Mark Brandis – Bordbuch Delta VII (Folge 1)

Unsere Jungs im All: Verteidiger der Freiheit

Anfang des 22. Jahrhunderts bedroht der Putsch des Generals Gordon B. Smith aus Texas die Union Europas, Amerikas und Afrikas. Der deutsche Testpilot Mark Brandis fliegt für die neutrale Venus-Erde-Gesellschaft für Astronautik (VEGA) den Prototypen Delta VII – ein Raumschiff, das mit einem revolutionär schnellen Antrieb ausgestattet ist. Er und die anderen Mitglieder der kleinen Mannschaft unter Commander Harris kehren nach wochenlangem Testflug in eine veränderte Welt zurück …

Der Autor

Nikolai von Michalewsky (1931-2000) war bereits Kaffeepflanzer, Industriepolizist, Taucher und Journalist gewesen, als sein erster Roman 1958 veröffentlicht wurde. Am bekanntesten wurde er ab 1970 mit den Mark-Brandis-Büchern, der bis heute (nach Perry Rhodan) mit 31 Bänden erfolgreichsten deutschsprachigen SF-Reihe.

Seine konsequente Vorgehensweise, Probleme der Gegenwart im Kontext der Zukunft zu behandeln, trug Michalewskys Serie eine treue Leserschaft und hohe Auflagenzahlen ein. Seine besondere Zuneigung galt besonders dem Hörspiel. Er gehörte zu den meistbeschäftigten Kriminalhörspiel- und Schulfunkautoren Deutschlands. Ihm und seiner Frau Reinhild ist dieses Hörspiel gewidmet. (Verlagsinfo)

Die Inszenierung

Die Macher und Regisseure sind Interplanar.de:

Jochim-C. Redeker: Sounddesign, Musik und Schnitt
Balthasar von Weymarn: Dramaturgie, Wortregie und Schnitt

Jochim-C. Redeker, geboren 1970, lebt seit 1992 in Hannover. Gelernt hat er das Produzieren in der SAE Frankfurt, seither arbeitet er als Tonmeister für Antenne Niedersachsen. An zwei Virtual-Reality-Projekten hat er als Sounddesigner gearbeitet. Er gibt Audio- und Hörspielseminare und arbeitet als Werbetexter und Werbesprecher für zahlreiche Unternehmen sowie für Kino- und Radiowerbung. Musikalisch betreut er neben seinen eigenen Projekten auch Jingle- und Imageproduktionen. Bereits 1988 brachte ihm eine frühe Hörspielarbeit mit Balthasar den Sonderpreis der Jury für akustische Qualität beim Maxell-Momentaufnahmen-Wettbewerb ein.

Balthasar von Weymarn, geboren 1968, lebt seit 2006 im Taunus bei Frankfurt. Ausgebildeter Dramaturg und Filmproduzent (Filmstudium Hamburg); arbeitet auch als Skriptdoktor, -autor und Ghostwriter für Unternehmen wie Bavaria Film, Odeon Pictures, Tandem Communications, Storyline Entertainment u. a.

Die Aufnahmeleitung lag in den Händen von Thomas Weichler.

Die Sprecher und ihre Rollen:

Gerhart Hinze: Commander John Harris
Michael Lott spricht: Cpt. Mark Brandis
Martin Wehrmann: Lt. Iwan Stroganow (sein Waffenoffizier)
Rasmus Borowski: Lt. Antoine Ibaka (sein Bordingenieur)
Wolf Frass: Prolog / Samuel Hirschmann, Präsident
Dorothea Anna Hagena: Ruth O’Hara, Brandis‘ Gattin
Christine Mühlenhof: Bordcomputer CORA (Central Oral Response Avatar)
Balthasar v. Weymarn: VEGA Bodenstation
Rainer Schmitt: Juan Segovia (dt. Stimme von „Larry Brent“)
Kai Hendrik Möller: Tom Collins, News-Sprecher
Marion von Stengel: Major Johnson (dt. Stimme von Angelina Jolie)
Norbert Langer („Magnum“): Alexander Repin, Venus
u. a., darunter Joachim C. Redeker.

Hörspielmanuskript: Regina Schleheck nach dem gleichnamigen Roman von Nikolai von Michalewsky

Hintergrund und Vorgeschichte

Die Mark-Brandis-Hörspielreihe begann 2005-2007 mit „Bordbuch Delta VII“. Inhaltlich unterscheidet sie sich in einigen wichtigen Punkten von den Büchern:

* Die Geschichten sind um 50 Jahre in die Zukunft verlegt, die Saga beginnt also 2119;

* Die Kürzel EAAU und VOR sind zu „die Union“ und „die Republiken“ geworden;

EAAU: Die Europäisch-Amerikanisch-Afrikanische Union (EAAU) ist ein transkontinentaler Staatenverbund und wurde als Zusammenschluss der drei Kontinente Europa, Amerika und Afrika ca. 1999 gegründet – ihr assoziiert ist Australien. Während Europa der Kontinent ist, der über die längste Tradition verfügt, haben sich Afrika und Amerika zu den industriell bedeutendsten Kontinenten entwickelt.
Flagge: ein Ring goldener Planeten um drei kleeblattartig angeordnete grüne Kontinente auf weißem Grund.
Hauptstadt: Metropolis

VOR: Die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR) sind ein transkontinentaler Staatenverbund und umfassen zwischen Ural und der Pazifikküste die asiatischen Staaten einschließlich Ozeaniens.
Flagge: zwei gekreuzte Mongolenschwerter vor einer gelb-roten Sonne.
Hauptstadt: Peking

* Computer müssen nicht jedes Mal neu programmiert werden, sondern kümmern sich selbständig um ihre Aufgaben (daher kein „Technobabble“). Delta VII besitzt eine sprechende „Persönlichkeit“ mit dem Namen CORA, die von jedem Ort im Schiff aus zu erreichen ist;

* Die Delta VII besteht aus Brücke, Aufenthaltsraum/Messe, Maschinenraum und den Quartieren, dazu noch zwei Schleusen (Hauptschleuse kielseits und Dingischleuse deckseits); sie ist außerdem kein raketenartiger Vertikalstarter mehr;

* Mark Brandis und Ruth O’Hara können sich „Videobriefe“ schreiben; sog. Homeservice-Tapes (erinnert sich hier wer an „Das Arche Noah-Prinzip“?) und sind bereits verheiratet, dafür hat Lt. Antoine Ibaka seine Frau Lydia erst auf der Venus kennengelernt;

* Die Geschichte ist gestrafft – so beginnt sie bereits mit dem Anflug auf die Erde (statt dem Anflug auf die Venus);
* Die „Reinigende Flamme“ hat bereits einmal (vor dem ersten Band) versucht, die Macht in der EAAU zu übernehmen. Da dieser Putsch damals vereitelt wurde, sind Mitglieder der Regierungen der Bedrohung gegenüber nachlässig geworden;

* Tom Collins‘ Rolle als Wegbereiter Smiths ist ausgedehnt;

* Alexander Repin ist nicht „Vorsitzender des Rates für Innere und Äußere Sicherheit“ auf der Venus, sondern Gouverneur;

* Die Venus leitet Energie aus dem Treibhauseffekt per Fernübertragung an die Erde;

* Delta VII kann in der SK-Konfiguration bis zu acht schwere Raketentorpedos neben den Energiewaffen abfeuern;

* Robert Monnier hat eine medizinische Zusatzausbildung;

* Die Technik der Gehirntransplantation (Brigadegeneral Rodriguez) ist durch ein verfeinertes Scanning-Verfahren ersetzt;

* Der Frachterkapitän Nelson (vgl. Aufbruch zu den Sternen) hat eine Tochter, die als Reporterin arbeitet.

Handlung

Im Jahr 2117 bedroht der Putsch des Generals Gordon B. Smith aus Texas die Union Europas, Amerikas und Afrikas. Der deutsche Testpilot Mark Brandis fliegt für die neutrale Venus-Erde-Gesellschaft für Astronautik (VEGA) den Prototypen Delta VII – ein Raumschiff, das mit einem revolutionär schnellen Antrieb ausgestattet ist. Er und die anderen Mitglieder der kleinen Mannschaft unter Commander John Harris kehren nach wochenlangem Testflug zurück, werden aber sogleich von Zerstörern nach ihrem Ziel gefragt. Da sie neutral sind, können sie weiterfliegen. Doch dieses Zeichen zeugt von wachsender Gefahr.

Brandis‘ Frau Ruth O’Hara, die Assistentin des Unionspräsidenten Samuel Hirschmann, ruft ihren Mann angstvoll an: General Smith drohe, Metropolis anzugreifen! Es habe Tumulte im Parlament gegeben. Von einem Treffen mit Smith sei Hirschmann nicht zurückgekehrt. Die Verbindung wird unterbrochen. Brandis ist besorgt um seine Frau.

Der Sprecher von Radio Metropolis, Tom Collins, meldet, dass General Smith die Macht übernommen habe. Brandis ist von einem Scherz überzeugt und schreibt seiner Frau dementsprechend. Er wolle Collins treffen. Doch zuvor zwingt die neue Junta die Delta VII zur Landung auf der Erde und verlangt die Baupläne. Als man Brandis verhört, stellt er sich ahnungslos. Er weiß, seine einzige Heimat ist jetzt nur noch die Venus. Und er muss unbedingt seine Frau aus der Gefahrenzone bringen.

Die Gelegenheit ergibt sich endlich Wochen später, als der Direktor der VEGA-Gesellschaft, Juan Segovia, zum Kollaborateur des Diktators wird und Brandis und Harris auffordert, die Fähigkeiten der Delta VII zu demonstrieren. Sie sollen das Schiff neu programmieren, so dass es General Smiths Junta gehorcht. Harris und Brandis ist klar, dass sie nicht zulassen dürfen, das schnellste Schiff des Sonnensystems in die Hände eines Tyrannen fallen zu lassen. Niemand wäre mehr vor ihm sicher. Die Flucht muss also schon bald erfolgen.

In der folgenden Nacht kann Brandis endlich Tom Collins treffen, doch der Mann wirkt irgendwie fremdgesteuert. Er stellt Brandis vor die Wahl, sich für oder gegen den Dienst unter dem neuen Diktator zu entscheiden, und zielt mit einer Pistole auf ihn. Er gibt sich als Anhänger der Bewegung „Die reinigende Flamme“ zu erkennen. Die unerwartete Auseinandersetzung führt zu einem Ergebnis, das Brandis und Ruth zur Flucht zwingt.

Mein Eindruck

General Smith ist unübersehbar eine neue Art von Adolf Hitler und Mussolini, ein faschistischer Diktator, der zudem in der „Reinigenden Flamme“ auch noch über eine religiös motivierte Geheimpolizei und Sturmtruppe verfügt. Eine üble Mischung, dieses Bündnis aus Militär und Sektiererei. Aber auch Hitlers Partei war von einem Sendungsbewusstsein durchdrungen und überzeugt vom Endsieg des ‚arischen‘ Herrenmenschen.

Es ist ungewöhnlich für ein Jugendbuch und erst recht für ein SF-Hörspiel, eine solche ernste Thematik aufzugreifen und in actionbetonte, spannungsgeladene Szenen umzuarbeiten. Der Schlüssel für die Glaubwürdigkeit der Handlung ist natürlich die Hauptfigur. Mark Brandis muss stets zwischen seinem Gewissen und den auf ihn einprasselnden Forderungen und Befehlen sogenannter Befehlshaber wählen.

Der Zuhörer soll sich fragen, wie er selbst sich entscheiden würde. Es ist sicher keine einfache Wahl, der sich Brandis gegenübersieht, denn schließlich haben Kollaborateure, Spione, Überläufer alle eine gewisse Legitimation ihm gegenüber. Aber wenn sie nicht dem Wohl des Volkes dienen, kann dies nur schlecht sein. Dies ist einer der Maßstäbe, mit denen Brandis misst, und seine treue und Verantwortung gegenüber seiner Frau, seiner Besatzung und seinem Volk auf der Venus ist ein weiterer Maßstab.

Die Szenen aus dem Parlament und der Machtwechsel erinnern an die zweite Star Wars-Episode, und auch der Opfertod von John Harris weckt gewisse Star Wars-Reminiszenzen. Doch der ganze Rest steht auf eigenen Füßen. Der Chip in Tom Collins‘ Kopf ist zwar ein primitives Gerät (heute sind Bio-Chips und RFID-Etiketten so klein wie Erbsen), aber die Botschaft ist klar: Hier wird ein Mensch seines eigenen Willens beraubt, was ein Verbrechen gegen seine Würde ist.

Seltsamerweise scheint kaum noch jemand die Online-Durchsuchung als Verstoß gegen die Menschenwürde aufzufassen, sondern lediglich als Verletzung der Privatsphäre. So ändern sich die Zeiten, und das Brandis-Hörspiel kommt uns stellenweise aktuell, dann aber wieder veraltet vor. SF ist in einer Zeit, da fast alles SF ist, sehr schnell veraltet.

Die Inszenierung

Die Sprecher

Ich fand, dass die Sprecher nicht besonders gut zur Geltung kamen. Das liegt daran, dass sie alle nur sehr kurze Sätze zu sprechen haben. Ich hatte den Eindruck, als würde alles zerhackt werden, um den Eindruck von Dynamik und Entwicklung zu erwecken – was ja auch voll gelungen ist. Diese Vorgehensweise degradiert die Sprecher jedoch zu Lieferanten von Sprechblasen.

Ausdrucksstarke Momente sind dünn gesät, so etwa, als Brandis mit seiner Frau telefoniert oder als die beiden sich mit Tom Collins unterhalten und in eine Auseinandersetzung geraten. Der Rest des Textes besteht meist aus verbalem Schlagabtausch. Ich habe den Verdacht, dass dieser Stil für männliche Zuhörer ganz in Ordnung ist, beim weiblichen Publikum jedoch auf weit weniger Gegenliebe stoßen dürfte. Denn dieses mag es lieber emotional, wenn nicht sogar romantisch.

Die Geräusche

Die Geräuschkulisse erstaunt den Hörer mit einer Vielzahl mehr oder weniger futuristischer Töne, so etwa die Triebwerke der Delta VII, doch wenn man ein Fan von SF-Fernsehserien ist, dann dürfte einen dies nicht gerade umhauen, sondern eher ganz normal vorkommen. Immerhin trägt der gute Sound dazu bei, den Hörer direkt ins Geschehen hineinzuversetzen, und das kann man von den wenigsten SF-Fernsehserien behaupten.

Die meisten wie etwa „Classic Star Trek“ oder „Raumpatrouille Orion“ sind viel zu alt für solchen Sound, und „Babylon 5“ oder „Andromeda“ klingen zwar toll, spielen aber in abgelegenen Raumgegenden, wo irdische Ereignisse kaum eine Rolle spielen. Dadurch hebt sich „Mark Brandis“ im Hörspiel bemerkenswert von solchen TV-Produktionen ab, von SF-Hörspielen ganz zu schweigen. Nur „Perry Rhodan“ von STIL / Lübbe kann in dieser Liga mitspielen.

Musik

Ja, es gibt durchaus Musik in diesem rasant inszenierten Hörspiel. Neben dem Dialog und den zahllosen Sounds bleibt auf der Tonspur auch ein wenig Platz für Musik. Sie ist wie zu erwarten recht dynamisch und flott, aber nicht zu militärisch. Allerdings schrammt sie manchmal hart am Marschrhythmus entlang. Vermutlich ergibt sich dies aus der Nähe zur militärischen Hierarchie, die auf den Schiffen umgesetzt wird, und dem Zwang des Produzenten, dem Hörer zu suggerieren, dass „unsere Jungs im All“ das Kind schon schaukeln werden.

Hier setzt sich für mich die alte Heinlein-Ideologie fort, wonach es dem Menschen bestimmt sei, den Weltraum zu erobern, und zwar egal, mit welchen Mitteln. Zum Glück setzt sich rechtslastige Ideologie in der Handlung nur auf der Gegenseite durch, und so können Brandis und Co. weiterhin für demokratische Werte eintreten.

Unterm Strich

Ähnlich wie manche Handlungsstränge der „Perry Rhodan“-Hörspiele greift auch die Mark-Brandis-Serie politische Themen auf statt nur auf die Karte der abenteuerlichen Erforschung fremder Welten zu setzen. Das finde ich schon mal sehr löblich, denn so kann der Hörer die gezeigten Vorgänge mit seinen eigenen sozialen und politischen Verhältnissen vergleichen und sie, mit etwas Verstand, auch kritisch bewerten. Unterschwellig warnt der Autor dieses Stoffes vor einer faschistischen Diktatur, indem er deren Methoden anprangert, etwa bei der totalen Kontrolle von Bürgern durch Steuerungs-Chips.

Mark Brandis ist als Hörspiel professionell inszeniert, spannend, stellenweise actionreich und mitunter sogar bewegend. Leider wird ein wenig zu viel auf zu wenig Platz gepackt, und dies degradiert die Sprecher zu Lieferanten von Sprechblasen. Nur selten können sie ernstzunehmende Emotionen ausdrücken, bevor die nächste Attacke von Musik oder Soundeffekten ihren Text unter sich begräbt. Dieser Stil ist zwar auch in „Perry Rhodan“ anzutreffen, aber nicht in den qualitativ höherwertigen POE-Hörspielen. Je nach Stil-Vorliebe dürfte sich dann das Publikum entsprechend entscheiden.

Ich selbst fand das Hörspiel unterhaltsam, aber ganz schön anstrengend. Und an die Handlung könnte ich mich ohne meine Notizen beim besten Willen nicht mehr erinnern.

62 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-88698-918-8
www.sprechendebuecher.de
www.markbrandis.de
www.interplanar.de