Archiv der Kategorie: Thriller & Krimis

Patrick Dunne – Die Keltennadel [Jane Wayde 1]

Pfarrer Lavelle aus Irland findet in seiner Kirche eine ‚geopferte‘ Frau. Als Spezialist für moderne Kulte (und Tatverdächtiger) beginnt er in eigener Sache zu ermitteln, wobei ihm ein freundlicher Polizist und eine Kunstexpertin helfen. Man kommt einer pseudoreligiösen Verschwörung auf die Spur, die einen neuen Kreuzzug plant, um diese sündige Welt zu ‚reinigen‘ … – Debütautor Dunne schert sich wenig um Handlungslogik oder Figurentiefe, sondern serviert, was das Genre seit Dan Brown dominiert: Kirchen-Geheimnisse und saftige Morde: Munkel-Thriller von der Stange. Patrick Dunne – Die Keltennadel [Jane Wayde 1] weiterlesen

Suzuki, Kôji – Ring

Tokio 1989: Der Journalist Asakawa Kazuyuki stolpert durch einen Zufall über die Story seines Lebens. Ein Taxifahrer erzählt ihm von einem jungen Mann, der vor seinen Augen wie vom Blitz getroffen starb. Dasselbe Schicksal hat jüngst eine Nichte Kazuyukis getroffen – sie fand ihr Ende sogar in genau dieser Nacht. Ebenso traf es zwei weitere Jugendliche. Sie alle fürchteten sich offenbar zu Tode, und sie alle kannten sich!

Klar, dass der Journalist anbeißt. Er ermittelt, dass sich das Quartett in der Woche vor seinem Abgang in einer Ferienhauskolonie an der Küste eingemietet hatte. Kazuyuki schaut sich um in der kleinen Hütte, kann aber nur ein unscheinbares Videoband entdecken, das er sich selbstverständlich sogleich anschaut. Der Inhalt: eine Folge wirrer, unzusammenhängender, aber beängstigender Sequenzen, gefolgt von der Warnung, der Zuschauer sei binnen einer Woche tot, wenn er nicht … Genau an dieser entscheidenden Stelle bricht besagtes Video ab.

Kazuyuki ist beeindruckt, zumal er deutlich zu spüren bekommt, dass die gerade vernommene Drohung keineswegs leer ist. In seiner Not sucht er die Hilfe seines alten Freundes Ryuji Takahama, der ein genialer Philosoph und Gelehrter ist, welcher in seiner Freizeit gern junge Frauen vergewaltigt. Auch dieser betrachtet das Video und sitzt nun mit im Boot. Eine Woche bleiben ihm und Kazuyuki sich zu retten. Letzterer gerät in Panik, als er entdecken muss, dass seine neugierige Gattin heimlich den Rekorder in Gang gesetzt hat und dabei die Baby-Tochter auf dem Schoß hielt … Der Fluch wird auch diese Beiden treffen, wenn Kazuyuki nicht vor Ablauf der Frist des Rätsels Lösung findet.

Die unbarmherzig tickende Uhr im Nacken kommen Kazuyuki und Takahama der unglaublichen Geschichte der Sadako Yamamura auf die Spur. Das Drama um die hellseherisch begabte, aber vom Unglück verfolgte Frau liegt schon Jahrzehnte zurück, aber was ihr geschah, rechtfertigt durchaus einen Hass auf die Menschheit, den selbst der Tod nicht beenden kann …

Es war einmal … ein eigentlich gutes Mädchen, das die Schlechtigkeit der Welt in eine böse Hexe verwandelte, die einfach unkaputtbar ist; weil sie sich in Japan nicht ausgelastet fühlt, wechselt sie inkognito manchmal in die USA, wo sie als „Blair Witch“ ihr Unwesen treibt – nun, dieser letzte Teil ist eine Hypothese eures Rezensenten, den der vergleichbare Medienrummel um beide Spuk-Heroinnen darauf brachte.

Denn auch der Rummel um die „Ring“-Romane und vor allem -Filme ist vor allem ein Produkt der Werbung und der Medien. Wie immer stürzen sie sich wie die Geier darauf, was leichte Beute zu sein scheint und viel, viel Geld einbringen könnte. In diesem Fall war es die in Japan zum Horror-Tipp heranwachsende Geschichte eines verwünschten Videobandes, das den Kern zum Untergang der Menschheit beinhalten könnte. Die „Ring“-Saga ist inzwischen (welches Unwort!) „Kult“ geworden – und zwar ein echter, kein künstlich lancierter – und bewegt sich weiter auf die Endstation „moderner Mythos“ zu. Ist er erreicht (womöglich ist dies längst geschehen), läuft die „Ring“-Welt (und das Geschäft) à la „Star Trek“ von allein.

Dabei fragt man sich, was den „Ring“ so besonders werden ließ. Objektiv betrachtet, lesen wir „nur“ einen gut geschriebenen Gruselroman. Der Schauplatz mag uns europäischen Lesern etwas fremd sein, aber die Geschichte ist es sicher nicht. Rächender Spuk, verwunschene Grabstätten, tödliche Flüche – das ist wahrlich wenig originell.

Aber es sind Elemente des Horrors, die immer funktionieren, wenn man sie nur zu mischen weiß. Das gelingt Verfasser Suzuki sicherlich. Er geht ganz einfach vor (was stets eine gute Idee ist) und legt „Ring“ über weite Strecken fast dokumentarisch an. Die Suche nach der Geschichte hinter dem Videoband füllt viele Seiten. Wir verfolgen eine simple Suche, die immer wieder in Sackgassen endet, hier und da ein Puzzlesteinchen zum anderen trägt, bis sich schließlich das Gesamtbild fügt. Solche Detektiv-Geschichten fesseln immer; sie sind sogar interessanter als das Ergebnis, das zwangsläufig enttäuschen muss: noch’n böser Geist, der einen Dreh gefunden hat, es seinen Peinigern heimzuzahlen. Wäre da nicht Suzukis Gag, dem eigentlichen Spuk einen apokalyptischen Beifahrer aufzusatteln, hätte der „Ring“-Mythos wohl kaum eine Chance gehabt sich zu entwickeln.

Offen muss bleiben, was denn Suzuki zum „japanischen Stephen King“ machen soll. Anscheinend reicht es heute bereits, einen handwerklich sauber gedrechselten Horrorroman vorzulegen, um mit diesem Ehrentitel versehen zu werden. Die „Qualität“ der meisten Geschichten dieses Genres legen diesen Verdacht jedenfalls nahe.

Jedenfalls schießen „Ring“-Websites wie Pilze aus dem Boden. Manche sind sogar gut und führen den verwirrten Anfänger in das Sadako-Universum ein. Unter den von mir besuchten erfüllte diese hier ihre Informationspflicht am besten: http://ringworld.somrux.com ist außerordentlich ausführlich und wunderbar gestaltet. Hier kann man sich wirklich verlieren – und weiß anschließend auch noch mehr! So gab es in Japan wie in Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen regelrechten Siegeszug des Okkultismus. Suzuki hat sich für seinen „Ring“ reichlich aus dieser Geschichte bedient, was ihre Stimmigkeit sicherlich unterstützt hat. Sogar für Sadako Yamamura gibt es eine historische Vorlage. Und wer glaubt, dass es ungebräuchlich ist, sich in einen Vulkan zu stürzen, darf sich wundern: Mehr als 300 Personen haben sich im Laufe der Zeit in den Krater des Mihara geworfen.

Japaner sind anders … Diese drei Worte bilden eventuell den Schlüssel zu einer Kritik, die man im Zusammenhang mit dem „Ring“-Roman immer wieder finden kann: Alle Beteiligten des Spektakels seien im Grunde ziemlich unsympathisch. Das trifft nicht nur auf den Feierabend-Frauenschänder Takahama zu (D i e s e s Detail ließ Hollywood bei der US-„Ring“-Verfilmung von 2002 besonders schleunigst unter den Tisch fallen), sondern fast noch mehr auf Asakawa Kazuyuki. Nicht nur, dass er seinen kriminellen Freund deckt – er ist auch sonst ein seltsamer Zeitgenosse. Seine Familie liebe er über alle Maßen, behauptet er mehr als einmal. Trotzdem ist er so gut wie niemals zu Hause bei Weib und Kind, selbst wenn er nicht von Dämonen gejagt wird. Niemand scheint dies für ungewöhnlich zu halten; besagtes Weib übrigens auch nicht. Die Arbeit geht halt vor im Land der aufgehenden Sonne!

Die liebe Gattin hinterlässt ohnehin – es sei an dieser Stelle politisch unkorrekt ausgesprochen – einen ziemlich trantütigen Eindruck. Dass Kazuyuki so um ihr Schicksal besorgt ist, kann man ihm kaum nachfühlen. Seinen Kumpel Takahama scheint er jedenfalls öfter (und lieber) zu sehen als die eigene Ehefrau.

Sehr gut hat Suzuki begriffen, dass er mit seinem Gespenst geizen muss. Sadako Yamamura greift niemals direkt in die Handlung ein. Wir erfahren nur Bruchstücke über ihr Leben, die uns aus den Mündern Dritter erreichen – ein kluger Kunstgriff, denn nichts ernüchtert in einer Horrorgeschichte normalerweise stärker als der Auftritt des Monsters, das unter Umständen auch noch langatmig seine Beweggründe erörtert. Sadako bleibt mysteriös, tragisch – und bösartig.

Erstaunen erregt beim westlichen Leser auch die noch heute offensichtlich ausgeprägte japanische Affinität zur Welt der Geister. Mr. King hätte viele hundert Seiten mit Text füllen müssen, bis seine aufgeklärten Landsleute begriffen und akzeptiert hätten, dass es irgendwo spukt. Kazuyuki und seine Gefährten, Kinder des aufgeklärten 20. Jahrhunderts, wissen sofort, dass es umgeht, und stellen sich darauf ein. Das irritiert bei der Lektüre, aber es drückt natürlich aufs Tempo – „Ring“ ist ein Roman ohne Langatmigkeit.

Wer ist Suzuki Kôji? Das hätte bis 1991 wohl auch in Japan kaum jemand beantworten können. Der 1957 geborene Schriftsteller rackerte da noch redlich um Lohn, Brot und Ruhm; für die ersten beiden musste für einige Jahre seine Ehefrau, eine Lehrerin, sorgen, was in einem Land, das Hausmänner kaum kennt, kein einfaches Los für Suzuki war.

Als Absolvent der Keio University in Tokio hatte er bereits 1990 einen „Fantasy Novel Award“ für seinen Roman „Rakuen“ gewonnen, aber erst „Ring“ gab seiner dahindümpelnden Karriere den ersehnten Schub. Aus dem Geheimtipp wurde Gruselvolkes Eigentum, als Regisseur Hideo Nakata 1998 den Roman verfilmte. Trotz vieler Veränderungen wurde „Ring“ zum internationalen Erfolg. (1995 gab es übrigens schon eine Fernsehfassung.)

Die „Ring“-Saga von Kôji Suzuki

Ring (1991, dt. „The Ring“)
Rasen (1995. dt. „Spiral – The Ring II“, Heyne TB Nr. 01/13918)
Loop (1998)
The Birthday (1999; Sammlung dreier Kurzgeschichten)

Joseph Kanon – „The Good German“ – In den Ruinen von Berlin

Das geschieht:

Jacob „Jake“ Geismar hat als US Auslandskorrespondent ab 1936 erfolgreiche Jahre in Deutschland verbracht, bis Propagandaminister Josef Goebbels ihm wegen offen nazifeindlicher Äußerungen die Abreise dringend nahelegte. Zurück ließ Geismar Lena, die Liebe seines Lebens, deren Gatte, der Mathematiker Emil Brandt, ein guter Freund des Amerikaners war, ohne vom Ehebruch zu wissen. Lenas wegen kehrt Geismar im Juli 1945 zurück. Außerdem soll er über den Alltag in der von den vier Siegermächten besetzten Hauptstadt berichten.

Berlin ist eine gigantische Geister und Totenstadt. In der endlosen Ruinenwüste fristen die Überlebenden ein von Not geprägtes Leben. Die Amerikaner sehen die Besatzung pragmatisch. Geismar erlebt, wie hier Kriegsverbrecher gestellt und verurteilt werden, während dort andere heimlich aus dem Land geschmuggelt werden, weil sie über wissenschaftliches oder technisches Wissen verfügen, das den Siegern wichtiger ist als Gerechtigkeit. Zudem beteiligen sich Besatzungssoldaten an Schwarzmarktgeschäften, verschieben gestohlene Kunstschätze, handeln mit Entnazifizierungs Papieren eine Unterwelt, in die es Geismar durch den Mordfall Patrick Tully verschlägt. Der US- Lieutenant hatte Emil Brandt zur Flucht aus einem Internierungslager verholfen. Brandt wird es zu Lena ziehen, die Geismar inzwischen ausfindig machen konnte. Sie haben ihr Verhältnis wieder aufgenommen. Joseph Kanon – „The Good German“ – In den Ruinen von Berlin weiterlesen

Ellery Queen – Chinesische Mandarinen

Queen Mandarinen Cover kleinEin eigentlich unmöglicher Mord ruft Meisterdetektiv Ellery Queen auf den Plan. Wie hat es der Täter geschafft – und wieso hat er sich solche Mühe gegeben, dem Opfer die Kleidung verkehrt herum anzuziehen und im Mordzimmer alle Einrichtungsgegenstände gegen die Wände zu drehen …? – „Whodunit“-Krimi aus der „Goldenen Ära“ dieses Genres, komplex und liebevoll abgedreht, in Handlung und Personal Krimi-Klassik pur, dazu spannend und witzig. Ellery Queen – Chinesische Mandarinen weiterlesen

Arthur W. Upfield – Wer war der zweite Mann?

Das geschieht:

Vor mehr als einem halben Jahrhundert ein großer Meteorit am glücklicherweise spärlich besiedelten Westrand der großen australischen Wüste einen gewaltigen Krater in die Erde geschlagen. Die Wissenschaft hat ihm den Namen „Wolf-Creek“ verliehen, aber die weniger Anwohner nennen ihn „Lucifer’s Couch“.

In diesem Krater liegt die Leiche eines Mannes. Er wurde erschlagen, der oder die Täter ist oder sind unbekannt. Niemand weiß, wie der Tote eigentlich an diesen Ort geraten ist. Es gibt keine Spuren, die zur Leiche hin und wieder weg führen.

Ein kriminalistisches Rätsel, das die örtliche Polizei, verkörpert vom tüchtigen aber nicht gerade kreativen Wachtmeister Howard, nicht lösen kann. In solchen Fällen ruft man oft den berühmten Inspektor Napoleon Bonaparte zu Hilfe. „Bony“, wie er kurz genannt wird, ist das Kind eines Siedlers und einer einheimischen Frau. Er kennt sich in weißen wie in der schwarzen Welt Australien aus. Arthur W. Upfield – Wer war der zweite Mann? weiterlesen

Reginald Hill – Der Schrei des Eisvogels

In einem englischen Provinzweiler verschwindet der verhasste Dorfpolizist spurlos. Detective Superintendent Andrew Dalziel und sein Team stoßen in ein Wespennest: In Enscombe geht es unter der trügerisch beschaulichen Oberfläche krimineller zu als in mancher Großstadt … – Der Plot ist vertrackt und eingebunden in das Ambiente des ehrwürdigen Landhaus-Krimis, dessen harmoniesüchtig-naive Verlogenheit gleichzeitig genutzt und parodiert wird und sorgt für ein wunderbares Spiel mit verkrusteten Regeln des Kriminalromans: Band 15 der großartigen Dalziel/Pascoe-Serie ist einer der besten.
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Greg Iles – Infernal

Das geschieht:

Ihre Fotografien von den Schlachtfeldern dieser Welt haben sie berühmt gemacht. Doch nun ist Jordan Glass ausgebrannt. Sie begibt sich auf eine Reise nach Asien – und gerät in Hongkong vom Regen in die Traufe: In einem Kunstmuseum findet sie eine unheimliche Ausstellung. Der anonyme, hoch talentierte Maler bildet Frauen ab: nackt, schlafend – oder sogar tot? Jordans faszinierte Abscheu verwandelt sich in Schrecken, als sie in einem der ‚Modelle‘ ihre Zwillingsschwester Jane erkennt. Die ist vor einem Jahr in New Orleans während eines Jogginglaufes spurlos verschwunden. Das FBI kennt noch mehr dieser Fälle, denen eines gemeinsam ist: Eine Lösegeldforderung wurde nicht gestellt, eine Leiche nie gefunden.

Können nun die Ermittlungen wieder aufgenommen werden? Die Behörden sind willig aber auch ratlos. Kein Mensch hat den Künstler bisher gesehen. Auf eigene Faust beginnt Jordan nach ihm zu fahnden. In New York kann sie seinen Galeristen ausfindig machen. Auch dieser Christopher Wingate behauptet jedoch, seinen Auftraggeber nicht zu kennen, und bedroht die lästige Jordan, die ihm ein lukratives Geschäft zerstören kann. Doch plötzlich geht die Galerie in Flammen auf, denen nur Jordan entkommt. Der unheimliche Maler ist wohl näher als gedacht und schützt sich rigoros davor, enthüllt zu werden. Greg Iles – Infernal weiterlesen

Umberto Eco – Das Foucaultsche Pendel

Umberto Eco (*05.01.1932), piemontesischer Professor der Semiotik, dürfte den meisten Lesern durch „Baudolino“ und „Der Name der Rose“ bekannt sein. Letzteres wurde bereits mit Sir Sean Connery, F. Murray Abraham und Christian Slater verfilmt, mit etwas anders gesetzten Schwerpunkten.

„Das Foucaultsche Pendel“ hat ebenfalls einen Bezug zum Mittelalter, allerdings ist es anders aufgebaut: Ein vermeintlicher Geheimplan zur Weltbeherrschung der Tempelritter wird hier von drei Mailänder Verlagslektoren in den Siebzigerjahren aufgedeckt – und nahezu alle bekannten Verschwörungstheorien in diesen ominösen, großen Geheimplan eingewoben.

Die Handlung

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Hill, Reginald – dunkle Lady meint es ernst, Die

Nicht von ungefähr kam Eileen Chung, die exzentrische Regisseurin am Kemble-Theater zu Mid-Yorkshire im Norden Englands, auf die Idee, in dem von ihr geplanten mittelalterlichen Mysterienspiel die Rolle Gottes mit Detective Superintendent Andrew Dalziel zu besetzen. Als solcher sieht sich der eigenwillige Chef der Kriminalpolizei selbst nicht ungern. Sein gewaltiges Ego, übertroffen nur vom Leibesumfang, und seine kaum vorhandenen Manieren werden vom Mid-Yorker Stadtklüngel und den eigenen Kollegen geduldet bzw. ertragen, weil Dalziel ein fabelhafter Polizist mit erstaunlicher Aufklärungsquote ist.

Dieses Mal hat er den Vogel abgeschossen. In schlafloser Nacht schaut Dalziel hinaus in die Nacht – und erkennt, dass sich im Nachbarhaus ein Drama abspielt. Unerschrocken eilt er hinüber und stellt den Bauunternehmer Philip Swain, der mit rauchendem Revolver über der Leiche seiner Gattin Gail steht. Ebenfalls anwesend: Hausherr Gregory Waterson, der sich als Liebhaber der Verstorbenen entpuppt.

Noch am Ort des Geschehens nimmt Dalziel Swain fest. Der Fall scheint klar, obwohl der Unternehmer leugnet. Seine Frau sei depressiv gewesen und habe Selbstmord begangen, so seine Aussage. Dumm für Dalziel, dass Waterson dies bestätigt. Der Superintendent rückt nicht von seiner Mordtheorie ab, nach der beide Männer sich abgesprochen haben. Aussage steht gegen Aussage. Selbst in Inspector Peter Pascoe, Dalziels rechte Hand und Freund, und dem treuen Sergeanten Wield steigen leise Zweifel auf. Steigert sich ihr Chef dieses Mal in eine fixe Idee hinein, die sogar ihn zu Fall bringen könnte?

Nebenbei beunruhigen auch die Briefe der „dunklen Lady“, einer Bürgerin von Mid- Yorkshire, die Dalziel anonyme Briefe schickt, in denen sie ihren baldigen Selbstmord ankündigt. Das Mysterienspiel wird alle Beteiligten zusammenführen. Neben Dalziel als Gott soll Waterson als Luzifer auf die Bühne treten – ein Streich des Schicksals, der den Superintendent erst recht erbost und anstachelt, worunter seine Leute und der brandneue Parkplatz der Polizeiwache heftig zu leiden haben …

Gute Zeiten für die Freunde ebensolcher Kriminalromane: Der längeren Pause bis zum neuen Dalziel/Pascoe-Fall einerseits und dem offensichtlichen Erfolg des Duos beim deutschen Leser verdanken wir diesen schon älteren Band der Serie, der aus Gründen der Kontinuität – Buchkäufer sind scheue Gewohnheitstiere – eingeschoben wurde, bis neues Lesefutter erscheint. Das Alter ist bei einem Roman von Reginald Hill seit jeher kein qualitätsminderndes Handicap. Statt dessen darf man sich auf das Übliche, d. h. fein gesponnene Vergnügen eines kniffligen Plots mit zahllosen Haken und Ösen freuen, das vom Verfasser mit dem nötigen Ernst und trockenem Witz – Könner schaffen es, beides zu verknüpfen – dargeboten wird. (Die Übersetzung lässt es am Leben.)

Mid-Yorkshire ist auf den ersten und auch auf den zweiten Blick die typische Provinzstadt des englischen Landhaus-Krimis. Wir befinden uns in einer beschaulichen und überschaubaren kleinen Welt, bevölkert mit skurrilen oder exzentrischen Gestalten, die sich auch durch Mord & Totschlag nur marginal aus dem üblichen Trott werfen lassen. Doch so einfach strickt Hill seine Krimis nicht: Mid-Yorkshire ist eine moderne Schlangengrube, bevölkert von ehrgeizigen Politikern, skrupellosen Geschäftsmachern, korrupten Künstlern, die untereinander kräftig mauscheln und schieben.

Die Filzokratie wird von Hill mit viel Sarkasmus bloßgestellt. Dieses Mal werden die üblichen gesellschaftlichen Grenzen im großen Mysterienspiel aufgehoben. Hinter diversen Masken kommt allerlei Unerwartetes zum Vorschein: ein großartiges Vexierspiel doppelter und dreifacher Täuschungen, das Hill hier entwirft, ein würdiger Höhepunkt für einen wunderbaren Thriller, der mit einer unerwarteten, die eigentliche Aufklärung des Falles tragisch überschattenden Tragödie endet – kein angeklebter Buh!-Bätsch!-Der-war’s-doch- nicht-Schluss à la Jeffery Deaver, sondern die traurige Quintessenz einer bemerkenswerten Nebenhandlung.

„Chef der Kripo von Mid-Yorkshire; der Dicke, das Ekelpaket, das Genie vom CID“ – so stellt uns Reginald Hill Andrew Dalziel vor – sein aktueller Kriminalroman wird stilvoll von einer Liste der auftretenden Figuren eingeleitet: einer der vielen eleganten Scherze des belesenen Verfassers, der uns seine Geschichte als Freiluft-Schauspiel präsentiert, wie Eileen Chung es zu inszenieren gedenkt. Hill doppelt gern seine Handlung bzw. spiegelt sie spielerisch in diversen literarischen Formen und Vorbildern. So haben wir Dalziel bereits in einem früheren Leben als den sagenhaften Odysseus erlebt („Das Haus auf der Klippe“), während ein anderer Fall („Die rätselhaften Worte“) damit endet, dass ihn die Mordopfer im Jenseits klären. Der gegenwärtige Dalziel lehnt sich in Gestalt und Lebensart zudem eng an Shakespeares tragikomischen Falstaff an.

Dalziel balanciert haarscharf auf dem schmalen Grad zur Karikatur. Da ist es gut, dass uns Hill immer wieder daran erinnert: Der Dicke kultiviert sein Image als grobinanischer Bürgerschreck. Dahinter verbirgt sich ein hochintelligenter Skeptiker, der eingleisiges Denken sowie verkrustete Strukturen hasst, und ein komplexer, durchaus menschenfreundlicher, lebenslustiger Charakter. Um Dalziel wenigstens zeitweise aufs Glatteis zu führen, bedarf es schon eines besonderen Gegners. Hill findet ihn in Gestalt eines jämmerlichen Feiglings und Blenders, der indes kein Dummkopf ist und seinen unerbittlichen Verfolger immer wieder mit Finten und Hakenschlägen übertölpeln kann.

Für alle Fälle gibt es Peter Pascoe, den Hill deutlich „realistischer“ zeichnet. Er leistet die Fußarbeit, während Dalziel sich klugerweise auf gelegentliche Auftritte beschränkt, so dass sich seine Figur nicht abnutzen kann. Wenn wir hier lesen, dass Pascoe nach einer Zwangspause von drei Monaten zum Dienst zurückkehrt, so bezieht sich das auf frühere Ereignisse, die hierzulande bereits 1989 (!) in „Unter Tage“ geschildert wurden und sicherlich auch dem Hill-Fan nicht unbedingt präsent sind.

Sergeant Wield kämpft weiterhin mit den Konsequenzen seines „Outings“. Ein homosexueller Polizist in der englischen Provinz darf sich keinen Beförderungswünschen hingeben, um es vorsichtig auszudrücken. Die daraus entstehenden Konflikte sorgen in diesem und vielen weiteren Bänden der Dalziel/Pascoe-Serie für den Seifenoper-Anteil, der mindest ebenso wichtig wie die eigentliche Kriminalhandlung ist.

Die „dunkle Lady“, welche hier natürlich nicht enttarnt werden soll, ist in das eigentliche Geschehen nicht verwickelt, aber stets präsent, bis sie zu schlechter Letzt ihren dramatischen Auftritt hat. Sie lässt den Triumph der Gerechtigkeit schal werden, ohne dass dies einen Missklang in das ausgeklügelte Geschehen bringt – die Lady bringt es selbst auf den Punkt: „I think also that our bodies are in truth naked. We are only lightly covered with buttoned cloth; and beneath these pavements are shells, bones and silence“, zitiert sie aus „The Waves“ der ebenfalls unglücklich geendeten Dichterin Virginia Woolf (1882- 1941) – die letzten drei Wörter bilden übrigens den englischen Originaltitel von „Die dunkle Lady …“.

Reginald Hill wurde 1936 in Hartlepool im nordöstlichen England geboren, doch die Familie zog bald nach Cumbria um. Als Student ging Hill nach Oxford und wurde später Lehrer in Yorkshire. Hier arbeitete er an seinen schriftstellerischen Ambitionen und debütierte 1970 mit „A Clubbable Woman“ (dt. „Eine Gasse für den Tod“), gleichzeiitg der erste Auftritt von Andrew Dalziel und Peter Pascoe.

Diese Serie umfasst inzwischen zwanzig Episoden und wird weiterhin mit großem Erfolg fortgesetzt. Die BBC hat sich ihrer inzwischen angenommen; Warren Clarke and Colin Buchanan spielen unsere Helden im Fernsehen.

Die Abenteuer von Dalziel und Pascoe stellen nur eine Hälfte von Hills Werk dar. Der Schriftsteller ist fleißig und hat insgesamt mehr als 40 Bücher verfasst – längst nicht nur Krimis, sondern auch Historienromane und sogar Science-Fiction.
Einige Thriller erschienen unter den Pseudonymen Dick Morland, Charles Underhill und Patrick Ruell. („The Long Kill“ veröffentlichte der Bastei-Lübbe-Verlag als „Der lange Mord“ 1988 unter der Taschenbuch-Nr. 13152.)

Erstaunlich ist das trotz solcher Produktivität über die Jahrzehnte gehaltene Qualitätsniveau der Hill-Geschichten. Das schlägt sich unter anderem in einer wahren Flut von Preisen nieder. Für „Bones and Silence“ zeichnete die „Crime Writers‘ Association“ Hill mit dem begehrten „Gold Dagger Award“ für den besten Kriminalroman des Jahres 1990 aus. Fünf Jahre später folgte der „Diamond Dagger“ für seine Verdienste um das Genre.

Autorenhomepage: http://www.randomhouse.com/features/reghill/

Dan Brown – Sakrileg

Sakrileg (US-Titel: „The Da Vinci Code“) ist der neueste Thriller des durch „Illuminati“ bekannt gewordenen Autors Dan Brown. Wie bereits in seinem Bestseller spielt der Symbologie-Professor Robert Langdon die Hauptrolle. Er wird nichts ahnend von der französischen Polizei in den Louvre zitiert, der Museumsdirektor Jacques Saunière wurde dort ermordet aufgefunden.

Bevor dieser an einem Bauchschuss verstarb, konnte er einige merkwürdige Hinweise geben: So liegt er in seltsamer Pose nackt in einem aus Blut gezeichneten Kreis, ein Pentagramm ist auch vorhanden und folgendes seltsame Gedicht:

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Follett, Ken – Schlüssel zu Rebecca, Der

Afrikafeldzug, 1942:
Nicht nur an der Wüstenfront wird gekämpft, auch hinter den Linien geht der Kampf der Spione weiter. Kaum in Kairo angekommen, begeht der deutsche Spion Alex Wolff einen Fehler und muss einen britischen Soldaten töten. Major William Vandam vom britischen Geheimdienst nimmt zuerst erfolglos seine Spur auf. Wolff dagegen ist sehr erfolgreich: Dank seiner verführerischen Komplizin, der populären Tänzerin Sonja el-Aram, kann er von einem Adjutanten des britischen Oberbefehlshabers Auchinleck regelmäßig geheimste Informationen ausspionieren. Als halber Araber kennt Wolff zudem Bräuche und Sitten der Ägypter und hat hervorragende Kontakte zur Unterwelt Kairos.

Vandam hat mittlerweile allerdings auch schon vieles über Wolff in Erfahrung gebracht und setzt eine frisch rekrutierte Agentin auf ihn an. Die erotische Elene Fontana ist Halbjüdin und möchte nach Israel auswandern – durch ihre Arbeit für den Geheimdienst möchte sie die begehrte Ausreisegenehmigung erhalten. Bald taucht Wolff wieder bei dem Kaufmann Aristopoulos auf – und beißt an. Da er noch eine Gespielin für seine exquisiten Liebespiele mit Sonja sucht, ist die schöne Elene für ihn unwiderstehlich.

Aber nicht nur für ihn. Auch der eher brave Major Vandam hat sich in sie verliebt. Es wird für ihn immer unerträglicher, Elene in der Nähe dieses gefährlichen Mannes zu wissen. Nicht nur um ihr Leben fürchtet er, der Gedanke, dass Wolff Sex mit ihr haben könnte, bereitet ihm schlaflose Nächte.

Die Zeit drängt: Rommel steht nur noch 25 km vor Kairo, bereits einmal haben Wolff’s Informationen die Schlacht zu seinen Gunsten entschieden. Vandam muss handeln. Leider schlägt die Verhaftung Wolffs wiederholt fehl, Elene und Vandam’s Sohn Billy geraten in Lebensgefahr, als Wolff mit ihnen als Geiseln aus Kairo flieht…

Ein sehr spannender Mix aus Agenten- und Detektivgeschichte mit einem ordentlichen Schuss Erotik! In der Tat ist der ausführlich beschriebene Dreier in diesem Buch die wildeste Sexszene, die ich bisher von Follett gelesen habe.

Gewohnt fundierte Sachkenntnis des Spionagegeschäfts beweist Follett bei dem namensgebenden Codebuch: Der Roman „Rebecca“ dient zusammen mit einem Codeschlüssel Wolff zur sicheren Nachrichtenübermittlung. Desweiteren wurde das Verhältnis der ägyptischen Bevölkerung zu Deutschen und Briten differenziert geschildert. Besonders gelungen sind die Charakterisierungen der Hauptpersonen, Vandam und Wolff. Letzterer ist halb Deutscher, halb Araber, taucht gerne mal in einer Moslemverkleidung unter und wird oft von dem schlitzohrigen Abdullah bei seinen schmutzigen Geschäften unterstützt. Ich fand sowohl den intelligenten Wolff als auch seinen smarten Gegner Vandam ausgesprochen sympathisch. Die Frauenfiguren sind ein bisschen nuttig geraten, wobei Sonja eindeutig ein Äquivalent der berüchtigten Mata Hari ist. In Elene erkennt man Charakterzüge späterer weiblicher Hauptfiguren Follett’s, wie auch der Duellcharakter zwischen den beiden Agenten starke Ähnlichkeiten zu Follet’s „Leopardin“ aufweist.

Die Szenerie ist perfekt recherchiert und in Szene gesetzt, sogar historische Persönlichkeiten wie Rommel und Kesselring wurden in die Handlung integriert. Wolff spielt Rommel Informationen zu, dieser siegt. Bei der Entscheidungsschlacht bei El Alamein kann er leider nicht mehr auf dessen Dienste zurückgreifen…

Weniger gelungen ist der „Auftritt“ von Anwar El-Sadat, dem späteren Staatsoberhaupt Ägyptens: Geradezu zwanghaft scheint Follett in seine Romane solche nur kurz und ohne näheren Zusammenhang zur Handlung stehenden Figuren einbauen zu müssen. Wie in „Mitternachtsfalken“ der König von Dänemark, ist auch Sadat für den Handlungsverlauf absolut verzichtbar!

Ein schlimmer Bruch folgt im letzten Drittel des Buches: Ein sehr gut recherchiertes und stimmiges Szenario mit interessanten Charakteren und viel Erotik wird nun mit dem Vorschlaghammer zerstört!

Ich konnte es kaum glauben, auf einmal mutiert Wolff zum perversen Lüstling, der mit Elene einiges anstellt, damit nicht genug, er entführt auch noch Vandam’s Sohn, um mit ihm und Elene als Geiseln seine Flucht abzusichern. Nicht nur bei gegebener Lage zu diesem Zeitpunkt idiotisch, müssen zahlreiche Charaktere sich nun wegen der Notwendigkeit, die Handlung nicht zu gefährden, dämlich anstellen, damit Wolff fliehen und die Geschichte sich weiter entwickeln kann.

Das Happy End macht aus der sich ehemals von ihren Liebhabern haushaltenden Elene eine respektable Mrs. Vandam, die sowohl Sohn Billy als auch Mr. Vandam ausgesprochen glücklich macht. Sehr schön, aber auch sehr schnulzig. Nach erwähntem Bruch lebt das Buch von der Spannung, die durch die tödliche Gefahr, in der Elene und Billy schweben, entsteht. Leider wird das Buch hier auch trivialer als mancher Groschenroman, Follett konnte es wie so oft in seinen Büchern nicht lassen, maßlos zu übertreiben und indirekt Vandam alleine den Sieg bei El Alamein zuzuschreiben. Besonders verärgert war ich über die bestürzende Verwandlung des sehr interessanten Charakters Wolff hin zu einem hirnlosen Nazi mit perversen Gelüsten, war er doch vorher sehr differenziert geschildert worden.

Wer einen Spionagethriller light vor dem Hintergrund des 2. Weltkriegs mit einer wahrlich heißen und erotischen Dreiecksgeschichte sucht, wird „Rebecca“ trotz des verkorksten letzten Drittels lieben. Schade, ohne diese Mängel hätte es auf einer Stufe mit den vergleichbaren Romanen „Die Nadel“, „Die Leopardin“ und „Mitternachtsfalken“ gestanden.

Homepage des Autors: http://www.ken-follett.com

Brown, Dan – Meteor

Große Freude: Der „Meteor“ ist eingeschlagen!
Nach Dan Browns Bestseller „Illuminati“ wurde nun auch „Deception Point“ ins Deutsche übersetzt. Der Vorgänger konnte mit einem Mix aus Rätseln, uralten Mythen und Glauben sowie den Gegensätzen zu moderner Forschung und Technik begeistern.
Nun lässt es Brown in der Arktis krachen – wird der „Meteor“ in der Eiswüste erneut Begeisterungsstürme entfachen? Die Erwartungshaltung der Fans legt nach „Illuminati“ die Messlatte sehr hoch …

Die NASA ist wie alle Regierungsbehörden nicht gerade ein Muster an Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Senator Sedgewick Sexton, im Aufwind befindlicher Präsidentschaftskandidat, nutzt sie als Thema seiner Wahlkampfkampagne: Der amtierende Präsident Herney ist bekannt als starker Befürworter der Weltraumforschung. Leider hat die NASA in letzter Zeit eine Serie von katastrophalen Fehlschlägen aufs Parkett gelegt, welche die öffentliche Meinung zu Gunsten Sextons und der hinter ihm stehenden Space Frontier Foundation beeinflusst haben. Diese möchte die staatliche Erforschung hinter kommerzielle Aspekte der Nutzung des Weltraums stellen – die staatlichen Gelder sollen stattdessen in Bildung und Erziehung sowie andere chronisch untersubventionierte Gebiete fließen.

Dem Präsidenten kommt der Zufall zur Hilfe: Die NASA entdeckt im Milne-Schelf der Arktis einen Meteoriten. Nichts Besonderes, wären da nicht die zahlreichen enthaltenen Fossilien… der Beweis für außerirdisches Leben! Eine Entdeckung von unschätzbarer Bedeutung.

Herney nutzt die Gunst der Stunde: Er ordnet Geheimhaltung an und lässt eine Filmdokumentation erstellen, die nach seiner Ansprache ausgestrahlt werden und Sexton vernichtend aus dem Rennen schlagen soll. Als besonderen Clou darf dessen Tochter Rachel, die für das National Reconnaissance Office arbeitet, als „neutrale“ Beobachterin ihrem Vater das politische Grab schaufeln …

So weit der Plan. Die Realität sieht anders aus: Etwas stinkt nach Verrat im ewigen Eis …
Noch bevor Rachel zum Fundort des Meteors gebracht wird, werfen Elitesoldaten der Delta Force einen kanadischen Geologen mitsamt seinen Huskies aus ihrem Hubschrauber in eine Gletscherspalte …

Die Bühne ist bereitet, die Show kann beginnen. Warum musste der Forscher sterben? In wessen Auftrag handelten die Soldaten? Viele Spuren, denen der Leser nachgehen kann. Erst hatte ich Sexton im Verdacht, dann den Präsidenten, dann wieder andere… Brown legt hier meisterlich Köder für den Leser aus.

Leider blieb mir der Fisch im Hals stecken: Bald lässt Brown technisches Gerät auffahren, das wohl sogar Bond’s Cheftüftler Q eine Spur zu futuristisch wäre. An Ian Fleming’s klassische Bondromane erinnert auch die Anwendung desselben durch die bösen Jungs – bald jagen sie Rachel und ihren neuen Freund, einen gutaussehenden Meeresbiologen, bis ins Eismeer und schaffen es einfach nicht, sie umzubringen.

Rachel wird übrigens von einer F-14 in die Arktis geflogen und auf einer Eisscholle treibend von einem U-Boot gerettet… die Delta Force bewegt sich mit einem ca. sechsfach überschallschnellen Jet zurück nach Washington und benutzt auch sonst selbst für jede Kleinigkeit High-Tech. Ein bisschen zu dick aufgetragen für meinen Geschmack.

Ms. Rachel Sexton wird uns detailliert als hübsch, modisch und nett vorgestellt, dasselbe gilt für ihren ansonsten total unwichtigen Lover, Präsident Herney wird als sympathischer Landesvater und Papa Sexton als fieser Opportunist und Populist dargestellt. Hier tragen die Bösewichte graue Mäntel und schwarze Hüte, sehr zuvorkommend, Mr. Brown!

Obwohl Politik nicht mein Genre ist, konnte der Roman hier punkten: Die einzige Figur mit einer gewissen Charakterentwicklung ist Sextons persönliche Referentin Gabrielle Ashe, die dieser natürlich bereits „clintonized“ hat. Sie soll ins Lager des Präsidenten wechseln, zweifelt aber und traut bald keiner Seite in diesem Spiel mehr.

Ansonsten bleiben alle Figuren eindimensional blass, der Roman lebt von seiner durchgehend spannend erzählten Story, die immer wieder überraschende Wendungen bietet, was einen guten Thriller auszeichnet. Brown demonstriert erneut, dass sein packender Erzählstil keine Eintagsfliege war.

Seine Recherche war aber diesmal nicht gerade hervorragend: Von der Flut genial kombinierter Fakten bei „Illuminati“ blieb nicht allzu viel übrig. Das Heer von Experten hätte sich einige Details um den Meteor sehr einfach erschließen können, mehr erzähle ich aber hier nicht dazu. Auch biegt Brown die Fakten der Realität diesmal wesentlich stärker, um sie in den Roman einzupassen – eben mit der Brechstange, wenn es sein muss.

Die Auflösung, wer der geheime Drahtzieher hinter den Aktionen der Delta Force ist, und warum diese im Gebiet des Meteors aktiv wird, enttäuscht leider ebenfalls, da sie nicht unbedingt nachvollziehbar konstruiert ist.

Fazit: Leider nicht der erhoffte Knaller, der Steinbrocken säuft im Eismeer ab. Spannung und einen sehr guten und flüssigen Erzählstil findet man wieder, überzeugen kann der Roman wegen seiner Schwarzweißmalerei und dem für einen Thriller viel zu simplifizierten Politschema dennoch nicht. Die unnötigen Technikspielereien und sonstige an Mr. Bond erinnernde Anleihen kommen leider ohne den augenzwinkernden Charme, der denselben auszeichnete, nicht gut rüber.

Dan Brown kann es besser: In „Sakrileg“ wird Robert Langdon aus „Illuminati“ reaktiviert und darf wieder in Kunst, Kultur, Geschichte und Wissenschaft Rätsel und Intrigen lösen. Sein Eintopf aus Tom Clancy (Politik/Militär), Ian Fleming (Bond) und Akte X (Aliens/Wissenschaft) hingegen ist zu unglaubwürdig und konstruiert, um wirklich zu begeistern. Den Charme von Robert und Vittoria konnten Rachel und Michael (Barbie und Ken?) auch nicht erreichen.

Ohne den Erfolg von „Illuminati“ würde wohl niemand diesem Roman mehr als Mittelmaß bescheinigen. Das soll nicht heißen, der Roman wäre schlecht: Es gibt nur zahlreiche bessere, und nur Browns gefälligem Schreibstil ist zu verdanken, dass er nicht vollends in der Masse untergeht.

Homepage des Autors: http://www.danbrown.com

Cobb, James – Überfall auf hoher See

|Originaltitel: „Target Lock“|

James Cobb ist einer der Newcomer im High-Tech- bzw. Militärthrillergenre und legt mit „Überfall auf hoher See“ bereits sein viertes Buch in kurzer Folge vor. Er entstammt einer traditionsreichen Marine-Familie und hat lange Zeit auf verschiedenen Kriegsschiffen der U.S. Navy gedient.

Als INDASAT 06, ein unbemannter Forschungssatellit, bei seiner planmäßigen Landung in der Arufarasee vor Indonesien von der Besatzung der STARCATCHER aufgenommen wird, wird diese kurz darauf von einer organisierten Piratenbande überfallen und versenkt. Der wertvolle Satellit mit seinen Forschungsergebnissen über Materialbearbeitung in der Schwerelosigkeit wird an einen unbekannten Ort entführt. Schnell wird klar, dass mit konventionellen Mitteln wenig zur Wiederbeschaffung beizutragen ist und die indonesische Regierung entweder korrupt ist oder zumindest vor dem seit Jahren wieder aufkeimenden Piratenproblem die Augen verschließt.

Captain Amanda Lee wird mit ihrer „Seafighter Task Force“ aus dem Mittelmeer abgezogen und läuft durch den Suez-Kanal, um vor Ort Ermittlungen anzustellen und sich dabei den Anschein eines Höflichkeitsbesuches zur Verbesserung der politischen Beziehungen zu geben. Die „Seafighter Task Force“ ist eine kleine High-Tech-Einheit der neu gegründeten „NAVSPECFORCE“ (Naval Special Forces) und besteht aus dem schlagkräftigen Stealth-Kreuzer „U.S.S. Cunningham“, dessen Kapitän sie zuvor selbst war, sowie der hochgerüsteten „LSP“ (Landing Ship Platform) „U.S.S. Evans F. Carlson“ mit mehreren bis an die Zähne bewaffneten Hovercraft-Fahrzeugen, umgerüsteten Kampfhubschraubern und einer kleinen Einheit „U.S. Marines“ und „Marine Reconnaissance Units“.

Unterstützt von einem einheimischen Polizeioffizier kommt sie bald dem charismatischen und anziehenden Makara Harconan auf die Spur, der hinter der Fassade des weltmännischen Geschäftsmanns die Sippen der uralten Bugi-Stämme mit Geld, Waffen und Logistik unterstützt und damit einen perfiden Plan zur Zerschlagung des Vielvölkerstaats Indonesien in einzelne Inselreiche verfolgt.

Nach einigen Seegefechten und Scharmützeln wird Garrett von Harconan, der zwischenzeitlich sowohl ihr erbittertster Feind, aber auch ihr leidenschaftlicher Liebhaber geworden ist, entführt und es kommt zur alles entscheidenden Schlacht um dessen letzte Festung und die Sicherheit des freien Seeverkehrs in Südostasien.

Mit seinem vierten Buch um die ebenso erfolgreiche wie unkonventionelle und sympathische Kämpferin Amanda Lee Garrett trägt Cobb extrem dick auf. Während Garrett in den ersten beiden Romanen noch Kapitän der „Cunningham“ war, dann die Leitung der experimentellen Hovercraft-Einheit „Seafighter“ übertragen bekommen und vom Polarkreis über China und Westafrika eine Spur der Vernichtung hinterlassen hat, ist sie mittlerweile der verantwortliche Offizier für die an Schlag- und Feuerkraft ständig wachsende „Task Force“. Dabei setzt sie sich, mit Wissen und Billigung ihres Vorgesetzten, reihenweise über geltendes Recht souveräner Staaten hinweg und überzieht jeglichen Widersacher mit dem, was neuerdings als „Shock and Awe Tactic“ oder „Overwhelming Force“ bezeichnet wird.

„Überfall auf hoher See“ trieft zwar nicht unbedingt vor amerikanischem Nationalstolz, mystifiziert und glorifiziert aber die Feuerkraft und Stärke der U.S. Navy in kaum erträglichem Maß. Während die in Zahl weit überlegenen, aber in Technologie meilenweit hinterherhinkenden und maximal mit ein paar schweren Maschinengewehren und veralteten Haubitzen bewaffneten ‚Bugi‘ durch High-Tech-Lenkwaffen aller Arten geradezu niedergemetzelt werden und jeder Abschuss zelebriert wird, werden eigene, zu vernachlässigende Verluste beiläufig in einem Nebensatz erwähnt. Die Darstellung von Treffern, Verletzungen und Schäden der Gegenseite werden explizit beschrieben, Verwundete in den eigenen Reihen rappeln sich meist nach kurzer Zeit wieder auf, um heldenhaft weiterzukämpfen.

Für die Zielgruppe ist „Überfall auf hoher See“ auf jeden Fall ein lesenswertes Buch. Wer grundsätzlich etwas mit SMADS (Ship Area Denial Systems), Präzisionslenkmunition für 155-mm-VGAS (Vertical Gun Advanced Ships), ATACMS (Army Tactical Missiles) und Dutzenden anderen Begriffen für Lenkwaffen, Aufklärungsdrohnen und sonstiges Kriegsgerät anfangen kann, wird hier voll auf seine Kosten kommen. Cobb ist zweifelsohne ein Fachmann auf dem Gebiet der Seekriegsführung und -ausrüstung und alle seine fiktiven Waffensysteme sind weiterentwickelte Versionen heute tatsächlich bestehenden Kriegsgerätes, das fundiert, aber verständlich beschrieben wird. Lobenswert ist auch die geglückte Übersetzung vieler militärischer und seemännischer Fachbegriffe. Dazu liest sich das gesamte Buch in einem Rutsch spannend durch und ist jederzeit fesselnd, wenn auch, für Kenner der Materie, nicht wirklich überraschend.

Ken Follett – Das zweite Gedächtnis. Thriller

Ken Follett ist als Autor spannender Agententhriller bekannt geworden. „Das zweite Gedächtnis“ stammt aus demselben Genre und bedient sich recht freizügig bei Robert Ludlum’s Klassiker „The Bourne Identity“: Wie Jason Bourne kennt auch der Raketenforscher Dr. Lucas nicht einmal mehr seinen eigenen Namen, als er im Jahre 1958 kurz vor dem geplanten Start des ersten amerikanischen Satelliten in einer Bahnhofstoilette aufwacht und von einem Penner als „Luke“ angesprochen wird… Er leidet unter einer totalen Amnesie.

Bald bemerkt er jedoch, dass er nicht ist, was er zu sein scheint: Er ist nicht alkoholkrank, er wird offensichtlich von mehreren Männern beschattet und… bemerkt recht schnell, dass er sich zwar nicht an seine Freunde, Bekannten oder seine eigene Identität erinnern kann, aber dafür in Mathematik, Physik und vor allem auf dem Gebiet des Raketenbaus eine echte Kapazität zu sein scheint. Luke schaltet nach und nach seine Verfolger aus, und bringt immer mehr Licht in das Dunkel seiner Vergangenheit… Zu seinem Entsetzen stellt er fest, dass er von seinem Freund Anthony, der für die CIA arbeitet, gejagt wird – ist er gar ein kommunistischer Spion?

Bei seiner Jugendliebe Billie und seinem alten Freund Bern findet er Unterstützung – doch warum jagt Anthony ihn, was für ein Spiel treibt Lukes Frau Elspeth? Luke findet heraus, wer er ist, und was er in der jüngsten Vergangenheit getan hat – und verliebt sich nebenher erneut in Billie. Warum auch immer Anthony Luke jagt – er ist sich sicher, es hat mit dem Start der Jupiter-C-Rakete und des Satelliten „Explorer“ zu tun…

Mein Eindruck

Gleich zu Beginn hatte ich ein Déjà-vu – der Agent oder hier eben hochkarätige Wissenschaftler, der einsam und alleine erwacht und ganz auf sich selbst gestellt ist, das kennt man, wie oben erwähnt, schon – entweder aus dem Kino, „The Bourne Identity“ wurde mit Matt Damon und Franka Potente kürzlich zum zweiten Mal verfilmt, oder aus dem Originalbuch von Robert Ludlum. Follett führt den Part, wie sich Luke langsam erinnert, ähnlich aus, aber handelt ihn zügiger ab, um eigene Wege zu gehen. An dieser Stelle schwand langsam der ständig in meinem Hinterkopf herumspukende Plagiatsgedanke dahin… Es war durchaus spannend zu lesen, warum Luke das alles eigentlich angetan wurde.

Leider kommt Follett nicht an Ludlum heran – auch die Follett-typische Lovestory und ein diesmal überzogenes Beziehungsgewirr der vier Freunde von Luke untereinander geben der Story nicht mehr Würze: Im Gegenteil, Anthonys Motive enttäuschten mich nicht nur, so simpel und konstruiert waren sie, hier hat Follett auch die Gelegenheit verspielt, seiner Story einen über das Triviale hinausgehenden Reiz zu geben.

Wie bei Follett kaum anders zu erwarten, ist das Buch sehr flüssig und angenehm zu lesen, die Aufmachung des Hardcovers weiß auch zu gefallen. Zu der Übersetzung nur ein Wort: Perfekt. Sie liest sich, als ob es die Originalfassung wäre. Nebenbei wird dem Leser zu Beginn eines jeden Kapitels ein wenig die Raketentechnik der 50-er Jahre angenehm und leicht verdaulich näher gebracht. Gelegentliche Rückblenden in die Jugendjahre Lukes und seiner Freunde verleiten den Leser zum Spekulieren und sorgen für Abwechslung.

Dennoch ist „Das zweite Gedächtnis“ nicht das geworden, was es hätte sein können: Der Konflikt zwischen Lukes Frau Elspeth und seiner alten Flamme Billie, die er nach der Amnesie ihr vorzieht, vor allem aber die Verschwörung hinter der Amnesie – all das wird meist nur oberflächlich angerissen und nicht genügend ausgeführt, um dem Thriller etwas mehr eigenen Charakter zu geben.

Unterm Strich

Spannend ist das Buch, ebenso unterhaltsam. Leider enttäuscht der Schluss mit einer einfallslosen und konstruierten Auflösung der vielen Zusammenhänge. Ebenso Lukes Freunde: Die Ex-Geliebte ist zufällig Expertin auf dem Gebiet der totalen Amnesie, Anthony arbeitet beim CIA, Elspeth und Bern… Ich will ja nicht alles verraten. Ein sehr künstliches und nicht sehr überzeugendes soziales Umfeld.

Es bleibt der Eindruck, Follett habe hier die „light“-Version von Ludlums Original-Coke „The Bourne Identity“ abgeliefert. So empfand ich „Das Zweite Gedächtnis“, welches im Original den treffenderen und klangvolleren Titel „Code to Zero“ hat, zwar als spannendes und durchaus unterhaltsames, aber stark vereinfachtes Plagiat von Ludlums anspruchsvollerer Vorlage.

Ken Follett’s Homepage: http://www.ken-follett.com/

Taschenbuch: 448 Seiten
O-Titel: Code to Zero
ISBN-13: 978-3785720592

www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Brown, Dale – Feuerflug

|Originaltitel: „Wings of Fire“|

Der hochdekorierte ehemalige U.S. Air Force Captain Dale Brown, Navigator und Bombenschütze in B-52- und FB-111A-Bombern, führt seit seinem ersten Buch „Höllenfracht“ („Flight of the Old Dog“) regelmäßig die amerikanischen Bestsellerlisten an und gilt mit seinen Aufsehen erregenden Technologie- und Militärthrillern als einer der Besten seines Fachs.

Der zwangspensionierte Air-Force-General Patrick McLanahan, nunmehr leitender Angestellter bei Skymasters Inc., führt über der lybischen Wüste nicht genehmigte, selbstmörderische Tests mit einem umgebauten B-52-Bomber aus. Dabei provoziert er absichtlich Angriffe mit SAM-Raketen (Surface-To-Air-Missiles) gegen sein Flugzeug, um die Funktionsfähigkeit des von Skymasters entwickelten Abwehrlasers zu testen. Zeitgleich schmiedet der betrügerische Präsident des Vereinigten Königreichs Libyen, Jadallah Salem Zuwayy, mit dem zwielichtigen russischen Öl-und Waffenhändler Kasakow und willfährigen Gefolgsleuten in der ägyptischen Regierung eine Verschwörung, um reichhaltige Ölfelder an der libysch-ägyptischen Grenze zu besetzen.

Nach einem tödlichen Attentat auf den ägyptischen Präsidenten bittet dessen Frau Susan Bailey Salaam, eine Amerikanerin und ehemalige Air-Force-Angestellte, die USA um Unterstützung bei der Verteidigung Ägyptens, wird jedoch rüde abgewiesen, da die USA keinerlei amerikanische Interessen bedroht sehen. Und dies, obwohl Libyen nachweislich im Besitz von alten, russischen SS-12-Mittelstreckenraketen mit nuklearen und biologischen Gefechtsköpfen ist. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an Patrick McLanahan, der mit einer Gruppe von Gleichgesinnten unter dem Namen „Night Stalkers“ eine hochtechnisch ausgerüstete Privatarmee führt, die gegen Bezahlung moralisch einwandfreie militärische Interessen von Kleinstaaten vertritt.

Die Night Stalkers, die wiederum inoffiziell und streng geheim mit dem amerikanischen Präsidenten in Verbindung stehen, um dessen politisch nicht opportune ‚Schmutzarbeit‘ zu erledigen, werden zwar nicht direkt für Susan Bailey tätig, aber über andere Verbindungen in den Regionalkonflikt hineingezogen und liefern sich erbitterte Luft- und Bodenschlachten über und auf libyschem Territorium. Dabei werden McLanahans Frau Wendy und weitere Night Stalkers in Gefangenschaft genommen und bei dem spektakulären Showdown kommt es zu einigen Überraschungen, auch was die wahren Absichten einiger Akteure anbelangt.

Dale Brown ist dann am besten, wenn er wie in „Feuerflug“ am dicksten aufträgt. Nachdem er bei seinen letzten Veröffentlichungen mit „Mann gegen Mann“ und „Stählerne Jäger“ doch etwas schwächere Romane abgeliefert hat, die allerdings zur Vorgeschichte von „Feuerflug“ wichtige Hintergründe bieten, kommt hier wieder seine wirkliche Stärke zum Vorschein: Luftkampf; einzelne, hochgerüstete strategische Bomber auf geheimen Einsätzen gegen strategische Ziele, bei massiver Luftabwehr durch Bodenstellungen und Abfangjäger. Dabei mischt er, genretypisch, aber geschickt, Fakten und Fiktion.

Über die von ihm seit seinem ersten Buch favorisierte ‚Tuning‘-Version der B-52 Stratofortress, bei ihm zur „Megafortress“ mit Stealth-Eigenschaften und wirkungsvollen Selbstschutzeinrichtungen sowie zum massiven Einsatz von nichtnuklearen Präzisionswaffen mutiert, ist in der einschlägigen Fachliteratur nichts bekannt. Naheliegend wäre eine derartige Aufrüstung allerdings schon. Von den seit 1952 insgesamt 744 ausgelieferten B-52 sind heute noch 85 Stück der letzten Version „H“ im aktiven Dienst – die jüngste davon ist Baujahr 1962 – und diese stellen nach wie vor das Rückgrat der strategischen Bomberflotte der USA dar und sollen bis über das Jahr 2040 hinaus im Dienst bleiben. Demgegenüber stehen nur 21 der hochmodernen B-2 „Spirit“, die ausschließlich auf der Whiteman AFB in Missouri stationiert sind, sowie 60 der Überschallbomber B-1B „Lancer“, deren Produktion allerdings bereits eingestellt wurde. Beide verfügen zwar über Stealth-Eigenschaften und eine weit höhere Geschwindigkeit als die betagte „B.U.F.F.“ („Big Ugly Fat Fucker“), haben aufgrund ihrer geringeren Reichweite und Nutzlast jedoch ein anders gelagertes Einsatzprofil und verursachen mit ca. 300 Mio $ für eine B-1B bzw. 1,2 Mrd. $ für |eine| B-2 natürlich enorm höhere Kosten als die Überbleibsel des Kalten Krieges.

Ebenfalls keine reine Fiktion ist die „Rail Gun“ der Night Stalkers, die mittels elektromagnetischer Kräfte ein Projektil auf ca. 3000-4000 Meter/Sekunde beschleunigen soll, oder das „Exo-Skelett“ aus Verbundfaserstoff, das über dem Kampfanzug getragen dem „Future Warrior“ der U.S. Army ab 2025 fast schon übermenschliche physische Kräfte verleihen und ihn gegen Beschuss bis hin zu leichten Infanteriegeschützen sowie Strahlung schützen soll. Auch der von Skymasters entwickelte bordgestützte Laser zur Abwehr von Raketen gehört durchaus nicht in das Reich der Science-Fiction, das ALS („Airborne Laser System“) ist sogar schon in einem relativ späten Entwicklungsstadium, allerdings mit über 80 Tonnen Gewicht und einer noch mangelhaften Energieproduktion sicherlich noch lange nicht einsatzbereit.

Insofern bietet „Feuerflug“ wieder einmal alles, was das Herz des Freundes von hochkarätigen Technologie-/Militärthrillern sich wünscht: detailgetreu und fachmännisch geschilderter Luftkampf in Hülle und Fülle, inwieweit realistisch, wissen wohl nur Kampfpiloten zu beurteilen, aber immer nervenaufreibend spannend. Dazu intelligent gestrickte geopolitische Vorgänge, ebenfalls mit einer gesunden Mischung aus Fakten und Fiktionen, sowie lebendig geschilderte Akteure (bei denen man sich manches Mal allerdings eine etwas weniger stereotype Darstellung wünschen würde).

Stören kann man sich an dem fast schon kühlen, technokratischen Stil, mit dem Brown den Einsatz der schlimmsten Massenvernichtungswaffen der Menschheit schildert. Von VX-Nervengas über schmutzige Bomben aus wieder aufbereitetem Uran bis hin zu thermonuklearen Mittelstreckenraketen wird alles eingesetzt, was verfügbar ist und möglichst großen Schaden anrichtet. Wer sich daraus nichts macht und beim Lesen nicht über ideologische Probleme grübeln muss, der hat ein paar ausnehmend spannende und actionreiche Lesestunden vor sich. Schlussfolgernd also ein „Knaller“, im wahrsten Sinn des Wortes, für die Zielgruppe, aber wenig geeignet für den Genrefremden.

Homepage des Autors: http://www.megafortress.com

Coonts, Stephen – Jagt die \’America\‘

Beim Start einer Trägerrakete mit dem neuen Raketenabwehr-Satelliten |SuperÄgide| kommt es zu einer gewaltigen Panne und die dritte Brennstufe stürzt aus ungeklärten Ursachen mitsamt dem milliardenteuren Satelliten über offenem Meer ab. Noch Monate später sind die USA auf der Suche, als es erneut zu einer Panne kommt. Das hochmoderne U-Boot |America|, ausgestattet mit revolutionärer Sonartechnik, einem zusätzlichen Mini-U-Boot für Spezialeinsätze und voll bewaffnet, wird von einer kleinen Gruppe Saboteuren beim Auslaufen zum ersten Manöver entführt. Die Täter gehen mit äußerster Brutalität vor, erschießen mehrere Seeleute noch während der Kaperung und verschwinden mit dem Boot im Atlantik, bevor die politische Führung den Mut fasst, einem nur wenige Meilen entfernten Zerstörer den Befehl zur Versenkung zu geben.

Admiral Jake Grafton wird als Verbindungsoffizier zwischen Navy sowie ausländischen und amerikanischen Geheimdiensten mit der Aufklärung und Wiederauffindung des U-Bootes betraut. Die Entführer brauchen nicht lange, um von den Waffensystemen der |America| Gebrauch zu machen und schießen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk, ausgestattet mit einem neuem Gefechtskopf namens |Flashlight|, auf Washington ab. |Flashlight| erzeugt einen elektromagnetischen Impuls, ähnlich dem einer Nuklearexplosion, und legt in Sekunden das öffentliche und wirtschaftliche Leben in der amerikanischen Hauptstadt lahm. Flugzeugabstürze führen zu Hunderten Toten und die Regierungsgeschäfte sind empfindlich beeinträchtigt.

Während die |America| zunächst der amerikanischen Flotte, die sie mit dem Befehl zur sofortigen Versenkung jagt, entkommen kann und weitere |Flashlights| auf New York City abschießt, kommt Grafton langsam einer groß angelegten Verschwörung auf die Spur und tastet sich an die Hintermänner der Entführung heran, die auch beim Absturz des Satelliten ihre Finger im Spiel hatten.

„Jagt die America“ hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Dass Stephen Coonts ein Fachmann für Militärtechnologie ist, wird auch in diesem Roman wieder klar. Wie seine Genrekollegen mischt er aktuelle Technologie und bekannte Fakten über Weiterentwicklungspläne mit Visionen und ein bisschen Phantasie. Ob es in absehbarer Zeit zu einem U-Boot der |America|-Klasse kommen wird, ist mehr als zweifelhaft. Die |Los Angeles|-Boote der ‚vorletzten‘ Generation (ab 1976) werden reihenweise stillgelegt (19 von 62 Stück zwischen 1995 und 2008) und bei den verbleibendenden Booten wird davon ausgegangen, dass ihre aktive Dienstzeit von 30 auf bis zu 50 Jahre verlängert wird. Vom derzeit modernsten U-Boot der neuen |Seawolf|-Klasse, das bereits moderner Kriegsführung Rechnung trägt und für den Transport und Einsatz von amphibischen Spezialeinheiten ausgerüstet ist, wird erst 2004 das erste volltaugliche Boot in Dienst gestellt. So detailgetreu Coonts die Ortungsversuche der |P3-Orion|-U-Bootjäger und den Unterwasserkampf der |America| mit der real existierenden |La Jolla| der |Los Angeles|-Klasse schildert, so vage bleibt er bei der Beschreibung des revolutionären Sonarsystems |Enthüllung| (dessen Bezeichnung vielleicht besser nicht übersetzt worden wäre).

Geradezu einfach macht Coonts es sich, wenn es um die Beschreibungen der Computermanipulationen geht, die den Satelliten zum Absturz bringen. Hier wird nur von ‚eindringen‘, ‚hacken‘ und ‚einklinken‘ gesprochen, ohne auch nur die Spur eines wissenschaftlichen Hintergrunds zu vermitteln. Noch banaler ist der Plot um den milliardenschweren Börsenspekulanten, der die einbrechende amerikanische Wirtschaft nutzt, um mit Valutenspekulationen das große Geld zu verdienen. Als bestenfalls verwirrend und unnötig muss man die Begleitstory um die geheimdienstlichen Hintergründe bezeichnen, die die Entführung der |America| überhaupt erst möglich gemacht haben. Aber fast schon lachhaft wirkt der krampfhafte Showdown, bei dem eine Handvoll Militärs mit ihren Ehefrauen versucht, sämtliche Bösewichte, deren es (zu) viele gibt, auf einen Streich zwischen Abendessen und Drinks an der Bar eines Luxus-Kreuzfahrtschiffes zu erledigen, nachdem diese bereits identifiziert und lokalisiert waren.

Genrefreunde werden ob der sicherlich vorhandenen Spannung zwar wohl wie gewohnt auf ihre Kosten kommen, sich aber dennoch einen reinrassigen U-Boot-High-Tech-Thriller wünschen, wie sie derzeit Patrick Robinson am besten schreibt. Der Versuch, Militärtechnologie und -taktik, globale wirtschaftliche und politische Vorgänge, Computerkriminalität und hochkarätige Geheimdienstaktivitäten in einen Thriller zu packen, ging bei „Jagt die Amerika“ leider daneben und Coonts hat sich in der Vielzahl der Personen und Handlungen leider selbst verstrickt. Weniger wäre, wie so oft, auch hier eindeutig mehr gewesen.

Stephen Coonts war einige Jahre Pilot einer A-6 Intruder bei der U.S. Navy und flog vom Flugzeugträger |Enterprise| aus Einsätze in Vietnam. 1977 schied er aus dem aktiven Dienst aus und wurde Rechtsanwalt in einer Ölfirma. Sein erster Roman „Flug durch die Hölle“ (Flight Of The Intruder) erschien 1986 und wurde erfolgreich verfilmt; seitdem haben es 13 seiner Werke in die Bestsellerlisten der New York Times geschafft.

Homepage des Autors: http://www.stephencoonts.com/

Ambrose, David – EX

Joanna Cross recherchiert als Journalistin verdeckt im „Camp Starburst“, um die dortigen Machenschaffen der Esoterik- und Spiritisten-Maffia auffliegen zu lassen. Dies gelingt ihr auch, und neben dem Hass der Hauptakteure Eleanor „Ellie“ und Murray Ray zieht sie damit die Medienaufmerksamkeit auf sich, landet unter anderem in einer Talkshow zu diesem Thema. Einer der Gäste der Gesprächsrunde ist Mr. Towne. Dr. Sam Towne ist Psychologe an der Manhattan University und leitet dort mit Hilfe von Physikern, Technikern, Statistikern und anderen Psychologen das Parapsychologische Institut, das sich anomalen Phänomenen wie Telepathie, Präkognition, Psychokinese oder Hellsichtigkeit befasst. In Gesprächen nach den Fernsehaufnahmen weckt Sam das Interesse von Joanna an der Parapsychologie, diese wiederum kann ihren Herausgeber für das Thema erwärmen und gemeinsam vereinbaren sie ein ganz besonderes Experiment, das abseits von Signifikanzen und Statistiken für die Eingeweihten auch genug handfestes Material zu bieten hat, um als Aufhänger für einen Zeitschriftenartikel dienlich zu sein. Dabei soll versucht werden, mittels Gruppendynamik einen Egregor, ein energetisches Geistwesen zu erschaffen, das sich real manifestiert und allerlei ungewöhnliche Effekte mit sich führt. Diese Zielrichtung ist deshalb bereits zu Beginn so klar umrissen, weil es nicht das erste Mal ist, dass dieses Experiment durchgeführt wird; es gab bereits einige frühere Versuche anderer Gruppierungen mit ähnlichen Auswirkungen. Das Experiment gelingt in der Tat, doch sind die Auswirkungen für die Teilnehmergruppe alles andere als erfreulich, denn der erschaffene Geist „Adam Wyatt“ zeigt so gar keine Bereitschaft, das Experiment enden zu lassen und wieder in die Tiefen der Psyche seiner Erschaffer zu verschwinden. Viel lieber scheint es ihm, dass jene an seiner Statt diese Realitätsebene verlassen. Realität und Illusion, Materie und Geist beginnen sich zu durchdringen, die Wirklichkeit verändert sich und ein Mystery-Thriller der Königsklasse beginnt sich zu entfalten…

David Ambrose war bereits vor „EX“ mit „Der 8. Tag“ ein Bestseller gelungen, der es in sich hatte. „EX“, im Original von 1997 „Superstition“ betitelt, basiert auf einem Experiment, das Anfang der Siebzigerjahre tatsächlich stattgefunden hatte und in der Fachliteratur ausführlich behandelt wird. Hilfe bekam er dabei durch Berichte von Teilnehmern, er studierte insbesondere die Werke „Conjuring Up Philip – An Adventure in Psychokinesis“ von Iris M. Owen und Margaret Sparrow, „Margins of Reality“ von Robert G. Jahn, „Parapsychology – A Concise History“ von John Beloff, zudem Werke von Kit Pedlar, Stan Gooch, Michael Harrison, Alan Gaud und A. D. Cornell. Unterstützt wurde er in seinen Recherchen vom PEAR (Princeton Engineering Anomalies Research Program), von der Eileen-J.-Garrett-Bibliothek der Parapsychology Foundation Inc. New York sowie von Michaeleen C. Mather aus New York, die sich in ihren Arbeiten mit paranormalen Phänomenen beschäftigt und von deren hohem wissenschaftlichem Standard Ambrose sich sehr beeindruckt zeigte.

Wie man sieht, steckt hinter der Arbeit an diesem Thriller ein solides Interesse und einiges an Fachkundigkeit in der Thematik. Für grenzwissenschaftlich Interessierte und Mystery-Liebhaber gibt es einiges an fachkundigen Ausführungen sowie theoretischen Ansätzen zu entdecken, aber auch philosophische Gedankengänge lassen sich finden. Davon ab gehört „EX“ eindeutig zu den spannendsten Thrillern, die mir bislang untergekommen sind. Dementsprechend zügig und mit gebannter Aufmerksamkeit habe ich mir den Buchinhalt dann einverleibt. Allein die finalen Wendungen sind geradezu erstaunlich. Auch an der Charakterzeichnung gibt es nichts zu bemängeln, und die emotionale Ebene kommt ebenfalls nicht zu kurz, wenngleich beides keine Schwerpunkte bildet und vornehmlich den beiden Hauptprotagonisten vorbehalten bleibt. Etwas mehr lebensnahe und zwischenmenschliche Ausgestaltungen und Nebenhandlungen hätten das Werk zwar perfektioniert, tun in der vorliegenden Form der Gewichtung und Erzählung selbst jedoch keinen Abbruch. Das inhaltliche Material, die Geschichte selbst sowie die Art der Darstellung gäben auch einen ausgezeichneten Psycho-Thriller auf der Leinwand ab, ich wüsste allerdings gerade nicht, ob das Buch tatsächlich schon verfilmt wurde. Wenn nicht: Zeit wird’s, aber die wissenschaftlichen Grundlagen dabei nicht vergessen.

Ambrose beginnt seine Darstellung übrigens fast am Ende der Erzählung, was beim neugierigen Leser Fragen aufwirft, die für Spannung sorgen und im Verlauf der Geschichte eigentlich erst zum Ende hin klarer werden. Nach dem Prolog geht es dann in die Vergangenheit, die Charaktere und Hintergründe werden aufgebaut, aber nichts davon ist irgendwie für die Hauptgeschichte unwesentlich. Alles hat seine Bedeutung, jede handelnde Person bekommt im Verlauf ihre Rolle zugewiesen, die ganze Geschichte ist sehr sorgsam konstruiert und sorgt für allerlei Aha-Effekte und staunende Momente. Und wer auf ein Happy End hofft – nun, lasst euch überraschen und von diesem Meisterstück gefangen nehmen.

Wer übrigens herausgefunden hat, warum das Buch im Deutschen „EX“ heißt, möge sich bei mir melden.

Iles, Greg – Infernal

Die Kriegsfotografin Jordan Glass stößt auf eine bizarre Gemäldeserie. Eine der im todesähnlichem Schlaf dargestellten Frauen ist ihre verschwundene Schwester Jane. Zusammen mit dem FBI stößt Jordan auf vier Verdächtige in New Orleans: Alle sind Kunstmaler. Wissen sie, ob Jane bereits tot ist? Lebt sie wieder Erwarten noch? Plötzlich wird Jordan selbst zum Ziel des Serienmörders.

Greg Iles wurde in Deutschland geboren und verbrachte seine Jugend in Natchez am Mississippi. 1983 beendete er sein Studium an der University des Staates Mississippi, seither widmet er sich dem Schreiben. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit seinem Roman „@E.R.O.S.“ finden sich seine Werke in den Bestsellerlisten. Zu dem Film „24 Stunden in seiner Gewalt“ mit Kevin Bacon und Courtney Love schrieb Iles das Drehbuch, das auf seinem Roman beruht.

Als die Fotografin Jordan Glass für Buchrecherchen ein Museum in Hongkong besucht, erleidet sie den Schock ihres Lebens: Die aktuelle Gemäldeausstellung des Kunstmuseums zeigt eine Serie von nackten Frauen, die zu schlafen scheinen. Doch sie sind so blass, dass sie genauso gut tot sein könnten. Und das Gesicht einer dieser Frauen ist ihr eigenes: das ihres eineiigen Zwillings Jane. Auch die anderen Besucher des Museum erleiden einen Schock: Da hängen Bilder von nackten, möglicherweise toten Frauen an der Wand, und plötzlich spaziert eine der Totgeglaubten mitten unter ihnen umher… Als Jordan aus dem Chaos, das ihr Erscheinen verursacht hat, entkommen kann, schnappt sie sich den erstbesten Flieger, der sie in die Staaten bringt und ruft das FBI an.
Ihre Schwester Jane ist bereits über ein Jahr verschwunden – entführt, wie man glaubt. Und nun könnte das in Hongkong entdeckte Gemälde der endgültige Beweis sein, dass sie tot ist. Schon lange arbeitet daher Jordan mit Stellen des FBI in Quantico zusammen. Jordans Schreck sitzt tief, doch sie kann ihn bezähmen: Als Kriegsfotografin hat sie schon so ziemlich jede Horrorszene erlebt, die man sich vorstellen kann; auch am eigenen Leib…

Sofort fliegt sie nach New York City, um den Händler zu treffen, der dem japanischen Besitzer der Museumsbilder die Gemälde verkauft hatte: Christopher Wingate. Doch kaum ist sie mit ihren hartnäckigen Reporterfragen ein Stück weit in die Vorgeschichte der Gemälde eingedrungen, als in der Galerie Feuer gelegt wird. Sie entkommt mit knapper Not dem Inferno, doch Wingate schafft es nicht. Ein Besuch bei einem von Wingates Kunden, dem Exilfranzosen Marcel de Becque, verläuft ziemlich ergebnislos: Er hatte die ersten fünf Bilder gekauft, doch nicht auch jenes bekommen, das Jane zeigt.

Die Spur der in Hongkong sichergestellten Bilder führt über extrem seltene Pinselhaare direkt an die Universität von New Orleans, die Tulane University. In dieser Stadt hatte Jane mit ihrer Familie gelebt, hier hatte Jordan mal bei einer Tageszeitung gearbeitet. (Und hier kennt sich der in Mississippi aufgewachsene Autor hervorragend aus.) Zusammen mit FBI-Leuten, dem Special Agent John Kaiser und dem Psychologen Dr. Arthur Lenz, darf Jordan an den Verhören von vier Verdächtigen teilnehmen, darunter einem weltbekannten Kunstmaler namens Wheaton. Ist Jane noch am Leben? Als Jordan bereits glaubt, ihre Nachforschungen würden ergebnislos verlaufen, verschwindet eine der Verdächtigen direkt vor den Augen ihrer FBI-Beschatter. Wenig später wird ein perfekt organisierter Angriff auf Jordan und ihre FBI-Beschützerin ausgeführt. Nur gut, dass auch John Kaiser in der Nähe ist…

Ich habe seit einiger Zeit keinen derart spannenden Thriller mehr gelesen. Nach dem furiosen Auftakt, der zur Hauptsache aus der erschütternden Entdeckung von Janes Bild und dem Brand in Wingates Galerie besteht, gerät die Handlung erst einmal in ruhigeres Fahrwasser. Die Befürchtung, die Verhöre der vier Verdächtigen könnten sich als falsche Fährte erweisen, die der Autor ausgelegt hat, um uns irrezuführen, bewahrheitet sich nicht: Hier sind wir schon genau richtig. Die Lage spitzt sich bereits nach 250 bis 300 Seiten einigermaßen zu, als Jordan brutal angegriffen wird, wobei ihre Beschützerin ihr Leben opfert. Von da an überschlagen sich die Informationen und Ereignisse, bis zu einer langen und beklemmenden Passage, in der sich Jordan hilflos in den Gewalt des Mörders wiederfindet und erfährt, wie alles begann. Nach dem obligatorischen Showdown findet eine doppelte Wiederauferstehung statt. Mehr darf ich nicht verraten.

Menschlich anrührend ist der Roman in sehr vielen Szenen, ganz gleich, ob es sich um die Ich-Erzählerin Jordan Glass geht oder um die gewaltsam verwaiste Familie ihrer Schwester. Hilfe und Beistand findet die 40-jährige Jordan, die sich in ihrer Arbeit verloren hat, bei Special Agent John Kaiser. Nach einigen zaghaften Annäherungsversuchen, die immer wieder von dienstlichen Anrufen unterbrochen werden, finden die beiden schließlich zueinander, um gemeinsam einen Neuanfang zu wagen. Ungewöhnlich an der mittlerweile gewohnten Plottidee des psychisch abnormalen Serienmörders ist das Milieu, in dem der Täter zu suchen ist. Die Kunstmalerei war bislang nicht besonders dafür bekannt, Schauplatz blutiger Morde oder anderer Kapitalverbrechen zu sein. Prompt kommt auch hier der Verweis auf Oscar Wildes berühmte Novelle „Das Bildnis des Dorian Gray“, in dem der „Titelheld“ einen Mord begeht und sich danach ewige Jugend verschafft – zumindest vorerst. Greg Iles verrät große Detailkenntnisse, für die er sich bei den konsultierten Sachverständigen am Schluss des Buches artig bedankt.

Oftmals das Sorgenkind bei Romanen mit solch spezialisierten Fachbereichen, wie sie hier auftreten, ist die Übersetzung diesmal ausgezeichnet gelungen. Anders als bei Tom Clancys letztem Buch hat auch das Lektorat keine Fehler übersehen. Obwohl ich den Übersetzer Axel Merz nicht gerade als den Allerbesten seines Fachs kennengelernt habe – er übertrug den kompletten Armageddon-Zyklus von Peter F. Hamilton ins Deutsche -, so hat diesmal die möglicherweise bessere Bezahlung als beim Taschenbuch für einwandfreie Arbeitsergebnisse gesorgt. Schon lange habe ich den Eindruck, dass Hardcover-Übersetzungen eine höhere Qualität besitzen als Taschenbücher. Ausnahmen wie Clancy bestätigen die Regel.

„Infernal“ ist ein kompetent gebauter und sehr spannend erzählter Thriller, der mit ähnlichen Elementen umgeht wie etwa „Sieben“ oder „Das Schweigen der Lämmer“ und damit Erfolg hat. Nur dass seine Figurenzeichnungen außer bei der Hauptfigur nicht besonders tiefgründig sind. Jordan und ihre Familie erhalten eine eigene Historie, die psychologisch untermauert wird und für eine subtile Spannung sorgt. Daher versteht man auch, warum Jordan so sehr bemüht ist, die Wahrheit über Janes Schicksal herauszufinden: Sie muss sich selbst retten, bevor sie zusammenbricht. Nun könnte man noch meinen, die Morde an den „Schlafenden Frauen“ wären sinnlos, weil sie von einem psychisch Gestörten begangen werden. Dem ist keineswegs so – die Botschaft, die Iles geschickt verpackt hat, lautet wie folgt: Je höhere Preise Gemälde mit bestimmten Motiven erzielen können, desto mehr wird das entsprechende Angebot zunehmen: das Gesetz von Nachfrage und Angebot. Schlecht für die Opfer: Erst als die nackten Frauen realistisch so dargestellt werden, als befänden sie sich im Todesschlaf, steigen die Preise rasant in die Höhe: Das letzte Gemälde bringt fast zwei Millionen Dollar! Kunst killt.

Ich habe den Roman in nur drei Tagen gelesen, wobei ich in der letzten Sitzung die restlichen 300 Seiten einfach am Stück lesen musste. Das Buch ist zu spannend, um es einfach zwischendurch mal weglegen zu können. Die Mühe hat sich gelohnt. Ich bin rundum zufrieden mit dem Buch.

Homepage des Autors: http://www.gregiles.com

_Michael Matzer_ (c) 2003ff
(lektoriell editiert)

Cordy, Michael – Lucifer – Träger des Lichts

Eigentlich ist es ganz einfach: Man braucht nur das Headset mit dem Surround-Vision-Displayvisier und die dazugehörigen Kopfhörer aufsetzen, das Mikrophon und das Geruchspad in die richtige Position verschieben und man ist dabei: bei der virtuellen Echtzeit-Realität, im Optinet! Chatten mit Lesen und Schreiben? Veraltet! Nutzt einfach den hochentwickeltsten Computer, den es gibt: den Lucifer! Datenübertragung, -verarbeitung und -speicherung, Berechnungen der kompliziertesten mathematischen Gleichungen in Lichtgeschwindigkeit – mit Lucifer ist alles möglich.

Wovon ich hier eigentlich schreibe? Von der Nutzbarkeitmachung des Lichts, die in Michael Cordys neuem Wissenschafts-Thriller „Lucifer – Träger des Lichts“ bereits seit Jahren die Welt beherrscht. Möglich wurden damit technische Entwicklungen wie erwähntes Optinet. Oder der Neuro-Translator, ein Gerät, das menschliche Hirnströme speichert, verarbeitet und sogar verändern kann. Einsetzbar ist es zum Beispiel bei der Heilung von Phantomschmerzen, wo der Neuro-Translator die Schmerzsignale eindämmen oder vollkommen auflösen kann.
In diesem Zeitalter der höchsten technischen Stufe bleibt allerdings eine Frage nach wie vor unbeantwortet und somit auch weiterhin eine Glaubensangelegenheit: Was passiert nach dem Tod? Und auch da hat Lucifer seine Bytes im Spiel. Die Kirchen, wie wir sie kennen, sind so gut wie ausgelöscht. Nur die katholische Kirche kränkelt aufgrund ihrer ehemaligen Machtposition noch vor sich hin. Weltbeherrschend, übers Optinet spielend leicht zu erreichen, wacht die Kirche der Seelenwahrheit über ihre Schäfchen – dogmatisch, selbstgefällig und machtgierig, wie alle anderen Religionen zuvor auch. Doch der Rote Papst, das Oberhaupt, will noch mehr als eine millionenschwere Anhängerschaft – er will den Menschen ihre letzte Frage beantworten und damit wie Gott auf Erden wandeln.

Dr. Bradley Soames, der Bezwinger des Lichts und Erbauer von Lucifer, führt mit sterbenskranken Patienten Seelen-Experimente durch. Ihm ist es bereits gelungen, die Seele eines Menschen sichtbar zu machen, herauszufinden, dass jede Seele ihren eigenen „Code“ hat und es damit möglich wäre, hätte man diesen Code geknackt, sie im Jenseits anzurufen, also mit ihr zu kommunizieren. Das Problem besteht allerdings darin, dass er diesen Code nicht festhalten kann.
Als ihm auffällt, dass seine Mitarbeiterin Amber Grant immer zu dem Augenblick Phantom-Migräne bekommt, wenn ein Testpatient getötet wird, schickt er sie zu dem Neurologen Dr. Miles Fleming, dem Erfinder des Neuro-Translators.
Bereits in der ersten Nacht zeichnet das Gerät aufgrund einer Astralreise Ambers die Seelen-Welle auf.
Als Fleming seinem verunglückten Bruder mittels seiner Erfindung wieder zum Sprechen verhelfen will, geschieht das Unfassbare: Der Bruder stirbt und sechs Minuten nach seinem Tod spricht er durch den Neuro-Translator. Fleming, durch und durch Atheist, sucht Beweise für eine Fehlfunktion, entdeckt die Seelen-Welle und wird dabei von seiner Chefin Dr. Virginia Knight, der Leiterin der Klinik, gestört.
Knight, die eine fanatische Anhängerin des Roten Papstes ist und den Experimenten die Todespatienten zuführte, leitet die Entdeckung an Soames weiter, der daraufhin Amber als perfekte Testperson entführen lässt und ihre Seele zwingt, den Körper immer wieder zu verlassen, um die Frequenz festzustellen.
Fleming wird suspendiert und trifft bei seinen Nachforschungen auf Soames. Ohne ihn einzuweihen, bringt der Wissenschaftler Fleming dazu, für ihn einen leistungsstärkeren Neuro-Translator zu bauen, der schließlich zum Erfolg führt und damit den großen Tag des Roten Papstes möglich macht: Er, selbst im letzten Stadium seiner Krebs-Erkrankung, wird sich töten lassen, um aus dem Jenseits die Kunde zu verbreiten, dass seine Kirche die einzig Wahre ist und wer ihr folgt, wird erlöst werden und zu Gott in den Himmel kommen.
Doch was, wenn Gott nicht existiert?

Dann lesen wir einfach weiter Bücher über ihn und seine Engel. Und die lesen wir natürlich gerne, wenn sie auch noch so spannend sind wie „Lucifer – Träger des Lichts“. Dachte ich am Anfang, dies sei wieder mal einer dieser typischen Thriller über Satan und Sekten, kann ich jetzt sagen, dass zwar das Teufelchen seinen Hinkefuß nicht zu Hause lassen konnte, allerdings die Umsetzung einfach großartig ist, weil sie aus einem ganz anderem Blickwinkel stattfindet.

Stellt euch eine reichgedeckte Tafel mit lauter leckeren Sachen vor, und wenn ihr gerade von einem Gericht probiert habt, wird alles abgeräumt und mit genauso verführerischen Sachen neu gedeckt, wieder abgeräumt, bevor ihr alles probieren konntet. Dann kommen die ersten Gerichte erneut auf den Tisch und ihr könnt davon etwas mehr kosten, bevor alles wieder weg ist… Genauso füttert Cordy seine Leser an, die Kapitel sind durchgehend sehr kurz gehalten (4 – 5 Seiten), und enden immer an einer super spannenden Stelle, was das Weglegen so gut wie unmöglich macht.

Die technischen und physikalischen Details, die gerade im ersten Drittel des Buches zahlreich auftauchen, sind glücklicherweise optimal platziert und gut verständlich in die Story eingebaut. Wer sich gar nicht dafür interessiert und es überliest, hat trotzdem keinerlei Schwierigkeit, der Geschichte zu folgen. Gelungen!

Kleiner Schwachpunkt sind die Charaktere. Während Fleming und Grant einigermaßen nachvollziehbar strukturiert sind und somit eine Persönlichkeit rüberbringen können, bleiben diverse Charaktere, u.a. Knight und der Rote Papst selbst, blass und unausgefüllt und während der gesamten Lektüre fremd. Schade, müsste doch gerade der Rote Papst, dem eine ungeheure Anziehungskraft auf Menschen zugedichtet wird, beim Leser Faszination hervorrufen. Tut er leider nicht. Wer das allerdings zweihundertprozentig schafft, ist Soames. Auch er wirkt ständig zurückgesetzt und ohne Substanz, weckt jedoch gerade deswegen eine gewisse Neugierde und jedem ist sofort klar: mit dem stimmt etwas ganz und gar nicht. Bei ihm passt das Nicht-Greifen-Können seiner Figur wie die berühmte Faust aufs Auge.

Ein unzähliges „Daumen hoch“ geht an das Ende des Buches, das, wie ich glaube, nie und nimmer ein Leser vorhersehen kann. Mich hat es vollkommen überrumpelt, dachte ich doch ab der Hälfte des Romans, die Wahrheit längst erkannt zu haben – aber wie der Rote Papst bin auch ich auf die Nase gefallen. Ein Ausgang, der zum Philosophieren geradezu einlädt und das Attribut „genial“ – wie ich finde – absolut verdient.

Insgesamt also ein Buch, zu dessen Anschaffung ich nicht nur Thriller-Lesern rate, auch wenn mit zwölf Euro ein happiger Taschenbuchpreis verlangt wird. Allerdings ist diese Ausgabe gleichzeitig die Deutsche Erstausgabe und dafür wiederum preisgünstig.
Und ich werde mich mal auf die Socken begeben, um Cordys weitere Bücher „Das Nazareth-Gen“ und „Mutation“ in die Hände zu bekommen.

Follett, Ken – Leopardin, Die

Frankreich, 28. Mai 1944: Die alliierte Landung in der Normandie steht kurz bevor. Die Résistance begeht verstärkt Sabotageakte hinter den feindlichen Linien, sprengt Bahntunnel und Kommunikationsknoten. An einem besonders schwer zu knackenden Château in Saint-Cécile, in dem eine hochmoderne Fernmeldezentrale sowie ein Gestapo-Hauptquartier untergebracht sind, versucht sich nun der Bollinger-Kreis unter der Leitung der britisch-französischen Top-Agentin Felicity Clairet, genannt Flick, bekannt unter dem Decknamen „Die Leopardin“… Doch der frontale Überraschungsangriff schlägt fehl, fast alle werden erschossen oder gefangen genommen – und mit Major Dieter Franck ist ein gefürchteter Verhörspezialist vor Ort.

Flick hat jedoch einen neuen Plan: Mit den Ausweisen der nur aus weiblichen Mitgliedern bestehenden Putztruppe könnte man ein sechsköpfiges Team in das Château einschleusen und Sabotage verüben – effektiver als die bisher fruchtlosen Bomberangriffe und der gescheiterte Handstreich. Doch man gibt ihr nur noch wenige Tage Zeit in London, da man in Kürze die Invasion starten will. So kann Flick bei der Wahl ihrer Begleiterinnen nur auf den nicht zur Agentin geeigneten Rest zurückgreifen, den man bestenfalls als dritte Garnitur bezeichnen kann: Die Sprengstoffexpertin ist eine ehemalige Panzerknackerin, der Fernmelde-Experte ein Transvestit, auch der Rest der Truppe wäre unter normalen Umständen niemals eingesetzt worden.

Gefährlich wird die Situation durch Major Franck: Anders als der nur durch seine Führertreue glänzende Sturmbannführer Willi Weber schleicht er sich geschickt in die Reste der Zelle von Flicks Ehemann Michel ein, und es gelingt ihm, sich das Vertrauen des Kontaktmanns „Helicopter“ zu erschleichen – er kennt nicht den genauen Auftrag Flicks, aber er weiß, wann und wo sie und ihre „Dohlen“ in der Normandie landen wollen… Ein SS-Empfangskomitee steht zur Begrüßung schon bereit…

Sehr spannend, gut recherchiert, sehr realistisch und… leider dann doch stellenweise sehr trivial. Begeistern konnten mich Feinheiten des Spionagewesens, so zum Beispiel, wie eine Zelle operiert, in der ein Mitglied gerade mal das andere kennt und sonst wenig mehr über den Rest weiß. Auch sorgen delikate Konkurrenz zwischen MI6 und Flicks Sabotage-Abteilung SOE für Spannung, Fehler und Misserfolge schiebt man gerne der anderen Abteilung unter. Bei den Deutschen ist es kaum anders: Der intelligente Wehrmachts-Major Franck ist ein cleverer Fuchs, der seinen Gefangenen Informationen etwas subtiler als der brutale Folterknecht Becker und sein nicht minder grober Chef, Sturmbannführer Willi Weber, entlocken kann. Beide können sich nicht leiden, der dumme Weber, der durch seine Führertreue im Reich begrenzt Karriere machen konnte, neidete dem Lebemann Franck schon damals bei der Kölner Polizei seinen Erfolg.

Franck selbst ist neben Flick eine der interessantesten Figuren: Er ist wahrhaft ein Kriegsgewinnler. Er fährt einen exklusiven Sportwagen, hat einen Adjutanten, führt an und für sich ein Leben, das er in Friedenszeiten niemals hätte, kommt in der Welt herum und liebt Frankreich. Seine halbjüdische Mätresse Stéphanie hat er sich in seiner manipulativen Art gefügig gemacht, aber da er grundsätzlich kein schlechter Mensch ist und sich selbst in seine Gespielin immer mehr verliebt, kann man ihn sogar sympathisch finden, trotz der Grausamkeiten, die er seinen Gefangenen zufügt.

Doch in Flick hat er eine erfahrene Gegenspielerin. Die harte und mit allen Wassern gewaschene Agentin führt trickreich ihr unerfahrenes Team ins Gefecht und ist ihm immer einen Schritt voraus, so dass sie trotz der Gefangennahme und dem Tod einiger ihrer Begleiterinnen entwischen kann.

Insgesamt ein sehr spannender Agenten-Thriller aus dieser Zeit, der leider auch einige sehr triviale Elemente beimischt: So betrügt Michel, Flicks Ehemann, sie mit der blutjungen Gilberte, etwas, das Franck zu nutzen weiß. In London verliebt sich derweil Flick in Paul Chancellor, der die Leitung ihres gewagten Putztruppen-Einsatzes übernommen hat. „Greta“ ist natürlich die einzig greifbare Transvestiten-Alternative zu einer echten Fernmelde-Expertin für die Truppe, wobei ich mich frage wozu man eine solche braucht, eine Sprengmeisterin hat man ja bereits und will sowieso fast das ganze Château in die Luft jagen. Als offenkundig wird, dass Flick in Gefahr ist, fliegt ihr Paul nach Frankreich nach – und das keine drei Tage vor der möglichen Invasion. An und für sich schon unlogisch, so noch unglaubwürdiger. Weiter dreht sich das Liebeskarussell: Nun verliebt sich auch Diana, eine alte Freundin von Flick, in die weniger kluge Maude, die auch zum Team gehört. Beide sind natürlich in Frankreich ein gefundenes Fressen für Franck und die Gestapo…

Die Rekrutierung der natürlich wegen ihrer Mängel recht schillernden Figuren der Damen geht auch bemerkenswert flott und problemlos voran. Wenigstens wird die pathologische Lügnerin, die ihr Maul nicht halten kann, in England zurückgelassen…

Diese ärgerlichen Mängel, die man eher in einem Groschenroman erwarten würde, und die unnatürlich vielen Liebschaften konnten mir das Buch trotz allem nicht vermiesen. Flick und Franck sind tolle Antagonisten, Spionage und Agententätigkeit an und für sich ein interessantes Thema, vor allem wenn es so gut recherchiert und dargestellt wird. Dass Flick und viele Mädels sowie ihr Mann Michel allesamt recht hübsch sind, ließ mich manchmal daran denken, wie einfach man aus diesem Roman ein Drehbuch machen könnte – Liebe, Sex, Gewalt, Schießereien, Nazis – was braucht man in Hollywood mehr?

Für zarte Gemüter ist das Buch nichts: Die perversen Foltermethoden der Gestapo mit weiblichen Gefangenen, ich deute nur mal an wo man überall am Körper Klemmen für Elektroschocks anschließen kann, wenn man jemand demütigen und wehtun will, sind starker Tobak. Mir hat es sogar besser gefallen als Follett’s Einstands-Klassiker „Die Nadel“, da „Die Leopardin“ actionlastiger und spannender ist. Zu dem plötzlichen Hormonkoller aller Beteiligten möchte ich sagen: Liebe und Krieg sind und waren schon immer Garanten für Spannung und emotionale Beteiligung, auch wenn hier übertrieben wurde.

Das Buch hat einen etwas einfallslosen Papierumschlag, das Hardcover ist aber sehr gut gebunden und der Druck von hoher Qualität. Tippfehler fand ich keine, jeder Tag der Handlung ist ein Kapitel und wird mit einer schönen Bleistiftillustration eingeleitet. Die Übersetzung machte auf mich einen sehr guten Eindruck. Gesalzen ist der Preis: Für die 543 Seiten muss man glatt 24 Euro (Mai 2003) berappen! Immerhin ist dafür wenigstens ein Stoff-Leseband in die Bindung eingenäht.

Ich bin mir sicher, die „Leopardin“ und Major Franck werden uns über kurz oder lang im Kino beehren. Selten war ein Roman schon in Rohform so gut zur Verfilmung geeignet. Die Rechte hat Dino de Laurentiis – wer nicht warten will, sollte zugreifen, bis auf kleine Schönheitsfehler ist „Die Leopardin“ ein unheimlich spannender und sehr gut gelungener Unterhaltungs-Agententhriller.

Ken Follett’s Homepage (englisch): http://www.ken-follett.co.uk/
„Die Leopardin“ Homepage (deutsch): http://www.die-leopardin.de/