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Jean-Christophe Grangé – Das Imperium der Wölfe

Die Morde an drei türkischen Frauen erschüttern das Pariser Türkenviertel. Die Kripo traut sich nur mit unorthodoxen Methoden, in dieser Schattenwelt zu ermitteln. War es ein Serienmörder? Keineswegs: Eine Frau wird von den Killern der türkischen Mafia gesucht, eine Verräterin. Doch sie suchen anhand des falschen Bildes …

_Der Autor_

Jean-Christophe Grangé ist der Franzose, der die literarische Vorlage zu dem Thriller [„Die purpurnen Flüsse“ 936 geliefert hat. Weitere Romane sind „Der Flug der Störche“ und das packende Buch „Der steinerne Kreis“.

Sein besonderes Markenzeichen ist das jeweils sehr spannend verarbeitete außergewöhnliche Thema. In „Purpurne Flüsse“ war es die Elite-Uni, die als genetisches Experimentierfeld und Zuchtanstalt missbraucht wurde. In [„Der steinerne Kreis“ 1349 ging es unter anderem um geheime russische Atomanlagen. Auch in „Imperium der Wölfe“ geht es um eine furchterregende Geheimorganisation, die sich aus nationalistischen Großmachtträumen speist.

Und praktisch immer bei Grangé geht es um Identität und Anonymität. In „Purpurne Flüsse“ treten Zwillinge auf. In „Imperium der Wölfe“ ist das nicht mehr nötig: ein einzelner Mensch kann zwei Identitäten oder mehr besitzen. Und nicht nur an der Oberfläche …

_Handlung_

Anna Heymes hat sich bislang für eine kultivierte Pariserin gehalten und sah auch so aus: äußerst schlank, blasse Haut, schwarzes Haar, große Augen und modische Kleidung. Ihr Mann Laurent ist ein hohes Tier bei der Polizei und lädt Anna gerne zu den Herrenrunden der Oberbullen ein, die Philippe Charlier, der Chef der Anti-Terror-Einheiten, veranstaltet. Anna besteht darauf, einer Arbeit nachzugehen: Sie arbeitet Teilzeit in einem Schoko-Laden an einem schicken Boulevard.

In letzter Zeit plagen Anna ein wiederkehrender Albtraum und seltsame Erinnerungslücken. Sie kann sich nicht mehr an Gesichter erinnern, die sie noch kurz zuvor gesehen hat. Selbst ihr eigener Mann bereitet ihr Angstzustände, wenn unvermittelt sein Gesicht auftaucht. Der besorgte Polizist schickt sie zu einem Neurologen in einer Militärklinik. Eric Ackermann durchleuchtet ihr Gehirn, findet aber nichts Ungewöhnliches. Doch als er eine Gewebeprobe von ihrem Hirn nehmen möchte, rastet Anna beinahe aus.

Sie vertraut sich einer Psychiaterin an: Die geschiedene Mathilde Wilcrau ist zwar schon ein älteres Semester, doch körperlich total fit. Und sie kennt sowohl Eric Ackermann als auch die Uni, wo er studiert hat. Das lässt sie das Schlimmste befürchten. Dass Ackermann Anna in einer Militärklinik untersucht hat, macht sie stutzig. Und tatsächlich bringt es ein Anruf bei Mathildes Exmann ans Licht: Jede Frage nach Annas Geheimnis ist wie der Schritt in ein Minenfeld. Was sie herausfindet, ist schrecklich:

Laurent ist nicht Annas Mann.
‚Anna Heymes‘ ist nicht Annas wahrer Name.
Dies ist nicht Annas Gesicht.
Dies ist nicht Annas Leben.
Wer ist Anna dann? —

Im Pariser Türkenviertel, wo eingeschmuggelte Arbeitskräfte unter unmenschlichen Bedingungen in „sweatshops“ schuften, geschehen drei schreckliche Morde. Die Opfer: junge türkische Frauen, alle rothaarig, von gleicher Gesichtsform – und natürlich nicht gemeldet. Allen wurde das Gesicht zerstört, der Körper weist Spuren einer grausamen Folter auf. Jemand hat Informationen gesucht, aber welche? Und warum gleich dreimal?

Paul Nerteux ist eigentlich ein engagierter Polizist und er hält sich für erfahren. Doch nicht erfahren genug, um es mit der abgeschotteten Schattenwelt der Pariser Klein-Türkei aufzunehmen. Also spannt er einen alten Experten ein: Jean-Louis Schiffer. Der bullige Ex-Bulle, der jetzt im Altenheim wohnt, trägt zwei Spitznamen. Nerteux will, wie alle Polizisten, das „Eisen“, doch was er bekommt, ist lediglich „Chiffre“. Mit einem Wort: Man kann Schiffer nicht trauen.

Doch Chiffres unorthodoxe Methoden führen schnell zu Erfolg: Schon bald sind die drei Toten identifiziert und mit Wohnort und Foto versehen. Eine hat beim ungekrönten König der Klein-Türkei gearbeitet, mit dem Schiffer sehr vorsichtig redet, eine andere hat mit Schiffers Ex-Frau, einer türkischen Unternehmerin, zu tun gehabt. Alle Zeugen kriegen es mit der Angst und warnen Schiffer: Sie schützen die Täter.

Bis endlich einer redet: „Boskurt“, die „Grauen Wölfe“. Schiffer gefriert das Blut in den Adern. Die Terroreinheit der türkischen Mafia in Paris? Kein Wunder, dass alle Angst haben! Und diese skrupellosen Killer suchen eine ganz bestimmte Frau. Eine Frau, die etwas mit Drogenschmuggel zu tun hat, Verrat beging und zu viel weiß.

Eine Frau wie Anna Heymes?

_Mein Eindruck_ [Vorsicht, Spoiler!]

Zwischen Paris und Istanbul, zwischen Gehirnmanipulation und türkischer Mafia bewegt sich Grangés neuester Thriller. Die Zutaten sind so ungewöhnlich und doch in ihrem Zusammenspiel so wirkungsvoll, dass es mir schwer fallen würde, den Autor nicht dafür zu bewundern, wie er das wieder hingekriegt hat. Schon in „Purpurne Flüsse“ entwickelte er das verblüffende Szenario aus zwei völlig verschiedenen Richtungen, die erst dann zusammen einen Sinn ergaben, wenn man die einzige Lösung akzeptierte, die noch logisch erscheint, und sei sie auch noch so exotisch.

Genauso verfährt Grangé auch diesmal. Doch statt sein bekanntes Rezept selbst zu kopieren, nämlich nach drei Morden einen Serientäter zu präsentieren, geht er diesmal ganz anders vor. Das Ergebnis ist aber genauso furchteinflößend und beklemmend wie „Purpurne Flüsse“, wenn auch schwer zu glauben. Totale Gedächtniskontrolle, das Ersetzen einer Identität – was bislang nur der Science-Fiction vorbehalten war, ist in Grangés Thriller in der militärischen Forschung bereits Wirklichkeit. Der Autor nimmt sich die Freiheit des Poeten, das Mögliche weiterzuspinnen. Bis zur letzten schrecklichen Konsequenz.

|Fundament aus Fakten|

Das Mögliche muss jedoch stets auf bekannten Fakten aufgebaut sein, sonst hängt es als Fantasie in der Luft. Und was der Autor alles über die türkische Mafia zu berichten weiß, kann auf keinen Fall an den Haaren herbeigezogen sein, sondern dürfte ziemlich genau der Realität entsprechen.

Es geht weniger um die Organisation selbst, als vielmehr um die terroristische Einheit, die als „Graue Wölfe“ in der zweiten Romanhälfte die Hauptrolle spielt. Ursprünglich waren sie lediglich die „Idealisten“ und kämpfen für die nationalistischen Konservativen unter Arpaslan Türkes. Nach dem Militärputsch 1980 spannte Türkes seine alten Helfer nicht als Parteischlägertruppe ein, sondern als Ausführungsgehilfen bei politischen Morden, an Kurden und Armeniern etwa. Und da er zwecks Geldbeschaffung die türkische Drogenindustrie aufbaute, setzte er die „Grauen Wölfe“ als Schmuggler und Agenten ein, die Heroin etc. nach Westeuropa schmuggelten.

So wie alle drei getöteten Frauen aus Anatolien kamen, so stammen auch die meisten „Grauen Wölfe“ aus der kargen, extrem konservativen Osttürkei. Und einer von ihnen ließ sich von einem der „Paten“, die hier „Babas“ heißen, einfangen, trainieren und strategisch einsetzen. Dumm nur, dass er zu viel Geschmack am Töten fand. Folgerichtig führt am Ende die Spur zurück nach Anatolien, wo der letzte einer ganzen Reihe von Showdowns stattfindet.

|Auch Humor gibt’s hier|

Doch ist nicht alles grimmig hier: Paul Nerteux, der Otto Normal in diesem verrückten Plot, wirkt in seiner Hilflosigkeit komisch und sympathisch. Er wirkt umso sympathischer, als er von seiner kleinen Tochter Céline getrennt lebt und doch gerne alles für sie tun würde. Er wirkt auf mich wie Kerkorian (gespielt von Vincent Cassel) neben Kommissar Niémans (Jean Reno) in „Die purpurnen Flüsse“, sozusagen der Sidekick des Helden.

|Die Übersetzung|

Bei der Beurteilung der Übersetzung von Christiane Landgrebe schwanke ich zwischen „gewöhnungsbedürftig“ und „ein Ärgernis“. Einige Fehler sind eindeutige Sachfehler. So schreibt sie beispielsweise „überirdisch“ statt „oberirdisch“, wenn es um simple Stadtbahnen geht. Sie schreibt „Explosionsmotor“ statt „Verbrennungsmotor“ (200) und „Fell-“ statt „Pelzhändlerin“ (213) sowie „übersah“ statt „überschaute“ (218).

In einem anderen Fall kann man sich über den korrekten Terminus streiten. Niemand in Deutschland außer einem totalen Experten würde wohl „Ästhetische Chirurgie“ statt „Plastische Chirurgie“ sagen (286 ff). Aber Ersteres ist offenbar der gängige Ausdruck im Französischen, um Gesichtschirurgie zu bezeichnen – Französisch ist ja so viel feiner in der Ausdrucksweise, nicht wahr?

_Unterm Strich_

Ebenso wie in [„Die purpurnen Flüsse“ 936 erzeugt Grangé auch diesmal eine beklemmende Atmosphäre der Paranoia, die sich erst allmählich aufbaut, um sich dann – besonders im zweiten Handlungsstrang – explosiv in brutaler Action zu entladen.

Es ist faszinierend, wie sich diese beiden Elemente gegenseitig ergänzen und verstärken. Dennoch wirken sie nicht als Show, sondern stehen auf einem soliden Fundament an bekannten Fakten. Es gibt lediglich eine Stelle, an der mein Unglauben nicht aufgehoben wurde: die Sache mit der Gehirnmanipulation. Gestern noch Science-Fiction, heute schon Wirklichkeit? Da müsste man die Experten fragen.

Kaum eine der Hauptfiguren erreicht die Ziellinie, und doch ist ihr Kampf nicht vergebens. Es bleiben keine losen Enden übrig, und der Leser kann das Buch getrost beiseite legen: Gerechtigkeit, die gibt es auch hier. Ein spannendes, beklemmendes und sehr zufriedenstellendes Buch, finde ich. Aber nichts für zarte Gemüter, so viel steht fest.

Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 446 Seiten
Originaltitel: L’empire des loups, 2003
Aus dem Französischen übersetzt von Christiane Landgrebe

Jean-Christophe Grangé – Die purpurnen Flüsse. Thriller

In der Nähe von Grenoble wird in einer Felswand eine Leiche gefunden. Der Mann wurde stundenlang gefoltert, seine Augen fehlen. Wenige Stunden später findet der Pariser Hauptkommissar Pierre Niemans im Gletscher über dem Dorf Guernon eine zweite, ähnliche zugerichtete Leiche. Hat er es mit einem Serienmörder zu tun? Doch so einfach ist der Fall nicht.

Der Autor

Jean-Christophe Grangé stammt aus einer Reporterfamilie und hat schon früh mit dem Recherchieren von Fakten angefangen. 1996 beschäftigte er sich mit dem Thema Genetik. Aus dem Gedankenspiel eines abgeschlossenen Experimentierfeldes entstand der vorliegende Roman, der zu einem nationalen Bestseller wurde und den Franzosen ihr eigenes Thrillergenre bescherte.

An diesen Erfolg schloss der beredte und gebildete Grangé mit „Der Flug der Störche“, „Der steinerne Kreis“ und zuletzt mit „Das Imperium der Wölfe“ an. Wider Erwarten stammt „Der Pakt der Wölfe“ nicht von ihm, sondern von Pierre Pelot.

Handlung – im Vergleich zum Film

Der PROLOG des Buches fehlt im Film. Regisseur und Hauptdarsteller hatten sich wegen der Brutalität dieser Szene dagegen ausgesprochen. Außerdem hätte sie dem Zuschauer einen falschen Eindruck vom Rest der Handlung vermittelt.

In einem Pariser Fußballstadion findet ein Pokalendspiel zwischen zwei ausländischen Mannschaften statt. Danach randalieren die Hooligans von der britischen Insel in den Straßen. Die Polizei ist gerüstet. Eigentlich soll Kommissar Pierre Niemans, ein Bulle von einem Kerl und verhinderter Soldat, nur für den Überblick sorgen, doch schon bald stürzt er sich ins Getümmel, wo er durch wütende Brutalität Furcht und Schrecken verbreitet.

Bei der Verfolgung zweier Bewaffneter tötet er einen von ihnen beinahe. Fortan liegt der Mann im Koma und Niemans wird vom Dienst auf der Straße abgezogen. Sein Chef, der ihn während der Untersuchung aus der Schusslinie haben will, schickt ihn in die Provinz: nach Guernon in der Nähe von Grenoble. Niemans stöhnt, kann aber nichts gegen die „Degradierung“ unternehmen.

Anders als im Buch übernimmt Niemans vor Ort die Ermittlungen und gibt jene Anweisungen, die im Film Dahmane, der Chef der Gendarmerie, erteilt. Im Gegensatz zum Film ist also Niemans ständig im Mittelpunkt des Geschehens und auf dem Laufenden. Hier ist er kein Außenseiter und Besserwisser, auch kein Professor, sondern nur ein stinknormaler Kommissar mit einem verhängnisvollen Innenleben: Wird er in die Enge getrieben, reagiert er mit unkontrollierter Gewalt. Und er hat wirklich Angst vor Hunden. Das ist der Grund, warum er beim Wehrdienst untauglich geschrieben wurde. Da war er 17. Seitdem hat er es weit gebracht: Die Gendarmerie kennt ihn als Star, als Verfolger von Mördern und Dealern.

Die erste Leiche ist Rémy Caillois, 25, Chefbibliothekar an der Elite-Universität von Guernon, einer der ältesten Unis in Europa. Der Wanderer wird hoch oben in einer Schlucht entdeckt, aber nur weil sich seine Leiche im Wasser des Flusses spiegelte. Die Entdeckerin ist Fanny Ferreira, 25, eine Professorin für Geologie und Glaziologie, die auf dem Fluss Kajak fahren wollte. Als Ersten vernimmt Niemans den Uni-Rektor Vincent Louize, der praktisch über das ganze Tal herrscht. Wichtiges Detail: Manche der Lehrer sind auch an der Klinik der Uni tätig. Das traf bis 1982 auch für den Augenarzt Edmond Chernezé zu, der später eine wichtige Rolle spielt. Im Film liefert er bereits ganz zu Anfang entscheidende Hinweise. Im Buch taucht er jedoch erst spät auf.

Der wichtigste Helfer Niemans‘ ist jedoch eine Figur, die im Film überhaupt nicht vorkommt: Der junge Gendarm Eric Joisneau bewundert Niemans und gibt ihm den wichtigen Hinweis, dass an der Uni etwas nicht stimmt: Es gebe hier in Gestalt der Professorenkinder eine regelrechte Elite von Menschen. Auch Fanny Ferreira, die Niemans vernimmt, gehört zur Elite. Sofort empfindet er Sympathie für die robuste und hochintelligente Schöne und baggert sie ganz unverhohlen an. Der Gegensatz zwischen der Härte ihrer Worte, der Robustheit ihrer Bewegungen und der Sanftheit ihrer ausgeprägten Kurven zieht ihn an. Verschüttete Gefühle brechen sich Bahn …

Die Witwe des Ermordeten, Sophie Caillois, ist ebenfalls intelligent, aber auf streitlustige, abwehrende Weise – kein Wunder: Sie hält sich für das nächste Opfer. Sie verrät, dass ihr Rémy an einer Doktorarbeit über das altgriechische Ideal des Athlon, des geistig gebildeten Olympiakämpfers, schrieb und darin Ansichten seines Vaters Etienne übernahm, der ja ebenfalls Chefbibliothekar gewesen war. Sophie wirft Niemans beinahe hinaus, was diesen wütend macht. Er erfährt, dass Caillois schizophren und gewalttätig war.

Zur gleichen Zeit, 200 Kilometer entfernt: Der Marokkaner Karim Abdouf, 29, ausgebildeter Scharfschütze und nun zum Provinzbullen degradiert, wird wegen einer Grabschändung und einem Einbruch in die Dorfschule von Sarzac, Departement Lot, gerufen. Es ist das Grab eines Jungen (!) namens Jude Itéro, 1972 bis 1982. Im Grab wie auch in der Schule fehlen die Bilder des Jungen. Sein Chef Crozier setzt ihn auf die falsche Fährte von Skinheads als Tätern. Nach einer Schlägerei, die es auch im Film zu sehen gibt, erhält er den Hinweis auf einen weißen Lada, der in der fraglichen Nacht am Friedhof gesehen wurde.

Im Gegensatz zum Film ist die katholische Nonne, die er besucht, nicht die Mutter Judes, sondern Schwester André, die für Fabienne Pasquot, die Mutter, versucht die Fotos zu stehlen und alle zu vernichten. Wie im Film erzählt sie von den „Teufeln“, die Mutter und Kind verfolgt hätten, weil das Gesicht des Jungen sie verrate. Sie liefert den Hinweis auf einen Rummelplatz, zu dem der Junge immer gegangen sei, als er zwei Jahre in Sarzac lebte. Dort fällt Karim praktisch aus allen Wolken: Ein Feuerschlucker erinnert sich gut an „Jude“, denn er brachte „ihr“ das Feuerschlucken bei. Wieso „ihr“? Na, Jude war ein Mädchen! Es dauert noch weitere Stunden, bis Karim auf den Trichter kommt: Jude Itéro klingt im Französischen genau gleich wie Judith Hérault!

Unterdessen verhilft das Regenwasser in René Callois‘ Augenhöhlen Niemans zu einem Hinweis: Der saure Regen muss schon vor Jahren gefallen sein. Beim Anblick der Bergriesen ringsum kommt ihm die Erleuchtung: Das Wasser stammt aus einem Gletscher! Er schnappt sich die Eisforscherin und Bergsteigerin Fanny und steigt mit ihr ins Innere der Gletscherwelt hinab. Sobald die Sonne aufgeht, beginnt das Eis zu schmelzen und das Schmelzwasser als Bach und Wasserfall zu Tal zu rauschen. (Diese Szene ist äußerst spannend inszeniert und weiß auch im Film zu faszinieren.) Trotz der zunehmenden Gefahr entdeckt Niemans eine zweite Leiche, allerdings sieht er zunächst ihr Abbild im Eis – ähnlich wie bei Callois. Diesmal handelt es sich um den Klinikpfleger Philippe Sertys, 26. Welche Verbindung gibt es zwischen den Morden?

Sertys gehörte der weiße Lada, der in Sarzac gesehen wurde. Diese Spur führt nun Karim Abdouf nach Guernon, gegen den Widerstand seines Chefs. Es sieht so aus, als müssten sich die beiden degradierten Außenseiter Niemans und Abdouf zusammentun, um das Rätsel dieser Morde zu lösen. Und dadurch und mit Joinnots Hilfe stoßen sie auf ein weit größeres Geheimnis, das das Ende der Universität bedeuten könnte.

Mein Eindruck

Die Handlung des Romans ist wesentlich vielschichtiger und verzweigter als die des Films. Im Film sind nicht nur Figuren weggefallen, sondern ganze Ermittlungsketten. Die Mutter von Judith Hérault erscheint im Buch als eine wirklich kluge und raffinierte Beschützerin, der mehrere falsche Fährten auslegte, die (zunächst) auch einen abgebrühten Kriminaler wie Karim in die Irre führen. Wer hätte gedacht, dass Judith als Junge beerdigt wurde! Und wer käme darauf, dass ihr Sarg statt einer Leiche zahllose Rattenskelette enthält?

Endlich wird hier die so genannte Hintergrund-Story der Verbrechen in Guernon deutlich und verstehbar. Sie wird im Film nur bruchstückhaft sichtbar. An einer Stelle, als Niemans und Kerkerian im Auto fahren, gibt Niemans Erkenntnisse wieder, die zuvor nicht an ihn weitergereicht worden waren – deshalb erscheinen sie völlig aus der Luft gegriffen. Der Leser des Romans, der Hörer des Audiobooks aber weiß Bescheid.

[SPOILER]

Ist der Schluss wirklich „enttäuschend“?

Was aber die Kritiker dem Buch immer vorgeworfen haben, ist der enttäuschende Schluss. Sowohl der inzwischen verdoppelte Täter als auch die Hauptfigur, die uns von Anfang an begleitet hat – nicht Abdouf – müssen dran glauben. Aber warum? Wollte es sich der Autor leicht machen und einfach alle Hauptfiguren abservieren und nur einen Zeitzeugen übriglassen? Das wäre eine (zu?) billige Art und Weise, um sich aus der Affäre zu ziehen.

Vielmehr ist es ja so, dass sowohl Abdouf als auch Niemans zu den beiden Schwestern unabhängig voneinander eine Liebesbeziehung aufbauen. Für Abdouf wird Judith für 24 Stunden zu einer Art Märtyrerin wird, die er gut zu kennen glaubt: von ihrer geheimnisvollen Geburt über „den kleinen Jungen“ bis hin zum traumatisierten, aggressiv gewordenen Mädchen. Was Niemans im Film sagt: „Nicht sie!“, müsste eigentlich Abdouf sagen. Aber das passiert ja auch mit anderen Figuren so.

Niemans hingegen ist ein ausgebranntes Wrack, am Ende der Fahnenstange angelangt, ein „Opfer seiner Phantome“. Und so trägt er selbst die Schuld am grausamen Tod des jungen Polizisten Joinot, der ihn bewunderte und ihm den Weg zum finsteren Geheimnis der Elite-Uni Guernon zeigte. Niemans war Joinot und seinem wichtigen Hinweis auf den Augenarzt Chernezé nicht nachgegangen, ließ ihn im Stich: Chernezé, ein Teil der Verschwörer aus der Hintergrundgeschichte, tötete Joinot ohne Skrupel und löste seine Leiche im Säurebad auf – zu starker Tobak selbst für diesen Thriller (im Gegensatz zu „Das Schweigen der Lämmer“).

Als sich also Niemans in die attraktive Fanny Ferreira verliebt (siehe oben), trifft ihn das Liebesglück völlig unverhofft. Anders als im Film wird diese Liebe nicht durch Blicke angedeutet – Fanny dreht sich vor ihrer Haustür zu ihm um -, sondern zu einem erotischen Ereignis aufgebaut. Die Liebe wird vollzogen. Deshalb bedeutet es für den beglückten Niemans eine Art Weltuntergang, als er herausfindet, dass er nicht nur Joinots Tod auf dem Gewissen hat (wie kann er mit dieser Schuld leben?), sondern auch in Fanny eine der beiden Killerinnen liebt. Für das Trio, das in dieses Verhängnis verstrickt ist, scheint es keinen Ausweg mehr zu geben.

Man kann sich aber fragen, warum auch Fanny dran glauben muss. Sie erzählt Abdouf die ganze Geschichte, wie sie und Judith zusammenkamen und sich fortan eine einzige Existenz teilten. Wie ging das zu, fragen die Kritiker. Herrje, heutzutage fallen viele Menschen in die Anonymität und es kümmert niemanden. Doch Guernon und seine Uni waren eine eng zusammengewachsene Gemeinschaft, in der das Doppelleben Fannys auffallen musste. Das ist ist letzten Endes ein Problem, das der Autor nicht befriedigend löst. Worin aber besteht Fannys Schuld, die sie in den Augen des Autors zum Tode verurteilt? Es muss wohl ihre Mitwisserschaft, wenn nicht sogar Mittäterschaft sein.

Dieser ganze Komplex existiert im Film nur als winziger Abglanz. Der Regisseur hat dafür den Showdown auf den Gletscher verlegt, was an sich schon symbolisch ist: Die Wahrheit muss ans Licht des Tages. Sie macht Fanny und den sie liebenden Niemans frei, während Kerkerian sozusagen ihren Schutzengel spielt. Mir gefällt der Filmschluss wesentlich besser als die Ausweglosigkeit, in der die Leben von Niemans und den beiden Schwestern enden. Und wenn das Ende an den Haaren herbeigezogen erscheint, so sollte man sich mal nach dem Realismus der restlichen Geschichte fragen: Sie ist ja lediglich ein Gedankenexperiment des Autors über Genetik und Eugenik.

[SPOILER Ende]

Unterm Strich

Die „purpurnen Flüsse“, die die Verschwörer von Guernon „beherrschen“, sind nicht nur die Blutadern, sondern auch die genetischen Erblinien, die in Guernon manipulativ weitergeführt werden. Eigentlich wollten die Verschwörer ein Ideal erreichen: den „Athlon“ wiedererschaffen, den Athleten mit einem gebildeten Geist. Das ist ihnen ironischerweise auch gelungen: die modernen „Bill Gates“, wie Kommissar Dahmane im Film sagt.

Leider ist etwas schief gelaufen und nun ein Preis zu zahlen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich der Roman nicht sehr von moralischen Märchen über verrückte Wissenschaftler, die in B-Filmen der fünfziger Jahre in amerikanischen Matinee-Kinos zu sehen waren. Doch diesmal erfolgt die Rache auf eine so vertrackte Weise, noch dazu von Seiten der Frauen, dass sich das Buch über die Masse der B-Movies erhebt und sich dem Niveau von „Das Schweigen der Lämmer“ annähert. Der Film erreicht dieses Niveau nicht ganz, keine Frage, aber das Buch, das man nun auch hören kann, ist schon verdammt nah am Hannibal-Level dran. Dass die Hintergrundstory so verzwickt ist, daran trägt der Autor die Schuld. Am besten macht man sich ein paar Notizen, um den Überblick zu behalten.

Taschenbuch: 413 Seiten
Originaltitel: Les rivières pourpres, 1997.
ISBN-13: 978-3404259182
www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Grangé, Jean-Christophe – Das schwarze Blut

_Schwacher Grangé, aber Nervenkitzel pur_

Jacques Reverdi, Serienmörder, wartet im Gefängnis von Malaysia auf sein Urteil. Wie eine Blutspur ziehen sich seine grausamen Ritualmorde an Frauen durch Südostasien.

Mark Dupeyrat, Pariser Journalist, plant einen Bestseller über diesen Mann. Er erfindet „Elisabeth“, die mit Reverdi schriftlich Kontakt aufnimmt, um sich sein makabres Universum zu erschließen. Als der Mörder Feuer fängt, sich sogar in die unbekannte Briefeschreiberin verliebt, schickt Mark ein Foto seiner Freundin Khadidscha. Doch dann entkommt Reverdi aus dem Gefängnis – und für Mark und Khadidscha beginnt ein Alptraum … (Verlagsinfo, nicht ganz zutreffend)

_Der Autor_

Jean-Christophe Grangé, 1961 in Paris geboren, ist als freier Journalist für verschiedene internationale Zeitungen (Paris-Match, Gala, Sunday Times, Observer, El Päis, Spiegel, Stern) tätig. Für seine Reportagen reiste er zu den Eskimos, den Pygmäen, und er begleitete wochenlang die Tuareg. „Der Flug der Störche“ war sein erster Roman und zugleich sein Debüt als französischer Topautor im Genre des Thrillers. (Verlagsinfo)

1994: „Der Flug der Störche“ (Le vol des cigognes)
1997: „Die purpurnen Flüsse“ (Les Rivières pourpres)
2000: „Der steinerne Kreis“ (Le Concile de Pierre)
2000: Drehbuch zum Film „Die purpurnen Flüsse“
2001: Drehbuch zum Film „Vidocq“
2003: „Das Imperium der Wölfe“ (L’empire des loups)
2004: „Das schwarze Blut“ (La Ligne Noire)
2005: Drehbuch zum Film „Das Imperium der Wölfe“

Die Verfilmung von „Der steinerne Kreis“ befindet sich derzeit in der Nachproduktion.

_Handlung_

Jacques Reverdi, ein ehemaliger Weltmeister im Freitauchen, wäre um ein Haar gelyncht worden. Die aufgebrachten malaiischen Dorfleute wollten ihn aufknüpfen, als sie herausfanden, dass die Frau, die bei ihm war – Pernilla – schon seit Tagen nicht mehr gesehen worden war. Als sie die Tür von Jacques’ Hütte aufbrachen, standen sie sofort in einem See aus Blut. Er hatte der jungen Schwedin methodisch die Venen – nicht die Arterien – aufgeschnitten, um sie ausbluten zu lassen.

Als eine Psychologin ihn vernahm, behauptete er, es nicht gewesen zu sein, sondern ein anderer. Erst steckten die Malaiien ihn in die Psychiatrie, dann kam er in den Knast. Und hier in die Vorhölle, wo ein sadistischer Aufseher regiert: Der Tod durch den Strang ist ihm sicher. Aber dennoch gibt er nicht auf.

|Mark …|

… Dupeyrat ist schon 44 Jahre alt, als er auf die Zeitungsmeldung über Jacques’ Festnahme stößt. Mark hat als Journalist schon alle Tiefen des Berufs als Paparazzo und Gerichtsreporter durchlebt. Nach zwei schweren privaten Tragödien – erst verlor er seinen Freund d’Amico, dann seine Verlobte Sophie – hat er sich hinter einen Panzer zurückgezogen. Doch Jaques’ Geschichte berührt ihn. Vielleicht gelingt es ihm über diese Inkarnation des Bösen, zu einem Begreifen des Mordes an Sophie zu gelangen. Mark war mehrere Tage bewusstlos und danach monatelang in einer Spezialklinik, bis er von diesem Schicksalsschlag genesen konnte.

Er versucht, einen Kontakt zu Reverdi herzustellen, doch dieser gibt grundsätzlich keine Interviews. Aber wie jeder Mörder, der mehr als einmal in der Zeitung stand – die Schwedin war nicht sein erstes öffentlich bekanntes Opfer – bekommt Reverdi Fanpost: meist von Frauen, die vom „Schwarzen Mann“ fasziniert sind. Jacques’ lehnt diese ahnungslosen Schnepfen alle achselzuckend ab.

Doch eines Tages bekommt er einen Brief von einer gewissen Elisabeth Bremen, der ihn erst ob seiner selbstgerechten Dreistigkeit erbost, dann aber aufhorchen lässt: Elisabeth ist bereit, ihm auf dem Weg zum Herz des Bösen zu folgen, koste es, was es wolle. Jacques grinst …

|Bingo!|

Endlich bekommt Mark, der sich als Elisabeth Bremen ausgibt, eine Antwort von Reverdi. Der Briefaustausch dauert erst lange und ist umständlich, aber wenigstens bleibt Marks Anonymität gewahrt. Doch als Reverdi ein Foto von Elisabeth verlangt, gerät Mark in die Bredouille – woher nehmen und nicht stehlen? Genau das macht er und zwar bei seinem besten Freund und Kollegen, dem Modelfotografen Vincent.

Der macht gerade Bilder von einer nordafrikanisch aussehenden Frau. Ihr Name ist Khadidscha – ausgesprochen „chá-di-dscha“ – und sie hat ebenfalls eine Tragödie hinter sich. Ihre heroinsüchtigen Eltern verbrannten in ihrer Wohnung, als sie noch ein Teenager war und sich um ihre Geschwister kümmerte. Ihr Blick ist umflort und geheimnisvoll. Mark greift sofort zu und schickt Reverdi ihr Polaroidfoto.

Jacques ist hingerissen, wider sein eigenes Erwarten. Sofort antwortet er, dass Elisabeth, wenn sie ihr Anliegen ernst meine, ihm auf der „schwarzen Linie“ folgen solle. Dort würden er, Jacques, und ein anderer ER sie erwarten. Doch sie werde sich würdig erweisen müssen und Aufgaben gestellt bekommen. Jacques leitet in die Wege, dass diese vielversprechende Verehrerin mit ihm E-Mails austauschen kann.

|Ins Herz der Finsternis|

Mark leiht sich von Vincent Geld, kauft Tickets nach Malaysia, ein anderes Notebook und legt ein anonymes E-Mail-Konto an, denn schließlich muss er seine Identität verbergen. Schon bei seiner Ankunft wartet eine Aufgabe auf ihn, die ihn ins Herz der Finsternis führen wird. Denn Jacques Reverdi ist kein durchgeknallter Triebtäter, dem beim Morden die Nerven durchgehen, sondern ein Mann mit einer Methode – und einem Ziel, das er noch nicht erreicht hat. Aber mit „Elisabeths“ Zutun könnte er es erreichen. Dann würde man endlich verstehen, was er tut.

_Mein Eindruck_

Der Roman ist klar in drei Teile aufgeteilt: Marks Zeit in Paris, dann seine Reise in Südostasien, dann deren Folgen, als er wieder in Frankreich ist. Parallel dazu erleben wir Reverdis Zeit im Knast von Malaysia. Es ist also für jede Menge Abwechslung gesorgt. Eigentlich hätte ich erwartet, dass auch Khadidscha eine tragende Rolle spielt, aber in dieser Erwartung wurde ich enttäuscht. Obwohl er alle seine drei Hauptfiguren gut eingeführt und mit einer interessanten Vergangenheit versehen hat, weist er Khadidscha nicht mehr als eine passive Rolle zu. Schade. Also machen es Mark und Jacques praktisch unter sich aus.

|Die Methode|

Jeder Leser wird schon im ersten Kapitel mit der Nase darauf gestoßen, dass der Serienmörder Reverdi eine spezielle „Methode“ hat und dass diese Methode offenbar im Zusammenhang mit dem Buchtitel steht. Wer nun aber erwartet, ich würde diese Vorgehensweise und ihre Wirkung haarklein beschreiben und erklären, irrt. Das haben andere schon für mich erledigt, und ich muss sagen, dass ich als Leser ziemlich enttäuscht davon wäre, wenn mir jemand schon vor dem Finale den Clou verraten würde. Also tue ich das mit Rücksicht auf meine Leser auch nicht. Aber wer daran zweifelt, dass es schwarzes Blut geben kann, den kann ich beruhigen: Es geht. Und ein Taucher wie Reverdi weiß genau, wie es herzustellen ist.

Mark nähert sich diesem schrecklichen Geheimnis mit jeder Aufgabe, die er erfolgreich bewältigt. Er muss dafür nach Kambodscha, an die thailändische Grenze zu Birma und in die Berge Malaysias fahren. Mehrmals muss ihm Reverdi hilfreiche Tipps geben, denn schließlich ist Mark nicht Einstein, sondern nur ein gewöhnlicher Reporter. Er erscheint uns also nie als Klugscheißer.

Und als er endlich kapiert, worin Reverdis Methode besteht, ist er zwar angemessen entsetzt, aber auch nicht dermaßen aus dem Häuschen, dass er überschnappen und Gott anrufen würde. Dafür ist er viel zu sehr Zyniker. Nein: Jetzt hat er das Material für seinen Bestseller, also ab nach Hause. Und dass er dafür einen Preis bezahlen müsste, braucht er nicht zu befürchten, denn garantiert wird Reverdi ja schon bald zum Tode verurteilt. Oder?

|Die Rache|

Natürlich wäre das keine anständige Geschichte, wenn nicht der vermeintlich tote Serienmörder aus dem Reich der Toten zurückkehren und sich an Mark und Co. für den Verrat rächen würde. Aber das war ja zu erwarten – Mark hat jede Menge Vorahnungen, und als er nach Paris zurückkehrt, wird ihm in Gestalt von riesigen Plakatwänden mit Khadidschas Gesicht deutlich vor Augen geführt, wie fassbar die Gefahr ist. Falls Reverdi überlebt.

An dieser Stelle sieht man ziemlich deutlich den mahnend erhobenen Zeigefinger des Autors, der vor den Folgen der journalistischen Ausbeutung des Leids anderer Leute (Stichwort: Paparazzi bei Prinzessin Dianas Autounfall in Paris) warnt. Aber der Autor sollte sich mal an die eigene Nase fassen und sein eigenes Werk begutachten. Schließlich fand er in „Die purpurnen Flüsse“ den Gedanken auch total aufregend, dass eine Uni als faschistische Zuchtanstalt missbraucht werden könnte. Oder schlägt ihm jetzt das Gewissen und er sich büßend an die wohlhabende Autorenbrust? Das kommt mir dann doch recht heuchlerisch vor.

|Schwächen|

Der ganze Ablauf der zweiten Romanhälfte ist sehr vorhersehbar. Noch in „Die purpurnen Flüsse“ und vor allem in „Das Imperium der Wölfe“ gelang es Grangé durch eine ausgetüftelte Erzählstruktur, eine unheimliche und hohe Spannung aufzubauen. Das alles ist Vergangenheit. „Das schwarze Blut“ hat mich durch seine Geradlinigkeit und Vorhersehbarkeit immer wieder enttäuscht, bis das Lesen bis zum Schluss nur noch zur Pflichtübung wurde. Immer noch eine recht unterhaltsamen Pflichtübung, aber dennoch.

Doch auch der Schluss selbst hat einen Fehler. Der Autor steht, um den finalen Schocker im Epilog verabreichen zu können, vor der kniffligen Aufgabe, seinen Serienmörder Nummer 1, Monsieur Reverdi, verschwinden lassen zu müssen. Er tut dies auf denkbar unelegante Weise und quasi nur im Nebensatz.

Das hat der großartige Reverdi wirklich nicht verdient, zumal wir nun endlich verstehen, woher seine Methode stammt: Es ist sein Urerlebnis, das er mit seiner verhassten Mutter hatte. Jeder Mord zelebriert den Sieg des Jungen über die Über-Frau, die ihn verraten hat. Damit dieser perfekt gelingt, muss jede Phase genauestens beachtet werden. Diesen Phasen muss auch Mark folgen. Und er wird dadurch nicht unbeeinflusst bleiben …

_Die Übersetzung_

Den einzigen Zweifelsfall in der Übersetzung fand ich auf Seite 144: Statt Thai-Transvestiten heißt es hier „Thai-Travestiten“. Das ist alles. Einen dicken Pluspunkt vergebe ich auf Seite 360: Die Übersetzerin behält den englischen Ausdruck „resort“ für Ferien- oder Hotelbungalow-Anlage bei, den jeder Thailand-Reisende kennt. Weniger konsequente Übersetzer schreiben statt dessen gerne „Ressort“, was im Deutschen etwas völlig anderes bezeichnet.

_Unterm Strich_

„Das schwarze Blut“ ist in seiner Vorhersehbarkeit und einfachen Erzählstruktur der schwächste Grangé seit Jahren. Aber da es sich um einen echten Grangé handelt, ragt selbst dieser schwache Roman immer noch über die Masse der meisten Thriller dieses Jahres hinaus. Für 20 Euronen bekommt man puren Nervenkitzel zu einem annehmbaren Preis. Aber ich empfehle, noch auf das Taschenbuch zu warten.

[NEWS] Jean-Christophe Grangé – Tag der Asche

Es ist die Zeit der Weinlese, als in einer alten Kapelle ein Toter entdeckt wird. Das Gebetshaus wird regelmäßig von den Gesandten aufgesucht, einer religiösen Gemeinschaft, die in einem entlegenen Anwesen ein Leben wie vor 300 Jahren führt. Alle helfen mit bei der Ernte – bis zum traditionellen Tag der Asche, wenn überall in den Weinbergen die Reste und Rückschnitte verbrannt werden. Kommissar Pierre Niémans ahnt, dass der mysteriöse Todesfall nicht das einzige dunkle Geheimnis der Täufergemeinde ist, und schleust seine Assistentin Ivana als Erntehelferin ein. Doch dann geschieht ein weiterer Mord, und Ivana gerät ins Visier eines kaltblütigen Killers. Für Niémans beginnt ein höllischer Wettlauf mit der Zeit … (Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 368 Seiten
Lübbe

Grangé, Jean-Christophe – steinerne Kreis, Der

Als die französische Tierforscherin Diane Thiberge einen kleinen Jungen aus Indonesien adoptiert, ahnt sie noch nicht, dass ihr Leben damit zu einem tödlichen Abenteuer wird. Denn der kleine Lü-sian ist nicht irgendein Straßenkind, sondern ein Schamane: ein „Wächter“.

_Der Autor_

Grangé ist der Autor des verfilmten Thrillers [„Die purpurnen Flüsse“ 936 (1998). 1961 in Paris geboren, arbeitet er als freier Journalist für diverse Magazine, darunter Paris-Match, Gala, Sunday Times, Observer, El País, Spiegel und Stern. Seine Reportagen führten Grangé zu verschiedenen ursprünglich lebenden Völkern wie den Tuareg, den Pygmäen und den Mongolen. In der Mongolei kam er nach Verlagsangaben auch mit Schamanenstämmen in Kontakt, die im vorliegenden Buch eine Rolle spielen.

_Handlung_

|Eine interessante Frauenfigur|

Mit der Tierforscherin Diane Thiberge hat Grangé eine interessante Frauenfigur geschaffen. Weil Diane als Hippiekind ihren Vater nicht kennt, lernt sie, ihre Mutter aufgrund ihrer wechselnden, wahllosen Liebschaften abzulehnen. Den Gipfel dieser Zurückweisung erlebt Diane im Alter von 14 Jahren: Ihre Mutter, Sibylle, ist nach einem Abendessen mal wieder mit einem ihrer Männern losgezogen, ohne sich um Diane zu kümmern, die zu Fuß nach Hause geht. Dabei muss sie etwas so Schreckliches erlebt haben, dass sie die Erinnerung daran wie in eine Stahlkammer einschloss – es muss wohl eine Vergewaltigung oder etwas Ähnliches sein.

Fortan duldet Diane keinerlei Berührungen oder gar Liebkosungen mehr, lässt sich schon gar nicht auf Männer ein. Sie widmet sich der Erforschung des Jagdverhaltens der Raubtiere – besonders Löwinnen faszinieren sie. Und sie wird Europameisterin in einer Kampfsportart namens Wing Tsun, um sich künftig gegen eventuelle männliche Übergriffe schützen zu können. Man könnte Diane, benannt nach der Jagdgöttin, als moderne Amazone bezeichnen.

Doch ihre biologische Uhr tickt unbarmherzig. Als sie 30 wird und noch kein Kind hat, lehnt sie die Reproduktionsmedizin ab: Sie will nichts in sich eindringen lassen. Folglich entscheidet sie sich für die Adoption. Als sie jedoch wegen ihres Ledigseins für die Rolle der Adoptivmutter für ungeeignet gehalten und abgelehnt wird, muss sie ihren Stiefvater Charles Helikian um Hilfe bitten. Er ist ein psychologischer Berater von höchsten Kreisen der Politik, der Finanz- und Wirtschaftswelt. Ihr Antrag wird in erstaunlich kurzer Zeit bewilligt.

In einem obskuren Waisenhaus auf den Andamaneninseln im Indischen Ozean erhält sie einen Jungen, den sie Lucien nennt, weil er immer „Lü-sian“ sagt. Auch die Heimvorsteherin weiß nicht, woher er stammt. Diane erlebt in Paris mit Lucien die seit langer Zeit schönsten Tage. Er kann singen und tanzen, doch seine Sprache versteht niemand.

|Das Unheil schlägt zu, und nicht nur einmal|

Nach einem Abendessen bei ihrer verhassten Mutter ist Diane so verstört, dass sie auf der Ringautobahn von Paris einen schweren Unfall baut: Von der Gegenfahrbahn war ein riesiger Lastzug auf ihre eigene Fahrbahn durchgebrochen. Im strömenden Regen sieht sie den Lastzug zu spät … Sie findet ihren kleinen Sohn halbtot unter dem Lastzug. Im Krankenhaus stellt man fest, dass er im Koma liegt.

Die schier untröstliche Diane bekommt mitgeteilt, dass ihr Sohn bald sterben wird, und so gewährt sie einem fremden Arzt, der sich als Rolf van Kaen aus Deutschland vorstellt, die Erlaubnis, mit Akupunktur zu arbeiten. Wundersamerweise erholt sich Lucien daraufhin, während niemand den Arzt aus Deutschland zu kennen scheint. Wenig später findet man seine Leiche, auf bizarre Weise getötet: Sein Herz war explodiert, weil ihm jemand die Halsschlagader abgedrückt hatte – von innen …

Der Polizeiinspektor sagt, dass ein Rolf van Kaen 1969 bis 1972 an einem geheimen Kernfusionsprojekt der Russen, einem sogenannten „Tokamak“, in der nördlichen Mongolei beteiligt gewesen war. Ist es Zufall, dass Lucien als ein „Türkmongole im Alter von fünf Jahren“ und seine Sprache als die eines „Mongolen vom Stamme der Tsewenen“ identifiziert wird? Die Tsewenen sind vom Aussterben bedroht. Haben der Tokamak und die Tsewenen etwas miteinander zu tun?

Das, was Lucien singt, ist der Trancegesang eines Tsewenen-Schamanen. Dessen Funktion besteht darin, bei der Herbstjagd den Scout zu spielen, der die Jagdtiere mit Hilfe des Zweiten Gesichts aufspürt. Dianes Sohn, der nun Lüü-Si-An (Wächter) genannt wird, ist ein ganz besonderes Kind. Aber nicht das einzige seiner Art. Und auf seinen Fingerkuppen steht seitenverkehrt eingebrannt das Datum „20. Oktober 1999“.

|Zum Showdown|

Diane – und dem Rest der Welt – bleiben also offenbar nur noch wenige Tage Zeit, bis etwas Entscheidendes passiert – das womöglich mit Kernfusion zu tun hat. Und deshalb muss sie dringend in die Äußere Mongolei fliegen, bevor noch mehr Menschen sterben, und herausfinden, was es mit dem Tokamak auf sich hatte. Von dem Polizeiinspektor erfährt sie per Mail, dass alle Ermordeten mit parapsychologischen Experimenten der Russen in Zusammenhang standen. Das entsprechende Forschungslabor lag direkt unter dem „steinernen Kreis“ des Kernfusionsreaktors.

Nach langer, anstrengender Reise muss Diane erkennen, wer letzten Endes hinter den Morden, den Wächtern und den parapsychologischen Experimenten an den Schamanen der Tsewenen steckt. Die Erkenntnis erklärt die Tragödie ihres Lebens und zwingt sie zu einem verzweifelten Kampf auf Leben und Tod.

_Mein Eindruck_

Grangés Roman ist sehr schwer zu definieren; keine Schublade will auf das passen, was da auf den Leser zukommt. Was zunächst wie eine eigenartige Biografie beginnt und sich zu einer Mordserie ausweitet, wird unversehens zu einem ethnografischen Abenteuer, das in einen wissenschaftlichen Albtraum zurückführt und als Konsequenz zu einem Zweikampf Mensch gegen Tier zwingt.

Was die Handlung nicht nur enorm spannend, sondern unter anderem auch so interessant macht, ist der Umstand, dass die Amazone Diane eine streng logisch denkende Wissenschaftlerin ist, die kaum Gefühle zulässt, geschweige irgendwelchen esoterischen Humbug wie etwa Hellseherei, Telepathie oder gar Psychokinese.

Doch im Zuge ihrer eigenen Nachforschungen, die sich als gefahrvoll und leichenträchtig herausstellen, muss sie das Unvorstellbare akzeptieren: Dass der verhängnisvolle Unfall durch Telekinese von dritter Seite herbeigeführt wurde. Als sie weiteren Schamanen wie ihrem Adoptivsohn begegnet, ist sie gezwungen, noch weitere Phänomene als existent anzuerkennen, die sie zuvor radikal abgelehnt hatte. Phänomene aus der Parapsychologie, aber noch viel mehr, als die westliche Wissenschaft sich je träumen lassen würde.

Ich dachte, Grangé würde dort aufhören, wo Robert Holdstocks Romane „Mythago Wood“ und „Lavondyss“ beginnen: die Auferstehung der Geisterwelt. Auf den letzten Seiten des Grangé-Buches wurde ich eines Besseren belehrt: Die Grenzlinie, wo Mensch und Tier, Menschenwelt und wilde Natur aufeinandertreffen, verschwindet und das eine geht in das andere über. Natürlich wird nicht jeder Leser bereit sein, diese Grenzlinie zu überschreiten. Man betrachte den Rest dann eben als Fantasy.

Auch wenn man so manches als dichterische Freiheit akzeptieren kann, so steht doch fest, dass der Autor selbst die mongolischen Schamanen besucht hat. Und dass Schamanen von Jakuten, Samojeden und anderen ihre Weltsicht und ihr Wissen mit ihren nordamerikanischen Vettern teilen. Denn diese Indianer sind ja lediglich während der Eiszeit ausgewanderte Stämme, die die Beringstraße überquerten. Der Exodus wird u. a. in dem Ethno-Roman „Die Zeit des Wolfs“ von Gear & Gear packend und lebendig geschildert.

|Der politische Hintergrund|

Meines Wissens bringt der Autor das erste Mal die Verbrechen der Roten Armee gegen die mongolische Zivilbevölkerung zur Sprache. Der Aufstand von 1932 wurde niedergeschlagen; es gab 40.000 Tote auf mongolischer Seite. 1960 folgte die Welle der Zwangskollektivierung, die den Nomaden ihre Lebensgrundlage entzog und sie, wie einst die Prärieindianer, zu entwurzelten Abhängigen und Bettlern machte. Außerdem unterzogen skrupellose sowjetische Wissenschaftler zahllose Schamanen, also die Vertreter von Heilkunde und Stammesgedächtnis der sibirischen und mongolischen Völker, illegalen und grausamen Experimenten.

Vielleicht sagt dem einen oder anderen Leser „Der Archipel Gulag“ etwas – er wurde in Alexander Solschenitzyns Romanen zur Sprache gebracht: eine Reihe von Konzentrationslagern, in denen Dissidenten und andere unliebsame Zeitgenossen unter unmenschlichen Bedingungen zusammengepfercht wurden. Die meisten dieser Insassen starben. Und wie Grangé behauptet, bestand diese menschenfeindliche Praxis auch noch während der Tauwetterphase der sechziger Jahre und später. Das sind relativ schwere Anklagen, die der Autor hier erhebt. Man kann nur hoffen, dass sie begründet sind.

_Unterm Strich_

Ich habe den Roman in drei Tagen geschafft. Er ist einfach und jederzeit verständlich erzählt, gibt unendlich viele Rätsel auf und spart nicht mit Überraschungen und Enthüllungen. Außerdem mag ich solche Ethnothriller, die vor einem wissenschaftlichen Hintergrund spielen. Die Hauptfigur Diane sorgt für Interesse und ist beinahe frei von Klischees.

Natürlich gehört das Buch zur Unterhaltungsliteratur. Daher wird man tief schürfende Nabelschauen der Protagonisten vergeblich suchen, wie man das von deutschen Autoren so gewöhnt ist. Vielmehr setzt der Autor einen bewährten Trick ein: Die Außenwelt spiegelt die Innenwelt. Beschreibungen der Natur und die Reaktion auf Naturphänomene reflektieren metaphorisch das Befinden des jeweiligen Betrachters – der meist die Hauptfigur Diane ist. Und so weiß der Leser ausreichend Bescheid darüber, wie sie sich fühlt.

Die Übersetzung ist geradezu makellos, und es gibt kaum einen Druckfehler im ganzen Buch. Beinahe ein Wunder in unserer Zeit.

|Originaltitel: Le Concile de Pierre, 2000
Aus dem Französischen übersetzt von Barbara Schaden|

Grangé, Jean-Christophe – Schwarze Blut, Das

_Nervenkitzel pur, exzellent vorgetragen_

Jacques Reverdi, Serienmörder, wartet im Gefängnis von Malaysia auf sein Urteil. Wie eine Blutspur ziehen sich seine grausamen Ritualmorde an Frauen durch Südostasien.

Mark Dupeyrat, Pariser Journalist, plant einen Bestseller über diesen Mann. Er erfindet „Elisabeth“, die mit Reverdi schriftlich Kontakt aufnimmt, um sich sein makabres Universum zu erschließen. Als der Mörder Feuer fängt, sich sogar in die unbekannte Briefeschreiberin verliebt, schickt Mark ein Foto seiner Freundin Khadidscha. Doch dann entkommt Reverdi aus dem Gefängnis – und für Mark und Khadidscha beginnt ein Alptraum … (Verlagsinfo, nicht ganz zutreffend)

_Der Autor_

Jean-Christophe Grangé, 1961 in Paris geboren, ist als freier Journalist für verschiedene internationale Zeitungen (Paris-Match, Gala, Sunday Times, Observer, El Päis, Spiegel, Stern) tätig. Für seine Reportagen reiste er zu den Eskimos, den Pygmäen, und er begleitete wochenlang die Tuareg. „Der Flug der Störche“ war sein erster Roman und zugleich sein Debüt als französischer Topautor im Genre des Thrillers. (Verlagsinfo)

1994: „Der Flug der Störche“ (Le vol des cigognes)
1997: „Die purpurnen Flüsse“ (Les Rivières pourpres)
2000: „Der steinerne Kreis“ (Le Concile de Pierre)
2000: Drehbuch zum Film „Die purpurnen Flüsse“
2001: Drehbuch zum Film „Vidocq“
2003: „Das Imperium der Wölfe“ (L’empire des loups)
2004: „Das schwarze Blut“ (La Ligne Noire)
2005: Drehbuch zum Film „Das Imperium der Wölfe“

Die Verfilmung von „Der steinerne Kreis“ befindet sich derzeit in der Nachproduktion.

_Der Sprecher_

Joachim Kerzel, 1941 in Hindenburg/Oberschlesien geboren, erhielt seine Ausbildung an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover. Als gefragter Synchronsprecher leiht er Jack Nicholson, Dustin Hoffman, Dennis Hopper und vielen anderen Stars seine sonore Stimme. Ganz besonders im Gedächtnis geblieben ist mir seine Beteiligung an der Hörbuchfassung von Stephens Kings „Das Mädchen“, die er zusammen mit Franziska Pigulla bestritt. Seine charismatische Stimme macht aus jedem Gegenstand etwas Grandioses. Daher ist er häufig auch in der Werbung zu hören.

_Handlung_

Jacques Reverdi, ein ehemaliger Weltmeister im Freitauchen, wäre um ein Haar gelyncht worden. Die aufgebrachten malaiischen Dorfleute wollten ihn aufknüpfen, als sie herausfanden, dass die Frau, die bei ihm war – Pernilla – schon seit Tagen nicht mehr gesehen worden war. Als sie die Tür von Jacques’ Hütte aufbrachen, standen sie sofort in einem See aus Blut. Er hatte der jungen Schwedin methodisch die Venen – nicht die Arterien – aufgeschnitten, um sie ausbluten zu lassen.

Als eine Psychologin ihn vernahm, behauptete er, es nicht gewesen zu sein, sondern ein anderer. Erst steckten die Malaiien ihn in die Psychiatrie, dann kam er in den Knast. Und hier in die Vorhölle, wo ein sadistischer Aufseher regiert: Der Tod durch den Strang ist ihm sicher. Aber dennoch gibt er nicht auf.

|Mark …|

… Dupeyrat ist schon 44 Jahre alt, als er auf die Zeitungsmeldung über Jacques’ Festnahme stößt. Mark hat als Journalist schon alle Tiefen des Berufs als Paparazzo und Gerichtsreporter durchlebt. Nach zwei schweren privaten Tragödien – erst verlor er seinen Freund d’Amico, dann seine Verlobte Sophie – hat er sich hinter einen Panzer zurückgezogen. Doch Jaques’ Geschichte berührt ihn. Vielleicht gelingt es ihm über diese Inkarnation des Bösen, zu einem Begreifen des Mordes an Sophie zu gelangen. Mark war mehrere Tage bewusstlos und danach monatelang in einer Spezialklinik, bis er von diesem Schicksalsschlag genesen konnte.

Er versucht, einen Kontakt zu Reverdi herzustellen, doch dieser gibt grundsätzlich keine Interviews. Aber wie jeder Mörder, der mehr als einmal in der Zeitung stand – die Schwedin war nicht sein erstes öffentlich bekanntes Opfer – bekommt Reverdi Fanpost: meist von Frauen, die vom „Schwarzen Mann“ fasziniert sind. Jacques’ lehnt diese ahnungslosen Schnepfen alle achselzuckend ab.

Doch eines Tages bekommt er einen Brief von einer gewissen Elisabeth Bremen, der ihn erst ob seiner selbstgerechten Dreistigkeit erbost, dann aber aufhorchen lässt: Elisabeth ist bereit, ihm auf dem Weg zum Herz des Bösen zu folgen, koste es, was es wolle. Jacques grinst …

|Bingo!|

Endlich bekommt Mark, der sich als Elisabeth Bremen ausgibt, eine Antwort von Reverdi. Der Briefaustausch dauert erst lange und ist umständlich, aber wenigstens bleibt Marks Anonymität gewahrt. Doch als Reverdi ein Foto von Elisabeth verlangt, gerät Mark in die Bredouille – woher nehmen und nicht stehlen? Genau das macht er und zwar bei seinem besten Freund und Kollegen, dem Modelfotografen Vincent.

Der macht gerade Bilder von einer nordafrikanisch aussehenden Frau. Ihr Name ist Khadidscha – ausgesprochen „chá-di-dscha“ – und sie hat ebenfalls eine Tragödie hinter sich. Ihre heroinsüchtigen Eltern verbrannten in ihrer Wohnung, als sie noch ein Teenager war und sich um ihre Geschwister kümmerte. Ihr Blick ist umflort und geheimnisvoll. Mark greift sofort zu und schickt Reverdi ihr Polaroidfoto.

Jacques ist hingerissen, wider sein eigenes Erwarten. Sofort antwortet er, dass Elisabeth, wenn sie ihr Anliegen ernst meine, ihm auf der „schwarzen Linie“ folgen solle. Dort würden er, Jacques, und ein anderer ER sie erwarten. Doch sie werde sich würdig erweisen müssen und Aufgaben gestellt bekommen. Jacques leitet in die Wege, dass diese vielversprechende Verehrerin mit ihm E-Mails austauschen kann.

|Ins Herz der Finsternis|

Mark leiht sich von Vincent Geld, kauft Tickets nach Malaysia, ein anderes Notebook und legt ein anonymes E-Mail-Konto an, denn schließlich muss er seine Identität verbergen. Schon bei seiner Ankunft wartet eine Aufgabe auf ihn, die ihn ins Herz der Finsternis führen wird. Denn Jacques Reverdi ist kein durchgeknallter Triebtäter, dem beim Morden die Nerven durchgehen, sondern ein Mann mit einer Methode – und einem Ziel, das er noch nicht erreicht hat. Aber mit „Elisabeths“ Zutun könnte er es erreichen. Dann würde man endlich verstehen, was er tut.

_Mein Eindruck_

Der Roman ist klar in drei Teile aufgeteilt: Marks Zeit in Paris, dann seine Reise in Südostasien, dann deren Folgen, als er wieder in Frankreich ist. Parallel dazu erleben wir Reverdis Zeit im Knast von Malaysia. Es ist also für jede Menge Abwechslung gesorgt. Eigentlich hätte ich erwartet, dass auch Khadidscha eine tragende Rolle spielt, aber in dieser Erwartung wurde ich enttäuscht. Obwohl er alle seine drei Hauptfiguren gut eingeführt und mit einer interessanten Vergangenheit versehen hat, weist er Khadidscha nicht mehr als eine passive Rolle zu. Schade. Also machen es Mark und Jacques praktisch unter sich aus.

|Die Methode |

Jeder Leser wird schon im ersten Kapitel mit der Nase darauf gestoßen, dass der Serienmörder Reverdi eine spezielle „Methode“ hat und dass diese Methode offenbar im Zusammenhang mit dem Buchtitel steht. Wer nun aber erwartet, ich würde diese Vorgehensweise und ihre Wirkung haarklein beschreiben und erklären, irrt. Das haben andere schon für mich erledigt, und ich muss sagen, dass ich als Leser ziemlich enttäuscht davon wäre, wenn mir jemand schon vor dem Finale den Clou verraten würde. Also tue ich das mit Rücksicht auf meine Leser auch nicht. Aber wer daran zweifelt, dass es schwarzes Blut geben kann, den kann ich beruhigen: Es geht. Und ein Taucher wie Reverdi weiß genau, wie es herzustellen ist.

Mark nähert sich diesem schrecklichen Geheimnis mit jeder Aufgabe, die er erfolgreich bewältigt. Er muss dafür nach Kambodscha, an die thailändische Grenze zu Birma und in die Berge Malaysias fahren. Mehrmals muss ihm Reverdi hilfreiche Tipps geben, denn schließlich ist Mark nicht Einstein, sondern nur ein gewöhnlicher Reporter. Er erscheint uns also nie als Klugscheißer.

Und als er endlich kapiert, worin Reverdis Methode besteht, ist er zwar angemessen entsetzt, aber auch nicht dermaßen aus dem Häuschen, dass er überschnappen und Gott anrufen würde. Dafür ist er viel zu sehr Zyniker. Nein: Jetzt hat er das Material für seinen Bestseller, also ab nach Hause. Und dass er dafür einen Preis bezahlen müsste, braucht er nicht zu befürchten, denn garantiert wird Reverdi ja schon bald zum Tode verurteilt. Oder?

|Die Rache|

Natürlich wäre das keine anständige Geschichte, wenn nicht der vermeintlich tote Serienmörder aus dem Reich der Toten zurückkehren und sich an Mark und Co. für den Verrat rächen würde. Aber das war ja zu erwarten – Mark hat jede Menge Vorahnungen, und als er nach Paris zurückkehrt, wird ihm in Gestalt von riesigen Plakatwänden mit Khadidschas Gesicht deutlich vor Augen geführt, wie fassbar die Gefahr ist. Falls Reverdi überlebt.

An dieser Stelle sieht man ziemlich deutlich den mahnend erhobenen Zeigefinger des Autors, der vor den Folgen der journalistischen Ausbeutung des Leids anderer Leute (Stichwort: Paparazzi bei Prinzessin Dianas Autounfall in Paris) warnt. Aber der Autor sollte sich mal an die eigene Nase fassen und sein eigenes Werk begutachten. Schließlich fand er in „Die purpurnen Flüsse“ den Gedanken auch total aufregend, dass eine Uni als faschistische Zuchtanstalt missbraucht werden könnte. Oder schlägt ihm jetzt das Gewissen und er sich büßend an die wohlhabende Autorenbrust? Das kommt mir dann doch recht heuchlerisch vor.

|Schwächen|

Der ganze Ablauf der zweiten Romanhälfte ist sehr vorhersehbar. Noch in „Die purpurnen Flüsse“ und vor allem in „Das Imperium der Wölfe“ gelang es Grangé durch eine ausgetüftelte Erzählstruktur, eine unheimliche und hohe Spannung aufzubauen. Das alles ist Vergangenheit. „Das schwarze Blut“ hat mich in der Buchfassung durch seine Geradlinigkeit und Vorhersehbarkeit immer wieder enttäuscht, bis das Lesen bis zum Schluss nur noch zur Pflichtübung wurde. Immer noch eine recht unterhaltsamen Pflichtübung, aber dennoch.

Doch auch der Schluss selbst hat einen Fehler. Der Autor steht, um den finalen Schocker im Epilog verabreichen zu können, vor der kniffligen Aufgabe, seinen Serienmörder Nummer 1, Monsieur Reverdi, verschwinden lassen zu müssen. Er tut dies auf denkbar unelegante Weise und quasi nur im Nebensatz.

Das hat der großartige Reverdi wirklich nicht verdient, zumal wir nun endlich verstehen, woher seine Methode stammt: Es ist sein Urerlebnis, das er mit seiner verhassten Mutter hatte. Jeder Mord zelebriert den Sieg des Jungen über die Über-Frau, die ihn verraten hat. Damit dieser perfekt gelingt, muss jede Phase genauestens beachtet werden. Diesen Phasen muss auch Mark folgen. Und er wird dadurch nicht unbeeinflusst bleiben …

_Der Sprecher_

Joachim Kerzel bietet hier eine herausragende Leistung, von der ich an vielen Stellen beeindruckt war. Es gelingt ihm, fast alle Hauptfiguren des Buches und sogar viele Nebenfiguren unterscheidbar zu charakterisieren. Jimmy Wong-Fat, Reverdis Verteidiger, macht zum Beispiel einen raschen Wandel vom empörten Verbecher zum zerknirschten Diener des großen Serienmörders Reverdis durch. Ist er zunächst begeistert und enthusiastisch, von diesem großen Meister des Mordes lernen zu können, so wirkt er alsbald verunsichert und drückt sich stockend und ausweichend aus. Diese Entwicklung ist leicht anhand Kerzels Vortrag nachzuvollziehen.

Wie wichtig die Charakterisierung mit Hilfe der Stimme ist, zeigt sich spätestens, als der Hörer via Marc mit den verschiedenen Persönlichkeiten Reverdis konfrontiert wird. Wie soll er damit zurechtkommen? Marc schaut sich das Video des ersten Verhörs an, und Reverdis antwortet mit apathischer Stimme: „Das war ich nicht.“ Dann aber ertönt eine hohe Kinderstimme: „Versteck dich schnell, Papa kommt!“ Ich war verblüfft, wie hoch Kerzels Stimme sein kann.

Im normalen, d.h. aggressiven Tonfalls Reverdis benutzt Kerzel dann wieder sein Markenzeichen: die tiefe männliche Stimme. Doch auch dieser Reverdi-Tonfall ist wandelbar, wie die bemerkenswerte Konfrontation mit Jimmy Wong-Fat belegt: vom drohend-fordernden Tonfall geht Reverdi über in den befehlenden Modus, um dann dem besiegten Jimmy freundschaftlich die Hand zu reichen und ihm in feierlichem Tonfall einen Auftrag zu erteilen.

Marc Dupeyrat durchläuft eine erstaunliche Entwicklung: vom besessenen Reporter zum einem Liebenden, der sich in der Persona der fiktiven „Elisabeth Bremen“ einem Serienmörder so weit annähert, dass er von dessen Wahn infiziert wird. Wenn Kerzel den ersten Brief „Elisabeths“ vorliest, so hören wir eine höhere Stimmlage, die sowohl verfeinert als auch beflissen klingt, wie eine Novizin, die beim Meister in den Unterricht gehen möchte. Reverdis Antworten sind ebenfalls gefühlvoll wie die eines Liebenden, doch als er sich von seiner „Auserwählten“ verraten fühlt, wird seine Tonfall bitter und drohend.

Der zweite Showdown in Catania auf Sizilien wird von Kerzel mit vielen Aspirationslauten unterstützt, die zu der Aufregung der beiden Kämpfenden passen – er haucht mehrmals, ohne jedoch in Keuchen zu verfallen. Die Stimmung ist beklommen und angespannt, nach Dupeyrats Ende ist Chadidscha erleichtert zumute. Die letzten Worte des Erzählers klingen getragen und feierlich.

Dass Kerzel keinerlei Probleme mit der Aussprache des Französischen, Arabischen und Englischen hat, belegen zahlreiche Stellen, in denen seine Sprachkenntnisse gefordert werden. So wird etwa der arabische Name Khadidscha Kacem korrekt „chadidscha katschem“ ausgesprochen. Ihre Stimme ist charmant und überschwänglich, später besorgt, schließlich kämpferisch. Dem Imker in Angkor verleiht Kerzel einen höhere männliche Stimmlage, einen französelnden Akzent und eine nicht ganz korrekte deutsche Grammatik.

|Der Plot des Hörbuchs|

Da es sich um eine gekürzte Textfassung handelt, legt die Handlung auch andere Akzente als die Buchfassung. Dies hat zwei Konsequenzen. Erstens ist natürlich die zentrale Handlung deutlicher, da sie auf Aktion und Dialog ausgerichtet ist. So ist mir dadurch klar geworden, dass es sich bei Marcs Reise in Südostasien, auf der er Reverdis Anweisungen wie ein Novize folgt, um einen Initiationsritus handelt.

„Ritus“ ist das richtige Wort, denn sein Erkenntnisweg entlang der „Wegmarken der Ewigkeit“ ist von starken religiösen Untertönen geprägt. Reverdis Mordhütten werden als „Kirchen“ bezeichnet, ebenso wie die Körper seiner Opfer. Angeblich geht es um „Reinheit“ und Eintauchen in ein Mysterium. Es wird überdeutlich, dass der Meister einen neuen Jünger bekommen hat, und dass die Morde nach Reverdis Verschwinden eigentlich nur von einem begangen worden sein können.

Aber die Verdichtung hat einen Preis. Die Liebe Khadidschas zu Marc wird nicht leicht verständlich. Die entsprechenden Passagen wurden alle gestrichen, und so liefern nur Andeutungen eine Begründung für ihr Verhalten. Das kann einige Fragen aufwerfen, wenn man sich für ihre Motive interessiert.

_Unterm Strich_

„Das schwarze Blut“ ist in seiner Vorhersehbarkeit und einfachen Erzählstruktur der schwächste Grangé seit Jahren. Aber da es sich um einen echten Grangé handelt, ragt selbst dieser schwache Roman immer noch über die Masse der meisten Thriller dieses Jahres hinaus.

Der Sprecher Joachim Kerzel, der schon „Die purpurnen Flüsse“ vertonte, bietet hier eine herausragende Leistung. Ihm gelingt es, viele Haupt- und Nebenfiguren angemessen zu charakterisieren und die dramatischen Stellen gefühlvoll, aber keinesfalls übertrieben vorzutragen. Besonders haben mir mehrere Dialoge gefallen und der Briefwechsel zwischen „Elisabeth Bremen“ und Reverdi.

Die Kürzung des Textes verhalf mir zu einem einfacheren Verständnis des Erkenntniswegs und der Initiation von Marc Dupeyrat. Doch das Verhalten von Khadidscha Kacem wird dadurch nicht erleichtert, so dass sich der Hörer auf Andeutungen stützen muss, um sie zu verstehen.

Letzten Endes hat mir das Hörbuch besser gefallen als das Buch selbst.

|Originaltitel: Le ligne noir, 2004
Aus dem Französischen von Barbara Schaden
446 Minuten auf 6 CDs|

Jean-Christophe Grangé – Der steinerne Kreis (Hörbuch)

Spannender Thriller: bei den Schamanen Sibiriens

Als die französische Tierforscherin Diane Thiberge einen kleinen Jungen aus Indonesien adoptiert, ahnt sie noch nicht, dass ihr Leben damit zu einem tödlichen Abenteuer wird. Denn der kleine Lü-sian ist nicht irgendein Straßenkind, sondern ein Schamane: ein „Wächter“.

Der Autor
Jean-Christophe Grangé – Der steinerne Kreis (Hörbuch) weiterlesen

[NEWS] Jean-Christophe Grangé – Die letzte Jagd

Wie ein Wild erlegt – so wurde Jürgen von Geyersberg, Erbe eines Millionenvermögens, auf den französischen Ländereien seiner Familie aufgefunden. Kommissar Pierre Niémans und seine junge Kollegin Ivana verlieren keine Zeit, sich in die süddeutsche Heimat der von Geyersbergs zu begeben. In einer mondänen Villa am Titisee scheint ihnen die schillernde Laura, die Schwester des Opfers, etwas zu verschweigen. Ein weiterer Mord in selber Manier geschieht, und Niémans und Ivana erkennen zu spät, dass im Schatten des mächtigen Schwarzwaldes abermals die Jagd begonnen hat – auf jeden, der dem abgründigen Familiengeheimnis der von Geyersbergs auf die Spur kommt … (Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 400 Seiten
Lübbe

[NEWS] Jean-Christophe Grangé – Tag der Asche

Das Elsass während der Weinernte: In einer Kapelle wird unter den Trümmern eines Freskos die Leiche eines Mannes entdeckt. Das Gebetshaus liegt unweit des Wohnorts einer religiösen Gemeinschaft, deren Bewohner ein Leben wie vor 300 Jahren führen und sich durch den Weinbau finanzieren. Kommissar Pierre Niémans ahnt schon bald, dass der mysteriöse Todesfall nicht das einzige finstere Geheimnis der Täufergemeinde ist. Um mehr zu erfahren, beschließt er, seine Assistentin Ivanka undercover als Erntehelferin einzuschleusen. Als ein weiterer Mord geschieht, gerät auch Ivanka in große Gefahr … (Verlagsinfo)


Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 368 Seiten
Lübbe

Jean-Christophe Grangé – Das Herz der Hölle (Lesung mit Musik)

Zwischen Teufelspakt und Höllenfahrt

Als der Kripobeamte Mathieu Durey erfährt, das sein Kollege und bester Freund Luc versucht hat, sich das Leben zu nehmen, will er die Hintergründe ermitteln. Notfalls auf eigene Faust. Bald schon stellt sich heraus, dass Luc an einem mysteriösen Fall gearbeitet hat. Die Spur führt in die entlegenen Winkel Europas, zu einer merkwürdigen Mordserie und geradewegs ins Herz der Hölle …
Jean-Christophe Grangé – Das Herz der Hölle (Lesung mit Musik) weiterlesen

[NEWS] Jean-Christophe Grangé – Die Fesseln des Bösen

In einem Pariser Nachtclub werden zwei junge Tänzerinnen tot aufgefunden. Commandant Stéphane Corso findet heraus, dass beide mit einem mysteriösen älteren Maler liiert waren. Dieser Philippe Sobieski ist erfolgreich, arrogant und ohne jede Moral. Er scheint der perfekte Täter zu sein, doch er hat ein wasserdichtes Alibi. Je weiter Corso sich in den Fall vertieft, desto stärker drohen ihn Sobieskis unheilvolle Geheimnisse in den Abgrund zu reißen… (Verlagsinfo)


Taschenbuch ‏ : ‎ 608 Seiten
Lübbe

Grangé, Jean-Christophe – Choral des Todes (Hörbuch)

_Wohlbekanntes Strickmuster: „Die purpurnen Flüsse“ reloaded_

Ein markerschütternder Schrei hallt durch die Kirche, ein Todesschrei. Lionel Kasdan, Kommissar im Ruhestand und zufällig vor Ort, will zu Hilfe eilen und kommt Sekunden zu spät. Der Mann auf der Empore ist bereits tot, seinen Kopf umgibt eine dunkle Blutlache wie ein Heiligenschein. Etwas an dem Toten und seinem Sterben fasziniert Lionel Kasdan. Er muss den Mord einfach untersuchen und entdeckt ein grauenvolles Geheimnis: Unschuldig wirkende Kinder sind der Schlüssel, und sie sind keinesfalls Engel, doch welcher Teufel hat sie ausgesandt? (abgewandelte Verlagsinfo)

_Der Autor_

Jean-Christophe Grangé, Jahrgang 1961, stammt aus einer Reporterfamilie und hat schon früh mit dem Recherchieren von Fakten angefangen. 1996 beschäftigte er sich mit dem Thema Genetik. Aus dem Gedankenspiel eines abgeschlossenen Experimentierfeldes entstand der Roman „Die purpurnen Flüsse“, der zu einem nationalen Bestseller und internationalen Filmerfolg wurde und den Franzosen ihr eigenes Thrillergenre bescherte.

An diesen Erfolg schloss der beredte und gebildete Grangé mit „Der Flug der Störche“, „Der steinerne Kreis“ und mit „Das Imperium der Wölfe“ an. Auch dieser Roman wurde 2005 mit Jean Reno verfilmt. Zuletzt erschienen von Grangé „Das schwarze Blut“ und „Das Herz der Hölle“. Im Herbst 2009 folgte „Der Choral des Todes“.

Jean-Christoph Grangé auf |Buchwurm.info|:

[„Die purpurnen Flüsse“ 936
[„Das Imperium der Wölfe“ 1348
[„Das schwarze Blut“ 2286
[„Das Herz der Hölle“ 4404 (Hörbuch)
[„Das Herz der Hölle“ 4569 (Buch)
[„Der steinerne Kreis“ 5878 (Hörbuch)

_Der Sprecher_

Wolfgang Pampel hat an der Theaterhochschule „Hans Otto“ in Leipzig studiert und machte sich anschließend auf den Bühnen von Leipzig, Düsseldorf, Berlin und Wien einen Namen. Er hat bereits verschiedene Hörbücher von Dan Brown mit seiner markanten Stimme gelesen, darunter „Sakrileg“ und „Illuminati“. In den 80er Jahren gelangte seine sonore Stimme zu allgemeiner Bekanntheit, als er Larry Hagman in „Dallas“ synchronisierte. Heute wird Pampel als Stimme von Harrison Ford und Gérard Depardieu erkannt.

Arno Hoven kürzte die Vorlage. Regie führte Kati Schaefer, die tontechnische Gesamtleitung in den d.c. Tonstudios hatten Dicky Hank & Dennis Kassel inne, die auch für die Musik und Inszenierung sorgten. („Inszenierung“? Dies ist doch wohl kein Hörspiel, oder? Gleich mehr dazu.)

_Handlung_

Lionel Kasdan, ein ehemaliger Kommissar bei der französischen Antiterrortruppe und Pariser Mordkommission, steht in einer armenischen Kirche mitten in Paris, als er einen markerschütternden Schrei hört. Der Schrei scheint von der Kirchenorgel aufgenommen zu werden. Er eilt zur Empore des Orgelspielers und findet dort eine Leiche. Der Kopf des Mannes liegt in einer Blutlache, doch was dem Kommissar und den später eintreffenden Spurensuchern ein Rätsel aufgibt, ist die Todesursache.

|Der Tote|

Eric Vernaud von der Pariser Kripo fragt erst mal misstrauisch, was Kasdan überhaupt in der Kathedrale St. Jean-Baptiste zu suchen hat, ganz so, als wäre Kasdan verdächtig. Der Armenier Kasdan wurde vom armenischen Pfarrer Sarkis eingeladen, um eine Chorprobe zu hören. Und der Mann an der Orgel, ein gewisser Wilhelm Götz, sollte die Probe leiten. Pfarrer Sarkis erklärt, dass Götz ein Chilene war, ein Musikwissenschaftler, der in Kirchen von ganz Paris Chöre leitete. „Er war Sozialist, wurde von Diktator Pinochet verfolgt und musste ins Exil gehen.“ Später stellt sich diese Angabe als eklatante Unwahrheit heraus und Kasdan muss sich fragen, was Sarkis dazu veranlasst hat. Wie auch immer: 2007 ist in Frankreich das Armenienjahr, und Götz sollte mehrere Aufführungen von Knabenchören leiten.

Einer der Spurensucher steckt Kasdan, dass die Schuhspuren am Tatort von kleinen Turnschuhen in Jungengröße stammen. Außerdem finden sich seltsame Holzsplitter. Götz starb an einem Herzstillstand, aber seine Trommelfelle waren ebenfalls durchstochen. Die HNO-Spezialistin von der Rechtsmedizin meint, es müsse sich um ein extrem hartes und spitzes Tatwerkzeug gehandelt haben. Sie könnte nicht falscher liegen.

|Operation Kondor|

Nachdem er in der Akte von Götz keine Angaben über die Jahre zwischen 1973, als Pinochet Allende stürzte, und 1984, als er ins französische Exil ging, gefunden hat, bricht Kasdan in Götz‘ Wohnung ein. Als er ein Geräusch auf dem Balkon bemerkt, folgt er dem Eindringling. Nach einer wilden Verfolgungsjagd stellt sich der Fremde als Götz‘ homosexueller Geliebter heraus: Nazeer, ein Inder von der Insel Mauritius, einem französischen Übersee-Departement. Nazeer gibt ihm Götz‘ Adressbuch und Terminkalender, er deutet an, dass Götz sich in Gefahr gebracht hatte, weil er gegen Chilenen aussagen wollte. Über was? Über die Operation Kondor, in der ein halbes Dutzend lateinamerikanische Länder international gegen Dissidenten vorgingen, um sie zu fangen, zu foltern und schließlich zu töten. Also war es ein politischer Mord, oder?

|Miserere|

In Götz‘ Wohnung lauscht der Ex-Kommissar dem Choral „Miserere“ (Erbarme dich) von Gregorio Allegri, von einer CD-Aufnahme, die Götz vor Jahren mit einem Solisten namens Régis Masoyer produziert hat. Die ätherischen Klänge und die glasklare Solostimme rühren an schwarze Erinnerungen, die Kasdan noch aus seiner Militärzeit in Kamerun anno 1962 hat. Später wird er sich in aller Schärfe daran erinnern MÜSSEN. Doch jetzt fällt ihm beim Lauschen lediglich ein Fleck in einer Nische der Zimmerdecke auf: Darunter ist eine Wanze versteckt – der Verfassungsschutz hat Götz abgehört. Sein Kumpel von der Spurensuche steckt ihm, dass Götz mehrmals Herzstillstände wegen Folter erlitten habe und am ganzen Körper Narben aufweise.

|Wolokin|

Von Sarkis und Vernaud erfährt Kasdan, dass noch jemand im Fall Wilhelm Götz herumschnüffelt, ein gewisser Cédric Wolokin von Jugendschutzdezernat. Kasdan zieht Auskünfte ein: Wolokin sei in einer Entziehungsklinik, weil er heroinsüchtig war. Waise mit fünf, Chorknabe, Pianist, Abi mit 17 anno 1995, dann Jurastudium, französischer Meister im Thaiboxen, bis plötzlich seine Karriere endete und er zur Polizei ging – wegen des Heroins, mit dem er sich dopte. Und wo bekommt man Stoff leichter als eben bei der Drogenfahndung? Na toll: Wolokin war ein Dealer und wurde stinkreich. Aber wieso wurde er zum Kreuzzügler gegen Kinderschänder?

|Serienmorde|

Wolokin seinerseits informiert sich über Kasdan und nimmt ihn erst als Rivalen wahr. Kasdan befragt mehrere Pfarrgemeinden auf der Spur, die Wilhelm Götz hinterlassen hat, und stößt auf mehrere verschwundene Sängerknaben. Was hatte Götz damit zu tun? Ist er ein verkappter Serienmörder? Wie sich herausstellt, ist Wolokin ebenfalls auf dieser Spur, deshalb tun sich die beiden zusammen: Offiziell ist Wolokin Kasdans Praktikant bei der Mordkommission.

Als sie zusammen den Inder Nazeer, Götz‘ Geliebten, besuchen, stoßen sie nicht nur auf dessen Leiche mit den blutenden Ohren. An der Wand steht ein Vers aus dem „Miserere“, das Götz so liebevoll vertonte: das Sühnegebet des 51. Psalms. Weitere Anzeichen deuten darauf hin, dass Nazeer hingerichtet wurde, weil er geredet hat. Offenbar sind Götz‘ Mörder auf einem Rachefeldzug durch Paris. Und wie sie an der Kinderschrift unschwer erkennen können, sind diese Killer noch minderjährig, womöglich noch nicht mal im Stimmbruch. Aber wer hat sie geschickt und in wessen Namen töten sie?

_Mein Eindruck_

Die Spur führt zu einer Neuauflage der Colonia Dignidad, mitten in Frankreich. Das weckt im Leser bzw. Hörer ganz schlimme Erinnerungen. Man erinnere sich (und der Autor nimmt uns diese Mühe ab): Die [Colonia Dignidad]http://de.wikipedia.org/wiki/Colonia__Dignidad wurde von einem deutschen Nazi etliche Meilen entfernt von Santiago de Chile eingerichtet, um hier rassistische und nationalistische Ideale in die Realität umzusetzen – bis hin zu bayerischen Trachten und deutschnationalen Liedern. Die Kolonie war autark, weil sie mit „arischen“ und einheimischen Arbeitskräften Landwirtschaft und Bergbau betrieb. Bei Grangé ist der Leiter dieser Kolonie plus Arbeitslager ein gewisser Hans Werner Hartmann.

|Alte Nazis|

Dieser Nazi hat sehr viel mit der titelgebenden Musik zu tun. Während der Naziherrschaft forschte er in den KZs an den Insassen, was Klang, Schall und besonders Stimmen mit einem Menschen anstellen können. Ein Knabenchor kann einem kalte Schauer über den Rücken jagen oder in einen geistigen Schwebezustand versetzen. Letzteres erlebt Kasdan mit Allegris „Miserere“. Aber Hartmann erforschte als Nazi auch die Einsatzmöglichkeiten der menschlichen Stimme als Waffe, die töten kann. Davon hat Kasdan noch nie gehört, aber wer das Militär – und Nazis – kennt, weiß, dass kein Phänomen zu abwegig ist, um nicht auf Kriegstauglichkeit untersucht zu werden. Ob Hartmann diese Waffe gefunden hat, weiß Kasdan lange Zeit nicht. Bis er die neue Kolonie entdeckt und sie erkundet.

Er erfährt jedoch viel über Götz‘ Vorleben in Chile. Götz war kein Opfer, sondern vielmehr einer der Täter, ebenso wie Hartmann. Beide wurden von der Militärjunta Pinochets gebeten, ihnen beim Foltern der bei der Operation Kondor gefangenen Dissidenten zu helfen. Hartmann machte mit, um seine Colonia zu schützen und weitere Experimente anzustellen: Er war der Doktor Mengele der Folterlager. Götz folgte ihm als Chorleiter und „Dirigent“. Denn wie alle Nazis war Hartmann von der Rolle der Musik fasziniert und begeistert. Sie machte Folteropfer gefügig, vermochte sie sogar direkt zu quälen. Aber sie zu töten? Das kommt Kasdan zu weit gegriffen vor. Er täuscht sich.

|Folterhelfer|

Nun kann man sich fragen, wieso ein französischer Autor dazu kommt, über Altnazis und Chilenen zu schreiben. Was hat denn all das mit den Pariser Morden zu tun? Das Verbindungsstück sind erstens die Kolonie dieser Altnazis in Frankreich, die die jugendlichen Mörder entsendet. Aber es gibt noch ein weiteres, das Kasdan direkt betrifft: Die lateinamerikanischen Folterknechte der Operation Kondor wurden von Franzosen ausgebildet. Diese Franzosen waren Veteranen des Algerienkrieges und kannten sich mit dem Erzwingen von Geständnissen aus. Als Angehörige des militärischen Geheimdienstes und seiner Spezialeinheiten waren sie aber nicht nur in Chile im Einsatz, sondern zuvor schon Kamerun – und hier lernte Kasdan den schlimmsten von ihnen kennen: General Puy. Als Kasdan seinen ehemaligen Kommandanten beim Militär wiedersieht, kommen alle traumatischen Erinnerungen an die Strafaktionen gegen kamerunsche Einheimische wieder hoch, und er dreht durch.

|Moderne Spartaner|

Zum Schluss gilt es noch das Geheimnis der neuen Colonia zu lüften. Hier sieht sich diesmal Cédric Wolokin einem Stück seiner Kindheit gegenüber: Hier wurde er als Sängerknabe ausgebildet. Allerdings hat er diese Zeit komplett verdrängt. Und auch die Praktiken, die er hier am eigenen Leib erfahren hat. In der Colonia wird die Agogé der Spartaner immer noch praktiziert. In Zack Snyders Verfilmung des Comicbooks [„300“, 2667 die erst kürzlich wieder im Free-TV gezeigt wurde, werden spartanische Jungen ihren Müttern im Alter von sieben Jahren entrissen, um in der Militärschule zum Spartiaten ausgebildet zu werden.

Die Ausbildung besteht nicht nur im Waffentraining, sondern vor allem in der Abhärtung des Körpers, der Seele und der Gefühle des Jungen. Die Ausbildung endet mit einer Tapferkeitsprüfung, wenn sie etwa 14 oder 15 Jahre alt sind. Man kann sich nun vorstellen, dass die kindlichen Mörder, die in Paris Götz und Nazeer und andere umbringen, solche Agogé-Schüler sind. Nur dass bei ihnen noch christliche Sühne- und Askese-Ideale hinzukommen. Daher auch das Sühnegebet „Miserere“ als Leitmotiv.

|Praktische Übung: Showdown|

Sobald Wolokin und Kasdan als Spione der Polizei entdeckt worden, dürfen die Kindersoldaten der Colonia auch gleich ihr Können demonstrieren. Und die geistigen bzw. direkten Nachfahren Hans Werner Hartmanns leiten sie dabei an. Wird es unseren beiden Helden gelingen zu überleben? In einem actionreichen Showdown wird die Entscheidung gesucht.

|Der Sprecher|

Die Stärke des Sprechers sind tiefe männliche Stimmen, wie jeder weiß, der einmal Harrison Ford gehört hat. Deshalb fällt es ihm auch nie schwer, solche Stimmen grimmig, zornig, höhnisch usw. klingen zu lassen. Etwas anderes sind hingegen die Stimmen von alten Männern, die kurz vorm Abnippeln stehen, wie den alten Folterfranzosen, der von Heroin abhängig ist, als Kasdan und Wolokin ihn finden. Er klingt schwach, heiser, rau und alles andere als autoritär.

Ich hätte mir einen größeren Gegensatz zwischen dem alten Bullen Kasdan, der Vaterfigur im dynamischen Duo, und Wolokin, der Sohnfigur, gewünscht. Sie klingen etwas zu ähnlich, und nicht bloß einmal habe ich sie verwechselt. Dabei ist Wolokin 28 Jahre alt und Kasdan 63, sie liegen also altersmäßig erheblich auseinander. Diesen Unterschied sollte man auch hören können.

Weibliche Stimmen gibt es nur eine, und das ist die der Rechtsmedizinerin, die Kasdan sagt, um was für ein Tatwerkzeug es sich handeln muss. (Sie liegt völlig falsch, aber darum geht es nicht.) Der Sprecher stellt sie mit einer recht hohen, schön weichen Stimme dar, die genau passt. Der Kontrast zu all den vielen Männerstimmen ist frappierend und legt nahe, dass Wolfgang Pampel über eine viel größere Flexibilität verfügt, als er hier zeigen darf.

|Ein Fehler|

Ich konnte keinerlei Aussprachefehler feststellen, und das rechne ich dem Sprecher hoch an. Dafür musste ich aber einen Schnittfehler registrieren. Es ist zwar nur einer, aber man hätte ihn trotzdem entfernen müssen. Der Sprecher wiederholt ein Wort.

|Geräusche|

Erstmals in einem Hörbuch von Grangé erklingen diesmal richtige Geräusche. Es handelt sich dabei in aller Regel um Schüsse, einmal aber auch um ein Klirren von Glas. In einer Klubszene erdröhnt eine Hintergrundmusik, die ich eher als Geräusch ansehen würde denn als Musik: wummernde Bässe und wenig dazu, was man als Melodie bezeichnen könnte, begleitet von undifferenzierten Stimmen.

|Musik|

Nach dem obligatorischen Intro mit der Kirchenorgel hören wir in den Kapitel- und Szenenübergängen Motive, die von Drums und Bass bestritten werden. Sie sollen Spannung erzeugen, aber auch als Intermezzo dienen. Deshalb erklingen sie regelmäßig am Ende einer CD. Das titelgebende „Miserere“ erklingt leider nie in voller Stärke, sondern nur sehr dezent im Hintergrund, wenn davon die Rede ist. Das bedeutet, dass sich der Hörer selbst die entsprechende Klangdatei besorgen sollte, was ich ein wenig viel verlangt finde.

_Unterm Strich_

Die Story von den importierten Altnazis mit ihrer Geheimschule für todbringende Schüler erinnert nicht wenig an die Grundidee von „Die purpurnen Flüsse“. Dort sollte ja auch der bessere Mensch gezüchtet werden, was jedoch dergestalt schiefging, dass die unerwünschten Zeugen zum Schweigen gebracht werden mussten. Genauso hier in „Choral des Todes“, inklusive actionreichem Showdown.

|Die neue Waffe|

Der einzige neue Aspekt an dieser Geschichte sind die Chöre und die Idee, dass bestimmte Gesangsfrequenzen töten könnten. Denn dass niemand über ein derartig spitzes und festes Mordinstrument für die Durchstoßung der Trommelfelle usw. verfügt, ahnt der Leser bzw. Hörer schon frühzeitig. Dass eine Knabenstimme den Tod bringen könnte, ist dann der eigentliche Schock, den der Autor seinem Publikum – nach sorgfältiger Vorbereitung, versteht sich – genussvoll versetzt. Es geht doch nichts über einen guten Kick, um das Publikum zu unterhalten.

Allerdings ist die Rede davon, dass die Leiter der Colonia einen großen Anschlag planen. Um was es sich dabei dreht und wer das Opfer sein soll, erfahren wir nie. Das ist etwas frustrierend. Wozu Spannung erzeugen und sie dann wie ein gebrochenes Versprechen nicht einlösen? Dieses Detail könnte aber auch den Kürzungen zum Opfer gefallen sein. Ich empfehle daher die Lektüre des Buches.

|Patentrezept mit Hautgout|

Auch der Grundaufbau der Handlung reißt niemanden mehr vom Hocker, ganz einfach deshalb, weil sie durch „Die purpurnen Flüsse“ jedermann bekannt ist. Man nehme zwei Bullen, die sich erst nicht ausstehen können, und stecke sie für einen bizarren Fall zusammen. Wie sich herausstellt, sind die beiden optimal dafür geeignet, weil sie jeweils persönlich betroffen sind von dem, worauf sie da stoßen. Auf diese Weise bringt die Lösung des Falls ihnen zugleich die ersehnte Erlösung ihrer ach so beschwerten Seelen.

|No woman, no cry?|

Dass der Autor dabei übersieht, dass es auch noch weibliche Wesen auf der Welt gibt, stößt bei mir allerdings auf Unverständnis. Es gibt keine einzige Frau, die eine relevante Rolle spielt. Das ist nicht gerade modern, das ist eher mittelalterlich. Mich würde mal interessieren, welchen Geheimbünden der Autor selbst angehört. Vielleicht dem Opus Dei, jener erzkonservativen, sektiererischen Katholikenvereinigung, die beim Papst – egal bei welchem – in besonderer Gunst zu stehen scheint. Das würde einiges erklären, beispielsweise die Lateinkenntnisse und die Kenntnisse über Psalmen.

|Das Hörbuch|

Wolfgang Pampel darf hier nicht alle seine Stärken ausspielen, sondern muss vor allem männliche Figuren darstellen. Das gelingt ihm aber abwechslungsreich und glaubhaft. Den Vortrag unterstützen die vielgestaltige Musik und ein paar Geräusche, zu denen vor allem Schüsse gehören. Dennoch gelang es diesem Hörbuch nicht, mich restlos zu fesseln, geschweige denn zu begeistern. Das lag vor allem an den Schwächen der Story – siehe oben.

|Originaltitel: Miserere, 2008
Aus dem Französischen übersetzt von Thorsten Schmidt
450 Minuten auf 6 CDs|
http://www.luebbe-audio.de
http://www.jc-grange.com

[NEWS] Jean-Christophe Grangé – Die letzte Jagd

Ein Mordfall führt Kommissar Pierre Niémans nach Freiburg: Jürgen von Geyersberg, Erbe eines gigantischen Vermögens, wurde auf den französischen Ländereien der jagdbegeisterten Familie tot aufgefunden – wie ein Wild erlegt und „aufgebrochen“. Ein zweiter Mord in selber Manier geschieht. Niémans findet heraus, dass in der Vergangenheit mehrere Söhne der Familie spurlos verschwanden. Ein Fluch? Als er dem abgründigen Geheimnis der Familie auf die Spur kommt, gerät Niémans selbst in Todesgefahr … (Verlagsinfo)


Gebundene Ausgabe: 400 Seiten
Bastei Lübbe

[NEWS] Jean-Christophe Grangé – Die Fesseln des Bösen

In einem Pariser Nachtclub werden zwei junge Tänzerinnen tot aufgefunden. Commandant Stéphane Corso findet heraus, dass sie mit einem mysteriösen älteren Maler liiert waren. Dieser Sobiesky ist erfolgreich, arrogant und ohne jede Moral. Er scheint der perfekte Täter zu sein, doch er hat stichfeste Alibis für beide Morde. Je weiter Corso sich in den Fall vertieft, desto stärker drohen ihn Sobieskys unheilvolle Geheimnisse in den Abgrund zu reißen …
(Verlagsinfo)


Broschiert: 608 Seiten
Bastei Lübbe

[NEWS] Jean-Christophe Grangé – Schwarzes Requiem

Grégoire Morvan, graue Eminenz des französischen Innenministeriums, schweigt über seine Vergangenheit in Zaire. Dort hatte er in den Siebzigerjahren einen berüchtigten Ritualmörder zu Fall gebracht. Doch jener »Nagelmann«, der seine Opfer stets mit Nägeln gespickt zurückließ, scheint einen Nachfolger zu haben. Als eine Serie ähnlicher Anschläge Morvans Familie bedroht, begibt sich Sohn Erwan in den Kongo, um die wahre Geschichte seines Vaters zu ergründen. Damit öffnet er das Tor zur Hölle … (Verlagsinfo)


Taschenbuch: 688 Seiten
Bastei Lübbe

[NEWS] Jean-Christophe Grangé – Schwarzes Requiem

Gregoire Morvan, graue Eminenz des französischen Innenministeriums, ist Familientyrann und skrupelloser Geschäftsmann. Und er hütet dunkle Geheimnisse aus seiner Vergangenheit im Kongo, wo er in den Siebzigerjahren einen berüchtigten Killer dingfest gemacht hat. Als sein Sohn Erwan, ein Pariser Starpolizist, in Afrika nach Verbindungen zu einer aktuellen Mordserie sucht, ahnt dieser nicht, dass er längst erwartet wird. Von jemandem, der seit langem in Vergessenheit geraten ist. Und nie aufgehört hat, auf Rache zu sinnen. (Verlagsinfo)

Gebundene Ausgabe: 848 Seiten
Originaltitel: Congo Requiem
Bastei Lübbe

[NEWS] Jean-Christophe Grangé – Purpurne Rache

Grégoire Morvan, graue Eminenz des französischen Innenministeriums, war in den Siebzigerjahren mit lukrativen Geschäften im Kongo erfolgreich. Und er hat dort den berüchtigten Killer Homme-Clou gefasst, der seinerzeit einem bestialischen Ritual folgend neun Menschen ermordet hat. Als an einer bretonischen Militärschule ein Toter gefunden wird, dessen grausame Entstellung dem Modus operandi des Homme-Clou ähnelt, und Morvans Familie akut bedroht wird, muss er sich mit allen Mitteln den Schatten einer Vergangenheit stellen, die niemals aufgehört hat, nach Blut zu dürsten … (Verlagsinfo)

Gebundene Ausgabe: 944 Seiten
Originaltitel: Lontano
Bastei Lübbe

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Gebundene Ausgabe: 944 Seiten
Originaltitel: Lontano
Ehrenwirth

[NEWS] Jean-Christophe Grangé – Die Wahrheit des Blutes

Olivier Passan, Pariser Mordkommissar und Einzelgänger, ist einem Serienkiller auf der Spur, der es auf schwangere Frauen abgesehen hat. Zugleich versucht er zu begreifen, warum die Ehe mit seiner japanischen Frau Naoko offenbar gescheitert ist. Als in seinem Haus bedrohliche Dinge geschehen, vermutet Passan zunächst einen Racheakt des Killers. Doch dann stellt sich heraus, dass die Anschläge mit der geheimnisvollen Vergangenheit Naokos zu tun haben – Atemberaubende Spannung mit hohem Gruselfaktor von Frankreichs Thriller-Autor Nr. 1. (Verlagsinfo)

Taschenbuch: 432 Seiten
Originaltitel: Kaiken
Bastei Lübbe

[NEWS] JEAN-CHRISTOPHE GRANGÉ – Der Ursprung des Bösen

„Der Ursprung des Bösen“ von Jean-Christophe Grangé erscheint bei Bastei Lübbe als Taschenbuch.

Mathias Freire leidet unter einer rätselhaften Krankheit: In Stresssituationen setzt sein Gedächtnis aus. Und wenn er das Bewusstsein wiedererlangt, ist er ein anderer – ohne Erinnerung an seine Vergangenheit. Eines Tages steht eine Polizeikommissarin vor seiner Tür: Freire steht unter Verdacht, der Täter einer Ritualmordserie zu sein, die in unmittelbarer Umgebung stattfand. Als er herauszufinden versucht, wer er wirklich ist, scheint jemand dies um jeden Preis verhindern zu wollen …
(Verlagsinfo)

Taschenbuch, 864 Seiten
Originaltitel: Le Passager