John Varley – Titan / Der Satellit (Gäa-Trilogie 1)

Venus & Gäa: Abenteuer auf der künstlichen Welt

Der Saturnmond Titan gab den Astronomen lange Rätsel auf. Während das bemannte Raumschiff „Ringmaster“ von der Erde ins Saturn-System einfliegt, wird immer deutlicher, dass es sich um keinen natürlichen Himmelskörper handeln kann, sondern um ein Artefakt. Der Satellit ist ein gewaltiges radförmiges Gebilde mit 1300 Kilometern Durchmesser und einem Umfang von 4000 Kilometern am äußeren Torus.

Als sich die „Ringmaster“ unter dem Kommando von Captain Cirocco „Rocky“ Jones vorsichtig an den äußeren Rand heranmanövriert, um eine Landung zu versuchen, schießen plötzlich gewaltige Tentakel aus dem Torus und ziehen das Schiff heran. Die „Ringmaster“ wird in Fetzen gerissen. Die Menschen an Bord verlieren das Bewusstsein. Cirocco erwacht im Innern des Ringrades. Zusammen mit den anderen Überlebenden begibt sie sich auf eine phantastische Reise durch diese neue Welt, um das Zentralgehirn zu finden… (gekürzte Verlagsinfo)

Hinweise

Der Auftaktband zur Gäa-Trilogie wurde vom bekannten LOCUS MAGAZINE mit dem LOCUS AWARD 1980 als bester SF-Roman des Jahres 1979 ausgezeichnet.

Dieser Rezension liegt die Originalausgabe in Taschenbuchform zugrunde. Mehr dazu unten.

Der Autor

John Varley, geboren 1947 in Austin, Texas, ist dem deutschen Leser vor allem durch seine Story-Bände (bei Goldmann) und seine Gäa-Trilogie (bei Heyne) ein Begriff. Eine seiner besten Stories, „Press ENTER“, wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet. 1992 erschien der vorliegende Roman unter dem Titel „Steel Beach/Stahlparadies“ und landete in der Folge auf den vordersten Plätzen, als es um die Vergabe der Science Fiction-Preise ging. Der Roman „Golden Globe“ wurde allerdings nicht einmal übersetzt.

Mittlerweile konnte Varley seine Roter-Donner-Trilogie bei Heyne veröffentlichen. Wo Varley in den 70er-Jahren führend wirkte, wirkt seine an Heinlein angelehnte Ideenwelt heute altbacken. Er lebt mit seiner Familie in Eugene, Oregon.

Die Gäa-Trilogie

1) Der Satellit (Titan, 1979, dt. 1983)
2) Der Magier (Wizard, 1980, dt. 1983)
3) Der Dämon (Demon, 1984, dt. 1986)

Der Auftaktband zur Gäa-Trilogie wurde vom bekannten LOCUS MAGAZINE mit dem LOCUS AWARD 1980 als bester SF-Roman des Jahres 1979 ausgezeichnet. „Wizard“ ist die direkte Fortsetzung und „Demon“ der Abschluss der Trilogie.

Handlung

Captain Cirocco „Rocky“ Jones steuert das Erkundungsschiff „Ringmaster“ in die Nachbarschaft des Riesenplaneten Saturn. Normalerweise hat der Ringplanet etwa ein Dutzend Monde, doch die Astronomin Gaby Plauget entdeckt einen ungewöhnlichen weiteren Mond: Er entpuppt sich als künstliches Hohlrad, das über sechs Speichen verfügt, doch mit 1300 km Durchmesser und einem Umfang von 4000 km am äußeren Torus ist es ein ungewöhnlich großes Habitat. Niemand hat je darüber berichtet, was die Frage aufwirft, wer es konstruiert hat.

Absturz

In einer Entfernung von 400 km ist zu sehen, dass der dicke „Rand“ eine ganze Welt beherbergt, mit Ozeanen, Wäldern, Wüsten und allem, was dazu gehört. Eine Landung ist jedoch wegen der konstanten Drehung des Rades nur in der Nabe der sechs Speichen möglich. Doch dort schießen plötzlich gewaltige Tentakel aus dem Torus und ziehen das Schiff heran. Die „Ringmaster“ wird zu Ciroccos Entsetzen in Fetzen gerissen. Alle Menschen an Bord – drei Männer und vier Frauen – verlieren das Bewusstsein.

Wiedergeburt

Nach einer unbestimmten Zeit der sensorischen Deprivation erwacht Cirocco in einem Hohlraum unter der Oberfläche des Hohlrades. Sie muss sich wie ein Wurm ihren Weg an die Oberfläche graben und dort tief Luft holen. Von ihrem Schutzanzug ist nichts übriggeblieben als das Metall der Ärmel und des Helms sowie diverse Drähte. Ansonsten ist sie nackt wie ein Wurm und weist noch nicht einmal Augenbrauen auf, wie sie in der spiegelnden Oberfläche eines Teichs feststellt. Keine Menschenseele weit und breit, in einer Landschaft, die von 70 Meter hohen Bäumen beherrscht wird. Weil die Schwerkraft nur ein Viertel der Erdgravitation beträgt, kann sich Cirocco hüpfend fortbewegen.

Durch Zufall findet sie heraus, dass ihr Miniaturfunkgerät noch funktioniert, und so kann sie Gaby Plauget orten, bis sie einander treffen. Gaby ist zur Ciroccos Überraschung dermaßen glücklich und froh, Cirocco wiederzusehen, dass sie sie mit einem Kuss empfängt. Gaby hat sich offenbar seelisch verändert, auch wenn sie körperlich genauso wurmartig nackt ist wie Cirocco. Und sie hat keinerlei Skrupel, die harmlosen Sechsbeiner zu erschlagen, um eine herzhafte Mahlzeit zuzubereiten. Nur ein Feuer bekommt sie nicht zustande.

Zusammen wandern sie bis zum Rande einer zwei km hohen Klippe. Dort haben sie einen schwindelerregenden Blick auf die gewaltigen sechs Speichen, die Solarsegel dazwischen und die kilometerdicken Kabel, die innerhalb des Hohlrades verlaufen. All die Landschaften über ihren Köpfen werden nur von der niedrigen Schwerkraft an Ort und Stelle gehalten.

Wiedersehen

Da hören sie hinter sich eine Stimme: Es ist Calvin, der Schiffsarzt, einer der drei Crewmitglieder an Bord, die Cirocco als Lover ausprobiert hat. Er hat von den beiden anderen Überlebenden Signale bekommen: Bill, der Schiffsingenieur und Ciroccos letzter Bettpartner, und August, eine der beiden Klonzwillingsschwestern. Natürlich war auch Calvin in der Erde und ist nackt wie ein Wurm, doch er will lieber nicht darüber sprechen.

Calvin pfeift ein schwebendes Wesen, das wie ein kilometerlanger Luftwal oder Blimp aussieht. Damit bringt er Cirocco und die höhenkranke Gaby zu Bill und August. Alle vermissen Eugene, den Navigator, und April, Augusts andere Hälfte. Mit Bills Hilfe können sie eine kleine Siedlung errichten und sich neu einkleiden. Natürlich ist Bill auf Gaby eifersüchtig, die schwer in Cirocco verliebt ist.

Der Plan

Aber was gibt es außer Essen, Sex und Schlafen zu tun? Sie müssen einen Plan schmieden. Denn irgendwo in diesem gigantischen Gebilde muss sich ein Zentralnervensystem befinden, ein Gehirn, dass diese künstliche Welt steuert. Sie vermuten es in der Nabe, zu der gigantische, fünf Kilometer dicke Kabel hinaufführen, die durch die Speichen verlaufen.

Leider enthält der Plan einen Denkfehler. Um die dichte Atmosphäre vor dem Vakuum des Weltraums zu schützen, muss der Torus einen Deckel haben, luftdicht und transparent. Die Kabel und Speichen führen luftdicht hindurch, um das Rad mit der Nabe zu verbinden und alle Scherkräfte abzufedern. Der einzige Weg, der entlang eines Kabels zur Nabe verliefe, müsste schon ein Aufzug sein. (Auf diesen scheinbaren Denkfehler geht der Autor auf S. 189 der vorliegenden Ausgabe ein, also nach knapp zwei Dritteln seiner Geschichte.) Wie sich herausstellt, sind die Speichen selbst hohl und mit einer Art Treppe versehen – und mit ihren eigenen Wetterkapriolen…

Zonen

Calvin und August wollen April und Eugene suchen. Daher machen sich Cirocco und ihre beiden eifersüchtigen Freunde auf die Reise zum nächstgelegenen Kabel. Calvin hat die Regionen dieser Welt bereits getauft. Sie befinden sich im Abschnitt „Hyperion“, der ein gemäßigtes Klima und Tageslicht aufweist. Doch Oceanus nebenan ist dunkel und kalt, und vor dem anderen Nachbarn, Rhea, warnt er sie ebenfalls: „Dort gehen gefährliche Dinge um“, nicht zuletzt auch aggressive Humanoide.

Entdeckungen

Daher nehmen die Gefährte den einfachsten Weg: Per Boot fahren sie den Clio hinab, der in den mächtigen Phion mündet, welcher sie wiederum zum nächsten Kabel trägt. Nach genau 30 Tagen machen die beiden Frauen eine bestürzende Entdeckung: Ihre Periode ist ausgeblieben. Auf ihr Notsignal hin reist Calvin, der Schiffsarzt, herbei. Die Neuigkeit verblüfft ihn, doch als auch seine Begleiterin August, der Klonzwilling, gesteht, auch sie sei wohl schwanger, obwohl sie nie Geschlechtsverkehr hatte, beginnt er sich zu wundern. Könnte eine fremde Substanz in Gäas Erde zu dieser massenhaften „unbefleckten Empfängnis“ geführt haben? Cirocco wird sehr zornig, als er sich weigert, auch nur ansatzweise eine Abtreibung in Betracht zu ziehen, und sofort wieder abreist.

Das Kabel

Endlich erreicht das Boot das Flussufer des Ophion, in dessen Nähe eines der drei großen Kabel Hyperions 120 Kilometer in den Himmel steigt. Sein Durchmesser beträgt fünf Kilometer, sein Umfang also 12,05 km. Das Kabel endet nicht in einem Sockel, sondern in einem ausgedehnten Wald von Strängen. Es stellt sich als undurchführbar heraus, einen Strang hinauszuklettern: Der Sand, der ihn bedeckt, rutscht sofort wieder zurück.

Düsternis

Schon von weitem war zu sehen, dass zwei der Stränge gerissen waren. Als die Gefährten durch den Wald der Stränge wandern, der sich wie eine Kathedrale über ihnen erstreckt, entdecken sie viele weitere Zeichen des Verfalls und der Vernachlässigung. Stümpfe gerissener Stränge ragen klagend empor, Strangenden hängen herab und triefen wie Wasserfälle, dazwischen erstreckt sich wuchernder Urwald. Der Eindruck der Vernachlässigung erzeugt Besorgnis in den Wanderern. Es scheint keine zentrale Intelligenz zu geben, die die Reparaturroboter (oder was auch immer) noch steuert, um das System und seine Bestandteile in Schuss zu halten.

Wenn dieser Gedanke zutrifft, ist ihr Plan, die Zentralintelligenz in der Nabe zu suchen, möglicherweise völlig sinnlos und von Vornherein zum Scheitern verurteilt…

Humanoide Aliens

Beim Versuch, einen großen Fisch zu töten, hat sich Bill ein Bein gebrochen. Cirocco pfeift einem schwebenden Luftwal ein Notsignal an Schiffsarzt Calvin zu. Doch statt des vertrauten Menschen tauchen drei gewöhnungsbedürftige Aliens auf. Calvin hatte Cirocco vorgewarnt: Es sind Titaniden. Sie haben sechs Gliedmaßen, die wie ein Zentaur angeordnet sind, also mit menschlichem Oberkörper und Pferde-Unterkörper. Sie sind schrecklich bunt, haben spitze Elfenohre und platte Boxernasen sowie drei verschiedene Genitalien.

Gaby kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, während sich Cirocco darüber wundert, dass sie sich mit den Titaniden – die allesamt angeblich weiblich sind – musikalisch verständigen kann. Wenigstens ist eine von ihnen eine Heilerin und kümmert sich sofort um den verletzten Bill, ohne Voodoozauber auszuüben. Sind dies also die vermissten Wartungstechniker für Gaea? Cirocco bezweifelt es.

Aber schon nach wenigen Umdrehungen des Rades, die jeweils eine solare Stunde dauern, musst Cirocco erkennen, dass sie selbst bei den riesigen Zentauren nicht sicher ist. Die Titaniden haben tödliche Feinde, und die greifen aus der Luft an…

Mein Eindruck

Die Konstruktion dieser künstlichen Welt basiert auf dem naturwissenschaftlichen und Ingenieursdenken, das SF-Leser aus den Romanen von Robert A. Heinlein und seinen zahlreichen Jüngern (Varley, Spider Robinson, Larry Niven u.a.) kennen. Die Physik des Hohlrades und ihre Gesetzmäßigkeiten muss der nicht technisch beschlagene Leser mal so hinnehmen. Aber selbst für Cirocco ist das Hohlrad keine erstaunliche Novität, sondern bereits von einem anderen Habitat namens O’Neil bekannt. Und Filmfreunde kennen das Speichenrad bereits aus Stanley Kubricks Meisterwerk „2001 – A Space Odyssey“ aus dem Jahr 1968. Man sieht: Als Varleys Buch 1979 erschien, war die Konstruktion an sich also ein alter Hut, doch keiner hatte die NASA-Überlegungen bis dato in einen Roman eingearbeitet.

Soviel zur sogenannten „Hard Science“, die irgendwelche männlichen Herausgeber mal als „hard“ definiert hatten, um die weiblichen Autoren auf die „weichen“ Wissenschaften zu verweisen: Soziologie, Psychologie, Biologie, Anthropologie usw. Selbst Ursula K. Le Guins Weltentwurf in „Die linke Hand der Dunkelheit“ (1969) ist in erster Linie ein gesellschaftlicher und biologischer. Das Etikett „Hard Science“ wirkte weiterhin problemlos, bis endlich C.J. Cherryh kam und 1983 mit „Downbelow Station“ ihre eigene Version einer von Hard Science bestimmten Zukunft vorstellte (siehe meinen ausführlichen Bericht dazu).

Die Expedition als Soft Science

Cirocco plant von Anfang, zur Nabe zu gelangen und der zentralen Intelligenz ein paar harte Fragen zu stellen. Schließlich ist sie ja die Kommandantin eines mutwillig zerstörten Raumschiffs gewesen, das einige Milliarden Dollar wert war. Inzwischen ist die per Notruf alarmierte Rettungsmission bestimmt schon auf dem Weg zu Gaea – ein willkommenes Druckmittel gegenüber Zentralintelligenz. Außerdem findet sie es ganz und gar nicht in Ordnung, dass alle Frauen, die aus dem Boden zurückkehren, schwanger sind, ohne gefragt zu werden. Drittens ist es ziemlich unschön, dass sich die Titaniden mit den „Engeln“ einen immerwährenden Krieg liefern, der auf beiden Seiten bedauerliche Opfer fordert. Man sieht: Die Frauen befassen sich automatisch mit Biologie.

Aber die Zeit ist nicht auf der Seite Ciroccos, als sie auf ihre Expedition zur Nabe aufbricht. Entlang einem Kabel, dann durch eine der hohlen Speichen (die jeweils Kilometer im Durchmesser messen) führt der Weg, den sie mit Gaby und Gene, dem Schiffstechniker, beschreitet. Doch schon am ersten Abend rastet Gene aus und vergewaltigt Gaby. Etwas stimmt nicht mit ihm, seit er aus der Erde zurückgekrochen ist. In dem anschließenden verzweifelten Kampf der beiden Frauen unterliegt Gene und fällt – sehr langsam, da die Schwerkraft so niedrig ist – in die Tiefe.

Betrübliche Auskünfte

Die Zeit vergeht, bis Cirocco und Gaby in der Nabe eintreffen und dort die zentrale Intelligenz zur Rede stellen. Gaea nimmt die Form einer fülligen Dame an, als sie ihnen erklärt, dass es um den Fortbestand ihrer Welt nicht Besten bestellt ist – die Schäden haben die beiden Frauen bereits bewundern dürfen. Eine Rebellion der Intelligenzen in ihren Außenbezirken sei im Gange, angeführt von Oceanus. Der habe auch die „Ringmaster“ zerstört. Mit massiven Wettermaßnahmen habe sie die Rebellion gestoppt, aber für wie lange?

Verlockendes Angebot

Gaea macht Cirocco ein verlockendes Angebot. Da sie ja bereits ihre Entschlossenheit, ihre moralische Integrität und ihre körperliche Tüchtigkeit unter Beweis gestellt habe, könnte sie doch eigentlich als Gaeas Repräsentantin agieren, um alles wieder ins Lot zu bringen. Da man nicht jeden Tag einen Job als „Magier“ angeboten kommt, um eine ganze Welt zu regieren, nimmt Cirocco das Angebot an. Gaby, ihre lesbische Geliebte, stimmt zu. Sie geht sowieso immer dorthin, wohin ihre Geliebte geht. Ciroccos erste Bedingung wird sofort eingelöst: Die Titaniden werden ebenso wie die „Engel“ wiedergeboren…

Textschwächen

Schon das Original weist bedauerlich viele Druckfehler auf. Regelmäßig steht „that“ statt „than“. Statt „Hindenburg“ steht auf S. 78 „Hindenberg“, wenn es um Luftschiffe geht. Und so weiter.

Auf S. 138 fehlt sogar ein Wort. „Tibia or fibula – I don’t [know] which is which.“

Der Leser kann nur hoffen, dass der deutsche Übersetzer alle Fehler erkannt und ausgebügelt hat.

Bonusmaterial

Die Originalausgabe enthält eine auch in der Übersetzung enthaltene Landkarte. Diese ist für die Orientierung unentbehrlich. Diese erste Karte stellt die Radabschnitte Rhea, Hyperion und Oceanus dar. Deutlich sind die je fünf vertikalen Kabel eingetragen, die von je fünf schrägen Kabeln flankiert werden. ursprünglich sollte die Kabel den Zusammenhalt des Torus mit den Speichen gewährleisten und die Winkelgeschwindigkeit der Speichen auf den Torus übertragen – bei einer Umdrehungsgeschwindigkeit von 1 rph (revolution per hour) kommt eine ganz beträchtliche Winkelgeschwindigkeit zusammen, mit der sich der Torus bewegt. Dieses Tempo sorgt für die Gravitation von einem Viertel g im Hohlrad. Je näher Cirocco und Gaby der Nabe kommen, desto geringer die Winkelgeschwindigkeit und folglich auch die Schwerkraft. Beide Messgrößen betragen in der Nabe schließlich null.

Eine weitere Karte zeigt einen Seitenschnitt bzw. eine Draufsicht von Gaea. Darin sind u.a. Solarpaneele als Energiequelle zu erkennen.

Die Originalausgabe ist zudem mit überraschend und erfreulichen vielen Zeichnungen versehen. Wenn ich mich an meine Lektüre der deutschen Ausgabe vor ca. 30 Jahren zurückerinnere, so sind dort diese Originalzeichnungen durch neue Illustrationen ersetzt worden.

Eine Personalliste findet sich im Original nicht.

Unterm Strich

In seiner Gäa-Trilogie kombiniert John Varley die von Heinlein, van Vogt und Asimov begründete Tradition der naturwissenschaftlichen „(Hard Science) Science Fiction mit der von weiblichen Autoren wie Ursula K. Le Guin und Joanna Russ vorangetriebenen soziologischen und biologischen Tradition der SF (Soft Science). Das Ergebnis dieser Verbindung ist durchaus unterhaltsam zu lesen, denn das Garn hält zahlreiche Phänomene bereit, die den nicht allzu voreingenommenen Leser faszinieren dürften. Ich habe mich jedenfalls ein wenig an die zahlreichen abenteuerlichen Expeditionsromane von Philip José Farmer wie etwa „Dunkel ist die Sonne“ usw. erinnert gefühlt. Diese Struktur, die man endlos weiterspinnen kann, ist nur begrenzt spannend.

Umwandlung

Dennoch verliert Varley auch die Soft Science Seite nicht aus den Augen. Alle Crewmitglieder aus der „Ringmaster“ sind durch ihre „Wiedergeburt“ transformiert worden. In welcher Hinsicht, müssen sie der Reihe nach selbst entdecken, und das ist recht interessant. Cirocco ist beispielsweise auf einmal in der Lage, die musikalische Kommunikation der Titaniden zu verstehen und selbst zu nutzen. Wie sich die Geschlechtlichkeit der Zentauren im einzelnen auswirkt, wird der Leser erst im Folgeband „Wizard / Der Magier“ erfahren. Bill, Gene und die Klone haben ebenfalls Verwandlungen erfahren, und die sind keineswegs immer erfreulich.

Erotik

Das Element der Erotik ist nicht neu, sondern wurde nach dem bahnbrechenden Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1968 ausdrücklich erlaubt und von Autoren wie Heinlein, Farmer, Delany & Co. weidlich ausgeschlachtet. Bei Heinlein laufen die Damen reihenweise unbekleidet herum, und Varley lässt sich in dieser Hinsicht nicht lumpen. Cirocco und Gaby kommen einander im Innern der hohlen Speiche immer näher, bis sie es nicht mehr aushalten und übereinander herfallen. Venus und Gäa sind beide weiblich und somit eine perfekte Kombination. Zumindest, wenn es nach der Phantasie eines männlichen SF-Autors geht.

Ausblick

Als Auftaktband ist „Titan / Der Satellit“ sehr vielversprechend. Der Folgeband „Wizard / Der Magier“ konnte meiner Erinnerung nach dieses Versprechen einlösen, der Abschlussband „Demon / Dämon“ jedoch nicht mehr. Er war überfrachtet und viel zu umfangreich. Die Tatsache, dass schon der Auftaktband „Titan“ weder mit einem HUGO noch einem NEBULA ausgezeichnet wurde, belegt, dass es anno 1979 weitaus bessere SF-Romane gegeben haben muss.

Fazit: 4,5 von 5 Sternen.

Michael Matzer © 2018ff

Taschenbuch: 365 Seiten
Originaltitel: Titan, 1979
Aus dem Englischen von Thomas Schichtel.
ISBN-13: 9783453309210

www.heyne.de

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