Kevin Hearne – Gehetzt (Die Chronik des eisernen Druiden 1)

Witzig und kenntnisreich: Ein Druide im Clinch mit den Göttern

Der junge Ire Atticus hat sich mit seinem Wolfshund Oberon im Südwesten der USA niedergelassen. Er betreibt eine Buchhandlung mit okkulten Schriften und verkauft allerlei magischen Krimskrams. An Arizona schätzt er vor allem »die geringe Götterdichte und die fast vollständige Abwesenheit von Feen.« Ein verhängnisvoller Irrtum … (Verlagsinfo)

Das Buch eignet sich für Jugendliche ab 12-14 Jahren.

Der Autor

Kevin Hearne, geboren 1970, lebt in Arizona und unterrichtet Englisch an der High School. »Die Chronik des Eisernen Druiden« machte ihn unter Fantasylesern mit einem Schlag weit über die USA hinaus bekannt. (Verlagsinfo) Die ersten sechs Kapitel des Orignals „Hounded“ gibt es kostenlos auf der Webseite http://www.kevinhearne.com/ des Autors.

Die Chronik des eisernen Druiden (Iron Druid Chronicles, kurz IDC):

1) Gehetzt (Hounded, 2011)
2) Verhext (Hexed, 2011)
3) Gehämmert (Hammered, 2011)
4) Getrickst (Tricked, 2012)
5) Erwischt (Trapped, 2012)
6) Gejagt (Hunted, 06/2013)
7) Erschüttert (Shattered, dt. 2017)

Sowie diverse Kurzgeschichten und Novellen.

Handlung

Auch ein Druide sehnt sich nach 2100 Jahren auf Erden mal nach etwas Ruhe. Deshalb hat der Ire Atticus O’Sullivan im friedlichen Städtchen Tempe in Arizona einen netten kleinen Buchladen aufgemacht – für New-Age-Anhänger und für Genießer etwas speziellerer Teesorten aus eigenem Kräuteranbau. Merkwürdig, dass ständig Studenten von der Uni bei Atticus auch „medizinisches Marihuana“ kaufen wollen. Davon bekommt sein Assistent Perry einen schamroten Kopf. Hier geht alles legal zu, darauf pocht Atticus. Sein Wolfshund Oberon stimmt ihm telepathisch zu, allerdings mit anderen Prioritäten. Oberon steht auf französische Pudeldamen. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Dumm nur, dass die Götter aus Atticus‘ irischer Vergangenheit – lang, lang ist’s her – das überhaupt nicht so sehen. Die alten Mädels geben sich bei ihm quasi die Klinke in die Hand. Zuerst rauscht eine riesige Schlachtenkrähe durch die Ladentür herein und verschreckt die Kundschaft. Ihre glutroten Augen, das schwarze Gefieder und die scharfen Krallen sehen echt nicht sonderlich benutzerfreundlich aus. Voilà, die Morrigan höchstpersönlich. Als sich die Kriegsgöttin verwandelt, unterlässt sie es geflissentlich, Kleidung anzulegen. Die Studenten flüchten aus dem Laden. Nicht dass sie etwa hässlich wäre – nein, ganz im Gegenteil.

Vogelfrei

Sie teilt ihm freundlich mit, dass Aenghus Og, der keltische Gott der Liebe, ihn, Atticus, zur Tötung freigegeben habe, um ein berühmtes Schwert, das rechtmäßig angeblich ihm, Aenghus Og, wiederzubeschaffen. Wie nett von ihr, ihn vorzuwarnen! Sie nennt Atticus bei seinem wahren irischen Namen Sean O’Sullivan und prophezeit ihm einen ganz speziellen Tod. Sehr zuvorkommend. Nach einigem Hin und Her trifft sie mit ihm ein Abkommen, wonach nicht sie es sein werde, die ihn in die Unterwelt abholen werde. Ein patentes Mädel eben! Zum Pferdestehlen.

Die nächste in der Reihe ist Flidais, die Jagdgöttin. Auch gegen ihren Verführungszauber glaubt sich Atticus durch diverse Amulette und Tätowierungen gefeit, doch das stellt sich als Irrtum heraus. Am Ende einer kleinen Jagdexpedition in ein Naturreservat ist nicht nur ein Dickhornschaf tot, sondern auch ein Polizist. Oberon hat ihm im Jagdfieber die Kehle durchgebissen. Gar nicht gut für die zwischenmenschlichen Beziehungen, denkt sich Atticus, und das findet auch das FBI, das wenig später bei ihm aufkreuzt. Dass hinter beiden Polizeiaktionen Aenghus Og steckt, ist für Atticus sonnenklar.

Grüner Ritter

Es kommt zu einem weiteren magischen Zwischenfall, als ein grüner Ritter in voller Rüstung den Druiden herausfordert: Bres, der Gatte von Brighid, der Göttin des Feuers. Auch Bres will selbstredend das magische Schwert, das Atticus bestimmt irgendwo unter der Ladentheke versteckt hat: Fragarach, den „Antwortgeber“. Leider ist Bres‘ eigenes Schwert längst nicht so gut wie das besagter Fragarach und so unterliegt er. Zugegeben, Atticus hatte unfaire Hilfe von seinem Wolfshund.

Trotzdem macht sich unser braver Druide, als hätte er nicht schon genug zu tun, auf das Schlimmste gefasst: einen Besuch von Göttin Nr. 3. Wenn Brighid in Gestalt einer Feuerkugel auftaucht, um den Tod ihres Gatten zu rächen, könnte das den Papierbüchern im Laden nicht sonderlich gut bekommen. Und nicht mal seine Anwälte, die Vampire und Werwölfe, können Atticus dann noch helfen.

Ein Donnern und Zischen kündigt Brighids Ankunft an. Unter Klirren und Scheppern zerbirst die Ladentür. Das sieht nach Ärger aus.

Mein Eindruck

Der Leser merkt schon, dass Atticus mit den alten Göttern Irlands wenig respektvoll umgeht. Aber das beruht quasi auf Gegenseitigkeit, denn sie wollen ihm nicht nur das Schwert abjagen, sondern ihn für den Diebstahl auch noch in die Unterwelt verbannen. Nachtragend sind sie eben, die göttlichen Herrschaften.

Simpatico

Deshalb verlässt sich unser sympathischer Druide mit den vielen Tattoos nicht nur auf Bannsprüche, Abwehrzauber und einen telepathischen Hund, sondern auch auf seine Anwälte. Und wo Gesetzesformeln die Hüter von Recht und Ordnung nicht in die Schranken weisen können, müssen eben die Zähne von Werwolf und Vampir zum Einsatz kommen. Dies erweist sich besonders im finalen Showdown mit Aenghus Og, dem Drahtzieher als Angriffe, als höchst notwendig. Diverse Damen aus einem lokalen Hexenzirkel spielen ebenfalls mit, um von Atticus ihr „Pfund Fleisch“ zu erhalten, sprich seine magischen Kräfte.

Atticus ist wirklich sympathisch: kein überheblicher Alleskönnenr, sondern ein richtiger Teamspieler. Er setzt auf die Hilfe von allen Seiten, doch seine Devise lautet: Die Götter usw. helfen demjenigen, der sich selbst zu helfen weiß. Pluspunkte sammelt er zudem, indem er seine magische Energie aus Mutter Erde auftankt. Da hat er wohl den ökologischen Gedanken verinnerlicht und zu einem inneren Prinzip seiner Existenz gemacht. Deshalb ist für ihn sein Rasen nicht nur heilig, sondern absolut lebensnotwendig. Wehe, einer tritt darauf!

Fachkundig

Viele Autoren, die über die alten keltischen Götter, die Tuatha de Danann, und Dämonen, die Fir Bolg, schreiben, mogeln sich mit ungefähren Beschreibungen durch, die sie aus der Wikipedia abgeschrieben haben. Diese Mogelei hält einer genauen Prüfung niemals Stand. Richtige Fachleute sind indes dünn gesät, und zu diesen, die ich gelesen habe, zählen erst Helmut W. Pesch (Lektor im Lübbe-Verlag) und nun auch Kevin Hearne. (Ihre Vorgänger wie H. Warner Munn und Evangeline Walton schrieben bereits in den Jahren zwischen 1940 und 1960, daher sind sie heute wenig relevant.)

Hearne kennt sich nicht nur bestens mit dem göttlichen Gesocks aus, sondern weiß auch über ihre Beziehungen zu den Menschen und insbesondere Druiden Bescheid. Das große Vorbild für Atticus alias Sean O’Sullivan (hier benutze hier aus Gründen der Lesbarkeit die britische, nicht die gälische Schreibweise) ist selbstredend der größte irische Druide aller Zeiten: Amergin. Dieser auch bei Pesch auftretende Zauberer kann sich wie Atticus in bestimmte Tiergestalten verwandeln, so etwa in einen Hund, einen Hirsch und einen Lachs. Schade, dass Atticus keine Lieder zur irischen Harfe trällert, aber das kommt vielleicht noch.

Das Glossar mitsamt Aussprachehilfe führt den Leser in die keltische Mythologie und irische Ortskunde ein. Die Namen aller GÖTTER sind in Großbuchstaben geschrieben. Deshalb weiß der Leser gleich, dass er sie im GLOSSAR nachschlagen kann.

Schwierige Liebe

Der Damenwelt begegnet unser Meisterdruide mit Zuneigung, aber auch Vorsicht. Keinesfalls darf eine der magischen Holden einen Tropfen seiner Substanz erhaschen, schon gar nicht Blut: Sie bekäme sonst Macht über ihn. Das macht das Liebesleben natürlich nicht ganz unkompliziert. Umgekehrt funktioniert es besser: Er gewinnt Macht über eine bestimmte Hexe und gewinnt den Beistand einer weiteren.

Der vielversprechende Auftakt zur gesamten Serie sieht unseren Helden eine Schülerin nehmen, die er bisher nur als attraktive Bardame kannte, und sie in die ersten Lektionen einweihen. Gut, dass in ihr eine indische Hexe wohnt, was sich noch als nützlich erweisen dürfte. Bei den ersten Lektionen geht es bereits hart zur Sache, denn mit Aenghus Og und Seinesgleichen ist nicht gut Kirschen essen. Ich freue mich auf die weiteren Abenteuer mit diesem ungleichen Paar.

Die Übersetzung

Mir lag zur Besprechung ein Leseexemplar vor. Bei diesem Text muss es sich nicht notwendigerweise um die Endfassung handeln. Die vielen Druckfehler, die ich hier aufliste, könnten also in der Endfassung bereits ausgemerzt worden sein.

S. 30: „Sie ist sie vielmehr berühmt…“ – ein „sie“ ist hier sicher überflüssig.
S. 69: „Bei ihrem Befehl fühlte ich [mich] tatsächlich wie ihr Hund…“
S. 76: „annährende Vorstellung“ statt „annähernde Vorstellung“
S. 121: „dass es ein[e] Plage ist…“
S. 144: „dann erst löste ich den[n] Bann auf meinem Rasen…“
S. 195: „da du keine Magie einsetzen kann[st].“
S. 271: „Tarnspruch müssen an dem Objekt befestigt werden.“ Der Plural wäre korrekt und müsste „Tarnsprüche“ lauten.
S. 287: „Kupfermi[e]ne“

Unterm Strich

Ich habe das nicht sehr umfangreiche Buch in nur wenigen Tagen gelesen. Es ist abwechslungsreich erzählt und voller Einfälle mit witzig-ironischem Unterton, den ich in meiner Inhaltsangabe wiederzugeben versucht habe. Man könnte dem Autor allenfalls vorwerfen, dass er die Begegnungen, auf die sich Atticus und sein Hund Oberon vorbereiten müssen, etwas beliebig erfolgen lässt. Aber das wäre etwas unfair, denn die Auftritte der Götter und Hexen steigern sich sachte hinsichtlich ihrer Bedrohlichkeit. Hinzukommen auch noch die menschlichen Polizisten, die es schließlich nicht mehr bei lästigen Fragen bewenden lassen.

Natürlich gibt es bei soviel Spannung auch ein paar Verschnaufpausen. Dazu gehören die Jagd auf Dickhornschafe, mit hinterlistiger Unterstützung von Flidais, sowie die Begegnungen mit Atticus‘ neuer Schülerin Granuaile, in der eine indische Hexe wohnt. Genug entspannt! Endlich geht es im Grande Finale richtig zur Sache, und Atticus sowie seine diversen helfer müssen sich mächtig ins zeug legen, um gegen den Gott der Liebe – ausgerechnet! – zu bestehen. Denn der Sensenmann wartet bereits am Eingang zur Hölle…

Die Übersetzung ist sehr flüssig zu lesen, denn der deutsche Stil wirkt nicht aufgesetzt und selbst wenn sich Götter mal hochgestochen ausdrücken, so merkt man das doch gleich. Die Cops und Anwälte reden ganz anders, ebenso die Hexen. Schade, dass es so viele Druckfehler gibt. Die schaffen es hoffentlich nicht in die 2. Auflage.

Taschenbuch: 350 Seiten
Info: Hounded. The Iron Druid Chronicles 1, 2011
Aus dem Englischen von Alexander Wagner
www.klett-cotta.de

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