John Norman – Tarnsman of Gor (Gor 1)

Actionreicher Auftakt, ungekürzt und humorvoll

In seinem bis dato 36 Bände umfassenden Gor-Zyklus erzählt der amerikanische Geschichts- und Philosophie-Professor John Norman (eigentlich John Lange) die Abenteuer von Menschen auf der Welt Gor, einem Planeten, der sich in seiner Umlaufbahn um unsere Sonne der Erde genau gegenüber befindet. Gor ist somit eine Art Zwillingswelt, allerdings weitaus wilder, altertümlicher, wenig erforscht und von zwei Alienspezies umkämpft, den auf Gor im Verborgenen herrschenden Priesterkönigen und den sie bedrängenden Kurii. Raumschiffe der Priesterkönige verkehren zwischen Erde und Gor: Sie bringen geheime Technik, Gold und entführte junge Damen auf die Gegenerde.

1: Tarnsman of Gor
2: Outlaw of Gor
3: Priestkings of Gor
4: Nomads of Gor
5: Assassin of Gor
6: Raiders of Gor
7: Captive of Gor
8: Hunters of Gor
9: Marauders of Gor
10: Tribesmen of Gor
11: Slave Girl of Gor
12: Beasts of Gor
13: Explorers of Gor
14: Fighting Slave of Gor (Jason Marshall 1)
15: Rogue of Gor (Jason Marshall 2)
16: Guardsman of Gor (Jason Marshall 3)
17: Savages of Gor
18: Bloodbrothers of Gor
19: Kajira of Gor
20: Players of Gor
21: Mercenaries of Gor
22: Dancer of Gor
23: Renegades of Gor
24: Vagabonds of Gor
25: Magicians of Gor
26: Witness of Gor
27: Prize of Gor
28: Kur of Gor
29: Swordsmen of Gor
30: Mariners of Gor
31: Conspirators of Gor
32: Smugglers of Gor
33: Rebels of Gor
34: Plunder of Gor
35: http://buchwurm.org/john-norman-quarry-of-gor-gor-35/
36: Avengers of Gor
37: Warriors of Gor
38: Treasure of Gor

Handlung

Tarl, ein rothaariger Engländer, findet nach seinem Studium in Oxford eine Stelle als Geschichtslehrer in New Hampshire. Während eines Campngausflugs in die winterlichen Berge Neuenglands findet er einen Brief seines verschollen geglaubten Vaters und findet sich wenig später an Bord eines Raumschiffes. In der Stadt Koroba, wo sein Vater oberster Administrator ist, kommt er zu sich und erhält eine Ausbildung zum Krieger. Als ein Attentat auf ihn mißlingt, schwant ihm Übles und er fragt sich, welche Rolle er auf Gor zu spielen hat. Wie ihm nach seiner Vereidigung als Bürger sein Vater eröffnet, soll er das Imperium des größten der zahlreichen Stadtstaaten auf Gor zerstören. Er soll den heiligen Heimstein des glorreichen Ar stehlen.

Mit Hilfe eines riesigen Reit- und Kampfvogels, eines Tarn, gelingt ihm die heimliche Reise nach Ar und sogar das Eindringen in das Zentralgebäude. Beim Entwenden des Heimsteins hängt sich aber die schöne Tochter des Stadtherrschers Marlenus, Talena, an seinen Sattel. Nun wendet sich Tarls Schicksals von Tag zu Tag: mal mit Talena, mal ohne, mal gefangen, mal frei. Denn natürlich wird Tarl verfolgt, doch auch Talena wird gesucht: Sie soll getötet werden. Ihr Vater Marlenus wurde ob seiner Schande – des Heimsteinverlusts – davongejagt und ist wie Talena vogelfrei.

Schon bald fällt eine bunt zusammengewürfelte Armee der unterworfenen Stadtstaaten in Ars Territorium ein und belagert die tyrannische Stadt: Pa-Kur, der knallharte Chef der Kaste der Attentäter, hat Talena gefangengenommen und will sie in Ar erst heiraten, dann pfählen lassen. Nachdem Tarl ihrem Vater Marlenus das Leben gerettet hat, fliegt er zurück nach Ar, um Talena zu befreien. Schließlich überstürzen sich die Ereignisse, als die belagerte Stadt kapituliert…

Mein Eindruck

In der am detailreichsten entworfenen Phantasiewelten lässt der Autor eine der unvorhersehbarsten Handlungen spielen, die man je lesen wird. Der Held, Tarl Cabot, soll einen Tod um den anderen erleiden, doch stets gelingt es ihm, dem sicher scheinenden Tod ein Schnippchen zu schlagen.

Wechsel-Fälle des Schicksals

Typisch ist für sein Schicksal, dass er immer wieder aus den Lüften zur Erde fällt. Obwohl die Schwerkraft Gors geringer ist als die der „Sklavenwelt“, nämlich unserer, kann so eine unsanfte Landung einem doch die Gräten brechen. Zum Glück – oder durch die Hand des Autors – kommt es nie dazu. Beim ersten Mal wirft die frisch entführte Talena ihren Entführer einfach aus dem Sattel. Schön blöd, wer sich nicht anschnallt!

Tarl landet relativ weich in einem Sumpfgebiet, in das sich keine Ar-Soldaten trauen, weil sich dort nämlich Treibsandlöcher verbergen und riesige Spinnenviecher herumtreiben. Nar, eine dieser Spinnen, verfügt über einen Translator, also einen mechanischen Übersetzer, und kann sich mit dem vom Himmel Gefallenen verständigen. Nars Verhalten steht in krassem Widerspruch zu dem Kankras, der Riesenspinne, die bei Tolkien eine so üble Rolle spielt. Nar ist ein freundlicher Riese, der „denkenden Wesen“ kein Haar krümmen würde – im Gegensatz zu den Menschen von Gor.

Überlegene Technologie

Der Translator ist einer von vielen Hinweisen auf eine Technologie, die der der Erde haushoch überlegen ist. Das hätte aus dem Roman eigentlich ein Produkt des Science-Fiction-genres machen müssen, doch die Handlung ist pure Fantasy. Die den Planeten beherrschenden Priesterkönige, eine geheimnisvolle Rasse von gottähnlichen Wesen (die erst im 3. Band gezeigt werden), haben sehr selektive Gesetze für das technische Niveau der Völker verhängt und bestrafen alle Verstöße mit dem „Flammenden Tod“ (der tatsächlich an einer Stelle praktisch demonstriert wird), eine Art Spontanentzündung des Übeltäters. Deshalb gibt es u.a keine Sprengstoffe und keine auf Schwarzpulver basierenden Schusswaffen auf Gor. Die Krieger müssen mit Langbogen und Armbrust auskommen.

Andererseits haben es die Kasten der Baumeister (Builders) und der Heilkundigen mit ihrem überlegenen Wissen geschafft, elektronische Instrumente wie den Translator zu entwickeln, aber auch ein Serum zur Verjüngung des menschlichen Körpers. Letzteres verhilft Tarl zu der kuriosen Situation, dass er seinen Vater, den er längst tot glaubte, quicklebendig in Koroba wiedersieht. Der Urahn, der Tarl einen Brief aus dem 17. Jahrhundert schickt, tritt allerdings nicht mehr auf. Das wäre denn doch zuviel des Guten gewesen.

Die Pointe findet sich im Epilog: Nach Erdmäßstäben gemessen, war Tarl sieben Monate fort – doch er ist um keinen Tag gealtert. Und als sechs jahre auf der Erde vergehen, ohne dass sich ein Gor-Kontakt einstellt, scheint er keine Minute zu altern.

Romantik

Was wäre ein Abenteuerroman ohne eine romantische Beziehung? Nebbich, genau. Es lohnt sich, die kuriose Liebesbeziehung zwischen Tarl, dem Erdling und Halbgoreaner, und Talena, der schönen Ubarstochter, genauer zu betrachten. Für goreanische Frauen gibt es nur zwei anerkannte Existenzformen: als Freie Frau und als Sklavin. Jede Freie Frau, die nicht genügend geschützt ist, darf von einem Freien Mann ohne weiteres zur Sklavin degradiert werden, um sein Besitz zu werden.

Da sich Tarl nicht an diese Spielregel hält, ist Talena erst verwirrt und dann erbost. Erachtet er sie etwa nicht für wert, sie zu seinem Besitz zu machen, weil sie nicht schön genug ist? Iwo, das Gegenteil ist der Fall: Tarl findet sie zu schön, um zu degradieren und will sie lieber als Freie Frau haben. Blöd nur, dass er vor lauter Wechselfällen kaum eine ruhige Minute hat, ihr seine Liebe zu erklären und ihr einen Antrag zu machen. Erst muss die Welt gerettet werden!

Talenas Status

Über den Großteil der Handlung ergibt sich daher eine Art unsicheres Terrain, auf dem Talenas Status nicht festgelegt ist. Sie ist zwar frei, benimmt sich aber in der Karawane des Kaufmanns Mintar (der große Ähnlichkeit mit Jabba dem Hutten hat, aber literaturgeschichtlich viel älter ist) wie eine leichtgeschürzte Sklavin – ein starker Gegensatz zu ihrem früheren beschützten Leben in den „Gewändern der Verschleierung“. Ist es die Kleidung, das Sklavenhafte oder die Freiheit, die Talena so aufblühen lässt? Der Autor lässt den Leser seine eigene Entscheidung fällen.

Eine herrliche Szene ist jene, in der sie zu den anderen Sklavinnen gesteckt und angekettet werden soll. Doch sie macht so viel Rabatz, dass der Aufseher sie lieber in Tarls Zelt steckt. Sie hat sich beim Zickenkampf eine blutige Nase geholt und strahlt übers ganze Gesicht. Diese Szene hat mir an dem Buch am besten gefallen. In späteren Bänden des Zyklus haben die Mädels nur noch wenig Anlass zu lachen.

Unterm Strich

Dieser erste Gor-Roman ist noch pure Fantasy, die jeden Wunsch des (männlichen) Lesers erfüllt. Es ist fast schon ein Plagiat des ersten Mars-Romans von E.R. Burroughs (1912), der kürzlich verfilmt wurde: Eine Hauptfigur à la John Carter verändert die Welt, in die sie gebracht wurde, und gewinnt eine schöne Frau fürs Leben – vorerst. Insofern bietet das Buch optimale, kurzweilige Unterhaltung, die bis zum Finale spannend, actionreich und romantisch, zuweilen auch humorvoll bleibt.

Erst in den folgenden Romanen baut John Norman drei charakteristische Eigenheiten seiner Bücher aus: Die zuweilen ellenlangen Erklärungen zu bestimmten Dingen auf Gor (sie wurden in den deutschen Ausgaben des Heyne-Verlags häufig einfach gestrichen) und zum anderen die Überlistung und Täuschung des Lesers. Es ist daher zwingend notwendig, in Normans Romanen stets auch auf unwichtig erscheinende Details zu achten.

Drittens nimmt das Thema der Sklavinnen einen immer breiteren Raum ein – was man aber in den stark zensierten deutschen Ausgaben kaum bemerkt. In diesem Startband spielt das Thema noch kaum eine Rolle, und selbst Zwölfjährige können das Buch lesen, ohne um ihre Moral fürchten zu müssen. Kein Wunder also, dass dieser Band nicht auf dem deutschen Index der verbotenen Schriften steht und sich weiterhin bestens verkauft.

Die Anhängerschaft der Goreaner geht mittlerweile, also nach über 50 Jahren, in die Millionen. Immer wieder ist (etwa auf Wikipedia) von Zirkeln zu lesen, die die goreanischen (Un-) Sitten in praktisches Verhalten umsetzen. So ist die britische Polizei bereits 2006 und 2010 gegen „Goreaner“ vorgegangen. Findet die Invasion nun in umgekehrter Richtung statt, mag man sich fragen.

Englischkenntnisse

Für die Lektüre des ungekürzten Originals in der E-Books-Ausgabe (es gibt sie auch als E-Book und als Hörbuch zum Download) sollte der deutsche Leser mittelgute Englischkenntnisse mitbringen. Dies ist trotz des Inhalts keine Pulp Fiction. Stellenweise merkt man eben doch, dass das Buch von einem Geschichtsprofessor geschrieben wurde, der sich geschraubt auszudrücken weiß. Da ist man dann froh um jeden Dialog, in dem ganz einfache Wörter benutzt werden. Andererseits werden auf diese Weise auch die Klassenunterschiede zwischen den Figuren sichtbar.

Taschenbuch: 188 Seiten
Info: Tarnsman of Gor, 1966
Sprache: Englisch

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