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Marcus Hearn (Hrsg.) – A Tribute to Pink Floyd – Fotografien

Zeitgeschichte: Von Psychedelia bis Stadionrock

„A Tribute to Pink Floyd“ illustriert die Geschichte der Band anhand der gelungensten und aussagekräftigsten Fotos aus dem Archiv der Fotoagentur Rex Collection. Der Bildband enthält Aufnahmen von ihrem ersten Pressetermin bis zum letzten Bild des Bandes, auf dem man die Trauerkarte eines Fans vor dem Haus von Syd Barrett sieht, kurz nach dessen Tod im Juli 2006.

„Dies ist der bisher umfassendste Bildband über die Ausnahmeband Pink Floyd. Das Bildmaterial in dem hochwertigen Fotoband erstreckt sich von den Anfängen ihrer Karriere – ihrer psychedelischen Phase der sechziger Jahre mit dem Songwriter-Genie Syd Barrett – über die Phase der Umorientierung und des weltweiten Durchbruchs in den Siebzigern bis zum Auftritt beim Live-8-Konzert im Jahr 2005.

Die Fotos zeigen die Band bei unzähligen Liveauftritten und den unterschiedlichsten Fotosessions genauso wie jenseits der Bühne. Sie zeigen zum Beispiel David Gilmour beim Suppeessen, die Band bei einer Pressekonferenz zugunsten von Greenpeace sowie Porträtaufnahmen der Bandmitglieder über viele Jahrzehnte.

Das Buch entstand in enger Zusammenarbeit mit der legendären Londoner Fotoagentur Rex Features, aus deren Beständen bereits die Bildbände zu Queen, den Sex Pistols, The Who und Jimi Hendrix erschienen sind.“ (Verlagsinfo)
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Burnett, David / Salewicz, Chris / Murray, Chris – Bob Marley – Soul Rebel

_Guru oder Protestsänger? Marley ohne Nimbus_

Am 6. Februar 2009 wäre Bob Marley 64 Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass erscheint der vorliegende prachtvolle Bildband, der ausgezeichnete und zum Teil unveröffentlichte Fotos vom Karrierestart eines der einflussreichsten Musiker des vorigen Jahrhunderts zeigt, darunter viele Fotos von der ersten Exodus-Tour 1977 durch Europa. Die Aufnahmen stammen vom |TIME|-Fotografen David Burnett, der den Musiker vor Ort in Kingston besuchte und ihn auf seiner Tournee begleitete.

_Die Autoren_

1) Der Fotograf: David Burnett

Burnett, geboren 1962 in Salt Lake City, begann seine Karriere 1967 als Praktikant beim |TIME Magazine|. Von 1970 bis 1972 berichtete er für die Zeitschrift |Life| über den Vietnamkrieg. 1975 war er Mitbegründer der Agentur |Contact Press Images| in New York City. Burnett reiste in über 75 Länder und veröffentlichte Fotoreportagen in |Time|, |Life|, |Fortune|, |The New Yorker| und |The New York Times Sunday Magazine|. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen.

2) Autor des Vorworts: Chris Salewicz

Der Journalist Chris Salewicz schreibt seit mehr als 20 Jahren über Popkultur, besonders über Reggae, Er war für den |New Musical Express| (NME) tätig, arbeitete für die |Sunday Times|, |The Face| sowie die Zeitschrift |Q| und schrieb die autorisierte Biographie „Bob Marley: Songs of Freedom“. Mit „Rude Boy“ veröffentlichte er seine Erinnerungen an die Insel Jamaika. Er war verantwortlich für das Booklet der preisgekrönten Vier-CD-Box „Tougher than Tough: The Story of Jamaican Music“ und schrieb mit am Drehbuch zu dem jamaikanischen Actionfilm „Third World Cop“.

|3) Autor der Einleitung: Chris Murray|

Chris Murray ist Gründer und Leiter der |Govinda Gallery| in Washington, D.C. In mehr als 30 Jahren hat er über 200 Ausstellungen organisiert, oft mit den führenden amerikanischen Künstlern. Murray zeigte in den 1970er Jahren Andy Warhol und veranstaltete 1983 die erste Ausstellung der Starfotografin Annie Leibovitz. Seit damals hat sich die |Govinda| zu einer der innovativsten Galerien der Vereinigten Staaten entwickelt.

_Inhalte_

|a) Texte|

Wie nähert man sich einem Idol? Sehr vorsichtig und schrittweise. Deshalb gibt es a) ein Vorwort, b) eine Einleitung und c) die eigentlichen Begleittexte zu den vier Kapiteln.

|Das Vorwort|

Salewicz holt in seinem Vorwort gleich das Weihrauchgefäß raus und beginn es über dem „klassischen mythologischen Helden“ Bob Marley zu schwenken. Das ist leider wenig hilfreich, denn Weihrauchwolken tendieren dazu, die Sicht auf die wirklichen Dinge zu vernebeln. Eine Aufzählung von Stilisierungen taugt nicht, um diese Wolken zu vertreiben. Zur Sache kommt der offenbar ergriffene Journalist erst in der dritten Spalte, als er endlich die Biografie des derart auf den Sockel gehobenen Stars erzählt.

Robert Nesta Marley wurde am 6. Februar 1945 in Nine Miles in der Gemeinde Saint Ann auf Jamaika geboren. Sein Vater, ein britischer Offizier, verließ ihn zweimal, einmal nach der Geburt in Nine Miles und etwa neun Jahre später erneut in der rauen städtischen Umgebung von Kingstons Slumviertel Trenchtown. (Marley singt über Trenchtown in einem seiner bekanntesten Songs, „No Woman No Cry“.) 1964 begann er seine Musikkarriere mit den |Wailers|, ergatterte in London bei |Island Records| einen Plattenvertrag und verkaufte von seinem 1982 posthum veröffentlichten Album „Legend“ 15 Millionen Kopien – was für ein Aufstieg.

Marley starb am 11. Mai 1981 an Krebs. Dazwischen lag eine mühevolle und einzigartige Karriere, die der Autor detailliert beschreibt, in der neuen Musikrichtung des Reggae. (Um was es dabei geht, muss hier aus Platzgründen vorausgesetzt werden, außerdem will ich keine Eulen nach Athen tragen.) Heute sei Marley einer der wichtigsten Musiker der Dritten Welt, praktisch auf einer Stufe mit John Lennon, und zwar vor allem wegen seiner Botschaft aus Liebe und Freiheit.

|Die Einleitung|

… wird wesentlich konkreter, indem Murray, der Galeriebetreiber aus der US-Hauptstadt, erst den Fotografen Burnett beschreibt und dann dessen Aufenthalt auf Jamaika, bei dem es zu den Aufnahmen mit Marley kam. Burnett und seine journalistischen Gefährten sollten 1976 das neue Phänomen des „Reggae“, einen Nachfolger des Rocksteady (1966 ff) kennenlernen. Sie stießen an der Nordküste auf eine rebellische Subkultur, komplett mit Religion, chiliastischem Heilsversprechen und weltlichem Gott, dem äthiopischen Kaiser Haile Selassie – wow! Und dann rauchten diese Musiker auch noch Ganja – Marihuana – am laufenden Band – cool!

Gar nicht so cool war die Szene, auf die sie in der Hauptstadt Kingston trafen. Zwei Parteien standen einander bis an die Zähne bewaffnet gegenüber, und wer in die Zone der anderen geriet, war des Todes. In diese Auseinandersetzungen, die das Land zerrissen und die Bevölkerung dezimierten, geriet auch der aufstrebende Musiker und Freiheitspoet Robert Marley. Er wurde mitsamt seiner Frau und seinem Manager niedergeschossen. Glücklicherweise wurde bei diesem Attentat niemand getötet, aber Verletzungen hinterlassen nicht nur äußerlich ihre Spuren.

Es sind solche umwerfenden Informationen, die auch Salewicz hätte bringen können. Doch stets ist es die Frage für einen Autor, ob er sich mehr auf die Musik bzw. das Werk eines Künstlers konzentrieren soll oder auf dessen Biografie. Salewicz kümmert sich um beides und weiß doch nicht recht zu befriedigen. Ich kann jedenfalls nicht behaupten, dass ich wüsste, was Marley antrieb. Aber die genannten erschreckenden Fakten über Kingstons Beinahe-Bürgerkrieg vermitteln doch eine Ahnung dessen, worum es bei Marley gegangen sein muss: Freiheit, Versöhnung, Liebe, kurzum: Erlösung.

|Die Kapiteltexte|

Endlich kommt der Fotograf selbst zu Wort. Burnett bemüht sich um Fassung und Selbstkontrolle, doch vielfach kann er nicht umhin, das Objekt seiner Aufnahmen zu loben: die Geduld, die Freundlichkeit, die hochintelligente und doch innovative Redeweise des bekannten Jamaikaners. Man kann also nicht sagen, dass er, wie manche von Marleys Fans, den Musiker für den wiedergekehrten Jesus hielt. Das ist wahrlich eine Erleichterung.

Ein Fotograf war damals noch in der heute völlig undenkbaren Lage, einen Star direkt und ohne PR-Geschwader aufzunehmen und ihm sogar Regieanweisungen zu geben, selbiger Star möge doch kurz mal fünf Meter rennen, damit er mit seiner Spezialkamera ein Bild anfertigen könne. Auch die Close-up-Bühnenfotos von den Konzerten in Europa wären heute so nicht mehr zu machen. Burnett gehörte damals praktisch zur Familie, kickte Fußball, begleitete den Soundcheck, fuhr im Tourbus mit. Hoffentlich kochte er auch mal Kaffee.

|b) Fotos|

Der Bildteil des Bandes ist gewissermaßen viergeteilt. Nach einem einleitenden Teil mit allgemeinen Fotos von Marley folgt ein Backgrounder. Der Fototrip der Amis begann 1976 ja in Ocho Rios an der Nordküste. Dort spielten Vorläufer Marleys wie die Band |Burning Spear| und natürlich Peter Tosh. Dieser Hintergrund, der das Phänomen Marley erst möglich machte, ist wichtig, um die Entstehung Marleys und des Reggae verstehen zu können.

Der zweite und wesentlich umfangreichere Teil stellt uns den Meister himself vor. Die Aufnahmen erfolgten vor und in seinem Haus in Kingston. Er trägt die Dreadlocks, den Negus-Bart, ein weißes Hemd, eine Westerngitarre mit dem Foto des Negus darauf (Negus: Kaiser Haile Selassie von Äthiopien, der „Löwe von Juda“). Und fast immer befindet sich in seinen Fingern ein Joint von Ganja. (Marley starb unter anderem an Lungenkrebs.)

Doppelseitige, ausklappbare Schwarzweißfotos machen das Idol tauglich zum Poster fürs Teenie-Zimmer – und vielleicht auch für die eine oder andere Galerie. Hier sieht man „das Weiße im Auge“ des „monstre sacré“, wie die Franzosen sagen.

Den letzten und farbigsten, geradezu farbenfrohe Teil bestreiten die Fotos, die 1977 auf der „Exodus“-Tour aufgenommen wurden. Aufnahmen auf, vor und hinter der Bühne vermitteln fast schon das Gefühl, live dabei zu sein. Im Mittelpunkt steht häufig Marley solo, aber er hatte auch eine Menge Mitstreiter, darunter die Begleitmusiker und Choristinnen. Die Credits und Danksagungen schließen diesen Teil ab.

Ich will nicht verschweigen, dass ich zwischen Seite 109 und 112 auf beschädigte Seiten stieß. Das Papier war am unteren Seitenrand, nahe beim Bund, eingerissen. Hier ging offenbar beim Druck etwas schief. Um diesen Fehler zu vermeiden, sollte der Käufer darauf achten. Das ist allerdings schwierig, wenn das Buch, wie meines, in eine Plastikfolie eingeschweißt angeboten oder geliefert wird.

_Mein Eindruck_

Es ist heutzutage schwer geworden, sich einem Künstler so stark zu nähern, wie es David Burnett 1976/77 konnte. Da ist man heute auf die Gunst der PR-Maschinerie angewiesen. Burnett stellt in seinem Text selbst einige Vergleiche an, die nicht gerade schmeichelhaft für den heutigen Medienbetrieb ausfallen. Deshalb wirken seine Aufnahmen von einem Bob Marley ohne jedes Brimborium authentisch, sympathisch und glaubwürdig. Hier wurde nicht retuschiert, und von einer digitalen Bearbeitung konnte man 1976 nur träumen.

Das bedeutet aber nicht, dass die Fotos nun grobkörnig wie in einer Schnupftabakdose daherkämen. Ganz im Gegenteil. Die Bilder sind besonders bei den Bühnenaufnahmen derart hochauflösend, dass keinerlei Korn festzustellen ist. Die einzigen Aufnahmen, die Werkstattcharakter aufweisen, sind die Kontaktabzüge auf Seite 66/67. Sie vermitteln einen Eindruck davon, wie ein Fotoreporter mit seinem Ergebnis arbeitet: streichen, akzeptieren, vergrößern, einen Ausschnitt nehmen usw. Das ist Fotografie alter Schule, die möglicherweise gar nicht mehr gelehrt bzw. gelernt wird.

Sehr willkommen ist die Abwesenheit jeder Art von Spezialeffekten, wie etwa Strahler, Speziallinsen, Filter oder gar Überblendungen. Das Ergebnis ist pure Fotografie im Sinne eines Capra oder Bresson, den großen Vorbildern Burnetts: verité. Man kann sich sehr gut Burnetts Bilder vom Vietnamkrieg vorstellen (sein Kollege nahm das bekannteste Foto dieses Kriegs auf: das schreiende nackte Mädchen, das vor einem Napalmangriff flieht). Wenn Marley jemals ein Heiliger war, dann holen ihn diese Fotos wieder auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Auch Jesus war zuerst und vor allem ein Mensch.

|Die Übersetzung|

Bis auf ein oder zwei vergessene Buchstaben („senen“ statt „seinen“) konnte ich keine Fehler finden. Die Übersetzung hält sich, dem Sprachstil nach zu urteilen, häufig eng an das Original. Das ist zum einen gut, wegen der Worttreue, zum anderen wirkt aber der Stil im Deutschen dann nicht mehr so flüssig. Ich lege mehr Wert auf die Worttreue.

_Unterm Strich_

Das Titelbild zeigt einen Mann mit einer Klampfe – einer ganz speziellen: sie trägt (verdeckt) das Foto des Kaisers Haile Selassie, was den Mann als einen Rastafarian ausweist. Dieser „Soul Rebel“ hat also nicht nur Musik zu geben, sondern ist erfüllt von einer Religion und einer Botschaft, ein Mann auf einer Mission. Die Botschaft lautet Freiheit, Liebe, Versöhnung, kurzum: Erlösung. Songs wie „I shot the sheriff“, „Get up stand up“ und „Redemption Song“ (eben der „Erlösungs-Song“) lösten die Mission ein und trugen sie rund um die Welt. Marley hat in manchen Kreisen, wen wundert’s, den Status eines Gurus und Heiligen.

Daher war ein Bildband wie der vorliegende, der ihn vom Sockel holt, durchaus notwendig. Auch wenn Marleys Familienleben komplett ausgeblendet ist (es sei denn, man rechnet die Tourneebus-Crew dazu), erscheint er nun nur wie der logische Exponent einer Bewegung, die schon in Burning Spear, Peter Tosh, Jimmy Cliff und Johnny Nash wichtige Vertreter hervorgebracht hatte, bevor er in den Vordergrund trat. In diesem Band ist er wieder der Mann mit der Klampfe, teils Protestler in Bob-Dylan-Manier, teils Prediger einer besseren Welt.

Als Bilddokumentation erfüllt dieser Band seine Aufgabe ausgezeichnet und kann sogar als Posterfundus dienen. Die Begleittexte machen neugierig auf den Menschen Marley und auf die Insel, auf der der Reggae erfunden wurde. Burnett nimmt uns quasi mit auf eine Expedition in den unbekannten Kontinent des Reggae, wo die Dreadlocks-tragenden Rastafari in letzten Exemplaren vorkommen sollen, die sicherlich kurz vor dem Aussterben stehen. Zum Glück stießen Burnett und seine schreibenden Kollegen nicht auf das „Herz der Finsternis“ (außer in Kingston), sondern auf ein neues Licht, das von einer befreienden Botschaft und einer wichtigen neuen Stimme verbreitet wurde: Bob Marley. So, jetzt hab ich mein Scherflein zur Heiligenlegende beigetragen.

Dass der Erwerb eines solchen Bildbandes nicht ganz billig ist, dürfte wohl einleuchten, aber gebrauchte Exemplare wird es nicht so schnell geben: Es ist einfach ein Sammlerstück. Und wenn die Papierqualität stimmt (siehe oben), will es wohl kein Sammler so schnell wieder hergeben.

|Originalausgabe 2009 bei Insight Editions, San Rafael, CA, USA
Aus dem US-Englischen von Madeleine Lampe
Vorwort von Chris Salewicz
Einleitung von Chris Murra
144 Seiten Großformat, mit zahlreichen Farb- und Schwarzweißfotos und 4 Ausklapptafeln
ISBN-13: 978-3-89602-873-0|
http://www.schwarzkopf-schwarzkopf.de

Belisle, David – R.E.M. – Hello. Fotografien von David Belisle

_Visuelles Andocken am Planeten R.E.M._

Auf knapp 200 Seiten präsentiert dieser Bildband die Rockband |R.E.M.| auf Hochglanzfotos, die der Fotograf David Belisle in den Jahren zwischen 2003 und 2007 geschossen hat. Alles Weitere und Nähere lest ihr im Folgenden. Der aktuelle Anlass: das Erscheinen des Albums „Accelerate“ (Beschleunige).

_Die Band_

Von der kleinen unbekannten Band „Twisted Kites“ aus Athens, Georgia, bis zu |R.E.M.|, die weltweit die Konzerthallen füllen, war es ein weiter Weg, den Michael Stipe, Peter Buck und Mike Mills gegangen sind. Der Name |R.E.M.| steht für Rapid Eye Movement, also schnelle Augenbewegung. Dies bezeichnet diejenige Schlafphase, in der, so die Annahme oder Diagnose, der Schläfer träumt.

Obwohl in den Achtzigerjahren noch relativ unbekannt, galten |R.E.M.|, inspiriert von Patti Smith, bald als Vorreiter des College- und Alternative Rock. Sie waren Vorbild für Musiker wie Kurt Cobain von |Nirvana|. Im Jahr 1991 gelang ihnen mit dem Album „Out of time“ und der Single „Losing my religion“ der internationale Durchbruch. Auch die LP „Automatic for the people“ wurde ein Riesenerfolg.

Es folgten Hits wie „Man on the moon“, „Everybody hurts“ oder „It’s the end of the world as we know it (and I feel fine)“. Dazu kommen die große Bühnenpräsenz und die clever inszenierten Live-Shows der Band. |R.E.M.| wird heute als eine Art Gesamtkunstwerk betrachtet, mit dem androgynen Michael Stipe als Frontman. Im März 2008 veröffentlichten sie ihr vierzehntes Studioalbum. Mit „Accelerate“ wollen sie nun die Bühnen der Welt erobern.

_Der Fotograf_

Der Fotograf David Belisle, der mit der Band eng befreundet ist, hat sie in den letzten sechs Jahren auf ihren Tourneen begleitet sowie auf und hinter der Bühne fotografiert. Mit seiner Kamera hat er seltene Momente und intime Einblicke festgehalten – für jeden Fan ist ein Augenöffner dabei. Wie den Bildunterschriften (s. u.) zu entnehmen ist, wurden viele Aufnahmen in den Jahren 2003 und 2004 gemacht, auf ihrer Welttournee.

_Die Fotos und Bildunterschriften_

Die über 150 Fotografien dieses Bildbandes umfassen farbige und schwarzweiße Fotografien der drei Bandmitglieder Stipe, Buck und Mills nicht nur bei Live-Auftritten, bei Dreharbeiten zu Videoclips oder mit Musikerkollegen wie Bruce Springsteen, Patti Smith, Neil Young und Thom Yorke von |Radiohead|, sondern auch jenseits des Rampenlichts, wie sie nur ihre engsten Freunde kennen. Auch Michael Moore und Woody Harrelson tauchen auf.

Belisle schreckte nicht einmal davor zurück, Stipe auf der Toilette oder unter der Dusche zu fotografieren. Kein Wunder, denn, wie Stipe im Vorwort schreibt, ist „das Klicken von Belisles Leica oftmals so leise, dass er wahrscheinlich schon Fotos gemacht hat, bevor irgendjemandem aufgefallen ist, dass er die Kamera in der Hand hält“. Dabei beweist Belisle nicht nur Vorwitz, sondern auch Humor. Einmal machte Stipe ein Video für die Wohltätigkeitsorganisation Oxfam. Man sieht, wie er mit einer weißen Flüssigkeit übergossen wird. „Ich stank eine Woche lang nach Babybrei“, kommentiert Stipe. Das Stipe sich für solche Inititativen engagiert, zeigen auch das „Vote for Change“-Konzert und sein Bild der burmesischen Dissidentin Aung San Suu Kyi.

Viele Aufnahmen zeigen den Charakterkopf Stipes mit einer dunkelblauen Färbung um die Ohren-, Stirn- und Augenpartie. Es handelt sich allerdings nicht um ein „Veilchen“ aus einer Schlägerei, sondern um bodypaint, das mit seinem Tourdesign zu tun hat. Stipe macht einen auf wildes Tier oder Kannibale. Ob dies etwas mit dem Video „Animal“ zu tun hat, kann ich nicht sagen, denn ich habe es nie gesehen.

Bei Fotos zählt nicht nur das Motiv, sondern auch Auswahl und Kombination. Vielfach werden Bühnenaufnahmen mit Hochglanzmotiven den schwarzweiß gehaltenen Backstage-Motiven gegenübergestellt, um zu sagen: Leute, das Leben auf der Tour hält nicht nur schöne Momente bereit, sondern kann auch ganz schon banal und trist sein. Stipe regt mit einer seiner Bildunterschriften an, dies mal zur Diskussion zu stellen. Danach sehen glamouröse Events wie die Aufnahme in die |Rock ’n‘ Roll Hall of Fame| anno 2007 etwas weniger schillernd aus (S. 168/169).

Auch die Töchter von Peter Buck, Zoe und Zelda sind zu sehen (z. B. Seite 50), aber sie starren direkt in die Kamera und sind sich des Geknipstwerdens voll bewusst. Am Schluss stößt der Betrachter auf eine doppelseitige Collage aller Motive, die nicht auf eine Einzelseite passten: Ausschnitte aus rund 500 Schnappschüssen wurden von Kim Buchanan zusammengefügt und collagiert. Wer sich Zeit nimmt und länger auf die Details Acht gibt, wird noch sehr viel mehr Beachtenswertes über die Band und ihre Satelliten erfahren. Es lohnt sich.

Die Bandmitglieder haben vielen, aber beileibe nicht allen Fotos einen handgeschriebenen Kommentar als Bildunterschrift beigefügt. Leider sind diese Zeilen nicht ohne weiteres zu entziffern, aber nach einer Weile des Überlegens ist es mir immer gelungen, die schiefen Buchstaben zu sinnvollen Wörtern zusammenzusetzen. Die Zeile der zwei Mädchen auf S. 51 über ihren Vater Peter Buck ist am besten zu entziffern.

|Nachwort von Belisle|

In seinem Nachwort „Der Westen von Seattle“ schildert Belisle, wie er es schaffte, Tourfotograf einer so berühmten Band wie |R.E.M.| zu werden. Der erste Schritt war sicherlich das Aha-Erlebnis 1982 beim letzten Konzert von |The Who|, der zweite war der Kontakt zum späteren |R.E.M.|-Tourmanager Bob Whittaker (alle Crewmitglieder werden in separaten Fotos vorgestellt). 2001 wurde Belisle dann offizieller Hausfotograf der Band und begleitete sie überallhin. Der vorliegende Band ist ein Destillat aus seinen professionellen Arbeiten.

_Unterm Strich_

Der Bildband bietet einen interessanten und optisch reizvollen Querschnitt nicht nur aus dem Schaffen des Fotografen, sondern auch aus den Aktivitäten der Band. Dazu gehören nicht nur Live-Auftritte, sondern auch Foto- und Video-Shootings, die Teilnahme an Multistar-Konzerten und der Auftritt bei der Aufnahme in die Ruhmeshalle der Rockmusik.

Hinter diesem öffentlichen Erscheinungsbild gibt es aber auch die privaten Bandmitglieder zu entdecken. Während sich Peter Buck und Mike Mills meist hinter ihren Gitarren verschanzen, zeigt sich Frontmann und Sänger Michael Stipe in allen möglichen Variationen, so dass ich wirklich neugierig auf diesen ungewöhnlichen Menschen wurde. Im Gegensatz zu seinen Kollegen zeigt er sich sogar in seinen Privaträumen, so etwa im kleinen Gästehaus beim Schlafen.

Was fehlt, ist eine Monografie über die Band und ihr Umfeld, ja sogar über ihr politisches und ästhetisches Programm. All dies kann der ahnungslose Laie nur über die hier vorgestellten Freunde wie Neil Young, Patti Smith und Bruce Springsteen erschließen – oder über Auftritte für den US-Präsidentschaftskandidaten John Kerry, für Aung San Suu Kyi und für die Welthungerhilfe Oxfam (Oxford Famine Relief). Das ist nur ein kümmerlicher Anfang und sollte den Betrachter dieses fantastisch gut aussehenden Bildbandes motivieren, sich näher mit der Geschichte und dem Werk dieses bemerkenswerten Band zu beschäftigen. (Am 12./13.4.2008 erschien beispielsweise in der SZ-Wochenendbeilage ein Artikel über Stipe und seine geistige Mutter Patti Smith, die bei |Cartier| in Paris auftraten.)

Es gibt viele Wege, sich dem |R.E.M.|-Planeten anzunähern und dort anzudocken, und dieser Bildband ist nicht der schlechteste Zugang. Auf jeden Fall einer der optisch reizvollsten und makellos produzierten.

|Originaltitel: R.E.M. – Hello
Aus dem US-Englischen von Thorsten Wortmann
192 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-89602-841-9|
http://www.schwarzkopf-schwarzkopf.de

Putterford, Mark – Metallica – Talking

„Metallica – Talking“ lautet der Titel des neuen Werkes einer existierenden Buchreihe des Verlages |Schwarzkopf & Schwarzkopf|, in der bisher auch langjährige Musikgötter wie OZZY OSBOURNE oder LED ZEPPELIN (siehe [Rezension) 434 ihre Geschichte zu Papier bringen durften. Wer bei den Schlagworten METALLICA und Interview nun spontan an Lars Ulrich denkt, der liegt nah an der Realität, denn es ist vor allen der Mann am Schlagzeug, der einen Großteil des hier vorliegenden Textes in die Tonbandgeräte verschiedener Journalisten gesprochen hat.

Auf den gut 150 Seiten des Buches kommen aber neben der kompletten „inneren“ Band auch andere zu Wort: Der leider viel zu früh verstorbene Cliff Burton, Dave Mustaine (dem sogar ein eigenes Kapitel gewidmet ist, das vielleicht das interessanteste überhaupt in diesem Buch ist), Jason Newstedt und der Neue am Bass, Rob Trujillo. Das Werk, verfasst, oder besser zusammengestellt von Mark Putterford, ist chronologisch aufgebaut, beginnt bei den unvermeidlichen „Einflüssen“ und „Anfängen“, führt über sämtliche Alben, die von der Band ausführlich kommentiert werden, bis hin zu den aktuellsten Entwicklungen und „St. Anger“. Das eigentlich Interessante an dieser Bandbiographie ist die Tatsache, auf die schon der Titel hinweist: Es handelt sich beim Text ausschließlich um eine Sammlung von Originalzitaten der Band und der Menschen aus deren näherer Umgebung, die dazu jeweils aus der Zeitperiode stammen, die das entsprechende Kapitel näher beleuchtet. Dabei treten neben einigen witzigen Einlagen (zum Beispiel lobt Lars Ulrich so ziemliche jedes einzelne Album als „unglaublich“ oder „Wahnsinn“ in den Himmel, um es beim nächsten Werk wieder schlecht zu reden und das Ganze von vorn durchzuspielen) vor allem viele interne Sachen zutage, die man so wohl schon mal gelesen hat, die aber hier natürlich durch den O-Ton ein ganzes Stück „näher“ an der Realität sind. Selbiges macht, neben vielen guten Farb- und Schwarzweißfotos der Band aus den verschiedenen Perioden, wohl das Hauptargument für dieses Buch aus, das sich ansonsten etwas zu sehr auf die neuere Geschichte von Metallica konzentriert und die tatsächlichen Glanzzeiten der Band etwas in den Hintergrund rücken lässt. Erfreulich auch, wie teilweise zu fast jeder Platte einzelne Songs kommentiert werden, und der Einblick, den man in die Songwriting- und Textentstehungsprozesse bekommt.

Im Endeffekt muss wohl jeder für sich entscheiden, ob er „Metallica – Talking“ unbedingt braucht. Uneingeschränkt empfehlenswert ist es aufgrund der etwas auffälligen Kürze leider nicht, was der niedrige Preis allerdings wieder wettmacht. Fakt ist, dass das Buch einen relativ lesenswerten Überblick über die Geschichte einer der größten Metalbands der Welt gibt und dazu sicherlich zum Teil denkwürdige Originalzitate verwendet, die in sich ein stimmiges Bild ergeben (abgesehen von den erwähnten Wertungen von Plaudertasche Lars Ulrich) und damit insgesamt die normale Form einer Bandbiographie, bei der ein Autor über eine Band schreibt, einmal umdreht. Allzu viel Neues kommt dabei natürlich nicht ans Tageslicht, dennoch kann man das hier vorliegende Experiment ohne Zweifel als geglückt bezeichnen, bei dem vor allem das Herzstück, in dem alle Alben kommentiert werden, zum wiederholten Schmökern einlädt. Hoffen wir auf eine Fortsetzung der Reihe mit weiteren Metal- und Rockgrößen.

Kendall, Paul / Lewis, Dave – Led Zeppelin – Talking

Dieses Buch besteht ausschließlich aus Zitaten und Fotos. Zu wenig? Kommt darauf an, für wen.

Der Titel kommt einem schon wie ein Widerspruch in sich vor: |Led Zeppelin| redet? Auf einmal? Wer die diversen Biografien der Band gelesen hat, weiß ja schließlich, dass die Band, die Jimmy Page 1967/68 auf die Beine stellte, zunächst Hohn und Spott, dann Unverständnis, schließlich blanke Ablehnung erntete, und zwar nicht nur bei den gestrengen Herren Kritikern – etwa beim Branchenfachblatt |Rolling Stone| -, sondern sogar bei Kollegen. (Ab Seite 101 setzen sich die Bandmitglieder mit der Presse auseinander.)

Und wer die fabelhafte Doppel-DVD von 2003 gesehen hat, der weiß auch, dass sich die Fernsehauftritte der Band sehr in Grenzen hielten – und zwar nicht nur wegen des zuweilen seltsamen Ambientes, sondern vor allem wegen des äußerst mangelhaften Sounds, den die Fernsehtechniker zustande brachten und den Page regelmäßig kritisierte (vgl. Booklet zur DVD). Infolgedessen verlegten sich die führenden Köpfe der Band – Page, Plant und Manager Grant – auf Live-Auftritte in den USA, wo man sie bereits frühzeitig feierte, als sie die beiden Fillmore-Klubs an Ost- und Westküste mit ihrer Musik begeisterten.

Die USA-Tourneen waren denn auch die größten kommerziellen Erfolge der Band in ihrer rund 13-jährigen Geschichte. Dokumentiert sind ihre Auftritte am besten auf den beiden einzigen Live-Alben „The Song remains the same“ (Filmsoundtrack, 1976) und „How the West was won“ (2003). Die zweite Doppel-DVD weiß einen exzellenten Sound vorzuweisen. Die Fernsehmedien verglichen sie mit den |Beatles| – und lagen damit um Lichtjahre hinter der Entwicklung zurück.

Die Bandmitglieder, so weiß auch Autor Dave Lewis zu erzählen, redeten praktisch nur mit Fans, über die sie Bescheid wussten. Das ist auch auf der DVD dokumentiert. Dort erzählt Plant sogar etwas über ihr kommendes Mega-Album „Physical Graffiti“ (1975), das unter der Musikkritik als eines der besten, wenn nicht sogar als das beste Rockalbum der Siebziger gilt. |Led Zep| redete – okay, aber nur mit den richtigen Leuten.

_Die Autoren_

Das Buch enthält keinerlei Angaben darüber, wer denn die Autoren sind und mit welcher Glaubwürdigkeit sie die gesammelten Zitate publizieren. Das finde ich ziemlich suspekt. Nicht einmal im „Vorwort“, das Dave Lewis im September 2003 schrieb, finden sich entsprechende Information. Es werden eine Menge Behauptungen über die Band aufgestellt, aber mit welcher Berechtigung? Wenigstens wird nicht aus der Pseudo-Biografie „Hammer of the Gods“ von Richard Cole zitiert. Das ist ja schon mal ein Fortschritt.

_Die Band_

Vocals and harmonica: Robert Plant
Acoustic and electric guitars: Jimmy Page
Bass guitar, keyboards, mandolin: John Paul Jones
Drums and percussion: John Bonham (gest. 1980)
Der 5. Zeppelin: Manager Peter Grant

_Die Inhalte_

Die folgenden ausgewählten Kapitelüberschriften verraten eine zunächst chronologische Ordnung des Materials, das wie gesagt ausschließlich aus Zitaten und Fotos besteht.

„Die frühen Jahre“ – „The Yardbirds“ – „Wie Led Zeppelin entstand“ – „Die Alben“ – „Die Solo-Jahre“- „Led Zeppelin Remastered“ – “ Led Zeppelin Reunited“ – „Coda“.

Man sieht also, dass der Schwerpunkt ziemlich eindeutig auf den Anfängen und den späten Jahren der Band-Mitglieder liegt. Rein an der Masse gemessen, sind die Zitate aus der Anfangszeit in der Überzahl, verdientermaßen, denn hier kann selbst der eingefleischte Fan noch etwas Neues finden. Jedes der Mitglieder – also auch Grant – erzählt, wie er jeweils zur Musik, zum Blues & Rock sowie schließlich zu |Led Zeppelin| gestoßen war. Mit Ausnahme von Jones hatten ja schließlich alle bereits Engagements in einer eigenen Band. Als Page die Band gründete, wurde sie auf ihrer ersten Tournee sogar als „The New Yardbirds“ angekündigt, sozusagen als Fortsetzung einer bekannten Band. Diese verwickelten Anfänge sind sehr interessant – aber wohl nur für den Fan.

Über die Alben wissen die Mitglieder nur wenig zu sagen, was doch ein wenig erstaunt. Immerhin erfährt man, unter welchen kuriosen oder stressigen Umständen die Platten zustande kamen. Singles wollte Page nicht, und er weigerte sich sogar strikt, den Megahit „Stairway to Heaven“ als Single zu veröffentlichen. Diese Strategie zahlte sich in hohen Albumverkaufszahlen aus. Außerdem fiel der ganze Promo-Zirkus bei den Radiosendern weg und man konnte sich auf Tourneen konzentrieren. Zitate zu „In through the Outdoor“ fehlen leider. Worte zu „Coda“, einem Aufräum-Album, fallen nur ein- oder zweimal.

Dass Plant eine wachsende Abneigung, ja sogar Aversion gegen den Song „Stairway to Heaven“ entwickelte, dürfte wohl bekannt sein. Hier erklärt er auch – ein wenig – wie es dazu kam. Insgesamt war ich etwas enttäuscht, nicht mehr über die einzelnen Songs zu erfahren. Immerhin gibt es ein aufschlussreiches Plant-Zitat (Plant schrieb die meisten Original-Lyrics) zu „Ten Years gone“ (1975). Er beschrieb eine Frau, in die er zehn Jahre zuvor verschossen war, doch sie stellte ihn vor die Wahl zwischen ihr und seinen Fans. „Dabei hatte ich überhaupt keine Fans.“

Das Kapitel Groupies wird sehr kurz unter den Überschriften „Lifestyle“ und „Ansichten“ abgehandelt. „In Texas gibt es die reichsten Groupies der Welt. Einige Groupies sind unserem Privatjet [einer umgebauten Boeing 727] in ihrem eigenen Privatjet gefolgt“, weiß Jimmy Page.

Auf diesen Tourneen kam es bekanntlich zu einigen Eskapaden, für die |Led Zep| schon bald berüchtigt wurde. Aber wenn man den Herrschaften glaubt, sind daran vor allem die Roadies schuld. Wie auch immer: Aus dem Fenster fliegendes Mobiliar und demolierte Hotelzimmer waren offenbar harmlose Begleiterscheinungen. Etwas verschärfter waren wohl die Streiche, die sie den Stubenmädchen (|room service|) spielten. Dazu gehörte offenbar auch ein Kleiderschrank voll kleiner Haifische… Nix Genaues wird hier nicht verraten.

Und so sieht sich der Leser – mal wieder – auf die vorhandenen Biografien verwiesen. Hier stößt man aber unweigerlich auf den Namen des von |Led Zep| geächteten Tournee-Managers Richard Cole. Seine zusammen mit R. Trubo verfasste Biografie „Led Zeppelin – Stairway to Heaven“ ist 1995 bei |Heyne| (01/9433) erschienen; das Original erschien 1993. Die Storys, die Cole dort zum Besten gibt (neben zahlreichen Privatfotos), sind sehr unterhaltsam. Auch die Story vom Raub im |Madison Square Garden| findet sich dort (S. 278): Der Band wurden sämtliche Einnahmen des Auftrittes in New York City gestohlen, rund 203.000 Dollar.

Die Versuche, die Band, die sich nach dem Tode des Schlagzeugers aufgelöst hatte, wiederzuvereinigen, waren zahlreich. Eine Menge Zitate in den Abschlusskapiteln beschäftigen sich damit. Es drängt sich einem der Eindruck auf, dass zwar Page und Jones der Idee sehr aufgeschlossen gegenüberstanden (von den Fans ganz zu schweigen), aber Plant hier der große Spielverderber war. Nach einer Episode „Page & Plant“, die gerade mal für zwei Alben und einige Tournee-Auftritte gut war (immerhin), gingen die beiden führenden Köpfe wieder getrennte Wege. Zukunft ungewiss, so lautet das Fazit. Wahrscheinlich will Plant nie wieder in die Verlegenheit kommen, „Stairway to Heaven“ singen zu müssen.

|Die Fotos|

Alle Fotos sind von exzellenter Qualität. Das verdient eine besondere Erwähnung, denn wie oft hat man schon Amateurfotos wie die von Herrn Cole gesehen, die mal nebenher bei einem Konzert vom Bühnenrand geschossen worden waren? Und die sind immerhin schon locker dreißig Jahre alt.

Wenn es also definitiv einen Pluspunkt in diesem Buch gibt, dann sind es diese Fotos. Und sie zeigen auch nicht irgendwelche Nebenfiguren, sondern ausschließlich die fünf Bandmitglieder. Einen Abstrich muss man dabei in Kauf nehmen: Sie liegen fast alle in Schwarzweiß vor. Nur im hinteren Drittel findet sich eine kurze Strecke mit sieben (darunter einem doppelseitigen) Farbfotos, die sich ebenfalls durch hohe Qualität auszeichnen. Mehrere Motive dürften dabei die Band bei ihrem legendären Auftritt im |Madison Square Garden| in New York City (1973) zeigen. Zwei Motive zeigen Plant, als er noch „Percy“, der Mann mit dem ritterlichen Schnurr- und Kinnbart, war. Das dürfte vor 1972 gewesen sein.

_Unterm Strich_

„Led Zeppelin Talking“ ist eine wertvolle Ergänzung im Dokumentenarchiv eines eingefleischten Fans. Denn dies muss man bereits sein, um die Zitate einordnen und bewerten zu können. Jemand, der die Band und ihre Umgebung nicht kennt, kann damit wohl herzlich wenig anfangen.

Ein Beispiel: Jimmy Page wurde in der englischen Presse mit okkulten Machenschaften (sprich: Satanismus) in Zusammenhang gebracht, denn nicht nur hatte er ein Anwesen gekauft, das dem Okkultisten Aleister Crowley gehört hatte, sondern er hatte das vierte Album der Band mit mystischen Zeichen verzieren lassen. Sein ausführliches Zitat zu diesen Vorgängen, das immerhin fast eine ganze Seite einnimmt, ist deshalb für einen Insider von hoher Signifikanz, wenn nicht sogar Brisanz. Einem Uneingeweihten dürfte es sich dabei lediglich um eine lokal aufgehängte Anekdote handeln. So unterschiedlich können also die Bewertungen ausfallen.

|Tipps:|

Dem Einsteiger helfen weder eine Chronologie noch eine Diskografie, die sich im Buch sehr gut gemacht hätten. Offenbar werden diese Kenntnisse vorausgesetzt. Dazu gibt es exzellente Bücher, auf die ich hinweisen möchte.

Chris Welch: „Led Zeppelin. Dazed and confused – The stories behind every song“ (ISBN [3-283-00359-9)]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3283003599/powermetalde-21
Cross/Flannigan/Preston: „Led Zeppelin. Heaven and hell – an illustrated history“ (ISBN 0-517-58308-9)

Die beiden (teuren) Bücher bieten auch dem Einsteiger zahlreiche wertvolle Informationen zur Geschichte der Band und vor allem ihrer Musik, die weiterhin lebendig nachwirkt und auf neue Musikergenerationen Einfluss ausübt (darauf gehen das Unterkapitel „New Wave“ ab S. 99 sowie Zitate ab S. 118 ein).

_Fazit_

Das vorliegende Buch bildet offenkundig den ernsthaft und ästhetisch gut gestalteten Versuch, die Band gebührend zu würdigen. Dabei bildet es aber von seinem Inhalt her das Sahnehäubchen im Archiv des bereits eingefleischten Led-Zep-Fans. Und das zu einem vertretbaren Preis.

Lawrence Grobel – Al Pacino – Im Gespräch mit Lawrence Grobel

Im Interview: Alfredo Pacino oder Michael Corleone?

„Ich war wirklich ein Straßenschauspieler, ein Zigeuner, obdachlos und ohne einen Pfennig. Ich wuchs in den Sechzigern auf. Ich lebte in Bruchbuden und Drecklöchern, in Pensionen und heruntergekommenen Hotels. Fließendes Wasser und ein Bad waren für mich das Paradies.“ Redet so ein OSCAR-Preisträger? Würde Michael Corleone so etwas sagen? Vielleicht nicht, aber Alfredo Pacino, geboren 1940, schon. In diesem Band erhalten wir endlich die (beinahe) ungeschminkte Wahrheit von einem der wichtigsten und angesehensten Schauspieler unserer Zeit.

Dies ist weder eine Biografie, noch sind es Memoiren. Seit 1979, seit „Der Pate 1“, steht Pacino dem Journalisten Lawrence Grobel Rede und Antwort. In den Interviews von 1979 bis 2005 offenbart der medienscheue Medienstar eine einzigartige Sicht auf seinen Beruf, sein Leben und den ganzen Berufsstand, das Film-Business.
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Tedman, Ray (Hg.) – A Tribute to Led Zeppelin – Fotografien

_Neuer Led-Zep-Fotoband: Geldmacherei oder Perle?_

Nach dem Mega-Erfolg der fabelhaft gelungenen Live-DVD aus dem Jahr 2003 hat sich um die Hard-Rock- und Heavy-Metal-Band |Led Zeppelin| geradezu eine Medien-Industrie entwickelt, und das zusätzlich zu der bereits vorhandenen Literatur von Fans, Journalisten, „Managern“ und Musikologen. Angesichts der Flut von Veröffentlichungen muss der Musikinteressierte die Rip-offs von den Perlen unterscheiden lernen. Ob „A Tribute to Led Zeppelin“ die Geschichte der Band in Fotos von 1968 bis heute, eine Perle ist, die man sich für knapp 30 Euronen zulegen sollte, muss sich erst noch zeigen.

Hinweis: Diese Rezension liefert nicht die Geschichte dieser Band, sondern setzt sie als bekannt voraus. Wer alles über |Led Zeppelin| sucht, stößt im Internet auf reiche Jagdgründe. Es gibt kaum noch etwas, was über LZ nicht bekannt wäre. Auf |Buchwurm.info| erfährt man mehr über die Band in den folgenden Rezensionen:

[„Led Zeppelin – Talking“ 434
[„Whole lotta Led – Unsere Reise mit Led Zeppelin“ 2855

_Der Herausgeber_

Ray Tedman ist der Herausgeber dieses Bildbandes. Das bedeutet, dass er nicht für sich in Anspruch nimmt, hochgeistige Beiträge abzuliefern und tiefschürfende Untersuchungsergebnisse zum Besten zu geben. Obwohl er es nicht sagt, bestand seine Aufgabe darin, einfach nur die Begleittexte zu den Fotos schreiben.

Die Begleittexte immerhin basieren auf gesicherten Informationen vom zuverlässigsten Bandbegleiter namens Dave Lewis. Was Tedman also über die Laufbahn der Band und ihrer Mitglieder schreibt, ist also nah an der Wahrheit, wenn auch bei weitem nicht die ganze Wahrheit. Für den Rest gibt es andere Bücher.

Hauptsache also, die Fotos sind gut. Diese stammen von Rex Features, einer „unabhängigen britischen Presseagentur für Fotografie“ (www.rexfeatures.com). Sie beliefert seit 1954 über 30 Ländern mit Fotomaterial zu Medienereignissen. Ihr Bildarchiv ist dementsprechend umfassend, insbesondere zu allen Exponenten der Rockmusik.

Der Zeitraum, der von den in diesem Band präsentierten Fotos abgedeckt wird, reicht von 1964 bis November 2006, also 42 Jahre.

Die BAND |Led Zeppelin| (1968-1980):

Jimmy Page: Gitarren
Robert Plant: Gesang, Mundharmonika
John Bonham: Drums, Percussion
John Paul Jones: Keyboards, Bass

Im Dezember 2007 traten |Led Zeppelin| mit Jason Bonham, John Bonhams Sohn, als Drummer in London auf. Die Tickets kosteten hunderte von britischen Pfund, und nur 20.000 Glückliche konnten bei diesem Wohltätigkeitskonzert live dabei sein. Das spricht Bände für die anhaltende Attraktivität dieser Gruppe.

_Inhalte_

|A) Der Text|

Ray Tedmans Begleittexte zeichnen in zwölf Kapiteln die gesamte Geschichte |Led Zeppelins| nach, von der kuriosen Entstehung als |The New Yardbirds| (Herbst 1968) bis zu ihrem jähen Ende 1980, das durch den Tod des Drummers John Bonham herbeigeführt wurde. In einem Zusatzkapitel erfahren dann noch mehr über die Wege, welche die übrigen Mitglieder der Band gingen.

|B) Die Fotografien|

Die ca. 130 Farb- und Schwarzweißaufnahmen zeigen die „beste Rock-and-Roll-Band der Welt“, so das Fan-Credo, bevorzugt bei ihren Live-Auftritten, aber auch im Studio und backstage. Die meisten Fotos widmen sich den zahllosen Live-Auftritten, allerdings ohne dass jedes Fotos datiert wäre (immer eine Fitzelarbeit). Eine fast ebenso große Zahl von Aufnahmen zeigt die einzelnen Bandmitglieder bei ihren Offstage-Auftritten, so etwa im Los-Angeles-Hotel Chateau Marmont (wo sie kein Hausverbot bekamen) oder in ihren diversen Büros und Wohnungen.

Recht interessant ist die letzte Sektion der Aufnahmen im Kapitel „Nachwehen“. Hier finden sich die Aufnahmen neuesten Datums, die bis in den November 2006 reichen. Am 14. 12. 2005 erhielt Jimmy Page von der Queen einen MBE-Orden für seine Arbeit mit brasilianischen Straßenkindern, und 2006 wurde er in die |UK Hall of Fame| aufgenommen. Die Band selbst ist schon längst in die |US Rock ’n‘ Roll Hall of Fame| aufgenommen worden, aber so wie die britische Presse die Band in den 70ern ignorierte oder niedermachte, wundert es nicht, dass Page diese Ehrung erst so spät zuteil wurde.

Die Qualität der Fotos ist nicht durchweg optimal. Das ist angesichts der Entstehungsumstände durchaus verständlich. Eine Konzertbühne ist schließlich kein Studio. Da können die Aufnahmen schon mal grobkörnig sein. Mitunter werden sogar Abzüge einfach nebeneinander geklebt – wohl um die filmreife Dynamik eines Robert-Plant-Auftrittes zu simulieren.

_Mein Eindruck_

Der Herausgeber Ray Tedman bemüht sich um einen sachlichen Tonfall, der auf nachweisbaren Fakten basiert. Doch um unterhaltsam zu sein, muss er auch ein wenig Lobhudelei betreiben. Schließlich soll sein Buch die Fans ansprechen. Und wenn er über den Tod von John Henry Bonham schreibt, weiß er den Fan durchaus zu Tränen zu rühren. Tragische Vorfälle gibt es bei LZ genügend, so etwa den Tod von Robert Plants Sohn Carac und den Beinahetod Plants und seiner Frau auf einer griechischen Insel.

Aber es gibt auch eine humorvolle Seite, die leicht ins Bizarre umzuschlagen droht. Immer wieder muten dem heutigen Leser die Exzesse der Bandmitglieder wie Märchen aus einer anderen Welt an. Und das kann nicht bloß daran liegen, dass die Rocker in den Spätsechzigern und Siebziger ständig zugedröhnt gewesen sein müssen. Wenn also Humor auftaucht, so oft in Verbindung mit Bizarrerie, Groteske, ja, sogar brachialer Gewalt. Humor war schon damals eine Geschmacksfrage. Und was die Kolportageberichte der Herren Cole und Davis („Hammer of the Gods“) daraus machten, kann man sich leicht ausmalen.

Dankenswerterweise enthält sich der Herausgeber aller Kolportage, auch wenn er im Anhang ausdrücklich „Hammer of the Gods“ als Quelle erwähnt – nicht gerade ein Pluspunkt. Meist stützt sich Tedman auf die von Dave Lewis gesicherten Fakten. Darauf weisen zumindest die Danksagungen im Anhang hin. Die Begleittexte bestätigen diesen positiven Eindruck.

Tedman beschreitet einen schmalen Grat zwischen Begeisterung für das musikalische Phänomen der Band und der Kritik an dem soziokulturellen Phänomen des Kultes und des Big Business. Die Sachlichkeit kann aber auch stellenweise in Faktenhuberei umschlagen. Dann wird aus der Geschichte der Band lediglich eine Chronologie der Auftritte. Diese Entwicklung ist wohl angesichts des knapp bemessenen Platzes – nur je eine Seite pro Kapitel – verständlich.

|Die Fotografien|

Wenn 130 von 160 Seiten eines Buches auf Fotografien entfallen, dann ist klar, dass es sich um einen Bildband handelt. Diese Fotografien wussten mich wirklich zu begeistern. Bemerkenswert ist, dass es sich dabei zum größten Teil um Aufnahmen der Live-Auftritte aus LZs bester Zeit zwischen 1970 und 1975 handelt.

Immer wieder ist Jimmy Page als Gitarrengott zu sehen und Sänger Plant als narzisstischer Frontman (der überhaupt kein Narziss war – es ist alles nur Show). Angesichts dieses dynamischen Duos rücken der Keyboarder/Bassist Jones und der Drummer Bonham etwas in den Hintergrund. Das haben sie nicht verdient.

Immerhin lässt sich anhand der Bilder eine organische Entwicklung der Band und ihrer Mitglieder ablesen. Dadurch wird der Bildband zu einem Dokument jener Zeit, die uns heute schon wieder fremd – oder doch zumindest heroisch verklärt – anmutet. Der Dokumentationscharakter zeigt sich am stärksten im letzten Kapitel, in dem der weitere Werdegang der Bandmitglieder gezeigt wird.

Hier sehen Plant & Page auf der Bühne ebenfalls gut aus. Und sie sind es auch, die backstage am meisten auftauchen (was Mister Bonham, zugegeben, ziemlich schwerfallen würde). Wer’s noch nicht wusste: Herr Plant verfolgt seit fast 30 Jahren eine ziemlich erfolgreiche Solokarriere, und bezüglich seiner jüngsten Kooperation mit der Country-&-Western-Sängerin Alison Krauss überschlagen sich auch die Kritiker wieder vor Lob.

Wenn man sich die frühen Fotos der Band mal genauer anschaut, dann fällt schnell auf, dass es Plant ist, der quasi eine Aversion gegen die Kamera an den Tag legt. |Led Zep| wurden so oft von der Presse geschmäht und verleumdet (oder einfach nur naiv mit den |Beatles| verglichen, siehe oben erwähnte DVD), dass sich die Mitglieder fast nie gegenüber Journalisten äußerten, dafür aber umso bereitwilliger gegenüber ihren Fans. (Weshalb ihre Live-Aufnahmen wesentlich schöner sind als alle Studioaufnahmen.)

Wenn also Plant misstrauisch in die Kameralinse schaut oder sie gleich gänzlich ignoriert (im Chateau Marmont), so belegt dies nur seinen Widerwillen gegenüber einer Presse, die ihn und seine Mitstreiter überwiegend schlecht behandelte. Die Band schlug zum Beispiel mit unbetitelten Alben wie Nr. 4 zurück. Das belegte in den Augen der brüskierten Presse nur die arrogante Herablassung von sogenannten „Rockgiganten“ usw. usf. ad infinitum. Dass Nr. 4 das Rock-Album mit der vierthöchsten Auflage aller Zeiten ist (laut Nigel Williamson), dürfte die Presse nicht versöhnlicher gestimmt haben.

_Unterm Strich_

Es gibt einen Maßstab für Bildbände über |Led Zeppelin|. Das ist immer noch „Led Zeppelin: Heaven and Hell. An illustrated history by Charles Cross, Erik Flanagan with photographs by Neal Preston“. Hinsichtlich der Auswahl der Fotografien, deren Bandbreite und Qualität braucht sich Tedman/RexFeatures‘ Bildband keineswegs dahinter zu verstecken. Natürlich ist das Fotomaterial ein völlig anderes. Wo Neal Preston die US-Auftritte der Band in überreichem Maße ablichtete, spielen die USA bei Tedman nur eine Nebenrolle, und Auftritte in England stehen verhältnismäßig im Mittelpunkt.

Textmäßig könnte der Unterschied nicht größer sein. Cross & Flanagan erzählen sämtliche notorischen Anekdoten und decken zahllose Mythen, Lügen und Legenden auf, die sich um die Band ranken. Dabei liefern sie im Anhang aber auch detaillierte Konzert- und Tourinfos. Dazu gibt kaum etwas Besseres, höchstens von Dave Lewis. Einziges Manko: So etwas wie kritische Distanz zur Band fällt den Autoren etwas schwer.

Im Hinblick auf kritische Distanz hebt sich Tedman von seinen amerikanischen Vorgängern wohltuend ab. Er stützt sich auf gesicherte Fakten und Zitate, die er mit Dave Lewis auf Glaubwürdigkeit abklopfte. Natürlich fehlen dann so saftige Anekdoten wie die Hai-Episode vom Mai 1969 in Seattle (nach anderen Versionen handelte es sich um einen Tintenfisch). Stellenweise verliert er sich in Tourdaten, aber die meiste Zeit konzentriert er sich auf den verhängnisvollen Werdegang der Götter des Rockpantheons, die 1980 eine historische Bruchlandung hinlegten. Nur um dann 25 Jahre später größer als je zuvor wieder in den Medien herumzugeistern.

Rip-off oder Perle – das ist hier die Frage. Wer einen Bildband mit dokumentarischem Charakter sucht, wird mit diesem qualitätsvoll gestalteten und fehlerlos übersetzten Buch optimal bedient – eine Perle also. Wer mehr über die Band an sich erfahren möchte, findet sicherlich andere Werke, die seine Wünsche besser und umfangreicher befriedigen können. Ganz sicher aber ist dieses Buch keine Geldmacherei, sondern bietet reellen Gegenwert.

|Originaltitel: A Tribute to Led Zeppelin, 2008
160 Seiten
Aus dem US-Englischen von Madeleine Lampe
ISBN 978-3-89602-822-8|
http://www.schwarzkopf-schwarzkopf.de

Sean Astin / Joe Layden – There and back again. Ein Schauspieler erzählt (Autobiografie)

Der Darsteller des Samweis Gamdschie in Peter Jacksons modernem Filmklassiker „Der Herr der Ringe“ erzählt von seinen Erlebnissen und Gedanken vor, während und nach den Dreharbeiten, für die er rund zwei Jahre in Neuseeland verbrachte.

Der Autor

Sean Astin, geboren Anfang der 70er Jahre, stand schon mit acht Jahren vor der Kamera eines TV-Studios in Hollywood und spielte eine Rolle neben seiner Mutter. Auch sein Vater John Astin ist ein (in den USA) bekannter Schauspieler. Aufgrund dieses Hintergrunds gewöhnte sich Sean schon früh und ganz selbstverständlich an den Besuch von zahlreichen Filmgrößen in seinem Elternhaus. Daher war es für ihn keine Frage, dass er bald ebenfalls im Geschäft sein würde und fing alsbald an, zu fotografieren oder einen Amateurfilm zu drehen. Los Angeles und Hollywood boten das richtige Klima dafür.
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Jason Arnopp – The Darkness – The Unofficial Book

So wie Justin mitsamt seinen Bandkollegen vom Buchcover den Leser anschmachtet, denkt man unweigerlich an den berühmten Refrain von ‚I Believe In A Thing Called Love‘: „Touchin´ youuuhuuuuu, touchin´ meeeheee“. Doch halt, bis es dazu kommen sollte, mussten die Jungs, allen voran Justin, um den es sich hier in erster Linie dreht, einiges durchmachen. Auf recht kurzweilige und unterhaltsame Art und Weise legt Jason Arnopp, der vorher 14 Jahre für das berühmt-berüchtigte KERRANG!-Magazin geschrieben hat, den Werdegang von Justin dar. Angefangen von der Schulzeit bis hin zu den unzähligen Bands, in denen er vorher schon gespielt hat, wird alles Stück für Stück beschrieben. Sehr positiv an dem Buch sind die vielen guten Fotos und die leichte Lesbarkeit.

Was auf jeden Fall unverzeihlich ist, ist der Tippfehler (oder auch die Unkenntnis) des Schreibers oder auch Übersetzers beim Namen Bon Scott (AC/DC), der hier als „Ben Scott“ tituliert wird (S. 54). Aber trotz dieses Fauxpas erfährt der/die Leser/in viele Details und kann sich nach der Lektüre auch einen Reim auf das Phänomen DARKNESS machen. Zu den Details gehört z. B., dass IKEA einen sehr hohen Anteil am Entstehen des Debütalbums hatte und dass die Band mit ihrem Musikstil alles andere als offene Türen bei den Labels einrannte. Erwähnenswert sind desweiteren die recht anzüglichen Texte, die in dem Buch erläutert werden, ebenso, was es mit Justins Tattoos so auf sich hat.

Alles in allem ein gutes Buch für alle DARKNESS-Fans und diejenigen, die´s werden wollen. Mit fünfzehn Euro hält es sich – trotz aufwendiger Gestaltung – auch im finanzierbaren Rahmen und kostet in etwa so viel wie ein durchschnittlicher Kinobesuch am Samstagabend.

Frank-Burkhard Habel – Ekel Alfred

Gestatten – Tetzlaff mein Name, ich bin hier der Gastgeber

Heinz Schubert verkörperte in den 70er-Jahren in der Gestalt des Alfred Tetzlaff – von seinen Freunden „liebevoll“ Ekel Alfred genannt – den Typus des hässlichen Deutschen und spaltete damit die Nation. Seine Seitenhiebe auf Willy Brandt, den Emigrantenkanzler, und die Sozis, die seiner Meinung nach zum Zerfall Deutschlands beitragen, sind zum Kult geworden und sind charakteristisches Moment einer der letzten richtig guten deutschen Familienserien.

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Andreas Neumann – Sir John jagt den Hexer. Siegfried Schürenberg und die Edgar-Wallace-Filme

Siegfried Schürenberg (1900-1993) gehörte nie zu den Stars des deutschen Theaters, Films und Fernsehens. Schauspieler wie ihn nennt man „Charakterdarsteller“; sie stellen ihre Arbeit in den Dienst der erzählten Geschichte und tragen eher unauffällig ihren dennoch gewichtigen Teil dazu bei, diese möglichst unterhaltsam ablaufen zu lassen. Die Rollen sind meist klein aber prägnant. Manchmal gelingt es einem Charakterdarsteller, aus dem zweiten Glied hervorzutreten. Schürenberg kam in der Rolle des kauzigen „Sir John von Scotland Yard“ zu spätem Ruhm, als in den 1960er Jahren die deutschen Edgar-Wallace-Filme in Serie gedreht wurden. Der Künstler war auch als Theaterschauspieler tätig. Sicherlich ebenso wichtig ist sein Wirken als Synchronsprecher. Erst recht unsichtbar lieh er seine sonore Stimme zahlreichen US-Schauspielern und sprach u. a. für Clark Gable in der deutschen Fassung des Klassikers „Vom Winde verweht“.

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Rolf Giesen/Manfred Hobsch – Hitlerjunge Quex, Jud Süss und Kolberg. Die Propagandafilme des Dritten Reiches

Böser Anfang ist schwer

Die nationalsozialistische „Machtergreifung“ zielte 1933/34 nicht nur auf Politik und Wirtschaft. Wie alle Bereiche des deutschen Lebens wurde auch die Kultur in den Dienst der „Partei“ gestellt. Der Film stellte keine Ausnahme dar. Im Gegenteil: Propagandaminister Joseph Goebbels besaß ein außerordentliches Faible für das Kino. Das betraf nicht nur seine Vorliebe für hübsche Nachwuchsschauspielerinnen. (Seine spezielle Fürsorge verschaffte ihm den Spitznamen „Bock von Babelsberg“.) Für Goebbels war das Kino ein Instrument: Spielerisch und unaufdringlich sollte die nationalsozialistische Botschaft den deutschen Zuschauern eingeträufelt werden.

Geprobt wurde dies schon in den letzten Jahren der Weimarer Republik, sodass pünktlich zu Hitlers Machtübernahme die ersten Filme eines ‚neuen‘ Deutschlands gestartet werden konnten. Sie demonstrierten freilich, wie richtig Goebbels lag, als er darauf drang, die Propaganda stets der Unterhaltung unterzuordnen. „Hans Westmar – Einer von vielen“ oder „SA-Mann Brand“ boten pathetische Massenszenen und braune Aufmärsche in einer dürftigen Spielhandlung und wurden keine Erfolge, denn der deutsche Kinobesucher lehnte Holzhammer-Propaganda ab. Rolf Giesen/Manfred Hobsch – Hitlerjunge Quex, Jud Süss und Kolberg. Die Propagandafilme des Dritten Reiches weiterlesen

Heilemann, Wolfgang ‚Bubi‘ / Thomas, Sabine – Alice Cooper. Live on Tour – Backstage – Private: Photos 1973-1975

Um die Phrasen gleich zu Beginn zu verbraten: |Alice Cooper| sind die Urväter des Schock-Rock. Seit über 35 Jahren veröffentlicht die Gruppe nun schon Platten, deren Bandleader und Sänger (bürgerlich Vincent Damon Furnier) sich praktischerweise auch gleich Alice Cooper nennt.

Wolfgang „Bubi“ Heilemann, der in den 70er Jahren als Fotograf der „Bravo“ (die Jugendzeitschrift mit dem Papstposter hinter der Aufklärungsseite) Alice Cooper und andere Stars ablichtete, hat einen Bildband mit Fotos der Band und ihres Frontmanns vor und hinter der Bühne aus der Zeit von Ende 1972 bis 1975 herausgebracht. Etliche teilweise ganzseitige Bilder zeigen Band und Frontmann auf der Bühne bei ihren berühmt-berüchtigten Horror-Shows, bei Partys und Presseterminen, auf Reisen und hinter der Bühne beim Kartenspielen. Zwischen den Bildseiten sind einige kurze Texte (Deutsch und Englisch) eingestreut, in denen Heilemann Erinnerungen und Anekdoten aus jener Zeit zum Besten gibt. Alice Cooper hatten sich zu dieser Zeit schon mit ihren Hits ‚I’m Eighteen‘ und ‚School’s Out‘ einen Namen gemacht. In den Jahren, die dieser Bildband begleitet, erschienen ihre Erfolgsalben „School’s Out“ (1972), „Billion Dollar Babies“ (1973), „Muscle Of Love“ (1974) und – Bandchef Cooper hatte die Besetzung inzwischen komplett ausgetauscht – „Welcome To My Nightmare“ (1975). Und zu fast jedem Album gab es eine große Tournee mit den bekannten grellen Schockeffekten.

Die meisten Fotos zeigen die Band auf der Bühne: Alice Cooper mit der schwarz-weißen Schminke, bewaffnet mit Äxten und Säbeln, im Kampf mit Spinnen, Monstern und Schaufensterpuppen, die Boa Constrictor um den Hals, und natürlich unter der Guillotine. Am Ende der Konzerte inszenierte der Sänger immer seinen eigenen Tod am Strick oder unter dem Fallbeil (alle anderen waren dann schon tot). Die grellsten Geschmacklosigkeiten – bei Cooper-Gigs fielen auch schon mal Konzertbesucher in Ohnmacht – wurden aber ausgespart. Andere Bilder zeigen einen flachsenden Alice Cooper – den Mann, nicht die Band – auf dem Flughafen, im Gespräch mit dem Schlagersänger Udo Jürgens oder auf einer Party zusammen mit dem berühmten spanischen Maler Salvador Dalí. Cooper und Dalí waren Fans des jeweils anderen. Dalí hat von Cooper ein Bild mit dem Titel „Geopoliticus Child“ gemalt und den abgeschlagenen Kopf für die Enthauptungen bei den Shows entworfen! Abseits des Rummels erscheint der Bandleader als netter, sympathischer Kerl, der stets ein Grinsen auf dem Gesicht hat und den man sich kaum als Schock-Rocker vorstellen kann. Auf anderen Fotos aber sieht man ihn müde und geschafft; die ständig präsenten Bierdosen deuten ein Problem an, mit dem Cooper in den darauf folgenden Jahren schwer zu kämpfen hatte.

Bei einigen Fotos hätte man sich erläuternde Bildunterschriften gewünscht. Und für den Anhang hätten Autor und Verlag noch etwas Papier und eine kurze Recherche springen lassen können, damit unter dem Stichwort Diskografie nicht nur ein Best-of-Album genannt werden muss. Aber von diesen kleinen Mankos abgesehen, liegt hier ein edler großformatiger Bildband vor, der Alice Cooper in der klassischen Erfolgsphase der Band bei ihren heute noch legendären Tourneen zeigt. Alice Cooper-Fans werden ohnehin zuschlagen, aber auch für jeden, der sich für die wilden 70er, in denen es abseits der Schubladen originelle und individualistische Gruppen gab, interessiert, dürfte dieser Band das Richtige zum Lesen und Anschauen sein.

Dieses Buch ist Teil einer Serie von Bildbänden mit Fotos aus Heilemanns Archiv, in der schon Ausgaben u. a. über ABBA und [AC/DC 741 erschienen sind und die noch fortgesetzt werden soll.

Mehr Infos zum Buch gibt es unter http://www.schwarzkopf-schwarzkopf.de/toptitel/alicecooper.html.

Reiner Boller & Christina Böhme – Lex Barker. Die Biographie

In sieben Groß- und 25 Unterkapiteln wird das Leben und Schaffen des Alexander Crichlow „Lex“ Barker jr. vor dem überwältigten Leser ausgebreitet: Diese Biografie umfasst 550 großformatige, auf bestes Kunstdruckpapier gebannte Seiten – kein Buch, das man auf dem Rücken liegend & mit dem Bauch stützend lesen sollte …

Reiner Boller & Christina Böhme – Lex Barker. Die Biographie weiterlesen

Reiner Boller / Julian Lesser – Tarzan und Hollywood

Ein kluger Mann & sein Affenmensch

Tarzan, der Held des Urwalds, wurde gleich zweimal geboren, wie wir nach der Lektüre dieses Buches wissen. Zunächst erfolgte sein literarischer Urschrei, ausgestoßen 1912 in der Oktobernummer des Magazins „The All-Story“. Die Luft dazu verdankte er Edgar Rice Burroughs, einem eher fleißigen als fähigen Schriftsteller, der aber schlau genug war, die Möglichkeiten zu erkennen, die ihm sein Dschungelheld bot – vor allem in finanzieller Hinsicht.

So war Burroughs ganz Ohr, als sich das noch junge Hollywood bei ihm meldete. 1918 war es bereits soweit: Tarzan (alias Elmo Lincoln) tummelte sich in Pappkulissen zwischen grauenhaft schlecht maskierten ‚Affen‘-Darstellern. Das Publikum war begeistert, auch wenn es im Stummfilm nicht Tarzans markantes Röhren hören konnte. Reiner Boller / Julian Lesser – Tarzan und Hollywood weiterlesen

Manfred Hobsch/Michael Petzel – Heinz Erhardt. Mopsfidel im Wirtschaftswunderland

Merkwürdige Mischung aus Biografie, zeithistorischer Betrachtung und Bilderbuch, das sich mit der Karriere des deutschen Komikers Heinz Erhardt (1909-1979) beschäftigt bzw. diese zelebriert. Die Gliederung ist z. T. schwer nachvollziehbar da sprunghaft, die Texte sind relativ knapp aber informativ. Das unschlagbare Plus des in jeder Hinsicht gewichtigen Werks sind seine Fotos, die in Auswahl und Wiedergabequalität schlicht Maßstäbe setzen.

Ein Komiker als Sinnbild einer Ära

Er war in den Augen seines Publikums und der zeitgenössischen Kritik ‚nur‘ ein Komiker, der Witze riss, die Deutschland mehrheitlich unterhielten. Tatsächlich muss man ihn als Multitalent werten: Heinz Erhardt (1909-1979) war Dichter, Komponist, Musiker, Sänger, Film- und Theaterschauspieler, Produzent und, und, und … – ein Workaholic, der hart für seinen Erfolg und an der scheinbaren Leichtigkeit seines Witzes arbeitete.

Obwohl er nicht sehr alt wurde und zudem ab 1971 nach einem Schlaganfall halb gelähmt und stumm zurückgezogen lebte, umspannt Erhardts Karriere knapp vierzig Jahre. Das vorliegende Werk nimmt davon jene beiden Jahrzehnte unter die Lupe, in denen der Künstler in der deutschen Unterhaltung quasi omnipräsent war und das Fundament eines Ruhmes legte, der bis auf den heutigen Tag nachwirkt und seinen Urheber unbestreitbar zum Kult werden ließ.

In den 1950er und 60er Jahren stand Heinz Erhardt auch als Schauspieler auf der Höhe seines Ruhms. Seine Filme wurden von einem Millionenpublikum gesehen. Es lohnt sich daher, einen Blick auf das Erhardtsche Schaffen zu werfen. Manfred Hobsch und Michael Petzel unternehmen den Versuch, dies anhand der ‚typischen‘ Filme dieser Ära darzustellen.

Ein Leben im Unterhaltungs-Dauerstress

„Heinz Erhardt“ wird eingeleitet durch eine kurze aber umfassende Biografie, die unter dem Titel „Aus dem Leben eines Komikers“ steht. Es folgt eine Art Ausblick („Papa Heinz wird es schon richten und Erhardts Ausflüge in den Wilden Westen“) auf den sich anschließenden Hauptteil, der in folgende Kapitel gegliedert ist:

„Vater, Mutter und neun Kinder (1958)“ berichtet auf den Seiten 60-182 (!) vom gleichnamigen Kinofilm, mit dem Erhardts Filmkarriere seinen eigentlichen Anfang nahm. Mit „Natürlich die Autofahrer (1959)“ setzte sich diese fort, um mit „Drillinge an Bord (1959)“ nach Ansicht der Kritik bereits ihren Höhepunkt zu erreichen.

„Der letzte Fußgänger (1960)“ zeigte den Komiker noch einmal in einer Hauptrolle, bevor „Freddy und der Millionär (1961)“ Erhardts ‚Abstieg‘ in größere und später immer kleinere Nebenrollen einläutete. „Der Ölprinz (1965)“ und „Das Vermächtnis der Inka (1965)“ informieren ausführlich über Erhardts kuriose Ausflüge in das Western- bzw. Abenteuer-Genre, in dem man ihn kaum vermutet hätte.

Ab S. 400 listet ein Lebenslauf Leben und Werk des Künstlers auf. Angesichts seiner Arbeitswut wundert es kaum, dass diese Aufstellung volle 18 Seiten umfasst. Auf noch einmal 100 Seiten folgt eine „Kommentierte Filmographie“, die Erhardts Kinoschaffen würdigt, sowie eine Liste der TV-Filme, in denen er auftrat. Für jeden Film finden die Mitwirkenden vor und hinter der Kamera Erwähnung. Es schließt sich eine Inhaltsangabe an, gefolgt von einigen Hintergrundinformationen und Zitaten aus zeitgenössischen Kritiken. Zu guter Letzt rundet eine Biografie der Werke von und über Heinz Erhardt das Werk ab.

Alte Fakten in neuem Blickwinkel

Was für ein Buch! 30 cm ist es hoch, 25 cm breit, 5 cm stark. Gewogen habe ich es nicht, aber auf dem Rücken liegend & den Bauch als Stütze nutzend lässt es sich nur kurz lesen. Ein Prachtband also, gedruckt auf edles und schweres Kunstdruckpapier, das vor allem die zahlreichen Bilder (s. u.) zur Geltung kommen lässt. Als Objekt des Buchdrucker-Kunsthandwerks ist er seinen stolzen Preis wert.

Der Textteil gibt bei näherer Betrachtung jedoch zu einiger Kritik Anlass. So ist zunächst darauf hinzuweisen, dass dieses Heinz-Erhardt-Buch seinen Vorgängern nichts grundsätzlich Neues beizufügen hat. Allenfalls Sekundärliteratur wurde für den Text ausgewertet, Primärquellen werden jedenfalls nicht angegeben.

„Mopsfidel im Wirtschaftswunderland“ ist dennoch kein lieblos aus Zitaten, Vorläuferliteratur & Hörensagen nachgebetetes Machwerk. Die Dichte der Erhardt-Informationen mag vergleichsweise gering sein, doch die Verfasser arbeiten intensiv mit ihnen. Sie schaffen daraus nicht das übliche Starporträt, sondern betten eine Vita in das historische Umfeld ein: Heinz Erhardt lebte nicht nur in den Jahren des deutschen Wirtschaftswunders, sondern er repräsentierte es auf seine Weise.

Weg von tradierten Vorurteilen

Dies wird nicht auf den ersten Blick ersichtlich bzw. wurde von der Erhardt als Galionsfigur (oder Hofnarr) des oder des Nachkriegs-Establishments nicht immer objektiv gewogenen Kritik in ein schiefes Licht gesetzt. Hobsch & Petzel arbeiten heraus, was Erhardt zur Verkörperung des Wirtschaftswunderlands werden ließ und wieso diese Schlüsse nicht selten auf historisch bedingten Missverständnissen und Vorurteilen basieren.

So einfach ist es tatsächlich nicht, die spezifische Erhardt-Komik zu ‚erklären‘. Der nüchterne Gegenwarts-Deutsche mag sich fragen, wer über solche harmlosen Witzchen lachen geschweige wie man darauf eine Karriere darauf gründen konnte. Ungeachtet dessen ist da Erhardts Kultstatus, der nach Ansicht der Verfasser eine tiefgründende Sehnsucht der angeblich so zynischen Gegenwartsgenerationen nach der alten = guten Zeit verrät, als Massenarbeitslosigkeit, Auflösung des sozialen Netzes u. a. Unerfreulichkeiten noch unbekannt waren.

Dieser spezifische Aspekt hält – neben der qualitätvollen, zunächst unauffälligen Hintergründigkeit zahlreicher Kalauer – den ‚Kult‘ Heinz Ehrhardt am Leben. Insofern waren Hobsch & Petzel gut beraten, das Schwergewicht ihrer Darstellung auf die 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts zu beschränken: Vorher und später war bzw. wurde auch Heinz Erhardt Opfer der Zeit- und Lebensumstände und war noch nicht bzw. nicht mehr die angenehm alltagsferne Lichtgestalt, die seinen zeitlosen Reiz ausmacht.

Weniger reden, mehr sagen!

Was an einem Werk dieser Preislage stört, ist das Fehlen eines konsequent gelegten roten Fadens. Es fallen viele unnötige Wiederholungen auf. Der Lebenslauf gegen Ende des Buches ist manchmal wortidentisch mit der Einleitungsbiografie. Auch die Vorschau auf die Filmbesprechungen nimmt außerordentlich viel von dem vorweg, was später noch einmal breit ausgewalzt wird.

Zwar interessant aber dem Konzept des Werkes widersprechend sind die eingestreuten Biografien diverser Erhardt-Kolleginnen und Kollegen. Die Auswahlmodalitäten bleiben unklar; Trude Herr als vierfache Filmpartnerin verdient zweifelsohne eine gesonderte Erwähnung, aber trifft dies auch auf Freddy Quinn, Harald Phillipp oder Erik Schuhmann zu? Ihre Viten sind nicht hilfreich in dem Bemühen, Heinz Erhardts Leben und Werk zu illustrieren.

Ein Aspekt des vorliegenden Werkes lässt indessen Negativkritik nachdrücklich verstummen: Hobsch & Petzel haben eine Fülle selten oder nie gesehener Fotos zusammengetragen. Ihr Buch wirkt über weite Strecken wie ein Heinz-Erhardt-Schrein. In allen Lebenslagen sieht man den Künstler, der – so machen diese Bilder deutlich – eigentlich immer ‚im Dienst‘ war: Stets gab Erhardt den Erhardt, sobald sich ein Fotograf zeigte.

Die Macht des Bildes

Wobei diese Abbildungen sich in Stand-, Arbeits- und Privatfotos unterteilen lassen. Allerdings sind die Grenzen fließend: Viele angebliche Arbeitsfotos verraten durch ihre Präzision den eigentlichen Zweck: Sie entstanden zu Werbezwecken für die Presse und vermitteln folglich ein geschöntes Bild von der Atelier- oder Außendreh-Realität. Hobsch & Petzel präsentieren manchmal ganze Fotoserien, die stets das identische Motiv mit nur variierten Körperhaltungen und Gesichtsausdrücken zeigen. Auch hier sehen wir Erhardt als Profi, der geduldig in seiner Rolle als Komiker posiert.

Dank ihres wahrlich königlichen Formats kommen die Fotos richtig zur Geltung. Sie sind zudem von einer Wiedergabequalität, die einfach nur staunen lässt. Schwarzweiße Schärfe, akkurat ausgeleuchtet – auch die Art des Fotografierens sagt viel über die Zeit aus, in der diese Bilder entstanden: Nicht einmal in der freien Natur duldete man ‚Unordnung‘; jeder Grashalm steht stramm, Staub und Steine sind ordentlich gefegt. Außenaufnahmen entwickeln eine seltsam Sterilität, in der sich sichtlich nur zahme, harmlose, ‚saubere‘ Unterhaltung entfalten kann. (Die wenigen farbigen Aufnahmen wirken dagegen allzu ‚natürlich‘.)

Heute sind solche Fotos selbst Dokumente geworden. Außerdem versetzen Hobsch & Petzel jenen Filmbuch-Autoren, die ihre Leser mit miserablen, verschwommenen, lieblos zusammengestoppelten ‚Starfotos‘ für dumm verkaufen, einen verdienten Doppeltritt in die Hintern. Sie übertreiben es hier und da, wenn sie schier endlose Serien oder Porträtstudien zum Abdruck bringen. Aber „Mopsfidel im Wirtschaftswunderland“ ist dennoch ein formal wie inhaltlich (in dieser Reihenfolge) gelungenes Buch, das dem Objekt seiner Darstellung nahe kommt, statt sich auf pubertäre Götzenverehrung oder das Wühlen nach schmutziger Privatwäsche zu verlassen.

Gebunden: 523 Seiten
Deutsche Erstausgabe (geb.): Juni 2004 (Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag)
http://www.schwarzkopf-verlag.net

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