Die drei ??? und der Nebelberg (Band 103)

Nach einigen mehr oder weniger ausgedehnten Schwächephasen in der Serie, erlebten die drei Fragezeichen um die Jubiläumsausgabe Nummer 100 herum wieder einmal eine Renaissance. Es dürfte ungefähr schon der dritte oder vierte Frühling sein und er hält weiter an. Daran konnten auch die jüngst erst beigelegten Lizenzstreitigkeiten nichts ändern. Beim „Nebelberg“ von André Marx handelt es sich um einen der neueren Fälle aus dem Jahr 2002. Der Einfachheit halber sei ihm die entsprechende Nummer (105) der gleichnamigen EUROPA-Hörspielserie verliehen. Die Bücher sind weder nummeriert, noch folgen sie – außer in wenigen Ausnahmefällen – einer festgelegten chronologischen Abfolge.

_Zur Story_

Ferien. Die schönste Zeit des Jahres – zumindest wenn man nicht grade dem berühmtesten Junior-Detektivbüro der Westküste angehört. Doch diesmal soll es für das Trio mal wirklich erholsame Tage ohne Fall geben. Sehr zum Leidwesen von Superhirn Justus natürlich, für den es bekanntlich nichts Erbaulicheres gibt, als kopfüber in hirnzermürbenden Abenteuern zu stecken. Doch es hilft nichts, seine beiden Kollegen entscheiden, es mal ruhig angehen zu lassen, und was könnte dafür geeigneter sein, als ein ausgiebiger Wander-Trip durch die fast gottverlassenen Rocky Mountains? So geschieht es nun, dass die drei Jungs mit Sack und Pack in freier Natur unterwegs sind; wenigstens darf der bewegungsfaule Justus die Route festlegen – diese Bedingung hat er Peter und Bob abgetrotzt.

Die Strecke erweist sich als immer noch anspruchsvoll genug für den übergewichtigen ersten Detektiv – und nicht nur für ihn. Zumindest, wenn man die Nacht dank Peters nervigem Wecker und einem kurz darauf zu spürenden Beben so recht kein Auge zugemacht hat. Dann geht dank selbigem auch noch die Karte verloren, der Proviant wird knapp und das Wetter ist auch zum Davonlaufen. Dermaßen ohne Orientierung findet man sich beim fruchtlosen Versuch, das Etappenziel (die einen Tagesmarsch entfernte Ortschaft Greenvalley) frei Schnauze zu erreichen und dort die Vorräte aufzustocken, im dichten Nebel jenseits der Baumgrenze wieder. Derart nervlich angespannt sind die drei Fragezeichen nicht für die Begegnung gerüstet, die ihnen blüht: Ein weiß gewandetes Phantom schwebt unter schauerlichem Geheul direkt auf sie zu!

Bei ihrer heillosen Flucht verlieren die drei weitere Ausrüstungsgegenstände, sauen sich ein, werden noch stärker durchnässt, als sie es ohnehin sind und zu allem Überfluss knackst Bob sich seinen Knöchel an. Nicht schlimm, aber unter den gegebenen Umständen sicher hinderlich. Dennoch schaffen sie es offenbar, dem Unhold zu entkommen, ihr Zelt aufzustellen und sich auf eine extrem unruhige und ängstliche Nacht vorzubereiten. Weitere Erderschütterungen und geheimnisvolle Schritte außerhalb des Zeltes lassen an Schlaf nicht denken. Am nächsten Tag erreichen sie mit Hilfe der wieder entdeckten Karte in beklagenswertem Zustand ein einsam stehendes Haus, wo sie unerwartet warmherzig aufgenommen und zwei Tage lang gut versorgt werden. Beinahe könnte man den gestrigen Vorfall vergessen, doch Phantome schlafen nicht …

_Eindrücke_

Eigentlich ist André Marx eher der Mann für ausgeklügelte Kriminalgeschichten bei den drei Fragezeichen und sein Autoren-Kollege Marco Sonnleitner auf den Grusel spezialisiert. Wie gesagt: eigentlich. Hier kombiniert er zur Abwechslung mal beides und reißt damit die Serie aus ihrer leichten Lethargie, welche sie um die Jubiläumsfolge herum mal wieder etwas befallen hat. Die Zutaten dafür sind zwar zum Teil aus dem lange Jahre etablierten ???-Fall-Baukasten zusammengesucht, doch das Menü mundet trotzdem vortrefflich, weil es schließlich ja nicht nur auf die (im Übrigen gut gewählten) Zutaten ankommt, sondern in erster Linie auf deren Zubereitung. So gelingt es ihm tatsächlich, den im Prinzip thematisch ollen Kamellen zu neuen Ehren zu verhelfen.

Phantome, Nebel und auch die in der Story anzutreffende Mine – all das kommt dem Kenner irgendwie bekannt vor und doch ist es anders. Zu bemerken wäre als erstes der stilistische Kniff von Bobs Reisetagebuch, etwas, das es in dieser Form bislang bei den Fragezeichen noch nicht gab. Ganz anders der Marx‘ eigene, schon an Selbstironie grenzende Witz, mit dem er die Figuren – insbesondere die drei Detektive untereinander – agieren lässt. Das ist schon eine Art Markenzeichen. Oft zieht sich auch ein kleiner Running Gag durch seine Geschichten, wobei das niemals plump oder aufgesetzt wirkt. In diesem Fall ist es Peters nerviger Wecker, der zum unerwarteten Ende die Sache nicht nur humoristisch heraus reißt. Überhaupt ist dieser Fall in der Neuzeit angesiedelt: Laptop & Co. sind keine Fremdworte mehr.

_*SPOILERWARNUNG*_

Plotholes haben sich nur wenige eingeschlichen, Stichwort: Laptop. Es ist von einem Notebook die Rede, welches aus Versehen ausgeschaltet wurde, weil Sarah, statt die Cursor-Tasten zu treffen, den Ein/Aus-Schalter erwischt habe. Ein solch widersinniges Tasten-Layout ist zumindest dem Verfasser dieser Zeilen vollkommen unbekannt – trotz jahrelanger Kenntnis zahlreicher Modelle und Marken. Dann wäre eventuell noch die Herkunft von einer nicht geringen Menge Sprengstoff zu klären gewesen, welchen man ja selbst in den USA nicht in jeder Apotheke kaufen kann. Wie kommt ein flüchtiger Knacki daran? Als letztes wäre da noch eine dramaturgische Untertreibung zu vermelden. Ein Skelett macht sich immer gut. Aufgrund der besonderen Umweltbedingungen in einer Mine dürfte der gefundene Leichnam selbst nach 60 Jahren aber eher weniger appetitlich blank sein, als beschrieben. Eine Mumifizierung ist viel wahrscheinlicher.

_Fazit_

Keine Frage, der Nebelberg gehört zu den atmosphärisch dichtesten Highlights der Serie – wobei sich das Hörspiel hier dank dem Stilmittel der Geräuschkulisse einen leichten Vorteil gegenüber dem Buch verschaffen kann. Dafür enthält das Buch zusätzliche Passagen, was insbesondere zum Abschluss hin den Fall wesentlich logischer und vor allem runder erscheinen lässt. Die kleinen Makel in der Plausibilität können das positive Bild allenfalls minimal trüben. André Marx weiß, wie man interessante und spannende ???-Geschichten strickt, welche zwar in der Moderne mit weiterentwickelten Charakteren spielen, denen aber immer noch die lieb gewonnene Figurenzeichnung von damals erkennbar zu eigen ist. Klare Empfehlung auch für Einsteiger.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_

„Die drei ??? und der Nebelberg“
Basierend auf Figuren von Robert Arthur
Erzählt von André Marx
Franckh-Kosmos, 2002
128 Seiten Hardcover
Cover Illustration: Silvia Christoph
Redaktion: Cordula Gerndt
ISBN: 3-440-10355-2 (Erstauflage)
Erhältlich auch in anderen Formaten und Bindungen