H. G. Wells – Der Unsichtbare. Teil 1+2 (Gruselkabinett Folgen 120+121)

Schwarze Komödie: der Wissenschaftler als Terrorist

West-Sussex 1896: Während ein heftiger Schneesturm tobt, bezieht ein mysteriöser Mann mit bandagiertem Gesicht ein Zimmer im Gasthof des beschaulichen Örtchens Iping. Schnell wird der Fremde zum Gesprächsthema an dem kleinen Ort, vor allem, als seine Koffer angekommen sind und er mit chemischen Experimenten beginnt, die ihn den Wirtsleuten und Dorfbewohnern schnell nur noch unheimlicher erscheinen lassen…

Teil 2: Es gelingt dem Landstreicher Thomas Marvel, dem Unsichtbaren unter beträchtlichen Mühen zu entkommen. Dieser dringt daraufhin in ein Landhaus ein und erlebt dort auf der Suche nach einem neuen Gehilfen eine große Überraschung: der Hausherr Dr. Kemp ist Wissenschaftler wie er selbst – sie waren sogar zusammen auf der Uni…

Der Verlag empfiehlt sein Hörspiel ab 14 Jahren.

Der Autor

Herbert George Wells (1866-1946) beeinflusste die Entwicklung der Science Fiction wie neben ihm nur noch Jules Verne. Seitdem er die Lehren von T.H. Huxley, einem eifrigen Verfechter von Charles Darwins Evolutionstheorie gehört hatte, verfolgte er diese Theorien weiter. Weil ihm die Lehrerlaufbahn wegen angegriffener Gesundheit verwehrt blieb, wandte er sich dem Schreiben zu, um Geld zu verdienen.

Schon die ersten Erzählungen wie „The Chronic Argonauts“, die 1888 erschien, erregten Aufsehen. Daraus formte er dann den Roman „The Time Machine“, das 1895 erschien. Joseph Conrad und Henry James, die besten Autoren ihrer Zeit, hießen ihn in ihren Reihen willkommen.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher und ihre Rollen:

Sascha von Zambelly: Erzähler
Simon Böer: Griffin
Marianne Mosa: Janny Hall
Matthias Lühn: George Hall
Philine Peters-Arnolds: Millie
Louis Friedemann Thiele: Matrose
Horst Naumann: Vikar Bunting
Claus Thull-Emden: Teddy Henfrey
Lutz Riedel: Dr. Cuss, der Dorfarzt
Bodo Primus: Thomas Marvel
Lutz Reichert: Constable Jaffers
Eva-Maria Werth: Mrs. Bunting
Rolf Berg: Oberst Adye
Hans Bayer: Hauswirt
Dr. Kemp: Michael-Che Koch
Rainer Gerlach: Wirt
Daniela Reidies: Sally
Sabina Trooger: Nachbarin mit Katze

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden bei Titania Medien Studio und den Planet Earth Studios statt. Die Illustration trug Ertugrul Edirne bei.

Handlung

In das verschlafene und viktorianisch rechtschaffene Städtchen Iping im idyllischen Sussex schneit eines stürmischen Wintertages der merkwürdige Fremde herein. Er quartiert sich im Gasthaus „Zum Fuhrmann“ ein, ohne seinen Namen zu nennen. Die Wirtsfrau Mrs. Janny Hall nimmt seine diversen Unhöflichkeiten und seine kurzangebundene Art nur in Kauf, weil er gleich mit zwei Goldstücken im Voraus bezahlt hat.

Entsetzt stellt sie fest, dass das Gesicht des Mannes komplett bandagiert ist. Aus diesem weiß umhüllten Kopf stechen die von einer schwarzen Brille verdeckten Augen wie die eines Totenkopfes heraus. Kaltes Grausen packt sie, doch das Mitleid behält vorerst noch die Oberhand (und die Geldgier).

Nacheinander machen die Bekannten der patenten Wirtin Bekanntschaft mit dem seltsamen Gast: der Uhrmacher, ihr Mann George, ein Fuhrmann, Wochen später schließlich der Dorfarzt, der seine Entdeckung brühwarm dem Pfarrer hinterbringt: Der Ärmel des Fremden ist leer, doch beim Draufschlagen genauso steif und hart, als stäke ein richtiger Arm darin! Mittlerweile ist der in seinem Zimmer mit stinkenden chemischen Stoffen experimentierende Fremde schon Stadtgespräch Nummer eins.

Offenbar geht dem unheimlichen Fremden das Geld aus, denn er lässt inzwischen bei Mrs. Hall anschreiben. Nachdem beim Pfarrer eine Spendenkasse ausgeraubt wurde, will der Dorfgendarm den Fremden, der nach wie vor namenlos ist, deswegen verhaften. In einem irren Handgemenge gelingt es dem Fremden, sich auszuziehen und unsichtbar zu entkommen. Auf der Landstraße macht er den Landstreicher Tom Marvel zu seinem Helfershelfer. Mit dem neuen Komplizen verschafft er sich erneut Zutritt zum „Fuhrmann“ in Iping, um seine kostbaren Tagebücher und Aufzeichnungen wiederzubeschaffen.

Doch schon bald wird der Einbruch entdeckt und Rufe wie „Haltet den Dieb!“ werden laut. Der Fremde indes schlägt diesmal zurück, und so erhalten seine Verfolger viele blaue Flecken…

Mein Eindruck

Wells hat sich einer märchenhaften Wunschvorstellung der Menschen angenommen, sie auf den Kopf gestellt und zeigt nun die möglichen Folgen ihrer Verwirklichung. Die Wissenschaft, verkörpert in dem Fremden und im zweiten Teil vollständig erklärt, erweist sich hier als zweischneidiges Schwert: Bewundernswert ist sie nur dann, wenn sie der Menschheit dient. Doch sie wird zu einem teuflischen Instrument, wenn, wie beim Romanhelden Mr. Griffin, statt dessen der Machthunger des Menschen zur Triebfeder wird. Der Wissenschaftler mit der gottähnlichen Macht des Unsichtbaren wird zum Terroristen.

Doch dies ist auch seine Achillesferse und sein Verhängnis. Um vollkommen unsichtbar zu sein, darf er keine Kleidung tragen. Nackt ist er der Kälte und dem Wetter ausgesetzt. Ständig verrät sich Mr. Griffin durch sein heftiges Niesen. Er benötigt auch Nahrung, muss sich also unter Menschen wagen, die für ihn eine Bedrohung darstellen, denn sie könnten ihn und seine Machenschaften entdecken. Doch unverdaute Nahrung in seinem Magen ist wiederum sichtbar, eine weitere Gefahr. Außerdem muss er sich als Unsichtbarer völlig außerhalb der Gesetze stellen, die für normale Sterbliche gelten. Er hält sich für größer als die Normalen, ist aber umso angreifbarer.

Sein Terrorismus verwandelt die Menschen in einen Pöbel, der dem üblichen Gesetz nicht mehr gehorcht. Sein Übermut und sein oben geschildertes Dilemma werden ihm zum Verhängnis, denn einmal gefasst, zerreißt ihn der Pöbel praktisch in Stücke.

Eine besondere Art von Humor

Wells arbeitet ständig mit groteskem Humor in seiner Erzählung. Die schwarze Komödie lebt von der Konfrontation der diversen Dorfbewohner mit dem Unbekannten und Unmenschlichen, das der Fremde in ihre Mitte gebracht hat: Sie untersuchen ihn, kämpfen mit ihm und doch ist da am Ende nur NICHTS. Es ist eine gespenstische Situation von geradezu existenzialistischen Dimensionen.

Damit diese Bedrohung dem werten Hörer nicht zu sehr Angst macht, wird sie verschleiert und eingebettet in komische Situations- und Aktionsbeschreibungen, die von einer schlichtweg filmischen Vor- und Darstellungskraft zeugen. Das Kino war 1897, als das Buch veröffentlicht wurde, bereits erfunden, und so verwundert es nicht, dass so manche turbulente Szene an frühe Melodramen und Slapstick-Action erinnert.

Diese sind aber nicht Selbstzweck. Die Szene, in der Mr. Griffin den Landstreicher Tom Marvel trifft und ihm begreiflich zu machen versucht, dass er selbst unsichtbar, aber absolut real sei, berührt die Grenze des Ergreifenden. Hier zeigt sich die Tragik des Schicksals, dem sich der Wissenschaftler selbst ausgesetzt hat. Wer je den John-Carpenter-Film „Die Fliege“ mit Jeff Goldblum als Wissenschaftler gesehen hat, weiß vielleicht, wovon ich spreche.

Warnung an die Wissenschaft

Ende des 19. Jahrhunderts erklärte ein leitender Mitarbeiter des britischen Patentamtes, alles, was zu erfinden sei, habe man bereits erfunden. (Nun könne man sich wohl beruhigt zurücklehnen.) Herbert George Wells demonstriert in seinen Geschichten, dass genau das Gegenteil der Fall ist, dass man aber zwar forschen könne, aber die Anwendung der Forschungsergebnisse doch wohl überlegt sein sollte.

Das muss auch Dr. Kemp einsehen, der Privatgelehrte, der mit Griffin auf der gleichen Uni war und ihn als Unruhestifter und Rebell kennenlernte. Kemp sieht nur einen Ausweg, um Griffins immer radikaler werdenden Lebensweg zu stoppen: Er ruft einen Oberst des Militärs. Schon bald fallen Schüsse. Aber wer hat wen getroffen? Kann man auf einen Unsichtbaren überhaupt zielen?

Das Gegenteil von Empathie

In einer ebenso komischen wie makabren Rückblende schildert das Hörspiel, wie Griffin nach seiner Verstoßung aus der Gemeinschaft der Studierenden in einer kleinen Dachwohnung weiterexperimentierte, um das Unsichtbarkeitselixier zu finden. Das erste Versuchstier ist die Albino-Katze der Nachbarin. Griffin gibt zu, bereits zu diesem Zeitpunkt bereits stark von Gefühllosigkeit ergriffen worden zu sein. Er bestahl seinen Vater und empfand bei dessen Begräbnis rein gar nichts.

Der Katze verabreichte er Opium, weil sie so schrie, die Nachbarin und den Hauswirt belog er nach Strich und Faden, die Katze wurde aggressiv und musste irgendwie, nun ja, „entsorgt“ werden. Bei seinem ersten Selbstversuch wurde er selbst aggressiv, aber ein Albino zu sein, half ihm beim Unsichtbarwerden. Auch bei ihm waren die Schmerzen mörderisch und seine Schreie riefen die Nachbarn auf den Plan.

Sein Abgang sei dramatisch gewesen: Er steckte die Wohnung in Brand, um seine Spuren zu verwischen. Doch er möchte so gerne wieder sichtbar werden, würde alles dafür geben, wieder so zu sein wie „normale“ Menschen. Doch weil seine Suche nach der Originalformel bislang ergebnislos geblieben ist, sucht er sein Heil in Allmacht. Ist er aber dieser Verantwortung wirklich gewachsen, zweifelt Dr. Kemp.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Handlung so ähnlich ab wie die erste Verfilmung durch James Whale, doch das Hörspiel nimmt sich die Freiheit, ein paar Szenen akustisch noch drastischer und detailreicher zu gestalten, denn seine Sprache ist ja allein der Ton. Da kann sich die Tonregie keinen Fehler erlauben, denn der würde einen Missklang erzeugen. Die Szenen sind ebenso drastisch oder ergreifend wie der Film, ebenso turbulent und emotional.

Die Sprecher entsprechen Figuren mit nur einer Dimension: Die Hauswirtin ist ein patentes, resolutes Frauenzimmer, der unheimliche Fremde ihr genaues Gegenteil – unheimlich, unberechenbar und sehr unhöflich. Um diesen zentralen Gegensatz kreisen diverse Nebenfiguren wie etwa der Constable, der Arzt, der Vikar, der Landstreicher usw. Entscheidend ist jedoch nicht, was sie sagen, sondern was sie herausfinden und in welchen Gemütszustand sie dies versetzt. So entsteht die schwarze Komödie, die das Stück ausmacht.

Erst im zweiten Teil, nach dem der Unsichtbare den Höhepunkt seiner Schreckensherrschaft erreicht hat, lernen wir die andere Seite der Medaille kennen: Das Tempo ist verhalten, die Dialoge länger, die Stimmung gedrückt bis angespannt, wenn nicht sogar beklemmend. Endlich findet das Hörspiel Zeit für eine schön gestaltete Rückblende auf die Anfangszeit von Griffins Experimenten – siehe oben. Wir können endlich auch Mitgefühl für ihn, den Tyrannen, empfinden und hoffen, dass er durch Sichtbarwerdung geheilt wird. Die drastische Wendung am Schluss dürfte jeden überraschen.

Die Sprecher

Die Hauptrolle des Griffin spricht Simon Böer mit der passenden Aggressivität und Unhöflichkeit. Nur in der Rückblende verrät er auch weichere Gefühle, als er etwa von den Schmerzen bei seinem Selbstversuch berichtet. Mithin weiß Böer also die beiden Seiten seiner Rolle plausibel zu gestalten, aber ich fand, dass er die weichere Seite noch stärker hätte betonen können, um so im Hörer Mitgefühl zu wecken. Stattdessen richtet sich die Empathie des Hörers auf die Katze und die Nachbarin.

Im Folgenden erscheint Griffin nicht als tragisches Opfer seiner wissenschaftlichen Obsession, die ja zunächst nur seine soziale Ausgrenzung als Albino beenden soll, sondern als verdammenswerten Tyrannen. Charakteristisch für seine Fühllosigkeit ist sein schadenfrohes, zuweilen triumphierendes Lachen. Es spricht dem Jammern der Nachbarin (Sabina Trooger) über den Verlust ihrer Katze Hohn.

Alle anderen Sprecher gestalten ihre jeweilige eindimensionale Figur mit großer Kompetenz, das heißt, sie übertreiben das Komödienhafte der Handlung nicht, sondern wissen ihre Betroffenheit zu äußern.

Die Geräusche

Dies ist keine leise, stimmungsvolle Gespenstergeschichte, sondern eine sehr robuste, turbulente schwarze Komödie. Folglich kommt es immer wieder zu turbulenten Szenen, die von Überraschung, Krach und Schrecken begleitet sind. Berstende Fensterscheiben sollte der Hörer immer wieder erwarten, und leider macht der Schrecken, den Griffin verbreitet, auch vor niedlichen Tieren wie einer Katze nicht halt. Der Hörer sollte aber auch darauf achten, wann der Unsichtbare niest. Dieser verräterische Laut von etwas, das nicht zu sehen ist, führt zu dem Verdacht, dass ein Gespenst umgeht – was dieses Hörspiel für das „Gruselkabinett“ doch sehr passend macht.

Die Musik

Angesichts der Fülle von Stimmen (von Menschen und Tieren), Ausrufen und Geräuschen (von Dingen und Maschinen) bleibt kaum noch Platz für die Musik. Sie wird sehr sparsam eingesetzt und in der Regel zu dem Zweck, eine unheimliche Stimmung zu erzeugen. Das ist am Ende des ersten Teils gut zu hören, als tiefe Bässe weiteres Unheil ankünden. Der zweite Teile beginnt mit der sich ausbreitenden Panik in Sussex und der Warnung, dass sich jeder einschließen solle, denn der Unsichtbare sei im Anmarsch. Während der Rückblende erklingt Musik nur im Hintergrund, erst am Schluss bestreitet die Musik rund sechzig Sekunden lang den Ausklang. Die Stimmung ist heiter und entspannt, doch die Erinnerung trübt die Freude, so dass auch der Terror des Unsichtbaren widerhallt.

Das Booklet

Im Booklet sind die Titel des GRUSELKABINETTS sowie die Titel der SHERLOCK-HOLMES-Hörspiele verzeichnet. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf.

Im Booklet finden sich Verweise auf die im Sommer und Herbst 2017 kommenden Hörspiele aufgeführt:

Nr. 120 + 121: Der Unsichtbare 1+2 (H.G. Wells)
Nr. 122: Die Insel des Dr. Moreau (H.G. Wells)
Nr. 123: Die Zeitmaschine (H.G. Wells)
Nr. 124 + 125: Der Krieg der Welten 1+2 (H.G. Wells)

Ab Herbst 2017

Nr. 126: Lovecraft: Kalte Luft
Nr. 127: Poe: Der Fall Valdemar
Nr. 128: Dickens: Der Streckenwärter
Nr. 129: Ulrichs: Manor
Nr. 130: Carolyn Wells: Der Wiedergänger
Nr. 131: Flagg: Die Köpfe von Apex

Unterm Strich

„Der Unsichtbare“ ist eine äußerst flott und spannend zu lesende Actionstory. Einerseits. Andererseits will Wells hier nicht nur unterhalten, sondern auch dem menschlichen Wunsch, sich mit Hilfe der Wissenschaft praktisch jeden Wunsch zu erfüllen, einen lehrreichen Spiegel vorhalten. Zu keiner Zeit seit den siebziger Jahren erschien diese Geschichte jedoch so aktuell wie heute: Die Terroristen, wie sie Griffin verkörpert, sind unter uns und können jederzeit aktiviert werden. Das Unbehagen an der gegenwärtigen Existenz und das begleitende Bedürfnis nach Flucht in vermeintliche Sicherheit waren heute noch nie so groß.

Doch schon Wells‘ geniale Geschichte hält den Spießbürgern den Spiegel vor. Janny Hall verdächtigt Griffin, ein „Schwarzer“ zu sein, mithin also ein Untermensch, wie man ihn in den Kolonien ausbeuten konnte. Dafür wurde er in der Tat von seinen Mitschülern und Mitstudenten gehalten, aber nur deshalb, weil er das Gegenteil ist: ein Albino. Er will unsichtbar werden, um so wenigstens der Ausgrenzung ein Ende zu bereiten.

Doch die Selbstversuche haben eine unerwartete Nebenwirkung. Sie machen ihn nicht entspannt, sondern aggressiv und gewalttätig. Die Allmacht, die er durch seine straflos ausführbaren Aktionen erlebt, leistet dieser Aggressivität nur noch Vorschub. Niemand, so scheint es, kann gegen ihn bestehen, außer ein paar unbedeutenden, aber leider hartnäckigen Schnupfenbazillen.

Tabubrüche

Der Unsichtbare bricht unzählige Tabus. Zunächst einmal geht er nackt umher, um nicht gesehen zu werden. Sein Nudismus, wie er im fin de siécle in Mode kam (siehe Monte Verità), bleibt indes ungestraft. Er wird zum Betrüger und Dieb, leistet Widerstand gegen die Staatsgewalt, verschickt Todesdrohungen und wird zu einer Art Pan gestallt: Wer dem Großen Gott Pan (über den Arthur Machen großartig zu erzählen wusste) begegnete, geriet sofort in Pan-ik. Diese verbreitet sich durch moderne Kommunikationsmittel wie Zeitungen, den Telegrafen und die Postkutsche in Windeseile. Die Situation ähnelt also bereits stark der heutigen, global verstärkt durch Massenmedien wie TV und soziale Netzwerke. Panik ist heute wie Arbeit globalisiert.

Qual der Wahl

Am Schluss ist die Frage, ob das Geheimnis der Unsichtbarkeit, die Quelle des Schreckens, weitergegeben oder vernichtet werden soll. Zusammen mit Dr. Kemp seht der Hörer vor der Wahl: Soll ein Forschungsergebnis der heiligen Wissenschaft bewahrt werden, eben weil es die Kenntnis der Menschheit erweitert, oder vernichtet, weil es eben diese Menschheit bedroht? Vor dieser Wahl stand wohl auch Albert Einstein, als er den Brief an den US-Präsidenten unterzeichnen sollte, der diesen zum Bau der Atombombe drängte. Einstein hat seine Unterschrift später immer bedauert: Er hätte dieses nukleare Wissen lieber unterdrückt und so seine Anwendung verhindert. Das hätte einer Viertelmillion Japanern zumindest das Leben gerettet.

Das Hörspiel

Die professionelle, sehr actionreiche und humorvolle Inszenierung, die sparsam genutzte, filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Der Hauptdarsteller hätte die tragische Seite der Hauptfigur noch stärker betonen können, fand ich.

Besonders gut gefiel mir die sehr sorgfältig ausgearbeitete, wenn auch etwas turbulente Geräuschkulisse, die so realistisch wie möglich ist, um das zunehmend unheimliche Geschehen um den Unsichtbaren herum darzustellen. Denn die Hauptfigur ist ja zumindest optisch eine Leerstelle, die sich nur dadurch darstellen lässt, dass man die WIRKUNG ihrer Präsenz so deutlich wie möglich macht.

2 Audio-CDs: 66 + 62 Minuten.
Info: The invisible man, 1897
www.titania-medien.de

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