Knud Berand & J.C. Bladon – Das Ehebett. Erotische Erzählungen

Schwedische Liebesabenteuer in Palermo, Torremolinos und Stockholm

Dieser Erotikband aus dem Heyne-Verlag enthält die beiden Erzählungen „Hochzeit in Palermo“ und „Walpurgisnacht“. Sie schildern entsprechende Abenteuer und Erlebnisse junger Schweden, sei es in Übersee oder in Stockholm, allerdings in erstaunlich wenig Ehebetten.

Die Autoren

Über Knud Berand und den Autor oder die Autorin J. C. Bladon konnte ich nur wenige Informationen finden. Knud Berand hat noch einen Beitrag in „Das Kuschelbett„.

J. C. Bladon, veröffentlicht auch in „Das Lustbett„, hat sich zusammen mit einem gewissen Stellan Wiik in dem Buch „Sexfieber“ verewigt, das auf Deutsch schon 1971 veröffentlicht wurde.

Man kann sich also vorstellen, in welcher Zeit die in „Das Ehebett“ gesammelten Erzählungen entstanden sein müssen: bis spätstens 1971. Warum J.C. Bladon mit einem Autor namens Stellan Wiik zusammenarbeitete, der als Erzählfigur bei Knud Berand auftaucht, dürfte wohl für immer ein Insiderwitz bleiben.

DIE ERZÄHLUNGEN

1) Knud Berand: Hochzeit in Palermo

Die schwedischen Seeleute Stellan Wiik und Willy heuern in Göteborg neu an und fliegen als Krankenvertretung nach Athen, um in Piräus an Bord eines Charterfrachters zu gehen. Sie werden in der Kombüse gebraucht und tragen das Essen auf. Der Kapitän ist schon ganz ungeduldig. Stellan ist erst achtzehn, sieht mit seinem Vollbart viel älter aus. Er verteidigt seinen Kumpel Willy gegen einen üblen Kerl, der den Schulhoftyrannen spielen will.

Palermo

In Palermo sind sie scharf wie Rasierklingen, doch nur Willy hat einen Tipp bekommen, so dass Stellan auf die Pirsch gehen muss. Als ihm eine junge Frau DEN BLICK zuwirft, setzt er sich auf ihre Fährte. Sie führt ihn eine Stunde lang in ein Armenviertel, nur um plötzlich spurlos zu verschwinden. Eine Falle? Doch nein: Durch ein Fenster ist sie zu sehen, wie sie sich gerade umzieht. Was für weibliche Formen sie bereits hat! Stellan steigt sofort durchs Fenster und will zur Sache kommen. Zum Glück kann sie ein paar Worte Deutsch, so dass eine Verständigung möglich ist.

In letzter Sekunde stürmen vier finster dreinblickende Männer durch die Tür, und vier weitere warten bereits vorm Fenster: Es gibt kein Entrinnen. Der Älteste besteht darauf, dass Stellan die junge Silvana auf der Stelle heiratet. Der Priester wird geholt, Stellans Pass wird geprüft und fortan werden „Henry Durelle“ und Silvana ein getrautes Paar. Henry Durelle? Dieser Name steht in dem Pass, den Stellan zuvor am Hafen vor einer Bar gefunden hat, aus der ein betrunkener Schweizer geworfen worden war. Der Schweizer torkelte besoffen weiter, und Stellan verwahrte den Pass.

In der Hochzeitsnacht stöhnt Silvana leidenschaftlich immerfort seinen Namen: „Henry, oh, Henry!“ Ein Glück, dass sie beide so gut Deutsch sprechen, sonst könnten sie sich keine Liebesschwüre zuflüstern. Nach zwei Ritten wird Silvana müde und schläft ein. Ein Glück, denn in wenigen Minuten legt Stellans Frachter ab!

Torremolinos

Das war nicht das letzte Liebesabenteuer Stellans. In Malaga macht ihr Schiff fest, um Ladung zu übernehmen. Es ist noch Zeit, nach Torremolinos zu düsen und dort Frauen anzubaggern. Willy wird wieder schnell fündig, und Stellan landet schließlich in einer Bar mit dem bezeichnenden Namen „El Toro“. Da sie brechend voll ist, bleibt ihm nur noch ein Stuhl an einem Tisch mit zwei jungen Frauen. In weiser Voraussicht hat er sich als Spanier zurechtgemacht und trägt ein nicht zu übersehendes Goldkreuz auf der Brust. Die beiden Mädchen kommen aus Göteborg und fallen prompt auf seine Verkleidung herein.

Aina und Lena fragen sich, welche Größe wohl seine „Bohrmaschine“ haben könnte, denn ihre Freunde sind in dieser körperlichen Hinsicht eindeutig minderbemittelt. Ein enger Stehblues überzeugt sie von seinen Stierqualitäten und entzückt loben sie den Eindruck, den er auf sie macht. Noch immer radebrechen sie mit ihm auf Italienisch, unterhalten sich aber untereinander in breitestem Göteborger Dialekt. Stellan lässt sich seinen Spaß nicht anmerken, sondern harrt der Dinge, die da kommen sollen: Die Mädels wollen an den nächtlichen Strand, um einen flotten Dreier zu schieben. Es wird für alle Beteiligten eine denkwürdige und durchweg befriedigende Liebesnacht…

Mein Eindruck

In Palermo steht das einzige Ehebett, das in diesem Buch vorkommt. Es muss folglich den Titel rechtfertigen. Die Ehe ist ein Fake. Die Hochzeitsnacht ist ungewöhnlich kurz: Der Bräutigam muss zurück auf sein Schiff, die Braut zurücklassend. Die ganze Episode ist nicht nur amüsant, sondern auch spannend erzählt. Werden ihn die Sizilianer abmurksen, fragt sich Stellan, als sie ihn ertappen. Werden sie ihre Messer zücken? Nicht, wenn er die beinahe sexuell beglückte Silvana zu einer ehrbaren Frau macht. Doch der Begriff „ehrbar“ scheint bei den Schweden ein sehr dehnbarer zu sein. Er verabschiedet sich quasi auf Französisch, grußlos, wenn auch nicht brieflos.

Ein Stirnrunzeln blieb bei mir dennoch. Woher wussten die Sizilianer überhaupt, wie Stellan Wik mit richtigem Namen heißt (bevor er ihnen seinen falschen Pass zeigen kann)? Das steht ganz oben auf Seite 17. Entweder fehlt hier ein Stück der Erzählung oder der Autor hat bei sich selbst nicht aufgepasst.

Die Torremolinos-Episode zeichnet sich einerseits durch ein paar sehr handfeste Sätze aus den Mündern der beiden Göteborg-Girls aus, zum anderen durch eine sehr gelungen Pointe. Denn eines ist klar: dass Stellan nie und nimmer die beiden Girls im unklaren darüber lassen wird, dass auch schwedische Kerle einen strammen Max in der Hose haben können.

2) J.C. Bladon: Walpurgisnacht

Die junge Studentin Inger lebt mit ihrer Kommilitonin Ulla im Studentenwohnheim an Rande von Stockholm. Sie ist sehr niedergeschlagen, weil sie ihren bisherigen Freund Stellan am Vorabend beim Bumsen mit einer anderen erwischt und ihm sofort den Laufpass gegeben hat. Ulla und ihr fester Freund haben volles Verständnis dafür, dass unter diesen Umständen lieber nicht zur Walpurgisnacht-Feier fahren, sondern daheim bleiben will.

Doch als sie den Hausmeister wegen einer Reparatur sprechen will, findet sie eines knurrigen alten Säufers einen feschen jungen Burschen vor. Sie kann seinem „animalischen Magnetismus“, wie sie es nennt, nicht widerstehen und lässt sich von ihm auf der Stelle vernaschen. Der Sex weckt ihre Lebensgeister und bringt ihre Seelenlage wieder ins Lot. Ulla und Lars sind überrascht, dass Inger nun doch losziehen will. Inger aber weiß jetzt genau, was sie braucht…

Die Walpurgisfeier ist mit einem großen Freudenfeuer verbunden, mit Singen und Saufen, um den Frühling (in Schweden ist der Winter länger) zu begrüßen. Auch Liebe gehört natürlich dazu, und auch Inger schlägt sich mit einem gutaussehenden Jungen in die Büsche. Doch danach läuft sie einer ruppigen Bande Rocker in die Arme, die ihr gleich an die Wäsche wollen, kann ihnen aber entkommen.

Die Party

Sie wird von jemandem gerufen, und wie sich herausstellt, ist auch ihre alte Freundin Annette auf dem Fest. Sie nimmt Inger mit auf eine Party auf der Stockholm-Insel Slussen. Auf Slussen befindet sich die inzwischen weltberühmte Straße Gamla Stan in der Mikael „Kalle“ Blomquist, Redakteur der Zeitschrift MILLENNIUM, wohnt. In der gesuchten Wohnung ist wie in diesen Altbauten gewohnt ungeheuer viel Platz. Das Wohnzimmer hat sogar eine Empore, Potztausend! Und hinter deren Balustrade sind offenbar bereits einige Pärchen zugange.

Der Stellvertreter des Party-Gastgebers ist Bernt. Und Bernt hat nicht nur einen gewaltigen Vollbart, sondern auch zupackende, harte Muskeln, so dass Inger gleich wackelige Knie bekommt. Er wird nicht ihr letzter Liebhaber auf dieser illustren Veranstaltung sein. Es dauert nicht lange, und sie hat den Charakter dieser Walpurgisnachtparty kapiert: Gruppensex bis zum Morgengrauen…

Mein Eindruck

Diese Handlung wird ganz aus dem weiblichen Blickwinkel geschildert, und das bedeutet für den männlichen Leser einige ungewohnte intime Einblicke in die Empfindungen und Seelenregungen einer jungen Frau. Da fahren ganze Energieströme ihre Rückgrat rauf und runter, sie erlebt zunehmend stärkere Höhepunkte, und mehr als einmal pflegt sie zu spritzen. Damit ist vermutlich die weibliche Ejakulation gemeint. Es gibt hier also einiges zu entdecken.

Am Anfang muss sich der Leser mit dem Gedanken anfreunden, dass bei den Schweden am 30. April der Hexensabbat mit dem Frühlingsanfang zusammenfällt. Von Hexen ist jedenfalls an keiner Stelle die Rede. Vielleicht wurde ja in deutschen Landen gerade wegen der feucht-fröhlichen Feiern zu Ehren der heiligen Walburga dieser Tag von den katholischen Kirchenoberen verdammt und zum Ehrentag für unartige Weibsbilder erklärt.

Die einzigen Hexen, die in Skansen bei Stockholm, wohin Inger geht, auftreten, sind die scharfen Mädchen, die wie Inger einen Lover suchen. Sie werden schnell fündig und der reichlich konsumierte Alkohol sorgt dafür, dass nicht nur Hemmungen fallen, sondern auch Hüllen. Für den heutigen Leser erstaunlich: Weder Damen noch Herren denken an eine Methode der Verhütung. Man wähnt sich im Paradies vor dem Sündenfall. Dies war also sicherlich lange vor der HIV-Epidemie, die in der ersten Hälfte der achtziger Jahre. Zu ihren prominentesten Opfern gehörte wohl Freddie Mercury.

Verhütungsverbot gilt auch auf der Gruppensexparty in Bernts Haus. Inger hat drei oder vier Lover (ich verlor den Überblick), bis sie an ein schüchternes Jüngelchen gerät, dem sie erst mal die Flötentöne beibringen muss. Sobald er seine Lektion gelernt hat, legt er aber – zwei Mal – richtig los. Auch eine Nymphomanin tritt auf. Die junge, etwas mollige Dame will einen neuen Rekord aufstellen, wieviele Männer sie bestiegen haben. Für eine gewisse Erheiterung sorgt die irrige Annahme zwischen Inger und Annette, die jeweils andere sei lesbisch: Sind sie definitiv nicht.

Die Übersetzung

S. 42: Der Begriff „Sylphiden“ dürfte nur dem klassisch gebildeten Leser vertraut sein. So nannten die alten Griechen weibliche Luftgeister, ein Art Nymphe. „Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts bezeichnete man auch ein zartes und anmutiges Mädchen als Sylphide (nach dem Ballett „La Sylphide“). Auch Männer können sylphid (oder sylphenähnlich, sylphidenhaft) sein.“ (aus der Wikipedia)

S. 55: „Odalisken„: Auch dieser Begriff ist nicht mehr jedem geläufig. Es handeln sich um Haremsdamen.

S. 106: „“So wird’s immer mit dem, wenn der Schnaps [ihn] in die Finger kriegt“, sagte Bernt.“ Hier fehlt ein nicht ganz unwichtiges Wörtchen, nämlich das Objekt des Nebensatzes.

Auch Kommata und Punkte glänzen immer wieder durch Abwesenheit.

Unterm Strich

Der Band bietet dem Leser zwei episodische Kurzgeschichten à 30 Seiten um Stellan, den Matrosen, und einen ausgewachsenen Roman von ca. 90 Seiten um Inger, die Stockholmer Studentin. Von der dargebotenen Kost gefiel mir der Held Stellan am besten, denn er schafft es, einerseits mit heiler Haut aus einer sizilianischen Hochzeit herauszukommen (und jeder weiß, wie streng der Ehrenkodex der Sizilianer ist), andererseits zwei Göteborger Mädels zu überlisten, indem er den stolzen Spanier mimt – und dabei Italienisch redet. Ein echter Schenkelklopfer.

Stilistisch fällt der Roman dagegen stark ab, weiß aber mit erstaunlichen, geradezu prähistorisch anmutenden Sexpraktiken aufzuwarten: Keiner benutzt ein Verhüterli, keiner hat Angst vor Aids. Ein Hexensabbat, kein Zweifel. Für die Beteiligten eine völlig legitime Frühlingsfeier, und für Inger ein probates Mittel, um ihren Liebeskummer zu vergessen.

Hinweis

Dieses Buch ist nur noch selten zu zivilen Preisen unter 2 Euronen zu finden, dafür aber umso mehr zu Mondpreisen ab 10 Euronen.

Taschenbuch: 158 Seiten
Aus dem Schwedlischen von unbekannt.
ISBN-13: 9783453017056

www.heyne.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)