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Hamilton, Laurell K. – Tanz der Toten (Anita Blake 6)

Wieder einmal hat Anita Blake reichlich Aufregung in allen Bereichen ihres Lebens. Ein bei „lebendigem“ Leibe verfallender Meistervampir und sein menschlicher Diener bitten sie um Hilfe, um den Vampir zu heilen. Privat kämpft sie mit den Schwierigkeiten, die eine Beziehung zu einem Werwolf mit sich bringt. Das Wolfsrudel, dessen Verhalten für einen Menschen extrem irritierend und gefährlich ist, ist in zwei Gruppen gespalten. Da ihr Freund Richard der Anführer der einen Partei ist, wird sie in die Auseinandersetzung hineingezogen. Dass ihr gleichzeitig ein bezahlter Killer nach dem Leben trachtet, macht ihren Alltag noch komplizierter. So erkennt sie erst spät die Gefahr, die ihr von dritter Seite droht. Bei all den mörderischen Herausforderungen bleibt der Autorin aber viel Raum, um die Heldin reichlich erotisch angehaucht mit den zwei Männern in ihrem Leben turteln zu lassen.

Wie auch schon in früheren Bänden um die Totenerweckerin Anita Blake ist die Hauptfigur die Erzählerin der Geschichte. Cool und selbstsicher, wie weibliche Helden heute im Fantasy- und Horrorgenre sind, hat sie die Gefahren ihres Jobs stets im Griff. Ergänzt wird sie vom genretypischen Personal: einem französisch sprechenden Liebhaber, der natürlich ein schöner Frauentyp ist, dem kühl berechnenden Auftragskiller, gut in die bürgerlich-menschliche Gesellschaft integrierten Lykanthropen und in der Gastronomie tätigen Vampiren.

Was den Schreibstil anlangt, bleibt die Autorin ihrer in dieser Reihe eingeschlagenen Richtung treu. Mit der gebotenen Toughness schildert Anita Blake die Ereignisse und ihre Gefühle. Wieder kabbelt sie sich mit Meistervampir Jean-Claude, der sie in bewährter Manier umschmeichelt.

In diesem Buch treibt Laurell K. Hamilton die schwülstige Erotik zwischen der Vampirscharfrichterin und ihren zwei Verehrern jedoch auf die Spitze. Immer wieder wird die äußere Handlung durch anzüglichen Schlagabtausch unterbrochen. Das erinnert selbst die geneigte Leserin sehr an den Kitsch von Groschenheften mit Liebesgeschichten. Die gruseligen Szenen werden in der heute üblichen Manier drastisch genug geschildert.

Im sechsten Band um Anita Blake mutet die Autorin der Heldin und vor allem den Leserinnen viel zu. Leserinnen, weil wohl kaum Männer solchen schwülstigen Erotik-Unsinn mit Horror-Rahmenhandlung lesen würden, auch wenn es in den hinteren Kapiteln des Buchs befremdend nach Männerphantasie aussieht.

So, wie Anita und ihr Werwolffreund Richard entschlossen unentschlossen einander umschleichen und dann doch nie zur Sache kommen, passt es auf keine Monsterhaut. Dabei kann man Laurell K. Hamilton wirklich keine mangelnde Verwendung des f-Wortes vorwerfen. Aber das Ausmaß an gefühlsmäßiger Verwirrung und Verstrickung der Protagonistin lässt selbst die geneigte Leserin zu oft auf den nächsten Anschlag des Killers hoffen, um von den Passagen abzulenken, in denen man vom Erotikkitsch fast erschlagen wird. Die zum Finale hin sich anhäufende sexualisierte Gewalt erzeugt ebenfalls eher Unbehagen als Spannung. Schade, denn es stecken gute Ideen und überraschende Wendungen in der Story.

|Reihenfolge der Anita-Blake-Romane:

Guilty Pleasures ([Bittersüße Tode, 1009 2003)
Laughing Corpse ([Blutroter Mond, 1027 2005)
Circus of the Damned ([Zirkus der Verdammten, 2165 2005)
The Lunatic Cafe (Gierige Schatten, 2006)
Bloody Bones (Bleiche Stille, 2006)
The Killing Dance (Tanz der Toten, 2007)
Burnt Offerings (Dunkle Glut, 2007)
Blue Moon
Obsidian Butterfly
Narcissus in Chains
Cerulean Sins
Incubus Dreams
Micah
Danse Macabre
The Harlequin |

http://www.bastei-luebbe.de
http://www.laurellkhamilton.org/

_Maren Rhea Fanenbruck-Pelgrim_

Timothy Greenfield-Sanders – XXX: 30 Porno-Stars im Porträt

Inhalt:

Im Oktober 2004 wurde in der Mary Boone Gallery in New York die Ausstellung „XXX Pornstar-Portraits“ gezeigt. Dazu entstanden ein Dokumentarfilm, eine Soundtrack-CD sowie der hier in Übersetzung vorstellte Begleitband, weil besagte Ausstellung ab 2005 durch Europa bzw. Deutschland tourte.

„XXX“ maskiert in den USA das Wörtchen Sex, weil es in diesem frommen Land einen hässlichen Klang besitzt. „XXX“ schwebt über den Eingängen zu den „Adult-Film“-Abteilungen der Videotheken, lässt sich aber auch als „30“ übersetzen, was den quantitativen Rahmen für Timothy Greenfield-Sanders‘ Fotoprojekt vorgab. Dessen Kern bilden folgerichtig 30 großformatige Porträts aktuell (= 2004) aktiver Pornostars oder genreprominenter Ruheständler, wobei sowohl Vertreter/innen des hetero- als auch homosexuellen Pornofilms aufgenommen wurden. Timothy Greenfield-Sanders hielt seine Motive jeweils in bekleidetem Zustand fest, um sie anschließend in möglichst entsprechender Körperhaltung und Mimik nackt zu fotografieren.

Da 30 Doppelseiten kein Buch ergeben, werden die Bilder von 140 Seiten Text begleitet, der sich in zwei Großkapitel gliedern lässt. In einem ersten Teil schreiben 15 bekannte Journalisten, Kritiker, Kunstschaffende und Insider des Pornogeschäfts aus ihrer oft sehr subjektiven Sicht über das Phänomen Pornografie. Sachlich informierende Artikel stehen hier neben Interviews und Prosatexten.

In einem zweiten Textteil kommen (neben einem weiteren Porträt- oder Ganzkörperfoto) die porträtierten Pornostars selbst zu Wort. Sie geben Auskunft über Herkunft und Jugendjahre, beschreiben, wie sie den Weg ins „business“ fanden und was ihnen zum Arbeitsalltag einfällt. Dazu gibt‘s eine Liste mit ‚Lieblingsfilmen‘, in denen der jeweilige Darsteller selbst mitwirkte.

Kluge Worte aus vorsichtiger Distanz

Entweder geht die Welt jetzt endgültig unter, oder sie tritt nun doch ins Zeitalter des Wassermanns ein. Das Urteil ist jedenfalls gefällt, bevor dieses Buch aufgeschlagen wird, denn sein Inhalt polarisiert auch im 21. Jahrhundert. Es zeigt Menschen, die für Geld vor der Kamera miteinander Sex haben, und gibt ihnen sogar ein Forum, in dem sie über sich und ihre ‚Arbeit‘ sprechen können. Damit fällt die Fraktion derer, die der Pornografie als Unterhaltung, aus moralischen Gründen oder überhaupt abhold sind, als Leser (und Käufer) aus. „XXX“ ist freilich auch nicht für den durchschnittlichen Porno-Proll gedacht, der in der Videothek als Dauerkunde per Handschlag begrüßt wird.

Nein, hier hat sich ein echter (oder wenigstens anerkannter) Künstler des Themas angenommen, welches es nunmehr zu adeln galt, damit der freigeistig denkende, vorurteilsfreie, womöglich intellektuelle Interessent offen und ohne als Lustmolch/in gebrandmarkt zu werden zu diesem Buch greifen kann. Auf dass diese Rechnung aufgeht, bedienen sich Autor und Verlag des weiterhin bewährten „Playboy“-Prinzips: Zwischen diversen Fotostrecken, die an ausgelichteter Deutlichkeit und Schärfe nichts zu wünschen übrig lassen, erstrecken sich ausgedehnte Textpassagen, in denen große Geister ihren Esprit versprühen, wenn sie eloquent und gar mutig zugleich mit dem Verpönten flirten.

Fotos ohne Feigenblätter

Richten wir den Blick zunächst auf die gelungenen Seiten dieses Buches: die Porträts, wobei dieser Begriff großzügig auszulegen ist, da der Bildausschnitt definitiv nicht unterhalb des Halses endet. Sie lassen handwerkliches Geschick erkennen und verzichten auf tarnende Dekorationen, die aus der Kulisse ‚zufällig‘ ins Bild ragen und politisch korrekt das verhüllen, was nicht nur in den USA als Instrument des Teufels oder mindestens Privatsache gilt. Die Entscheidung, ob das Ergebnis nun als Kunst zu bezeichnen ist, muss zumindest dieser Rezensent denen überlassen, die mehr davon verstehen.

In der Kritik wurde viel Aufhebens davon gemacht, dass sich der Kontrast zwischen dem bekleideten und dem unbekleideten Darsteller in dessen Körperhaltung und Gesichtsausdruck widerspiegle. Es wurde davon gesprochen, dass sich mancher Pornodarsteller offenbar nackt wesentlich ‚freier‘ fühle als in Kleidern. Dem mag so sein, muss allerdings nicht. Es ist vermutlich als These ketzerisch, doch könnte der Unterschied auch mit Anstrengung zu begründen sein, weil Greenfield-Sanders von seinen Modellen forderte, möglichst identische Stellungen einzunehmen. Auf jeden Fall scheint es wieder einmal so zu sein, dass in erster Linie der Betrachter in die Züge der Porträtierten projiziert, was er oder sie dort zu sehen glaubt.

Immerhin kann Greenfield-Sanders eines klar herausstellen: Pornodarsteller beiderlei Geschlechts entsprechen selten den aktuellen Schönheitsidealen. Die männlichen Darsteller sind verständlicherweise südlich des Nabels erstaunlich gebaut, während der Restkörper, der dem unentbehrlichen Arbeitsinstrument als Fundament dient, mit Kleidern verhüllt in einer Menschenmenge kaum auffallen würde. Dasselbe gilt für viele Frauen, deren einziges sichtbares Zugeständnis an den Job der beachtliche Anteil von Silikon – zu dessen Applizierung anscheinend stets derselbe, chronisch unfähige Chirurg angeheuert wird – in ihren Oberkörpern ist. Aber hat denn vor der Lektüre dieses Buches jemand ernsthaft Anderes vermutet? Bewegung und das Geschick des Kameramanns sind neben einer gewissen Grundattraktivität sowie Spielfreude unentbehrlich für einen echten (Porno-) Star. Stillstehend und im grellen Scheinwerferlicht bleibt er oder sie – ein nackter Mensch.

Texte – blumig bis nichtssagend

Es sind vor allem die Alibi-Sentenzen, die das Vergnügen an einem prinzipiell interessanten Buch vergällen. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Die Kritik richtet sich nicht etwa gegen eine zu geringe Zahl von Bildern, sondern gegen die Worte, mit denen wir malträtiert werden. Einige Texten deuten zwar an, dass man durchaus über Sex und Porno klug und nachdenklich und witzig schreiben kann. Doch solche raren Lichter verschwinden hinter dichten Wolken nichtssagenden, themenfernen, salbungsvollen Geschwafels, dessen Verfasser entweder dem Vergnügen frönen, sich selbst und ihre Schreibkunst darzustellen, oder sich geehrt fühlten, in einem Buch wie diesem veröffentlicht zu werden – eine „riskante Entscheidung“, wenn wir dem Vorwort Glauben schenken.

Nehmen wir als Beispiel Gore Vidal (1925-2012), der tatsächlich zu den „großen amerikanischen Intellektuellen“ zählte, als den ihn der Klappentext herausstellt. Vidal war aber auch ein Profi des Wortes, dem klingende Texte aus der Feder flossen, selbst wenn er im Grunde nichts zu sagen hatte. Zum Thema Pornografie fällt ihm nichts ein. Er reitet stattdessen seine Attacken gegen Amerikas Rechte, die Kirche und andere Menschenmanipulatoren, die er seit Jahrzehnten piesackte. Das liest sich durchaus vergnüglich, nur: Was soll es hier? Ganz einfach: Gore Vidal ist ein Name, auf den zu verzichten ein Verlag sich hüten wird. Vorteil 2: Ihn zu lesen beruhigt den potenziellen „XXX“-Leser und senkt die Hemmschwelle zum Bücherkauf.

Außer Vidal waren es 14 weitere, (mehr oder weniger) gesellschaftlich akzeptierte oder prominente Zeitgenossen, die sich – mit Geld oder guten Worten – als Gastautoren locken ließen. Im ausführlichen Verzeichnis werden sie mit ihren eindrucksvollen künstlerischen und/oder wissenschaftlichen und/oder wenigstens intellektuellen Meriten aufgelistet: John Malkovich, Schauspielerstar mit Independent-Touch! Lou Reed, Musiker mit wüster Vergangenheit, die ihn weise werden ließ! Salman Rushdie, seit Jahrzehnten von muslimischen Moral-Assassinen gejagt! Der gemeinsame Nenner ist: Fast alle diese Männer und Frauen liefern reine Gelegenheits- und Gefälligkeitstexte ab. Nur wenige bemühen sich um das Thema – so Rushdie, der wirklich etwas über die Rolle der Pornografie in den muslimisch dominierten oder diktierten Teilen der Welt zu berichten weiß.

Besser den Mund halten!

Ansonsten langweilt ein Sammelsurium bemühter, die Provokation (vergeblich) suchender Betroffenheits-Lyriker (Reed, Koestenbaum, Leroy), müder Wiederkäuer tausendfach diskutierter, debattierter Pro-/Contra-Porno-Argumente (Wattleton) oder der Geilheit unverdächtiger Wissenschaftler (Gray). Noch sinnloser sind das Thema völlig verfehlende Loblieder auf alte Underground-Kumpane (Waters), ungelenke Hymnen an die Macht des Sexus‘ (Hartley) oder witzlose Schwafeleien à la Whitley Strieber, den nunmehr sämtliche guten Geister verlassen haben und durch außerirdische Einflüsse ersetzt wurden, gegen die kein irdisches Medikament mehr etwas ausrichten kann.

Leider auch nicht lesenswerter erweist sich „XXX“ in seinem zweiten Textteil, in dem sich die fotografierten Darsteller zur eigenen Person äußerten bzw. äußern konnten, denn einige wollten oder konnten nicht, woraufhin einfach aus den Pressetexten diverser Pornofilmstudios zitiert wird, deren Wahrheitsgehalt denen der ‚seriösen‘ Hollywood-Studios entsprechen dürfte. Wer sich vpr der Lektüre dieser Essays und Kommentare in dem Glauben wähnte, von einem verborgenen Reich verbotener Lust bzw. sexuell-chauvinistischer Knechtung zu lesen, wird umgehend eines Schlechteren belehrt: Neun von zehn Schwerarbeiter des nackten Gewerbe haben nichts Bemerkenswertes zu berichten.

Die Biografien gleichen sich, unglückliche Kindheiten kommen vor, sind aber weder symptomatisch noch der Anfang vom unvermeidlichen Abstieg in den Pornosumpf. Dieser wird nie als solcher, sondern durchweg als abenteuerlicher Arbeitsplatz mit guten Verdienstmöglichkeiten und dem Privileg von Dienstreisen empfunden, die halt Sex in einem erloschenen Vulkan mit einschließen können. Manche Darsteller waren zuvor sogar erfolgreich in ‚richtigen‘ Jobs tätig; „Lexington Steele“, dessen Gemächt jeden Lippizaner-Hengst vor Neid erbleichen ließe, war z. B. als Börsenmakler aktiv (und vermisst in seiner aktuellen Karriere „die festen Regeln der amerikanischen Unternehmerkultur“, S. 193), wie überhaupt die angeblich so lockeren Berufsbeischläfer sich privat erstaunlich ‚normal‘ sogar spießig geben oder es sind- wieso auch nicht?

Intellektuell können diese Autoren definitiv nicht mit den Profis im „XXX“-Vorderteil mithalten. Das Unvermögen, etwas Interessantes zu erzählen, kommt immerhin angenehm unbemäntelt daher. Stolz werden obskure Auszeichnungen („für den besten Dreier“; „für die beste Oralszene in einem geschlossenen Klavier“ etc.) aufgezählt, gern die Gelegenheit für aktivistische Appelle wider den Rassismus, prüde Politiker und andere Widrigkeiten genutzt. Hier und da lassen sich dann doch nicht nur eigenwerberische Plappereien, sondern ehrliche Selbstäußerungen lesen, die verraten, was man ebenfalls annehmen konnte: Im Pornobusiness arbeiten auch Männer und Frauen mit Köpfchen; Sharon Mitchell hat inzwischen ihren Doktor gemacht.

Hübsches Buch, wenig Sinn

Der Realität des Pornofilms mehr Raum zu geben, hätte ein wirklich interessantes Buch bzw. eine eigenständige und gleichgewichtige Ergänzung det Fotos ergeben. Was bedeutet es, wenn Veteran Peter North enorme Veränderungen im Porno-Alltag der vergangenen Jahrzehnte andeutet? Gern würde man mehr von Nina Hartley erfahren, die ansatzweise vom absurden Alltag einer Pornodarstellerin und Nackttänzerin in einem prüden Land mit restriktiver Gesetzgebung berichtet. Wieso hat der einst spinnefeindliche Feminismus mehr oder weniger Burgfrieden mit der Pornografie geschlossen? Liegt Jenna Jameson richtig, wenn sie zum Job einer ‚richtigen‘ Schauspielerin keinen grundsätzlichen Unterschied und den Porno als Filmgenre mit eigenen Regeln und Instrument der Unterhaltung sieht?

Aber solche Fragen lagen nicht wirklich im Interesse von „XXX“. Die gar zu reale Pornowelt bleibt zugunsten einer sorgfältig gefilterten oder künstlerisch-künstlichen Scheinwelt ausgeblendet. Die Darsteller, denen eine scheinbar vorurteilsfreie geistige Elite die Hand reicht, werden in gewisser Weise tatsächlich ausgebeutet, zumindest aber manipuliert und nach den Vorstellungen und Wünschen der „XXX“-Autoren geformt.

So bleibt als Fazit zwar Anerkennung für die fotografische Leistung Greenfield-Sanders, aber kein Lob für die Texte seiner „klug schreibenden Freunde“ (Vorwort), die vermutlich nur in einem Land wie den USA Spießer vor Entsetzen und ‚Freigeister‘ vor Entzücken japsen lassen. Wer „A“ sagt, sollte auch „B“ wagen, doch das „XXX“-Team schafft nur ein „Ähhh …“ Dafür kann man das entstandene Buch aber außerhalb geschlossener Schranktüren präsentieren und damit Freunden und Besuchern, die das Buchregal mustern, tolerante Weltläufigkeit und erwachsenes Kunstverständnis demonstrieren.

Autor

Timothy Greenfield Sanders wurde 1952 im US-Sonnenstaat Florida geboren. Er studierte Kunstgeschichte an der Columbia University und Film am American Film Institute in Los Angeles. Als Fotograf arbeitet der Künstler seit mehr als zwei Jahrzehnten. Er hat es als Modefotograf zu einem großen Namen gebracht und sich klug auf das Porträtieren der Großen und/oder Prominenten dieser Welt spezialisiert.

Darüber ist Greenfield-Sanders selbst zum Star geworden. Seine Bilder erscheinen in den etablierten Hochglanz-Magazinen, sie hängen in den Sammlungen des Museum of Modern Art, des Metropolitan Museum, des Whitney Museum oder der National Portrait Gallery. 2004 erwarben das Museum of Modern Art und das Museum of Fine Arts in Houston 700 Porträtfotos von Greenfield-Sanders.

Als Filmemacher produzierte und inszenierte Greenfield Sanders 1997 die Dokumentation „Lou Reed: Rock and Roll Heart“. 1999 wurde er dafür mit einem „Grammy Award“ ausgezeichnet. 2004 setzte Greenfield Sanders den Dokumentarfilm „Thinking XXX“ in Szene, der die Arbeit an seinem Wanderausstellungsprojekt „XXX Porno-Stars in Portrait“ festhält, das in den USA großes Aufsehen erregte und wie geplant gleichermaßen gefeiert wie verdammt wurde.

Über das vielfältige Werk des Künstlers informiert dessen gebührend aufwändig gestaltete Website.

Paperback: 200 Seiten
Originaltitel: XXX – 30 Porn-Star Portraits (New York/Boston : Bullfinch Press 2004)
Übersetzung: Conny Lösch
http://www.randomhouse.de/heyne

Der Autor vergibt: (3.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 3,00 von 5)

Henke, Sandra / Dirks, Kerstin – Begierde des Blutes. Erotischer Vampir-Roman

Tamara Malt ist eine typische Karrierefrau. Sie arbeitet in London als Werbetexterin und geht völlig in ihrem Job auf. Für Privates – und schon gar für Männer – bleibt da keine Zeit. Sie kuschelt sich lieber abends mit ihrem Kater Grey ins Bett, eine Ikone für alle Singlefrauen. Überhaupt findet sie sich für romantische Abenteuer zu schüchtern und kalt und belässt es dabei, vom berühmten Mr. Right zu träumen, anstatt ihn zu suchen.

Doch das Schicksal meint es gut mit ihr. Eines Tages findet sie die Memoiren einer gewissen Sophie Langsdale in ihrer Post. Im 18. Jahrhundert lebte diese in Westminster und verliebte sich unsterblich in den Vampir Jeremy. Dies bringt natürlich einige Komplikationen mit sich. Zunächst einmal ist ihr Vater alles andere als begeistert, dass sie sich mit einem Blutsauger eingelassen hat und dann bewohnen auch noch zwei finstere Gestalten das elterliche Gasthaus, die sich später (wenig überraschend) als Vampirjäger herausstellen sollen. Doch Sophie ist fest entschlossen, sich ihren Jeremy nicht nehmen zu lassen. Aber kann sie auch gegen Intrigen und Erpressung ankämpfen?

Tamara ist fasziniert, ihre Neugierde geweckt. Vampire sollen wirklich existieren? So richtig kann sie das nicht glauben, und doch sieht das Manuskript authentisch aus. Als Sophie den Wohnsitz ihres untoten Liebhabers erwähnt, macht sich Tamara auf den Weg, herauszufinden, ob dieses Haus noch existiert.

Sie soll fündig werden, auf jede erdenkliche Art und Weise. Als sie nämlich in das verlassene Haus einbricht, wird sie von dem jetzigen Besitzer, Dorian, gestellt. Es kommt, wie es kommen muss. Zwischen beiden knistert es gewaltig, und wenn sich daraus zunächst auch keine Liebesgeschichte entwickelt, so doch zumindest eine Reihe wilder Sexabenteuer. Als Tamara Dorians Namen dann in Sophies Memoiren entdeckt, steckt sie schon viel zu tief in der Tinte, als dass sie noch auf Rettung hoffen könnte …

„Begierde des Blutes“ ist untertitelt als „Erotischer Vampir-Roman“. Da das genüssliche Beißen in schlanke Frauenhälse schon immer einen erotischen Unterton hatte, liegt es nahe, beides explizit zu verbinden. Andere Autoren haben dieses Potenzial ebenfalls erkannt, doch das Autorenduo Sandra Henke und Kerstin Dirks ist wohl in der Darstellung bisher am deutlichsten. Denn hier geht es durchaus zur Sache, der Roman ist gespickt mit wohl dosierten Sexszenen, eingebettet in die beiden Handlungsstränge um Sophie und Tamara.

Zunächst zu den gelungenen Passagen: Der vampirische Hintergrund ist durchaus interessant, wenn auch nicht besonders originell. Die verschiedenen Vampirlogen böten viel Erzählstoff. Leider wird dieser historische Hintergrund im Keim erstickt und zugunsten von Liebesschwüren und Sexkapaden schnell aufgegeben. Da es sich bei „Begierde des Blutes“ um den ersten Teil einer Trilogie handelt, bleibt abzuwarten, inwiefern sich die Autorinnen überraschende Enthüllungen für die Fortsetzungen aufgespart haben.

Zugebenen, wichtiger als die eigentliche Handlung sind wohl die Sexszenen. Die Autorinnen haben sich hier für leicht verruchte Settings entschieden, um Tamaras verschüttete Abenteuerlust zu wecken. Da hängt die Arme auch schonmal mit nacktem Oberkörper aus dem Fenster, während Dorian weiter unten zur Sache kommt. Auch leichte Fesselspielchen und ein Hauch Voyeurismus kommen vor. Die Sprache ist da leider nicht so wagemutig. Anstatt die Dinge beim Namen zu nennen, entscheiden sich Henke & Dirks für so blumige Umschreibungen wie „Honigtopf“ oder „Liebesfrucht“. Bei solchen Fantasiewörtern stellt sich statt dem erotischen Kribbeln bei der geneigten Leserin eher ein herzhaftes Lachen ein.

Auch Handlung und Charaktere können nicht völlig überzeugen. Henke & Dirks, die beide bisher Heftromane geschrieben haben, bleiben hier in Stereotypen stecken und können ihren Charakteren kaum Tiefe oder gar Charme verleihen. Während Sophie und Jeremy noch einigermaßen glaubhaft beim Leser ankommen, bleiben Tamara und Dorian besonders schablonenhaft. Gerade die überraschende Wendung am Schluss und Dorians Erklärung seiner Motive wirkt konstruiert und kaum überzeugend. Die Schwächen in der Handlung sind ebenfalls auffällig, wenn ein verrückt gewordener mörderischer Vampir nur als Kunstgriff eingeführt wird, um die Beziehung zwischen Sophie und Jeremy voranzutreiben. Eine gute Idee, deren Potenzial leider total verspielt wird, da selbiger Vampir auf wenigen Seiten abgehandelt wird.

„Begierde des Blutes“ ist für 16,90 € beim |Plaisir d’Amour|-Verlag erschienen – ein stolzer Preis für ein 202 Seiten starkes Taschenbuch. Der Roman ist nur etwas für eingefleischte Fans, und auch die sollten sich vielleicht eher an die viel günstigere eBook-Version halten, die auf der Homepage des Verlags zu erwerben ist.

[Plaisir d’Amour-Verlagshomepage]http://www.plaisirdamourbooks.com/

Hamilton, Laurell K. – Bittersüße Tode (Anita Blake 1)

_Mrs. Rambo und die Nackenbeißer_

Anita Blake’s Hauptberuf wäre für manche Leute schon Abenteuer genug, denn sie arbeitet als Animator, was bedeutet, dass sie auf Aufträge hin Tote als Zombies zum Leben erweckt. Wozu das gut sein soll? Nun – zum Beispiel, um rechtliche Nachlassstreitigkeiten zu regeln oder Versöhnungsgespräche mit Toten führen zu können. Wahrlich kein langweiliger Schreibtischjob. Doch nebenbei dient Anita auch noch der örtlichen Polizei in St. Louis als sachkundige Expertin in anderweltlichen Fragen und arbeitet als Vampirjägerin, ein Feld in dem sie sich den Beinamen „The Executioner“ erarbeitet hat.
Denn die USA haben zwar diverse untote und paranormale Lebensformen als legal anerkannt, diese Kräfte jedoch unter rechtlicher Kontrolle zu halten und dafür zu sorgen, dass Vampire, Werwesen, Ghoule, Zombies und andere mehr oder weniger menschliche Gestalten nicht außer Kontrolle geraten, ist für die Polizei zu einem echten Problem geworden.

So wird Anita denn auch hinzugerufen, als in St. Louis ein Mörder umgeht, der Vampire und selbst die besonders alten und mächtigen Meistervampire gnadenlos abschlachtet. Ins Jenseits befördert, wäre hier vielleicht der falsche Ausdruck. Nicht nur die Polizei heuert Anita an, sondern auch eine Gruppe um die örtliche Meistervampirin Nikolaos sichert sich durch Drohungen und Erpressungen ihre Arbeitsdienste in diesem Fall.

Die Ermittlungen führen Anita quer durch das Vampir-Vergnügungsviertel von St. Louis von der örtlichen Vampir-Strip-Bar „Guilty Pleasures“ über ein Treffen mit der Vereinigung „Menschen gegen Vampire“, ein Treffen mit dem Obervampir der „Kirche des Ewigen Lebens“ und auf eine Vampirfanparty. Schon bald glaubt Anita. einen ersten Hinweis zu haben, ihre Ermittlungen werden jedoch erschwert, als sie zwischen die Fronten eines Machtkampfes der Vampiranführerin Nikolaos mit dem Meistervampir Jean-Claude gerät.

_Autorin mit blutrotem Lippenstift_

Laurell K. Hamilton wurde in Heber Springs, Arkansas geboren, wuchs jedoch in einem kleinen Ort im Staat Indiana auf. Nach dem Tod ihrer Mutter 1969 wurde sie von ihrer Großmutter erzogen. Bereits im Alter von 13 Jahren beschloss sie nach der Lektüre von Robert E. Howards Geschichtensammlung „Pigeons from Hell“, dass sie selbst eine Autorin übersinnlicher Horrorstorys mit Fantasyelementen werden wollte. Sie hat einen Uni-Abschluss in Englisch und Biologie. Nach zahllosen Ablehnungen gelang ihr erstmals 1989 die Veröffentlichung einer Kurzgeschichte in Marion Zimmer Bradley’s |Fantasy Magazine|. Ihr erster Roman „Nighseer“ erschien 1992. Danach verfasste sie einen „Ravenloft“-Roman und einen „Star Trek“-Roman, bevor sie 1993 mit „Guilty Pleasures“, dem ersten Teil der Anita-Blake-Serie, den endgültigen Durchbruch erreichte. Die Serie verkaufte sich zunehmend besser und im Jahr 2000 kam der erste Band der zweiten, unabhängigen Serie, der Merry-Gentry-Reihe über eine Feen-Prinzessin, die als Privatdetektivin in LA arbeitet, auf den Markt. Beide Serien sind noch nicht abgeschlossen.

„Guilty Pleasures“ ist der erste Band der Anita-Blake–Serie. Die genauere Auflistung samt Übersetzungstiteln (soweit vorhanden, es sind noch längst nicht alle Titel übersetzt):

1. Guilty Pleasures (dt. Bittersüße Tode)
2. The Laughing Corpse (dt. Blutroter Mond)
3. Circus of the Damned (dt. Zirkus der Verdammten)
4. The Lunatic Café
5. Bloody Bones
6. The Killing Dance
7. Burnt Offerings
8. Blue Moon
9. Obsidian Butterfly
10. Narcissus in Chains
11. Cerulean Sins
12. Incubus Dreams
13. Danse Macabre (erscheint 2006)

_Bis an die Zähne bewaffnet_

Laurell K. Hamilton gelingt das seltene Kunststück, den Leser von der ersten Seite an zu fesseln. Vampirgeschichten, besonders wenn sie ins Grenzgebiet eines Genres namens |Vampire Romance| gehören, sind oft niederste Werke der Trivialliteratur. Hamilton erhebt sich hier angenehm von den billigen Plätzen und gewährt dem Vampirroman einen erstklassigen Logenplatz in der Spannungsliteratur. Dies schafft sie unter anderem dadurch, dass sie sich nur sehr selten auf die Spuren breitgetretener Klischees begibt und zudem gekonnt ihre nicht zu unterschätzenden Schreibkünste einsetzt. Zudem geizt sie wahrlich nicht mit Splattereffekten. Und obwohl das Buch durch seine mehr als nur unterschwellige erotische Stimmung durchaus zu den |Vampire Romances| gezählt werden kann, lässt sie sich beispielsweise nicht auf platte Liebesszenen ein. Weiter als ein paar – zugegebenermaßen tiefe – Küsse und Bisse kriegt der Leser in dieser Hinsicht zumindest nichts geboten, doch das reicht der Autorin, um eine schwindelerregende erotische Spannung fast durch das gesamte Werk hindurch aufrecht zu erhalten. Zudem konzentriert sie sich trotz der Knisterspannung auf den kriminalistischen Aspekt der Geschichte und die Horrorelemente und lässt die Geschichte nicht zu einer bloßen Sex-Klitsche verkommen. Der Leser will vor allem wissen, wer der Vampirmörder ist und wie Anita sich aus ihrer verfahrenen Situation herauswinden wird. Und an diesen Fragen arbeiten Anita und ihre Autorin hart und zur vollsten Zufriedenheit des Lesers.

Die Charakterisierung Anitas selbst ist sicher gelungen. Die Geschichte wird in der ersten Person aus ihrem Blickwinkel erzählt, dadurch erhält der Leser Einblick in ihre Gedanken und Ansichten. Als eine Mischung aus Stephanie Plum (mit dem weitreichenden Unterschied, dass Anita wirklich ein Profi ist, ihre Pistole nicht in der Keksdose aufbewahrt und auch stets bis an die Zähne bewaffnet durch die Lande kreuzt), Rambo und den Ghostbusters lässt sie sich von ihren zumeist überlegen erscheinenden Gegnern nicht unterkriegen und zaubert auch in der verfahrensten Situation immer noch ein Ass aus dem Ärmel. Dabei wirkt sie aber trotz ihrer Künste menschlich, mit ihren kleineren Schwächen und Fehlern. Gestört hat mich an ihr die etwas zu amerikanisch anmutende Denk- und Redeweise. Da wirken einige Sätze überzeichnet, zu „tough“, zu gekünstelt. Auch einige der zynischen Bermerkungen und Gags wiederholen sich hier ein wenig.

Ein aufwertender Aspekt des Buches ist es in meinen Augen unbedingt, dass Hamilton das Thema Untote und Vampire vielschichtig beleuchtet. So ist in Anitas Welt die Attraktivität der Kirche des Ewigen Lebens (einer Vampirkirche) nicht unlogisch damit begründet, dass die Menschen sich vor dem Tod und dem unbekannten „Danach“ fürchten. Auch wenn Anita sich fragt, was mit der Seele der Untoten, denen sie den letzten Rest gegeben hat, passiert, zeigt sich diese ambivalente Ansichtsweise. Die Vampire selbst werden ebenfalls vielfältig dargestellt: Da gibt es sowohl emotionslose Blutsauger als auch verständnisvolle Vertreter der Gattung, die in den Menschen um sie herum mehr sehen können als Blutspender. Nur so ist auch die aufregende Kombination aus Horror, Sado-Maso-Vampirismus und einer bittersüß-sinnlichen Anziehungskraft einzelner Vampire zu verstehen. Anitas Einstellung diesen Vampiren gegenüber ist ebenso gespalten. Denn obwohl sie sich nach ihrer Arbeit als Vampirjägerin immer wieder sagt, dass alle Vampire tote Monster sind, kann sie sich doch einer gewissen Anziehungskraft – insbesondere der langzahnigen Sahneschnitte Jean-Claude – nicht erwehren. Da der Leser in der Regel bereits wissen wird, dass es sich bei diesem Buch um den ersten Band einer Serie handelt, wird eine gewisse Erwartungshaltung in diese Beziehung hineingebaut, was die Folgebände betrifft.

Natürlich gibt es auch jede Menge normaler und paranormaler Nebenpersonen in der Geschichte. Leider sind einige dieser Charaktere nicht kräftig genug gezeichnet und erscheinen farblos, was durch die große Anzahl an Nebenprotagonisten noch unnötig betont wird.

Etwas vermissen muss der Leser auch einige Erklärungen zu der Welt, in der diese Geschichte spielt. Denn weder ist es eine fremde, konstruierte Welt in Fantasymanier, noch spielen die Romane in ferner Zukunft. Stattdessen könnte man von unserer Zeit und unserer Erde ausgehen, mit der Ausnahme, dass diese Alternativwelt von zahlreichen Untoten, Werwesen und anderen paranormalen Gestalten mitbewohnt wird.
Es gibt zu diesem Zeitpunkt keine richtigen Erklärungen für den Leser, welcher Umstand das Auftauchen der Untoten herbeigeführt hat und wo und wie sie vor ihren öffentlichen und legalen „Leben“ ihre Zeit verbracht haben. Und diese Zeit muss es ja gegeben haben, denn wenn die Vampirmeisterin Nikolaos mit ihren über eintausend Jahren auch ein geradezu antiker Sonderfall zu sein scheint, so sind doch einige der Langzähne schon seit hundert Jahren und mehr dem Vampirdasein verschrieben. Hierzu erhält der Leser keine Einführung, keine Erklärung und wird ohne lange Vorreden in diese Alternativwelt hineingeworfen.

Trotz einiger kleineren Kritikpunkte halte ich „Guilty Pleasures“ jedoch für einen gelungenen und vielversprechenden Einstieg in eine fesselnde Serie zwischen Horror, Sex und Crime.

|Originaltitel: „Guilty Pleasures“, Jove, 1993|

Homepage der Autorin: http://www.laurellkhamilton.org