Die drei ??? und der Zeitgeist (6 Kurzgeschichten)

Zeitzeichen

Noch gar nicht so lange her, da war das Verfassen von Kurzgeschichten im Drei-???-Versum noch allein eine Sache der Fans. Allerdings hat sich seit „Die drei ??? und die Geisterlampe“ das Blatt gewendet und der Verlag erkannte offensichtlich den Wert, wenn die regulären Autoren sich – auch gern mal etwas abseits des regulären Seriengeschehens – mit und an den Figuren austoben können. So geschah es nun, dass nach erstgenanntem und „Die drei ??? – Das Rätsel der Sieben“ nun die dritte Anthologie innerhalb kürzester Zeit veröffentlicht wurde. Sechs Geschichten von sechs (sieben, wenn man Kari Erlhoff als Co-Autorin der letzten Geschichte fairerweise hinzurechnet) Autoren hat KOSMOS nun auch wohl zur Feier des anstehenden 50. Jubiläums der erfolgreichsten, deutschen Jugendserie in den Band „Zeitgeist“ gepackt – thematisch haben alle irgendetwas mit der Zeit zu tun, wie der Titel bereits folgerichtig vermuten lässt.


Die Storys


Immer und immer wieder … (Hendrik Buchna)

Peter hängt offenbar in einer grausamen Zeitschleife fest. Ständig erwacht er am Strand, um kurz darauf zur Zentrale zu hetzen, den verdatterten Justus aufzufordern alle wichtigen Dinge, deren sie habhaft werden können – inklusive Maskottchen „Blacky“ – zu schnappen und aus dem Campinganhänger zu fliehen. Der wird kurz darauf von einem Bulldozer niedergemacht, Peter bekommt etwas an den Kopf und verliert das Bewusstsein – das Ganze wiederholt sich, obwohl Peter stets versucht es jedes Mal besser zu machen…

Der Raub der Zehntausend (Marco Sonnleitner)

Rocky Beach befindet sich im „Beach Buck“-Fieber. Dabei handelt es sich um ein Kundenbindungssystem, welches sich pfiffige Köpfe der örtlichen Werbegemeinschaft ausgedacht haben: Beim Kauf von Produkten erhalten die Kunden einen oder mehrere Losscheine abhängig von der Summe – der Höhepunkt ist die Ziehung der Gewinne im lokalen TV. Auch die drei Detektive lauern auf irgendeinen Gewinn, bestenfalls natürlich den Haupttreffer, einen nagelneuen Ford Pick-Up. Leider gehen sie komplett leer aus, knapp daneben ist eben auch vorbei, doch dafür kommt zufällig ein neuer Fall dabei herum.


Der verschwundene Zeitgeist (André Minninger)

Malcolm Fever ist Autor und verzweifelt. Deswegen hat er auch die drei Fragezeichen engagiert. Er arbeitet gerade an einer Kurzgeschichte und der Verlag sitzt ihm im Nacken. Doch von seinem Manuskript fehlen die letzten 8 Seiten. Diese wurden absichtlich von seinem Laptop gelöscht, sagt der Schriftsteller. Er habe auch schon einen Verdacht: Lucy Hopkins. Sie und ihr schrullig-modernes (Online-)Leben hat er quasi als Blaupause für seine schräge Figur in der Story verwendet. Er hätte gern ein offizielles Schuldeingeständnis von Mrs. Hopkins gegenüber dem Verlag, damit dieser ihm einen Terminaufschub gewährt, da er schließlich nichts dafür kann, dass er die Deadline nicht einhält.

Leaving Nineteen Sixty-Four (Ben Nevis)

Justus, Peter und Bob wachen in der Zentrale auf und wundern sich zunächst über die komische Musik aus dem Radio. Als sie den kuriosen Anruf eines Professors Selby erhalten, trauen sie ihren Augen beim Blick auf den Kalender nicht: Sie befinden sich nicht mehr im Jahr 1964, sondern 1974! Selby hat offenbar eine Zeitmaschine konstruiert und die drei Detektive für einen Auftrag in die Zukunft versetzt. Sie sollen hier die geheime Zusammenkunft einer Sekte observieren, die sich alle 20 Jahre trifft. Doch das ist ihm nicht genug, damit er sie zurückholt, verlangt der undurchsichtige Selby plötzlich noch weitere Zeitreisen ins Jahr 1994 und 2014.

Rückwärtsgang (André Marx)

Peter und Bob finden den verlassenen Jonas’schen Pick-Up, doch von Justus keine Spur. Als Peter ihn in einer Lagerhalle aufspürt, wird er Zeuge, wie Justus von einem bewaffneten Mann niedergeschossen wird. Panisch nähert sich Peter seinem Freund und stellt fest, dass dieser nicht mehr atmet! Wie es überhaupt zu diesem tragischen Vorfall kommt, erzählt die Geschichte in umgekehrter Reihenfolge – mit Zeitsprüngen zurück zum Beginn der Ereignisse des Tages.

Zeit der Opfer, Zeit der Wunder (Christoph Dittert mit Kari Erlhoff)

Peter und Bob haben die Aufgabe je einen Aufsatz für die Schule zu verfassen – darin soll es darum gehen, ihren Alltag in eine andere Zeit zu übertragen. Logisch, dass es sich auf das Thema „Drei ???“ verdichtet. Peter wählt als Kulisse die Wikingerzeit, während Bob eine futuristische Umgebung für seine Geschichte schafft. Justus steht ihnen dabei selbstverständlich beratend zur Seite, damit seine Freunde auch ja keinen Murks schreiben.

Eindrücke

Bis auf „Immer und Immer wieder“, „Der Raub der Zehntausend“ sowie „Der verschwundene Zeitgeist“, die vielleicht soeben auch noch als Nebenkapitel in einem regulären Fall der drei ??? auftauchen könnten, sind die restlichen drei Geschichten der Anthologie allein von ihrer Natur her eher nicht dafür geeignet. Zumindest die Story mit der Zeitmaschine ist doch recht abgehobener Tobak – würde aber erstmals halbwegs schlüssig erklären, wie es die drei Detektive in die Neuzeit geschafft haben. Schließlich liegt der Beginn der Serie im Jahr 1964 und hat bis heute tapfer durchgehalten, während die Protagonisten in diesen nunmehr 50 Jahren kaum gealtert sind, die Welt und vor allem die Technik um sie herum sich aber drastisch gewandelt hat. Ein beachtliches Kontinuitäts-Kunststück, welches in der Literatur seinesgleichen sucht und noch dazu auch offenbar tadellos funktioniert. Zumindest wird dieser Umstand nur sehr selten hinterfragt – bis jetzt. Die drei ??? sind eben buchstäblich irgendwie zeitlos. Ja, die Zeit ist eben das titelgebende Bindeglied der einzelnen Beiträge, die ansonsten nicht so sehr viel miteinander gemein haben.

Im „Rückwärtsgang“ wird die Flashback-Kunst auf die Spitze getrieben, indem die Geschichte schlichtweg – wie der Titel schon beredt Auskunft gibt – rückwärts erzählt wird. Mit dieser netten wie stilistisch originellen Short-Story schaut auch André Marx mal wieder bei den drei ??? vorbei. Ansonsten verfolgt er je seit einiger Zeit mit „Das wilde Pack“ sein eigenes Ding und hat in der jüngsten Vergangenheit keinen Full-Size-Fall mehr für das Rocky Beach Dream-Team abgeliefert. Den Abschluss der Anthologie bildet eine Doppelspitze in Gestalt von Christoph Dittert und Kari Erlhoff, wobei letztere offiziell nicht als Autor von „Zeit der Opfer / Zeit der Wunder“ auftaucht, sondern „nur“ als Ideenspender. Die Zweifach-Geschichte versetzt das Detektivbüro der Jungs sowohl in die Wikingerzeit sowie in die ferne Zukunft und spielt vor beiden Kulissen mit ganz typischen Serienklischees und klassischen Figuren. Wobei man in „Zeit der Opfer“ sogar alte Bekannte wie Kenneth und Patrick wieder trifft. Lustig bei der letzten Geschichte sind aber auf jeden Fall die teils selbstironisch eingeschobenen Kommentare/Randnotizen von Justus, Peter und Bob zum jeweiligen Aufsatz.

Fazit

Der inzwischen dritte Anthologie-Band bietet auch diesmal wieder eine Spielwiese für die Autoren, auf der sie sich mal abseits des regulären Tagesgeschäfts der drei ??? die literarischen Füße vertreten können. Einige Geschichten sind einfach „nur“ knackiger Kurzkrimi, zwischendrin sind aber allesamt auch zwischen den Zeilen mindestens leicht philosophisch angehaucht. Klar, die Zeit als solche lädt auch dazu ein, mit ihr zu spielen, spekulieren und sie zu verbiegen. Schrägstes Beispiel dafür dürfte in diesem Buch eben die Episode „Leaving Ninteteen Sixty-Four“ sein, die aufgrund ihrer Zeitreisethematik ansonsten in der Serie vollkommen unmöglich wäre. Man muss als Leser – und altgedienter Fan – sicher nicht immer alles mögen, doch sind in dieser netten, kleinen Sammlung keine Totalausfälle zu verzeichnen, im Gegenteil: Alle Storys lesen sich flott, sind unterhaltsam und bieten mal etwas andere bzw. ergänzende Blickwinkel auf die Welt der drei berühmte Jungdetektive. Einmal sogar eingebettet in einen der „guten, alten“ Fälle aus den Anfangstagen. „Immer und immer wieder“ schlägt diese Brücke äußerst geschickt. Summa summarum tickt der zeitkritische Rezensentendaumen stetig auf 12 Uhr zu.

142 Seiten, Hardcover
Erzählt von:
Hendrik Buchna, Marco Sonnleitner,
André Minninger, André Marx, Christoph Dittert
basierend auf den Figuren von Robert Arthur
Redaktion: Anja Herre
© 2014 – Franckh-Kosmos, Stuttgart
ISBN 9783440135914

www.kosmos.de

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