John Norman – Witness of Gor (Gor 26)

Zäh und zu lang: Wer ist der Gefangene in Zelle 41?

Dies ist wieder mal ein Kajira-Roman im Gor-Zyklus, der aus der Sicht der Sklavin erzählt wird. Dieser Roman steht für sich allein und ist nicht als Teil einer Duo- oder Trilogie zu lesen. Er eignet sich damit auch für Einsteiger in den Gor-Zyklus, strapaziert aber die Geduld übermäßig.

Der Gor-Zyklus

In seinem bis dato 35 Bände umfassenden Gor-Zyklus erzählt der amerikanische Geschichts- und Philosophie-Professor John Norman (eigentlich John Lange) die Abenteuer von Menschen auf der Welt Gor, einem Planeten, der sich in seiner Umlaufbahn um unsere Sonne der Erde genau gegenüber befindet. Gor ist somit eine Art Zwillingswelt, allerdings weitaus wilder, altertümlicher, wenig erforscht und von zwei Alienspezies umkämpft, den auf Gor im Verborgenen herrschenden Priesterkönigen und den sie bedrängenden Kurii. Raumschiffe der Priesterkönige verkehren zwischen Erde und Gor: Sie bringen geheime Technik, Gold und entführte junge Damen auf die Gegenerde.

1: Tarnsman of Gor
2: Outlaw of Gor
3: Priestkings of Gor
4: Nomads of Gor
5: Assassin of Gor
6: Raiders of Gor
7: Captive of Gor
8: Hunters of Gor
9: Marauders of Gor
10: Tribesmen of Gor
11: Slave Girl of Gor
12: Beasts of Gor
13: Explorers of Gor
14: Fighting Slave of Gor (Jason Marshall 1)
15: Rogue of Gor (Jason Marshall 2)
16: Guardsman of Gor (Jason Marshall 3)
17: Savages of Gor
18: Bloodbrothers of Gor
19: Kajira of Gor
20: Players of Gor
21: Mercenaries of Gor
22: Dancer of Gor
23: Renegades of Gor
24: Vagabonds of Gor
25: Magicians of Gor
26: Witness of Gor
27: Prize of Gor
28: Kur of Gor
29: Swordsmen of Gor
30: Mariners of Gor
31: Conspirators of Gor
32: Smugglers of Gor
33: Rebels of Gor
34: Plunder of Gor
35: Quarry of Gor

Alle Heyne-Ausgaben der Gor-Romane sind stark gekürzt – um bis zu 50 Prozent. Der Basilisk-Verlag veröffentlicht seit wenigen Jahren ungekürzte Ausgaben, die auf der vom Autor autorisierten Fassung der Originale basieren. Sie sind nur im Abo zu erwerben.

Vorgeschichte

Ein besiegtes, gedemütigtes und konstant ausgeplündertes Ar ist von den Cosianischen Truppen besetzt. Vielleicht könnte einzig der berühmte Marlenus, der Ubar, die Männer von Ar zur Rückgewinnung des Heimsteins aufrufen. Doch man glaubt allgemein, dass Marlenus im Voltai-Gebirge verschollen ist.

Wie eh und je werden junge Frauen von der Erde nach Gor gebracht, um auf den Sklavenmärkten meistbietend verkauft zu werden. Da diese Frauen kein Wort Goreanisch verstehen und nichts von der goreanischen Kultur wissen, werden sie als Barbarinnen angesehen. Ihnen ist nichts gemein außer ihrer Schönheit – und die neu erworbene Furcht vor ihren neuen Herren. Manchmal erscheint einem der Herren ihre Naivität und Unwissenheit von einem gewissen Wert. Eine solche Sklavin wird von ihrem Herrn „Gail“ genannt. Sie erinnert sich …

In den Kerkern der Piratenstadt Treve, die tief in den Bergen des Voltai liegt, schmachtet ein Gefangener in Ketten. Er hat sein Gedächtnis verloren, doch glaubt er, dass er zum Bauernstand gehört. Die bloße Existenz dieses Gefangenen darf allerdings um keinen Preis bekannt werden. Damit sein Geheimnis besser gehütet wird, wird beschlossen, dass seine Dienerin und Hüterin am besten ein Sklavenmädchen sein sollte, das auf Gor fremd ist und nichts von der goreanischen Geschichte und Politik weiß. Zu diesem Zweck wird „Gail“ erworben und nach Treve gebracht, wo man ihr den Namen „Janice“ gibt.

Von ihrem Schützling weiß sie nur, was man ihr gesagt hat, doch selbst dies mag sich als zu viel herausstellen und ihr Leben gefährden …

Handlung

Tief in einem Kerker eines Sklavenhändlers erwacht ein nacktes Mädchen, das von der Erde stammt. Von ihren unerbittlichen Herren, die sie „Gail“ nennen, erlernt sie die Tugenden des Gehorsams, der Demut und des erotischen Lebens. Sie findet keinen Weg, um ihrer Gefangenschaft zu entfliehen. Ein Mann aus einer anderen Stadt kauft sie, denn man hat sie ihm als sehr intelligent und lernbegierig angepriesen. Die Reise in die andere Stadt ist lang und beschwerlich.

Eines Tages begibt sie sich allein in den Garten der Sklavenmädchen, die hier ausgebildet und quasi als Blumen des Gartens ausgestellt werden. Kein Mann ist hier zugelassen. Das Mädchen, das nunmehr auf den Namen „Gail“ hört, nutzt die Stunde der Ruhe, um sich der großen Umgrenzungsmauer zu nähern. Könnte sie sie wohl überwinden, um zu entkommen? Sicherlich wachen auch draußen Wächter.

Zu ihrer maßlosen Überraschung und Bestürzung steht plötzlich ein Unbekannter vor ihr. Sie kennt ihn nicht, aber er stellt Fragen, als ob er sie kennen würde: Ob sie „Janice“ heiße und aus Treve komme, will er wissen. Sie ist von ihren Besitzern angewiesen worden, dies zu verneinen: Sie heiße Gail. Das hält ihn nicht davon, sie seinem Willen zu unterwerfen. Sie ist wehrlos, denn Widerstand wird mit dem Tode bestraft.

Der Fremde entdeckt anhand ihrer Fußsohlen, dass sie sich verbotenerweise der Mauer genähert hat – ihre Fußsohle ist von einem der spitzen Steine geritzt worden und blutig. Wird er ihr Vergehen ihren Besitzern verraten? Nein, denn selbst als die Aufseherin Aynur zurückkehrt, bleibt er unerschrocken, sondern weist diese in ihre Schranken, bevor er geht. Gail jedoch wird umgehend bestraft.

Sie erinnert sich an ihre Zeit in Treve …

Sie erwacht aus einem narkotischen Schlaf in einer anderen Zelle – ohne Sklavenkragen. Ist sie freigelassen worden? Von ihrem vergitterten Kerkerfenster aus beobachtet sie, wie große Vögel von Kriegern geritten werden und wie tigerähnliche Raubtiere um die Mauern dieser Burg patrouillieren. Diese knurrenden Sleen streichen um ihre Zelle und versetzen sie in Angst. Bis eines Tages ein Wärter mit einem dieser Sleen in ihre Zelle tritt und sie in Todesangst versetzt. Sie soll mitkommen. Erstmals sieht sie die Außenwelt!

Ihre Zelle ist nur eine von vielen, die im Fundament einer Bergfestung eingebaut sind. Diese Festung liegt hoch in den Bergen und wird von schwarzen Riesenvögeln umkreist – Flucht ist unmöglich, soviel ist gleich klar. Als einer der Wächter sie aus ihrer Zelle holt, hat er einen gefährlich aussehenden Sleen dabei, von dessen Anblick die Namenlose wacklige Knie bekommt. Dennoch muss sie mit hinaus in die Kälte. An zahllosen anderen Zellen vorbei geht es den Berg hoch. Mit Hilfe eines Sacks, in den er sie steckt, lässt der Wärter die Sklavin zu einem Portal hochziehen. Hier endet ihr Weg noch längst nicht. Jeder Soldat und Wärter kann ihr Brandzeichen sehen und weiß, dass sie eine Sklavin ist, selbst wenn sie keinen Stahlkragen trägt.

Der Hauptmann

Nach zahllosen Irrwegen führt der Wärter sie in eine Art Thronsaal. Dort sitzt ein Offizier im Kreise seiner Vertrauten auf einem Podest, das von einem Sleen und einer hochmütig wirkenden Edelsklavin flankiert wird. Wie sich herausstellt, ist die „Dame“ die ehemalige Tatrix Dorna aus einer goreanischen Stadt, die von einem gewissen Tarl Cabot erobert wurde. Dieser Tarl jagt ihr auch jetzt noch höchste Angst ein, wie im Verlauf der Verhandlung deutlich wird. Das Ergebnis: Sie erhält den Stahlkragen des Stadtstaates (welches auch immer), bekommt die Ohrläppchen durchstochen (eine weitere Degradierung) und wird eine Schütte hinuntergestoßen, die in einen tiefen Keller führt.

Die Verliese

Im Keller ist sie dem Willen von Tarsk unterworfen, ihrem neuen Ausbilder. Tarsk ist ein ungestalter Muskelprotz auf viel zu kurzen Beinen, aber er ist Herr über ein halbes Dutzend Sklavinnen – und über sämtliche Gefangenen in den Katakomben der Festung. Ein Entkommen ist unmöglich, denn alle Wege sind gespickt mit Fallen. Tarsk ist der erste der Gebieter, der ihr ihren Namen verrät, der auf dem neuen Sklavenkragen steht: „Janice“.

Eine Freie Frau namens Lady Constanzia ist zunächst sehr widerspenstig, obwohl sie in einem Käfig über einem Brunnen eingesperrt ist: Sie wartet darauf, dass für sie, die entführte Freie, ein Lösegeld gezahlt wird. Doch die Entführung war schon vor Monaten. Nachdem sie einen Aufstand gegen Tarsk gewagt und verloren hat, ist sie eifrig, in einer der Zellen von Janice ausgebildet zu werden.

Die Lady, nunmehr ohne ihre Schleier der Verhüllung, legt ein intensives Interesse an den Tag, wie eine Sklavin auszusehen und aufzutreten. Bei einem Ausflug auf die Brüstung der Festungsterrasse, auf dem die Lady zur Tarnung einen Sklavenkragen trägt, wird sie wegen eines Verhaltensfehlers fast verprügelt – von einer anderen Freien Frau. Und ein Krieger küsst sie, als wäre sie eine gewöhnliche Sklavin. Das gefällt der Lady derart, dass sie in der Kunst der Sieben Küsse unterrichtet werden möchte.

Da Janice ihre Qualitäten als gehorsame Lehrerin bewiesen hat, bekommt sie eine höchst geheime Aufgabe zugewiesen. Tarks sagt, wegen dieser Aufgabe sei sie überhaupt erst erworben worden. Sie soll sich um den Gefangenen Nr. 41 kümmern, der sein Gedächtnis verlor, als er von einem Tarn-Vogel stürzte. Der Gefangene unterliegt der höchsten Sicherheitsstufe, wie Janice vermerkt. Und mit seiner muskelbepackten Statur sieht er eher nicht aus wie der Bauer, der zu sein er behauptet. Doch wer ist er in Wahrheit? Das herauszufinden, ist Janices Aufgabe.

Während sie sich als Spionin betätigt, bemerkt sie ein steigendes Maß von Aufruhr in der Festung und bald sogar in den labyrinthischen Verliesen. Jemand hat es darauf abgesehen, ihren Schützling zu ermorden …

Mein Eindruck

John Norman ist ein raffinierter Erzähler. Der Leser sollte sich durchaus auf Überraschungen gefasst machen. Die Übergänge zwischen verschiedenen Zeitebenen sind ebenso übergangslos wie gewisse Ortswechsel. So wurde mir erst auf den letzten hundert Seiten klar, dass die vorhergehenden fünfhundert Seiten eine einzige, gigantische Rückblende darstellen. Die Gegenwart, das sind die Aufseherin Aynur und der Garten. Das steht im Gegensatz zum Übergewicht der Rückblende, die in Treve spielt.

Konstruktion

Welchen Sinn hat diese ungewöhnliche Erzählkonstruktion, fragt sich der Leser unwillkürlich. Wohl dem, der den Riesenroman in einem Rutsch lesen kann, denn das ist gar nicht so einfach. Der Sinn der – nie so bezeichneten – Rahmenhandlung um „Gail“ besteht darin, eine Klammer zu bilden, die die Binnenhandlung um „Janice“ zusammenhält. Deshalb heißt es aufpassen, um den Faden nicht zu verlieren. Nicht zuletzt, um nicht zu vergessen, dass es sich bei Gail und Janice um ein und dieselbe Person handelt.

Zugleich wird durch die Rahmenhandlung ein Spannungsbogen errichtet, der sein anderes Ende im Abschluss der Handlung um „Gail“ findet: Sie wird nach ihrer Vergangenheit befragt und schließlich sogar deswegen entführt (wobei der Verrat durch Aynur hilfreich ist). Nun endlich bekommt der Buchtitel einen Sinn: Sie ist die einzige Frau auf Gor, die den Gefangenen Nr. 41 wiedererkennen könnte, wenn sie ihn sähe: die einzige Zeugin. In den Augen mancher Goreaner eine viel zu gefährliche Frau, um sie am Leben zu lassen …

Treve

Natürlich ist demzufolge das, was in Treve passiert, von ausschlaggebender Bedeutung für „Gails“ weiteres Wohlbefinden. Ich habe dazu oben einige Andeutungen gemacht, die hoffentlich hilfreich sind. Ich muss nun aber hinzufügen, dass „Janice“ in Treve Zeugin einiger heftiger Actionszenen wird. Die erste größere Aktion besteht in dem Überfall eines Tarn-Kommandos, das in die Verliese eindringt, um den Gefangenen Nr. 41 zu besuchen – wohl um ihn zu befreien.

Einige Zeit später wird ein zweites Kommando in die Verliese vorgelassen: Es sind cosianische Attentäter einer schwarzen Bruderschaft. „Janice“ merkt sofort mit Befremden, dass diese grimmigen Typen keinerlei Interesse an leckeren Sklavenmädchen an den Tag legen. O nein, diese Typen wollen den Gefangenen Nr. 41 sehen, identifizieren lassen und gegebenenfalls töten. Doch dann läuft alles anders, als sie erwartet haben.

Dies ist der Auftakt zu einer spannenden Actionsequenz, die an den Kampf im Vosk-Delta erinnert, den Bosk alias Tarl Cabot ausficht – geschildert in einem der Romane nach Band 22 („Dancer of Gor“). Auch die Statur des Gefangenen Nr. 41 erinnert an Bosk, ebenso seine raffinierten Methoden, sich zu tarnen und aus dem Hinterhalt anzugreifen. Haben wir es also mit einem weiteren Roman über Tarl Cabot zu tun? Dies lässt sich nicht entscheiden. Denn Nr. 41 könnte auch Marlenus sein, Bosks Alter Ego. (Spätere Romane belegen, dass es sich tatsächlich um Marlenus handelt.)

Master & Slave

Die scheinbar nebensächliche Handlung um Lady Constanzia dient zwei Zwecken. Erst5ens führt sie „Janice“ an die Oberfläche der Festung Treve, wo sie Zeugin der Überfälle wird. Auch als ein Raubkommando der Stadt sieg- und beutereich heimkehrt, ist sie zugegen. Wieder fallen, wie so oft, kritische Bemerkungen über den Sinn der Existenz der Adepten der Priesterkönige, also über die geistliche Kaste.

Der zweite Zweck, den Lady Constanzia erfüllt, ist die Beleuchtung der besonderen Beziehung zwischen Herr und Sklavin. Constanzia, eine vermeintliche Sklavin, aber in Wahrheit noch frei, hat sich nämlich in einen stattlichen Krieger verliebt, der nicht aus Treve stammt. Wie sich herausstellt, sucht er selbst die Lady Constanzia, um sie auszulösen – denn er hat das Lösegeld bezahlt und erhebt nun Anspruch auf sie. Doch wo ist diejenige, die ihm nun gehört? Er ahnt nicht, dass es jene Sklavin ist, mit der zuvor die Stadt besichtigt hat und die ihm so gut gefiel. In einer der standardmäßigen Gerichtsverhandlungen vor dem Magistrat, die man häufig in Gor-Romanen findet, wird alles zur Verblüffung der Anwesenden geklärt.

Für den Erdling mag es seltsam anmuten, wenn sich ein Sklavenmädchen in einen Gebieter verliebt. Wie sollte Unterdrückung liebenswert sein, fragt man sich. Aber das ist genau die falsche Frage, die man einem Sklavenmädchen stellen kann. Ein Großteil des Romans dient der Ich-Erzählerin „Gail“ alias „Janice“ dazu, diesen scheinbaren Widerspruch aufzuheben. Wer mehr über die spezielle Gor-Philosophie erfahren will, der lese diese Ausführungen.

Unterm Strich

Ich habe etwa elf Jahre (mit langen Pausen, versteht sich) gebraucht, um diesen Roman zu bewältigen. Das Problem liegt nicht etwa im Verständnis der Konstruktion aus Rahmen- und Binnenhandlung. Es liegt vielmehr in den langen Kapiteln, in denen sich das Erdenmädchen, das nie einen eigenen Namen hat, an ihre neue Existenzform als Sklavin gewöhnt. Diese „Gail“ wird praktisch nie in Action verwickelt, doch das ändert sich, als sie zu „Janice“ wird, also etwa ab Seite 200. Ab Seite 450 beginnt dann die Action, die immerhin eine ganze Weile anhält. Die letzten hundert Seiten sorgen dann wieder für böse Überraschungen, als sich „Gails“ Schicksal entscheidet – und ob sie ihrem neuen, alten Herrn und Gebieter folgen darf oder sterben muss.

Wer also genügend Geduld und Lesebegierde besitzt, der kommt mit den knapp 720 Seiten wunderbar zurecht. So mancher könnte sich aber auch daran die Zähne ausbeißen, denn die rund 500-600 Seiten langen Gor-Romane, die man bislang kannte, wirken im Vergleich zu diesem neuen Kaliber, das bei e-reads erscheint, nahezu gekürzt oder zumindest zensiert. Leider sind auch „Prize“ (Nr. 27) und „Kur“ (Nr. 28) von gleicher Länge, und erst „Swordsmen“ (Nr. 29) weist eine leicht(er) zu bewältigende Länge auf.

Gebunden: 717 Seiten
Sprache: Englisch
http://work.tcjn.info/index.htm

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