Brunner, John – Spion aus der Zukunft

Marionetten der Medienindustrie – „Big Brother“ lässt grüßen

Der Theaterregisseur Manuel Delgado ist angeblich ein Genie, das man nicht mit gewöhnlichen Maßstäben messen darf. Der Schauspieler Murray Douglas will herausbekommen, weshalb Manuel Delgado bestimmte Schauspieler, wie ihn, von allen möglichen Bühnen zusammengesucht hat. Warum hat er sie an einem abgelegenen Ort eingesperrt? Warum fördert er ihre Schwächen und Laster? Weshalb werden sie von schweigsamen Dienern bewacht und bevormundet? Wer ist dieser Manuel Delgado – und was hat er vor? Murray ahnt nicht, dass Delgado das Theaterstück, das er proben soll, völlig gleichgültig ist. Das wahre Stück findet auf den jeweiligen Zimmern statt, mit den Schauspielern als Marionetten …

Die Heyne-Ausgabe bietet die gekürzte Fassung von 1969. Ich besitze die 2. Auflage von 1970, die auch in einem Heyne-SF-Sammelband von 1986 zu finden ist. Der Gesamttext wurde erst 1977 restauriert. Davon gibt es bislang keine Übersetzung.

Der Autor

John Kilian Houston Brunner wurde 1934 in Südengland geboren und am Cheltenham College erzogen. Dort interessierte er sich schon früh „brennend“ für Science-Fiction, wie er in seiner Selbstdarstellung „The Development of a Science Fiction Writer“ schreibt. Schon am College, mit 17, verfasste er seinen ersten SF-Roman, eine Abenteuergeschichte, „die heute glücklicherweise vergessen ist“, wie er sagte.

Nach der Ableistung seines Militärdienstes bei der Royal Air Force, der ihn zu einer pazifistisch-antimilitaristischen Grundhaltung bewog, nahm er verschiedene Arbeiten an, um sich „über Wasser zu halten“, wie man so sagt. Darunter war auch eine Stelle in einem Verlag. Schon bald schien sich seine Absicht, Schriftsteller zu werden, zu verwirklichen. Er veröffentlichte Kurzgeschichten in bekannten SF-Magazinen der USA und verkaufte 1958 dort seinen ersten Roman, war aber von der geringen Bezahlung auf diesem Gebiet enttäuscht. Bald erkannte er, dass sich nur Geschichten sicher und lukrativ verkaufen ließen, die vor Abenteuern, Klischees und Heldenbildern nur so strotzten.

Diese nach dem Verlag „Ace Doubles“ genannten Billigromane, in erster Linie „Space Operas“ im Stil der vierziger Jahre, sah Brunner nicht gerne erwähnt. Dennoch stand er zu dieser Art und Weise, sein Geld verdient zu haben, verhalf ihm doch die schriftstellerische Massenproduktion zu einer handwerklichen Fertigkeit auf vielen Gebieten des Schreibens, die er nicht mehr missen wollte.

Brunner veröffentlichte „The Whole Man“ 1958/59 im SF-Magazin „Science Fantasy“. Es war der erste Roman, das Brunners Image als kompetenter Verfasser von Space Operas und Agentenromanen ablöste – der Outer Space wird hier durch Inner Space ersetzt, die konventionelle Erzählweise durch auch typographisch deutlich innovativeres Erzählen von einem subjektiven Standpunkt aus.

Fortan machte Brunner durch menschliche und sozialpolitische Anliegen von sich reden, was 1968 in dem ehrgeizigen Weltpanorama „Morgenwelt“ gipfelte, der die komplexe Welt des Jahres 2010 literarisch mit Hilfe der Darstellungstechnik des Mediums Film porträtierte. Er bediente sich der Technik von John Dos Passos in dessen Amerika-Trilogie. Das hat ihm von SF-Herausgeber und -Autor James Gunn den Vorwurf den Beinahe-Plagiats eingetragen.

Es dauerte zwei Jahre, bis 1969 ein weiterer großer sozialkritischer SF-Roman erscheinen konnte: „The Jagged Orbit“ (deutsch 1982 unter dem Titel „Das Gottschalk-Komplott“ bei Moewig und 1993 in einer überarbeiteten Übersetzung auch bei Heyne erschienen). Bildeten in „Stand On Zanzibar“ die Folgen der Überbevölkerung wie etwa Eugenik-Gesetze und weitverbreitete Aggression das handlungsbestimmende Problem, so ist die thematische Basis von „The Jagged Orbit“ die Übermacht der Medien und Großkonzerne sowie psychologische Konflikte, die sich in Rassenhass und vor allem in Paranoia äußern. Die Lektüre dieses Romans wäre heute dringender als je zuvor zu empfehlen.

Diesen Erfolg bei der Kritik konnte er 1972 mit dem schockierenden Buch „Schafe blicken auf“ wiederholen. Allerdings fanden es die US-Leser nicht so witzig, dass Brunner darin die Vereinigten Staaten abbrennen ließ und boykottierten ihn quasi – was sich verheerend auf seine Finanzlage auswirkte. Gezwungenermaßen kehrte Brunner wieder zu gehobener Massenware zurück.

Nach dem Tod seiner Frau Marjorie 1986 kam Brunner nicht wieder so recht auf die Beine, da ihm in ihr eine große Stütze fehlte. Er heiratete zwar noch eine junge Chinesin und veröffentlichte den satirischen Roman „Muddle Earth“ (der von Heyne als „Chaos Erde“ veröffentlicht wurde), doch zur Fertigstellung seines letzten großen Romanprojekts ist es nicht mehr gekommen Er starb 1995 auf einem Science-Fiction-Kongress, vielleicht an dem besten für ihn vorstellbaren Ort.

Handlung

Murray Douglas ist ein englischer Schauspieler, dessen glanzvolle Karriere weit hinter ihm liegt, nachdem er sich in eine Trinkerheilanstalt begeben hat. Als er nun wieder herauskommt, sieht er mit 32 Jahren aus wie fünfzig. Aber er bekommt seinen vornehmen Daimer immer noch und beschließt, in einem französischen Theaterrestaurant in London zu essen. Ein Fehler, denn sofort hört er zwei Kritiker den neuesten Klatsch durchhecheln – und ihn in die Pfanne hauen. Nachdem er einem der beiden Kritiker einen Kinnhaken verpasst hat, macht er einen Abgang.

|Neues Engagement|

Aber er hat etwas Interessantes aufgeschnappt und ruft sofort seinen Agenten an: Ja, der Produzent Sam Blizzard stellt eine Schauspielertruppe für ein Improvisationsstück von Manuel Delgado zusammen. Murray lässt sich sofort von Blizzard engagieren und fährt aufs Land zu einer abgelegenen Villa, wo man ihn einquartiert. Er ist der Erste der Schauspielertruppe. Der Diener Valentine kommt ihm ein wenig unheimlich vor: Er hat seine Schritte nicht gehört. Murray bekommt Zimmer 14, gleich neben 13, das wie üblich niemand beziehen will. Die Villa ist nicht nur groß, sondern luxuriös, findet Murray bei einem Spaziergang im Park. Als er ins Zimmer zurückkehrt, entdeckt er die Alhoholflaschen und lässt sie erbost sofort von Valentine entfernen. Will man ihn hier umbringen? Ein Schluck, und er könnte sich gleich Zynkali geben!

|Die Mitspieler|

Die Anderen treffen ein und beim Abendessen begutachtet Murray die traurige Bagage. Da wäre Ida, die lesbische Diva, komplett mit neuer Geliebter; dann Gerry, der koksende Beau; Constant, der junge Rebell – was mag er wohl für ein Laster haben? – und zwei junge Männer, die sich offensichtlich zueinander hingezogen fühlen. Da ist ein Komponist, der die Tasten des Pianos stumm spielt, und Lester, der Bühnenbildner, der Einzige, der Ahnung von Elektrik hat. Schließlich treffen Sam Blizzard und Manuel Delgado, das Genie, ein.

|Dunkle Vergangenheit|

Sein Agent hat Murray vor Delgado gewarnt. Der Autor und Regisseur aus Südamerika hat in Paris eine Strecke von Opfern hinterlassen. Der junge Star des zusammengewürfelten Ensembles beging Selbstmord, eine Schauspielerin wollte ihre Tochter umbringen und eine zweite wurde in die Nervenheilanstalt eingewiesen. Na, prächtig! Aber wie konnte es dazu nur kommen?

Als Murray auf sein Zimmer zurückkehrt, findet er schon wieder Alkohol, sogar in seiner Reisetasche. Erbost stellt er Valentine zur Rede und beschwert sich bei Blizzard – zwecklos. Dann taucht auch Gerry bei ihm auf. Der junge Mann bittet ihn schüchtern, ein ganzes Glas pures Heroin in Verwahrung zu nehmen, das er auf seinem Zimmer gefunden hat. Sollte sich Gerry damit umbringen? Sobald Gerry gegangen ist, sucht Murray in seinem Zimmer ein gutes Versteck, der selbst wenn Gerry jetzt clean ist, könnte er doch der Versuchung nicht widerstehen, an das Heroin heranzukommen.

|Seltsame Zimmereinrichtung|

Bei dieser Suche stößt Murray auf eine ziemlich merkwürdige Ausstattung seines Zimmers und holt den Bühnenbildner Lester, um dessen Meinung zu erfahren. Tja, also der 20 Meter lange Draht in der Matratze könnte vielleicht eine Antenne sein. Aber wo ist deren Anschluss? Den Draht dazu hat Murray aus Versehen abgerissen. Und was ist mit dem Tonband unter der Matratze? Tonband? Lester schaut nach – tatsächlich. Dessen Zweck muss Murray später von Delgado erfragen. Und was ist mit dem Fernseher, fragt er. Autsch! Lester hat eine gewischt bekommen – das Mistding steht ja unter Strom! Und es lässt sich weder ausschalten noch ausstecken. Als Murray am Stromkabel zerrt, rumpelt es nebenan in Zimmer 13. Merkwürdig. Und an der Zimmerdecke hat er ein Mikro entdeckt, das er sofort rausgerissen hat. Sein Zimmer wird offenbar überwacht. Aber wozu und von wem?

|Heather|

Delgado behauptet am anderen Tag, dass das Tonband dem Zweck der Hypnopädie diene, also der Unterrichtung während des Schlafs. Als Murray fragt, was ihm denn da nächtens eingetrichtert werden solle, weicht Delgado aus und regt sich auf. Alles bleibt ominös, aber Heather, die zwanzigjährige Frau, die Murray bei Ida gesehen hat, vertraut sich Murray an. Er lässt durchblicken, dass er sie für Idas Geliebte hält, aber das versteht sie nicht. Offenbar ist sie noch völlig unschuldig, aber nach ein paar Tagen fragt sie ihn, warum sie keine Rolle im Stück bekomme, wo sie doch eine gute Ausbildung habe. Das wundert ihn auch, und sie steigt in seiner Achtung. Er zeigt ihr die Drähte, das Tonband und den Fernseher. Sie machen dieses Zeug bei ihr unschädlich, selbst wenn die Dienerschaft die Geräte jeden Tag wieder ersetzt.

|Der Bruch|

Als es nach einer Woche intensiver Arbeit zum Streit über das Stück kommt, stehen Murray und Heather auf der einen Seite und der Rest der Truppe auf Delgados Seite. Entsetzt sehen alle zu, wie Delgado mit übermenschlicher Kraftanstrengung den 100-Seiten-Stapel des Manuskripts zerreißt! Ihm sei das Stück inzwischen völlig gleichgültig, posaunt er hinaus. Nur Blizzard gelingt es, Delgado umzustimmen, aber dennoch fragen sich Murray und Heather, was der wahre Zweck ihres Aufenthalts auf dem Landsitz ist. Beide sind kurz davor abzureisen, und einmal lässt sich Murray sogar vom Arzt des nächsten Dorfes auf Alkohol im Blut untersuchen: negativ. Jemand will ihn unbedingt betrunken machen und so für das Stück diskreditieren. Wer könnte derart fies sein?

|Invasionen|

Heather kommt in höchst besorgtem Zustand abends in sein Zimmer. Offenbar ist Ida scharf auf sie und hat einen Vorstoß gewagt, der Heather verunsichert hat. Da Murray sicher ist, dass er keinen Alkohol mehr im Zimmer hat, sondern nur Fruchtsaft, den Valentine brachte, gibt er ihr davon zu trinken. Den Fernseher hat er zur Wand gedreht, die Drähte, die ständig erneuert werden, rausgerissen. Er fühlt sich sicher. Doch als Heather betrunken zusammenbricht, geht ihm ein Licht auf: Der Saft war mit Alkohol versetzt.

Als er Geräusche nebenan hört, belauscht er Delgado und Valentine. Sie benutzen unbekannte Wörter und wollen einen Angriff auf Murray, den Störenfried im Ensemble, starten! Sofort legt er sich zur schlafenden Heather ins Bett und wartet ab, was da kommen soll. Als Delgado und Valentine in sein Zimmer eindringen, bemerkt er die Nachtsichtgeräte auf ihren gesichtern. Aber was wollen wollen sie eigentlich bei ihm? Sie haben keinerlei Waffen oder Spritzen, aber dafür unbekannte Geräte dabei. Dann macht Murray das Licht an …

Mein Eindruck

Bestimmt war das ungekürzte Original eine Art Inner-space-Thriller, wo der Held fortwährend an seinem Verstand zweifelt, wenn er nicht gleich verzweifelt aus dem Fenster springt. Die Kurzversion lässt diesen Ansatz (der an Brunners „Treibsand“ erinnert) noch durchschimmern, ist jedoch viel mehr auf die Konfrontationen, Entdeckungen und vor allem auf das explosive Finale ausgerichtet. Daher konnte ich das Buch auch locker in drei Stunden auslesen. Es ist spannend, ohne an irgendeiner Stelle zu langweilen. Interessant wäre es, mal die restaurierte Fassung von 1977 zu lesen.

Aber auch der gekürzte Text enthält noch genügend interessante Ansatzpunkte, um sich vorstellen zu können, worauf der Autor hinauswollte. Brunner befand sich bereits in seiner sozialkritischen Phase und nahm bereits Auswüchse der modernen Nachkriegsgesellschaft aufs Korn. So auch hier, wie mir scheint, und das Ziel sind diesmal die Medien und ihre Macher.

Der Originaltitel lautet nicht umsonst „The Productions of Time“. Bei diesen „Produktionen“ handelt es sich nicht etwa um Autoteile, sondern um Schauspiele. Liegt ja auch nahe, wenn Schauspieler darin auftreten. Nur spielen diese Schauspieler nicht ein einstudiertes Stück, sondern sich selbst, allerdings in einer verfänglichen Situation. So sollte nach dem Willen Delgados die junge Heather zur lesbischen Geliebten von Ida werden und Murray wahrscheinlich den großen Absturz eines Trinkers hinlegen. Beide machen Delgado einen Strich durch die Rechnung. Die große Frage bleibt jedoch: Wer sitzt im Publikum?

Interessant sind die Methoden Delgados. Sein Argument mit der Hypnopäde ist barer Unsinn, wie Murray schnell herausbekommt. Aber dafür setzt Delgados mit seinen geheimnisvollen Gerätschaften Hypnose und posthypnotische Befehle ein. Das ist gar nicht mal so weit entfernt von der Hypnopädie, nur dass die „Subjekte“ nichts von den Instruktionen mitbekommen und sich auch nicht dagegen wehren können.

Vorsicht, SPOILER!

Die Gerätschaften für diese menschenverachtende Spezialbehandlung – man kann von einer Gehirnwäsche sprechen – hat Delgado allerdings nicht selbst hergestellt, sondern von Valentine und seinen zwei muskulösen Gehilfen. Valentine & Co. kommen nicht aus unserer Zeit, sondern aus dem Jahr 2450. Das erklärt auch das besondere Interesse des Publikums. Während bei uns Lesbierinnen und Trinker selbst im Jahr 1967, als alles noch etwas prüder zuging, kaum einen Aufstand verursacht hätten, sind die Zuschauer des Jahres 2450 doch schon solcher Gefühlserlebnisse entwöhnt und deshalb bereit, einen Haufen Geld dafür zu bezahlen. Denn Zeitreisen sind in keinem Fall billig.

Es geht also um „Erlebnisse“, die einer blasierten Öffentlichkeit zu einem Nervenkitzel verhelfen sollen. Das klingt ja geradezu nach „Big Brother“, wo ja genau wie in diesem Buch mehrere Menschen – nicht unbedingt Schauspieler – in ein Haus gesperrt werden, um aufeinander loszugehen. Man erinnere sich an jene krebskranke junge Engländerin, die mitten in der Sendung von ihrer Diagnose erfuhr, dann erhebliche Publicity erhielt und zu einer nationalen Berühmtheit wurde – zumindest bis zu ihrem Tod. Die Sensationsmedien leckten jede Emotion auf, als wäre es Herzblut, um es meistbietend an ihre Leser und Zuschauer zu verhökern.

Dass die Sensationsgier auch schon 1967 groß gewesen sein muss, kann man sich leicht vorstellen. Schließlich wurden die Aussteiger und Avantgardisten wie der Dunstkreis von Pink Floyd gierig beobachtet und sofort als neueste Mode vereinnahmt (nachzulesen in Nick Masons toller Pink-Floyd-Biografie „Inside Out“). Der nächste, logische Schritt bestand darin, das Happening nicht mehr zu registrieren, sondern selbst zu inszenieren, in einem dritten Schritt auch mit Profis.

Spielverderber

Dass eben diese Profis Schauspieler sind, liegt nahe. Doch das Vorgehen der Medien – hier angeblich derjenigen des Jahres 2450 – degradiert die Thespisjünger zu bloßen Ausführungsgehilfen für die schmutzigen Phantasien des Publikums. Die produzenten – gemeint ist nicht Sam Blizzard, sondern Valentine & Co. – nehmen dabei keinerlei Rücksicht auf die Körper der manipulierten Schauspieler, geschweige denn auf deren Gefühle. Sie nehmen Murrays Tod durch Alkoholvergiftung billigend in Kauf, ebenso den von Gerry durch einen Goldenen Schuss. Dass sie Heather als Lesbierin missbrauchen wollen, kommt bei ihr ebenfalls nicht gut an. Kein Wunder also, wenn Heather und Murray die Chance ergreifen, Valentine und Delgado die Suppe zu versalzen.

Die Übersetzung

Die Übersetzung ist stilistisch völlig anspruchslos, die Sätze sind kurz, der Text flott zu lesen. Dass es sich um einen reichlich gekürzten Text handeln muss, machen aber abrupte Übergänge wie der auf Seite 132 deutlich. Da taucht Ida ohne jede Vorbereitung aus ihrem Zimmer auf und verschwindet sofort wieder in der Versenkung. Auch die abrupten Auftritte im Epilog weisen auf massive Kürzungen hin, denn es geht zu wie im Kasperletheater.

Unterm Strich

Zunächst liest sich „Spion aus der Zukunft“ wie ein Psychothriller, bei dem der Held an seinem eigenen Verstand zweifelt. Dann wird daraus eine Ermittlung, als es dem Helden gelingt, seinen Verstand zu behalten und ein Arztattest für Nüchternheit zu bekommen. Seine Schnüffelei geht den Drahtziehern schon bald gewaltig gegen den Strich, weshalb sie ihn schon bald aus dem schmutzigen Spiel nehmen wollen. Aber sie haben nicht mit seiner Entschlossenheit und dem Zufall gerechnet, der seltsamerweise stets auf seiner Seite ist. In einem Showdown brennt denn auch gleich der Schauplatz ab. Zum Glück kann Murray auch Delgado retten, der daraufhin jede Menge interessante Sachen zu erzählen hat. Und natürlich bekommt der Junge das Mädchen.

So weit, so schön und unterhaltsam. Man merkt dem Autor an, dass er sich fürs Theaterspielen begeistern kann. Echtes Theater hat nichts mit TV-Produktionen zu tun, deutet er an. Und schon gar nicht mit dem Marionettentheater, das Valentine abzieht.

Aber die Handlung ist leider auch wenig überraschend. Von Hypnopädie konnte man, wie Brunner selbst im Roman erwähnt, schon in Aldous Huxleys „Brave New World“ aus dem Jahr 1928 erfahren. Von Gehirnwäsche wissen wir spätestens seit „The Manchurian Candidate“, der mit Frank Sinatra Ende der 1950er Jahre gedreht wurde. Von Hypnose zur Gehirnwäsche ist es nur ein kleiner Schritt. Alles, was man braucht, sind entweder ein fähiger Hypnotiseur oder ein paar futuristische Geräte, die aus einem „Doctor Who“-Film stammen könnten. Dieser Hypnose-Plot ist also keineswegs ernstzunehmen – ich habe schon Einfallsreicheres in Story-Foren im Internet gelesen.

Relevanter ist da schon die Anspielung auf Medien, die „Erlebnisse“ in der Vergangenheit inszenieren, um ihr Publikum zufriedenzustellen. Klingt nach „Big Brother“ ohne Zeitreise, oder? (Obwohl eine BB-Inszenierung in einem viktorianischen Ambiente sicher kein Problem wäre.) Leider erzählt uns der Autor nicht genau, für wen Valentine & Co. genau arbeiten und warum sie diesen Job angenommen haben.

Die Übersetzung

In diesem Punkt wäre die vollständige Originalfassung vielleicht hilfreich gewesen. Sobald diese dermaleinst als Übersetzung verfügbar werden sollte, könnte ich das Buch vorbehaltlos empfehlen. Aber wenn Anspielungen auf lesbische Liebe fast völlig und Homosexualität komplett unterdrückt werden, sollte man dem Text vorerst nicht trauen.

Taschenbuch: 158 Seiten
Originaltitel: The productions of time (1967), Text restauriert 1977
Aus dem Englischen von Wulf H. Bergner
ASIN: B0027TSXR4

http://www.heyne.de

_John Brunner bei |Buchwurm.info|:_
[„Morgenwelt“ 1274
[„Chaos Erde“ 2555
[„Der ganze Mensch / Beherrscher der Träume“ 3444
[„Das Geheimnis der Draconier“ 5920
[„Doppelgänger“ 5940
[„Der galaktische Verbraucherservice: Zeitmaschinen für jedermann“ 6171
[„Der Kolonisator“ 5921
[„Die Opfer der Nova“ 5980
[„Geheimagentin der Erde“ 5981