Bruce Sterling – Der Staubozean

Auf Waljagd wie weiland Käptn Ahab

Nullaqua ist eine menschenfeindliche Welt, ein Wüstenplanet mit gigantischen Staubozeanen. Darin leben riesige, walähnliche Tiere, aus deren Kadavern man die Droge Syncophin gewinnt. Zigtausende Süchtige in der gesamten Galaxis können ohne das „Flackern“, das das Syncopin in ihrem Bewusstsein hervorruft, die Realität nicht mehr ertragen, und so jagen riesige Schiffe die Staubwale. Ihre Crews bestehen nur teilweise aus Menschen, doch die Entbehrungen und die tödliche Bedrohung durch die grausame, fremde Natur schweißt sie zu unverbrüchlichen Gefährten zusammen. (Verlagsinfo)

Dieser erste Roman Bruce Sterlings, erschienen bereits 1977, ist eine Nacherzählung von Herman Melvilles „Moby Dick“ auf Science-Fiction-gemäße Weise, aber auch eine Entgegnung auf Frank Herberts DUNE. Damit schaffte Sterling auf Anhieb den Durchbruch.

Der Autor

Bruce Sterling war der eigentliche Wortführer („Vincent Omniaveritas“) des Cyberpunk und neben William Gibson und Walter Jon Williams der wichtigste Autor dieser postmodernen Richtung der Science-Fiction. Seine Anthologie „Mirrorshades“ (dt. als „Spiegelschatten“, bei Heyne als Nr. 06/4544 erschienen) setzte seinerzeit Maßstäbe. Sie gilt als die beste und wichtigste Anthologie der achtziger Jahre.

Er hat Artikel für die Magazine Wired, Newsweek, Fortune, Harper’s, Details und Whole Earth Review geschrieben. Den Hugo Gernsback Award für die beste Science Fiction-Novelle gewann er gleich zweimal, u.a. für „Taklamakan“. Er lebt in der Universitäts- und Industriestadt Austin in Texas und hat schon mehrmals Deutschland besucht. Eine seine Stories spielt in Köln und Düsseldorf.

Handlung

Nullaqua ist eine menschenfeindliche Welt, denn sie besitzt – wie ihr Name verrät – überhaupt keine Wasservorkommen. Niemand würde sich um den öden Wüstenplaneten scheren, wenn nicht das Syncophin hoch im Kurs stünde, eine begehrte Droge, die den Süchtigen zu dem eigentümlichen „Flackern“ verhilft, ohne das sie die Wirklichkeit nicht ertragen zu können glauben. Syncophin gibt es – natürlich – nur auf Nullaqua.

Die Droge wird aus den Kadavern der riesigen Wale gewonnen, die das Staubmeer dieser Welt durchstreifen. Die Wale wiederum werden gejagt von den todesmutigen Kapitänen – wie weiland Ahab – und ihren kühnen Mannschaften, die nur zum Teil aus Menschen bestehen und dennoch unverbrüchliche Gemeinschaften bilden, zusammengeschweißt durch die Entbehrungen und die tödliche Bedrohung durch die unbekannte, aber stets grausame Fauna des Staubozeans.

Simon heuert auf einem dieser Walfänger bzw. -jäger an und erlebt die haarsträubendsten Abenteuer mit der Mannschaft. Insofern ist dies mehr eine phantastische Reiseerzählung – eines der ältesten Genres überhaupt, wie man es seit der „Odyssee“ kennt.

Mein Eindruck

Der Autor schildert anhand von Simons Erlebnissen die fremdartige Natur in eindringlichen Worten, auch die Sorgen, Nöte und Absonderlichkeiten der sehr verschiedenartigen Crew. Und natürlich gilt es auch ein Monster zu besiegen, so wie weiland den Weißen Wal. Ich fand Sterlings abenteuerliches Garn mäßig spannend, aber recht unterhaltsam, ungefähr wie einen Abenteuerroman von Philip José Farmer (der mit „Ismaels fliegende Wale“ 1971 übrigens auch eine „Moby Dick“-Pastiche veröffentlicht hatte). Nicht ganz zufällig schrieb auch Samuel R. Delany mit „Nova“ (1968) einen ganz ähnlich gelagerten Argonauten- und Gralssuche-Roman, der zwischenzeitlich zum Klassiker avanciert, aber leider schon wieder in Vergessenheit geraten ist ((https://en.wikipedia.org/wiki/Nova_(novel))).

DUNE

Die Parallelen zu Frank Herberts DUNE-Entwurf sind ebenfalls unübersehbar. Eine Droge, die es nur auf einer einzigen Welt gibt? Das begehrte Spice lässt schön grüßen. Und es wird wie auf Nullaqua von sehr gefährlichen Lebewesen bewacht, wie auf Arrakis von den Sandwürmern. Der große Unterschied zur Ausbeutung der begehrten Ressource liegt in der Organisationsform: Auf DUNE herrscht ein Adelshaus mit seinem Konzern über die Nutzung des imperialen Monopols.

Die Crew

Auf Nullaqua herrscht hingegen eine sehr DUNE-untypische Basisdemokratie, gemäß der sich die Kapitäne mehr wie Freibeuter der Meere aufführen dürfen. Dementsprechend lasch ist denn auch die Disziplin unter den Mannschaften – von militärischer Disziplin keine Spur. Dieses zentrale Element der bunt zusammengewürfelten Crew sorgt für eine Menge Unterhaltung. Die Crew steht stellvertretend für die multiethnische Gesellschaft der USA. Am interessantesten sind also mitunter die Auseinandersetzungen, die für die Beseitigung der Konflikte nötig sind. Die Jagd nach den Walen und der Droge ist somit nur ein Vorwand für das wahre Abenteuer bei dieser Argonautenfahrt.

Hinweis

Diesen Erfolg mit „Staubozean“ versuchte Sterling mit der indirekten Fortsetzung „Heavy Weather“ (1994, „Schwere Wetter“, siehe meinen Bericht) – Schauplatz ist eine verwüstete Erde – zu wiederholen, was ihm aber nur teilweise gelang.

Taschenbuch & E-Book: 223 Seiten
Originaltitel: Involution Ocean, 1977
Aus dem US-Englischen übertragen von Bernd Holzrichter
ISBN-13: 978-3453109315

www.heyne.de

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