Thomas H. Burton – Lovers. Der Roman einer sinnlichen Odyssee

Ein Jäger von Schürzen und Hosen

„Ein Casanova der Moderne, der zwar seinen wahren Namen verschweigt, sonst aber kaum etwas…

Der Mann, der unter einem Pseudonym mit rückhaltloser Offenheit über seine erotischen Erlebnisse schreibt, war eine bedeutende Persönlichkeit im >offiziellen< Leben. Mit dieser „Chronique scandaleuse“ bekennt er sich zu seinem zweiten ich und seinem geheimen Leben: stets auf der unersättlichen Suche nach Lust und Erfüllung seiner Sehnsüchte.“ (Verlagsinfo)


Der Autor

„Thomas H. Burton“ lautet das Pseudonym eines Mannes, der zu seiner Zeit „eine ziemlich bedeutende Persönlichkeit“ gewesen sein muss, wie uns der Verlag verrät. Die Wikipedia kennt jedenfalls keinen Thomas H. Burton. Und auf Amazon.de existiert dieses Buch schlichtweg nicht.

Handlung

Auf dem Lande

Schon in früher Jugend lernt Tom die Liebe gründlich kennen, denn nach seinen beiden Kusinen ist seine erste Geliebte die erfahrene Mrs. Benson. Nach einer gewissen Zeit ist er alt genug, eine ordentliche Schulausbildung zu erhalten, und wird von seiner Tante in das Privatinternat von Doktor Brown und seiner Frau Alice geschickt. Das Gebäude liegt draußen auf dem Lande und ist umgeben von einem weitläufigen Garten, in dem ein Sommerhaus steht. Mrs. Brown drückt Tom bei der Begrüßung gleich an ihren umfangreichen Busen, und auch der Doktor scheint ein Gefallen an Tom zu finden, das über das übliche Maß hinausgeht.

Der Doktor hat eine ganz spezielle Auffassung von dem, was ein junger Mann im Leben zu lernen hat, und es scheint vor allem die Liebeskunst zu betreffen. Schon am ersten Tag vernascht er den jungen Tom im Sommerhaus, aber auch Tom weiß, wie er dem Alten Vergnügen verschaffen kann. Dessen Manneskraft hat nachgelassen, aber es gibt Kniffe, um dieses Manko auszugleichen. Auch Mrs. Brown ist die Geilheit in Person und geizt nicht mit ihren beträchtlichen Reizen. Es dauert nur wenige Tage, um Tom den beistand des Docs holen zu lassen. Zusammen schaffen sie es gerade noch, Mrs. Brown zu befriedigen.

Es dauert drei Wochen intensiver sexueller Betätigung, bis endlich Entlastung
eintrifft. Dale ist ungefähr in Toms Alter, aber wesentlich verschämter und verklemmter als Tom. Dass er so vorsichtig ist, hat seine Ursache im Grund seiner Verbannung in das Internat: Er hat ein junges Frauenzimmer in die Freuden der Liebe eingeführt. Das wäre ja nicht weiter schlimm, denn Ellen war sehr neugierig und anstellig, doch er wurde dabei beobachtet. Die Pensionsmutter Mrs. Allen war empört und empfahl Harry Dale der strengsten Bestrafung durch Doc Brown. Der denkt gar nicht daran, sondern verführt den verklemmten Harry nach Strich und Faden.

Zwei Verführungen

Tom fühlt sich zur Hilfe für Harry berufen und setzt einen raffinierten Plan in die Tat um. Er schleicht sich aufs Anwesen von Mrs. Allen und beginnt sie zu verführen. Wie zufällig lässt er sie sein stattliches Liebesinstrument sehen, was sie sichtlich in Aufregung versetzt. Er tut wie die Unschuld vom Lande und sie setzt alles daran, ihn zu verführen. Als er am Ziel ihrer Wünsche angelangt ist, lernt er „rein zufällig“ auch Miss Ellen, ihre Nichte, kennen und verführt auch sie. Sie würde auch gerne Harry wiedersehen, doch Tom überzeugt sie mit seinem Zauberstab, dass auch er nicht zu verachtende Liebesdienste bietet. Er erfährt von ihr, dass Ellen ihrer Tante zu Willen sein muss, wo es um die Liebe in den Laken geht. Mrs. Allen eine Tribade, fragt sich Tom. Warum auch nicht!

Über kurz oder lang bringt er alle seine Eroberungen und Lieben zusammen, so dass schließlich zwei Schwangerschaften bei Mrs. Allen und Miss Ellen sorgfältig verborgen werden müssen. Die Entbindungen erfolgen wie üblich an einem diskreten fremden Ort: Paris, wo es viele diskrete Hebammen gibt. Dort wohnt auch Toms Vormund Mr. Nixon, der Bericht erstattet bekommt. Hochzufrieden mit Toms schulischen Leistungen, gibt es ihm Geld für ein Studium am King’s College in London. Mr. Nixon ist inzwischen mit der ehemaligen Miss Frankland verheiratet, die zu Toms heimlichen Eroberungen zählt.

In London

Logis bekommt Tom bei einer achtbaren Witwe namens Mrs. Nichols, die zwei hübsche Töchter namens Jane und Ann hat. Ann hat ein „Missgeschick“ erlitten, also eine ungewollte Schwangerschaft, und befindet sich gerade auf dem Lande, um es loszuwerden. Die süße Jane hat ebenfalls ein kleines Handicap: Toms Vorgänger zur Miete hatte sie vergewaltigt und ihr sehr
wehgetan. Dementsprechend widerstrebend ist sie allen Dingen der Erotik zugewandt. Es dauert eine ganze Weile, bis er sie davon überzeugt hat, dass er ihr nicht im geringsten wehtun will, sondern sie im Gegenteil mit den Wonnen der Lust verwöhnen will. Dass sein imposanter Zauberstab in ihren Leib passt, kommt ihr wie ein Wunder vor, doch die folgenden Bewegungen versetzen sie in den siebten Himmel.

Ist die süße Jane blond, so ist ihre Schwester Ann dunkel – und unerwartet wollüstig. Bei ihr hat Ann leichtes Spiel, doch sie erweist sie als ebenso eng wie eine Jungfrau. Dass er die beiden Schwestern zusammenbringt, ist unausweichlich, und Jane kann keine Eifersucht gegenüber der eigenen Schwester geltend machen. Sie sind gerade fröhlich zu dritt zugange, als ihr Lärm die Mutter der Grazien auf den Plan ruft. Auf frischer (und fröhlicher) Tat ertappt! Doch auch bei diesem Frauenzimmer hat Tom leichtes Spiel, denn er entdeckt, dass sie eine Klitoris von ungewöhnlicher Länge aufweist, den er gehörig zu verwöhnen weiß. Schließlich vereint die Mutter mit den Töchtern zu einer Menage à trois und trägt sein Scherflein dazu bei. Sie danken ihm herzlich.

Ein Wiedersehen

In London trifft er sich durch Vermittlung des alten Freundes McCallum wieder mit zwei Ehepaaren: Mrs. Benson und ihr Gemahl plus ihre beste Freundin Mrs. Egerton samt Gemahl, einem italienischen Grafen. Dass die Benson ein lüsternes Frauenzimmer ist, wusste er ja schon, aber inzwischen ist sie zu einem stattlichen Vollweib herangewachsen, das es sehr auf sein stattliches Liebesinstrument abgesehen hat.

Bei einem Stelldichein zu viert verwöhnen Tom und der Graf die beiden Damen intensiv und schaffen es, beide in einem Doppelfick – entsprechende Vorsichtsmaßnahmen inklusive – in den siebten Himmel zu schicken. Besonders Mrs Benson wird mehrfach ohnmächtig. In Gesprächen mit dem Grafen erweitert Tom seine Italienischkenntnisse beträchtlich, und schließlich parlieren alle vier fließend in der Sprache der Freunde von Lust, Liebe und Leidenschaft.

Mr. Nixon ist inzwischen verstorben und hat seiner Witwe Florence Frankland sein gesamtes Vermögen vermacht. Doch was damit tun, fragt sie sich. Am besten die Welt bereisen, aber mit jemandem, dessen Gesellschaft nicht nur angenehm, sondern auch anregend und lustvoll ist. Und so kommt es, dass sie Tom einen Heiratsantrag macht. Wird er annehmen?

Mein Eindruck

Toms Abenteuer in der Edwardianischen Ära bilden eine Schule der Liebe, die sich stark von der eines Casanova oder Don Juan unterscheidet. Es geht nicht um Eroberung, sondern um eine Mission der Freude, Liebe und Befreiung. Tom, ausgestattet mit einem außergewöhnlichen Liebesinstrument, befreit zunächst die brave Ellen, die in einem emotionalen Gefängnis lebt, das ihre Tante und Pensionsmutter Mrs. Allen errichtet hat, um sie sexuell auszubeuten. Immer wieder geht es um derart unterdrückte Frauen, deren Situation den ritterlichen Instinkt in Tom weckt.

Befreiung

Dass Tom sowohl Frauen als auch Männern zugetan ist, zeugt von seiner offenen Geisteshaltung. Er weiß ja aus eigener Erfahrung, dass Männer, wie etwa Harry Dale, genauso sinnlich wie Frauen, aber genauso angsterfüllt sein können. Die beiden Geschlechter sollten daher einander beistehen, als zu versuchen, die Oberhand über das jeweils andere zu erringen. Am Ende ist der alte Graf, der Gatte von Mrs. Egerton, einsam und verlassen auf seinem italienischen Schloss: Wie so viele andere Weggefährten ist seine Partnerin verstorben. Partner sollten einander beistehen und Gefährten sein.

Über die Bande

Doch Tom hat es auch faustdick hinter den Ohren. Schon frühzeitig lernt er, wie leicht die Menschen zu manipulieren sind, um sie den eigenen Wünschen geneigt zu machen. So lässt er es sich angelegentlich sein, zuerst die Tante – Mrs. Allen – und erst danach die junge Ellen zu verführen. Er spielt die Unschuld vom Lande und zeigt Mrs. Allen scheinbar ahnungslos, wie gut bestückt er in der Unterhose aussieht. Indem er über die Bande spielt und zuerst die Tante beglückt, gelangt er zum eigentlichen Ziel, nämlich der süßen Ellen.

Diplomatie

Viele Male geht er ähnlich vor: Er behauptet das Gegenteil dessen, was er beabsichtigt, und bekommt durch das Zutun des jeweils anderen, was er verfolgt. So geht ein schlauer Diplomat vor, und beim Leser gibt es keinen Zweifel, dass der Autor zu einem Corps diplomatique gehört haben muss. So kennt er sich in Paris ebenso gut aus wie später in Frankfurt/M. Tom lernt in einem Hotel in Paris einen jungen Deutschen namens Carl kennen, der aus einer Hotelierfamilie aus Frankfurt/M. stammt und hier sein Lehrjahr absolviert. Es dauert nur wenige Nächte, bis Carl der lieben Florence Frankland aus der Hand frisst und alles für sie tun würde. Die intime Freundschaft zwischen Carl, Tom und Florence dauert etliche Jahre, bis Carl heiratet und seine Frau misstrauisch wird. Toms Verhalten ist keineswegs eifersüchtig, sondern freigebig.

Kompromat

Er kennt auch die Tücken des libertären Lebens, besonders in Paris. Die Bordelle der Lichterstadt sind weltberühmt, besonders in der Belle Epoque, aber es handelt sich nicht selten um Liebesfallen, die dazu dienen, „Kompromat“ zu erzeugen: kompromittierendes Material oder Wissen, das dazu verwendet werden kann, um einen Besucher solch eines Etablissements zu erpressen. Das Verfahren wird „chantage“ genannt und in Unterweltkreisen offenbar europaweit praktiziert. Die Opfer müssen entweder zahlen oder Befehle ausführen oder gar beides. Tom weiß jedoch rechtzeitig Bescheid und vermeidet die direkte Teilnahme an den angebotenen Männerreigen – er begnügt sich schlauerweise mit dem Zusehen an einem verborgenen Örtchen: Alle Pariser Bordelle sind mit Gucklöchern ausgestattet. Deren Benutzung ist natürlich ebenfalls kostenpflichtig.

Anekdoten

Den Abschluss bilden ein paar nette Dönnekes, die der italienische Graf Tom und Florence zum besten gibt. Die Anekdoten drehen sich um einfache Mädchen aus dem Piemont, die den lokalen Dialekt sprechen und auch selbst dann nicht ablegen, wenn sie schon längst eine Diva in Metropolen sind. Die Pointe ist witzig. Aber auch das Schicksal einer jungen Nonne rührt das Herz der Zuhörer, die sich verliebt, bestraft wird und doch noch Erlösung findet.

Die Übersetzung

Die Übersetzung dürfte schonetwas betagt sein; ich tippe mal auf die 1920er Jahre.

S. 11: „Wu[r]zel”: Das R fehlt.

S. 70: “dass sie nicht wusste, dass ich über sie [Bescheid?] wusste, sondern auch, dass sie über mich im Bilde war.“ Dieses Durcheinander lässt vermuten, dass hier irgendwo ein wichtiges Wörtchen fehlt.

S. 163: “Es ist himmli[s]ch!“: Das S fehlt.

S. 166: “wo wir uns bald mit heißem Toddy erfrischten“: Toddy wird nicht erklärt. Wikipedia: ((de.wikipedia.org/wiki/Toddy)) Ursprünglich kalter Palmwein, in USA später Bombo, schließlich „Hot Toddy“, ähnlich wie heißer Grog: Whiskey (in USA Rum oder Brandy), heißes Wasser, Zucker, Zitrone und Gewürze wie Nelken, Zimt und Muskatnuss.

S. 190: “Mrs. Alle[n]”: Das N fehlt.

S. 199: “wo deine Fose meinen Lümmel so meisterlich massiert“: Ein gutes Beispiel für die farbige Ausdrucksweise des Erzählers. Unter „Fose“ darf man sich laut DUDEN ((www.duden.de/fose)) eine Dirne vorstellen.

Unterm Strich

Ich habe mehrere Monate für dieses heitere Buch gebraucht, denn es wäre ein Fehler, sich die vielen Episoden und Begegnungen auf einen Schlag reinzuziehen. Sie würden nur zu einer Nummernrevue verschwimmen. Daher sollte man jede Station der Liebesschule, die Tom durchläuft, genießen und ihr die gebührende Zeit zugestehen. Das ist in der modernen Hektik nicht einfach zu praktizieren, aber Hektik hat in der Liebe noch nie zu guten Ergebnissen geführt, so auch nicht im Genuss dieser Liebeslehren.

Humor

Es gibt in diesem Buch viele Arten von Humor. Der implizite Humor ist nur für den verständigen Leser wahrzunehmen, der zwischen den Zeilen zu lesen weiß. Der explizite Humor zeigt sich in der Ironie, die dem diplomatischen Handeln Toms innewohnt: Er spielt etwas, was er nicht ist, er spielt über Bande und erreicht so leichter sein Ziel oder einen bestimmten Zweck. Täuschen und Tricksen ist sein Metier, aber er spielt fair. Die beiden Anekdoten am Schluss verraten ebenfalls Humor, jedenfalls den von der italienischen Geschmacksrichtung.

Frauen

Das schöne Geschlecht ist vielfach der Unterdrückung und Ausbeutung ausgesetzt, dabei legt es in Toms Augen vielfach die gleiche Sinnlichkeit wie die Männern an den Tag – wenn man die Frauen lässt. Ellen wird beispielsweise von ihrer Tante ausgebeutet und unterdrückt. Da es aber keinerlei Verhütungsmethoden zu geben scheint (höchstens für besonders betuchte Liebende), widerfährt den geliebten Frauen allzu häufig ein „Missgeschick“: Sie werden schwanger. Die Geburt darf keiner mitkriegen, sonst ist der gute Ruf dahin. Deshalb fahren die Frauen aufs Land oder nach Paris, um bei verschwiegenen Hebammen zu entbinden und das Kind zur Adoption freizugeben.

Taschenbuch: 223 Seiten.
O-Titel: Lovers
Aus dem Englischen von Frank Hergün.
ISBN-13: 9783426025192

www.knaur.de

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