Glineur, Jean-Louis – Todesangst in der Nordeifel

Die junge Mutter Marianne Belder wird in einem Wald nahe Dedenborn in der Nordeifel von einem Osteuropäer überfallen und vergewaltigt. Sie soll nicht das einzige Opfer bleiben. Kurze Zeit später wird eine Jugendliche vergewaltigt und ermordet.

Mariannes Ehemann Wolfgang arbeitet die Polizei zu langsam, ihre Ehe hat unter der Vergewaltigung gelitten und er beauftragt die Privatdetektive Alwin Schreer und Anne-Catherine Vartan mit Ermittlungen. Bei Schreer kann er sich des nötigen Engagements sicher sein, denn Marianne war seine Jugendliebe.

Die Vergewaltigungsserie reißt nicht ab und wird zum politischen Problem. Die Besucherzahlen des Nationalparks Eifel könnten leiden und die wirtschaftlich schwache Region schädigen. Für Schreer und Vartan ist es jedoch schon lange kein Auftrag mehr, sondern etwas Persönliches.

Wolfgang Bender wird bei dem Versuch, den Mörder zu stellen, von ihm getötet. Eine junge Türkin aus Schreers Bekanntenkreis wurde ebenfalls vergewaltigt und hat bisher aus Scham geschwiegen. Als wäre das nicht genug, wird eine Informantin Alwins, deren Aussage aufgrund eines Fehlers seinerseits in die Lokalpresse gelangte, von mehreren Personen entführt und brutal misshandelt. Auch auf Schreer und seine Partnerin wird ein Anschlag verübt – eine ganze Bande wehrt sich vehement gegen die Nachforschungen, die immer mehr in die Richtung einer Verwicklung deutscher Geschäftsleute zielen. Die Vergewaltigungen stellen nur die Spitze eines Eisbergs dar …

_Der Autor_

Der 42-jährige Deutsch-Belgier Jean-Louis Glineur wurde im belgischen Verviers geboren, wohnt in Dedenborn in der Eifel, ist gelernter Industriekaufmann und freier Mitarbeiter der Kölnischen Rundschau.

Der Lokalkolorit des Hörbuchs und seine Erfahrungen mit Presse und Polizeiarbeit sind somit aus erster Hand. Vorlieben des Autors wie Formel-1-Rennen und schnelle Autos zeichnen auch seinen Hauptcharakter Alwin Schreer aus, der dadurch besonders authentisch wirkt. „Todesangst in der Nordeifel“ ist sein Debütroman.

_Der Sprecher_

Julian Mehne ist Ensemblemitglied des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin. Er wurde 1998 in Nordrhein-Westfalen als Nachwuchsdarsteller des Jahres ausgezeichnet und erhielt 2001 den Bad-Hersfeld-Preis. Als Hörbuchsprecher scheint jedoch auch bei ihm ein Debüt vorzuliegen.

Mehne stellt für das Hörbuch einen echten Glücksgriff dar, er hat eine angenehme und deutliche Stimme und kann zwischen verschiedenen Dialekten und Akzenten wechseln, ohne in übertriebene Betonungen zu verfallen.

_Ein einfühlsamer Privatermittler_

Alwin Schreer ist ein Detektiv, dessen Stärke in seinem Einfühlungsvermögen und seiner Menschlichkeit besteht. Er versteht es nicht nur, sowohl mit dem aufgebrachten Ehemann und der verstörten Marianne als auch mit seinem alten Freund Kommissar Welsch umzugehen, als toleranter Typ hat er auch keine Probleme im Umgang mit Homosexuellen, Prostituierten und Ausländern. Rücksichtslos sensationslüsternen Reportern gegenüber kann er jedoch auch eine härtere Gangart einschlagen, was sonst eher seiner schönen und schlagkräftigen Partnerin Anne-Catherine Vartan vorbehalten bleibt.

Bei aller Einfühlsamkeit mangelt es Schreer doch oft an Professionalität, er ist oft nachlässig und unvorsichtig, durch einen Fehler seinerseits wird die Zeugin Jana Kohlstock erst gefährdet. Er ist aber auch ein findiger Ermittler, durch seine Methoden und Intuition wird die Polizei erst auf übersehene Indizien und Zusammenhänge aufmerksam.

Der sympathische Detektiv ist der am besten ausgearbeitete Charakter des Hörbuchs; auffallend ist, wie wenig er äußerlich beschrieben wird, während andere Charaktere meist mit bildhaften Vergleichen charakterisiert werden. So wird Mariannes Ehemann Wolfgang als „Conan der Barbar“ vorgestellt, er verhält sich auch entsprechend impulsiv und ist versessen auf Rache und Vergeltung. Leider werden auch andere Charaktere wie der Journalist Pierre derart beschrieben, er sieht aus wie „George Clooney“, womit dann alles gesagt ist. So bleiben viele Charaktere leider blasse und unterentwickelte Abziehbilder ihrer Vorlagen.

Ein Hauch Romantik und Sexappeal liegen im Verhältnis Schreers zu Frauen, der immer noch für seine einstige Jugendliebe Marianne schwärmt und auch gerne mal bei seiner begehrenswerten Partnerin Anne landen würde, die leider erst spät zum Zuge kommt.

Besonders gelungen ist die Behandlung brisanter Themen wie der oft schuldzuweisenden Haltung der Gesellschaft gegenüber Vergewaltigungsopfern, Vorurteilen gegenüber Ausländern sowie der komplexen Beziehung zwischen den Medien und der Polizei. Wie die Region Eifel selbst leidet auch die Polizei unter Sparzwängen; Personalmangel und –einsparungen zwingen Kommissar Welsch widerwillig zum Pakt mit dem Teufel, das heißt einer Zusammenarbeit mit der Presse und Schreer. Dabei zeigt Glineur deutlich, wo man eine Grenzlinie zwischen verantwortungsvollem und für alle Seiten nützlichen Journalismus und rücksichtsloser und gefährlicher Berichterstattung in Revolverblättern ziehen muss.

Interessante Wendungen gewinnt der Roman durch die Behandlung eben dieser Themen; so baut Glineur bewusst auf Klischees und Vorurteile, um diese zu widerlegen oder falsche Spuren zu legen. Das einzige Klischee, das er ungeschoren davonkommen lässt, ist das des bei jeder Gelegenheit rauchenden Detektivs – Schreers gesammeltes soziales Umfeld greift interessanterweise ebenso zwanghaft und beständig zum Glimmstengel.

Die Handlung selbst schreitet rasant voran, es fliegen des Öfteren die Fäuste, und passend zu diesem Tempo sind Schreer und Vartan oft mit dem Auto unterwegs – mit überhöhter Geschwindigkeit selbstverständlich. Der Plot ist sehr gut und überzeugend ausgearbeitet, die angesprochenen Klischees und Aspekte fügen sich harmonisch in die Handlung ein und geben genügend Anreize zum Spekulieren und Kombinieren, hervorragend gelungen ist die Verbindung mit der geographischen und politischen Lage (Grenznähe) der Eifel, die Vor-Ort-Kenntnisse des Autors wirken sich hier sehr bereichernd aus.

_Fazit:_

Liebenswerter und einfühlsamer Humor zeichnet die kurzweilige, rasante Geschichte und ihren Hauptcharakter Alwin Schreer aus. Julian Mehne scheint wie geschaffen für diese Sprecherrolle, denn er beherrscht die leisen Töne und schafft das Kunststück, polnische Akzente und Eifeler Dialekt semi-authentisch und dennoch gut verständlich zu sprechen. Auf Geräusche oder Musikuntermalung wurde dabei verzichtet, was jedoch angesichts des hohen Erzähltempos und der spannenden Geschichte gar nicht stört. Es fällt jedoch eine gewisse Hetze auf; die 225 Minuten des Hörbuchs sind auf drei CDs verteilt, was bei den üblichen 74 Minuten einer CD sehr knapp wird. Hier wollte der Verlag sich die vierte CD offensichtlich sparen; so gibt es kaum eine Sekunde Pause zwischen den Kapiteln und auf den üblichen Abspann am Ende eines Hörbuchs hat man ebenfalls verzichtet, nicht einmal ein kurzes „Ende“ oder „Sie hörten …“ folgt.

Neben den etwas dürftig bildlich beschriebenen Nebencharakteren störte mich nur die vielen Actioneinlagen stets vorangehende unglaubliche Dummheit der jeweils verwickelten Personen. Diese wirkt aufgesetzt und unglaubwürdig, was jedoch glücklicherweise vom hohen Tempo und den vielen Wendungen der mit Themen dicht gepackten Geschichte kaschiert wird. Für 9,80 EUR erhält man einen hervorragenden Krimi, der mich auf einsamen Autobahnfahrten gut unterhalten hat. Die unkompliziert, temporeich und spannend erzählte Geschichte und die kaum übersehbare Liebe des Autors für Autos prädestinieren „Todesangst in der Nordeifel“ geradezu dafür.

http://www.hoerbuchnetz.de/

Schreibe einen Kommentar