Archiv der Kategorie: Comics / Graphic Novels

Froideval, François Marcela / Ledroit, Olivier – Zeichen der Dämonen, Das (Die Chroniken des schwarzen Mondes, Band 3)

Die Geschichte des jungen Wismerhill geht im dritten Band der „Chroniken des schwarzen Mondes“ weiter und nach dem sehr guten [Vorgänger, 1638 in dem schon viele mögliche Intrigen angedeutet wurden und Folgen erahnt werden konnten, kommt bei „Das Zeichen der Dämonen“ schon einiges mehr an Klarheit in die Sache herein, besonders was die bislang noch nicht ganz so offensichtlichen Bündnisse verschiedener Gruppen und Personen anbelangt.

Nach längerer Suche trifft Wismerhill schließlich auf das Orakel, findet dabei aber nicht nur Antworten auf seine zahlreichen Fragen. Gleichsam stellt ihn das Orakel vor neue Aufgaben und deutet sein erhabenes Schicksal an. Anschließend begibt sich Wismerhill auf die Suche nach seinem tot geglaubten Vater, dem Prinz der Schattenelfen.
Auf seinem Weg trifft der junge Ritter einen alten Weggefährten, seinen ehemaligen Anführer Ghor-Ghor Bey, der wie durch ein Wunder die Schlacht gegen die weißen Ritter (siehe [Band 1) 1625 überlebt hat. Wiederum verbünden sich die beiden, nur dass Bey schnell deutlich gemacht wird, dass es er sich dieses Mal unterzuordnen hat, denn Wismerhills Macht und Stärke ist nach dem langen Training enorm gewachsen.

Währenddessen schmiedet Haazel Thorn sehr zum Unmut der kaiserlichen Leibwache (mit ihrem Anführer Frater Sinister) ein unglaubliches Komplott. Mit seiner gesamten Armee zieht er in Richtung der kaiserlichen Feste, um dem Herrscher seine Aufrichtigkeit zu beweisen. Doch hinterrücks verfolgt er ganz andere Pläne …

Wismerhill und seine Gefährten entdecken auf dem Weg die große Armee Thorns und schöpfen Verdacht, weil sie, ohne angegriffen zu werden, durch sie hindurch maschieren können. In der Zwergenstadt Ghrunkedash besorgen sie sich weitere Waffen – die sie kurze Zeit später auch dringend brauchen werden, denn ein kleines gemütliches Dorf, in dem sie sich für eine Nacht niederlassen, entpuppt sich als die Hölle auf Erden, und Wismerhill muss sich im Kampf erneut dem Sukkubus stellen …

Wie auch schon der zweite Teil dieser Comic-Reihe, so ist auch „Das Zeichen der Dämonen“ richtig klasse geworden. Dieses Mal sind die Zeichnungen entsprechend der Stimmung und den finsteren Plänen sogar noch um einiges düsterer ausgefallen, was dem Zeichner-und-Autoren-Team jedoch an anderer Stelle wieder die Gelegenheit bietet, mit Hilfe der bestialischen Austrahlung des Sukkubus krasse Kontraste zu erzeugen. Speziell die Darstellung dieses Monsters sowie der sich über mehrere Seiten erstreckende Kampf zwischen Wismerhill und dem Sukkubus sind ein echter Augenschmaus und machen dieses Buch schon für sich genommen zu einer echt lohnenswerten Angelegenheit.

Im Hinblick auf die Story ist der dritte Teil sicherlich der bislang interessanteste, weil die Erzählung jetzt so richtig in Fahrt gekommen ist und ein deutlicheres Licht auf die angedeuteten Intrigen der ‚bösen‘ Charaktere geworfen wird. Der Leser sieht hier schon stellenweise klarer, auch wenn man ihn bei den detaillierten Planungen noch im Dunkeln tappen lässt – aber das erhöht wiederum die Spannung, wobei gerade das Ende fast schon eine Tortur ist, wenn man den nachfolgenden Band nicht zur Hand hat. Hier stehen sich nämlich zum ersten Mal die beiden wichtigsten Parteien gegenüber …

Mein Statement zur gesamten Serie ist daher auch gleichbleibend: „Die Chroniken des schwarzen Mondes“ sind eine ungeheuer gut gemachte, farbenfrohe, actionreiche und mit Wortwitz gesegnete Comic-Reihe, die einen ziemlich schnell fesseln kann. Ich persönlich habe die Intensität jetzt selbst zu spüren bekommen, denn gerade da, wo die Spannung am Höhepunkt ist, sprich auf der letzten Seite, fehlt mir die Möglichkeit bzw. der nächste Band „Die Stunde der Schlange“ zum Weiterlesen. Ich denke, das sagt dann auch genug über die Qualität dieses mehrteiligen Projektes aus …

Froideval, François Marcela / Ledroit, Olivier – Flug des Drachen, Der (Die Chroniken des schwarzen Mondes, Band 2)

„Der Flug des Drachen“ ist die direkte Fortsetzung des ersten Bandes der „Chroniken des schwarzen Mondes“, dem gemeinsamen Werk von François M. Froideval und Olivier Ledroit. Nachdem in [„Das Zeichen der Schatten“ 1625 zunächst die Charaktere einzeln vorgestellt und ihre speziellen Kräfte ausführlich erläutert wurden, nimmt die Geschichte um den jungen Wismerhill hier erst richtig ihren Lauf.

Nach der großen Schlacht, der zahlreiche Freunde, darunter auch sein Anführer Ghor-Ghor Bey, zum Opfer gefallen sind, ziehen Feidreiva, Pilou und Wismerhill weiter durch die Lande und gelangen dabei zunächst nach Feyhin Lockthat, in die Stadt der Spiele und Gladiatoren, wo sie nach erfolgreichem Kampf auf neue Gefährten stoßen. Fortan schließen sich ein mysteriöser Verschwiegener sowie der monströse Rise Goum samt seiner kleiner geratenen Zwillingsschwester dem Trupp an, und gemeinsam ziehen sie nach Magistrya, wo Wismerhill eine Audienz beim Magister fordert.

Dort wird er jedoch von diesem Magister und seiner Schergin Desdemona überrumpelt, doch als diese beiden Wismerhill die Lebensessenz aus dem Körper saugen wollen, werden seine bislang verborgenen Kräfte geweckt, und im Kampf besiegt er schließlich den Sukkubus Desdemona und tötet den Magister. Anschließend erfährt er, wo er das gesuchte Orakel finden wird und macht sich samt seinen neuen Gefährten, die inzwischen für einige Unruhe in der Stadt gesorgt haben, auf den Weg in das Tal der Drachen.

Währenddessen sind Frater Sinister und seine weißen Ritter zurück in die kaiserlichen Fste gelangt, um ihren Herrscher über den Verlauf der Schlacht zu unterrichten. Gleichzeitig schmiedet das Oberhaupt der Ritterschaft jedoch auch Intrigen, infolge derer der Kaiser vom Thron gestürzt werden soll. Und auch der Erzmagier Haazeel Thorn ist nicht untätig und verfolgt aufmerksam den Weg von Wismerhill, der ihm geradewegs in die Arme läuft …

„Der Flug des Drachen“ gefällt mir persönlich noch ein Stück besser als der erste Band, weil hier einzelne Andeutungen bereits klarer erläutert werden und die Rollen und Positionen der einzelnen Charaktere noch detaillierter beschrieben werden. Wo in „Das Zeichen der Schatten“ manche Einzelheiten noch vage dargestellt und offen gelassen wurden, wird hier vor allem die Motivation von Frater Sinister klarer, und auch den Erzmagier Haazeel Thorn und seine Beweggründe versteht man jetzt um einiges besser, auch wenn einige Äußerungen bzw. ihre möglichen Folgen weiterhin offen gelassen werden.

An der Handlung gibt es also rein gar nichts auszusetzen, auch wenn das Erzähltempo zur Mitte des Buches mal weider recht flott ist und wie auch schon zuvor diverse Punkte zeichnerisch und erzähltechnisch nur kurz angerissen werden, bevor der Weg von Wismerhill dann wieder in die nächste Runde geht. Bei den Nebencharakteren ist dieses Erzähltempo hingegen sehr förderlich, denn so behalten diese Unbekannten – und hier spreche ich vor allem von Haazeel Thorn und seinem Baron von Monk – ihre mysteriöse Ausstrahlung, was dem Buch zusätzliche Spannung verleiht.

Und auch die Zeichnungen sind wieder erstklassig und sehr farbenfroh, wobei die Elemente Eis und Feuer im zweiten Band eine übergeordnete Rolle spielen und von Froideval und Ledroit sehr gut illustriert wurden. Vor allem die Zeichnungen zur Schlacht zwischen dem Heer des Schwarzen Mondes und den weißen Rittern bzw. der Kampf des Drachen gegen seinen Kontrahenten Wismerhill, für welchen sich das Duo eine ganze Doppelseite Platz gelassen hat, sind wirklich mit genialen Zeichnungen bedacht worden. Aber überhaupt sind es speziell die größeren Bildausschnitte, die in diesem Band Eindrücke hinterlassen, die man so schnell nicht vergisst; so zum Beispiel auch die Darstellung des Dämonen auf der ersten Seite oder Wismerhills Begegnung mit der alten Stätte des Windkultes und ähnliche Momente.

Es gibt also wirklich eine Menge zu entdecken, und die Detailverliebtheit, die man hier oft erst mit dem zweiten Blick einfängt, ist wirklich schon Grund genug, sich mit den „Chroniken des Schwarzen Mondes“ auseinander zu setzen. Dass die Geschichte selbst im zweiten Band ebenfalls genial ist, wurde ja bereits erwähnt – keine Frage, diese Reihe ist bereits zu diesem frühen Zeitpunkt der Erzählung eine echtes Meisterwerk der modernen Comic-Kunst!

Froideval, François Marcela / Ledroit, Olivier – Zeichen der Schatten, Das (Die Chroniken des schwarzen Mondes, Band 1)

In den „Chroniken des schwarzen Mondes“ wird die Geschichte des jungen Wismerhill erzählt, der auszieht, um die große Fantasy-Welt Lhynn zu erkunden, Abenteuer zu erleben und schließlich seine Ausbildung zum Krieger zu durchleben. Die beiden Comic-Schöpfer François Marcela Froideval (Entwurf) und Olivier Ledroit (Zeichnungen) haben hier eine bislang zehnteilige Serie erschaffen (ab Band 6 führt Cyril Pontet die Zeichnungen fort), in der es einerseits um politische Machenschaften und die Gier nach Macht geht, andererseits aber auch um Freundschaft, Bündnisse und den Kampf um die Gerechtigkeit – eigentlich ja ganz normale Themen im Bereich der Fantasy, hier jedoch besonders gut dargestellt und von den Machern perfekt und farbenfroh inszeniert und illustriert.

„Das Zeichen der Schatten“ ist der erste Band dieser Serie, und wie so oft bei solchen Mehrteilern, dient dieser Part in erster Linie dazu, die einzelnen Charaktere und den Ort der Handlung vorzustellen. Froideval und Ledroit gehen jedoch hier schon über die bloße Einleitung hinaus und erläutern die Rolle des Orakels, stellen die einzelnen Fähigkeiten der Protagonisten mehr als ausführlich vor, lassen aber andererseits schon einige Handlungspunkte sehr offen, die sich dann in den nächsten Bänden klären sollen. Mehr dazu gibt es nun in einer Zusammenfassung der _Story:_

Eines Tages lernt der junge Ritter Wismerhill bei einer harmlosen Kaninchenjagd den mysteriösen Kämpfer Pilou kennen, der mit zwei seltsamen Schwerten kämpft, die jeweils das Gute und das Böse verkörpern. Gemeinsam gehen die beiden auf Streif- und Raubzüge, überfallen wehrlose Menschen und schlagen sich solcherart monatelang so durchs Leben. Gleichzeitig unterrichtet Piliu seinen jungen Gefährten in den verschiedenen Kampfkünsten. Dann jedoch treffen die beiden auf den übermächtigen Ghor-Ghor Bey und gelangen an ihre Grenzen. Der riesige Heeresführer nimmt die beiden alsbald gefangen; als er jedoch feststellt, dass vor allem Pilou über besondere Kräfte verfügt, wirbt er die beiden für seine gemeine Bande an. Pilou willigt ein, aber auch nur unter der Voraussetzung, dass Wismerhill ebenfalls aufgenommen wird.

Von nun an folgen sie in ergebener Treue ihrem neuen Herrscher und setzen ihre Raubzüge nun in größerem Rahmen fort – sehr zum Missfallen des Kaisers und seiner Armee der weißen Ritter. Der sieht in Ghor-Ghor Bey und seinen Helfershelfern die größte Gefahr für sein Reich und stellt daher eine riesige Armee auf, die gegen den Verbrecher in den Krieg ziehen soll.

Derweil erkennt Wismerhill immerfort neue Fähigkeiten an sich; es gelingt ihm, die Stimme des Windes zu entschlüsseln, aber auch geheime Angriffstechniken zu erlernen, die ihm bislang verborgen waren. Mehr als einmal kann er seinen Anführer so vor einem Hinterhalt bewahren. Als es jedoch zur finalen Schlacht mit den weißen Rittern des Kaisers mit ihrem Anführer Frater Sinister kommt, scheint Wismerhill machtlos und verloren. Doch zu diesem Zeitpunkt wusste er auch noch nichts von seinem Schicksal und der Gunst des allmächtigen Orakels.

_Bewertung:_

Ohne Zweifel verbirgt sich hinter „Die Chronik des schwarzen Mondes“ eine Serie mit ungeheurem Potenzial, denn allein schon nach dem ersten Band haben sich die beiden Autoren und Zeichner eine ganze Reihe Optionen für die Fortsetzung der Handlung offen gelassen, und dadurch, dass die Geschichte von wirklich vielen Charakteren beherrscht wird, eröffnen sich in jeglicher Hinsicht haufenweise Möglichkeiten, um die Abenteuer in der Fantasy-Welt Lhynn weiterzuerzählen. Das eigentliche Ziel, mit dem ersten Band für weitere Episoden Interesse zu wecken bzw. auf Anhieb zu begeistern, wurde vom Duo Froideval/Ledroit jedenfalls ganz klar erreicht.

Trotzdem geht es in „Das Zeichen der Schatten“ manchmal zu zügig voran. Das Bündnis zwischen Pilou und Wismerhill wird meines Erachtens zum Beispiel viel zu kurz dargestellt, und gerade auf den ersten zwanzig Seiten wird der Leser des Öfteren vor vollendete Tatsachen gestellt. Hier hätte man den Fokus nicht nur auf die wirklich gelungenen Zeichnungen, sondern auch vermehrt auf den Ablauf der Handlung legen sollen. Gerade in diesem Beispiel wird nur kurz erzählt, dass die beiden plötzlich dicke Freunde sind und irgendwann der Armee von Ghor-Ghor Bey beitreten. Einzelne Details wie zum Beispiel die Eigenschaften der beiden Schwerter Pilous werden fast komplett verschwiegen. Aber vielleicht kommt da ja in zukünftigen Bändern noch mehr – wer weiß?

Ansonsten ist der erste Teil dieser Serie wirklich sehr gut gelungen; das beginnt bei den tollen Zeichnungen, die einerseits eine recht düstere Atmosphäre verbreiten, dennoch ziemlich bunt geworden sind und trotz der konträren Ausstrahlung wunderbar miteinander harmonieren. Weiter geht der positive Eindruck mit den guten und keinesfalls plumpen Texten, die einerseits mystisch angehaucht, andererseits aber dennoch leicht verständlich und logisch aufgebaut sind. Und als Letztes ist natürlich die Handlung als solche zu loben. Wie schon angedeutet, verbirgt sich hier eine Menge Potenzial, nicht zuletzt, weil die einzelnen Figuren und ihre Charaktereigenschaften trotz ausführlicher Darstellung immer noch ein Mysterium darstellen, das es im weiteren Vwerlauf dieser Bücher zu ergründen gilt.

Kurzum: Froideval und Ledroit haben als Team ganze Arbeit geleistet und eine intelligente, spannende und exzellent illustrierte Geschichte erschaffen, die mit „Das Zeichen der Schatten“ wirklich toll eingeleitet wird. Ich bin gespannt auf die Fortsetzungen!

_Verlagsinformationen zu den Autoren:_

|François Marcela Froideval| wird 1958 geboren und beginnt bereits mit 15 Jahren zu schreiben. Er studiert Literatur und Jura und gehört Ende der Siebzigerjahre zu den ersten Spielern von Fantasy-Rollenspielen in Europa. Beim Spielehersteller |Jeux Descartes| machte er in kurzer Zeit die Karriere vom Berater für Role Playing Games zum Einkäufer und schließlich Direktor. Zur gleichen Zeit arbeitet er bei der Zeitschrift »Jeux et Stratégie«, in der regelmäßig von ihm gestaltete Spielszenarien erscheinen, und gründet das Magazin »Casus belli« sowie die »Fédération des jeux de simulations stratégiques et tactiques« (Gesellschaft strategischer und taktischer Simulationsspiele). 1982 geht er für vier Jahre in die USA, wo er als Assistent von TSR (Dungeons and Dragons™) Regelwerke für das AD&D-System entwirft. Bis 1989 übernimmt er den Vertrieb und die Umsetzung der TSR-Produkte in Frankreich. 1989 beginnt er mit dem ersten Band der »Chroniken des schwarzen Mondes« eine neue Karriere als einer der erfolgreichsten Fantasy-Szenaristen Frankreichs. Fünf Bände zeichnet Ledroit, die Serie wird seit Band 6 von Pontet fortgeführt. Er veröffentlicht bei allen wichtigen Comicverlagen Frankreichs, z. B. »666« bei |Glénat|, die »Chroniken« und »Fatum« bei |Dargaud|, »Mens Magna« bei |Soleil| und die Nebenserien zu den »Chroniken«, »Methraton« und »Harkanes« bei |Albin Michel| (Deutsch bei |Carlsen|). Daneben schreibt er auch für Computerspiele Szenarien, so für |Infogrames| zum Kultspiel »Drakkhen« und für Cyro die »Dragonlore«-Serie sowie das Spiel zu den »Chroniken«, »Black Moon Chronicles – Winds of War«.

|Olivier Ledroit| wird 1969 in Meaux geboren. Nach zwei Jahren Studium an der Hochschule für angewandte Künste in Duperrez fertigt er Illustrationen für Kartenspiel-Magazine. Die Begegnung mit Froideval führt zur Zusammenarbeit an Froidevals erster Comicserie „Die Chroniken des schwarzen Mondes“, von denen Ledroit fünf Bände zeichnet.

(Autorenvitae © carlsencomics.de)

Abolin, Georges / Pont, Olivier – Jenseits der Zeit

Gute Freunde tun manchmal etwas merkwürdige Dinge: Mutproben, Doktorspielchen, den Nachbarn ärgern … Vielleicht haben auch Georges Abolin und Oliver Pont solche Sachen gemacht. Seit ihrer Kindheit in Südfrankreich hat sich einiges verändert, doch die gemeinsame Leidenschaft für Comics ist geblieben. Im vergangenen Jahr erschien im Verlag |Dargaud| die jüngste Produktion der beiden, der Comic-Roman „Jenseits der Zeit“, in Deutschland seit kurzem bei |Carlsen| erhältlich. Darin geht es – Wen wundert’s? – um Freundschaft.

William fühlt sich noch nicht so richtig wohl in seinem neuen Zuhause. Die Leute aus dem kleinen Dorf Barellito sind eigenartig und nicht besonders freundlich. Noch kennt er hier niemanden. Zwar ist das Wetter in Italien besser als in London, aber ihm fehlen seine alten Freunde. Das Anwesen, das seine Eltern geerbt haben, ist alt und baufällig, überall liegt Staub, und es riecht komisch. Allerdings ist die Aussicht gut und man kann jederzeit im Meer schwimmen gehen. Zu dem Haus gehört ein Landungssteg. Dort soll bald ein prächtiges Dampfschiff anlegen, mit dem sein Vater losfahren und viele Fische fangen will.

Zum Glück gibt es Lisa. Sie ist auch nicht von hier. Seit einigen Jahren lebt das schwarzhaarige Mädchen gemeinsam mit ihrem Vater nebenan, auf dem Nachbargrundstück. Sie ist ein wenig verrückt, aber freundlich und humorvoll. Zusammen erkunden William und Lisa die Steilküste, gehen schwimmen und beobachten heimlich die Dorfbewohner. Ein bisschen ist William in sie verliebt, das muss er zugegeben. Neben dem schüchternen Rotschopf gibt es in Lisas Leben noch zwei weitere Freunde, den pummeligen Nino und den halbstarken Paolo. Die Vier bilden bald eine feste Clique, albern herum und genießen den Sommer. Es scheint so, als hätte sie das Schicksal zusammengeführt.

So idyllisch das Leben an der Küste von Barellito auf den ersten Blick erscheint, so gefährlich sind auch seine Untiefen. Die alteingesessenen Fischer sehen die Pläne von Williams enthusiastischem Vater gar nicht gerne. Sie befürchten, dass er mit seinem Dampfschiff ihre Fischbestände plündert. Das Verhältnis zwischen den Fremden und den Dorfbewohnern ist gespannt. Lisas Vater warnt Williams Vater, doch der ist gut gelaunt und glaubt, alles werde sich mit der Zeit einrenken. Jedoch lassen Rüpeleien, ein Überfall auf einen Fischtransporter und ein Anschlag auf das neue Schiff das Leben von Williams Familie immer mehr zur Qual werden. Als Paolo entdeckt, dass seine Schwester ein heimliches Verhältnis mit Lisas Vater hat, spitzt sich die Situation zu. Die Fremden wissen, dass sie in Barellito nicht willkommen sind.

„Jenseits der Zeit“ gliedert sich in zwei große Abschnitte: Der erste Teil der Geschichte schildert das Kennenlernen der vier Freunde während ihrer Kindheit, der zweite Teil beschreibt ihr Wiedersehen als Erwachsene. In Frankreich erschien „Jenseits der Zeit“ in zwei separaten Bänden unter dem Titel „Où le regard ne porte pas“. Bei der deutschen Veröffentlichung wurden die beiden Teile des Comic-Romans, „Italien“ und „Costa Rica“, in einem Band zusammengefasst. |Carlsen| beschreitet mit dem hiesigen Produkt neue Wege, indem sich der Verlag von dem frankobelgischen Alben-Format verabschiedet. Das Album wird durch ein kleineres Format abgelöst, das an die Größe amerikanischer Hefte erinnert, allerdings nicht so hoch ist. Der Band liegt gut in der Hand. Schweres Papier, ein solider Einband, einhundert Prozent Farbe – da schlägt das Herz des Bücherfreunds höher.

Die Aufmachung wird den Zeichnungen von Olivier Pont und Jean-Jacques Chagnaud nur gerecht. Detailverliebte Bilder bei ruhiger Seitenaufteilung, ohne jedoch aufdringlich oder konform zu wirken, machen die eindrucksvolle Optik von „Jenseits der Zeit“ aus.

Die Geschichte erzählt von Freundschaft, von der Magie der Kindheit und von den Wundern eines Sommers. Erstaunlich ist, dass die Handlung nie ins Kitschige oder Klischeehafte abdriftet. Immer gibt es harte, schwere Untertöne. Trotz aller Leichtigkeit vergisst der Leser nicht die Sorgen, Probleme und Spannungen, die ungelöst im Raum stehen. Manchem mag die Geschichte von William, Lisa, Nino und Paolo ein wenig zu ruhig und verträumt sein. Wer auf der Suche nach einem Adrenalin-Schub ist, sollte von „Jenseits der Zeit“ besser die Finger lassen. Wer hingegen eine kleine, zauberhafte Erzählung sucht, die am Ende ein wenig ins Unwirkliche abhebt, ist gut beraten.

Yamada, Futaro / Segawa, Masaki – Basilisk – Chronik der Koga-Ninja (Band 1)

Japan in der Edo-Periode: Die rivalisierenden Clans der Koga und der Iga haben nach langen Jahren des Kampfes einen Nichtangrifsspakt geschlossen, sind sich aber dennoch nicht wirklich grün. Als eines Tages zwei ihrer Oberhäupter, O-Gen von Iga und Danjo von Koga, aufeinander treffen und im Streit auseinander gehen, heben sie diesen Pakt wieder auf und beschließen, dass die engültige Herrschaft über das Reich in einem Ninja-Kampf ausgefochten werden soll. Die jeweils zehn besten Ninjas jedes Klans sollen sich in einer finalen Schlacht um Leben und Tod gegenüberstehen, darunter auch die beiden Klanführer. Doch diese sind voller Hinterlist und Tücke und bekriegen sich bereits, bevor die eigentliche Kunde an die Klans verkündet wurde. Beide sterben im direkten Duell und das Dokument über die Aufhebung des Nichtangriffspakt gerät in die Hände der Iga. Mit diesem Vorteil will sich dieser Klan bereits vor dem Endkampf seiner Gegner entledigen, doch die Koga riechen bereits Lunte …

Koga-Oberhaupt Gennosuke und seine Geliebte, Oboro aus Iga, wissen von den Geschehnisen noch nichts und planen ihre Hochzeit und den damit verbundenen Friedensplan zwischen den beiden Klans. Als ihnen bewusst wird, dass sich merkwürdige Dinge abspielen, wird ihnen bewusst, dass ihre Liebe auf eine harte Probe gestellt wird …

„Basilisk – Chronik der Koga-Ninja“ basiert auf einer Story von Futaro Yamada, der 1922 in der Präfektur Hyogo geboren wurde und am 28. Juli 2001 verstarb. Yamada debütierte bereits während seines Studiums an der medizinischen Hochschule als Schriftsteller und schrieb vornehmlich Krimis und Horrorgeschichten wie zum Beispiel „Der Dämon im Auge“. Mit seinen verschiedenen Ninja-Chroniken löste er später einen richtigen Boom aus und wurde nicht zuletzt durch seine historischen Romane zum bekannten und populären Volksschriftsteller.

Masaki Segawa feierte sein Debüt 1997 mit „Senma Monogatari“ („Geschichten von den tausend Teufeln“). Anschließend kreierte er seine eigene Serie „Onikiri Jzo“ („Juzo, der Dämonentöter“) und hatte damit zwischen 1998 und 2000 großen Erfolg in seiner Heimat. „Basilisk“ ist nun seine zweite Langserie, jedoch die erste, die auf einer literarischen Vorlage basiert.

_Bewertung:_

Der Einstieg in „Basilisk“ ist gar nicht mal so einfach. In kürzester Zeit werden sehr viele Charaktere vorgestellt, und dabei ist es nicht leicht auseinander zu halten, welche Person nun zu welchem Klan gehört und wer nun wer ist. Erst in der Mitte dieses ersten Bandes ist man mit den Hauptpersonen vertraut und kann zwischen Gut und Böse unterscheiden. Bis dahin hat sich aber auch schon eine Menge getan; wichtige Menschen sind ums Leben gekommen, Intrigen wurden gesponnen und falsche Fährten ausgelegt.

„Basilisk“ ist dabei voller Überraschungen und Wendungen, und nicht alles, was auf den ersten Blick so scheint, ist im Endefekt auch tatsächlich so. Was hiermit gemeint ist, sollte man jedoch besser selber in Erfahrung bringen, ansonsten verrate ich schon zu viel.

Die Geschichte an sich ist sehr spannend dargestellt und vor allem verdammt gut illustriert. Verschiedene Handlungseinheiten verlaufen parallel und eröffnen der Geschichte fortlaufend neue Möglichkeiten, die jedoch erst einmal ungeklärt bleiben. Gut so, denn das hält den Leser die ganze Zeit über bei der Stange und lässt ihn sich nicht nur an den Action-Darstellungen laben …

Die düsteren Zeichnungen bringen die Bösartigkeit der Protagonisten dabei sehr gut zur Geltung, wobei die einzelnen Gesichtszüge eine echte Augenweide sind. Toll sind diesbezüglich besonders die finsteren Iga-Ninja, deren geheimnisvolle Aura ebenfalls sehr gut in Bilder gepackt wurde. Im Mittelpunkt stehen aber ganz klar die Kämpfe, denen dementsprechend auch vom Seitenumfang her ein großer Raum gewährt wird. Aber darum geht es ja schließlich auch bei „Basilisk“, um fesselnde Action, verpackt in eine abwechslungsreiche, zu jeder Seite offene Story. Segawa ist es sehr gut gelungen, die Romanvorlage von Futaro Yamada zu illustrieren, wobei seine Detailverliebtheit sich sowohl bei den Darstellungen der Figuren als auch bei den zunächst schlicht wirkenden Hintergrundzeichnungen zeigt. Der erste Band „Basilisk – Chronik der Koga-Ninja“ ist daher auch zweifelsohne eine echte Empfehlung für Anhänger knallharter Action in Manga-Form. Über die Nachfolgebücher werden wir hier ebenfalls in Bälde berichten. Bis dahin gilt es aber erst einmal, diese Graphic Novel hier zu verdauen!

Delano, Jamie / Ridgway, John / Alcala, Alfredo – Erbsünde (John Constantine – Hellblazer: Original Sins)

„Der Kampf zwischen Himmel und Hölle wird auf der Erde entschieden.“ Mit diesem Slogan möchte Warner Bros. das Publikum in den Horror-Streifen „Constantine“ locken beziehungsweise zum Griff zur DVD-Fassung bewegen. Gar nicht übel. Kampf, Himmel, Hölle – das sind Schlagwörter, die das Adrenalin ankurbeln. Als Grundlage für den Film diente die okkulte Comic-Serie „Hellblazer“. Die Filmfigur hat mit dem zwielichtigen Comic-Helden John Constantine nur wenig gemeinsam.

John Constantine ist Brite und trägt einen schmutzigen Trenchcoat. Er ist Kettenraucher, ein notorischer Einzelgänger und ein Spieler. Arroganz und Sarkasmus zeichnen ihn aus. Unzählige Male spazierte er auf den Pfaden zwischen Himmel und Hölle, tanzte am Rande des Vulkans. Seine Gegenspieler sind manchmal Dämonen, manchmal Erzengel. Öfter hat er es jedoch mit Seinesgleichen zu tun, mit Menschen.

Die Welt von Hellblazer ist wie ein Blick hinter die Kulissen der Wirklichkeit. Seit er in seiner Jugend begann, sich mit Magie zu beschäftigen, wandelt die Hauptfigur John Constantine auf Wegen fernab der normalen Welt. Lust am Risiko und der Wunsch nach Macht haben ihn dazu getrieben, in jungen Jahren die dunkle Kunst der Magie zu erlernen. Inzwischen ist er ein reumütiger Sünder, ein Magier, der am eigenen Leib erfahren hat, was überirdische Macht anrichten kann. Auf seinem Weg ist er einsam geworden. Regelmäßig tauchen die Geister von toten Freunden auf und verfluchen ihn. John versucht sich einzureden, nichts mit ihrem Unglück zu tun zu haben und streitet jede Schuld ab. Inzwischen ist sein einziger zuverlässiger Wegbegleiter ein schlechtes Gewissen.

In Deutschland erscheinen John Constantines Abenteuer im Verlag |Schreiber & Leser|. In der Gesamtausgabe „Erbsünde“ sind die ersten neun Hefte der Hellblazer-Reihe zusammengefasst. Obwohl es sich um eine Reihe von Einzelgeschichten handelt, lassen sich die Episoden einander zuordnen und in Zusammenhang bringen.

Die ersten beiden Hefte drehen sich um Freundschaft, Gier und falsche Entscheidungen. Gary Lester, ein alter Freund von Constantine, taucht plötzlich in der Londoner Wohnung des Magiers auf. Als John ihn findet, ist Gary über und über mit Insekten bedeckt. Ein summender Albtraum, dem der Magier pragmatisch entgegen tritt. Er läuft ins nächste Geschäft und kauft sechs Dosen Insektenspray. Nachdem die zuckenden Tierchen zu Tausenden den Boden von Johns Badezimmer bedecken, will er wissen, was los ist.

Gary ist verzweifelt und braucht dringend Hilfe. Er hat sich mit finsteren Mächten eingelassen. Wie es scheint, zog er bei einem Aufenthalt in Tanger die Aufmerksamkeit des Hungerdämons Mnemoth auf sich. Johns Nachforschungen führen ihn zunächst nach Afrika, dem Ursprung allen Übels, dann nach Amerika. In New York angekommen, erschöpft vom Jetlag und mit Gary im Schlepptau, bittet er den berühmten Voodoo-Meister Papa Midnite um Rat und Hilfe.

Schnell zeigt sich, dass Mnemoth bereits angefangen hat, seine Fühler auszustrecken. Von Lester beschworen, feiert der Dämon in der Metropole seine Ankunft. Einzelpersonen kommen in die Schlagzeilen, weil sie unersättlichen Hunger verspüren und daran zugrunde gehen. Ein Postbeamter stopft wie ein Besessener Essen in sich hinein, ein Juwelier frisst Edelsteine, ein Passant durchbricht das Schaufenster einer Fleischerei. Um das drohende Unheil aufzuhalten, hecken Midnite und Constantine einen teuflischen Plan aus, für den Gary Lester den Preis zu zahlen hat. (1: Hunger, 2: Festessen mit Freunden)

Heft 3 schildert, wie der Dämon Blathoxi versucht, mit einer Armee von dämonischen Juppies Seelen für die Hölle zu gewinnen. Die Geschichte spielt zur Zeit Thatchers und ist eine Parodie auf junge Finanzleute, die rücksichtslos das schnelle Geld machen wollen. (3: Going for it)

Im Mittelpunkt der Hefte 4 bis 9 steht die Auseinandersetzung zwischen der Damnation Army und den Erweckungskreuzrittern. Erstgenannte Gruppe wird von dem Dämonen Nergal angeführt und lebt unter der Erde in der Kanalisation. Letztgenannte ist eine Sekte von christlichen Fanatikern, die im Fernsehen Bibeln verkaufen und Seelenheil versprechen. Nur langsam wird Constantine auf den Zwist zwischen den Gruppen des Himmels und der Hölle aufmerksam. Spätestens, als seine Nichte Gemma entführt wird und er miterleben muss, wie ein kleines Dorf von Geistersoldaten heimgesucht wird, kann er sich der Sache nicht mehr entziehen. (4: Warte auf den Richtigen, 5: Wenn Johnny in die Heimat marschiert, 6: Extreme Vorurteile, 7: Der Geist in der Maschine, 8: Intensivbehandlung, 9: Auf dem Weg zur Hölle)

John Ridgway und Alfredo Alcala zeichnen die Welt von John Constantine recht grob, hauptsächlich mit dunklen Farben. Die Darstellungen entsprechen oft einer halbnahen oder einer nahen Einstellung, was nur wenig Abwechslung bringt. Ein paar mehr Details und Totalen hätten sicherlich nicht geschadet. Vielfältiger kommt die Seitenaufteilung daher. Keine geordneten Panels, sondern zerrissene, gestückelte oder zerbrochene Bilderfolgen durchziehen das Heft.

Die Geschichten von Jamie Delano sind von recht unterschiedlicher Qualität. Die Teile über den Hungerdämon Mnemoth, Papa Midnite, Gemmas Entführung und die Geistersoldaten gehören sicherlich zum Lesenswertesten, was die Hellblazer-Reihe zu bieten hat. Fesseln diese Episoden den Leser von Anfang bis Ende, so sind andere Passagen leider scheußlich langatmig geraten. Man spürt, dass die Macher noch auf der Suche nach dem Stil und der Sprache der neu entstandenen Reihe waren. Ausflüge in Computerwelten und Verweise auf Superhelden wirken aus heutiger Sicht in der Hellblazer-Reihe merkwürdig und beinahe lächerlich. Trotz holpernder Spannung und gelegentlicher Fehltritte war „Erbsünde“ ein solider Start. Inzwischen ist John Constantine angekommen bei den Autoren, den Zeichnern und den Lesern. Der Verlag |DC Vertigo| hat mit „Hellblazer“ eine Horror-Reihe erster Güte geschaffen, die zum Glück bis heute weitergeführt wird.

Trondheim, Lewis – Wie das Leben so spielt (Herrn Hases haarsträubende Abenteuer, Band 10)

Comics aus Fernost sind angesagt. Asterix und Konsorten hingegen gelten als schnarchlangweilig. Das muss verwundern, ganz besonders, wenn Lewis Trondheim zu Stift und Papier greift. Seit Jahren bringt der Zeichner aus Montpellier mit solch witzig-poetischen Figuren wie Herrn Hase, Kaput & Zösky oder Der Fliege Leben in die frankobelgische Comicbude. Im Juni zog Trondheims Herr Hase zum zehnten Mal auf Abenteuer aus.

Lewis Trondheim liebt die Abwechslung. Jedes Mal ein anderer Schauplatz, eine andere Epoche, ein anderes Genre – die Grenzen seiner Serie „Herrn Hases haarsträubende Abenteuer“ sind klar und weit gesteckt. Dabei bleiben die Figuren immer gleich. Die Hauptfigur Herr Hase kommt mit den Wechseln gut zurecht und macht gelassen alles mit. So war der schüchterne Hoppler schon im Wilden Westen, im viktorianischen England und im Skiurlaub unterwegs. Blaue Bohnen, fiese Monster und Schneeballschlachten gibt es dieses Mal allerdings nicht.

Stattdessen veranstalten Herr Hase und seine Freundin Nadia in ihrem Appartement eine Party. Eingeladen sind diverse Pärchen und Singles, für Wein und Salat ist gesorgt, der Spaß kann beginnen. Unter den Gästen ist auch Marion, eine einsame und mollige Endzwanzigerin, die ein Auge auf den introvertierten Serge geworfen hat. Doch leider bahnt sich zwischen den beiden Singles so leicht keine nähere Bekanntschaft an. Serge ist zugeknöpft bis obenhin, Marion hat wegen ihres dicken Hinterns Angst, vom Stuhl aufzustehen. Nicht gerade eine glückliche Ausgangssituation.

Schon als sie auf die Party kam, war Marion nervös. Nicht wegen Serge, sondern wegen ihres slavonischen Tarot-Spiels. Das mollige Mauerblümchen schwört auf esoterischen Hokuspokus und hat in den Karten gelesen, dass einer der Partygäste in naher Zukunft sterben wird. Zum Glück ist Richard da, ein Freund von Herrn Hase und ein notorischer Spaßmacher. Mit ein paar frechen Sprüchen versucht er, die Stimmung wieder zu heben. Die ist allerdings im Eimer, als sich herausstellt, dass etliche Damen in der Runde die Party als günstige Gelegenheit wahrnehmen, sich von ihren jeweiligen Partnern zu trennen. Viktoria gibt dem kindischen Patrick den Laufpass, Céline dem Frauenheld Thierry, Alice dem ängstlichen Vincent. Die Herren sind von der »Sitzenlass«-Party völlig überrumpelt. Besorgt blickt Herr Hase zu Nadia. Ob sie auch mit ihm Schluss macht?

Trondheims Stil kommt leicht und lebendig daher. Von seinen sanften Zeichnungen geht ein kindlicher Charme aus, der das Naturell seiner Figuren und Geschichten wiedergibt. Die Linien sind klar, die Farben kräftig. Jede Seite gliedert sich ordentlich in vier Zeilen mit ein bis vier Panels, ganz so, wie man es von frankobelgischen Alben gewöhnt ist.

Das neue Abenteuer von Herrn Hase bildet einen erfrischenden Gegenpol zu vielen actiongeladenen und sinnleeren Comic-Neuerscheinungen. Der Band besticht durch eine Mischung aus Unterhaltung, Spaß und Tiefsinn. Eine Geschichte über verärgerte Untermieter, düstere Prophezeiungen und das Glück der Liebe. Glaubt sich der Leser zunächst in einer Soap-Opera mit gelegentlichen philosophischen Entgleisungen, so steht er letzten Endes einer einfachen Frage gegenüber: Was ist im Leben eigentlich wichtig?

von Kummant, Thomas / von Eckartsberg, Benjamin / Hohlbein, Wolfgang – Chronik der Unsterblichen, Die (Band 1 – Am Abgrund)

Lange haben sich Hohlbein-Anhänger gedulden müssen, doch Ende letzten Jahres ist sie endlich gestartet: die Comic-Reihe zum Bestseller-Zyklus „Die Chronik der Unsterblichen“, veredelt vom |Ehapa|-Verlag und erschaffen vom Duo Nejmain von Eckertsberg und Thomas von Kummant, die beide schon einschlägige Erfahrungen bezüglich Graphic Novels mit historischem Inhalt vorweisen können. Von Eckertsberg arbeitete dabei auch schon mit seinem Kollegen für „Goethe 2 – Zum Schauen bestellt“ im Auftrag des Goethe-Instituts zusammen, in dem er von Kummants Zeichnungen mit Farben anreicherte. Außerdem steuert er den monatlichen Comic zum Fashion-Magazin „Maxim“ bei. Erste Erfahrungen mit den Werken von Wolfgang Hohlbein sammelte Benjamin von Eckertsberg anschließend, indem er ebenfalls mit von Kummant die Cover zur Sammler-Edition von Hohlbeins Werk „Der Hexer“ illustrierte. Man sieht, hier arbeitet ein eingespieltes Team zusammen, kein Wunder also, dass der erste Teil des Comics der Original-Buchreihe dem qualitativ in nichts nachsteht.

_Story:_

Andrej Delany kehrt nach Jahren in sein Heimatdorf zurück, aus dem er schon in frühester Kindheit aufgrund eines Streiches verbannt wurde, infolgedessen man ihn der Hexerei und schwarzen Magie bezichtigte. Als Ausgestoßener zog es ihn in die transilvanische Bergwelt, wo er von seinem Stiefvater in der Kampfkunst unterrichtet wurde und den Umgang mit dem Schwert erlernte. Als jedoch seine Familie ums Leben kommt, entdeckt Andrej seine Bestimmung und reist zurück in den Ort, in dem er schon lange kein willkommener Gast mehr ist.

Bei seiner Rückkehr geht es Delany vor allem darum, seinen Sohn wiederzusehen. Doch der kleine Ort ist nicht mehr das, was er einst war. Andrej stößt auf Spuren der Verwüstung, auf brutal verstümmelte Leichen und Überbleibsel eines brutalen Gemetzels. Seinen Sohn entdeckt er aufgespießt wieder, jedoch scheint er als einziger Mensch überlebt zu haben. Um ihn von seinen Qualen zu befreien, tötet Andrej ihn schließlich, wird im Anschluss aber von noch größerer Pein geplagt.

Dann entdeckt er Frederic, ebenfalls ein Nachkomme der Delany-Familie, der Andrej von den Vorkommnissen in seiner Heimat berichtet und trotz seiner Jugend Rache schwört. Zunächst will sich der zurückgekehrte Krieger nicht auf die Gelüste seines jungen Kumpanen einlassen; als sie jedoch zum ersten Mal selber in einem brutalen Kampf mit dem Tod konfrontiert werden, die Schlacht allerdings überleben, ziehen sie gemeinsam mit einem weiteren Kumpanen auf einen Rachefeldzug gegen den Kirchenfürsten Domenicus und stoßen dabei auf einige grausame Geheimnisse …

_Bewertung:_

Die Geschichte ist wirklich sehr spannend und in den Zeichnungen sehr packend illustriert worden. Die Brutalität der Story wird dabei in keiner einzigen Zeichnung ausgelassen, wobei speziell die Bilder von den Opfern und der puren Zerstörung mehr aussagen als viele Worte. Hier gilt den beiden Zeichnern ein gehöriges Lob. Ebenfalls gut gefällt, dass man einen recht eigenen Stil entwickelt hat, der zwar auf den ersten Blick etwas schwammig wirkt, im Detail aber umso besser gefällt, weil man sich hier weder an den überspitzt dargestellten asiatischen noch an den farbenfrohen amerikanischen Vorlagen orientiert hat. Stattdessen haben von Kummant und von Eckertsberg einen sehr düsteren Comic erschaffen, der wunderbar die Atmosphäre der Handlung einzufangen imstande ist.

Prinzipiell ist die Comic-Ausgabe von „Am Abgrund“ – so der Name des ersten Bandes – recht simpel dargestellt; die beiden Zeichner haben nicht übertrieben in ihren Illustrationen, sondern sich vermehrt darauf konzentriert, die Stimmungen der Haupdarsteller und der Geschichte an sich in ihren stets dunklen Zeichnungen einzufangen. Natürlich kommt ihnen der eigentliche Handlungsstrang bei dieser Vorgehensweise zugute, dennoch kann man dem Duo dazu gratulieren, das Ganze genau passend umgesetzt zu haben.

Schade ist lediglich, dass die eigentliche Story hier nur in der Kurzform beschrieben wird; Details, wie sie Hohlbeins Vorlage liefert, werden also immer wieder bewusst ausgespart. Sicher, man kann nicht die ganze Geschichte illustrieren, das wäre zu viel des Guten, aber ein wenig ausführlicher und mit weniger Zeitsprüngen (gerade zur Mitte des Comics) wäre das Unterfangen letztendlich noch besser geglückt. Aber wer weiß, vielleicht gelingt es den beiden Zeichnern ja schon beim nächsten Mal, etwas mehr in die Tiefe zu gehen.

Andererseits muss man sich vor Augen halten, dass es hier vermehrt um die Zeichnungen und erst dann um die Wiedergabe der Geschichte geht. Man kann der Linie folgen, erfreut sich aber viel mehr an den tollen Bilder. Deshalb bleibe ich auch dabei und empfehle diesen Band sowohl an Comic- als auch an Fantasy-Begeisterte. Den Wunsch, beim nächsten Mal ein etwas dickeres Buch vorgelegt zu bekommen, kann ich indes trotzdem nicht unterdrücken …

Kurz noch ein paar Worte zur Aufmachung: „Am Abgrund“ kommt in einer wirklich schicken Hardcover-Edition und schindet schon deshalb Eindruck. Einige Worte zu den Zeichnern, ein herrliches Cover und das glänzende Papier ergänzen den Rahmen dabei nahezu perfekt und liefern einen weiteren Grund, sich auch mal mit der Comic-Auflage von „Die Chronik der Unsterblichen“ auseinanderzusetzen.

|Siehe dazu auch unsere Rezension des ersten Bandes in der [Hörbuchfassung. 891 |

Miller, Frank / Mazzuchelli, David / Lewis, Richmond – Batman – Das erste Jahr

„Batman – Das Erste Jahr“ behandelt, wie der Titel schon sagt, das erste Jahr, in dem der psychopathische Superheld in Gotham City in Erscheinung tritt.

_Die Story_ dürfte den meisten bekannt sein: Der Millionenerbe Bruce Wayne verlor mit sechs Jahren beide Eltern, die von einem Straßenräuber erschossen wurden. Von nun an hat sein Leben für ihn jeglichen Sinn verloren, bis er sich eines Tages entschließt, den von Verbrechen und Korruption geschüttelten Großstadtmoloch Gotham City zu „säubern“.

Frank Miller schreibt jedoch weder ein glorioses Heldenepos, noch das tragische Psychogramm eines Opfers, das zum Täter wird. In erster Linie schreibt er eine ganz normale schwarze Kriminovelle, die ziemlich hard-boiled daherkommt, sich jedoch durch sehr gelungene Charakterentwicklungen auszeichnet und so wohltuend vom Einerlei der bunten Heftchen abhebt.

Bezeichnenderweise beginnt die Geschichte mit keiner heißen Actionszene und auch nicht mit einer plumpen Vorausdeutung auf den späteren Batman, sondern (wie ein Film) mit einer realistischen, grauen und recht ernüchternden Szene, in der ein gewisser James Gordon aus Chicago am tristen Bahnhof von Gotham City ankommt, wo er demnächst seinen Dienst als Lieutenant der Polizei verrichten wird.

Miller und sein Zeichner Davie Mazzuchelli erschaffen auf hervorragende Weise von Anfang an eine eigentümliche Atmosphäre der Stadt, die den Leser im weiteren Verlauf der Geschichte immer stärker in den Bann zu schlagen vermag. Das Bild einer Stadt voller Entfremdung setzt sich im Kopf des Lesers in dem Maße zusammen, in dem die Illusionen und die noch recht neutrale Erwartungshaltung Gordons mehr und mehr den Frustrationen des harten Alltags weichen müssen.

Die später eingeführte, stark einseitige Perspektive des Bruce Wayne ist es aber, die den Wahnsinn dieser Stadt noch stärker aufzeigt und ein endgültig düsteres Bild der Metropole zeichnet; es ist jedoch eine Perspektive, die schon so gebrochen erscheint, dass man als Leser allmählich zu zweifeln beginnt, ob man hier die ganze Wahrheit gezeigt bekommt.

Dieser Wayne ist nämlich keineswegs ein überlegener Moralist mit harten Methoden, sondern ein arroganter Schnösel, den die Schuldgefühle gegenüber seinen Eltern keineswegs davor bewahren, die Ausgestoßenen der Gesellschaft pauschal als Abschaum zu betrachten. Erst als er sich hinab begibt in ihre (Halb-)Welt, dämmert es ihm unbewusst, dass es sich um Menschen handeln könnte, die genauso ihre Motive haben wie jeder andere auch. Das führt noch längst zu keiner Wandlung; wäre das der Fall, würde Batman auch recht schnell unglaubwürdig. So aber erleben wir ihn beim Training, beim Räsonieren, beim Planen, beim Repräsentieren und natürlich dann doch beim Kämpfen als einen innerlich zerrissenen Menschen, der sich äußerlich (auch vor sich selbst) aber immer zu rechtfertigen weiß.

Gordon ist ebenso ein Mensch mit Fehlern und dunkler Vergangenheit. Er eignet sich recht schnell die illegalen Methoden seiner Kollegen an, wird hart und abgebrüht, versucht den Job nicht an sich ranzulassen und seine schwangere Frau aus allem rauszuhalten. Und beginnt eine Affäre mit einer Kollegin. Er stellt nach und nach fest, dass sich sowohl Kollegen und Vorgesetzte als auch der Bürgermeister selbst tüchtig schmieren lassen, und es kotzt ihn an. Schon bald ist er recht unbeliebt und beginnt notgedrungen, Verbündete gegen die internen Intrigen im Polizeiapparat zu suchen. Er stellt fest, dass die Korruption zum Himmel stinkt, die meisten Verdächtigen jedoch Protektion von oberster Stelle genießen.

Als Batman seine nächtlichen Streifzüge und aufsehenerregenden Selbstjustizaktionen beginnt, ist es Gordon, der ihn bekämpfen soll. Anfangs nimmt er diesen Job an wie jeden anderen. Doch nach und nach beginnt er an den Methoden der Polizei zu zweifeln, zumal einige Leute den Fledermausmann offenbar unbedingt tot sehen wollen, obwohl dieser bisher stets darauf achtete, niemanden zu töten …

Ein interessanter Nebenstrang ist der einer Prostituierten, die eines Tages beschließt, ihr Leben zu ändern. Noch im selben Jahr tritt nach dem Mann im unheimlichen Fledermauskostüm eine zweite kostümierte Gestalt in Gotham Citys Polizeiberichten in Erscheinung: Eine Fassadenkletterin, die sich ihre Opfer stets unter den reichsten Verbrechern der Stadt auswählt.

Derweil muss Batman sich Gedanken um seine Sicherheit gegenüber dem immer rücksichtsloseren Polizeiapparart machen, und nach einem ersten „Presse-Erfolg“ auch um sein Image, als er mit der katzenhaften Fassadenkletterin in Verbindung gebracht wird. Auch Gordon, der bisher als erfolgreicher Einsatzleiter unter dem Schutz der öffentlichen Meinung stand, wird die Luft dünn. Nachdem er bereits von oben eine „inoffizielle Abmahnung“ wegen „unkollegialen Verhaltens“ bekam, wird nun seine Frau bedroht …

_Die Zeichnungen_ von Mazzucchelli sind recht schlicht gehalten, aber dennoch wirkungsvoll. Die teils nur schemenhaften, teils stark eingetuschten Bilder bringen die desolate Nachtstimmung ausgesprochen realistisch rüber. So richtig beeindruckend wirken sie aber erst durch die perfekt auf diesen Zeichenstil abgestimmte Farbgebung (Richmond Lewis), bei der im jeweiligen Panel meist ein bestimmter Ton in diversen Schattierungen dominiert und so nahezu jedes Bild mit einer zu eben diesem passenden, flächigen Eintrübung zusammenhält und atmosphärisch verdichtet.

Den Actionszenen kommt besonders ihre drastische Schemenhaftigkeit zugute, die diese Momentaufnahmen blitzschneller Entscheidungen und Reaktionen von der Alltagsrealität deutlich abhebt. Die Gewalt bricht stets als dunkle Bedrohung in das Geschehen ein.

Hier erweist sich David Mazucchelli als Meister der dramaturgischen Licht- und Schattengebung. Bemerkenswert sind auch die Zwischentitel, deren grundlegende Schwarzweiß-Technik aufgebrochen wird, indem Detailausschnitte auf beeindruckende Weise durch Einfärbungen in den Focus genommen werden, fast so, als blicke man durch ein Zielfernrohr.

Frank Millers Verdienst aber ist es, die Handlungsstränge auf spannende Weise miteinander zu verweben und so nicht nur ein psychologisch nachvollziehbares Handlungsgerüst, sondern auch eine komplexe Darstellung seiner Kulisse zu liefern.

Wie es scheint, ist es nämlich erst diese dämonische Stadt, die die Personen zu dem gemacht hat, was sie sind. Für mich ist Gotham City der wahre (Dark) Star dieser Erzählung.

Oidium, Jan – Fire & Steel II

Jan Oidium ist freier Werbezeichner, den es nach einem abgebrochenen Studium in Graphikdesign im Jahr 2000 nach Berlin verschlagen hat, wo er heute eine eigene Verlagsgesellschaft betreibt und nebenbei seinem Hobby Musik nachgeht; seine erste CD „Solist“ mit experimentellen Klavierstücken wurde vor Kurzem veröffentlicht. Zum Wacken Open Air 2003 erschien Ausgabe Zwei seines Comic „The Heavy Metal World Of Fire & Steel“ und wurde vorerst nur auf dem Festival vertrieben.

Oidium selbst störte an „Fire & Steel 1“, dass man seiner Meinung nach nicht richtig erkennen konnte, wohin die ganze Sache ging. Bei „Fire & Steel 2“ ist dies jedoch eindeutig zu erkennen. War das Vorgängerheft noch der Anfang einer Idee, so hat sich diese im zweiten Teil zu einer kompletten Geschichte entwickelt, die sich über fast das gesamte Heft erstreckt.

Der Wahnsinn beginnt mit einer Art Zeitungsnachricht, verfasst von Georg Weihrauch, die über einen heimtückischen Angriff auf das Leben des Zeichners durch die bösartigen Maulwurfsmenschen berichtet, dem er nur mit knapper Not und durch den beherzten Einsatz seines Schwertes entrinnt. Die zweite Seite gehört wieder einem Auszug aus dem „Buch der Macht“ und die folgende Doppelseite bietet eine Karte vom „Land der Welt“, bevor es nach einer Darstellung der Figuren mit der Geschichte losgeht.

Der mächtige Oitiontiser und sein Gehilfe Thunderforce erhalten eines Tages unliebsamen Besuch von einem Beamten des Einwohnermeldeamtes. Da der Oitiontiser nach eigenem Bekunden seit Anbeginn der Zeit in dem „Land der Welt“ lebt, sich jedoch niemals die Mühe einer Anmeldung machte oder Steuern abführte, schuldet er dem Fiskus nunmehr die auch für ihn nicht ganz unbeträchtliche Summe von 400 Millionen Tonnen Gold. Aufgrund einiger verschwenderischer Anschaffungen, wie zum Beispiel die 34 Kilometer lange, aus Edelmetall gegossene Schlittschuhbahn, auf der er mit seinen diamantenen Kufen durch die Kathedrale gleitet, ist seine Kasse jedoch bedenklich leer. Um den irrwitzigen Forderungen nachzukommen, beschließen die beiden, ein gewaltiges Konzert der Band PLANET KING zu veranstalten, um mit den Einnahmen der Besucher; immerhin wird nicht weniger als die gesamte Bevölkerung erwartet; die Schuld zu begleichen.

Dummerweise plant auch sein Widersacher, Dark Even McBaron, unterstützt von seinem Schergen Neroon, ein mächtiges Konzert seiner Black-Metal-Band ETERNAL WINTERFROST. Für die Konzerte ist natürlich nur ein Ort ‚true‘ genug, nämlich Wacken. Dort allerdings ist man gerade noch dabei, die Spuren des Open Air vom letzten Jahr zu beseitigen. Nur durch die Hilfe der „truen Tiere“ Drachenwurm und Iron Igel kann der Veranstaltungsort rechtzeitig für das Konzert vorbereitet werden und die beiden rivalisierenden Bands versuchen sich in einem irrwitzigen Showdown von den gegenüber liegenden Bühnen aus zu übertönen. Erst durch die Kopplung der Systeme von PLANET KING, MANOWAR und SPINAL TAP (deren Verstärker bekanntermaßen eine Skala bis 11 haben) kann der dunkle Feind endgültig vernichtet werden. Leider auf Kosten des gesamten Planeten, der durch die mächtige Soundgewalt in zwei Stücke gerissen wird.

„Fire & Steel 2“ hat von allem mehr als sein Vorgänger. Mehr Story, mehr Farben, mehr Figuren und vor allen Dingen mehr Blödsinn. Daran sind sicherlich die Gehilfen Thunderforce und Neroon nicht ganz unschuldig, im richtigen Leben Freunde Oidiums mit echtem Namen, nunja, eben Thunderforce und Neroon – um bei ihren Nicknames in einem Heavy-Metal-Forum zu bleiben – die Oidium durch Inspiration und Unsinn unterstützt haben.

Im Heft stellen die beiden Adjutanten jeweils eine Art von Intelligenz und Vernunft ihrer durchgeknallten Herrscher dar und verfügen über magische Kräfte: Neroon kann durch „roonen“ die Gedanken anderer manipulieren und Thunderforce kann alles und jeden mit Hilfe von „Force-Strahlen“ in Stücke „forcen“. Gerade Letzteres hat im Vorfeld der Veröffentlichung wieder einmal zu einer Internet-Anekdote geführt, nachdem Odium allen Ernstes das Wort „forcen“ samt plastischer Beschreibung zur Aufnahme in das Wörterbuch eines semi-professionellen Forums von Übersetzern beantragt hat und dann laut- und wortstark von einem guten Dutzend Metallern unterstützt wurde, die wie marodierende Heuschrecken über die bierernste Gruppe von Germanisten und Anglistikern hergefallen sind. Zu deren Ehrenrettung soll gesagt sein, dass es sich bei dem Forum um eine wirklich sinnvolle Einrichtung handelt und es durchaus nicht nur aus Vertretern der Anti-Spaß-Fraktion besteht, zumindest war für ein paar Tage dort aber mehr ‚Bewegung‘ als sonst das ganze Jahr über und hat ihnen sicherlich den längsten Thread ihrer Existenz verschafft.

„Fire & Steel 2“ hat noch mehr Detailfülle an wirklich vollkommen Unsinnigem, als das nach dem ersten Heft als vorstellbar erschienen wäre. Das fängt schon mit dem getürkten Zeitungsartikel über den Angriff der Maulswurfsmenschen samt Bildkollage an und geht über die kleingedruckten rechtlichen Hinweise weiter (in denen Oidium „auf ewig über alle Rechte herrscht“), bevor der Autor mit dem „Buch der Macht“ dann beweist, dass dem Schwachsinn in seinem Paralleluniversum wirklich keine Grenzen gesetzt sind. Dort huldigen die Bewohner des Planeten dem Oitiontiser kniend 27 Jahre lang, nachdem sie ihn zur Feier seines Sieges über die acht Plagen viermal um den ganzen Planeten getragen haben; Thunderforce forct ganze Schweineherden in Stücke, die von seinem Herrn in die Luft geschleudert werden, damit sie den acht Milliarden Gläubigen wie gebratene Tauben in den Mund fallen; Tausende von Schreibern sterben, weil sie es nicht wagen zu atmen und die Luft mit ihrem unreinen Atem zu verpesten, während der Oitiontiser über sein Diktat nachdenkt.

Die Karte zum „Land der Welt“ zeigt dann den geographischen Zusammenhang von Orten wie dem „Tower of Truth“, dem „Black Iceberg of Doom“, der „Kathedrale zu Oi“ oder dem „Berg der Macht“, die im folgenden Comic von Bedeutung sind und liefert auch gleich die offiziellen Umrechnungskurse der Zentralbank des Planet King zwischen Euro und der einheimischen Währung, bestehend aus Humpen, Krempen, Fobbel und Asser, teilweise unterteilt in Nominationen von Halb-, Unter- und Quatter (z.B. 1 Quatterfobbel = 25 Euro-Cent).

Während Oitiontiser und Thunderforce in satten Blau-, Braun- und Grautönen dargestellt werden, sind die dunklen Gestalten Dark Even McBaron und Neroon konsequent mit weißen Strichen auf schwarzem Hintergrund gezeichnet, und stolpern dann in ihrer selbstgewählten Dunkelheit auch gleich über ihre eigenen Merchandisingartikel und stechen sich an ihren Nieten, bevor Neroon dann ein Licht anbringen darf, natürlich ein besonders dunkles. Ein herrlich ironischer Seitenhieb ist die Antwort auf die Frage nach der Gestaltung eines Logos für die Black-Metal-Band: „Ach, mach es wie bei allen Black-Metal-Logos. Nimm einen Haufen Nacktschnecken, tunk sie in weiße Farbe und lass sie über einen schwarzen Untergrund kriechen. An strategisch günstigen Stellen haust du sie dann platt.“

Für mehr als nur einen Lacher sorgen auch wieder die ‚truen Tiere‘, die dem Konzertveranstalter H. (als Gaststar : Wacken-Organisator Holger Hübner) beim Aufräumen in Wacken helfen. Der Drachenwurm zieht es nämlich vor, sich mit den Resten der Bar zu besaufen und wird von H. versehentlich in einen Cocktail aus vierzigprozentigem Whisky und achtzigprozentigem Strohrum gemischt („macht 120 Prozent Alk-Anteil“) und verschluckt. In seiner Panik kachelt er dann mit seinem Motorroller und samt Drachenwurm in die noch im Weg stehenden Bühnenaufbauten und zerlegt diese in ihre Bestandteile, der Wurm hat seinen Job erledigt („Nur gut, dass ich keine Knochen habe, die ich mir brechen kann. All Hail To The Weichtiere“).

Und so reiht Oidium einen Schwachsinn an den nächsten, nicht zu vergessen das zweiseitige Special in der Heftmitte, bei dem die beiden truen Tiere Verstärkung von dem gehörnten Lungenfisch („fick mich“) und der wandelnden Alk-Blume („ich ficke nicht, ich werde bestäubt“) bekommen sowie dem „Power Pin-Up“, in dem der Iron Eagle von PRIMAL FEAR eine Kralle auf den Drachenwurm stellt („nimm den komischen Papagei von mir runter“) und der Iron Igel ihm dafür den ausgestreckten Mittelfinger zeigt.

Stilistisch gesehen, hat sich Oidium sichtlich weiterentwickelt, die Figuren wirken etwas flüssiger und stimmiger und zeigen auch deutlichere Gesichtsmimik, die Farben sind weitaus satter als das noch beim ersten Heft der Fall war. Darüberhinaus ist „Fire & Steel 2“ Schwachsinn in Reinkultur und übertrifft das erste Heft noch bei weitem. Man darf gespannt auf das nächste Heft warten und auf die Beantwortung der Frage, ob Oidium das alles noch einmal übertreffen kann.

Restexemplare können im Powermetal.de-Online-Shop, über http://www.metaltix.de oder über die Homepage von Jan bezogen werden: http://www.oidium-comics.de , auf der auch andere Illustrationen (u.a. Poster von GAMMA RAY und IRON MAIDEN sowie einige seiner Auftragswerke) zu sehen sind.

Jan Oidium – The Heavy Metal World Of Fire & Steel

Jan Oidium ist freier Werbezeichner, den es nach einem abgebrochenen Studium in Graphikdesign im Jahr 2000 nach Berlin verschlagen hat, wo er heute eine eigene Agentur betreibt und nebenbei seinem Hobby Musik nachgeht; seine erste CD „Solist“ mit experimentellen Klavierstücken wurde vor kurzem veröffentlicht. Anlässlich des Wacken Open Air 2002 erschien sein erstes Comic „The Heavy Metal World Of Fire & Steel“ und wurde in einer Auflage von zunächst 4.000 Stück ausschließlich auf dem Festival vertrieben.

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