Alle Beiträge von Birgit Lutz

Fallon, Jennifer – Kind des Schicksals (Dämonenkind Band 3)

Band 1: [Kind der Magie 1328
Band 2: [Kind der Götter 1332

Wider erwarten ist es gegen Ende des zweiten Bandes den Kariern nicht mehr gelungen, R’shiel nach Karien zu bringen. Stattdessen hat das Dämonenkind mit Hilfe der Hüter den Spieß umgedreht und die Karier gefangen genommen. Aber Tarjanian ist schwer verwundet. Um ihn zu retten, bittet sie die mit ihrer Familie verbundenen Dämonen, eine Verschmelzung zu bilden und den Blutverlust auszugleichen.
Das hat ungeahnte Folgen!

Die Dämonenverschmelzung hat den Bann der Liebesgöttin Kalianah aufgehoben. Als Tarjanian aus der Bewusstlosigkeit erwacht, ist seine Liebe zu R’shiel erloschen. Dass es diese Liebe überhaupt gab, ist ihm nicht nur ein Rätsel, sondern sogar ein Gräuel! Sofort stürzt er sich erneut ins Getümmel, versucht, durch Zerstörung der Fähren das karische Heer am Überqueren des Gläsernen Flusses zu hindern. Kurzzeitig hat er Erfolg, wird aber von den Kariern gefangen genommen und landet schließlich in einer Zelle der Zitadelle, wo er auf seine Hinrichtung wartet.

R’shiel dagegen ist, nachdem sie Damin und Adrina quasi zwangsverheiratet hat, um dadurch Frieden zwischen Fardohnja und Hythria zu stiften, mit den beiden eilig nach Hythria geritten. Sie will nach Groenhaven und die Magiergilde um Rat bitten, wie sie mit Xaphista fertig werden kann. Aber anstatt sich mit Xaphista zu beschäftigen, muss sie sich mit Politik herumärgern. Hythria steht am Rande eines Bürgerkrieges, und Adrinas Vater wirft Brakandaran aus dem Palast, als er von der Heirat erfährt. Abgesehen davon hat die Magiergilde zwar ein riesiges Archiv, nur lässt sich dort keinerlei Hinweis darauf finden, wie Xaphista zu bezwingen sein könnte!

Während R’shiel sich im Süden herumschlägt, gehen Korandellan, der den Zufluchtsort der Harshini aus der normalen Zeit fernhält, allmählich die Kräfte aus.

Und Xaphista hat sich höchstpersönlich aufgemacht, um dem Dämonenkind das Handwerk zu legen …

Klingt alles in allem gar nicht schlecht. Leider halten die viel versprechenden Anlagen nicht ganz, was sie verheißen.

R’shiel ist inzwischen ein ziemlich harter Brocken. Wenn es zur Erreichung ihrer Interessen notwendig ist, wird sie ziemlich derb und rücksichtslos, Drohungen und Erpressungen inklusive! Dennoch setzt sie sich nach einem missglückten Anschlag auf ihr Leben für den Attentäter ein, vollkommen abgebrüht ist sie also noch nicht. Die Aussage Zegarnalds, dergemäß die viele ihr widerfahrene Unbill durchaus in seiner Absicht lag, um sie zu stählen, nimmt R’shiel ihm allerdings äußerst übel. So hat die enorme Energie, die sie in die Einigung zwischen Hythria und Fardohnja steckt, nicht allein den Zweck, wertvolle Bundesgenossen für Medalon zu finden, sondern nebenbei auch, Zegarnalds Macht zu beschneiden.

Im Übrigen gibt es zu den Charakteren nicht mehr viel zu sagen. Tarjanian muss erst die Tatsache seiner unechten Liebe zu R’shiel verdauen, mehr wird dem Leser über seine Gedanken nicht mehr verraten. Damin und Adrina lernen endlich zusammenzuarbeiten, anstatt sich zu streiten. Und Brakandaran verliebt sich in R’shiel, da er aber im ersten Band mit dem Tod um R’shiels Leben geschachert hat, damit sie ihre Bestimmung erfüllen kann, bedeutet ihr Sieg über Xaphista gleichzeitig seinen Tod.
Vor allem die beiden letztgenannten Entwicklungen sind ziemlich absehbar.

An Personenentwicklung wird also nicht mehr allzu viel geboten. Die Handlung hat folglich einiges auszugleichen. Und das gelingt ihr nicht. Trotz einiger Bewegung in den Ereignissen schafft es die Autorin nicht, den Spannungsbogen wirklich straff zu ziehen. Zu glatt, zu flüssig werden alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt.

Anhand Meister Dranymirs Warnung, wie schwierig es sei, auf einem Drachen zu reiten, sollte man erwarten, dass R’shiel wirklich ernsthafte Probleme damit hat, wenn sie schon nicht runterfällt. Letztlich hat sie aber nur ein paar steife Knochen, die sie wie durch ein Wunder kein einziges Mal stolpern oder irgendwo anrempeln lassen! Als sie zusammen mit Damin Adrina aus den Fängen ihrer Entführer befreit, sind alle Feinde taub, niemand hört die knarrende Tür, niemand ihre Schritte auf der Treppe! Ein paar Komplikationen, wenigstens kleine, hätten da mehr draus machen können!

Und wie durch einen wunderbaren Zufall kommen die Hüter gerade im entscheidenden Moment, um den Kampf um Groenhaven zu Damins Gunsten zu entscheiden, obwohl sie eigentlich in Krakandar hätten sein sollen: weil nämlich Feldhauptmann Denjon etwas verwechselt hat und deshalb nach Groenhaven geritten ist! Das wirkt konstruiert und unglaubwürdig, zumal die vorgekommene Verwechslung nicht genauer erklärt wird. Und immerhin gelten die Hüter als Musterbeispiel für Kompetenz und Tüchtigkeit!

Auch die Ereignisse in der Zitadelle sind etwas unausgereift.
Nach zweihundert Jahren geschürten Hasses auf die Harshini genügt eine fröhliche Party, um die Medaloner plötzlich zu Harshini-Freunden zu machen? Eher unwahrscheinlich.
Und hat die Puffmutter Humbalda Loclon nach dem Handstreich der Hüter wirklich nur aus der Zitadelle gerettet, um ihn danach bei den karischen Priestern auf Slarn zu deponieren? Welchen Zweck sollte das haben? Hier wurde das Potenzial von Humbaldas gefährlichem Charakter völlig verschenkt, außerdem fehlt etwas, das ihre Handlungsweise plausibel macht.

Andererseits fehlt eine Hinleitung auf die Tatsache, dass Hochmeister Jenga ausgerechnet von Gawn getötet wurde, dem Hüter, den Tarjanian im ersten Band wegen der Schlappe gegen die Hythrier zur Schnecke macht. Gawns Werdegang unter der karischen Besatzung liegt völlig im Dunkeln. Wo kam der Kerl auf einmal her? Und wieso hat er so viel Befehlsgewalt? Eigentlich war er doch ein Nichts.
Am erstaunlichsten fand ich das Auftauchen des Seher-Steins der Zitadelle. Bei einem so großen Komplex wie der Zitadelle wäre zu erwarten gewesen – und R’shiel hat das ja auch erwartet -, dass der Stein schwer zu finden sein würde. Stattdessen fällt er den Anwesenden quasi einfach vor die Füße, und das war in dem Moment absehbar, als Shananara beschloss, den großen Saal wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu versetzen, um die Seele der Zitadelle zu beruhigen. Das fand ich dann doch etwas enttäuschend!
Hinzu kommt, dass Xaphistas Versuche, das Dämonenkind aufzuhalten, sich darauf beschränken, einen Attentäter zu suchen, der sie töten soll. Ein ziemlich kümmerlicher Einsatz! Xaphista ist ein Gott! Der zu diesem Zeitpunkt mächtigste Gott überhaupt! Fällt ihm denn nicht mehr ein?

Bleibt nur zu sagen, dass der dritte Band hinter dem zweiten ein gutes Stück zurückfällt. Irgendwie hinterlässt das Buch beim Leser am Ende den Eindruck, der Autorin sei in der Zielgeraden einfach die Puste ausgegangen. Die Handlung ist nicht konsequent durchdacht, Ideen wurden nur halbherzig ausgebaut. Viele Dinge blieben unklar, dafür waren andere zu vorhersehbar. Spannung wollte einfach nicht so recht aufkommen, da Herausforderungen zu problemlos gemeistert wurden. Der Protagonistin fehlt ein ernst zu nehmender Gegenspieler, da Xaphista, der diese Rolle eigentlich in diesem Band hätte ausfüllen sollen, weder Kraft noch Einfallsreichtum zeigt.
Aus zwei mäßig guten und ein mittelmäßigen Band ergibt sich für den Gesamtzyklus folglich untere Mittelklasse.

Fazit: Kann man lesen, muss man aber nicht. Zumal in diesem Fall auch das Lektorat absolut mangelhaft war.

Jennifer Fallon stammt aus einer großen Familie mit zwölf Geschwistern. Sie hat in den verschiedensten Jobs gearbeitet, unter anderem als Kaufhausdetektivin, Sporttrainerin und in der Jugendarbeit. Letzteres scheint ihr immer noch nachzuhängen, unter ihrem Dach leben außer drei eigenen Kindern einige obdachlose Jugendliche als Pflegekinder. Schreiben tut sie nebenher. Die Trilogie |DemonChild| war ihre erste Veröffentlichung. Außerdem stammt die Trilogie |Second Sons| aus ihrer Feder. Derzeit schreibt sie an den |Hythrun Chronicles|, dem Prequel zu ihrer |DemonChild|-Trilogie. Auf Deutsch sind diese Bände jedoch noch nicht erschienen.

http://www.jenniferfallon.com/

_Jennifer Fallon bei |Buchwurm.info|:_

[„Kind der Magie“ 1328 (DemonChild Band 1)
[„Kind der Götter“ 1332 (DemonChild Band 2)
[„Kind des Schicksals“ 1985 (DemonChild Band 3)
[„Erbin des Throns“ 2877

Dart-Thornton, Cecilia – Geheimnis der schönen Fremden, Das (Die Feenland-Chroniken 2)

Band 1: [„Im Bann der Sturmreiter“ 1521

Der zweiten Band der Feenlandchronik setzt unmittelbar und nahtlos am Ende des ersten Bandes an. Imrhien ist inzwischen bei Maeve Einauge. Nur scheint es, dass das junge Findelkind dort nicht sicher ist, die Hütte wird beobachtet. Imrhien muss aber nach Caermelor, um den Hochkönig zu sprechen. Maeve Einauge greift zu einer List …

So reist Imrhien in adliger Verkleidung und unter dem Namen Rohain Tarrenys von den Trauerinseln in die Hauptstadt. Doch trotz dieser Aufmachung hat der Hochkönig keine Zeit für den unerwarteten und auch ein wenig seltsamen Besuch. Es bleibt keine andere Wahl, als das Geheimnis dem Herzog von Roxburgh anzuvertrauen. Der Herzog muss jedoch bald Richtung Norden reisen, da die Unruhen in der Provinz Navarre immer mehr zunehmen. An seine Stelle tritt der Herzog von Ercildoune, mit dem Rohain sich schon bald anfreundet.

Die geheime Nachricht, die Rohain überbracht hat, war für die Krone äußerst wertvoll. Plötzlich winken eine Baronie und ein eigenes Lehen, ganz zu schweigen von einer Belohnung in Gold. Die Hofclique um Lady Dianella, die Rohain bisher verächtlich und gemein behandelt hat, benimmt sich plötzlich höchst freundlich und zuvorkommend. Der schöne Schein trügt. Rohain muss bald erkennen, dass sich unter den höflichen Masken mächtige Feinde verstecken, und das nicht nur bei Hofe! Woher nur rührt all diese Feindseligkeit? Erneut wird dem Findelkind bewusst, dass es endlich das Rätsel um seine Vergangenheit lösen muss …

Da sich Imrhien am Ende des ersten Bandes von allen Gefährten trennt, um Maeve Einauge aufzusuchen, und all diese Gefährten wie auch viele andere Personen nach der Trennung von Imrhien in der Versenkung verschwinden, sind neue Charaktere nötig, um die Geschichte fortzuführen.

Einer der wichtigsten ist Thomas Ercildoune, ein sympathischer, warmherziger Mann mit einem ausgeprägten Faible für das Volk der Faeran, das Elfenvolk. Kaum jemand weiß so viel über die Faeran wie er. Das ist kein Wunder, schließlich ist er der Barde des Königs. Er wird zu Rohains bestem Freund, zumindest, bis der Hochkönig ins Feld zieht und Ercildoune zu seinem Stellvertreter ernennt. Dennoch traut das Findelkind sich nicht, ihm die Wahrheit über seine Vergangenheit zu erzählen, zu groß ist seine Angst, in Ungnade zu fallen.

Lady Dianella ist überaus eitel und deshalb eifersüchtig auf Rohains Stellung, denn vor Rohains Ankunft drehte sich alles nur um sie. Deshalb will sie den unbequemen Gast so schnell wie möglich wieder loswerden. Allerdings ist die Lady nicht gerade besonders intelligent, ihre kleinen Intrigen bleiben oberflächlich und entbehren jeder Rafinesse.

Weit gefährlicher ist da schon Prinz Morragan, der Rabenprinz der Faeran. Als Bruder des Elfenkönigs besitzt er eine Machtfülle, der kaum jemand etwas entgegenzusetzen hat. Der Stolz der Elfen, den die Menschen oft genug als Hochmut empfinden, ist bei ihm besonders ausgeprägt. Und auch er ist eifersüchtig, und zwar auf seinen Bruder, der ein Menschenfreund ist. Morragan dagegen verabscheut die Menschen und will nichts mit ihnen zu tun haben. Am liebsten wäre es ihm, alle Tore zwischen Elfen- und Menschenwelt würden für immer geschlossen, doch ist er dem Torhüter der Elfen gegenüber nicht weisungsbefugt. Also greift auch er zu einer List …

Leider bleiben die genannten Charaktere alle ziemlich blass. Man erfährt kaum etwas von den einzelnen Personen, sie haben keine Geschichte, keine Gedanken, kaum Gefühle. Das mag zum einen daran liegen, dass ausschließlich aus Rohains Sicht erzählt wird, andererseits hätte Cecilia Dart-Thornton durchaus die Möglichkeit gehabt, von dieser Sichtweise abzuweichen. Abgesehen davon: Natürlich ist Rohain völlig unerfahren, was das Hofleben und seine großen und kleinen Täuschungen angeht, aber deswegen noch lange nicht dumm. Dennoch vermisste ich jegliche Beobachtungsgabe, und diese Oberflächlichkeit passt eigentlich nicht zum übrigen Charakter.

Ein weiterer Punkt ist Rohains Verliebtheit. Zwar schreibt die Autorin romantische Fantasy im klassischen Sinne. Die Formulierungen im Zusammenhang mit Rohains Liebe schrammen allerdings nur haarscharf am Kitsch vorbei, und lediglich die Tatsache, dass die Autorin sich diesbezüglich kurz gefasst hat, verhindert, dass die entsprechenden Passagen auf das Niveau von Groschenromanen abrutschen. Dazu kommt, dass diese Liebe anscheinend lediglich auf der Schönheit der geliebten Person beruht, jedenfalls wird allein diese in den Gedanken Rohains genannt. Niemals beziehen die Gedanken sich auf irgendwelche Charaktereigenschaften oder die Erinnerung an besondere Ereignisse, die beide gemeinsam erlebt haben. Noch eine Oberflächlichkeit, die nicht ins Bild passt.

Allein Rohains Verhalten wirkt auch diesmal glaubhaft und echt. Das naive Findelkind, das keinerlei Ahnung von feinem Benehmen und Etikette hat, fühlt sich inmitten des übertriebenen Pomps unwohl und völlig fehl am Platz. Von Natur aus aufrichtig, ist es der boshaften Hinterhältigkeit der Höflinge nicht gewachsen. Sein Selbstwertgefühl ist aufgrund seiner Entstellung so gut wie gar nicht ausgeprägt. Rohain spürt seinen wackligen Stand innerhalb dieser Gesellschaft der Äußerlichkeiten, doch das bequeme Leben des Adels missen zu müssen und in den Schmutz und die Armut zurückzukehren, ist dennoch ein äußerst unangenehmer Gedanke. Rohain kann sich nicht von diesem neuen Leben losreißen.

Das kann es letztlich aber nicht mehr rausreißen, und so lässt die Charakterzeichnung insgesamt diesmal doch etwas zu wünschen übrig. Auch die Tatsache, dass die Autorin die im ersten Band lose gebliebenen Fäden der Burg Isse nochmals aufgenommen hat, kann darüber nicht hinwegtrösten, denn die im Grunde vielversprechend angelegten Charaktere von Ustorix und Mortier verpuffen lediglich als Episode am Rande: Von Ustorix bleibt nichts als ein eitler Pfau übrig, und Mortier ist ein Opfer seiner Beziehungen zu den Unseelie geworden und taucht nicht einmal persönlich auf. Dabei war der Abstecher nach Burg Isse für die Handlung durchaus nicht unwichtig. Leider ging diese hier in den unwichtigen Details völlig unter.

Das gilt übrigens nicht nur für diesen Teil der Handlung. Auch die Geschehnisse in der Hauptstadt und auf der Insel Tamhania verlieren sich in ausschweifenden Beschreibungen von Nebensächlichkeiten aller Art. Cecilia Dart-Thornton scheint ein Faible für Prunk zu haben. Zwar hat sie auch die Landschaften im ersten Teil durchaus detailliert und poetisch geschildert, doch bleibt dies weit hinter dem zurück, was die Autorin an Ausführlichkeiten für Kleidung und Raumausstattung übrig hat! Sie schwelgt geradezu in den Einzelheiten von Stoffen, von denen ich noch nie im Leben etwas gehört habe, von Edelsteinen, deren Namen ich zwar immerhin kenne, deren Aussehen ich aber erst einmal nachschlagen müsste, und von Möbeln und Geschirr, das im Großen und Ganzen überall gleich aussieht und genau genommen total unwichtig ist. Ganze Seiten wendet sie dafür auf, den Ablauf von Festessen inklusive sämtlicher Gänge oder einen Imbrol-Ball sowie die Beziehungen zwischen Menschen und Meeresgeistern wie Silkies oder Meerjungfern darzustellen.

Auf Dauer ist das ungeheuer ermüdend, vor allem, weil es sich ständig zu wiederholen scheint. Der durchschnittliche Leser hat garantiert bereits nach dem ersten Festessen begriffen, wie übertrieben prunkvoll, üppig und dekadent das Hofleben ist.
Eine weitere Bremse für den Handlungsverlauf stellen die Legenden und Geschichten über Seelie und Unseelie dar, die ebenfalls wieder in großer Zahl Platz gefunden haben. Manche kannte ich sogar schon und empfand sie deshalb als doppelt lästig. Wenn ich die Geschichte des Rattenfängers oder die vom Elfenkind lesen will, nehme ich mir ein Märchen- oder Sagenbuch, und lese sie dort nach.
In diesem Fall wollte ich allerdings die Geschichte von Imrhien/Rohain lesen. Von der bleibt aber nach Abzug all der Weitschweifigkeiten und handlungsfernen Nebensachen nicht mehr viel übrig. Ich schätze, die eigentliche Geschichte von Imrhien könnte man locker auf der Hälfte der Buchseiten unterbringen.

Ich muss daher sagen, dass dieser zweite Band die Hoffnungen, die ich nach dem ersten Band in ihn gesetzt hatte, nicht erfüllt hat, eher im Gegenteil.

Mit den vielen zusätzlichen Legenden und Sagen allein hätte ich mich, auch wenn sie in keinem Zusammenhang mit Rohains Geschichte stehen, vielleicht noch abgefunden angesichts dessen, dass die Feenwelt gegen Ende tatsächlich noch an Bedeutung gewinnt und endlich mit der eigentlichen Geschichte verwoben wird. Aber auch in den übrigen Punkten wurde ich enttäuscht. Der Verlauf der Handlung wurde nicht gestrafft, sondern eher noch weiter aufgebläht, sodass der Spannungsbogen oft genug völlig durchhängt. Die Charakterzeichnung wurde nicht intensiver, sondern flacher. Da es sich bei diesem Zyklus erklärtermaßen um romantische Fantasy und nicht um Action handelt, erscheint mir das Verhältnis zwischen innerer und äußerer Handlung zu unausgewogen, Rohains Gedanken- und Gefühlswelt kommt eindeutig zu kurz. Der ohnehin schon geringe Anteil an eigenen Ideen hat sich nicht vergrößert. Der Zyklus verkümmert zu einer Sammlung von Volksmärchen in dem unpassenden Kleid einer Liebesgeschichte.

Immerhin lässt das Ende des zweiten Bandes, an dem das Feenreich und sein vielversprechender Prinz endlich ans Geschehen andocken, darauf hoffen, dass im dritten Band doch nochmal sowas wie Bewegung und damit auch mehr Spannung aufkommen wird. Sollte Prinz Morragan allerdings ebenso wie Dorn und Ustorix im Klischee versinken, wäre das wirklich ein Verlust! Und für mich das K.o.-Kritierium für weitere Bücher dieser Autorin.

Cecilia Dart-Thornton, selbst ein Findelkind, wuchs in der Nähe von Melbourne auf. Aus ihrer Feder stammt außer den Feenlandchroniken auch der Crowthistle-Zyklus, von dem bisher die ersten beiden Bände auf Englisch erschienen sind: „The iron tree“ und „The well of tears“. Wann Bände dieses Zyklus auf Deutsch erscheinen, ist noch nicht absehbar, und auch das Erscheinungsdatum des dritten Teils der Feenlandchroniken steht noch nicht fest.

Neben dem Schreiben widmet sich Cecilia Dart-Thornton außerdem der Musik und der Fotographie.

http://www.dartthornton.com

Sara Douglass – Glaszauberin, Die (Die Macht der Pyramide 1)

Tirzah ist eine begnadete Glasschleiferin. Aber sie ist auch eine Sklavin. Zusammen mit ihrem Vater wurde sie in den fernen Süden verkauft, zur Tilgung seiner Spielschulden. Nicht einmal ihren wirklichen Namen durfte sie behalten. Nun schleift sie Glasnetze für eine riesige Pyramide, deren Zweck sie nicht versteht. Doch schon beim ersten Betreten des riesigen Bauwerks spürt sie, dass damit etwas nicht stimmt. Das Glas schreit regelrecht vor Qual und bittet Tirzah um Hilfe. Nur was für Hilfe? Und wie sollte eine Sklavin helfen können? Noch dazu, wo ihre Gabe des Verstehens von Elementen und den ihnen innewohnenden Geistern sie sofort den Kopf kosten kann …

Yaqob, ein Glasarbeiter wie sie, will die Sache auf seine Weise lösen: durch bewaffneten Aufstand. Bevor die Männer jedoch losschlagen können, bringt eine Reihe von Ereignissen alles durcheinander:
Ein Baustein, der oben an der Spitze der Pyramide für die Einfassung des gläsernen Schlusssteins verwendet werden sollte, macht sich selbstständig und tötet einen Sklaven! Die Tatsache, dass niemand in der Nähe war, der ihn hätte anstoßen oder hinunterwerfen können, macht den Bauleiter Ta’uz aus irgendeinem Grund äußerst nervös.

Chad Nessar, der König des Landes, kommt, um die Baustelle zu inspizieren und lässt bei seiner Abreise zusätzlich zu weiteren 2000 Mann Bewachung seinen Neffen Boaz zurück, einen der fanatischsten und härtesten Magier der gesamten Kaste. Und Boaz lässt, kaum dass er angekommen ist, Tirzah zu sich holen …

Tirzah ist nicht unbedingt die typische Heldin. Sie ist nicht ausschließlich zu dem Zweck geboren worden, um das Land Ashdod vor dem Untergang zu retten, keine Prophezeiung zwingt sie gegen ihren Willen, über sich hinauszuwachsen. Was das junge Mädchen vor allem auszeichnet, ist ein ausgeprägter Wille zu überleben. Sie fügt sich in alles, was ihr an Unbill widerfährt, in dem Bewusstsein, dass ihr nichts anderes übrig bleibt, doch ertragen kann sie es nur, weil sie auf gar keinen Fall sterben will. Sonst hätte sie womöglich längst den Freitod gewählt, scharfes Werkzeug steht ihr ja in ausreichender Menge zur Verfügung. Ihr Überlebenswille erstreckt sich aber nicht nur auf ihr eigenes Leben, sondern auch auf das ihrer Freunde. Yaqobs Revolte flößt ihr deshalb mindestens so viel Angst ein wie die Pyramide.

Dennoch ist Tirzah etwas Besonderes aufgrund der Tatsache, dass sie so viel Zeit mit Boaz verbringt. Sie steht in unmittelbarer Nähe zu diesem Mann, hat Einblicke, die sonst niemand hat und hält damit den Schlüssel in der Hand. Sie weiß, dass sie ihn eigentlich benutzen sollte, doch unwillkürlich geht sie den Weg des geringsten Widerstandes. Sie fürchtet sich zu sehr vor der Unberechenbarkeit ihres Herrn.

Yaqob ist davon ziemlich enttäuscht. Eigentlich ist er ein recht sympathischer, netter Kerl. Aber obwohl Tirzah und er ein Paar sind, fällt ihm zu Boaz Aufforderung an Tirzah, in sein Haus zu kommen, als Erstes ein, dass sie damit in der idealen Position ist, um zu spionieren. Nicht, dass Tirzahs Situation ihm gleichgültig wäre, er hasst Boaz deswegen doppelt und dreifach und ist außerdem eifersüchtig. Trotzdem scheint die Revolte ihm wichtiger zu sein als Tirzah. Das und seine extreme Gewaltbereitschaft sind ein ziemlich dunkler Fleck auf seiner weißen Weste, zumal der Sklavenaufstand, selbst wenn er gelänge, das eigentliche Problem, nämlich die Fertigstellung der Pyramide, in keiner Weise lösen würde.

Der zwiespältigste Charakter ist Boaz. Nicht wirklich schizophren, aber mit zwei sehr unterschiedlichen Gesichtern, von denen er eines außerhalb der Wände seines Hauses niemals zeigt! In allererster Linie ist er ein Magier, der kurz davor steht, seinen Traum von einer ungeheuren Machtfülle zu verwirklichen. Diese machthungrige, rücksichtslose und auch grausame Seite hat die andere fest im Griff. Doch seit er Tirzah begegnet ist, gerät die Seite des Magiers aus zwei Richtungen zunehmend unter Druck, und das stürzt auch Tirzah in eine Menge Gewissenskonflikte.

Das alles zeigt bereits, dass die Autorin glaubhafte und stimmige Charaktere ohne Schwarz-Weiß-Zeichnung in eine Geschichte eingewoben hat, in der – wie im |Weltenbaum|-Zyklus auch – die innere Welt der Protagonisten eine ebenso große Rolle spielt wie die Geschehnisse um sie herum. In anderen Punkten unterscheidet sich dieses Buch wiederum erheblich von Sara Douglass‘ Erstlingswerk. Bis auf den Anfang und die Reise in den Süden, die relativ kurz gehalten wurden, spielt sich die gesamte Handlung auf der Baustelle der Pyramide und in der benachbarten Siedlung ab. Da Tirzah aus der Ich-Perspektive erzählt, gibt es nur einen einzigen Handlungsstrang. Die Komplexität von Boaz‘ Charakter, die durch die feine Beobachtungsgabe Tirzahs voll zur Geltung kommt, und Tirzahs eigene Zerissenheit bieten jedoch genügend Vielschichtigkeit auch für Leser, die es gerne etwas komplizierter haben.

Spannung bezieht das Buch nicht nur aus Boaz‘ Unberechenbarkeit, sondern auch aus der stetig wachsenden Bedrohung durch den Schatten, den die Pyramide über das Land wirft. Sara Douglass hat sich hier von Pythagoras und anderen griechischen Denkern inspirieren lassen, für die die Mathematik nicht nur eine Natur- sondern auch eine Geisteswissenschaft war. Das Aufstellen allgemeingültiger Lehrsätze führte in der philosophischen Betrachtung zu der Folgerung, dass Zahlen nicht einfach Mengendefinitionen von Menschenhand sind, sondern die Essenz aller Dinge. Für sie war die ganze Welt aus Zahlen aufgebaut, und die Untersuchung von Zahlen sollte sie daher zu Erkenntnissen über Funktion und Ordnung des Kosmos führen. Die Eins nahm dabei einen besonderen Raum ein. Als erste aller Zahlen sah man in ihr den Ursprung der Welt, sie galt deshalb als unteilbar.

Angelehnt an dieses philosophische Prinzip hat die Autorin ihren Kult von der Eins entworfen. Die Pyramide der Magier ist die Verkörperung der vollkommenen mathematischen Formel. Sie soll es den Magiern ermöglichen, die Eins nicht nur wie bisher kurz zu berühren, sondern mit ihr zu verschmelzen und damit ungeschränkt auf die ihr innewohnende Macht zuzugreifen.

Doch die Sache scheint einen Haken zu haben. Der Leser hat das Gefühl, dass da etwas unaufhaltsam auf ihn zukriecht, das er zwar nicht versteht, dessen Bösartigkeit aber in den diversen Unfällen an der Baustelle und den Veränderungen, die offenbar ganz von selbst mit der Pyramide vorgehen, deutlich zu Tage tritt. Die Aussicht auf den Tag der Fertigstellung und erst Recht auf den der Einweihung wird immer mehr zum Albtraum.

Was genau die Eins so mächtig macht, welche Nebenwirkungen die Magier mit ihrem Experiment heraufbeschwören und welche Folgen die Fertigstellung der Pyramide letztlich haben wird, erfährt der Leser leider nicht. Das ist allerdings nicht die Schuld der Autorin. Vielmehr liegt es daran, dass |Piper| das Buch einfach verkrüppelt hat. Genauer gesagt, es wurde nur die erste Hälfte veröffentlicht! Das geschieht nicht zum ersten Mal. Schon beim |Weltenbaum|-Zyklus hat der Verlag alle drei Bände einfach jeweils halbiert. Selbst bei einem Zyklus gibt es dafür keinen ersichtlichen Grund außer dem, mehr Profit zu machen. Dieses Buch aber war niemals als Zyklus gedacht, sondern als in sich abgeschlossener Einzelband! Trotzdem hat sich der Verlag das Recht herausgenommen, dem Leser das Ende vorzuenthalten und auf die zweite Hälfte zu vertrösten, deren Veröffentlichungsdatum noch nicht feststeht. Genauso gut könnte der Buchhandel beschließen, bei allen Harry-Potter-Büchern vor Verkauf die zweite Hälfte der Seiten herauszutrennen, und den Käufern erklären, diese stünden erst in einem halben Jahr zum Verkauf!

Für den Leser ist diese Vorgehensweise schlicht inakzeptabel. Und ich wage zu bezweifeln, dass die Autorin, die „Tresholder“ (der Originaltitel des Gesamtbuches) als eines ihrer Lieblingswerke bezeichnet hat, davon begeistert wäre. Sollte |Piper| davon künftig nicht Abstand nehmen, ist es wohl besser dazu überzugehen, die Bücher im Original zu lesen. Eine Mühe, die ich bisher gescheut habe, die mir eine unverstümmelte Version aber allemal wert ist!

Ein abschließendes Fazit ist mir zu diesem Buch also leider nicht möglich. Was ich jedoch bisher gelesen habe, hat mir ausnehmend gut gefallen, auch wenn der eigentliche Höhepunkt des Buches leider erst im nächsten Band zu finden sein wird. Glaubhafte Charaktere und ein ausgewogenes Verhältnis von innerer und äußerer Handlung ergeben eine Geschichte, die ein Stück außerhalb der üblichen Abläufe und Erzählformen der Fantasy liegt, aber dennoch zu fesseln versteht. Eine angenehme und gelungene Abwechslung und ein neuerlicher Beweis für die hohe Erzählkunst der Autorin.

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaum|-Zyklus stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem Weltenbaumzyklus und „Tresholder“ schrieb sie diverse Romane und Kurzgeschichten, von denen auf Deutsch bisher nur noch „Der Herr des Traumreiches“ erschienen ist.

My Сreative

_Sara Douglass bei |Buchwurm.info|:_
[Die Sternenbraut 577
[Sternenströmers Lied 580
[Tanz der Sterne 585
[Der Sternenhüter 590
[Das Vermächtnis der Sternenbraut 599
[Die Göttin des Sternentanzes 604
[Der Herr des Traumreichs 1037

Ralf Isau – Das gespiegelte Herz (Die Chroniken von Mirad 1)

Ergil ist ein ruhiger, nachdenklicher Junge mit einer unerschöpflichen Wissbegierde. Stunden kann er damit verbringen, das Leben im Wald zu beobachten, und wenn er damit fertig ist, fragt er seinen Ziehvater Falgon Löcher in den Bauch. Diese Eigenschaften resultieren aus dem tief verwurzelten Wunsch, die Welt und ihre Wesen zu verstehen. Wenn er sich nur selbst verstehen könnte! Einiges an ihm selbst scheint ziemlich merkwürdig zu sein, und er träumt immer so seltsam …

Twikus ist ein Wildfang und immer in Bewegung. Er scheint vor nichts Angst zu haben, das Wort Vorsicht existiert in seinem Wortschatz gar nicht. Sein Lieblingszeitvertreib ist die Jagd. Twikus ist ein exzellenter Bogenschütze. Umso mehr wundert er sich immer wieder über die Träume von einem jungen Burschen, der offenbar ein totaler Weichling ist …

Ralf Isau – Das gespiegelte Herz (Die Chroniken von Mirad 1) weiterlesen

Clemens, James – Schattenritter (Die Chroniken von Myrillia 1)

Eigentlich wollte Tylar nur mit sich selbst einen heben gehen. Immerhin hatte er an diesem Tag Geburtstag. Leider war die Wahl des Lokals etwas ungünstig für ihn ausgefallen. Der heruntergekommene und gebrochene Mann ist in den feineren Schänken der Stadt nicht willkommen, die Türsteher werfen ihn raus. Und nicht nur das! Nur das Eingreifen eines Schattenritters verhindert, dass Tylar totgeschlagen wird. Trotz dieser Rettung hat die ganze Sache verheerende Auswirkungen. Auf dem Heimweg wird Tylar Zeuge eines Mordanschlags. Nicht an irgendjemandem, sondern an Meeryn, der Göttin der Sommerinseln! Als der unheimliche Angreifer wieder verschwunden ist, eilt Tylar der verletzten Göttin zu Hilfe. Zu seinem Entsetzen stirbt sie in seinen Armen, und nicht, ohne ein geheimnisvolles und höchst unwillkommenes Geschenk in ihm zurückzulassen, das ihn auf kürzestem Wege in den Kerker und auf den Richtplatz bringt. Doch gemeinsam mit seinem Mithäftling Rogger kann Tylar fliehen. Jetzt machen alle neun Länder Myrillias Jagd auf den „Gottesmörder“ …

Dart lebt im Konklave von Chrysmafähr. Hier werden die adligsten und vielversprechendsten Jungen und Mädchen der neun Länder dazu ausgebildet, den Göttern als Leibdiener zu fronen, und als „Hand“ eines Gottes erwählt zu werden, gilt als große Ehre. Dart allerdings ist eine Außenseiterin. Ihre Eltern kennt sie nicht, die ehemalige Rektorin der Schule hatte sie als Säugling ins Konklave gebracht und dort aufgezogen. Doch vor drei Jahren starb ihre Gönnerin, und Dart fühlt sich nur noch geduldet. Sie hat keine Familie, keine Abstammung, ist nicht einmal hübsch, und die anderen Mädchen treiben ihren derben Spott mit ihr. Ihr einziger Freund ist ein kleiner Hund, den außer ihr niemand sehen kann. Trotz all dem fühlt Dart sich im Konklave zu Hause, es ist der einzige Ort, den sie kennt.

Dann allerdings geschehen Dinge, die innerhalb weniger kurzer Tage ihre gesamte Welt völlig auf den Kopf stellen! Zutiefst gedemütigt und kurz darauf aufs Höchste geehrt, entkommt sie nur knapp einem Mordanschlag und macht schließlich eine Entdeckung, die sie und ihre Freundin Laurelle schlagartig zu Flüchtlingen macht! Und das ist noch gar nicht alles …

James Clemens verschwendet keine Zeit damit, erst eine heile Welt zu entwerfen, um sie dann zu zertrümmern, sondern er fängt gleich mit dem ersten Steinwurf an! Die Welt, die vor dem Auge des Lesers entsteht, hat von Anfang an Risse, und am Ende des Buches ist dem Leser klar, dass es eine heile Welt eigentlich nie gegeben hat.

Tylar ist dafür ein deutliches Zeichen. Einst war er ein Schattenritter und Protegé des Ordensvorstehers in Tashijan, verlobt mit seiner klugen und hübschen Kollegin Kathryn. Doch er machte den Fehler, sich mit den Grauhändlern anzulegen. Plötzlich fand er sich auf der Anklagebank wieder, als Mörder! Ihm drohte der Strick. Nur durch das Eingreifen seines Gönners Ser Henri blieb er am Leben, kam allerdings auf ein Sklavenschiff und landete in einer Kampfarena. – Kein strahlender Held also, sondern einer mit Dreck am Stecken. Kein unfehlbarer Übermensch, sondern einer, der seine üble Lage zumindest teilweise sich selbst zuzuschreiben hat. Natürlich besitzt er im Übrigen alle Eigenschaften, die ein Held haben muss, damit er mit den Gefahren eines Fantasy-Romans fertig werden kann: Er ist zäh, entschlossen und im Grunde von rechtschaffener Gesinnung.

Darts Charakter liegt mehr auf der typischen Schiene: ein junges Mädchen, das trotz seiner Außenseiterrolle im Grunde behütet aufgewachsen ist und von der Welt im Grunde nicht viel weiß. Ihr ganzer Horizont besteht aus seiner künftigen Aufgabe als göttliche „Hand“, bis das Unheil über sie hereinbricht, zunächst in Gestalt eines Lehrers, dann plötzlich auch noch in Gestalt eines Gottes. Zu guter Letzt wird ihr Leben auch noch von der Lösung des Rätsels um ihre Herkunft überschwemmt. Wie auch für Tylar gilt für Dart natürlich das ungeschriebene Gesetz, dass sie zwar Angst haben darf, sich aufgrund ihrer Rolle als Heldin aber tapfer und mutig verhalten und natürlich im entscheidenden Moment die rettende Idee haben muss!

Die bisher geheimnisvollste Persönlichkeit ist Rogger. Er nennt sich einen Dieb, aber abgesehen von einer gewissen Schlitzohrigkeit und großem Geschick beim Öffnen von Schlössern wirkt er dafür eigentlich zu gebildet. Nur eines ist sicher: Er ist weit herumgekommen und kennt die neun Königreiche offenbar wie seine Westentasche. Es würde mich allerdings nicht wundern, wenn sich irgendwann rausstellen sollte, dass der Dieb nur eine Tarnung für einen adligen Spion ist! Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich gelegentlich an Silk aus Eddings |Belgariad|-Saga erinnert. Beide sind mehr, als sie scheinen …

Der obligatorische Bösewicht ist wie so oft ein Vertreter der machthungrigen Sorte, allerdings kein stumpfsinniger Brutalo, sondern intelligent und weltmännisch. Um an die Macht zu kommen, hat er seine Fäden im Hintergrund gezogen, bis er in einem dichten Netz aus Unterstützung saß, wie eine Spinne. Nur an einer Stelle scheint sein Verstand ein wenig vernebelt, und zwar in Bezug auf die Frau, die er unbedingt für sich haben will, die aber überhaupt nichts für ihn übrig hat. Das ist ausgerechnet Tylars frühere Verlobte.

Was der Sache den letzten Schliff verleiht, ist, dass dieser Mann nicht den einzigen Bösewicht der Geschichte darstellt!

Die Gruppe um Elena in Clemens‘ erstem Zyklus |Banned and the Bannished| hatte noch recht deutlich etwas von einer Rollenspielgruppe an sich. In den |Chroniken von Myrillia| spürt man davon nicht mehr so viel. Auch hier haben wir Vertreter verschiedener Bereiche: Schwertkämpfer, einen Dieb, eine Art Priesterin der Götter. Jedoch ist die Gruppe insgesamt so klein, dass die Sache eher im Hintergrund bleibt.

Der Weltentwurf ist diesmal frei von Zauberei, dafür bevölkert von einer ganzen Heerschar von Göttern. Die Magie hat Clemens in das Gewand der Alchemie gekleidet. Basis für die Wirkung der alchemistischen Mittel sind die Körperausscheidungen der Götter. Nicht unbedingt in jeder Hinsicht lecker, aber die unangenehmeren Körpersäfte blieben zumindest bisher eher am Rande, der Ekelfaktor hält sich stark in Grenzen. Blut fließt allerdings in Strömen, obwohl weder Schlachten geschlagen noch anderweitige Gemetzel veranstaltet werden. Denn das Blut der Götter enthält die mächtigste der „Gaben“ …

Die Monster, die im Hexenzyklus noch so zahlreich und detailliert beschrieben wurden, sind hier weit weniger vertreten. Ganz ohne Grausamkeit kommt allerdings auch „Schattenritter“ nicht aus. Clemens versteht es wieder einmal, den Leser gegen Ende, als er eigentlich schon aufatmen will, mit der Aussicht auf völlige Finsternis zurückzulassen. Auch der Verlauf des Buches steht unter Dauerspannung. Es dauert eine Weile, bis erkennbar wird, wer Freund und wer Feind ist. Das gilt vor allem für den Handlungsstrang um Dart, deren Verwirrung und Angst hinter jeder Ecke eine Bedrohung sehen. Aber auch sonst ist kaum etwas so, wie es scheint. Und die hartnäckige Verfolgung des Gottesmörders sorgt für ein hohes Erzähltempo.

Was sich da bisher so abzeichnet, scheinen die |Chroniken von Myrillia| durchaus mit Clemens‘ Erstlingswerk mithalten zu können. Die Charaktere sind interessant und machen neugierig auf mehr, das Schwert der Götter dürfte auch noch einige Geheimnisse bergen, und die Intrigen innerhalb des Ordens der Schattenritter bieten sicherlich noch genug Stoff, an dem man weiterweben kann. Clemens hat seine Geschichte gekonnt aus Politik, Religion, Magie, Wissenschaft und zwischenmenschlichen Beziehungen zusammengesetzt, die in viele Richtungen verzweigen und eng miteinander verwoben sind. Jede Menge Platz für die Entwicklung der Charaktere sowie unvorhergesehene Wendungen und sonstige Überraschungen.

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Kalifornien. Von 1998 bis 2003 erschien der Fünfteiler |Banned and the Banished|. Danach gönnte sich der Autor eine Pause und brachte im Juli dieses Jahres den ersten Band seiner |Chroniken von Myrillia| unter dem Titel „Schadowfall“ heraus. Schon zwei Monate später erschien das Buch auch auf Deutsch. Der Autor arbeitet unterdessen an der Fortsetzung „Hinterland“, die nächstes Jahr erscheinen soll.

Home

Clemens, James – Buch der Prophezeiung, Das (Alasea / Banned and the Banished 4)

Band 1: [Das Buch des Feuers 969
Band 2: [Das Buch des Sturms 996
Band 3: [Das Buch der Rache 1007

Elena und ihre Gefährten haben den Krieg um A’loatal gewonnen und das Buch des Blutes errungen. Aber jetzt scheint die Situation plötzlich festgefahren! Seit Wochen sitzen die Verbündeten im Thronsaal herum und streiten sich über das weitere Vorgehen. Schließlich platzt Elena der Kragen, sie würgt die Beratung ab und stellt ein Ultimatum: Bis morgen wird sie über das weitere Vorgehen entschieden haben. Wem das nicht passt, der braucht zur nächsten Beratung gar nicht zu erscheinen!

Dabei ist sie selbst noch gar nicht sicher, was sie tun soll. Da erreichen sie zwei Hilferufe. Einen überbringt ein Zo’ol-Schamane, einen Merik, der Ni’lahns Laute hütet. Ein Blick in das Buch des Blutes gibt den Ausschlag: Die Wehrtore, Skulpuren der mythischen Tiere Greif, Mantikor, Basilisk und Wyvern, mit dem heiligen Hammer der Zwerge aus Schwarzstein gehauen, müssen zerstört werden! Ein schier hoffnungsloses Unterfangen, aber was bleibt ihnen übrig?

Der Wyvern floh während der Schlacht um A’loatal mit dem Dunkelmagier Schorkan nach Schwarzhall, dem Sitz des dunklen Herrschers, und ist damit unerreichbar. Die drei anderen Tore müssen zuerst gefunden werden. Also machen sich drei Gruppen auf den Weg:
Die erste, bestehend aus Merik und dem Zo’ol-Schamanen auf einem Windschiff der El’ven, folgt Mikela und ihrer Truppe zum Nordwall, um ihnen zu Hilfe zu eilen. Denn dort wurde ein Greif gesichtet …
Die zweite Gruppe, bestehend aus Joach, Kast und Saag’wan, folgt einer jungen Frau namens Kesla auf einem weiteren Windschiff in die südlichen Ödlande. Denn Kesla hat um Hilfe gebeten. Sie erzählt von einem schwarzen Basilisken, der monatlich einen Tribut von dreißig Kinder fordere!
Die dritte Gruppe, bestehend aus Elena, Er’ril, Mama Freda und einer Gruppe Zwerge, folgt Tol’chuk nach Gul’gotha. Tol’chuk soll nach Anweisung der Seelen den Herzstein dorthin bringen, wo er gebrochen wurde. Elena hofft, dort auch die Skulptur des Mantikor zu finden. Um die junge Frau, in der das Blut ihres verlorenen Königs fließt, nicht aus den Augen lassen zu müssen, besteht die El’ven-Königin Tratal darauf, dass Elena auf ihrem Windschiff reist.

Während die drei Gruppen sich auf den Weg machen, braut sich an anderer Stelle neues Unheil zusammen. Und als ob die Suche nicht schon gefahrvoll genug wäre, wird der Zusammenhalt der Gefährten auch noch durch Egoismus und Ignoranz aufs Glatteis geführt …

Allmählich macht es sich bemerkbar, dass der Zyklus sich seinem Ende nähert. Im Verhältnis zu den neu aufgeworfenen Fragen sind die erhaltenen Antworten eindeutig in der Überzahl. So erfährt der Leser endlich, wo sich Ni’lahns alte Heimat Lok’ai’hera befand, was es mit den Wehrtoren auf sich hat und wo Chi, die alte Magie Alaseas, sich befindet. Die diversen Prophezeiungen, die gelegentlich am Rande erwähnt wurden, werden gedeutet. Und außerdem erfährt der Leser auch ein paar Antworten, zu denen er sich bisher noch gar keine Fragen gestellt hat.

Die Antworten auf die entscheidenden Fragen hat sich der Autor natürlich für den letzten Band aufgehoben: Was wird aus Joach? Was aus den Si’lura-Zwillingen? Natürlich auch: Was wird aus Elena? Und vor allem: Wer ist der dunkle Herrscher? Nach den Andeutungen, die bisher gefallen sind, wird vor allem die letzte Antwort immer interessanter. Im Hinblick auf die vorletzte stellt sich die Frage, ob der Autor seine Geschichte tatsächlich mit einem Scheitern Elenas enden lassen wird.

Unwahrscheinlich, denn obwohl der Mann mit seinen Protagonisten um einiges rüder umspringt als mancher seiner Kollegen, ist er immer noch Amerikaner, und die Amerikaner scheinen irgendwie immer ein Happyend zu brauchen. In diesem Falle müsste allerdings noch ein Weg gefunden werden, um das Ende der Geschichte mit dem Rahmen des Buches in Einklang zu bringen, in dem Elena als bösartig und der Erzähler ihrer Geschichte als Irrer dargestellt wird. Man darf gespannt sein.

Und das ist gut so. Auf die bisherige Vorgehensweise, am Ende des Bandes schon die Bedrohungen im nächsten anzudeuten, hat der Autor diesmal nämlich verzichtet. Jemand, dem der Zyklus allmählich doch etwas lang wird, könnte jetzt am ehesten in Versuchung geraten aufzuhören. Der Spannungsbogen ist nicht annähernd so straff gespannt wie bei seinen Vorgängern, vor allem dem zweiten Band. Zwar hat jede Gruppe mit ihren eigenen Schwierigkeiten zu kämpfen, allerdings sind es diesmal keine übermächtigen oder besonders zähen, hartnäckigen Gegner, sondern eher lauter kleine Widrigkeiten, die war aufhalten, aber doch alle verhältnismäßig schnell überwunden sind. Das ganze wirkt ein wenig wie ein Hindernisrennen.
Auch kappt der Autor diesmal die Erzählstränge der einzelnen Gruppen nicht unbedingt an einem Punkt, an dem man unbedingt wissen will, wie es jetzt weitergeht. Das nimmt ebenfalls einiges von der Spannung raus, die bei den Vorgängerbänden noch vorhanden war.

Wie es bei vorletzten Bänden oft der Fall ist, scheint auch hier ein gewisses Innehalten gegeben zu sein, ein Atemholen für den Endspurt sozusagen. Fäden müssen zusammengeführt und auf das Ende hin gebündelt, Personen entsprechend gruppiert und die Ausganssituation für den letzten Kampf vorbereitet werden. Je länger der Zyklus, desto schwieriger wird es, alle Details bis zum letzten Band aufzuheben und dann den angesammelten Knoten auf einen Schlag aufzulösen. Eine gewisse Windstille ist einfach notwendig.

Insofern mangelt es vielen vorletzten Bänden ein wenig an Eigenständigkeit, auch diesem vierten Band von |Banned and the Banished|. Er zieht sich manchmal ein wenig, was gerade im Vergleich zu dem atemlosen Tempo der Vorgänger stark auffällt. Dennoch bietet er ein paar interessante Wendungen, und die gebotenen Antworten fügen sich lückenlos in das Puzzle, das der Autor aufgebaut hat. Allein einen kleinen Logikfehler hab ich gefunden: Kral tut sich bei seinem Kampf gegen die Besatzer seiner Heimatburg ein wenig zu leicht damit, mehrmals seine Gestalt zu wechseln, wenn man bedenkt, dass kurz vorher erklärt wurde, eine Gestaltwandlung koste viel Kraft, und zwei an einem Tag ließen bereits nicht mehr genug für eine dritte übrig! Ein relativ kleiner Fehler und im Hinblick auf die Gesamtheit der bisherigen weit über 2.000 Seiten nicht wirklich gravierend.

Auch diesmal hat sich die Übersetzerin wieder eine gewisse Freiheit beim Buchtitel erlaubt. Der Originaltitel „Wit’ch Gate“ wurde diesmal mit „Buch der Prophezeiung“ übersetzt, obwohl die Prophezeiungen in diesem Band nur wenig mehr Raum einnehmen als die Rache im dritten Teil, wohingegen die Wehrtore das alles beherrschende Thema darstellen. Vielleicht kann mir irgendwann mal jemand erklären, was gegen eine originalgetreue Übersetzung von Buchtiteln spricht. Auch hier hatte sich der Autor bei der Namensgebung seines Buches durchaus etwas gedacht!

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Kalifornien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch Fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause kam im Juli dieses Jahres der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| heraus unter dem Titel „Shadowfall“. Die deutsche Übersetzung erschien im September unter dem Titel „Schattenritter“.

Home

Isau, Ralf – unsichtbare Freund, Der (Der Kreis der Dämmerung, Teil 4)

Der Kreis der Dämmerung:

Band 1: „Das Jahrhundertkind“
Band 2: „Der Wahrheitsfinder“
Band 3: „Der weiße Wanderer“
Band 4: „Der unsichtbare Freund“

Endlich hat David sich der Frage nach der Zerstörung des Fürstenrings zugewandt, nur um in jeglicher Hinsicht einen Rückschlag einzustecken! Der Ring hat nicht einmal die Andeutung einer Beeinträchtigung abbekommen, stattdessen haben die Experimente Belials Schergen auf den Plan gerufen. David muß schleunigst untertauchen.

Aber wenigstens ein Gutes ist dabei herausgekommen: Sein Freund Lorenzo di Marco, zu dem der Kontakt während des Zweiten Weltkriegs komplett abgebrochen war, ist wiedergefunden und begleitet David nun nach New York, um seine Recherchen für David dort weiter zu betreiben.

David ist zunächst noch einmal in Südamerika unterwegs, denn ein Gespräch mit dem nach jahrelanger Suche endlich aufgetriebenen von Papen hat ihm in einigen Punkten die Augen geöffnet. Kaum aus Südamerika zurück, verlangt die Kuba-Krise seine volle Aufmerksamkeit. Das eigentliche Ziel des Interesses jedoch sind die Qumram-Rollen, von denen David sich Aufschluss über frühere und vielleicht auch jetzige Versammlungsorte des Kreises der Dämmerung erhofft. Seine Suche führt ihn über Griechenland und Russland in die Türkei. Die Reise lüftet das Geheimnis der einfachen Siegelringe, aber nicht das um den Fürstenring. Und die letzten beiden Logenbrüder des Kreises sind wie vom Erdboden verschluckt! David tritt auf der Stelle, und die Zeit läuft ihm davon …

Nachdem die ersten drei Bände des Zyklus einen Zeitraum von lediglich knapp sechzig Jahren behandelten, rechnete ich schon fast damit, dass die Handlung bereits weit vor dem Jahrtausendwechsel enden würde. Das sollte sich als Irrtum herausstellen.

Bei Davids Rückkehr aus der Türkei schreibt der Autor das Jahr 1982. Die darauf folgenden Jahre werden durch die Zusammenfassung verschiedener Eckdaten recht straff zusammengefasst. Erst im Jahr 1995 geht die Handlung mit Davids letzter Japanreise wieder mehr ins Detail. Die letzten hundertfünfzig Seiten umfassen dann die extrem kurze Zeitspanne von nur neun Monaten, vom April bis zum 31. Dezember 1999.

Davids Charakter macht in diesen letzten vierzig Jahren keine großen Wandlungen mehr durch. Erwachsen ist er schon, leidgeprüft auch, und für das Entwickeln von Schrullen, wie alte Leute es häufig tun, hat er gar keine Zeit. Auch körperlich bleibt er überraschend jung, im Alter von fünfundneunzig Jahren wirkt er noch wie ein Fünfzigjähriger, was wohl zu seinen Gaben als Jahrhundertkind gehören dürfte, denn die Lebensspanne von hundert Jahren wäre wohl kaum diese hundert Jahre wert, wenn davon zwanzig Prozent oder gar mehr durch Gebrechlichkeit beeinträchtigt wären.

Trotzdem ist David gegen Ende seines Lebens auf ein wachsendes Heer von Helfern angewiesen. Getarnt als Nachrichtenagentur, sammeln eine Menge Leute für ihn alles an Informationen, was zu kriegen ist. Dazu gehören neben Lorenzo und Ruben inzwischen auch Dee-Dee und Davy, zwei junge Computer-Freaks, die für ihn, wenn nötig, auch mal in fremde Rechner einbrechen. Denn der Giftgas-Anschlag in Tokyo geht David nicht aus dem Sinn, und tatsächlich ergibt die Recherche Ungeheuerliches …

Ob das Szenario, das Isau da entwirft, so wirklich möglich ist, dürften noch nicht einmal Koryphäen der Wissenschaft beantworten können, denn das Thema selbst ist längst nicht genügend erforscht. Davon ganz abgesehen, enthält die Sache einen kleinen Logikfehler: Wenn die Basis zur Vernichtung, die Zündschnur quasi, bereits verlegt ist, wie Kellipoth sagt, was sollte es dann nutzen, wenn David das Zünden der Lunte verhindert? In den folgenden Jahren nach der Jahrtausendwende kann jeder beliebige Unfall die Lunte nachträglich in Brand setzen! – Erstaunlicherweise hat David diese Erkenntnis selbst bereits im Zusammenhang mit dem Giftgasanschlag in Tokyo geäußert! Das Ende der Geschichte ist, zumindest im Hinblick darauf, deshalb nicht ganz befriedigend ausgefallen.
Die Erwähnung des Pik-Ass zu einem Zeitpunkt, da David es noch gar nicht erhalten hat, war wohl ein Lapsus des Lektorats, und die Äußerung bezog sich auf das Kreuz-Ass, das David von Südamerika nach Rom gelotst hat.

Verwunderlich erschien mir dagegen, dass der Kreis auch nach den Ereignissen, die ihn bereits mehrere seiner Brüder gekostet hat, immer noch nicht zu wissen scheint, welche außergewöhnlichen Gaben David besitzt! Eigentlich sollte man meinen, dass der mächtige Lord Belial das mal rauskriegt und die Übrigen über die Einzelheiten informiert. Allgemeine Warnungen dürften aufgrund Davids unübersehbarer Erfolge ziemlich überflüssig sein!
Ebenso verwundert hat mich der Fatalismus, mit dem Davids Angehörige die Meldung hingenommen haben, er sei im Pazifik gefallen. Sie alle wussten von Davids Lebensaufgabe und seinen Fähigkeiten. Eine solche Meldung hätte ich nur angesichts seines Leichnams geglaubt!

Auch mit dem Epilog hatte ich gelinde Schwierigkeiten. So relativ nach Einstein auch alles sein mag, wie immer David es geschafft haben mag: Eine Doppelexistenz über mehrere Jahrzehnte, ohne dass irgendwelche Behörden, Banken, Versicherungen oder sonstige Leute damit ein Problem bekommen und die Sache auffliegt, das kommt mir doch sehr unwahrscheinlich vor! Andererseits haben wir es hier nicht umsonst mit Fantasy zu tun, also sei David die Entschädigung für seinen langen Kampf gegönnt.

Trotz dieser kleinen Mängel fand ich das Buch im Ganzen gelungen. Spätestens nach der Kuba-Krise geht es ans Eingemachte, und vor allem auf den letzten 150 Seiten zieht die Spannung deutlich an. Nicht allein deshalb, weil David die Zeit davonläuft, sondern auch, weil der Leser zum ersten Mal nicht weiß, worum es diesmal wirklich geht und wie es endet.

Insgesamt gehört der Kreis der Dämmerung zu den besten Büchern, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Isau hat seine fantastischen Elemente geschickt mit der historischen Realität verwoben, seine fundierte Recherche zu den beschriebenen Geschehnissen war dazu die beste Grundlage. Entstanden ist daraus eine intelligente und faszinierende Geschichte, die durchaus deutlich Stellung zu den Ereignissen und Entwicklungen des Jahrhunderts enthält, und das ganz ohne Polemik oder erhobenen Zeigefinger. Ein echter Leckerbissen, sowohl für Freunde des Fantasy-Genres als auch für Liebhaber des Historienromans.

Ralf Isau, gebürtiger Berliner, war nach seinem Abitur und einer kaufmännischen Ausbildung zunächst als Programmierer tätig, ehe er 1988 zu schreiben anfing. Aus seiner Feder stammen außer der Neschan-Trilogie und dem Kreis der Dämmerung unter anderem „Der Herr der Unruhe“, „Der silberne Sinn“, „Das Netz der Schattenspiele“ und „Das Museum der gestohlenen Erinnerungen“. In der Reihe Die Legenden von Phantásien ist von ihm „Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz“ erschienen. Im Juli dieses Jahres kam der erste Band der Chroniken von Mirad unter dem Titel „Das gespiegelte Herz“ heraus, im September wird „Die Galerie der Lügen“ herausgegeben. In der Zwischenzeit arbeitet der Autor an den Folgebänden der Chroniken von Mirad.

Taschenbuch 510 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-15321-3

http://www.luebbe.de/
http://www.isau.de/index.html

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)


http://www.isau.de

Dart-Thornton, Cecilia – Im Bann der Sturmreiter (Die Feenland-Chroniken 1)

„Im Bann der Sturmreiter“ erzählt die Geschichte von Imrhien. Wobei Imrhien eigentlich gar nicht so heißt, denn Imrhien ist ein Findelkind. Nicht eines, das als Säugling irgendwo vor eine Tür gelegt oder einfach ausgesetzt wurde, sondern eines, das schon auf dem Weg zum Erwachsenwerden ist, als man es findet. Sein Gesicht ist durch das Gift eines Efeus grausam entstellt, es kann nicht sprechen und sich an nichts erinnern. Eine alte Dienstmagd nimmt sich seiner an und päppelt es auf. Schon bald muss es bei der Arbeit helfen, schwerer Arbeit. Und es leidet unter dem Abscheu seiner Umgebung, der Gleichgültigkeit und Kälte, der Missachtung. Als sich eines Tages die Möglichkeit bietet, von der Festung Isse zu fliehen, nimmt es diese Möglichkeit wahr. Es will seine Identität wiederfinden! Als Piraten das Windschiff angreifen, auf dem es sich versteckt hat, kommt es vom Regen in die Traufe. Wieder wird es bedrängt und gequält, sodass es schließlich in seiner Verzweiflung einfach über Bord springt. Es landet in einem Wald voller Dunkelelfen …

Cecilia Dart-Thornton tastet sich nur langsam an dieses Kind heran. Im Prolog nennt sie es noch Geschöpf. Erst als es von der alten Dienstmagd Hemd und Hose erhält und von der Kleidung der anderen auf seine eigene schließt, nennt die Autorin es Junge. Als wäre er ein Neugeborenes, muss er sich erst langsam in diese fremde Welt hineintasten, in die er geraten ist. Da er keinerlei Erinnerungen mehr hat, ist er völlig entwurzelt, und durch die Ablehnung seiner Umgebung kann er keine neuen Wurzeln schlagen. Doch er ist nicht dumm und lernt eine Menge durch lauschen und beobachten.

Die eigentliche Zeit des Lernens beginnt jedoch, als er durch den Wald zieht. Hier hat er zum ersten Mal einen Begleiter, der ihn nicht von vornherein als Krüppel abtut, sondern ihn ernst nimmt. Dieser Abenteurer namens Sianadh bringt ihm die Zeichensprache bei, erzählt ihm von der Vergangenheit des Landes und von Licht- und Dunkelelfen. Von ihm erhält er auch seinen Namen Imrhien.

Als die beiden die Stadt erreichen, findet Imrhien auch neue Freunde in Sianadhs Familie. Dessen Schwester ist eine Heilerin, und wenn sie selbst auch nicht die Macht besitzt, Imrhiens Gesicht zu heilen, so weiß sie doch eine Frau, die diese Macht besitzen könnte: Maeve Einauge. Voller Hoffnung macht Imrhien sich auf den Weg zu dieser Frau! Denn das eigene Gesicht wiederzufinden, bedeutet vielleicht auch, den wahren Namen und die Erinnerungen wiederzufinden.

Imrhien besitzt eine rasche Auffassungsgabe und einen gesunden Menschenverstand, doch die Scham über seine Entstellung macht das Findelkind scheu und zurückhaltend, besonders als es sich verliebt. Die unzähligen Demütigungen haben keine Rachsucht, sondern Mitgefühl hervorgebracht, es weiß, wie ein Ausgestoßener sich fühlt, und handelt entsprechend. Seine Handlungsweise stößt aber durchaus nicht immer auf Verständnis oder gar Zustimmung. Vor allem gegen Sianadhs Sohn Diarmid, der es auf seiner Reise zu Maeve Einauge begleitet, kann es sich nur schwer durchsetzen, dazu fehlen ihm das Selbstbewusstsein und eine Stimme. Sprechende Hände sind nur aus der Nähe sichtbar und leicht zu ignorieren.

Sianadh ist leichter zu überzeugen, wenn er eine Torheit vorhat. Spätestens, nachdem ihm eine missachtete Warnung ein paar gebrochene Rippen eingebrockt hat, ist er bereit, auf Imrhien zu hören. Der gutmütige, leutselige Mann, der sich selbst gern als Bär bezeichnet, liebt gute Geschichten und gutes Essen. Letzteres ist im Wald nicht immer zu bekommen. Aber Sianadh hat Erfahrung mit der Wildnis. Mit der Stadt offenbar weniger, dort tappt er von einem Fettnäpfchen ins nächste.
Diarmid ähnelt seinem Onkel nur wenig. Er ist ein wenig steif und förmlich, seine Treue und Ergebenheit gehört ganz und gar dem König. Er färbt sich sogar die roten Haare, damit man ihm seine Abstammung von den Ertish nicht ansieht. Denn er ist von dem brennenden Ehrgeiz beseelt, bei den Dainnan, der Elitetruppe des Königs, aufgenommen zu werden. Als sie unterwegs einem dieser Dainnan begegnen, erhält sein Stolz einen ziemlichen Dämpfer. Doch er ist entschlossen zu lernen.
Sein Verhältnis zu Imrhien ist geprägt von Unsicherheit. Imrhien passt nicht ganz in das Schema seines Weltbildes, deswegen verhält er sich distanziert und kühl, lässt aber keinen Zweifel daran, dass er seine Aufgabe als Beschützer außerordentlich ernst nimmt. Für ihn bedeutet das auch, dass Ihmrhien sich unterzuordnen hat. Das ist nicht unbedingt immer zu beider Vorteil!

Dorn, der Dainnan, ist eine Mischung zwischen Krieger und Waldläufer, so eine Art Aragorn, nur nicht so ernst und grimmig. Dorn lächelt gern und schafft es sogar, in der Zeichensprache zu scherzen. Gleichzeitig haftet ihm ein Hauch von Melancholie an, deren Ursprung lediglich einmal kurz angedeutet wird. Ansonsten wird seine Vergangenheit kein einziges Mal erwähnt. Aber diese eine Andeutung genügt, um den Leser zu der Frage zu veranlassen, ob Dorn sich sein Haar wirklich nur aus modischen Gründen färbt.

Ebenso gekonnt wie die Hauptpersonen schildert die Autorin auch Charaktere, die nur ganz kurz vorkommen, wie Ustorix, der älteste Sohn der Herrscher von Isse, oder der Fechtmeister Mortier. Aufgrund dieser präzisen Darstellung würde der Leser erwarten, dass sie später noch einmal vorkommen, was aber nicht der Fall ist. Die Handlung konzentriert sich ganz auf Imrhien und weicht so gut wie nie von diesem Handlungsstrang ab. Im Grunde wäre es nicht nötig, an diesem einen Strang so festzukleben, denn die Geschichte wird nicht in der Ich-Form erzählt, trotzdem verschwinden alle Figuren, von denen Imrhien sich im Laufe der Geschichte entfernt, völlig in der Versenkung. Mag sein, dass Imrhien einfach nicht wichtig genug war, um nach seiner Flucht verfolgt zu werden. Andererseits fragt man sich, warum die Autorin sich die Mühe gemacht hat, Ustorix überhaupt zu erwähnen, wenn diese Szene nicht noch irgendwelche Auswirkungen auf das Geschehen hat. Das Ganze wirkt ein wenig irritierend, wie ein loser Faden, von dem man sich fragt, wozu er eigentlich aufgenommen wurde. Und davon gibt es noch mehr.

Nun ist „Im Bann der Sturmreiter“ ja „nur“ der erste Band eines Zyklus. Ich gehe deshalb davon aus, dass lose Fäden wie der von Ustorix und Mortier in den folgenden Bänden wieder aufgenommen werden. Abgesehen von diesen losen Fäden wirkt das Buch aber auch noch in anderer Hinsicht ein wenig unfertig. Die Abenteuer, die Imrhien unterwegs zu bestehen hat, sind einfach lose hintereinander aufgereiht, ohne einander zu bedingen oder sonst irgendwelche Auswirkungen auf die eigentliche Handlung zu haben. Sie bewirken keine Charakteränderung, sie dienen nicht zur Lösung irgendwelcher Rätsel und stellen keine neuen, die es zu lösen gälte. Das einzige Rätsel des Buches bleibt Imrhiens Herkunft und vielleicht noch Dorns Vergangenheit. Aber kaum etwas von dem, was Imrhien unterwegs zustößt, steht damit in irgendeinem Zusammenhang.

Es scheint, als dienten Imrhiens Reisen nur dazu, sämtlichen Gattungen, Arten und Unterarten von Licht- und Dunkelelfen einen Auftritt zu ermöglichen. Laut Quellenangabe war es das erklärte Ziel der Autorin, die Anderwelt so originalgetreu wiederzugeben wie möglich. Ihre Recherchen in den vielen schottischen und walisischen Quellen in Ehren, aber auf Dauer wirken die Massen an verschiedenen Nixen, Wichteln und sonstigen Geisterwesen eher ermüdend, es sei denn, man hegt dieselbe Begeisterung für derlei Geschichten wie die Autorin selbst. Für alle anderen wäre etwas weniger vielleicht mehr gewesen, denn wie gesagt, die vielen verschiedenen Begegnungen bleiben – bis auf eine – ohne Auswirkungen auf die Geschichte, und als Ausschmückung allein empfand ich ihre Auftritte zu massiv und erdrückend.

Ausschmückend ist auch die Sprache der Autorin. Hier kann man ihr tatsächlich einen hohen Grad an Virtuosität bescheinigen. Bilder und Stimmungen werden mit einer enormen Vielfalt an Ausdrücken bedacht, das gilt besonders für Kleidung, Lichtverhältnisse und Landschaftsbeschreibungen, aber auch die Geisterstürme und ihre Auswirkungen. In diese Welt einzutauchen, sie vor dem inneren Auge bildlich entstehen zu lassen, ist hier eine Kleinigkeit. Die Darstellung von Imrhiens Gefühlswelt bleibt dahinter ein gutes Stück zurück, obwohl der Leser durchaus immer wieder in seine Gedanken mit einbezogen wird.

An eigenen Ideen war in dem Buch – der vielen Anderweltbeschreibungen wegen – nicht mehr viel vorhanden. Die wenigen, die vorkamen, waren durchaus interessant und neu für mich, so zum Beispiel das Sildron, das besondere Gestein Dominit, das Geisterstürme abhalten kann, und natürlich die Sturmreiter und die Windschiffe. Gegen ein paar zusätzliche Einfälle dieser Art hätte ich gern einige von den Dunkelelfen eingetauscht.

Denn trotz aller Ausschmückung und trotz des massiven Einsatzes aller Arten von Geisterwesen kommt im Verlauf der Handlung nur wenig Spannung auf. Die ständig neuen Versuche der Dunkelelfen, die Protagonisten ins Verderben zu führen, werden irgendwann langweilig, vor allem, weil man jedes Mal vorher schon weiß, dass diese im letzten Moment entkommen werden. Die finstere Bedrohung, die während Imrhiens Aufenthalt in der Stadt nur ganz leise angedeutet wurde, ging bei der nächsten Reise wieder verloren, und über die Zusammenrottung im Norden und den drohenden Krieg erhält man zu wenig Hintergrundinformationen, um es als echte Bedrohung wahrzunehmen. Es tut sich nicht wirklich etwas, der Spannungsbogen hängt durch.

So war dieser Einstieg in den Zyklus doch etwas langatmig und gewissermaßen ereignislos. Bleibt zu hoffen, dass in den Folgebänden das Erzähltempo ein gutes Stück anzieht, sich die vielen sinnlosen Fäden zu einem sinnvollen Netz zusammenfinden und die hingehauchten Andeutungen etwas handfester werden. Denn als brillant und einen Genuss für Freunde von Tolkien und Sara Douglass, wie der Klappentext vollmundig anpreist, kann man diesen Einstieg noch nicht bezeichnen. Vor allem hinter der Vielschichtigkeit des |Weltenbaum|-Zyklus bleibt dieses Buch bisher noch weit zurück. Mit etwas mehr Schwung und Bewegung im Handlungsverlauf und einem engeren Zusammenhang der einzelnen Ereignisse untereinander, etwas mehr Konzentration auf die interessanten und gelungenen Hauptfiguren und weniger auf die Wesen der Anderwelt, könnte sich der Zyklus aber durchaus noch zu einem guten Buch entwickeln!

|Piper| hat wieder ein recht ordentliches Lektorat abgeliefert, nur würde mich interessieren, ob der Wald Tiriendor oder Tieriendor heißt. Das Cover ist vom optischen Eindruck her so elegant und gelungen, dass ein Einwand gegen die absolut untauglichen Segel des Windschiffs als prosaisch abgelehnt werden muss. Auch ohne Schutzumschlag ist dieser Band eine sehr schöne Ausgabe, dunkel gebunden und mit Leseband. Die Karte im Buchdeckel ist trotz Gold-auf-Schwarz-Druck gut lesbar, nur die Küstenlinien erfordern eventuell einen zweiten Blick.

Cecilia Dart-Thornton, selbst ein Findelkind, wuchs in der Nähe von Melbourne auf. „Im Bann der Sturmreiter“ gehört zu den |Feenland-Chroniken|, deren zweiter Teil „Das Geheimnis der schönen Fremden“ im Oktober erscheinen soll. Eine Herausgabe des dritten Bandes in deutscher Sprache ist momentan noch nicht Sicht, dürfte aber nicht allzu lang auf sich warten lassen. Die Autorin schreibt inzwischen an ihrem nächsten Zyklus, dessen erster Band „The Iron Tree“ im Februar erschienen ist. Neben dem Schreiben widmet sie sich außerdem der Musik und der Photographie.

http://www.dartthornton.com

Isau, Ralf – weiße Wanderer, Der (Der Kreis der Dämmerung, Teil 3)

Der Kreis der Dämmerung:

Band 1: „Das Jahrhundertkind“
Band 2: „Der Wahrheitsfinder“
Band 3: „Der weiße Wanderer“

Die Wunden, die der Nationalsozialismus David geschlagen hat, haben ihn zu einem verschlossenen Einzelkämpfer gemacht. Entschlossen, nie mehr das Leben anderer Menschen zu gefährden, lehnt er jegliche Mithilfe, die über das Zutragen von Informationen hinausgeht, strickt ab. Doch die Menschlichkeit lässt sich dadurch nicht abschrecken, immer wieder erreicht ihn, fast gegen seinen Willen, die Hilfe anderer. So ist sein alter Freund und Leibwächter aus Jugendtagen, der Inder Balu, gerade rechtzeitig zur Stelle, um David das Leben zu retten, und in New York steht eines Tages unerwartet ein Mann mit Baskenmütze vor seiner Tür, den er aus Berlin kennt, und dem Rebekka ein Bild abgekauft hat. Binnen kurzem ist der Maler Ruben Rubinstein nicht nur ein „Bruder“ in Davids Sinne, sondern auch sein Geldbeschaffer und Vermögensverwalter.

Das Gros seiner Unternehmungen führt David jedoch immer noch allein aus. In Indien entdeckt er neue Spuren, die ihn auf dem Umweg über Pakistan und Korea nach Südamerika führen. Tatsächlich gelingt es David, zwei weitere Logenbrüder unschädlich zu machen. Doch seine Suche nach von Papen, den er eigentlich fassen will, bleibt vergebens. Da erhält er völlig überraschend eine Nachricht, die ihn veranlasst, nach Rom zu reisen. Noch weit überraschender ist die Entdeckung, die ihn dort erwartet …

Im Vergleich zu seinen Vorgängerbänden umfasst „Der weiße Wanderer“ nur einen relativ kurzen Zeitraum von rund zehn Jahren.
Bereits im „Wahrheitsfinder“ war David unglaublich viel unterwegs, im Vergleich zum Folgeband wirkte dieser durch die räumliche und thematische Begrenzung auf hauptsächlich Europa beziehungsweise Deutschland jedoch wesentlich kompakter und in sich geschlossener als der dritte Teil des Zyklus. Bei Letzterem bedingen natürlich die verschiedenen Etappen einander, da sie jeweils die Hinweise für das nächste Ziel liefern, die Ziele selbst jedoch haben, anders als in Band zwei, nicht unmittelbar miteinander zu tun und wirken daher ein wenig hintereinander aufgereiht.

Abgesehen davon hat David durch heimliches Üben seine Fähigkeiten vervollkommnet. Eine Bemerkung Albert Einsteins während eines Interviews hat ihn auf den Gedanken gebracht, diese auf ein bisher unerprobtes Gebiet auszuweiten, mit erstaunlichem Erfolg. Diese erweiterten Fähigkeiten zusammen mit seiner neu erworbenen Ruhe und Gefasstheit angesichts der Gefahr machen ihn für den Kreis zu einem weit ernster zu nehmenden Gegner als bisher. Seinen Gegenspielern merkt man das deutlich an. Sie sind nervös geworden!

All das verschiebt die Gewichtung innerhalb des Buches beträchtlich: von einer übermächtigen, alles überrollenden Bedrohung, der David fast völlig hilflos gegenübersteht, zu einem Duell mit einem eher ebenbürtigen Gegner, gegen den zu gewinnen nicht mehr unbedingt eine Frage der Fähigkeiten ist, sondern vor allem auch eine Frage der Zeit. Die Grundstimmung ist daher weniger von Finsternis und Verzweiflung geprägt als von gelegentlichem Frust und erbittertem Trotz.

Was mich in diesem Zusammenhang ein wenig wunderte, war, warum die Mitglieder des Kreises Davids Verfolgung plötzlich so schleifen lassen, nachdem sie ihm in den Dreißigerjahren mit solcher Zähigkeit durch sämtliche Identitätswechsel hinterhergejagt sind! Niemand versucht mehr, ihn umzubringen, niemand versucht mehr, ihm den Fürstenring abzunehmen! Stattdessen verschanzen sich die Männer in ihren Verstecken, und als David bei ihnen auftaucht, lassen sie ihn trotz ihres Verdachtes, dass er das Jahrhundertkind sein könnte, an sich heran, verplappern sich mit geheimen Informationen und versagen dann bei seiner Beseitigung!

Das gilt besonders für Ben Nedal, der ja offenbar bereits vor Davids Ankunft in seinem Haus den Verdacht hatte, dieser könnte das Jahrhundertkind sein. Natürlich wollte er die Perle, aber um diese zu erlangen, hätte er den Verdächtigen auch einfach umbringen lassen können, noch bevor dieser sein Haus betrat. Im Zweifelsfall hätte er einen Unschuldigen auf dem Gewissen gehabt, was für einen solchen Mann wohl kaum ein Problem dargestellt hätte. Aufgrund von Davids Fähigkeiten mag es nicht gerade einfach sein, das Jahrhundertkind umzubringen. Zumindest aber hätte Ben Nedal sich im Falle eines Misserfolgs nicht verplappert! Und David hätte den Ring nicht erbeutet!

Davids Jagd nach einzelnen Logenbrüdern, insbesondere von Papen, sowie genaueren Informationen über den Kreis lässt die historischen Ereignisse ein gutes Stück in den Hintergrund treten. Als zwangsläufige Folge dieser veränderten Vorgehensweise ist der Korea-Krieg ebenso wie die Entmachtung Guzmáns in Guatemala eher eine Randerscheinung, die Davids Ermittlungen erschwert, als Zentrum der Handlung. Das gilt auch für das Rätsel um die Ringe, dessen Lösung David diesmal ungewöhnlich wenig Zeit widmet, obwohl die Frage, wie der Fürstenring zerstört werden kann, den eigentlichen Knackpunkt im Kampf gegen den Kreis bedeutet. Nur die Vernichtung Lord Belials kann das Ende von dessen Weltuntergangsverschwörungen garantieren!

„Der weiße Wanderer“ ist vom logischen Ablauf her und der Entwicklung von Davids Charakter nach in jedem Fall nachvollziehbar und passt zur Gesamtentwicklung. Dennoch bleibt er im Hinblick auf die Intensität des erzählten Geschehens ein Stück hinter seinen Vorgängern zurück. Auch der Spannungsbogen ist nicht ganz so straff gespannt wie bisher. Das Herumgezipfel mit der Suche nach von Papen in Südamerika hinterließ bei mir trotz der Ausschaltung Barrios‘ eine gewisse Unzufriedenheit, vielleicht, weil ich Davids verbissenen Wunsch, gerade diesen Mann unbedingt zur Rechenschaft zu ziehen, nicht ganz verstehen konnte, vielleicht auch, weil ich bis fast zum Ende des Buches das Gefühl hatte, der eigentlichen Lösung des Problems, nämlich der Zerstörung des Rings, kein Deut näher gekommen zu sein.
Trotzdem war auch dieses Buch immer noch interessant zu lesen, und der Schluss macht noch einmal gehörig Neugier auf den letzten Band, der außer dem Showdown auch noch einige Antworten und Lösungen enthalten dürfte. Wer jetzt aufhört zu lesen, ist selber schuld.

Ralf Isau, gebürtiger Berliner, war nach seinem Abitur und einer kaufmännischen Ausbildung zunächst als Programmierer tätig, ehe er 1988 zu schreiben anfing. Aus seiner Feder stammen außer der Neschan-Trilogie und dem Kreis der Dämmerung unter anderem „Der Herr der Unruhe“, „Der silberne Sinn“, „Das Netz der Schattenspiele“ und „Das Museum der gestohlenen Erinnerungen“. In der Reihe Die Legenden von Phantásien ist von ihm „Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz“ erschienen. Im Juli dieses Jahres kam der erste Band der Chroniken von Mirad unter dem Titel „Das gespiegelte Herz“ heraus, im September wird „Die Galerie der Lügen“ herausgegeben. In der Zwischenzeit arbeitet der Autor an den Folgebänden der Chroniken von Mirad.

Taschenbuch 506 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-15320-6

http://www.luebbe.de/
http://www.isau.de/index.html

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)


http://www.isau.de

Isau, Ralf – Wahrheitsfinder, Der (Der Kreis der Dämmerung, Teil 2)

Der Kreis der Dämmerung:

Band 1: „Das Jahrhundertkind“
Band 2: „Der Wahrheitsfinder“

Nachdem David aus dem lichterloh brennenden Palast seines vorerst größten Widersachers Toyama geflüchtet ist, reist er sofort in die USA zurück. Sein Freund und Journalistenkollege Briton Hadden, Mitbegründer des |Time Magazine|, ist krank. Als David endlich in New York ankommt, liegt der Mann bereits im Sterben. Dennoch gelingt es ihm, noch ein paar Worte an David zu richten. Eines davon lautete Palatin, und so führt Davids Suche ihn als nächstes nach Europa. Er ahnt nicht, dass diese Reise der Auftakt zu einem Versteckspiel ungeahnten Ausmaßes ist, denn inzwischen wird er nicht nur von Nekromanus, dem Schatten Lord Belials, verfolgt, es beschattet ihn auch ein geheimnisvoller Mönch, ein Jesuit mit einer Narbe über einem Auge.
Während David geradezu nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen sucht und angesichts der gewaltigen Aufgabe dazu übergeht, Bundesgenossen und Helfer zu gewinnen, zieht sich gleichermaßen ein Netz um ihn selbst zusammen. Denn so erfolgreich er im Kleinen auch sein mag, das Große liegt außerhalb seines Einflussbereichs. Und schließlich zieht das Netz sich zu …

Der zweite Band des Kreises der Dämmerung umfasst grob gesagt den Zeitraum von der Weltwirtschaftskrise bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, also nicht ganz ein Vierteljahrhundert. Wie erwartet und kaum zu vermeiden, dominiert der Nationalsozialismus mehr oder weniger den Verlauf der Handlung. Isau begnügt sich jedoch auch diesmal nicht mit allgemein bekanntem Schulwissen. Vielmehr schildert er die Entwicklung so, wie sie einem Mann wie David damals tatsächlich erschienen sein mag: von einer Randerscheinung, die gelegentlich stirnrunzelnd erwähnt, aber zunächst von vordringlicheren Aufgaben verdrängt wird, über eine wachsende und immer ernster zu nehmende Bedrohung bis zum alles bestimmenden Faktor. Und das alles ganz allmählich, angefangen bei den Kontakten mit dem heiligen Stuhl über die Krise der Weimarer Republik bis zur Machtergreifung und Gleichschaltung.

Politik und Gesellschaft laufen auch hier nahtlos nebeneinander her. In Davids vergeblichem Anrennen gegen Ignoranz und Verbohrtheit wird die ganze Machtlosigkeit des Einzelnen im Angesicht der Massen sichtbar. Während er oder seine Helfer verzweifelt versuchen, den Verantwortlichen die Augen über die Nazis zu öffnen, zeigt sich im täglichen Leben nur allzu deutlich, wie wenig all diese Bemühungen fruchten. Gleichzeitig zeigt sich im Geschehen nach der Machtübernahme ebenso deutlich, dass offenbar nicht einmal David sich wirklich im Klaren darüber war, in welcher Gefahr er selbst schwebt. Die Ereignisse in dem Haus, in dem er wohnt, das ständige Auftauchen der Gestapo, die jedes Mal jemand anderen mitnimmt – erst den Kommunisten, dann den Sozialdemokraten, die Zeugen Jehovas und schließlich die Juden – , hätte ihm eigentlich die Augen öffnen sollen. Es dauert ziemlich lange, bis er erkennt, dass er sich auf seinen britischen Pass nicht mehr verlassen kann.

Wie im ersten Band Toyama, ist diesmal von Papen Davids größter Widersacher. Ein zwar mächtiger, aber doch hauptsächlich im Hintergrund agierender Mann, verantwortlich für die Vorbereitung und die Ebnung von Wegen, zum Beispiel zum Konkordat mit dem Vatikan, zur Einsetzung Hitlers als Reichskanzler oder auch zum Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich. An dieser Stelle ist es Zeit, die Recherchen des Autors zum historischen Hintergrund seiner Geschichte einmal lobend herauszustellen! Im ersten Band fällt dies dem europäischen Leser wohl nicht so sehr auf, da ein Großteil der Handlung in Japan spielt. Die Feststellung, wie genau Isau die Entwicklung zwischen 1929 und dem Kriegsbeginn sowie Papens Rolle darin dargestellt hat, ließ mich aber derart aufhorchen, dass ich mir die Mühe gemacht habe, nach Toyama zu suchen. Die Suche hat gezeigt, dass Mitsuru Toyama tatsächlich gelebt und die Geheimgesellschaft des „Schwarzen Drachen“ gegründet hat. Der Leser darf also getrost davon ausgehen, dass Isau seine gründlichen Recherchen nicht nur auf die europäischen Seiten der Weltgeschichte ausgedehnt hat, sondern tatsächlich auf alle. Einer derart akribischen, detaillierten Basisarbeit gebührt Respekt. Schade, dass nicht mehr Autoren sich das zu Eigen machen.

Der Handlungsteil, der unmittelbar mit dem Kreis der Dämmerung zu tun hat, zieht sich diesmal etwas in die Länge. Briton Haddens Tipp hat David zu einem Jahrtausende alten Manuskript geführt, das einen Geheimzirkel mit einem Großmeister Belial erwähnt. Es enthält außerdem Hinweise darauf, wie dieser Großmeister gerufen werden kann, und Anspielungen auf die Bedeutung der Siegelringe, die die Geheimbündler tragen. David geht dem nach und stößt schließlich auf eine äußerst bemerkenswerte gläserne Kugel, kann das Rätsel in diesem Band jedoch noch nicht lösen. Irgendwann geht dieser Faden im Versteckspiel mit den Nazis unter und taucht erst am Ende des Bandes wieder auf, als David sich als Kriegsberichterstatter im Pazifik aufhält. Insgesamt gesehen, tritt der Kreis der Dämmerung als solcher in diesem Band eher in den Hintergrund, wenn man von der unmittelbaren Verfolgung Davids und Rebekkas absieht. Im zweiten Band überwiegen die Ereignisse der Geschichte, nicht zuletzt durch ihre pure Ungeheuerlichkeit.

David wirkt in diesem Band ein wenig wie Sysiphus. Er weiß genau, dass er eigentlich keine Chance hat, die Entwicklungen aufzuhalten, und versucht es dennoch. Sein Scheitern sowohl im Hinblick auf seine Bestimmung als auch auf seine Frau lässt ihn beinahe zerbrechen, letztlich jedoch geht er aus dieser extremen Belastung gestählt hervor. Er hat seine Zögerlichkeit verloren, seine Unsicherheit und seine Angst. Sie haben einer grimmigen Entschlossenheit Platz gemacht, unter anderem auch, was die Nutzung seiner außergewöhnlichen Begabungen angeht. Er ist noch immer nicht – oder besser: noch weniger als bisher – bereit zu töten. Ansonsten hat er seine Empfindlichkeiten und Vorbehalte abgelegt. Er hat nichts mehr zu verlieren!

„Der Wahrheitsfinder“ ist schon allein durch die zugrunde liegende Historie, aber auch durch die persönlichen Verluste Davids weit düsterer geraten als „Das Jahrhundertkind“. Viel mehr noch als die Unmenschlichkeit des nationalsozialistischen Systems und die Grauen des Krieges wirkt das unausweichliche Hineinschlittern in die Katastrophe auf den Leser, der all das aus mit den Augen Davids kommen sieht, seine verzweifelten Anstrengungen miterlebt und doch im Gegensatz zu ihm bereits weiß, dass sie vergebens sind. So ähnlich muss sich der Kapitän der Titanic beim Anblick des Eisbergs gefühlt haben: Auge in Auge mit dem unvermeidlichen Untergang!
Unmöglich, sich dem Sog dieses Szenarios zu entziehen. Die vorübergehende Länge im Zusammenhang mit der Glaskugel fällt dagegen kaum ins Gewicht. Auch für dieses Buch gilt: unbedingt lesen!

Ralf Isau, gebürtiger Berliner, war nach seinem Abitur und einer kaufmännischen Ausbildung zunächst als Programmierer tätig, ehe er 1988 zu schreiben anfing. Aus seiner Feder stammen außer der Neschan-Trilogie und dem Kreis der Dämmerung unter anderem „Der Herr der Unruhe“, „Der silberne Sinn“, „Das Netz der Schattenspiele“ und „Das Museum der gestohlenen Erinnerungen“. In der Reihe Die Legenden von Phantásien ist von ihm „Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz“ erschienen. Im Juli dieses Jahres kam der erste Band der Chroniken von Mirad unter dem Titel „Das gespiegelte Herz“ heraus, im September wird „Die Galerie der Lügen“ herausgegeben. In der Zwischenzeit arbeitet der Autor an den Folgebänden der Chroniken von Mirad.

Taschenbuch: 827 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-15319-0

http://www.luebbe.de/
http://www.isau.de/index.html

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)


http://www.isau.de

Chen, Da – Meister Atami und der kleine Mönch

Luka ist ein außergewöhnliches Kind. Es trägt auf jeder Fußsohle fünf schwarze Muttermale, das Zeichen dafür, dass er der auserwählte Kaiser ist, der nur alle fünfhundert Jahre vom Himmel steigt. Das erzählt Meister Atami dem kleinen Jungen jeden Tag. Und das ist auch der Grund, warum der Kleine so unendlich viel lernen muss. Manchmal kommt es dem Zwölfjährigen so vor, als müsste ihm jeden Moment die Decke auf den Kopf fallen. Doch Meister Atami lehnt es kategorisch ab, dass Luka ihm in die Stadt folgt und beim Betteln hilft. Irgendwann reißt Luka einfach heimlich aus. Und wird gleich als Erstes auf dem Markt des Diebstahls beschuldigt! Doch er verrät den wirklichen Dieb nicht, und das verschafft ihm die erste Freundschaft eines Gleichaltrigen in seinem Leben. Der Gassenjunge und sein kleiner Bruder geben zusammen mit dem Mönchsschüler ein recht merkwürdiges Trio ab.

Dann kommt der Tag, an dem Luka zum ersten Mal miterlebt, auf welche Art und Weise sein väterlicher Lehrer die Speisereste für ihn und sich selbst erbettelt! Die Grausamkeit der Soldaten schockiert ihn so, dass er sich nicht zurückhalten kann. Sein Eingreifen bringt ihn und seinen Meister in große Schwierigkeiten. Es dauert nicht lange, und die Häscher sind hinter ihnen her. Atami wird gefasst, Luka jedoch kann fliehen. Allerdings nicht für lange!

Lukas Geschichte spielt während der Besetzung Chinas durch die Mongolen, die hier Moro genannt werden. Luka ist der Enkel des letzten Kaisers. Pikanterweise ist sein Vater ausgerechnet Ulanbaat Ghengi, der Anführer der Mongolen, der seinen Großvater abgesetzt hat! Verständlicherweise hat sein Vater überhaupt kein Interesse daran, dass dieses Kind einmal Kaiser wird. Und so ist Atami eifrig bemüht, die Identität seines Schützlings geheim zu halten. Luka macht diese Bemühungen zunichte, als er versucht, seinen Meister gegen die Moro zu beschützen und damit seine Kampfausbildung offenbart. Fortan ist Luka fast ununterbrochen auf der Flucht, nur um letztlich doch Auge in Auge seinem Vater gegenüberzustehen und gegen ihn zu kämpfen.

Lukas Kampfausbildung basiert auf den Lehren des Tao. Ziel jeder Übung sind die eigene Vervollkommnung und das Erreichen des Tao. Grundsätzlich existieren auf diesem Weg keinerlei Grenzen, es sei denn, der Betreffende setzt sie sich selbst. Insofern hat es nicht unbedingt etwas mit Magie zu tun, wenn Luka fliegen kann, oder wenn Großmeister Gulan sich den Unterarm abreißt, um ein Ungeziefer loszuwerden, und ihn danach einfach wieder ansetzt, sondern mit Jin-Gong, einer durch Übung erworbenen inneren Kraft, die mit dem Mondlicht zusammenhängt. Atami verfügt über eine verwandte Macht, die von der Sonne stammt, Yin-Gong. Beide gemeinsam sind fast unüberwindlich und werden von Mönchen des Xi-Ling gelehrt.
Auch Ghengi kann fliegen, welche Kraft ihn dazu allerdings befähigt, wird nicht gesagt. Als Mongole kann er keine Xi-Ling-Ausbildung genossen haben. Dennoch ist es ihm gelungen, seinen verlorenen Arm durch eine Klob-Zange ersetzen und seinen Körper mit grünen Schuppen überziehen zu lassen.

Der Klob ist ein Meeresungeheuer, das seiner Beschreibung nach wie ein monströser Hummer aussieht. Seine Jungen, die offenbar eine Kreuzung aus Hummer und Schlange sind, werden sinnigerweise Klobster genannt. Das Gift des Klob ist tödlich, einziges Gegenmittel ist das Blut des gepanzerten Wesens, das ein Prinz des Königreiches Ozeana ist. Außerdem kommen zwei Snagon vor, Riesenschlangen, die für ihre früheren Verbrechen büßen und danach zu Drachen werden, und ein Goldener, ein großer Frosch, der golden schimmert und ebenfalls für seine Sünden büßt. Hier taucht erneut die Lehre des Tao auf, wonach jeder durch demütiges Erdulden Erlösung erlangen kann. Keines dieser Ungeheuer ist wirklich böse, nicht einmal der Klob, der von Ghengi mutwillig süchtig gemacht wurde, um ihn zu unterwerfen.

Ghengi und seine Moro sind die einzigen wirklichen Bösewichte. Das ist wohl auch der Grund, warum sie Moro und nicht Mongolen genannt werden, denn so auffallend die Parallelen sein mögen, entbehrt die Darstellung der Moro doch jeglicher Objektivität. Die Moro sind gleichgültig, grausam und schmarotzend, schlicht: genau so, wie die Chinesen die mongolischen Besatzer vielleicht empfunden haben mögen. Die positiven Seiten der Khane und ihrer Herrschaft, die es zweifellos auch gab, sind vollständig ausgeblendet, Ghengi als Oberhaupt der Moro zu einer Monstrosität verzerrt.
Gleichzeitig werden die Moro durch das Plakat, das die Brautfütterung ankündigt, komplett ins Lächerliche gezogen. Kein Gewaltherrscher würde einen solchen Text verfassen! Aber auch die Chinesen kriegen ihr Fett weg. Die außerordentlich abartigen Heilungsmethoden, die hier angewandt werden, können eigentlich nur als Anspielung verstanden werden. Viele Chinesen glauben immer noch, Rhinozeroshörner wären ein Potenzmittel. Und die übertriebene Anzahl von Muttermalen ausgerechnet an den Fußsohlen kann irgendwie auch nicht wirklich ernst gemeint sein.

Solche Anwandlungen von Humor sind allerdings ziemlich selten, es sei denn, ich hätte einige überlesen, was mich nicht wundern würde, denn vieles in diesem Buch war so exotisch und ungewöhnlich, dass ich manchmal Mühe hatte, mich wirklich hineinzudenken. Da Chen macht sich auch nicht die Mühe, viele Erklärungen abzugeben. Ein Chinese braucht sie sicherlich auch nicht, ich dagegen fragte mich gelegentlich schon, wie manche Dinge zusammenhingen oder zustande kamen. Das gilt zum Beispiel für die Skorpione unter den Goldbarren, die Schildkrötenstraße oder diesen seltsamen Wasserweg, der vom Xi-Ling-Kloster direkt in die kaiserliche Kloake führt.

Gelegentlich stolperte ich auch über simple Logikfehler. Lukas Freund Mahong steigt heimlich ins Kloster ein, um mit Großmeister Gulan zu sprechen, denn so hat Atami es ihm aufgetragen. Ein anderer würde ihm nicht glauben, weil er ein Straßenbengel und ein Dieb ist. Mahong erzählt aber auch, sie hätten von Gulans und Lukas Flucht aus dem Gefängnis erfahren. Wenn also Mahong weiß, dass beide entkommen sind und dass Gulan im Kloster ist, warum weiß er dann nicht, dass auch Luka da ist?
Und wie kommt es, dass Luka trotz seiner Macht des Jin-Gong an einer Mauer scheiterte, die sein Widersacher Yi-Shen ohne diese Macht durchbrechen konnte? Wie kommt es, dass Mahongs kleiner Bruder auf der Zinne der Gefängnismauer sitzen und auf das Gegengift für Atami warten kann? Sind die Wachen, die dort oben patroullieren, denn blind? Abgesehen davon hätte ich als Vorsteher von Lukas Gefängnis mit der Hinrichtung eines so brisanten Gefangenen keine sechs Monate gewartet, ganz gleich, wie überlastet die Hinrichtungskommandos auch sein mögen!

Da Chen hat hier eine ganz eigene Mischung von Abenteuerroman, Fantasy und Cinologie abgeliefert, wobei die beiden Letzteren für mich nicht immer klar zu trennen waren. In jedem Fall ist sie extravagant und ziemlich bunt und auch nicht uninteressant. Ich muss aber gestehen, dass mir die Meister-Li-Romane von Barry Hughart besser gefallen haben. Ich fand sie weniger verwirrend, leichter zu lesen und witziger. Das mag daran liegen, dass Barry Hughart kein Chinese ist.
Für Leute, die sich für China interessieren und vielleicht sogar mehr als oberflächliche Kenntnisse von chinesischer Philosophie und Mythologie besitzen, dürfte der Roman aber möglicherweise weniger verwirrend sein als für mich. Ansonsten könnte es ratsam sein, sich beim Lesen Zeit zu lassen. Trotz der einfachen Sprache ist das Buch nichts für Schnellleser und Überflieger, es sei denn, derjenige fühlt sich im Kulturraum des Hintergrundes schon wie Zuhause. Lesenswert ist es durchaus.

Das Lektorat war in Ordnung. Und auch das Cover hat mir gut gefallen. Eine praktische Idee waren die Drachenklauen und Tigerpranken, die die Kapitelanfänge zieren. Man sieht sie auch von außen, sodass man auch dann seine Seite wiederfindet, wenn das Lesezeichen das Weite gesucht hat. Vorausgesetzt natürlich, man hat am Ende eines Kapitels abgesetzt.

Da Chen stammt aus der chinesischen Provinz, wanderte aber im Alter von 23 Jahren nach Amerika aus. Er lebt mit seiner Familie in New York und arbeitet als Kalligraph und Schriftsteller. Außer „Meister Atami und der kleine Mönch“ erschien von ihm bisher nur ein weiteres Werk unter dem Titel „Die Farben des Berges“, in dem er seine Erinnerungen an China niedergeschrieben hat.

Jordan, Sherryl – Jing-Wei und der letzte Drache

Justin ist ein einfacher Bauernbursch, der zuhause die Schweine hütet. Besonders zufrieden ist er nicht mit seinem Leben. Doch eines Tages kehrt er vom Nachbarort nach Hause zurück und findet das gesamte Dorf in Schutt und Asche vor! Zutiefst verzweifelt, will er am liebsten ebenfalls sterben. Stattdessen nimmt ihn der Anführer einer fahrenden Schaustellertruppe mit. Was Justin letztlich aus seiner Lethargie reißt, ist die Bekanntschaft mit Jing-Wei, einem Chinesenmädchen, das wegen seiner eingebundenen Füße von den Schaustellern als Missgeburt ausgestellt wird. Als der Sohn des Anführers sich an ihr zu vergreifen droht, fliehen die beiden und landen schließlich bei einer alten Frau, die nichts Geringeres von den beiden verlangt als den Drachen zu töten, der Justins Dorf niedergebrannt hat. Schon die Idee erscheint Justin absolut närrisch! Und trotzdem lässt er sich auf dieses Abenteuer ein.

Sherryl Jordan hat ein Buch geschrieben, das sowohl von historischen als auch Fantasy-Elementen geprägt ist. So hat sie die Geschichte nicht in einer erfundenen Welt sondern im England des Jahres 1356 angesiedelt, ihre Charaktere sind keine Magier oder Zauberinnen oder sonst in irgendeiner Weise besonders begabt. Im Gegenteil.

Justin, der Ich-Erzähler, ist ein einfacher Bauernbursche, der weder besonders klug noch besonders geschickt ist. Das Mädchen, für das er schwärmt, belächelt ihn lediglich. Dass er dem Inferno entkommen ist, das seine ganze Familie dahingerafft hat, ist purer Zufall. Und nach der Rolle des Helden drängt es ihn absolut nicht, vielmehr würde er es vorziehen, schleunigst das Weite zu suchen. Er hat entsetzliche Angst vor dem Drachen und gibt das auch ganz freimütig zu. Dass er im Grunde nicht wirklich ein Feigling ist und auch sonst durchaus einige Qualitäten besitzt wie Mitgefühl, Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft, das ist ihm vor lauter Bescheidenheit noch gar nicht aufgefallen. Justin ist auf eine stille, unaufdringliche Weise Held, ohne strahlende Rüstung und dergleichen.

Auch Jing-Wei ist eigentlich keine Wundertäterin oder etwas in der Art. Ihr Tun wirkt nur so wunderbar auf Justin, weil es ihm so fremd ist. Fast alles von dem Wissen, das Jing-Wei im Kampf gegen den Drachen nutzt, ist im damaligen England noch völlig unbekannt. Justin hat keine Ahnung, wie Schießpulver funktioniert, und noch nie im Leben einen Seidendrachen gesehen. Folglich kommt ihm das alles unglaublich fantastisch vor. Insofern bildet Jing-Wei sozusagen das Bindeglied zwischen Justins „normaler“ Welt und dem phantastischen Wesen des Drachen.

Bemerkenswert an Jordans Buch ist allerdings, dass der Drache kein Ungeheuer ist. In der chinesischen Kultur sind Drachen Schutzwesen, folglich ist für Jing-Wei als Chinesin ein Drache etwas Gutes und Schönes. Diese Ansicht findet Justin außerordentlich verwirrend, er kann sie nicht mit dem Anblick der verkohlten Dörfer in Einklang bringen. Doch schon, als er den Drachen zum ersten Mal aus der Nähe beobachtet, wird deutlich, dass Justin mit sich selbst nicht ganz einig ist. Die ungeheure Schönheit des Drachen hat ihn beeindruckt, und obwohl er immer noch entsetzliche Angst hat, wird aus der Vorstellung vom Ungeheuer allmählich die Erkenntnis, dass der Drache im Grunde nichts weiter ist als ein Tier. Zwar ein besonderes Tier, das Feuer speien kann, das aber weder bösartig noch hinterlistig ist. Eigentlich ist es fast schade und eine Verschwendung, es zu töten, da der Drache jedoch Menschen gefressen hat, kann er nicht am Leben bleiben.

Genauso außergewöhnlich wie die Darstellung des Drachen ist es, dass die Autorin ganz ohne Bösewicht auskommt. Vielmehr sind die Beteiligten alle Kinder ihrer Zeit, die geprägt war von Unwissenheit und Aberglaube. Tybalt, der Anführer der Schausteller, ist nicht wirklich grausam in dem Sinne, dass es ihm Spaß macht, Jing-Wei zu quälen. Eine Exotin ausstellen zu können, ist einfach eine Möglichkeit des Geldverdienens. Immerhin versucht er gleichzeitig, auf rauhe und unbeholfene Art Justin aus seinem Kummer und seiner Lethargie herauszuholen. Sein Sohn Richard ist ein Traumtänzer und sehr mit sich selbst beschäftig, Jing-Weis Schicksal lässt ihn einfach kalt, genau wie das des Bären. Aufmerksam wird er erst, als das Mädchen sich mit Justin anfreundet. Seine Reaktion ist typisch für jemanden, der es nicht verträgt, wenn andere ihm vorgezogen werden.

Die Reaktion der Leute angesichts des Mädchens sind eine Folge dessen, auf welche Weise sie angepriesen wird. Eine Missgeburt oder ein Gruselmonster aus sicherer Entfernung bestaunen zu können, ist so, wie heutzutage vom bequemen Fernsehsessel aus einen Horrorfilm anzusehen. Für die Gaffer waren diese armen Geschöpfe einfach keine Menschen und deshalb nicht bemitleidenswert. Diese Einschätzung zu revidieren, war für die meisten einfach nicht möglich, zu stark waren Aberglauben und Angst vor Teufeln und Dämonen in den Menschen verankert. Kein Wunder also, dass niemand Justin und Jing-Wei helfen will.

Ohne Hilfe von außen andererseits ist der Drache nicht zu bezwingen, denn Justin ist kein Kämpfer, und ohnehin ist selbst das keine Garantie für einen Erfolg. Da die Hilfe aus genannten Gründen nicht von Einheimischen kommen kann, begegnen Justin und Jing-Wei einer alten Chinesin. Wie diese Frau nach England kam, wird nicht erzählt, was wahrscheinlich auch besser ist, denn schon Jing-Weis Weg nach England kam mir ein wenig erstaunlich vor angesichts der Tatsache, dass China sich jahrhundertelang völlig von der Außenwelt abgeriegelt hat, und selbst in offenen Zeiten niemals weiter als bis nach Arabien gesegelt ist! Andererseits handelt es sich hier um ein Jugendbuch, und ich denke, jugendlichen Lesern dürfte dieser Schnitzer wohl kaum auffallen, also sei darüber hinweggesehen.

Von der alten Lan erhalten die beiden die Informationen und Hilfsmittel, die sie für den Kampf gegen den Drachen brauchen, außerdem lernt Jing-Wei durch sie wieder gehen. Das Verhalten der Leute der alten Lan gegenüber wirft erneut einen deutlichen Blick auf Aberglaube und Vorurteile der damaligen Zeit.

Sherryl Jordan schreibt flüssig und in kurzen, schlichten Sätzen. Auf einfache Weise bringt sie Justins Gefühle, vor allem seine Ängste, zum Ausdruck. Die Einleitungen der Kapitel sind anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, da sie außerhalb der Erzählung liegen, enthalten aber gelegentlich auch kleine Nettigkeiten zum Schmunzeln und geben gegen Ende auch einen kleinen Ausblick darauf, wie es mit Justin und Jing-Wei weitergeht, etwas, was der Leser natürlich schon noch wissen will, ehe er das Buch zuklappt.

Mit seinen gut zweihundert Seiten ist das Buch schnell gelesen. Es ist eine nette Geschichte, durchaus nicht seicht, aber einfach gestrickt und von der Masse her gerade mal ein Happen für zwischendurch. Für Jugendliche ab zwölf Jahren stellt es mit Sicherheit eine interessante und spannende Lektüre dar, Erwachsene dagegen dürfte es mit seiner einspurigen Handlung und dem schlichten Aufbau nicht unbedingt reizen.

|Patmos| hat für das Buch ein ansprechendes Cover gestaltet, auch die Karte im Buchdeckel war nett gemacht, wenn auch nicht notwendig. Die Bindung des Buches ist allerdings nicht so toll; obwohl ich Bücher niemals ganz aufschlage, konnte ich die Klebepunkte der einzelnen Seiten sehen. Ob das lang hält …? Das Lektorat war dafür fehlerfrei.

_Sherryl Jordan_ lebt in Neuseeland und hat bereits eine ganze Anzahl Jugendbücher geschrieben, von denen auch einige ausgezeichnet, aber nicht alle ins Deutsche übersetzt wurden. Erschienen sind bei uns unter anderem „Tanith, die Wolfsfrau“, „Der Meister der Zitadelle“ und „Flüsternde Hände“.

http://www.patmos.de

Isau, Ralf – Jahrhundertkind, Das (Der Kreis der Dämmerung, Teil 1)

Seit Jeff Fenton Waise ist, schlägt er sich mit kleinen Diebstählen und Gelegenheitsarbeiten durch. Da kommt ihm das Angebot eines gewissen Nekromanus wie ein echter Glücksfall vor. Er soll einen Tag lang in der Küche Lord Belials für ein erkranktes Küchenmädchen einspringen und dafür zwei ganze Shillinge verdienen! Pünktlich findet er sich auf dem abgelegenen Landgut ein und wird einem japanischen Koch zugeteilt, der ihm beim Putzen und Schnippeln von Gemüse ununterbrochen von seiner Heimat vorschwärmt. Letztlich landet er zu seiner Überraschung beim Servierpersonal, das allerdings im Augenblick noch die Zeit mit Warten totschlägt. Jeff meldet sich freiwillig, den Kutschern der Gäste Tee hinauszubringen. Auf dem Rückweg macht er eine brisante Entdeckung. Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Jeff flüchtet Hals über Kopf …

Rund achtzehn Jahre später, auf den Glockenschlag genau um Mitternacht des ersten Januar 1900 wird in Japan David Viscount of Camden geboren, als Sohn eines Botschafters, des Earl Geoffrey of Camden. Das Baby hat schlohweiße Haare. Die Hebamme erklärt den Eltern, es sei ein Jahrhundertkind, dazu geboren, in einer Zeit, in der das Yin, der Aspekt des Bösen, ein Übergewicht gegenüber dem Yang erhalte, den Ausgleich wieder herzustellen. Schon bald zeigen sich auf unspektakuläre Art die besonderen Gaben des Kindes, das sich unter anderem mit dem Enkel des Tenno, Hiruhito, anfreundet. Die Camdens hätten recht glücklich sein können, wenn nicht Davids Vater überaus empfindsam auf jegliche Arten von umstürzlerischer Aktivität wie Attentate, Aufstände und Putsche reagiert hätte. Jede solche Nachricht stürzt ihn in immer größere Depression, und als in Davids dreizehntem Lebensjahr ein Attentat auf die Familie verübt wird, entschließen sich die Camdens, Japan zu verlassen. Die Familie zieht nach Wien, doch kaum dort angekommen, bricht der Erste Weltkrieg aus. Alle Diplomaten werden in die Heimat zurückbeordert, also kehrt Geoffrey of Camden mit Frau und Kind in sein Stadthaus in London zurück. Dort holt ihn ein Schatten aus seiner Vergangenheit heim, der seinen endgültigen Absturz in die Depression bewirkt. David kann das alles überhaupt nicht nachvollziehen. Erst als seine Eltern bei einem Autounfall ums Leben kommen und David vom Notar der Eltern das Tagebuch des Vaters erhält, findet er heraus, was für eine ungeheure Bürde ihm auferlegt ist …

Das Buch ist in drei Teile gegliedert, wobei der kurze erste Teil auf die Erlebnisse Jeff Fentons, also sozusagen die Einleitung, entfällt. Der zweite Teil erzählt von Davids Kindheit und Jugend, der dritte von der Zeit bis 1929.

In der Hauptsache ist es natürlich Davids Geschichte: seine Kindheit in Japan, seine Freunde Hito und Yoshi, seine Ausbildung in japanischer Kampfkunst, später seine Schulzeit in England und sein Freund Nick. Es ist parallel dazu, zumindest bis 1916, auch die Geschichte seines Vaters und dessen fortschreitender geistiger Zerrüttung. Vor allem aber ist es auch Geschichte! Historik!
David – und auch der Leser – erlebt das schier unaufhaltsame Hineinrutschen in den Ersten Weltkrieg hautnah mit, vor allem deshalb, weil diese Entwicklungen so eine gravierende Auswirkung auf den Gesundheitszustand seines Vaters haben. Die Schrecken des Ersten Weltkrieges erlebt David umittelbar als Soldat, und obwohl sich der Autor mit blutigen Details extrem zurückhält, gelingt es ihm, das ungeheure Ausmaß dieser Katastrophe überdeutlich zu vermitteln und nebenbei noch die Unfähigkeit und Menschenverachtung sämtlicher Heerführer herauszustreichen. Zu Recht trägt der zweite Teil des Buches die Überschrift „Jahre des Wahnsinns“. Damit ist nicht nur Davids Vater gemeint!

Der dritte Teil rückt die historischen Ereignisse etwas in den Hintergrund. Wirtschaftskrisen und ähnliches werden nur am Rande erwähnt, denn David hat endlich seine Bestimmung akzeptiert und sich daran gemacht, den „Kreis der Dämmerung“ zu suchen, jenen Zirkel, der sich dazu verschworen hat, die Menschheit auszulöschen. Nebenbei hat er sich verliebt, und so erzählt die zweite Hälfte des Buches hauptsächlich von seiner Suche nach Anhaltspunkten, von seiner Heirat und seinen Reisen, und von seiner ständigen Verfolgung durch den Schatten.

David ist der zentrale Charakter des Buches. Ein Junge mit einem einfühlsamen, freundlichen Herzen, durch seine Jugend in Japan weltoffen und vorurteilslos und mit einem scharfen Verstand begabt, der ihm schon in jungen Jahren ein gesundes Misstrauen gegenüber den Mächtigen der Welt vermittelt. Sein ausgeprägtes Mitgefühl macht es ihm unendlich schwer zu töten, was ihn an der Front, wo er sich vorzugsweise mit der Bergung verletzter Kameraden beschäftigt anstatt auf den Feind zu schießen, in ziemliche Schwierigkeiten bringt. Erst als er mit seiner großen Liebe Rebekka verheiratet ist, siegt sein Bedürfnis, sie zu beschützen, über seine Ablehnung jeglicher Gewalt.

Rebekka ist ein quirliger Wirbelwind, fröhlich und voller Leben, aber auch klug und ausnehmend hübsch. Sie hat es sich in den Kopf gesetzt, David zu heiraten, davon können sie auch seine Bedenken im Hinblick auf die Gefahren seiner Lebensaufgabe nicht abhalten. Rebekka ist eine starke Frau. Trotz allem, was David ihr abverlangen muss, unterstützt sie ihn in jeder Hinsicht.

Die übrigen Charaktere des Buches geben sich sozusagen die Klinke in die Hand. Denn der Schatten, der David verfolgt, neigt dazu, alle Personen aus dem Leben zu befördern, die David in irgendeiner Weise halfen oder nahe standen. Dennoch gelingt es dem Autor, ihnen allen Leben einzuhauchen, ganz gleich, wie knapp sie auch umrissen sein mögen.

Bemerkenswert ist die Figur Lord Belials. Schon der Name weckt einen bestimmten Verdacht. Isau hat darauf verzichtet, die äußere Erscheinung genauer zu beschreiben, und sich stattdessen auf Gefühle, Eindrücke, Empfindungen konzentriert, die das Böse in Jeff bewirkt. Das Grauen ist gesichtslos. Eine in der aktuellen Fantasy eher unübliche Vorgehensweise, wie sie Tolkien, der angeblich ja Vater aller Fantasy ist, ebenfalls verwendet hat. In dieser Hinsicht scheinen ihm seine Jünger allerdings eher ungern folgen zu wollen.

Eine weitere Hommage an den Vater der Fantasy findet sich im Auftreten von Tolkien selbst! David trifft ihn in Oxford in einem Pub und unterhält sich lange mit ihm. Tolkien erwähnt sein Vorhaben, den |Herrn der Ringe| zu schreiben, vor allem aber hilft er David bei seiner Suche nach dem Kreis der Dämmerung auf die Sprünge, indem er die Ursprünge des Wortes Kreis beleuchtet und damit beim Ring landet. Und vielleicht enthält ja auch das Motiv der Ringe, die Lord Belial den Mitgliedern des Kreises übergab, und dem besonderen, der ihm selbst gehörte, eine Verbeugung vor dem berühmten Schriftsteller.

Anlass zum Schmunzeln bot dagegen eine Hommage Isaus an sich selbst. So durften David und seine Frau Rebekka kurz nach ihrer Trauung Zeuge des Trauerzuges zum Gedenken an Jonathan Jabbok werden. Die |Neschan|-Trilogie war Isaus erste große Veröffentlichung.

Nicht nur Personen wurden von Ralf Isau geschickt in Davids Leben eingebaut, auch weniger bedeutsame Ereignisse sowie solche jenseits der Politik lässt er am Rande in den Handlungsfaden einfließen, ganz ohne Hänger oder Stolperer zu verursachen. So findet die Hinrichtung Saccos und Vanzettis ebenso Erwähnung wie der Untergang der |Titanic| oder die Entdeckung des Penicillins.

Aus diesen Zutaten ergibt sich eine ganz eigene Mischung. Im Grunde ist es ein Fantasy-Roman: die Bedrohung der gesamten Welt durch ein übermächtiges Böses sowie die Beschreibungen Lord Belials, seines Schattens Nekromanus und Davids magischer Fähigkeiten sind typische Kennzeichen des Fantasy-Genres. Während die meisten Fantasy-Autoren jedoch eine eigene Welt für ihre Geschichten erfinden oder diese in ferner Vergangenheit – vorzugsweise dem Mittelalter – ansiedeln, hat Ralf Isau seine Handlung an die jüngste Vergangenheit geknüpft. An unsere Vergangenheit! Die unserer Eltern und Großeltern! Isaus Geschichte spielt nicht vor langer, langer Zeit oder an einem weit entfernten Ort. Sie spielt hier. Und das Ende des letzten Jahrhunderts ist noch nicht lange her. Das war vorgestern. Er erzählt unsere Geschichte.

Durch die enge Verbindung mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts mutet die Erzählung fast ein wenig wie ein Historienroman an, allerdings in einem ganz anderen Stil, als man es sonst von diesem Literaturzweig kennt. Ralf Isau hat seine eigene Art etwas zu erzählen. Jenseits der trockenen Betrachtungsweise des Geschichtsunterrichts, der sich hauptsächlich mit dem politischen Geschehen als solchem und seinen Ursachen und Wirkungen beschäftigt, spricht der Autor von Menschen und ihrer Wahrnehmung der Ereignisse, und das in durchaus unsachlicher Weise, aber auch frei von jeder Polemik, einfach nur mit der Stimme des gesunden Menschenverstands.

Isau erzählt nicht nur einfach eine fantastische Geschichte. „Der Kreis der Dämmerung“ ist mehr als reine Unterhaltungsliteratur, er macht nachdenklich.

Lediglich eine einzige Frage stellte sich mir bezüglich der ganzen Geschichte: Warum hat Lord Belial nicht sofort nach dem Verlust seines Rings, der offensichtlich von größter Wichtigkeit für ihn ist, alle Hebel in Bewegung gesetzt, um ihn wiederzubekommen? Jeff war ihm offensichtlich weit weniger gewachsen als David!
Im Hinblick auf den gelungenen Rest des Buches sei jedoch darüber hinweggesehen.

Alles in allem hat Ralf Isau mit „Das Jahrhundertkind“ einen hervorragenden Roman vorgelegt. Er ist spannend, unterhaltsam und vor allem intelligent! Sollten die drei Folgebände des Zyklus das Anfangsniveau halten, dann darf „Der Kreis der Dämmerung“ mit Fug und Recht als ganz großer Wurf gewertet werden. Auf jeden Fall erhält dieser erste Band von mir das Prädikat: unbedingt lesen!

Ralf Isau, gebürtiger Berliner, war nach seinem Abitur und einer kaufmännischen Ausbildung zunächst als Programmierer tätig, ehe er 1988 zu schreiben begann. Aus seiner Feder stammen außer der Neschan-Trilogie und dem Kreis der Dämmerung unter anderem „Der Herr der Unruhe“, „Der silberne Sinn“, „Das Netz der Schattenspiele“ und „Das Museum der gestohlenen Erinnerungen“. In der Reihe Die Legenden von Phantásien ist von ihm „Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz“ erschienen. Im Juli dieses Jahres wird der erste Band der Chroniken von Mirad unter dem Titel „Das gespiegelte Herz“, im September „Die Galerie der Lügen“ herausgegeben. In der Zwischenzeit arbeitet der Autor an den Folgebänden der Chroniken von Mirad.

Taschenbuch: 751 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-15318-3

http://www.luebbe.de/
http://www.isau.de/index.html

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

http://www.isau.de

Weber, Wolfgang H. – Vindepos der Barde. Ein Keltenroman

Vindepos wächst in Vindelica auf, einem Gebiet, das vom Bodensee bis zum Inn und vom Alpenrand bis an die Donau reicht. Sein Onkel ist der Fürst der Ambronen, sein Vater ein berühmter Barde. Dementsprechend erhält Vindepos eine sehr gute Erziehung zusammen mit seinem Vetter, wenngleich man sagen muss, dass Vindepos ganz offensichtlich nicht zum Krieger geboren ist. Wie sehr sich Vindepos tatsächlich von seiner Familie unterscheidet, wird erst klar, als er eines Tages anfängt, Albträume zu haben. Zuerst ist es nur einer, den er immer wieder träumt, dann kommt ein zweiter dazu, und schließlich ein dritter, der nicht wirklich ein Albtraum ist. Vindepos weiß nicht, mit wem er darüber reden soll, also schweigt er.

Da geschehen zwei Dinge:
Ein brutales Gewitter überrascht die Fischer des Dorfes auf dem See. Das Boot des Fürsten, an Bord auch Vindepos Vater, läuft aus, um die Männer des gekenterten Boote zu retten, doch ein Blitz schlägt in den Mast ein. Das Schiff sinkt. Nur ein einziger Mann überlebt.
Bald darauf erhält die Festung seines Onkels Besuch von Raitorix, einem Sohn des obersten Fürsten Vindelicas. Raitorix hat einen Druiden in seinem Gefolge, der sofort erkennt, dass Vindepos ein besonderes Kind ist. Er schlägt der Mutter vor, ihn auf dem Rückweg seiner Reise mit in die Hauptstadt zu nehmen, um ihn dort ausbilden zu lassen. So folgt Vindepos einige Zeit später dem Druiden Queiragnos nach Cambodunon. Schon bald wird er in Rivalitäten und Intrigen hineingezogen.

„Vindepos, der Barde“ wirft den Blick auf einen Geschichtsabschnitt, der schon allein deshalb interessant ist, weil es so wenig darüber zu lesen gibt. Es gibt nicht viele Romane, die sich mit dem vierten Jahrhundert vor Christus beschäftigen, und wenn, dann erzählen sie in der Regel vom Mittelmeerraum, von Griechenland oder Ägypten. Der Ort der Handlung findet sich hauptsächlich in Romanen über die Eroberung Germaniens durch die Römer wieder, und das Volk der Kelten bringt der Leser zunächst einmal mit Irland, Großbritannien und Artus in Verbindung.
Tatsächlich siedelten die Kelten davor bereits im süddeutschen Raum, im Alpengebiet, in Norditalien und in Frankreich. Diese frühere Keltenkultur ist die Basis für die Geschichte von Vindepos.

Vindepos ist ein intelligentes Kind von eher ruhigem Naturell. Der Verlust des Vaters trifft den Jungen tief, vor allem, weil er sich Vorwürfe macht. Er glaubt, er hätte seinen Vater retten können, denn die Ereignisse des Schiffsunglücks waren Gegenstand seines ersten Albtraumes. Sein Verdacht, dass diese stets wiederkehrenden Träume mehr sind als einfache Nachtmahre, wird schließlich durch den Druiden Queiragnos bestätigt. Doch noch versteht Vindepos zu wenig vom Wirken der Götter, um die Bedeutung dessen ganz zu begreifen. Seine Ausbildung ist vor allem die zum Barden, auch wenn der Druide des Hochfürsten, Dannorix, darauf besteht, ihm noch eine Menge anderer Dinge beizubringen. Selbstredend wird Vindepos auch noch eine weiter gehende Ausbildung brauchen. Zuvor jedoch muss er einen Reifeprozess durchlaufen, dessen Katalysator die diesseitige Welt ist.

Vonatorix, der eheliche Sohn des Hochfürsten und sein designierter Nachfolger, hat mit Vindepos gemeinsam Unterricht. Er liebt es, gemeinsam mit seinem Klüngel ausgiebig auf Vindepos herumzuhacken. Als die Jungen älter werden, werden sie außerdem zu Rivalen um die Gunst der hübschen Bardala. Vonatorix, gewohnt, alles zu bekommen, was er will, reizt Vindepos bis zur Weißglut und liefert sich sogar eine Schlägerei mit ihm. Als Bardala sich letztlich doch für Vindepos entscheidet, speit Vonatorix Gift und Galle.

Raitorix ist der älteste Sohn des Hochfürsten, allerdings ein Bastard. Von seinem Vater in der Thronfolge nicht berücksichtigt zu werden, wurmt ihn gewaltig. Raitorix ist ein guter Krieger und versteht es außerdem, Leute für sich zu gewinnen. Dass er noch weit mehr ist als das, wird dem Leser im Laufe der Erzählung nur zu bald klar. Vindepos und sein Lehrmeister scheinen allerdings die Einzigen zu sein, die etwas davon bemerken. Raitorix scheint fest entschlossen, Vindepos‘ Förderer zu werden. Vindepos gefällt das gar nicht, und spätestens als Raitorix beginnt, ihm nachzustellen, ist der Bruch absehbar.

Queiragnos ist der undurchsichtigste Charakter des Buches. Zu Anfang ist er Vindepos durchaus eine Hilfe, im weiteren Verlauf jedoch wird seine Handlungsweise immer zwiespältiger. In seiner Eigenschaft als Druide und mit einer gewissen Fähigkeit des Sehens begabt, lässt er sich nicht so einfach beurteilen. Seine Gedanken bleiben vage, sein Mienenspiel undeutbar. Über seine Gefühle und Beweggründe wird nichts verraten. Der Leser wird sich wohl bis zum bitteren Ende mit der unbeantwortbaren Frage herumschlagen müssen, wer Queiragnos wirklich ist: der Druide, der nur den Willen der Götter vollzieht, die ihn zum Judas bestimmt haben, oder der Mann, der aus eigener Überzeugung handelt. Wie weit ist er bereit zu gehen?

Aus diesen gekonnt und glaubhaft geschilderten Personen und vor dem Hintergrund der altertümlichen Keltenkultur hat Wolfgang H. Weber einen gelungenen Roman konstruiert. Die Handlung ist eher ruhig gehalten, Charaktere und Intrigen nehmen einigen Raum ein, trotzdem passiert noch genug, um keine Langeweile aufkommen zu lassen, angefangen bei dem erwähnten Gewittersturm, über Krieg und Schlacht bis hin zu Entführung und Mord. Beide Seiten hat der Autor gekonnt ausbalanciert.

Die Lebensumstände der Menschen, manchmal lediglich im Detail angedeutet, kommen dennoch sichtbar zum Ausdruck. Rechtsprechung, Währung, Kleidung, Bräuche, Religion, das alles fügt sich zum Bild einer durchaus komplexen Kultur zusammen. Um dies zu unterstützen, hat der Autor an vielen Stellen Wörter aus der keltischen Sprache eingefügt. In Bezug auf religiöse Begriffe oder Worte, die Charakteristisches der damaligen Kultur beschreiben, wie den Kriegerbund des Raitorix, war das durchaus gelungen, als es dann aber an Begriffe ging, die lediglich Verwandtschaftsverhältnisse darlegten, wurde es etwas übertrieben. Immerhin war das Glossar vorbildlich aufgebaut, sodass es beim Nachschlagen keine Probleme gab, und mit der Zeit erübrigte sich das auch.

Abgesehen von besagtem Nachschlagen liest das Buch sich leicht und flüssig. Nebensätze in den Hauptsatz einzubetten, anstatt sie hintendran zu hängen, ist inzwischen zwar nicht mehr allzu üblich und zwingt deshalb zu etwas mehr Konzentration, das schadet aber nichts. Das Lektorat war ausnehmend gut!

Da Vindepos bisher „nur“ bis zum Barden gekommen ist, steht die Religion noch eher im Hintergrund, was sich im zweiten Band aber ändern dürfte, denn der trägt den Titel „Vindepos der Seher“. Das Bedauerliche ist nur, dass dieser Folgeband offenbar noch nirgendwo erschienen ist, obwohl der erste bereits im Jahr 2000 veröffentlicht wurde und der dritte Teil „Vindepos der Druide“ auch schon geschrieben ist! Der Homepage des Autors ist zu entnehmen, dass er offenbar keinen Verlag finden kann.

Vielleicht hat der erste Band nicht die erwarteten Verkaufszahlen gebracht. Das hätte das Buch in der Tat nicht verdient! Mag sein, dass der Grund dafür in dem schlichten, unauffälligen Cover zu suchen ist, das ich persönlich als edel und recht passend empfinde. Im Gros der bunten Umschläge dürfte es durchaus auffallen, ob es aber auch zum Kauf animiert … Manch einer fühlt sich eventuell auch durch den Preis abgeschreckt, der mit 14,00 Euro für nicht mal dreihundert Seiten doch ziemlich hoch liegt.

Trotzdem: Ich fand das Buch auf jeden Fall äußerst lesenswert, eine angenehme Abwechslung für jemanden, der sich für diese Kultur interessiert, von den Massen an Artus-Literatur aber allmählich genug hat.

Wolfgang H. Weber studierte Germanistik und Geschichtswissenschaft und schreibt bereits seit 15 Jahren, nicht nur Historienromane, sondern auch Science-Fiction. „Vindepos der Barde“ ist das einzige seiner Bücher, das bisher verlegt wurde. Äußerst schade! Nicht nur, weil ich gerne wüsste, wie Vindepos‘ Geschichte weitergeht, auch einige andere Titel aus seiner Liste klingen sehr vielversprechend!

http://www.wolfganghweber.de/romane.htm
http://www.wolfganghweber.de/einleitu.htm

Fallon, Jennifer – Kind der Götter (Dämonenkind Band 2)

Nach den dramatischen Ereignissen Ende des [ersten Bandes 1328 ist R’shiel nun im Sanktuarium angekommen. Die Harshini nehmen sie sehr freundlich auf, und mit den Scharen von Dämonen, die ebenfalls dort leben, schließt R’shiel schnell Freundschaft. Sie lernt, das Band zwischen ihrem Harshini-Blut und den Dämonen zu verstehen und ihre magischen Kräfte zu gebrauchen. Am liebsten würde sie im Sanktuarium bleiben, letztlich jedoch stellt sich heraus, dass sie das auf Dauer nicht tun kann. Sie kehrt zurück zu ihren Freunden …

Tarjanian Tenragan weilt inzwischen an der Grenze zu Karien, zusammen mit Hochmeister Jenga, Schwester Mahina Cortanen und Damin Wulfskling aus Hythria. Und mit Frohinia Tenragan. Die Erste Schwester stellt inzwischen keine Bedrohung mehr dar. Dafür allerdings ein ernstes Problem. Denn das Konzil der Schwesternschaft steht bevor, und diese hat noch keinerlei Kenntnis von den Geschehnissen. Da taucht Obrist Garet Warner auf, geschickt vom Quorum, das sich über die neuen Befehle der Ersten Schwester etwas wundert.

Während die Hüter so gut es geht ihre Nordgrenze sichern, befindet sich die fardohnjische Prinzessin Adrina auf dem Weg nach Karien. Sie soll dort den karischen Kronprinzen Cratyn ehelichen, als sichtbares Zeichen eines Bündnisses zwischen Karien und Fardohnja. Denn ihr Vater gedenkt, den Krieg zwischen Karien und Medalon auszunutzen. Die Karier möchten, dass er Medalon im Süden angreift. König Hablets begehrlicher Blick jedoch richtet sich nach Hythria, mit dem er schon seit Jahrzehnten im Zwist liegt. Die Karier zu unterstützen, liegt ihm fern.

In Karien indes sammelt sich das Heer zum Angriff auf Medalon. Kaum ist der Kronprinz eingetroffen und vermählt, begibt er sich an die Front. Seine Gemahlin besteht darauf, ihn zu begleiten, allerdings keineswegs aus Anhänglichkeit! Karien indes beschränkt sich nicht darauf, Truppen an die Front zu schicken. Kariens Gottheit Xaphista persönlich mischt durch ihre Priester gehörig mit. Und er ist nicht der einzige Gott, der sich einmischt …

Der Aufenthalt im Sanktuarium hat R’shiel geholfen, ihr Harshini-Erbe zu akzeptieren, auch wenn sie die Anrede „Dämonenkind“ noch immer nicht leiden kann. Mit der Mission als solcher will sie noch immer nichts zu tun haben. Ihre Treue und ihr Einsatz gelten eindeutig ihren Freunden und Medalon. In allererster Linie will sie die Karier aus dem Land fern halten, dafür geht sie sogar das enorme Risiko ein, in die Zitadelle zurückzukehren. Sie will versuchen, das Schwesternkonzil zu beeinflussen. Sämtliche Warnungen Brakandarans und auch der Hinweis von Dacendaran, in der Zitadelle hielten sich Anhänger Xaphistas auf, können sie davon nicht abbringen.

In dem Maße, wie R’shiel an geistiger Reife gewinnt, verliert ihr Aufpasser Brakandaran seine Vorbehalte gegen sie. Als R’shiel in Gefahr gerät, und Zegarnald ihn daran hindert, ihr zu helfen, wird er schier tobsüchtig. Für die angeführten Gründe des Kriegsgottes hat er kaum mehr übrig als für die ihm von den Göttern aufgezwungene Gratwanderung zwischen der Aufgabe als R’shiels Beschützer und ihrem Henker.

Frohinia ist als Gegenspielerin weggefallen. Ihren Platz nimmt in ausgeweiteter Form der Hüter-Soldat Loclon ein, ein sadistisches, feiges Schwein, das R’shiel und Tarjanian bereits im ersten Band schwer zu schaffen machte. Beide hasst er mit Inbrunst, aber vor allem an R’shiel will er sich rächen, koste es, was es wolle. Trotz seiner Charaktermängel hat es dieser Kerl – wie so oft im wirklichen Leben – auf nicht nachvollziehbare Weise geschafft, zum Hauptmann befördert zu werden und nicht nur das! Anstatt in Grimmfelden zu verschimmeln, darf er jetzt Kadetten ausbilden. In der Zitadelle!

Abgesehen von diesen werden in „Kind der Götter“ zwei neue Charaktere wichtig, die im ersten Teil nur am Rande erwähnt wurden.

Damin Wulfskling, einst Tarjanians Gegenspieler an der Südgrenze, findet sich durch Brakandarans Eingreifen plötzlich als Verbündeter der Hüter gegen Karien wieder. Das ergibt sogar Sinn, denn es ist klar: Sollte Medalon unterliegen, kann nichts die Karier davon abhalten, als nächstes Hythria anzugreifen. Von der gegenseitigen Achtung, die beide Männer bereits im Kampf voreinander hatten, ist es nicht allzu weit bis zur Freundschaft, wenn man einen gemeinsamen Gegner hat. Gleich und gleich gesellt sich nun mal gern, und Damin ist tatsächlich von ähnlichem Schlag wie Tarjanian, wenn man davon absieht, dass er dazu neigt, ernste Situationen nicht ernst zu nehmen.

Adrina ist eine echte Prinzessin: verwöhnt, zickig und mit einer äußerst scharfen Zunge bewaffnet. Zimperlichkeit dagegen kann man ihr nicht nachsagen, auch nicht gegen sich selbst. Die Tatsache, dass sie aus Fardohnja stammt, wo die Menschen in ihrer Kleidung und ihrem Liebesleben eher freizügig sind und Frauen durchaus um ihre Meinung gefragt werden, muss zwangsläufig zu Konflikten mit den Kariern führen, wo Tugendhaftigkeit und Sittenstrenge groß geschrieben werden und das Los der Frauen sich durch Gehorsam gegenüber ihren Männern auszeichnet. So muss Adrina recht schnell erkennen, dass ihr Gemahl im Grunde zwar ein Waschlappen sein mag, sie aber aufgrund des karischen Ehegelübdes fast vollständig in der Hand hat. Doch Adrina wäre nicht die gefüchtetste Tochter ihres Vaters, wenn sie nicht dennoch Mittel und Wege fände, sich zu wehren.

Die Handlung verläuft diesmal weit ruhiger als beim letzten Mal, was durchaus kein Nachteil ist. Obwohl es mehrere Handlungstränge gibt, weil aus dem Blickwinkel mehrerer Personen erzählt wird, liegt die Gewichtung – nach Adrinas Ankunft dort – auf der Front, sprich auf Adrina und Damin, und auf der Zitadelle, sprich auf R’shiel und Loclon.
Der Handlungsteil an der Front ist dabei ausführlicher und überraschenderweise weniger spannend als der andere. Der Schwerpunkt liegt hier eher auf der Entwicklung der Beziehung zwischen Damin und Adrina, die sich zunächst spinnefeind sind.

Damin kannte Adrina zwar bisher nicht persönlich, dafür umso besser ihren Ruf als zänkische, herrische Furie. Er weiß, dass sie mit aller List und Tücke ums Entkommen kämpft, auch mit Verführung. Jenga hofft auf Informationen über die Karier, Damin allerdings ist überzeugt, dass zumindest die Hälfte ihrer Aussagen gelogen ist. Der karische Bengel, den sie bei sich hatte, offenbar ihr Page, hat ganz andere Gründe für ihr überraschendes Auftauchen in Medalon genannt als sie selbst.

Adrina ihrerseits ist von Damin Wulfskling äußerst überrascht. Sie hat ihn für einen läppischen, rückgratlosen Weichling gehalten, wie sein Onkel, den sie kennt, einer ist. Stattdessen trifft sie auf einen abgehärteten, derben Krieger, den sie als höchst ungehobelt empfindet. Viel lieber würde sie sich mit Tarjanian abgeben, sie hält ihn für leichter verführbar. Stattdessen hat sie hauptsächlich mit Damin zu tun, der allerdings eine außerordentlich tiefe Abneigung gegen sie hegt.
Der Schlagabtausch zwischen diesen beiden ist durchaus amüsant, auch wenn es letztlich doch kommt, wie es kommen muss …

Ansonsten kommt in diesem Strang nur eine einzige Schlacht vor, die man allerdings kaum als solche bezeichnen kann und deren Ausgang von vornherein feststeht. Hauptsächlich zeichnen sich die Kriegsparteien eher durch Nichtstun aus. Die Medaloner können nur warten, denn die Schwesternschaft lehnt den Krieg eigentlich ab, und ein Angriff käme für sie nie in Frage. Die Karier haben da keine Bedenken, umso erstaunlicher ist die Sorglosigkeit, mit der die Medaloner sich nach der ersten Schlacht besaufen oder den Gründungsfesttag feiern!

Das lange Stillhalten der Karier kann nur bedeuten, dass sie auf etwas Bestimmtes warten. Allerdings steht der Winter vor der Tür, für die schwer gepanzerten Ordensritter ein ernstes Hemmnis. Und selbst Jenga wundert sich irgendwann, dass die Karier sich seit ihrem ersten Angriff so ruhig verhalten. Ich dagegen wunderte mich, warum er nicht versucht, es rauszufinden. Spionage kann ihm angesichts der Intrigen in der Zitadelle doch kaum fremd gewesen sein! Diese Art und Weise, direkt ins Verhängnis zu laufen, empfand ich als höchst unbefriedigend.

Zumal im anderen Erzählstrang, der sich um R’shiel und die Zitadelle dreht, das Verhängnis schon vor R’shiels Aufbruch absehbar ist, was an der Front aber natürlich niemand weiß. Obwohl dem Leser frühzeitig klar ist, dass R’shiel in eine Falle läuft, weiß die Autorin den Leser durch kleine Winkelzüge bei der Stange zu halten, die dem scheinbar Unabwendbaren stets aufs Neue eine andere Richtung geben. Letztlich erstaunt es allerdings doch ein wenig, wie leicht es der Gefahr gelang, in den Palast der Schwestern einzudringen! In Anbetracht der Tatsache, dass Xaphista bereits zweihundert Jahre zuvor nach der Herrschaft über den gesamten Kontinent lechzte, sollte man meinen, dass er so etwas schon viel früher hätte versuchen können anstatt auf die Reife eines Dämonenkindes zu warten, das eine Bedrohung für ihn darstellt.

Der zweite Band hat mir besser gefallen als der erste. Jennifer Fallon ist weniger auf den Teil um Magie und Götter eingegangen, als ich es erwartet hatte, aber vielleicht kommt das noch, wenn es ins Finale geht. Loclons stumpfe Brutalität ist leider kein gleichwertiger Ersatz für Frohinias geschliffene Intelligenz, dafür ist Adrinas Charakter ein echter Gewinn. R’shiels Entwicklung ist gut dargestellt, und obwohl im Nachfolger weit weniger Action herrscht als im Vorgänger, fand ich ihn nicht weniger spannend. Vor allem reduzierte sich das Fliehen und Gefangengenommenwerden diesmal auf den Endteil, sodass das ermüdende Gefühl endloser Wiederholung ausblieb.

Die Ausdrucksweise der Autorin ist, was Stellung von Nebensätzen und Hauptsätzen angeht, manchmal etwas eigentümlich, aber das liegt vielleicht auch an der Übersetzung. Wirklich störend wirkt es nicht. Das Lektorat dagegen hat sich in keiner Weise gebessert! So heißt der König der Harshini – im ersten Band noch Korandellen genannt – jetzt plötzlich Korandellan! Und gelegentlich hat man den Eindruck, ein Satz wurde formuliert, dann teilweise umformuliert, aber die ursprüngliche Formulierung wurde vergessen zu streichen! Wer auch immer so was verbockt, sollte nachsitzen!

Jennifer Fallon stammt aus einer großen Familie mit zwölf Geschwistern. Sie hat in den verschiedensten Jobs gearbeitet, unter anderem als Kaufhausdetektivin, Sporttrainerin und in der Jugendarbeit. Letzteres scheint ihr immer noch nachzuhängen – unter ihrem Dach leben außer drei eigenen Kindern einige obdachlose Jugendliche als Pflegekinder. Schreiben tut sie nebenher. Die Trilogie |DemonChild| war ihre erste Veröffentlichung und gleich oben auf den Beststellerlisten. [„Kind der Magie“ 1328 und „Kind der Götter“ sind bereits auf Deutsch erschienen, auf den dritte Band „Kind des Schicksals“ müssen die Leser noch bis zum Herbst warten.

http://www.jenniferfallon.com/

_Jennifer Fallon bei |Buchwurm.info|:_

[„Kind der Magie“ 1328 (DemonChild Band 1)
[„Kind der Götter“ 1332 (DemonChild Band 2)
[„Kind des Schicksals“ 1985 (DemonChild Band 3)
[„Erbin des Throns“ 2877

Brennan, Herbie – Purpurkaiser, Der (Faerie Wars 2)

In [„Das Elfenportal“ 313 hat der junge Henry tatkräftig dabei mitgeholfen, das Elfenreich, dessen Kronprinz er zufällig im Garten gefunden hat, vor einem Bürgerkrieg zu bewahren.

Jetzt ist er auf dem Weg zu Mr. Fogarty’s Haus. Mr. Fogarty hat ihn gebeten, dort nach dem Rechten zu sehen und seinen Kater Hodge zu füttern. Denn Mr. Fogarty ist nicht mehr allzu oft zu Hause, seit er Torhüter im Kaiserpalast des Elfenreiches ist. An diesem Tag jedoch ist er zu Henrys Überraschung da, unter anderem, um ihm mitzuteilen, dass er, Henry, zu Kronprinz Pyrgus‘ Krönung eingeladen ist. Dessen Vater, der Purpurkaiser Apatura Iris, war nämlich bei Henrys letztem Besuch im Elfenreich ermordet worden.

Selbstverständlich nimmt Henry die Einladung begeistert an. Seine Begeisterung wird allerdings schwer gedämpft, als Pyrgus‘ Schwester Holly Blue auftaucht und ihm mitteilt, dass jemand vorhat, ein Attentat auf Pyrgus zu verüben. Während Mr. Fogarty Blue zurück ins Elfenreich folgt, muss Henry erst noch nach Hause und dafür sorgen, dass seine Mutter und seine Schwester ihn nicht vermissen, solange er fort ist. Das ist weiter kein Problem, nur ist leider der Portalöffner, den Mr. Fogarty gebaut hat, aus seinem Schrank verschwunden!

Während Henry in Mr. Fogartys Haus zurückkehrt und dort haareraufend versucht, so gut wie möglich einen neuen Portalöffner nachzubauen, überstürzen sich im Purpurpalast die Ereignisse: Lord Hearstreak strebt immer noch nach der Macht im Reich. Es ist ihm gelungen, an Pyrgus Stelle dessen kleinen Bruder Comma als designierten Purpurkaiser durchzusetzen und, da Comma noch nicht mündig ist, sich selbst als Reichsverweser! Pyrgus, Blue und Mr. Fogarty werden in die Verbannung geschickt. Als Henry endlich im Purpurpalast eintrifft, haben einige äußerst merkwürdige Veränderungen stattgefunden …

Vorweg gesagt: Auch die Fortsetzung des „Elfenportals“ ist eine höchst amüsante Lektüre! Der Leser begegnet sämtlichen Figuren wieder, die bereits den ersten Band so bunt und lebendig machten.

Brimstone, der Leimfabrikant, ist auf der Flucht vor dem Dämonenfürst Beleth bei einer grässlichen alten Vettel untergetaucht, die ihn ständig mit Knochensuppe füttert! Nicht ohne Hintergedanken, wie sich zeigt, denn eines Tages macht sie Brimstone das erstaunliche Angebot, ihn mit in ihr idyllisches, kleines Landhaus zu nehmen und nur noch die besten Speisen für ihn zu kochen, wenn er einwilligt, sie zu heiraten. Brimstone zögert, stimmt letztlich aber zu, mit dem Hintergedanken, sie danach so bald wie möglich umzubringen. Die Hochzeitszeremonie ist kaum vorrüber, da beginnt zwischen den beiden ein Wettlauf, wer wen zuerst umbringt!

Brimstones Teilhaber Chalkhill, den Prinzessin Blue als Spion Hearstreaks entlarvt hat, sitzt im Kittchen. Hearstreak lässt ihn dort schnurstracks herausholen, denn er will, dass Chalkhill Pyrgus für ihn tötet, und zwar während der Krönungsfeierlichkeiten. Chalkhill wird eine Tarnung verpasst, die allerdings nur mäßig funktioniert, weil Chalkhill ein schrecklicher Trampel ist und sich einfach nicht richtig bewegen kann. Ein Wurm soll ihn unterstützen, der in seinem Körper platziert wird. Chalkhill stimmt nur ungern zu, und kaum sitzt der Wurm in ihm drin, erfährt er auch schon, dass er ihn gar nicht mehr braucht, weil die Sache abgeblasen wurde. Fortan läuft Chalkhill mit einem unerwünschten Gast in seinem Hinterteil herum, der ihm ununterbrochen das Hirn vollquasselt. Aber es kommt noch schlimmer!

Zusätzlich zu den altbekannten Figuren tauchen auch neue auf. Die Seidenherrinnen, die den Auftrag hatten, Holly Blues Garderobe für die Krönungsfeier herzustellen, erweisen sich unvermutet als nützliche Verbündete, und die grün gekleideten Krieger, die Pyrgus, Blue und Mr. Fogarty auf dem Weg ins Exil angreifen, stellen sich als Waldelfen heraus. Das bislang für rückständig und ärmlich gehaltene Volk entpuppt sich als hochtechnisiert, diszipliniert und schlagkräftig.

Mit ihnen gehen eine Menge neuer Ideen einher: die der besonderen Seide, die die Seidenherrinnen verarbeiten, und ihre verschiedenen Wirkungen, ein Obsidian-Labyrinth, eine Menge Magie wie schwebende Flöße zur Fortbewegung, Verschleierungszauber und vor allem das Durchschreiten von Wänden, aber auch überdurchschnittliche Waffen! Folglich wundert es nicht, dass, während die Unterstützung der Seidenherrinnen eher passiver Natur ist, die Königin der Waldelfen vor aktivem Eingreifen durchaus nicht zurückschreckt.

So kommt es, dass wieder mal eine Menge Leute kräftig damit beschäftigt sind, ihr eigenes Netz zu spinnen, und sich dabei ständig in die Quere kommen! Hearstreak will Pyrgus aus dem Weg räumen, Pyrgus will Hearstreak Hochverrat nachweisen und ihm den gestohlenen und missbrauchten Leichnam seines Vaters wieder abnehmen, Chalkhill will Hearstreak ein Schnippchen schlagen und Purpurkaiser werden, Brimstone will seinen Hals vor Beleth retten, Beleth will sich an Hearstreak rächen, der ihn nach der Panne mit der Bombe („Das Elfenportal“) hat hängen lassen, und die Königin der Waldelfen will ihren Wald von Dunkelelfen und Dämonen säubern.

Klingt verwirrend, ist es aber gar nicht! Die einzelnen Handlungsstränge wechseln ziemlich oft, doch sind die Erzählabschnitte äußerst kurz gehalten, sodass nicht die Gefahr besteht, bis zur Fortführung des Strangs vergessen zu haben, wie er geendet hat. Der Plot ist nicht übermäßig kompliziert, der scheinbare Widerspruch zwischen Attentat und Pyrgus‘ Absetzung löst sich recht bald auf. Die Jagd und ihre Verwicklungen jedoch bieten so viel Abwechslung, dass keine Langeweile aufkommt. Die überraschende Enthüllung, wer der Dieb des kaiserlichen Leichnams war, tat ein Übriges. Insgesamt höchst angenehm zu lesen, auch wegen des wohltuend guten Lektorats, das nur einen einzigen Fehler durchließ.

„Der Purpurkaiser“ ist eine würdige Fortsetzung des „Elfenportals“. Henrys Welt tritt diesmal zugunsten des Elfenreichs fast vollständig in den Hintergrund, was ich fast ein wenig schade fand. Die Spannungen zwischen den beiden so verschiedenen Welten, die im ersten Band für einiges Amüsement sorgten, kommen nur in dem kurzen Teil vor, wo Henry und Blue versuchen, Mr. Fogarty aus einer Polizeistation herauszuholen. Trotzdem war ich während der gesamten Lektüre dauernd am Schmunzeln und konnte so manches Mal auch lauthals lachen. Die Tatsache, dass Pyrgus ganz offensichtlich für die Prinzessin der Waldelfen schwärmt, sowie Hearstreaks unverminderte Ambitionen, an die Macht zu kommen, lassen darauf hoffen, dass Henry noch weitere Abenteuer im Elfenreich zu bestehen haben wird. Ich bin jetzt schon neugierig.

Herbie Brennan lebt und arbeitet in Irland, und das sehr fleißig. Er hat Unmengen von Büchern geschrieben, von Historik über Psychologie und Esoterik bis Fantasy, von Romanen über Kurzgeschichten bis zu Software, für Erwachsene ebenso wie für Kinder und Jugendliche. Außerdem arbeitet er fürs Radio.

http://www.herbiebrennan.com
http://www.faeriewars.com
http://www.dtv.de/special__brennan/elfen__index.htm

Jennifer Fallon – Kind der Magie (Dämonenkind Band 1)

Seit vor ungefähr zweihundert Jahren das Volk der Harshini ausgemerzt wurde, herrscht in Medalon die Schwesternschaft des Schwertes. Die sogenannten Heiden, die trotz allem immer noch wagten, die alten Götter anzubeten, waren deshalb immer wieder erneuter Verfolgung ausgesetzt, denn Staatsreligion ist nun der Atheismus. In zweihundert Jahren ist es der Schwesterschaft gelungen, ein kleines, aber schlagkräftiges Heer aufzubauen: die Hüter, die aber hauptsächlich mit zeremoniellen Aufgaben oder mit Grenzscharmützeln im Süden beschäftigt sind, wo die benachbarten Hythrier ihnen regelmäßig das Vieh stehlen. Die Nordgrenze schützt ein Friedensvertrag, der noch aus einer Zeit stammt, als sowohl Medalon als auch das Nordreich Karien ziemlich am Boden lagen.

Jennifer Fallon – Kind der Magie (Dämonenkind Band 1) weiterlesen

Schweikert, Ulrike – Seele der Nacht, Die (Die Legenden von Phantásien)

Tahâma ist ein Blauschopf, ein Wesen des Lichts, des Winds und des Klangs. Die Blauschöpfe sind friedliche Künstler, die ihre Tage damit verbringen, alle möglichen Instrumente zu bauen und damit zu musizieren. Außerdem lieben sie alle möglichen Arten von Windspielen, die sie kunstvoll aus bunten Kristallen zusammensetzen. Von Waffen und Kämpfen verstehen sie nichts.

Das ist auch der Grund, warum sich das gesamte Volk dazu entschlossen hat, sein friedliches Tal zu verlassen und auszuwandern. Das Nichts, das schon seit längerem Phantásien bedroht, ist inzwischen auch bei ihnen aufgetaucht, und die finsteren Wesen, die schon seit Urzeiten in den umgebenden Bergen leben, dringen ebenfalls immer weiter vor. Der Bote, der zur Kindlichen Kaiserin gesandt wurde, ist nicht zurückgekehrt, dafür waren Wanderer aus dem Land Nazagur zu Besuch, die diesen Ort als wahres Paradies beschrieben haben. Vor allem soll das Nichts dieses Land verschont haben.

Nun ist Tahâma allein in dem verlassenen Dorf. Sie will nicht fortgehen, ehe der Bote zurück ist, und tatsächlich taucht er eines Abends auf. Doch eines der Ungeheuer, die draußen umherstreifen, hat ihm eine Wunde beigebracht, die er nicht überlebt. Alles, was er Tahâma noch mitteilen kann, ist, dass die Kindliche Kaiserin einen gewissen Atréju mit der Rettung Phantásiens beauftragt hat. Und sein Entsetzen darüber, dass sein Volk nach Nazagur gezogen ist! Tahâma schiebt seine erschrockene Warnung auf die schlechte körperliche Verfassung kurz vor seinem Tod. Noch am selben Abend macht sie sich auf den Weg zu ihrem Volk.

Unterwegs trifft sie auf den Jäger Céredas, der von einem Wolf am Bein verwundet wurde. Ein Erdgnom namens Wurgluck kann die Wunde zwar heilen, ist damit aber überhaupt nicht zufrieden. Er weiß, dass es kein gewöhnlicher Wolf war, der Céredas da gebissen hat! Seine Besorgnis geht so weit, dass er den beiden folgt, um Céredas zu beobachten. Schon bald mehren sich die Anzeichen, dass seine Befürchtungen nicht unbegründet sind.
Dann erreichen sie Nazagur …

„Die Seele der Nacht“ ist Ulrike Schweikerts Beitrag zu den „Legenden von Phantásien“.
Ihre Tahâma ist ein recht entschlossenes Mädchen. Was sie sich einmal vorgenommen hat, das zieht sie auch durch, ob es nun die Suche nach ihrem Volk ist, die Rettung ihres Freundes Céredas oder ihr Entschluss, den Weisen der Stadt Krizha um Hilfe zu bitten. Natürlich schafft sie das alles nicht ohne Hilfe.

Wurgluck ist zwar ein kauziger kleiner Kerl und schnell beleidigt, aber er ist auch klug und ein wertvoller Berater sowie ein treuer Freund. Wohin Tahâma auch geht, der Erdgnom ist dabei, auch wenn er dafür reiten oder in einem Rucksack sitzen muss!
Céredas, der stolze Jäger aus den schwarzen Bergen, dagegen ist ein weit schwierigerer Geselle. Abgesehen davon, dass er ziemlich von sich eingenommen scheint, hat er die schlechte Angewohnheit, in der Nacht ständig davonzuschleichen, ohne den anderen Bescheid zu sagen. Je weiter sie ins Landesinnere kommen, desto launischer wird er.

Viel mehr gibt es über die Charaktere nicht zu sagen, was auch schon wieder etwas aussagt. Sie bleiben alle mehr oder weniger blass. Tahâma ist die typische Heldin, die entschlossen ist, das Böse zu vernichten und ihr Volk zu retten, notfalls auch alleine. Das lässt sich natürlich bis zu einem gewissen Grad nicht vermeiden, denn eine gleichgültige oder selbstsüchtige Protagonistin würde sich einfach aus dem Staub machen, und was gäbe es dann für eine Geschichte zu erzählen? Außer dieser Motivation ist ihre erwachende Liebe zu Céredas jedoch das Einzige, das man von ihr erfährt. Sie hat keine besonderen Neigungen oder Vorlieben, keine Zukunftspläne, keine Erinnerungen, an denen sie hängt.

Auch Céredas fehlt ein solcher Hintergrund. Zwar begleitet er Tahâma, um zu sehen, ob Nazagur auch seinem Volk Zuflucht vor dem Nichts bieten kann, verschwendet im Laufe der Reise jedoch nicht ein einziges Mal einen Gedanken an nahe stehende Personen wie Familienmitglieder oder Freunde. Für seine Launenhaftigkeit kann er nichts, wie sich schnell herausstellt, sie hat ihre Ursache in dem Wolfsbiss. Den inneren Kampf, den Céredas mit sich ausfechten muss, bekommt der Leser allerdings kaum mit, weil seine Gedanken nur drei- oder viermal kurz erwähnt werden, wenn es um seine wachsende Zuneigung zu Tahâma geht.

Tahâmas Gefühle wiederum scheinen lediglich daher zu kommen, dass Céredas sie ein paarmal aus warmen braunen Augen angesehen hat. Mehr erfährt man zumindest nicht.

Der Erdgnom mit seinem scharfen Verstand und seiner Kauzigkeit hätte das Potenzial zu einem wirklich liebenswerten Charakter gehabt. Ich konnte nur nicht verstehen, warum er den Mund nicht aufmacht! Er weiß ganz genau, dass Céredas von einem Werwolf gebissen wurde. Das sagt er den beiden auch. Außer ihm scheint sich aber keiner über die Folgen Gedanken zu machen, nicht einmal, als sie absehbar werden. Wurgluck warnt Tahâma durchaus vor Céredas, aber seine vagen Andeutungen sind nicht geeignet, das bereits verliebte Mädchen davon zu überzeugen, dass ihr Schwarm eine Gefahr für sie darstellt. Warum sagt er ihr nicht klipp und klar, was Sache ist? Zumal auch Aylana und Céredas selbst sie bereits gewarnt haben.

Abgesehen davon: Wieso wird Céredas durch den Biss eigentlich kein Werwolf, sondern ein Sklave des Schattenlords? Steht dieser in irgendeiner Verbindung zu Gmork? Und selbst wenn, der Gmork ist kein phantásisches Wesen. Unwahrscheinlich, dass er von einem Phantásier beherrscht werden könnte!

Noch schemenhafter als die Hauptfiguren bleiben die Nebenfiguren Aylana, ihr Bekannter Ýven und die Spinnenfrau. Sie sind reine Zweckfiguren. Aylana hilft Tahâmas Gruppe und bietet ihr Unterschlupf. Ýven versucht offenbar, den Grund des Universums zu erforschen. Der Versuch, in einem Gespräch zwischen Wurgluck und Ýven die Ursache für die Geschehnisse in Nazagur und ganz Phantásien herauszufinden, gerät allerdings eher vage. Die Spinnenfrau Crachna fügt dem nur wenig hinzu.

Natürlich kennen erfahrene Phantásien-Leser den Grund für das Nichts längst. Warum aber Nazagur davon verschont bleibt, dafür bietet die Autorin keine plausible Erklärung. Die einzige Frage des Buches, die beantwortet wird, ist die nach dem Wachstum Nazagurs: Wenn die Menschheit dazu übergeht, sich anstelle von Außergewöhnlichem nur noch Horror und Grausamkeit auszudenken, dann wird eben auch Phantásien zu einem einzigen Ort des Horrors und der Grausamkeit.

Die Autorin sagt selbst von sich, dass Vampire sie faszinieren. Ob aber deshalb der Schattenlord wie ein Abklatsch der unzähligen bereits existierenden Gruselfiguren wirken muss, ist eine andere Frage. Wer nimmt eine Schauerfigur ernst, deren gesamte Erscheinung aus einer Sammlung von Klischees besteht? Und wie kommt es, dass dieser Schattenlord sich offenbar der Tatsache bewusst ist, dass er ein erdachtes Geschöpf ist? Dass Crachna, die mit ihren Augen offenbar bis in die Menschenwelt sehen kann – was auch schon ungewöhnlich ist! – dies weiß, mag noch nachvollziehbar sein. Aber woher weiß es der Schattenlord? Überhaupt wissen in Schweikerts Geschichte ziemlich viele über die Menschenwelt bescheid, auch Ýven und Wurgluck. Sehr verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Geschichte zeitgleich zur „Unendlichen Geschichte“ spielt, einem Zeitpunkt also, wo seit unsagbar langer Zeit kein Menschenkind mehr in Phantásien gewesen ist und alle möglichen Wesen Boten zur Kindlichen Kaiserin schicken, weil sie nicht wissen, was es mit dem Nichts auf sich hat!

Das größte Manko des Buches ist jedoch, dass man kaum bemerkt, dass es in Phantásien spielt. Abgesehen davon, dass am Rande die Kindliche Kaiserin, Atréju, der Gmork und das Nichts erwähnt werden, lässt nichts darauf schließen, wo man sich befindet. Die Landschaften sind zwar abwechslungsreich, könnten sich aber genausogut in der Menschenwelt befinden. Von den Personen, die vorkommen, besitzen offenbar nur der Schattenlord und die Blauschöpfe außergewöhnliche Fähigkeiten. Die einzigen bunten Farbtupfer im ganzen Buch sind die Darstellungen im Zusammenhang mit der Magie der Kristalle und der Musik der Blauschöpfe und das Vorkommen des Erdgnoms. Enttäuschend! Hier hätte ich mir eindeutig mehr Einfallsreichtum gewünscht.

Dieser Band ist auf jeden Fall der schwächste der drei, die ich bisher gelesen habe. Außer nackter Handlung ist hier nicht viel zu holen. Keine Charaktere, mit denen man wirklich mitfiebern würde, eine Menge Fäden, die nicht miteinander verknüpft wurden, logische Brüche in sich und zur Vorlage … Dem Buch fehlt jegliches Flair, das man sonst mit dem Gedanken an Phantásien verbindet, und man fragt sich, wie lange es her ist, dass die Autorin die Vorlage gelesen hat. Dabei wäre bei nur rund 300 Seiten durchaus noch genug Raum gewesen, um Facetten zu vertiefen und Fragen zu beantworten. Was hat Aylana dazu bewogen, einfach geschehen zu lassen, was mit ihr geschah, ohne wenigstens den Versuch zu unternehmen, etwas dagegen zu tun? Ýven ist ein Forscher und rennt ständig mitten im Gespräch davon zu seinen Experimenten. Was denn überhaupt für welche? Welchen Zweck erfüllt eigentlich der Kristall Krísodul, wenn Tahâma ihre Musikmagie auch ohne ihn wirken kann? Und wieso kann ihr Großvater Centhân, der ja offenbar über ebenbürtige Fähigkeiten verfügt, Krizha ohne Krísodul nicht mehr beschützen? Fehlanzeige! Fast scheint es, als hätte die Autorin zu diesem Roman keine rechte Lust gehabt.

Ulrike Schweikert, gebürtig in Schwäbisch Hall, war nach der Schule zuerst im Bankwesen tätig, ging dann an die Universität, um Geologie zu studieren, schob später noch ein Studium in Journalistik nach. Mit „Die Tochter des Salzsieders“ wurde sie bekannt, seit „Die Hexe und die Heilige“ ist sie hauptberufliche Schriftstellerin. Ihre Krimis und Fantasygeschichten erscheinen unter dem Pseudonym Rike Speemann. In der Liste ihrer Arbeiten finden sich auch Jugendbücher und eine Theaterversion der „Tochter des Salzsieders“. Zurzeit schreibt sie an der Fortsetzung ihres Vampirkrimis „Der Duft des Blutes“.

Gebundene Ausgabe: 336 Seiten
ISBN-13: 978-3-426-19643-4

http://www.droemer-knaur.de/home
http://www.ulrike-schweikert.de/

Der Autor vergibt: (2.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Kinkel, Tanja – König der Narren, Der (Die Legenden von Phantásien)

Die Weberinnen von Siridom sind berühmt für ihre kunstvollen Teppiche, und das zu Recht, denn diese Teppiche zeigen nicht nur irgendwelche beliebigen Muster, sondern Bilder. Bilder von längst vergangenen und fast vergessenen Geschehnissen aus Phantásien. Auf ihre Weise sind die Weberinnen Bewahrer der Geschichte, Historiker, und zu ihnen zu gehören, ist eine große Ehre.

Eine Ehre, mit der die junge Res nicht viel anfangen kann! Die Aussicht, ihr ganzes Leben in Siridom am Webstuhl zu verbringen, ödet sie an! Sie würde viel lieber mit den Trossen der Handelswagen auf Reisen gehen, um die Welt, die sie in ihre Bilder webt, selbst zu sehen! Völlig überraschend erhält sie die Gelegenheit: Ein Handelstross ist dem Nichts begegnet und kehrt völlig leer und grau zurück, nur die Zugtiere und eine Katze sind noch da. Der Gildenmeister verspricht zwar, eine Gesandtschaft zur Kindlichen Kaiserin zu schicken, macht sich aber stattdessen mit seiner ganzen Familie aus dem Staub! Res beschließt, selbst etwas zur Rettung Phantásiens zu unternehmen. Sie will den Verlorenen Kaiser finden. Ein einziger, uralter Wandteppich erzählt davon, dass dieser Kaiser Phantásien schon einmal gerettet hat, allerdings starb die Weberin vor der Vollendung des Teppichs, sodass niemand weiß, was aus dem Kaiser geworden ist. Bestellt wurde der Teppich von der Fürstin der Stadt Kading, deshalb beschließt Res, ihre Suche dort zu beginnen. Die Katze, die sie in dem leeren Handelstross gefunden hat, nimmt sie mit, denn die Katze hat behauptet, den Weg nach Kading zu kennen. Aber kann Res der Katze trauen?

Tanja Kinkels Phantásien-Geschichte spielt zeitgleich zu den Erlebnissen von Atréju, obwohl dieser namentlich kein einziges Mal erwähnt wird. Die Autorin spricht von einem Gesandten, den die Kindliche Kaiserin ausgesandt hat. Den genauen Zeitpunkt erfährt der Leser jedoch erst gegen Ende, als Res dem Wandernden Berg begegnet.

Res ist ein recht burschikoses Mädchen. Häuslichkeit liegt ihr nicht, sie will Abenteuer erleben. Vor allem aber will sie nicht alles, was es zu wissen gibt, aus zweiter Hand erfahren! Sie will ihre eigenen Erfahrungen machen! Allerdings hat sie sich diese Erfahrungen anders vorgestellt. Ganz allein in die Welt hinauszuziehen, ist eben bei weitem nicht so einfach wie in einer Gruppe, zumal eine der Erfahrungen zeigt, dass gute Absichten nicht unbedingt gute Taten, und gute Taten nicht unbedingt gute Folgen nach sich ziehen! Überhaupt ist das mit dem Gut und Böse gar nicht so einfach. So sind die Federwesen aus Haruspex überhaupt nicht erbaut von Res‘ Lebensrettungsaktion, und Haruspex ist nicht der einzige Ort, wo Res sich Feinde macht.

Die Katze unterstützt sie darin höchst erfolgreich. Nicht, weil sie Res wirklich schaden will! Nur liegt es eben nun mal im Naturell einer Katze, dass sie selbstsüchtig denkt. Die Katze ist meiner Meinung nach der gelungenste Charakter des ganzen Buches: Abgesehen von ihrem Egoismus ist sie auch noch ein bisschen arrogant, unberechenbar und gelegentlich auch hinterlistig. Sie hilft Res immer nur dann, wenn es ihren eigenen Interessen dient. Und sie hält sich immer und überall ein Hintertürchen offen. Dass sie mehr ist als eine Katze, hört Res zum ersten Mal von ihrem zweiten Begleiter Yen Tao-Tzu. Der Katze ist das gar nicht recht, denn er rührt damit unwissentlich an ein Geheimnis, das gerade Res keinesfalls erfahren darf.

Yen Tao-Tzu wird zu diesem Zeitpunkt allerdings von Res nicht ernst genommen, denn er ist geistig verwirrt. Für den Leser ist relativ schnell klar, dass er ein Menschenkind ohne Erinnerungen sein muss, aber Res ist Phantásierin und weiß nichts von Menschenkindern. Und es ist schwer, selbst die einfachsten Lösungen zu entdecken, wenn man nicht wissen kann, dass man die falschen Fragen stellt.

So fliegt Res mit ihren Begleitern einen langen Weg durch Phantásien, um ein Mittel gegen das Nichts zu finden, und kommt dabei zu vielen verschiedenen Orten und Wesen. Fast ein paar zu viele, könnte man meinen. Tanja Kinkels Geschichte beinhaltet fast doppelt so viele Stationen wie [„Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz“ 1095 von Ralf Isau, aber die Ausarbeitung ist sehr unterschiedlich. Manche werden nur kurz gestreift, manche etwas ausführlicher behandelt. Insgesamt bleibt die Ausarbeitung Kinkels jedoch weit hinter Isaus zurück. Mag sein, dass die gut 350 Seiten nicht genug Platz hergaben für eine detailliertere Beschreibung, andererseits hätte mehr Raum dafür zur Verfügung gestanden, wenn Res ein paar Orte weniger bereist hätte. Stattdessen sind die Ausgestaltungen der verschiedenen Orte ziemlich oberflächlich geblieben und Kinkels Phantásien damit fern und diffus.

Auch die Charaktere der meisten Wesen, denen Res begegnet, haben nur wenig Tiefe. Einzige Ausnahme bilden diejenigen, die Res folgen bzw. verfolgen.
Die Leonesen wollen den Tod eines der Ihren rächen. Dass an diesem Tod nicht allein Res schuld ist, ist ihnen dabei völlig unwichtig. Aber Blutrache hatte ja auch noch nie etwas mit Logik oder Vernunft zu tun. Die Federwesen machen Res für den Untergang ihres Dorfes verantwortlich. Auf den Gedanken, dass das Nichts ihr Dorf auf jeden Fall verschlungen hätte, kommen sie nicht im Traum. Es ist einfacher, einen Schuldigen zu suchen! Die Fürstin von Kading schließlich ist eine Herrscherin, die fast ein wenig an Kaiser Nero erinnert: eitel, gelangweilt, gleichgültig und grausam. Im Laufe ihrer Reise trifft Res diese Wesen immer wieder an den unterschiedlichsten Stellen. Zusammen mit dem Umstand, dass auch in diesen Fällen das erste Zusammentreffen in der jeweiligen Heimat recht knapp ausfällt, vermitteln diese ständigen, vorübergehenden Treffen den Eindruck von Zerissenheit. Der Handlungsverlauf scheint irgendwie zerfasert und zerfleddert, was schade ist. Auch hier gilt: weniger wäre mehr gewesen, und ein Verfolger besser als drei.

Der Handlungsverlauf schwächelt auch noch an anderen Stellen.
So wird zum Beispiel nicht ganz klar, warum die Fürstin Res überhaupt verfolgt. Vielleicht wollte sie einfach nur die Scharte auswetzen, dass Res die Flucht gelungen ist, vielleicht empfand sie tatsächlich so etwas wie Respekt für diese Leistung und wollte Res deshalb als Verbündete, oder vielleicht befürchtete sie Konkurrenz. Wie auch immer, hier verliert sich Kinkel in Andeutungen, die entweder nur für höchst intelligente Leute nachvollziehbar oder generell einfach etwas zu wirr sind, um die Beweggründe und Ziele der Fürstin wirklich zu verstehen.

Ein weiterer Punkt, der ungeklärt bleibt, ist der, wie und warum Yen Tao-Tzu das Betreten von Kading überleben konnte. Die Autorin bietet lediglich einen Erklärungsversuch der Katze, der aber unlogisch ist, denn Yen Tao-Tzu ist ein Menschenkind und sein Leben daher, anders als vielleicht bei Phantásiern, nicht nur Gedanke sondern auch Körper. Yen Tao-Tzu selbst widerspricht der Katze unmittelbar, seine eigene Deutung aber erfährt der Leser nicht, weil die Autorin ihn von einem Federwesen unterbrechen lässt!

Dazu kommen logische Brüche zur Vorlage Michael Endes. Einen davon nimmt die Autorin bewusst in Kauf, nämlich die Tatsache, dass Yen Tao-Tzu auf irgendeine Weise von allein seine Sprache und seine Erinnerungen zurückerhält. Argax, das Äffchen aus der Alten Kaiser Stadt, stellt lapidar fest, dass das eigentlich nicht möglich sein sollte. Die Tatsache, dass Yen Tao-Tzu als einziges Menschenkind bewusst und freiwillig in die Alte Kaiser Stadt kam, kann dafür keine ausreichende Erklärung sein!

Die kategorische Aussage, dass Yen Tao-Tzu der kindlichen Kaiserin keinen neuen Namen geben kann, weil er es bereits einmal getan hat, ist ebenfalls so nicht richtig. Koreander erklärt Bastian am Ende der „Unendlichen Geschichte“, dass er Mondenkind nur so lange nicht wiedersehen könne, wie sie Mondenkind sei, dass er sie aber wiedersehen könne, wenn er ihr einen neuen Namen gäbe. Die Katze, mit der Res über diese Angelegenheit spricht, muss das wissen, denn sie ist ein Wanderer!

Trotz all dieser Mankos ist das Buch nicht wirklich schlecht. Wo sich die Autorin die Mühe gemacht hat, wirklich ins Detail zu gehen, sind die Darstellungen richtig gut gelungen. Das gilt ganz besonders für die Katze und die Federwesen aus Haruspex. Die übrigen Ideen hatten ebenfalls durchaus Potenzial und hätten im Falle einer genaueren Ausarbeitung eine echte Bereicherung für Phantásien darstellen können, was ja das erklärte Ziel dieser Buchreihe ist.

Bemerkenswert ist das Ende von Res‘ Reise, wo die Protagonistin in einem Aufwallen von Überdruss von der Heldin zur Antiheldin mutiert! Eine Wendung, die nicht unbedingt zu erwarten war und zusammen mit dem Charakter der Federwesen einen wirklich großen Wurf hätte bedeuten können, wenn sich Tanja Kinkel nicht in ihrer Fülle von halb Angedachtem verheddert, sondern sich auf diese Punkte konzentriert hätte.

Insgesamt ist „Der König der Narren“ durchaus lesenswert, auch wenn er meiner Meinung nach mit der „geheimen Bibliothek …“ von Ralf Isau nicht mithalten kann. Dafür fehlt ihm das gewisse Etwas, vielleicht das Quentchen mehr Fingerspitzengefühl, mit dem Isau seine Geschichte an die Vorlage angeschlossen hat, vielleicht auch einfach nur die konsequente und liebevolle Ausgestaltung der wenigen Orte und Personen, denen die Protagonisten begegnen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass Frau Kinkel bisher eher Historienromane als Fantasy geschrieben hat. Jedenfalls hatte „Die geheime Bibliothek …“ eine Portion mehr Flair. Bleibt abzuwarten, was die übrigen Bände dieser Reihe noch zu bieten haben.

Tanja Kinkel stammt aus Bamberg, studierte in München unter anderem Germanistik und Theaterwissenschaften, hat mehrere Literaturpreise und Stipendien gewonnen. Außer Historienromanen, die größtenteils im Mittelalter spielen, hat sie inzwischen auch einen Roman über die Gründung Roms und einen „neuzeitlichen“ Roman geschrieben. Auch ein Jugendbuch mit dem Titel „Die Prinzen und der Drache“ findet sich in der Liste. „Der König der Narren“ war ihr letztes Buch, mit dem sie sich Anfang des Jahres auf Lesereise befand. Zur Zeit ist sie mit „Götterdämmerung“ unterwegs.

Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
ISBN-13: 978-3-426-19641-0

http://www.droemer-knaur.de/home
http://www.Tanja-Kinkel.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Isau, Ralf – geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz, Die (Die Legenden von Phantásien)

Eine von Karl Konrad Koreanders herausragendsten Eigenschaften ist seine Liebe zu Büchern. Eine weitere ist die Tatsache, dass er sich selbst so gut wie gar nichts zutraut und deshalb möglichst vermeidet, irgendwelche Entscheidungen zu treffen. Außerdem neigt er dazu, unbequeme Fragen zu stellen, was allerdings weniger auf Mut als auf Unbedachtheit zurückzuführen ist.
Dem Antiquar Thaddäus Tillmann Trutz jedoch scheinen die Fragen des jungen Mannes zu gefallen. Und auch seine Antworten. Er bietet ihm eine Stelle in seinem Laden an mit der Option, sein Nachfolger zu werden. Koreanders kühnste Träume scheinen wahr zu werden. Doch dann ist der alte Mann plötzlich verschwunden! Und die Generalvollmacht für den Laden ist nicht unterschrieben. Formaljuristisch ein wertloser Fetzen Papier, wie ihm Trutzens Notar versichtert. Doch Herr Trutz war ein sehr kautziger alter Mann, und dementsprechend sieht auch das Testament aus. Koreander macht sich auf Empfehlung des Notars auf die Suche nach Herrn Trutz.
Das Antiquariat des Herrn Trutz stellt sich als überraschend weitläufig heraus, und die Bücher als äußerst ungewöhnlich. Als Koreander dann auf ein kleines Männlein trifft, das aussieht wie ein Bleistift und ihm erklärt, Herr Trutz sei in einer Welt namens Phantásien verschollen und außerdem die Bücherei bedroht durch ein geheimnisvolles Nichts, ist er überzeugt zu träumen. Nur deshalb lässt er sich überreden, selbst nach Phantásien zu gehen. Dort angekommen, gerät seine Überzeugung zu träumen schon bald ins Wanken …

Aufgrund dieser Angaben könnte man jetzt einen billigen Abklatsch der „Unendlichen Geschichte“ erwarten. Ist es aber nicht.
Die Intention der Legenden von Phantásien war es nicht, „Die unendliche Geschichte“ fortzusetzen, sondern eigene Geschichten mit eigenen Ideen zu verfassen und damit das Land Phantásien jedes Mal ein wenig bunter, lebendiger und vielfältiger zu machen. Wichtige Figuren aus der „Unendlichen Geschichte“ dürfen deshalb höchstens am Rande vorkommen. Ralf Isau hat sich vorbildlich an diese Vorgaben gehalten. Außer seinem Helden Koreander, der in der „Unendlichen Geschichte“ nur eine kleine Randfigur ist, kommen in seinem Buch nur noch der Gmork und Xayide vor, Letztere nicht einmal in Person, sondern nur als Abbild.

Isaus Koreander ist ein recht liebenswerter Held mit dem Herz auf dem rechten Fleck, ein wenig unschuldig und noch weit weniger bärbeißig als zu Beginn der „Unendlichen Geschichte“. Seine schlechte Meinung von sich selbst hindert ihn nicht daran, dem verschollenen Herrn Trutz nachzueilen, und sei es zunächst auch nur wegen der fehlenden Unterschrift. Gleich sein erster Schritt nach Phantásien führt ihn in ein Abenteuer, und obwohl er nur ungern Entscheidungen trifft, heißt das nicht, dass er es nicht kann, wenn es drauf ankommt! Noch eine ganze Weile hat er mit seinem eigenen Unglauben zu kämpfen, man könnte es auch Realitätssinn nennen, und doch verändert er sich ganz allmählich. Wie Herr Trutz so treffend feststellte: Phantásien verändert jeden. Angenehmerweise hat der Autor seinen Helden aber keinen strahlenden Übermenschen werden lassen, sondern ist im Rahmen der Glaubwürdigkeit geblieben.

Abgesehen davon hat Ralf Isau Phantásien um ein paar wirklich bemerkenswerte Ideen bereichert, so zum Beispiel das Haus der Erwartungen mit der Hexe Hallúzina, oder die Wolkenstadt mit dem König Kummulus und seiner Imaginárien-Sammlung, oder die beiden steinernen Hände Lux und Nox; mal verspielte, mal philosophisch angehauchte Stationen auf dem Weg zur Lösung des Rätsels um das Nichts.
Auf Atréjus Frage, was das Nichts denn nun sei, ließ Michael Ende den Gmork antworten, das Nichts sei die Weigerung der Menschen, an die Existenz Phantásiens zu glauben, die Tatsache, dass sie sich nur noch um die Realtität, nicht mehr um ihre Träume und Wünsche kümmerten. Bei Ralf Isau ist das Nichts gleichgesetzt mit dem Verschwinden von Büchern aus der Phantásischen Bibliothek und im Weitergedachten mit dem Diebstahl und Wegsperren von Ideen und Gedanken, was durchaus eine weitgehende Entsprechung zu Michael Endes Aussage bedeutet. Nur ist es in diesem Fall nicht damit getan, ein Menschenkind nach Phantásien zu bringen, das der Kindlichen Kaiserin einen neuen Namen gibt. Hier müssen auch die Bücher gerettet werden. Die Bedrohung ist also nicht unbedingt in der Masse der Menschen zu suchen, die sich für Phantásien nicht mehr interessieren, sondern eher in einigen wenigen, die diktieren wollen, was die Masse denn zu denken hat. Nicht umsonst ist Isaus Geschichte in den Enddreißigern des 20. Jahrhunderts angesiedelt!

„Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz“ erzählt also sozusagen die Vorgeschichte zur „Unendlichen Geschichte“, was durchaus gut gemacht ist. In vielen kleinen Einzelheiten knüpft der Autor an den Vorgänger an, so in seiner Beschreibung des alten Karl Koreander in der Spiegelwabe und in seiner Angewohnheit, „ach du liebes Bisschen“ zu sagen, in Koreanders Schwert, in der Funktionsweise des Aufzugs im dunklen Elfenbeinturm und darin, etwas durch Namensgebung zu bewirken, und nicht zuletzt in der Beschreibung des roten Buches mit dem Auryn auf dem Buchdeckel. Er erreicht dadurch, dass die Geschichte einerseits eigenständig, andererseits aber auch in den großen Kontext eingebunden ist, und der Leser hat bei der Lektüre unwillkürlich den Eindruck, als hätte er beim Puzzlen ein weiteres Teil gefunden, das wirklich genau passt.
Oder fast genau. Denn ein paar kleine Logikfehler sind doch hängen geblieben, der Teufel steckt eben meist im Detail!

Nach der „Unendlichen Geschichte“ ist zum Beispiel die Bezeichnung goldäugige Gebieterin ein Titel der Kindlichen Kaiserin, kein Name. Nach Isau hat Herr Trutz der Kindlichen Kaiserin diesen Titel als Namen gegeben, was auch deshalb nicht stimmen kann, weil die Kindliche Kaiserin von Koreander einen neuen Namen braucht, und den braucht sie immer dann, wenn der vorige in Vergessenheit geraten ist.
Auch fragte ich mich, woher Herr Trutz all seine vergessenen Erinnerungen zurückbekommen hat. Laut Michael Ende kann ein Menschenkind seine vergessenen Erinnerungen nur durch das Wasser des Lebens zurückerhalten. Herr Trutz dagegen musste nur die Spiegelwabe im Haus der Erwartungen betreten.
Im Hinblick auf die Gesamtheit des Buches seien diese kleinen Schnitzer aber gern verziehen.

Die Prämisse für die Legenden von Phantásien, nämlich eine gute Geschichte zu erzählen und gleichzeitig der Welt Michael Endes weitere fantasievolle Wesen, Orte und Dinge hinzuzufügen, hat dieser Band in jedem Fall erfüllt, und, indem er nicht völlig losgelöst von Bastians Geschichte dasteht, sondern sich behutsam daran angebunden hat, sogar noch ein bisschen mehr. Auch das Layout des Buches – Design, Leseband – ist schön und liebevoll gemacht, allerdings ist der Einband nicht abwischbar. Penible Leser waschen sich also die Finger und nehmen zusätzlich vor dem Lesen den Schutzumschlag ab!
„Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz“ ist ein gelungener Einstieg in die Legenden von Phantásien, der selbst Skeptiker überzeugen dürfte. An weiteren Bänden in dieser Reihe sind bisher erschienen: „Der König der Narren“, „Die Seele der Nacht“, „Die Verschwörung der Engel“, „Die Stadt der vergessenen Träume“ und „Die Herrin der Wörter“.

Ralf Isau, gebürtiger Berliner, war nach seinem Abitur und einer kaufmännischen Ausbildung zunächst als Programmierer tätig, ehe er 1988 zu schreiben anfing, weil er seiner damals neunjährigen Tochter ein Buch versprochen hatte. Letztlich wurde die Geschichte aber so uferlos, dass er eine neue, kürzere begann, fertig schrieb und selbst band. Diese erschien 1994 unter dem Titel „Der Drache Gertrud“ als Bilderbuch, und ein Jahr später auch die uferlose Geschichte unter dem Titel „Die Träume des Jonathan Jabbok“ – die Neschan-Trilogie. Seither hat Isau noch weitere Jugend- und inzwischen auch Erwachsenenbücher geschrieben, darunter „Der Leuchtturm in der Wüste“, „Das Netz der Schattenspiele“ und „Der Herr der Unruhe“.

Gebundene Ausgabe: 448 Seiten
ISBN-13: 978-3-426-19642-7

http://www.droemer-knaur.de/home
http://www.isau.de/index.html

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)