Robert Bloch – Cthulhus Rückkehr

Das geschieht:

Albert Keith, passionierter Kunstsammler mit einem Hang zum Düsteren, ist hoch erfreut, als es ihm gelingt, ein Bild des Malers Richard Upton zu erwerben. Es zeigt wahrhaft Ungeheuerliches; kein Wunder, denn Upton – der den Jüngern des Horror-Meisters H. P. Lovecraft unter seinem vollen Namen Richard Upton Pickman kein Unbekannter ist – pflegte nach der Wirklichkeit zu malen. [Pickman tritt auf (und ab) in der Lovecraft-Story („Pickman‘s Model“ („Pickmans Modell“). Er findet außerdem Erwähnung in „The Dream-Quest for Unknown Kadath“ („Die Traumsuche nach dem unbekannten Kadath“)]

Aber hat er tatsächlich echte Ghoule bei ihrem schändlichen Treiben beobachtet? Bereitet wirklich der sagenhafte Cthulhu seine lang verschobene Rückkehr vor, jener „Große Alte“, der in der Stadt R‘lyeh tief auf dem Meeresgrund der Südsee schläft und nur manchmal (doch stets zum Nachteil etwaiger Zeugen) zum Vorschein kommt? Keith begibt sich auf eine folgenschwere Expedition zu dem Ort, den Upton/Pickman ihm wies; als diese endet, ist er zweifellos schlauer aber auch spurlos vom Erdboden verschwunden …

Alberts Ex-Gattin, das Model Kay Keith, nimmt seine Spur auf. Erstaunt muss sie feststellen, dass inzwischen auch die Regierung (der Vereinigten Staaten natürlich; alle übrigen Länder dieser Welt tappen wie immer im Dunkeln) Wind vom neuerlichen Erscheinen Cthulhus bekommen hat. Dem Krakenkopf wird eine Atombombe in seine Höhle geschossen, und das ist sein Ende – oder nicht?

25 Jahre später erinnert sich kaum jemand mehr an die tragischen Schicksale von Albert und Kay Keith. Der Reporter Mark Dixon ist daher ahnungslos über seine persönliche Verwicklung in die Cthulhu-Tragödie, bis ihm während eines verheerenden Erdbebens in Los Angeles im Angesicht der dunklen Mächte ein Licht aufgeht …

Der Lehrling und sein Meister

Robert Bloch gehörte mehr als sechs Jahrzehnte zu den beliebtesten und erfolgreichsten Unterhaltungsschriftstellern überhaupt. Er widmete sich mit Leidenschaft den dunklen Seiten dieser Welt, die er in zahlreichen Kriminal-, Horror- und Science-Fiction-Romanen und Kurzgeschichten heraufzubeschwören wusste.

Blochs Anfänge als hauptberuflicher Autor in den früher 1930er Jahren konnten unter keinem günstigeren Stern stehen: Sein Mentor und Lehrer war niemand anderer als Howard Phillips Lovecraft (1890-1937), der zu den Klassikern der unheimlichen Literatur gehört. Mit der Unbekümmertheit der Jugend hatte der sechzehnjährige Bloch dem von ihm verehrten Schriftsteller geschrieben und ihn um Hilfe angegangen. Der als „Einsiedler von Providence“ und verschrobener Sonderling geltende Lovecraft antwortete nicht nur prompt, sondern geizte auch nicht mit wertvollen Ratschlägen, Zuspruch und Anerkennung. Die Korrespondenz der beiden Brieffreunde blieb bis zum Tode Lovecrafts im Jahre 1937 lebhaft.

Unter diesen Umständen ist es verständlich, dass der frühe Robert Bloch und sein Werk vom verehrten Vorbild geprägt wurden. Die ersten Geschichten waren lupenreine Lovecraft-Pastiches, in Form und Inhalt dem Meister nachempfunden, der dies erfreut und geschmeichelt zur Kenntnis nahm. Doch Bloch entwuchs dem Lovecraft-Zirkel rasch. Zum Cthulhu-Mythos kehrte er nur noch sporadisch zurück – er hatte seine eigene Stimme gefunden.

Neue Zeiten für alte Schrecken

„Strange Eons“ (der Titel spielt auf einen berühmten Vers an, den H. P. Lovecraft seinem fiktiven Cthulhu-Chronisten Abdul al-Azrad zuschreibt: „That is not dead which can eternal lie, and with strange eons even death may die.“„Das ist nicht tot, was ewig liegt, bis dass die Zeit den Tod besiegt.“) markiert Blochs Schlussstrich unter seine Verbindung mit dem Cthulhu-Universum. 1978 entstanden, fällt er in eine Phase, die man als Höhepunkt einer „Lovecraft-Renaissance“ bezeichnen kann.

Nach seinem Tode war Lovecraft bereits zu Lebzeiten nie besonders populär – in Vergessenheit geraten. Hauptsächlich ist es August Derleth und Donald Wandrei, Mitgliedern des „Lovecraft-Zirkels“, und dem von ihnen gegründeten Verlag Arkham Press zu verdanken, dass sich dies nach einer Jahrzehnte währenden Durststrecke zu ändern begann. Erneut übte Lovecraft seine Faszination auf eine neue Lesergeneration aus.

Als in den späten 1960er und 70er Jahren neue Phantasten zu schreiben begannen (Ramsey Campbell und Brian Lumley sind nur zwei aus dieser Runde, die inzwischen selbst zu den Großen des Genres zählen), ehrten sie ihr Vorbild auf spezielle Art: Sie trugen neue Geschichten zu Lovecrafts Hauptwerk bei: dem Cthulhu-Mythos um den bösartigen, krakenköpfigen Gott und seine nicht minder üblen Artgenossen, die jenseits von Zeit und Raum vor Jahrmillionen ausgerechnet auf die Erde gekommen sind und seither ihr garstiges Spiel mit den Menschen treiben.

Eine Rückkehr unter eigenen Bedingungen

Robert Blochs (neuerlicher) Beitrag zum Mythos stellt sich einerseits als Glücksfall heraus. Als Autor kann er sich sichtlich gut an seine Anfänge erinnern und ist doch Profi genug, die Lovecraftschen Vorgaben nach eigenen Vorstellungen zu variieren und zugleich mit ihnen zu spielen. Dabei beweist er eine wesentlich glücklichere Hand als die meisten anderen Epigonen, die in ihrem Bemühen, den Tonfall des Meisters zu treffen, meist nur hohle Imitationen produzieren.

„Cthulhus Rückkehr“ lässt indes die seltsame Faszination des Originals vermissen; Lovecraft bleibt halt unerreicht. Außerdem gedachte Bloch anscheinend nicht, gar zu viel Zeit in das „Strange Eons“-Projekt zu investieren. Er nahm sich eine ältere Story vor und baute sie zu diesem (Episoden-) Roman aus, dem in seinem dritten Kapitel die Luft deutlich ausgeht. „Cthulhus Rückkehr“ bietet deshalb in erster Linie Atmosphäre à la Lovecraft aber keine geschlossene Geschichte. Freilich war dies in vielen der Originalgeschichten nicht anders.

Autor

Robert Bloch wurde am 5. April 1917 in Chicago geboren. Früh verfiel er dem Reiz der „Pulp“-Magazine, in denen abenteuerliche, oft wüste aber höchst unterhaltsame Geschichten erzählt wurden. 1934 gelang Bloch mit „Lilies“ eine erste Veröffentlichung, weitere Geschichten für verschiedene Magazine folgten in rascher Folge. Bloch zeigte sich versierter und schneller Handwerker, der für viele Genres schreiben konnte. 1947 erschien „The Scarf“, Blochs Romandebüt, die Geschichte eines Psychopathen. Der Blick auf oder besser in die Hirne von geistesgestörten Serienmördern wurde zu einer besonderen „Spezialität“ des Schriftstellers. 1959 gelang Bloch damit sein wahrer Durchbruch: Norman Bates betrat die Bildfläche in „Psycho“. Das Buch wurde ein Bestseller, Hollywood aufmerksam auf Bloch. Für gerade 9.500 Dollar gingen die Filmrechte an Alfred Hitchcock. „Psycho“, der Film von 1960, wurde nicht nur ein Blockbuster, sondern ein Kultfilm, stilbildend für das Thriller-Genre und ein zeitloses Meisterwerk in seiner düsteren Faszination.

Bloch war berühmt – und im Filmgeschäft. Er zog nach Kalifornien und schrieb für die TV-Serie „Alfred Hitchcock Presents“. Ein bescheidener TV-Erfolg wurde die von Boris Karloff („Frankenstein“) präsentierte „Thriller“-Show (1960), für die Bloch viele seiner eigenen Storys verfilmen lassen konnte. Außerdem verfasste er Drehbücher für Kinofilme wie „The Couch“, ein psychiatrisches Drama, und „The Cabinet of Dr. Caligari“, ein Remake des deutschen Stummfilm-Klassikers (beide 1962).

Am 23. September 1994 ist Robert Bloch im Alter von 77 Jahren gestorben. Er hinterließ ein reiches Werk und das unsterbliche Bonmot: „Trotz meines unappetitlichen Rufes habe ich wirklich das Herz eines kleinen Jungen; ich bewahre es in einem Einweckglas auf meinem Schreibtisch auf.“

Der biografische Abriss stützt sich auf „The Bat Is My Brother: The Unofficial Robert Bloch Website“, die außerordentlich informativ ist.

Gebunden: 224 Seiten
Originaltitel: Strange Eons (Chapel Hills : The Whispers Press 1978)
Übersetzung: Monika Angerhuber
www.festa-verlag.de

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