dies erst der schwache Anfang von dem, was noch kommen wird.
Zukunft ist wie Vergangenheit, nur anders…
Der Hurrikan in Yellowknife übertrifft den Orkan „Kyrill“, der 2006 über Europa hinwegfegte, noch um einige Windstärken. Diese Szenen sind sehr realistisch und „nah dran“ erzählt. Allerdings fand ich es etwas seltsam, dass laufend Fahrräder und Fahrradständer durch die Straßen gefegt werden. Ist der Welt bereits das Öl ausgegangen? Davon war bislang nicht die Rede.
Ein weiterer Anachronismus ist Wernher von Witzleben, und zwar in seiner Gesamtheit, ein totaler Fremdkörper in der Geschicht, aber daher umso faszinierender: der Joker im Spiel. Er steht auf Musik von Led Zeppelin, Status Quo – die sogar die junge Monja kennt! – und Blondie, also eine wilde Mischung von Bands aus den Endsechzigern, Siebzigern und Achtzigern. Das sei „seine Zeit“, behauptet er immer wieder, worüber sich Shalyn königlich amüsiert könnte, wäre der Typ nicht so durchgeknallt, dass er ihr schon wieder Angst macht. Er sollte uns mal seine Anti-Ageing-Methode verraten, die es ihm erlaubt, über 140 Jahre alt zu werden.
Shalyn Shan
Für den Thriller ist eher Shalyn Shan zuständig. Und nicht von ungefähr hat sie es mit allerlei Rätseln um ihre neue Gefährtin, die kindhafte Monja, zu tun. Shalyn kann sich hier als Privatdetektivin betätigen. Für Mystery à la Philip Marlowe ist also gesorgt, aber auch überall, wo Shalyn auftaucht, gilt es Gefahren zu bestehen. Die Flutwelle in den Bergen in „Todesanzeigen“ ist nur eine davon, in den Folgebänden folgen noch viele weitere, zuletzt der Gleiterabsturz in Yellowknife. Immer wieder darf sich Shalyn als Lebenretterin bewähren. Denn Monja verfügt offenbar in keinster Weise über das geistige Rüstzeug, plötzlich auftretende Gefahren zu bewältigen.
Monja
Wenn mich eines an diesem Roman immer wieder geärgert hat, dann war es die kindliche Mentalität der etwa 20-jährigen Monja, die sie auf das Niveau einer Zwölfjährigen stellte, so dass Shalyn sie immer wieder bemuttern darf. Aber wer weiß schon, wie alt Monja wirklich ist, wenn sie doch für die Zeit vor ihrem sechsten Lebensjahr keinerlei Existenznachweis erbringen kann? Das zu glauben, fällt nicht nur der World-Police schwer, sondern auch Shalyn. Wenn man bedenkt, dass Computer bereits heute alles und jeden erfassen, müsste Monja entweder sehr weit weg versteckt worden sein – oder frisch fabriziert worden sein. Dass ihre Erinnerung daran gelöscht wurde, liegt nahe.
Trinkhallen usw.
Yellowknife, obwohl im nördlichen Kanada gelegen, ist ein richtig heimeliger Ort, an dem sich jeder Hannoveraner sofort wohlfühlen würde. Das liegt zum einen an den heimeligen Kneipen, pardon: „Bierbistros“, und zum zweiten an den Trinkhallen. Trinkhallen sind südlich des Weißwurstäquators unbekannt, und deshalb stellt man sich südlich der Mainlinie Wunder was darunter vor. Gehen die Leute scharenweise hin, um einen Biertrinkwettbewerb zu veranstalten? Findet so etwas wie eine Saufolympiade statt? Werden Bierwampen prämiert? Das können nur die Nordlichter beantworten. Aber wie dem Buch zu entnehmen ist, handelt es sich bei einer „Trinkhalle“ um einen Anbau zu einem Kiosk, und dies ist zumindest eine international verstandene Bezeichnung für einen Tabak- und Zeitungsverkaufsstand. Das widerlegt die Annahme einer olympischen Veranstaltung im Trinkhallenformat.
Unterm Strich
In dieser Episode herrscht die Action vor, die vor allem männliche Leser ansprechen dürfte. Benyam ist ständig in Gefechte verwickelt, und die Show, die von Witzleben abzieht, ist nicht anders als ein Massaker zu nennen. „Sin City“ lässt schön grüßen. Anders als in meiner Handlungsskizze wird die Handlung überwiegend von Benyam Eriksson bestritten. Das ist zwar ganz interessant und sorgt für gehörig blutige Action, scheint aber überhaupt nichts mit Shalyn Shan zu tun zu haben. Vorerst zumindest.
„Fledermaus“ erfüllt anspruchslose Erwartungen von jungen Lesern zwischen 14 und 16 Jahren, die gerne mal was anderes als „Perry Rhodan“ lesen würden. Diese Episode ist wesentlich kunstfertiger und routinierter geschrieben als die vorherigen Folgen, wenn auch hier und da noch gehörig Zeilen geschunden werden. Wegen Überlänge fehlt diesmal das TITAN-Lexikon. Das hätte sich vermeiden lassen, hätte das mallorqinische Lektorat TTT etwas mehr Leerlauf gekürzt.
Alle Bände sind ausgezeichnet illustriert – von einem Illustrator, der sich offensichtlich mit seiner Software sehr gut auskennt. Sie könnten aus einem beliebigen Spiel à la „Lara Croft“ stammen, denn die abgebildeten Mädels sind obenrum ebenso gut ausgestattet wie die Titelheldin jenes Spiels. Ulkigerweise fällt ihr Haar immer ENTGEGEN der Schwerkraft. Gamesworld, du hast uns wieder.
Insgesamt bekommt man für knapp zehn Euro eine sehr gut ausgestattes Serienheft in Taschenbuchform – allerdings nur in einer limitierten Auflage von 999 Stück. Das macht die Serie für Sammler höchst interessant, denn alles, woran es einen begrenzten Vorrat gibt, erfährt später, nach dem Verkaufsende, eine entsprechende Wertsteigerung.
Taschenbuch: ca. 160 Seiten
ISBN-13: 978-3898401258
www.blitz-verlag.de
Der Autor vergibt: