Alle Beiträge von Michael Matzer

Lebt in der Nähe von Stuttgart. Journalist und Buchautor.

Besher, Alexander – Virtual Tattoo (Rim-Trilogie 2)

_Die |RIM|-Trilogie:_

1) „Rim“ (1994, „Satori City 2.0“, dt. 1996)
2) „Mir“ (1998, _“Virtual Tattoo“_, dt. 1999)
3) „Chi“ (1999, „Cyber Blues“, dt. 2001)

_Spielzeugland Cyberspace_

Nachdem Alexander Besher bereits mit „Satori City 2.0“ eine furiose Mischung aus Cyberspace-Opera, Thriller und Fernost-Esoterik-Trip abgeliefert hatte, bietet er mit „Virtual Tattoo“ gewissermaßen eine Fortsetzung.

Hieß das erste Buch im Original noch „RIM“ – englisch für Rand – , so heißt „Virtual Tattoo“ im Original „MIR“ – russisch für Frieden, Welt. Auch hier taucht der Held des Romans „RIM“, Frank Gobi, wieder auf. Die Hauptrolle spielt nun jedoch sein Sohn Trevor. Dass es sich bei „Virtual Tattoo“ um ein Drama handelt, macht die Einteilung des Romans in drei Akte, zwei Pausen sowie Pro- und Epilog deutlich.

_Der Autor_

Alexander Besher war Chefredakteur der Zeitschrift „Chicago Review“, bevor er eine erfolgreiche japanische Krimiserie entwickelte und Schriftsteller wurde. „Satori City 2.0“, der Startband der „RIM“-Trilogie, war sein erster Roman. Dass Besher als Sohn weißrussischer Eltern in China geboren wurde und in Japan aufwuchs, merkt man seinen Romanen auf jeder Seite an: Die Kultur, Sprache und das Verhalten des Fernen Ostens sind ihm so geläufig wie nur wenigen anderen Autoren.

Dass der Autor mit dem Fernen Osten so vertraut ist, setzt allerdings beim westlichen SF-Leser ebenfalls eine gewisse Vertrautheit voraus. Gibson leistete zwar schon Vorarbeit, aber Besher geht doch weit über die „Neuromancer“-Trilogie hinaus.

Heute lebt er in San Francisco, wo er als Journalist über Technologietrends berichtet. In den letzten zehn Jahren veröffentlichte er die Kabbala-Trilogie, die Supernatural-Horror und Thriller verknüpft, sowie zwei Bände über den Manga Man. Sein Debütroman „Satori City 2.0“ wurde für den Philip K. Dick Award nominiert.

_Handlung_

Im Jahr 2036 ist ein neuer Kalter Krieg ausgebrochen, diesmal aber im Cyberspace. Da dies aber nicht mehr nur das Internet und die dreidimensionalen „Avatars“ darin umfasst, sondern auch die Schnittstellen zum menschlichen Geist und Körper, bedrohen die Mächte, die im Cyberspace das Sagen haben, letzten Endes alle Menschen, die mit dem Cyberspace arbeiten.

Ein russischer Hacker hat über die Raumstation MIR ein außerirdisches intelligentes Software-Virus eingefangen und „veredelt“. Es wird vom Geheimdienst zur Bestrafung von Verbrechern in einem geistigen Gulag benutzt. Leider kommt es dem Abteilungsleiter, Graf Viktor Trobolski in Nizza abhanden. Zwei unbeteiligte US-Touristen kehren damit nach San Francisco zurück: Nelly und Trevor Gobi, unser alter Bekannter.

Wie sich zeigt, benutzt das Virus zur Ausbreitung Tätowierungen, die mit ihrem Träger interagieren, also halb intelligent sind. MIR 3.0 bewegt sich sehr bald schon durch den Cyberspace, und von Tattoo zu Tattoo breitet er sich auf der Erde aus. Seine erste Wirtin, Nelly, transformiert er und verhilft ihr zu höherem Bewusstsein. Ihr Freund Trevor macht sich mit Recht Sorgen um sie, wird aber abgelenkt durch eine heiße Affäre mit einer Regierungsagentin, Alex Fortuna, die illegal eingewanderte Avatars im Cyberspace bekämpft und sich auffallend für Nelly interessiert. Natürlich sind auch die russischen Hacker hinter Nelly und ihrem Virus her.

Was nun aussieht, als ob es auf eine Katastrophe zusteuert, findet doch noch ein Happy End – auf einem esoterischen Cyberspace-Woodstock-Festival. Nelly und Trevor finden wieder zueinander, und die Bösen finden ihr gerechtes Ende.

_Mein Eindruck_

Besher ist leider weit entfernt von der Innovationskraft und Kritikfähigkeit William Gibsons („Neuromancer“, „Idoru“). Vielmehr schwelgt er in der Lust an sprachlichen Spielereien, ergötzt den Leser mit einem bunten Ramschladen von Esoterik-Schnickschnack, und führt schließlich alles zu einem guten Ende. Bei ihm ist die Welt zwar gefährlich, aber am Schluss stets gerecht. So können die zwei Hauptfiguren, Nelly und Trevor, zwar wie die Traumwandler von Gefahr zu Gefahr taumeln, sie finden jedoch überall einen hilfreichen Freund, und sei es auch eine Bande Taxi fahrender tibetischer Mönche. „Lonley Planet“ lässt grüßen!

Seine Handlung würzt Besher mit zahlreichen Neben-Erzählungen und Rückblenden, die lästiger- und überflüssigerweise in Kursivschrift gesetzt sind – ebenso übrigens wie die Gedanken der Figuren. Das ist wirklich penetrant. Offenbar soll hier jedem 15-Jährigen klar werden, was gerade Sache ist. Auch die zahlreichen erotischen Szenen sprechen pubertierende Boys and Girls an, und Besher schreckt dabei vor keinem Klischee zurück. Immerhin liest sich sein Garn äußerst flüssig, wenn man es mit der Logik nicht so genau nimmt.

|Taschenbuch: 344 Seiten
Originaltitel: MIR (1998)
Aus dem US-Englischen übertragen von Michael Nagula
ISBN-13: 978-3442250110|
[www.randomhouse.de/goldmann]http://www.randomhouse.de/goldmann

Interview mit Alexander Besher

Buchwurm.info führte ein Interview mit dem amerikanischen Autor Alexander Besher, von dem der Goldmann Verlag (jetzt ein Imprint von Random House) drei phantastische Romane veröffentlichte – die RIM-Trilogie.

_Hallo, Alex, wo bist du und was machst du gerade?_

_Alexander Besher:_ Ich sitze gerade an meinem Schreibtisch in meinem Haus im Herzen des Mission Districts von San Francicso, nur einen halben Block östlich von Central America (dort wohnen nur Latinos), einen halben Block westlich von Wi-Filandia (WiFi: WLAN). Dort gibt es angesagte Restaurants, Boutiquen, Buchläden, Bars, WLAN-Cafés, junge Websurfers, deren Ohren an den iPods und deren Augen an den Handybildschirmen kleben … Ich lebe in einer ruhigen Gasse, sitze am meinem Schreibtisch, vor mir einen blühenden Pflaumenbaum mit einem Fries aus pinkfarbenen Blütenblättern.

_In Deutschland wurden drei deiner Romane veröffentlicht, die RIM-Trilogie._

_Besher:_ Der Goldmann Verlag veröffentlichte meine Rim-Trilogie: „Rim“, „Mir“ und „Chi“. Nur dass sie den Titel von „Rim“ in „Satori City 2.0“ änderten. Wenn ich mich nicht täusche, veröffentlichte der Verlag jeden Titel individuell, ohne die Tatsache zu erwähnen, dass sie zu einer Trilogie gehören. Mir gefällt jedoch der Titel „Satori City 2.0“. (Die anderen Titel lauten „Virtual Tattoo“ und „Cyber Blues“ – die Red.)

_Bitte erzähle deinen deutschen Lesern von dir und wie du ein Schriftsteller wurdest._

_Besher:_ Ich begann mit dem Schreiben, bevor ich schreiben konnte. Wir mir meine Eltern sagten, war ich ein „Großer Diktator“.

_Warum und wozu schreibst du Geschichten? Oder betrachtest du dich mehr als Multimedia-Künstler? Auf deiner Homepage zeigst du ungewöhnliche Videos …_

_Besher:_ Die Geschichten schreiben vielmehr mich. Zunehmend. Ich habe den Keim einer Geschichte, doch der Zauber wirkt erst, sobald ich zur Seite trete. In den letzten Jahren habe ich jedoch einen Abstecher ins Schreiben von Filmdrehbucher gemacht bevor ich bin mit meiner Kabbala-Trilogie zur Prosa zurückgekehrt bin.

Deren erster Titel „The Clinging“ wurde ursprünglich als Drehbuch verfasst. Der Kurzroman folgte kurz danach, so dass ich den Spannungsbogen der Story schon ziemlich gut festgelegt hatte (obwohl es nahezu die üblichen unzähligen Überarbeitungen gab). Jahre der Recherche flossen in die Trilogie ein. Das Drehbuch erforderte zwei Jahre, der Roman aber nur zwei Wochen.

Die Fortsetzung „The Night of the Golem“ ist ein ganz anderes Tierchen. Ich schrieb die 450 Seiten in nur zwei Monaten, mehr im Geiste von „Rim“. Dann lasse ich das Ergebnis wie einen hoffentlich guten Wein erst einmal „atmen“, bevor ich den Text überarbeite und kürze. Der Roman war am schwierigsten zu schreiben, denn es handelt sich um einen Schauplatz im Berlin der Nazijahre. Unmengen an Recherche.

Die Trilogie fällt ins Genre des Supernatural Horror, mit viel Suspense und Exorzismus – eine Art spirituelles Abenteuer, das so tiefgründig und düster wird wie mein jüngster Roman „The Manga Man“.

Dieser Roman erschien nicht in Buchform, sondern auf der Plattform eines intelligenten T-Shirts. Der Betrachter macht mit seinem Handy einen Schnappschuss vom QR-Code auf dem T-Shirt. Dieser Code wurde vom italienischen Comickünstler Daniele Serra (nominiert für den British Fantasy Award 2009 und 2010, siehe [www.multigrade.it]http://www.multigrade.it .

Nach diesem Schnappschuss werden sie ins Universum von Managa Man expediert, das folgendes anbietet: einen fürs Handy-Display formatierten Roman, einen unabhängigen Kurzfilm, den Original Soundtrack, einen Graphic Novel Trailer (weil Daniele an einer Comicbook-Version von „Manga Man“ arbeitet) und STUNDEN von Videos, die japanische Avantgarde-Butoh-Tanzaufführungen zeigen.

Der Grund für diese Videos ist der, dass der Protagonist von „Manga Man“ ein japanischer Butoh-Tänzer-Assassine der Zukunft ist. Seien Mission besteht darin, die „Kriegsherren aufzuhalten, die das Universum klonen wollen“. Es handelt sich um den ersten Transmedia-Roman der Nach-Gutenberg-Ära – alles auf einem T-Shirt.

_Wie bist du auf diese Idee gekommen?_

_Besher:_ Ich kam auf die Idee, ein paar der Vorstellungen aus meinem zweiten RIM-Roman „Mir“ (dt. Titel: „Virtual Tattoo“) aus dem Jahr 1998 in die Tat umzusetzen. Darin kommen „intelligente Tattoos“ vor, die von einem Menschenkörper zum nächsten wandern können. Das erfolgt während techno-heidnischen Ritualen, und sie wandern sowohl off- als auch online. Natürlich birgt eines der tattoos einen teuflischen Computer-Virus in sich …

Inzwischen hat die technische Entwicklung zu diesem Traum Anschluss gefunden, und zwar mit den QR-Codes. Deshalb entwarf ich das Naheliegende, nämlich intelligente Tattoos, die man auf dem Körper tragen kann, die aber die Schnittstelle zwischen dem Selbst und der Welt ringsum überschreiten.

Aus meiner Sicht ist dies die Richtung, in die sich der Mensch entwickelt. Die Verständigungstechnik evolviert vom Gebrauch der Werkzeuge zu einer neuen Spezies, die ich „omni sapiens“ getauft habe. Sie wird in der Lage sein, auf mehrdimensionaler Ebene zu kommunizieren. Hey, willst du mit den belebten und unbelebten Wesen auf den Planeten von Arktur oder in einem Paralleluniversum twittern? Na los, erzähl ihnen, was du zum Frühstück gehabt hast.

In der Zukunft werden wir keine Technologie mehr brauchen. Klar, bis dahin sind erst noch ein paar Zwischenschritte zu bewältigen. Ich denke, dass wir uns der Vollendung des Kreises nähern, der in den Tagen vor der Zivilisation mit dem Zwei-Kammern-Bewusstsein begann, als wir uns alle noch mit archetypischen Vorstellungen verständigten, bevor wir dann in linearer Sprache steckenblieben. Doch endlich, endlich sehen wir am fernen Horizont ein neues Portal aus Kommunikation und Sprache, mit dessen Hilfe wir innere „synästhetische“ Kanäle entdecken und so schließlich mit dem gesamten Universum in transmedialen Formen kommunizieren können – Formen, die wir uns gegenwärtig noch nicht vorstellen können.

_Was hat es mit diesen Portalen auf sich?_

_Besher:_ Im dritten Roman „Chi“ (1999) meiner RIM-Trilogie beschreibe ich die Entdeckung eines Portals, das zum organischen Cyberspace der Natur führt (mit Servern in Gestalt von Bäumen, die im Dschungel von Borneo wachsen). Vor ein paar Jahren gab es eine wissenschaftliche Entdeckung, die besagt, dass die Natur tatsächlich eine Art Internet besitzt. Der Beweis in der Fallstudie: Schwarzulmen, die in Gefahr sind, von Raupen angegriffen zu werden, senden „chemische E-Mails aus, um Insekten zu einem kostenlosen Abendessen einzuladen, nämlich Raupen. Und diese Insekten nahmen die Einladung prompt an und vertilgten die Raupen.

_Worum geht es in „Manga Man 2.0“?_

_Besher:_ Siehe dazu [die Pressemitteilung]http://delivr.com/1489m zu „Manga Man 2.0“, die im Februar 2011 herausgegeben wurde. (Daher auch „2.0;“ weil der ursprüngliche „Manga Man“-Roman zuerst anno 2008 erschien, wie üblich vorzeitig, denn die USA hinken in puncto Mobilfunktechnik hinter Afrika her und mühen sich aufzuholen.)

Die „Manga Man“ Site ist: [www.mangaman.mobi]http://www.mangaman.mobi.
Andere Verweise: [trendmobi.de]http://trendmobi.de/index.php/2009/02/alexander-besher-–-the-manga-man-die-rezension-zum-handy-roman/
und [conversations.nokia.com]http://conversations.nokia.com/2008/11/04/manga-man-creator-talks-mobile-t-shirt-publishing-sentient-tattoos-and-the-physical-social-networks/
und [ebay]http://cgi.ebay.com/Worlds-First-Multimedia-SF-Novel-on-a-QR-Code-T-shirt__W0QQitemZ270509369715QQcmdZViewItemQQptZLH__DefaultDomain__0?hash=item3efb9d6973#ht__1716wt__1046

_Bist du ein Multimedia-Künstler?_

_Besher:_ „Multimedia“ ist ein geradezu archaischer Ausdruck (ebenso wie „Transmedia“, der wenigstens den allgemeinen Sinn vermittelt). Ich glaube, wir werden die „Demokratisierung der Synästhesie“ auf Gebieten wie Kunst, Kultur und Technologie erleben. Als Zwischenstufe, denke ich, entwickelt künstliche Intelligenz synästhetische Fähigkeiten, bevor wir die organische und gesteuerte Fähigkeit erlangen, Geschichten, Bilder, „Film“ und andere Medienformen durch „morphische Synästhesie“ zu kommunizieren.

Der Romanautor Vladimir Nabokov („Lolita“) war bekanntermaßen ein synästhetischer Schriftsteller. Und dann gibt es noch den Fall des Malers Kandinsky. Wie malte er sein Thema? Er legte eine Phonograph-Musikaufnahme auf und malte einfach die Farben und Formen, die er als Emanationen der Musik wahrnahm.

Gegenwärtig wird Synästhesie entweder als neurologische Störung oder als Einzelfall betrachtet. In der Zukunft wird Synästhesie jedoch die Grundlage einer universellen Sprache bilden, die von der Mehrzahl der Menschen verstanden (und zwecks Ausdruck genutzt) werden kann. Stellen Sie sich das als eine Art „Esperanto der neuen Medien“ vor. Bis jetzt ist Synästhesie eine zufällige und unvorhersagbare Erfahrung. Doch eines tages wird sie programmierbar sein und von allen genutzt werden können.

_Wie bist du auf diese Idee gekommen?_

_Besher:_ Als ich seinerzeit (vor 1999) an „Chi“ schrieb, lebte ich auf der thailändischen Insel Koh Samui. Mein Bungalow, der nur Minuten vom Strand entfernt lag, stand direkt neben einem absichtlich unberührten Stück Urwald, in dem einst ein alter Stamm geliebt hatte. In manchen Nächsten wiegte mich ein ätherisches Konzert von Trommeln, Gesang und seltsamer elektronischer Musik in den Schlaf! Mensch, wenn ich bloß diese Musik aufgenommen hätte, während ich schon längst an den Tantiemen reich geworden. Diese Musik hätte Musikgruppen wie „Enigma“ arbeitslos gemacht. Leider war dies das letzte Mal, dass ich dieses Konzerterlebnis in der ersten Reihe erfahren durfte.

_Wenn du kreativ bist, willst du dann deine eigene Welt-Anschauung ausdrücken?_

_Besher:_ Wahrscheinlich schon. Aber ich folge einem inneren Drang, das ist keine kalkulierte Wahl. Um jene Zone des Wohlfühlens des Selbstausdrucks zu erreichen, muss ich mein Selbst erst einmal beiseitestellen und einfach in diese Zone eintreten, die die Quelle meiner Kreativität ist. Dann schau ich einfach, was passiert und von dort kommt. Aus diesem Grund lerne ich so viel von der Quelle meines Werks, wie ich hoffentlich meinen Lesern mitteilen kann. Diese reinterpretieren den text dann mit ihrem eigenen Bewusstsein. Kreativität kennt weder Ideologien noch Landkarten. Wir sind schon da und müssen uns nur noch zurechtfinden.

Ich erinnere mich daran, dass ich mich mit meinem ersten Roman „Rim“ echt abrackerte. Ich schleppte einfach zuviel Ballast mit mir herum. Das Ergebnis war deshalb missraten, so dass ich frustriert war.

Zu der Zeit schrieb ich in Südfrankreich an der Cote d’Azur. Ich war derart verzweifelt, dass ich einem Reiseführerhinweis folgte und exakt jenem Pfad bei Nizza folgte, auf dem Friedrich Nietzsche die Epiphanie empfing, die dazu führte, dass er „Also sprach Zarathustra“ schrieb. Allerdings folgte ich einer einfacheren Route, als ich auf eine solche Erleuchtung hoffte, Ich bereue es nicht, doch alles, was ich fand, waren leere Coladosen, und ich begegnete niemandem auf dem Pfad. Das hätte mir einiges sagen sollen. Erst drei völlig veränderte Fassungen später stellte ich „Rim“ fertig, nachdem ich es 1994 an HarperCollins verkauft hatte. Kaum war der Vertrag unterzeichnet, als ich den kompletten Roman in nur drei Wochen schrieb. Die Bruchstücke, die ich gesucht hatte, fielen alle an den richtigen Platz. Und wenn Sie mich nach meiner Weltanschauung fragen, antworte ich nur kurz: „Have a nice day.“

_Hilft dir das Internet mit seinen Nebenzweigen, dass du dich auf bestimmte Weise besser ausdrücken kannst? Falls ja, auf welche Weise? Wie sieht deine Homepage [www.alexanderbesher.tv]http://www.alexanderbesher.tv aus?_

_Besher:_ Was Technologie anbelangt, bin ich ein moderner Primitiver. Das Internet benutze ich für die Recherche, E-Mail und erst seit Kurzem nutze ich auch ein wenig Twitter und Facebook. In dieser Anfängerphase kapiere ich einfach nicht, wie Twitter zu solchen Revolutionen wie in Ägypten beitragen konnte. Manchmal scheint es so, als könnte ich meine „Message“ schneller rüberbringen, indem ich sie mit einem Ochsenkarren ausliefere. Wenigstens wäre ich dann nicht so überladen mit all diesem Datenmüll. Der Turm von Ge-Babbel ist heutzutage dieses Smartphone in deiner Hand.

_Bitte nenne deine jüngsten Produktionen._

_Besher:_ Ich habe einige Sachen am Laufen. Eine davon ist meine „Manga-Man“-Trilogie „Dance of Darkness“. Ich habe die Fortsetzung von „Manga Man“ mit dem Titel the Black Tao“ fertiggestellt. Ich freue mich sehr über meine neue „Kabbalah noir“-Trilogie. Sie ist in einem anderen Stil geschrieben: einfach, fast schon auf Trashniveau (zumindest der erste Titel „The Clinging“). Aber ich will verdammt sein, ich hab doch tatsächlich ein Cover-Zitat von keinem geringeren als William Blatty bekommen, dem Autor von „Der Exorzist“ und Drehbuchautor des gleichnamigen Films.

Bislang verfolgte er eine strenge Politik, niemals anderen Autoren solche Cover-Zitate zu liefern. Daran hat er sich über 40 Jahre lang gehalten. Und jetzt dieses Lob!

Während ich „The Clinging“ (ursprünglich „Dybbuk“ betitelt) schrieb, wurde ich unter anderem von den übernatürlichen, aber humanistischen Themen der chassidischen Geschichten (insbesondere von Martin Bubers Buch „Erzählungen der Chassidim“) beeinflusst. So sprachen mich an, weil ich in Japan aufwuchs und lebte, so dass mich die Ähnlichkeit zwischen der psycho-spirituellen Tradition des Zen (-Buddhismus) und der existentiellen Euphorie der frühen Chassidim à la „Sorbas der Grieche“ beeindruckte. Man könnte meinen Ansatz von „Kabbalah noir“ also „Sorbas trifft den Buddha“ taufen.

In „Manga Man“, das im Jahr 2062 spielt, habe ich mich der sogenannten Absurdität der menschlichen Natur genähert. Aber darin erforschte ich die göttliche Dunkelheit. Zen ist oder war in Ordnung, als wir noch in einer weitaus einfacheren Welt lebten. Doch die andere Seite der Medaille namens „Aufklärung“ ist ein dunkler Stand der Gnade namens „Verdunklung“. In meinen Augen wird dies vollkommen durch die Philosophie des „Butoh“ widergespiegelt, jener japanischen Form des Tanzes, die von dem großartigen Tänzer Hijikata in den Nachwehen des Atombombenabwurfs auf Hiroshima kreiert wurde. Butoh ist post Zen.

Wir können nicht wie der Vogel Strauß unseren Kopf in den Sand stecken und uns weigern, all den Schrecken unserer Zeit einen Sinn abzugewinnen. Hast du den Witz über die Sträuße gehört, die in einem Haus lebten und sich entschlossen, nach draußen zu laufen? Sie taten es, und als der letzte Straß rauskam, hatten alle anderen ihre Köpfe in den Sand gesteckt. Er fragte sich verwundert: „Wo sind denn alle hin?“ Wenn man daran denkt, wieviele Satelliten und Kameras jeden auf dem Planeten beobachten, könnte man sagen, dass alles, was sie aufnehmen, „Blindheit“ ist. Aber wer beobachtet „Big Brother“?
Hier ist eine meiner Lieblingsstellen aus „Managa Man“:

>>Der alte Nijima schloss seine Butoh-Tanzübungsstunde für diesen Morgen ab, indem er Johnny und Rizzako einen Vortrag im Hof des tempels hielt. „In der alten Zeit“, erzählte er ihnen, „gab es eine berühmte Redensart: Jeder kann für wenigstens fünfzehn Sekunden in seinem Leben anonym werden.“<< In meinem "Manga Man Manifesto" (einem der vielen merkmale dieses transmedialen Werks) stelle ich fest: >> In einem Zeitalter der Google-Landkarten und Satelliten verfügt selbst der einsame Betrunkene, der auf der Straße tanzt, über ein Milliardenpublikum. Manchmal scheint es, als gäbe es nichts mehr zu verbergen außer der Unsichtbarkeit. Vielleicht wird unser neues Paradigma lauten: „Wir sind unsichtbar, daher kann man uns sehen.“ Käufer und Voyeur sollten gleichermaßen auf der Hut sein! Dies wird übersetzt als: „Wie wissen, wo du dich versteckst, denn wir haben den Code dafür geschrieben.“ Es wird nicht darum gehen, dass das Unsichtbare zum Zwecke der Offenbarung sichtbar wird, sondern dass es ein todsicheres Rezept für Blindheit ist. Nur ein weiteres Symptom der pathologischen „Mad-Now“-Krankheit, die unsere total vernetzte Welt in ihrem Griff hält.<< Ich sollte natürlich erwähnen, dass mein Protagonist in "Manga Man" selbst halb digital, halb physisch existiert. Ansonsten beschäftige ich mich gerade mit zwei Projekten - erstens mit meiner "Kabbalah noir"-Trilogie, wobei ich gerade die Fortsetzung zu "The Clinging" mit dem Titel "Night of the Golem" überarbeite. Dieser Roman spielt im Berlin des Nationalsozialismus, also in den Dreißigern und frühen Vierzigern des vorigen Jahrhunderts. Es gibt Interesse, dieses Buch zu verfilmen. (Wahrscheinlich wird auch die RIM-Trilogie für die aktuelle Lesergeneration neu aufgelegt. Sie haben einen besseren Bezug zum Inhalt. Als ich RIM erstmals veröffentlichte, war das noch vor dem Boom des Internets.) Mein zweites aktuelles Projekt ist ein transmediales Start-up namens cloudzero. Es hatte sein geheimes Debüt auf dem Sundance Film Festival 2010, wo ich das Konzept eines Filmfestivals in der Hosentasche" vorstellte. Vergleiche dazu: [www.wired.com]http://www.wired.com/underwire/2010/01/showwx-sundance Ich darf nicht mehr über unsere Pläne verraten, weil wir gerade Investorenkapital aufzutreiben versuchen. Dieses kommt garantiert nicht von den üblichen VC-Quellen im Silicon Valley. Alles, woran die nämlich interessiert sind, ist die Entwicklung neuer Apps oder Gadgets oder Social Media Sites. Keinerlei Vorstellungskraft. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir bald starten können, und dann kriegen wir Kaufangebote von den üblichen Verdächtigen wie Google etc. (Ich kanns immer noch nicht fassen, dass AOL die "The Huffington Post" für schlappe 145 Mio. $ gekauft hat. Das ist ein stattlicher Preis für einen weiteren Nagel zu AOLs Sarg.) Sogenannte Analysten und Marktbeobachter glauben, dass die durchschnittliche Lebensdauer eines reichen Unternehmens wie Google rund 20 Jahre beträgt. Heutzutage sind 20 Jahre doch schon in 20 Minuten rum. Deshalb ist Google ebenso besorgt wie Nokia. _Was sind deine bevorzugten Hobbys, wenn du nicht schreibst?_ _Besher:_ Nach Liebe, Frieden und Verständnis suchen - stets an den falschen Orten. _Engagierst du dich für soziale oder wohltätige Projekte?_ _Besher:_ Die Welt befindet sich in solch desolatem Zustand, dass es schwierig ist, die wirkungsvollste Wohltätigkeitsorganisation zu finden, die nicht 80% all ihrer Spenden für ihre "Verwaltungskosten" ausgibt. Persönlich favorisiere ich Medecins San Frontieres und den Cambodia Children’s Fund. Aber das ist nur ein Tropfen auf den globalen heißen Stein. Wir müssen alle die globale Klimaerwärmung in den Griff bekommen. Ich habe kürzlich eine öko-apokalyptische Erzählung geschrieben, die in Sri Lanka auf einer "para-klimatologischen Konferenz" spielt. Die Story ist in der Februar-2011-Ausgabe des [www.thehorrorzine.com]http://www.thehorrorzine.com "Horror-Zines" erschienen. Siehe [www.thehorrorzine.com/Fiction/February2011]http://www.thehorrorzine.com/Fiction/February2011/AlexanderBesher/AlexanderBesher.html _Wer sind deine bevorzugten Schriftsteller (nicht unbedingt aus der SF) und Lieblingsbücher?_ _Besher:_ Ganz ehrlich - ich lese nicht viel SF, wenn überhaupt. Es gibt einfach zu viele Klone von "Star Wars". Das Gleiche gilt für Fantasy: Zu viele Klone vom "Herrn der Ringe". Davon mal ganz abgesehen: Die Zukunft ändert sich dermaßen schnell, dass sie bereits Schnee von gestern ist. Schau dir an, was mit William Gibson passiert ist (ich hab "Neuromancer" von 1983 gelesen, und es hat mich praktisch umgehauen) - der schreibt heute über die Gegenwart. Und Neal Stephenson schreibt historische Romane ("Quicksilver-Zyklus", d. Red.). Der sogenannte "magische Realismus hat sich in etwas verwandelt, was ich "weltlichen Fabulismus" nennen würde. Vielmehr lese ich Sachbücher, die etwas mit meiner Buchrecherche zu tun haben. Das Gleiche gilt für Belletristik. Kürzlich hab ich Alfred Döblins Meisterwerk "Berlin Alexanderplatz" gelesen, sowie eine Menge von Isaac Babels Kurzgeschichten, besonders seine Erzählungen aus Odessa. Ansonsten lausche ich dem Radiosender BBC World Service und sehe mir auf meinem Laptop ausgewählte DVDs an. Außerdem schaue ich mir eine Menge Träume an, die zum Glück alle in epischer Länge vorliegen und in der Zukunft spielen. Habe ich schon erwähnt, dass "Manga Man" in einer Welt spielt, in der alle kollektiven Träume privatisiert worden sind? Und dass es eine neuartige Unterhaltungsindustrie gibt, die aus professionellen Traumerzählern besteht, deren Träume (Action, Seifenoper usw.) von einem Publikum aus Schläfern abonniert werden? Faszinierende Traumgeschichten, die man herunterladen kann. Jedenfalls nimmt man das an. _Was muss ein Autor wie du tun, um ein breiteres Publikum zu erreichen, etwa in Deutschland?_ _Besher:_ Keine Ahnung. Ich hab vor Kurzem einen Vertrag mit einem Hollywood-Manager namens Barry Krost unterschrieben. Der stellte den Kontakt zu dem Literaturagenten Steve Troha von Folio Literary Management in New York City her. Ich lehne mich zufrieden zurück und schaue zu, was sie mit all meinem Kram anfangen können. Ich mag Barry, weil er ein charmanter Brite ist und Cat "Yusuf" Stevens ebenso vertritt wie Jackie und Joan Collins. _Lass uns einen Blick in die nahe Zukunft werfen. Was ist das nächste Projekt, das du im Sinn hast? Werden deine Bücher verfilmt werden?_ _Besher:_ Siehe oben. Ja zu Verfilmungen, mehrsprachigen Lunch-Boxen, Spielewelten und Windeln mit Doktortiteln. Als ich die erste Filmoption für "RIM" anno 1995 an Robin Williams (den falschen Typ) verkaufte, wurde der Film n ie gemacht, denn das Budget für die Spezialeffekte hätte alleine schon 100 Mio. Dollar ausgemacht. Heutzutage könnte man sie hingegen ebenso effektiv auf einem Desktop-PC erstellen. Meine andere Hauptbeschäftigung ist das Transmedia-Startup cloudzone. _Würdest du gerne in Europa bekannter sein?_ _Besher:_ Popularität war noch nie meine persönliche Top-Priorität. Sie ist einfach zu abhängig vom täglichen Modegeschmack und den Vorlieben sogenannter Strippenzieher. Scheiß drauf! Die Leute klüger oder sollten klüger sein, als sich vom Löffel der Medien zwangsernähren zu lassen. Sie sollten mehr an ihren eigenen Geschmack glauben. Denn sonst werden sie von dem verschlungen werden, was man ihnen verabreicht. Ganz nebenbei: Ich LIEBE Berlin. Es gehört zu meinen Lieblingsstädten auf der Welt. _Alexander Besher bei |Buchwurm.info|:_ ["Satori City 2.0" (Rim-Trilogie 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7076 ["Virtual Tattoo" (Rim-Trilogie 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7075

Sternmut, Norbert / Funke, Volker – 88 Rätsel zur Unendlichkeit

_Semantische Forschungsreise in Text und Bild_

Ein Grafiker und ein Schriftsteller haben sich zusammengetan, um ein sogenanntes „Gesamtkunstwerk“ zu schaffen. Nun, im Zeitalter von Multimedia sehen „Gesamtkunstwerke“ wohl anders aus als eine gedruckte Kombination von Grafik und Text, die weder bewegt noch mit Ton unterlegt ist. Umso reizvoller ist es zu sehen, welche Wirkung aus dieser Beschränkung heraus erreicht werden kann.

_Über die Künstler_

Beide Künstler werden am Schluss des Buches ausführlich vorgestellt.

Norbert Sternmut
Norbert Sternmut

Norbert Sternmut (= Norbert Schmid), geboren 1958, lebt in Ludwigsburg und arbeitet als Sozialpädagoge. Der Theaterautor, Rezensent, Maler, Lyriker und Romanschreiber erhielt Stipendien vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Gerlingen. Er veröffentlichte zwanzig Einzeltitel seit 1980 und ist in über 50 Anthologien vertreten. Als Maler trat er mit 75 Ausstellungen an die Öffentlichkeit. Der gelernte Werkzeugmacher wurde nach einem Studium zwischen 1982 und 87 Sozialpädagoge und ist seit 1993 in der Bildungsarbeit im Bildungszentrum Stuttgart tätig. Mehr Infos gibt’s auf seiner Website www.sternmut.de.

Seit 1980 hat Sternmut eine ganze Reihe von Lyrikbänden veröffentlicht, darunter die von mir vorgestellten Bücher „Photofinish“, „Triebwerk“ und „Absolut, du“. In dem Band „88 Rätsel zur Unendlichkeit“ arbeitete er mit dem Grafiker Volker Funke zusammen: Die Rebus-artigen Rätselgrafiken harmonierten mit den frei assoziierenden Gedichttexten Sternmuts. Eine Webseite ergänzte das multimediale Werk auf der Zeit angemessene Weise.

Auf der Prosaseite ist seine Romantrilogie hervorzuheben, zu der „Der Tote im Park“ (1999), „Marlies“ (2003) und sein Roman mit dem Titel „Norm@n“ gehören. Eine Reihe von z.T. phantastischen Erzählungen erschienen in dem Band „Das Zeitmesser“ (Rainar Nitzsche Verlag, Kaiserslautern, 1997).

Volker Funke, gen. Funné, geboren 1964 in Heilbronn. 1987-93 Studium an verschiedenen Kunstakademien und Freien Kunstschulen Kunst und Freie Grafik, 1993-97 Studium an der Universität Stuttgart Kunstgeschichte und Philosophie. Seit 1993 freischaffend als Bildender Künstler und Dozent tätig. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland. Lebt und arbeitet in Heilbronn.

_Der Prolog_

Wie Funke in seinem PROLOG erzählt, entstanden die 88 Collagen am Computer, und zwar während des Halbjahres vom Juni bis Dezember 2000. Es waren seine ersten Arbeiten am Rechner, doch schon bald hatte er den Bogen raus.

Er wollte Rätsel darstellen, aber nicht irgendwelche, sondern solche zur Unendlichkeit. Das seit dem 17, Jahrhundert übliche Symbol dafür ist eine liegende 8, auch als Lemniskate bezeichnet. Diese Schleife ist unendlich und liefert zahlreiche Möglichkeiten, sie zu spiegeln und zu verdoppeln. Daher kam Funke schließlich auch auf die Anzahl 88 … Norbert Sternmuts Gedichte kamen dann im Jahr 2004 hinzu.

Für Esoteriker sei erwähnt, dass die Lemniskate auf der TAROT-Karte des Magus zu finden ist. Der Magus wird auch als Schwindler bezeichnet. Doch wie den Weisen vom Betrüger unterscheiden? Möglicherweise beschäftigen sich deshalb viele der Rätsel mit unendlichen Dingen wie etwa der Zeit und Leuten, die damit zu tun, wie etwa der Erfinder. „Der Erfinder“ ist der Titel des ersten Rätsels, „Die Zeit“ der des letzten.

Dem Prolog ist ein Textzitat angehängt, das angeblich aus einem Buch namens „Der große Magier, 11. Buch, De Tempore“ [Über die Zeit] stammt. Ich kenne dieses Buch nicht, lasse mich aber gerne aufklären.

_Inhalte_

Im Anfang war die Grafik. So eine Grafik scheint auf den ersten Blick rein assoziativ zusammengestellt worden zu sein, um dem gestellten Thema gerecht zu werden. Vielfach sieht man grafische Motive mit Figuren aus dem 19. Jahrhundert oder der Jahrhundertwende von 1900. Es ist manchmal, als läse man den „Struwwelpeter“ oder eine technische Illustration aus jener Zeit.

Diesen Eindruck hebt die Verarbeitung auf: Verfremdende Farben, die recht kräftig wiedergegeben sind, entrücken das Motiv dem Reich des Realismus. Hinzu kommen zwei Konstanten, die in jedem Bild auftauchen: das Buchstabenpaar „UE“ – für Unendlichkeit – und das Zeichen für „acht“ beziehungsweise „endlos“ oder „unendlich“. Am ehesten entsprechen die Motiv-Kombinationen noch dem Rebus-Rätsel.

Mal sehen, was sich der Dichter dabei gedacht hat. Denn die Gedichte dienen nicht allein der Beschreibung der Grafiken, sondern entwickeln vielmehr ein lyrisches Eigenleben, ohne jedoch die Verbindung zur Grafik und deren Thema aufzugeben. Somit entsteht ein Spannungsfeld von thematischen Assoziationen – zwischen Bild und Sprache, zwischen grafischer Aussage (oder Rätsel) und einer möglichen Interpretation durch einen lyrischen Text.

_Die Themen und ihre Verarbeitung_

Was soll denn nun an diesen Bildern und Texten so rätselhaft sein? Und müssen es gleich so viele sein – 88 Stück? (Siehe dazu oben den PROLOG.) Viele Titel verraten schon, um was es in den Texten gehen soll: um geheimnisumwobene Gestalten der Märchen, Mythen und Sagen: Ikarus, der Seher, der Prophet, die Nixe, das alte Weib (eine Hexe?) und den Fliegenpilz, die Nymphe und so weiter. Die entsprechenden semantischen Resonanzräume, die der Begriff öffnet, erkundet der lyrische Text auf seine jeweils eigene Weise.

Die nachzulesenden Ergebnisse sind manchmal originell und vor Ideen sprühend, manchmal abgedroschen und matt. Deutlich ist das Interesse des Dichters für seine Seelenverwandten zu spüren, allen voran Ikarus und „der Narr“. Diese Texte sind entweder voll Leidenschaft oder voll Wortwitz, rühren aber den Leser an. Andere Texte wie etwa „Fliegenparade“ sammeln lediglich – und laut Autor mit Absicht – enzyklopädische Wissenstrümmer, wieder andere, wie „Die Dämonen“, quälen den Leser mit Schreckensvision, wie sie Paul Celan nicht evokativer hätte formulieren können. Hier ist zu spüren, dass Celan („Die Todesfuge“) mit zu den dichterischen und sprachlichen Vorbildern Sternmuts gehört.

Der Dichter sehnt sich nach dem Ausbrechen aus den Vorgaben der Welt, die er in der Mehrzahl seiner Texte erkundet. Das Freudsche „Unbehagen an der Kultur“ wird überdeutlich an den Rückblicken auf Genesis und Propheten: Es gibt keinen Weg zurück zur Unschuld, und auch die Warnungen und Prophezeiungen änderten nichts am Lauf der Welt. Ausbrüche aus den Vorgaben sind Narren und Liebenden vorbehalten.

Die Narren dürfen ungestraft, weil maß-los und unzurechnungsfähig, kritisieren und mit ihrer Narrenkeule strafen („Sei doch ein Narr“). Den Liebenden ist die Tiefe des Eros geöffnet, der als „Jungbrunnen“ fungieren kann, sofern die Kommunikation („Lichtspruch“) klappt. Dabei schreckt das Begehren des Erotikers keineswegs vor Heiligenfiguren zurück, wie der Text „Madonna“ deutlich macht. Grenzüberschreitung ist das belebende Prinzip der Erotik und eine Voraussetzung für befreiende Liebe im Eros – Richtung Unendlichkeit, wie die Grafikzeichen verdeutlichen. Dass der Schelm Hand in Hand mit dem Erotiker geht, versteht sich von selbst. Die „Vorsehung“, der „Brillenmacher“ (Erkenntnisfähigkeit) – sie haben nach ihrem Scheitern ausgedient.

_Mein Eindruck_

Ist das nun ein „Bilder-Buch“ – oder ein Gedicht-Band? Von beidem etwas, also sowohl als auch. Denn beide Komponenten ergänzen und verstärken einander. Obwohl zuerst das Bild kam und der Lyriker sich davon inspirieren (mitunter ‚be-geistern‘) ließ, lädt doch der Text das Bild in umgekehrter Richtung wieder semantisch auf. Natürlich tauchen assoziativ eingesetzte Motive wie etwa ein Frosch oder Käfer in merkwürdig unmotiviertem Kontext in manchen Texten auf. Nicht immer gelingt es dem Lyriker, alle grafischen Elemente unter einen Generalthema-Hut zu bringen. Und nicht immer kommt dabei Lyrik heraus. Der Text über Hildegard von Bingen („Die Kräuterfrau“) ist eher Prosa, wie sie aus einer Enzyklopädie stammen könnte. Und nicht immer stimmen die Titel von Gedicht und Grafik überein, wie man leicht am vierspaltig gesetzten Inhaltsverzeichnis ablesen kann.

„88 Rätsel“ liefern einen Rundumblick über die Welt der Phänomene, doch es ist nur selten ein Blick in die Gegenwart darunter. Gerade, dass mal ein Handy oder ein VW „Käfer“ vorkommt, doch viele mythisch resonante Begriffe stammen aus den Jahrhunderten vor dem schrecklichen zwanzigsten. Nur die moderne Sprache und die skeptische Melancholie bewahren die Lyrik-Grafik-Verbindung vor dem Biedermeiertum. Das Lob des Eros und der Narrheit lassen die Perspektive, den Horizont des Erlebens aus den Schranken des 19. Jahrhunderts ausbrechen.

Ein hohes Ziel hatten sich die beiden Künstler gesetzt, formuliert in Pro- und Epilog-Texten. „Ernsthaft sein, aufwühlend, fragend, / Ergreifend, nicht langweilig, / Kalt oder mürbe“, so sollten die Bild-Text-Kombinationen wirken. Die allerwenigsten dieser Texte sind langweilig, kalt oder mürbe. Doch Zweifel kommen auf hinsichtlich der Fähigkeit einiger Texte, den Leser zu „ergreifen“ und gar „aufzuwühlen“. Vieles ist mir zu „ernsthaft“, wohl wahr, etliches auch Celanisch und zu melancholisch.

Mit ein wenig mehr Mühe und Sorgfalt, so mein Eindruck, wären einige Texte, die bislang noch zerfasern oder ganz in Prosa abgleiten, zu fokussierten Sinn- und Sprachgebilden geworden, deren Wirkung sich der Leser nicht entziehen könnte. Die Offenheit der Form, die lyrischer Text und Grafik anbieten, geboten jedoch möglicherweise das Thema und sein Gestaltungsprinzip: Unendlichkeit, Endlosschleifen, Kombinatorik.

_Unterm Strich_

„88 Rätsel“ ist eine interessante Erkundung der Möglichkeiten, die Grafik und Lyrik in Kombination bieten. Mag auch nicht alles gelungen erscheinen – schon gar nicht auf den ersten Blick -, so bieten sich dem interessierten Leser und Betrachter doch zahlreiche Facetten der semantischen Forschungsreisen, die hier unternommen wurden.

Ziel war es offenbar nicht, Klassiker der Darstellung und Formulierung zu schaffen. Bestimmend ist vielmehr der offene, aber unendliche Prozess- und Experiment-Charakter des Kunstwerks. Wünschenswert wäre eine multimediale Realisierung, in der auch Ton und Musik zu ihrem Recht gelangen. Vielleicht könnte sich einer der Hörbuchverlage für ein solches Projekt erwärmen.

_Warum das Buch so teuer sein muss_

38 Euro sind kein Pappenstiel, wird sich jetzt so mancher Leser dieses Berichts denken. Ob es sich lohnt? Der Grund für den hohen Preis ist das offensichtlich enorm hochwertige Papier, das dem 200-Seiten-Buch auch sein hohes Gewicht verleiht. Die Notwendigkeit, genau dieses und kein billigeres Papier zu verwenden, ergibt sich aus der Wiedergabe der Grafiken. Diese Wiedergabe muss farbecht sein und auch winzige Nuancen und Linien beachten.

Wie oft habe ich schon Druckerzeugnisse gesehen, in denen die Farben verschwammen oder „absoffen“, wie der Drucker sagt. Das lag am billigen Papier, das die Tinte anders als gewünscht aufnahm. So ein Ergebnis kann nicht im Sinne des Urhebers sein. Entweder ganz oder gar nicht, muss hier die Devise sein. Daher besitzt „88 Rätsel“ die Druckqualität eines Ausstellungskatalogs. Und dass diese meist weit über 40 Euro kosten, dürfte sich herumgesprochen haben.

Somit eignet sich das stabil gebundene und vorzüglich gedruckte Buch sowohl als wertvolle Bereicherung einer Kunstbibliothek wie auch als Weihnachtsgeschenk für feinsinnige, für Literatur und Grafik empfängliche Rätselrater.

|Hardcover: 201 Seiten
ISBN-13: 978-3937101354|
[www.wiesenburgverlag.de]http://www.wiesenburgverlag.de

_Norbert Sternmut bei |Buchwurm.info|:_
[„Triebwerk. Gedichte“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3752
[„Marlies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1935
[„Der Tote im Park“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3751
[„Photofinish“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7067
[„Absolut, Du“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7068

Norbert Sternmut – Absolut, Du. Liebesgedichte

Eine Feier des Lebens im Eros

Bereits ein Jahr nach „Photofinish“ (1997) veröffentlichte Norbert Sternmut einen weiteren Gedichtband in der Edition Thaleia. Es ist eine deutliche sprachliche Weiterentwicklung hin zu einem eigenständigen Vokabular festzustellen. Zugleich sind deutliche Anklänge an Celans Dichtung und den späten Trakl zu finden, die sich in düsteren Bildern und Todesmetaphern bemerkbar machen. Insgesamt aber bildet „Absolut, Du“ eine Feier des Lebens, herbeigeführt durch eine erotische Erfahrung und Übersteigerung des Leibes, besonders in der Liebesvereinigung.

Der Autor

Norbert Sternmut
Norbert Sternmut

Norbert Sternmut (= Norbert Schmid), geboren 1958, lebt in Ludwigsburg und arbeitet als Sozialpädagoge. Der Theaterautor, Rezensent, Maler, Lyriker und Romanschreiber erhielt Stipendien vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Gerlingen. Er veröffentlichte zwanzig Einzeltitel seit 1980 und ist in über 50 Anthologien vertreten. Als Maler trat er mit 75 Ausstellungen an die Öffentlichkeit. Der gelernte Werkzeugmacher wurde nach einem Studium zwischen 1982 und 87 Sozialpädagoge und ist seit 1993 in der Bildungsarbeit im Bildungszentrum Stuttgart tätig. Mehr Infos gibt’s auf seiner Website www.sternmut.de.

Seit 1980 hat Sternmut eine ganze Reihe von Lyrikbänden veröffentlicht, darunter die von mir vorgestellten Bücher „Photofinish“, „Triebwerk“ und „Absolut, du“. In dem Band „88 Rätsel zur Unendlichkeit“ arbeitete er mit dem Grafiker Volker Funke zusammen: Die Rebus-artigen Rätselgrafiken harmonierten mit den frei assoziierenden Gedichttexten Sternmuts. Eine Webseite ergänzte das multimediale Werk auf der Zeit angemessene Weise.

Auf der Prosaseite ist seine Romantrilogie hervorzuheben, zu der „Der Tote im Park“ (1999), „Marlies“ (2003) und sein Roman mit dem Titel „Norm@n“ gehören. Eine Reihe von z.T. phantastischen Erzählungen erschienen in dem Band „Das Zeitmesser“ (Rainar Nitzsche Verlag, Kaiserslautern, 1997).

_Mein Eindruck_

Die Wort- bzw. Bilderwahl und der Gedichtaufbau erinnern häufig an Paul Celan und den späten Georg Trakl. Als würde der Tod, den Celan und Trakl erfuhren und beschreiben, eine Art Geisterlicht auf alles Lebendige und Leibliche werfen, stellt Sternmut in seinen Bilder in auffallender Häufigkeit leibliche Elemente in den Mittelpunkt, vermag diese aber auch zu transzendieren. Der Körper ist ein Mittel, buchstäblich ein Instrument zum Zwecke der Selbstüberhöhung im Reich des Empfindens, des Geistes, der Seele und darüber hinaus.

Das Licht des Tages ist die Gegenwart, und sie wird als Sonnengeflecht, -muster, -gespinst und -teppich beschrieben. In diesem Gewebe findet sich der Körper wieder, gewärmt und fühlend. Im Zentrum des Körpers schlägt das Herz, das zugleich ein Instrument der Empfindung ist. Der „Blutsturz der Tage“ ist ein enger Zusammenhang zwischen diesen beiden Polen.

Dieser Blutsturz wiederum kann durch verschiedene Ereignisse ausgelöst oder wahrnehmbar gemacht werden. Dies kann beispielsweise ganz konkret auf dem Bett der jungfräulichen Braut geschehen. Die blutrote ROSE ist lediglich ein Angramm von EROS und somit Erotik – eine leicht morbide Verknüpfung, die der Fin-de-siècle-Lyrik des frühen Trakl besser ansteht als einem Jünger Celans.

Die „Herzmuschel“ findet sich im „Sommer der Begierde“ unter der erwähnten Sonne der „Sphärenmusik“ und dem „Planetentaumel“ ausgesetzt, so sehr, dass sich der Leib als Instrument der Begierde und der leiblichen Kommunion mit der Geliebten wahrnimmt. In „Instrumental“, einem längeren Stück, wird der Liebesakt Musik, der Leib zum „Klang-körper“ – und nicht nur wegen des Rhythmus‘. Ein Gedicht heißt nicht umsonst „Frühlingsgefühle“.

Gegenbilder des Negativen gibt es genügend: Die „Türme der Trauer“ stehen im „Seelenfeld“ und dem „steinweißen“ „Seelengranit“, gesehen durch „Maskengitter“. Auch lässt sich der Eros in seinen modernen Varianten auf einfache eise durch den Kakao ziehen: In „Fetisch“ führt Sternmut Permutationen mit den Begriffen Lack, Leder, Mutter, Jagd und Sankt Hubertus (Schutzpatron der Jäger) durch und gelangt auf diese Weise zu lustigen bis witzigen Ergebnissen. Permutationstechnik findet sich auch auf das Wort „Fall bzw. fallen“ angewandt, allerdings mit weit weniger reizvollen Resultaten. Die Technik ist zu durchsichtig, die Ergebnisse vorhersehbar, daher unter Wert erreicht.

Wie Celan mit der „Todesfuge“ kann auch Sternmut mit „Echo“ ein langes Werk vorweisen: Es erstreckt sich über rund 17 Seiten. Hier raunt es gar mächtig: Wörter wie „heilig“, „ewig“ und „geheim“ werden keineswegs persifliert oder ironisch gebraucht, sondern als hehre erstrebenswerte Ziele an die Wand der Imagination geworfen. Hier probt Sternmut den hohen Ton Hölderlins, reduziert auf die Vokabeln Celans. Aber wohl ist dem heutigen Leser dabei nicht zumute. Zu oft wurde diese Vokabel in braunen Zeiten missbraucht.

_Unterm Strich_

„Absolut, Du“ ist eine Durchgangsstation im Werke Sternmut, so wie es im Grunde jeder Gedichtband ist. Doch dem Leser bieten sich hier in unscheinbarer Aufmachung – beiger Einband mit schwarz-monochromer Illustration und dunkelblauer Schrift – einige kleine Juwelen von sinnlicher, zuweilen erotischer Dichtung. Diese Edelsteine findet man am Anfang des Bandes häufiger.

Dass Sternmut meines Wissens später einen solchen Ton wie in „Echo“ vermieden hat, ist ebenfalls positiv. Mehr der Gegenwart und ihrem zynischen Urteil zugewandt sind Gedichte wie „Fetisch“, in denen sich erotische „Abweichler“ in sonderbaren Gefilden wie der Jagd wiederfinden. Das zeugt vom Humor und dem kritischen Bewusstsein des Zeitgenossen Sternmut. Angesichts von pathetischen Elogen wie „Echo“ würde man sich mehr davon wünschen.

|Taschenbuch: 128 Seiten
ISBN-13: 978-3924944421|
[www.edition-thaleia.de]http://www.edition-thaleia.de
[ www.sternmut.de]http://www.sternmut.de

_Norbert Sternmut bei |Buchwurm.info|:_
[„Triebwerk. Gedichte“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3752
[„Marlies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1935
[„Der Tote im Park“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3751
[„Photofinish“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7067

Sternmut, Norbert – Photofinish. Gedichte

Das Gegenüber im Fixierbad

Der Titel ist Programm: „Photofinish“ gibt den Erfahrungsbereich, aus dem die Metaphern der meisten hier gesammelten Gedichte kommen, vor: Die Fotografie.

Telescop, Camera obscura, Fixierbad, Abbild, Momentaufnahme, Photogen, Aktphoto, Schwarzweiß – die Liste dieser der Fotografie entlehnten Überschriften ist schier unbegrenzt und macht deutlich, wie sehr das Medium der Fotografie unsere Wahrnehmung durchdrungen hat.

Doch die Reibungsfläche, an der sich unsere so geformte Wahrnehmung entzündet, ist keineswegs beliebig. Die Sterne bedeuten uns nichts, wenn sie fotografiert werden. Es muss ein Du geben, das dem Moment der Wahrnehmung (Aufnahme) Bedeutung verleiht. Es muss Du geben, das überhaupt ein lohnenswertes Motiv liefert. Und es gibt ein Du, das dem eigenen Leben ein Art Stativ verleihen kann. Das geliebte Du.

Doch Menschen-Fotografie bedeutet auch Unsicherheit durch Vermitteltheit: Das Medium stellt Abstand zum Original her, verwandelt Realität in Abbild, in Kunst. Diese wiederum ist beliebig reproduzierbar, und das Motiv wird ent-wertet, da beliebig manipulierbar, eine Ware. Doch Waren haben ihren zeitbegrenzten Wert: auf einer Titelseite, die Wünsche abdruckt und Illusionen – das Image als Opfer der Rotationsmaschinen. Nun wird der Original-Augenblick kost-bar.

Lied

Andere Gedichte greifen das Thema Lied auf: Abendlied, Weihnachtslied, Altes Lied. Erinnerungen an Rilke (wer jetzt kein Zuhause hat … in „Vorabend“) werden wach und variiert. Viele Gedichte versuchen die Ver-Ortung des Ich im Universum (Sterne, Galaxien), in der Region (Schwanensee), in der nächsten Umgebung (Reihengräber in „Dichter Nebel“). Doch wo kein Du zu finden ist, herrschen Bilder Einsamkeit, des Alleinseins vor: Nebel, Nacht, Verlus-Erscheinungen wie „wort-, bedeutungs-, spur-los“ usw.

Reime

„Reim dich, oder ich fress dich“? Nicht bei Norbert Sternmut. Seine Verse sind kurze, oftmals ge- und zerstückelte Satzfragmente. Der Leser muss selbst zusammenfügen, was sich ihm als Baukasten darbietet. Auffallend wenige Eigenprägungen sind zu finden: Rotationselend, Grundsatzidylle, Sonnenstrände.

Der Text „Unterwegs“ ist da eine positive Ausnahme:

Unterwegs //
Seelenzangen / ins Gelände gequält.//
Brunnenschutt, du sollst / vergessen sein.//
Augenfalle, geheim, / herzleise abgeblüht / im Schnee davon//
Erzählt ein Aschenrund.//

Kein Kreis von unten her, / der dich nimmt / ins Gestänge, aufspult / auf eine Rolle.//
Rastflucht, / Flächen weithin, Stimmen, / Fassaden, / Sprache unterwegs / ein Sehnsuchtsfalter.//
Von oben her kein Sonnenlaken, / das dich bedeckt / mit Sicherheit / abgesternt / der menschlichen Wunde, / unterwegs auf dem Weisheitsweg, / Holz.

(Alle Zeilenanfänge werden großgeschrieben.)

Mein Eindruck

Norbert Sternmuts Gedichtband „Photofinish“ schneidet ein wichtiges Thema an: Fotografie begegnet uns heute so allgegenwärtig, dass wir sie und ihren Einfluss für selbstverständlich zu halten geneigt sind. Die Macht der Gewohnheit, die normative Kraft des Faktischen. Das war vor 125 Jahren noch nicht so. Fotografie war etwas Teures und Kostbares, den wohlhabenden Ständen vorbehalten. Erst ab 1900 kamen die großen Zeitungen auf, mit neuen Reproduktionstechniken fanden Fotos große Verbreitung. Die Wahrnehmung veränderte sich, die Kunst musste folgen, und Walter Benjamin konnte seinen großen Essay „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit“ schreiben.

Heute ist die Fotografie personalisiert, persönlich geworden, und jederzeit verfügbar, ähnlich wie die genaue Uhrzeit. Dies hat Folgen für die Wahrnehmung und Bewahrung von Sinneseindrücken: Realität festzuhalten wird nicht mehr nur eine Sache des biologischen Erinnerungsvermögens und der individualisierten Weitergabe – sie ist normiert, standardisiert, reproduzierbar, verkommt zur Ware mit Verfallsdatum.

Sternmut untersucht in einigen seiner Texte, wie sich das Paradigma der Fotografie auf die Begegnung mit einem geliebten, emotional nahen Gegenüber auswirkt. Er kommt zum Schluss, dass der Mensch standhält, ja, dem Betrachter selbst einen Halt in der Realität vermittelt. Während das technisch erstellte Abbild nur zeitweiligen Wert besitzt, ist die Nähe zum Du unverzichtbar, weil konstitutiv für das Ich des Betrachters. Wäre das Gegenüber zugleich auch Gegenstand der Fotografie, handelte es sich um ein Modell. Und das wäre etwas ganz anderes.

Der Autor

Norbert Sternmut
Norbert Sternmut

Norbert Sternmut (= Norbert Schmid), geboren 1958, lebt in Ludwigsburg und arbeitet als Sozialpädagoge. Der Theaterautor, Rezensent, Maler, Lyriker und Romanschreiber erhielt Stipendien vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Gerlingen. Er veröffentlichte zwanzig Einzeltitel seit 1980 und ist in über 50 Anthologien vertreten. Als Maler trat er mit 75 Ausstellungen an die Öffentlichkeit. Der gelernte Werkzeugmacher wurde nach einem Studium zwischen 1982 und 87 Sozialpädagoge und ist seit 1993 in der Bildungsarbeit im Bildungszentrum Stuttgart tätig. Mehr Infos gibt’s auf seiner Website www.sternmut.de.

Seit 1980 hat Sternmut eine ganze Reihe von Lyrikbänden veröffentlicht, darunter die von mir vorgestellten Bücher „Photofinish“, „Triebwerk“ und „Absolut, du“. In dem Band „88 Rätsel zur Unendlichkeit“ arbeitete er mit dem Grafiker Volker Funke zusammen: Die Rebus-artigen Rätselgrafiken harmonierten mit den frei assoziierenden Gedichttexten Sternmuts. Eine Webseite ergänzte das multimediale Werk auf der Zeit angemessene Weise.

Auf der Prosaseite ist seine Romantrilogie hervorzuheben, zu der „Der Tote im Park“ (1999), „Marlies“ (2003) und sein Roman mit dem Titel „Norm@n“ gehören. Eine Reihe von z.T. phantastischen Erzählungen erschienen in dem Band „Das Zeitmesser“ (Rainar Nitzsche Verlag, Kaiserslautern, 1997).

Unterm Strich

Sternmut greift in „Photofinish“ ein wichtiges Thema der Ästhetik und Wahrnehmung auf, ortet Ich und Du in einem so definierten Paradigma. Seine Ergebnisse sind interessant. Lediglich die sprachliche Eigenständigkeit könnte größer sein. Eigene Prägungen wie in „Unterwegs“ sind zu selten. Und so fand denn auch dieser Lyrikband nur geringe Resonanz in der Presse und beim Publikum. Was durchaus schade ist.

|Taschenbuch: 121 Seiten
ISBN-13: 978-3924944360|
[www.edition-thaleia.de]http://www.edition-thaleia.de
[ www.sternmut.de]http://www.sternmut.de

_Norbert Sternmut bei |Buchwurm.info|:_
[„Triebwerk. Gedichte“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3752
[„Marlies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1935
[„Der Tote im Park“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3751

Mark Brandis: Pilgrim 2000. Teil 2 von 2 (Folge 14)

_|Mark Brandis| als Hörspiel:_
01 [„Bordbuch Delta VII“ 4995
02 [„Verrat auf der Venus“ 5013
03 [„Unternehmen Delphin“ 5524
04 [„Aufstand der Roboter“ 5986
05 [„Testakte Kolibri 1“ 5984
06 [„Testakte Kolibri 2“ 5985
07 [„Vorstoß zum Uranus 1“ 6245
08 [„Vorstoß zum Uranus 2“ 6246
09 [„Raumsonde Epsilon 1“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6467
10 [„Raumsonde Epsilon 2“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6468
11 „Die Vollstrecker 1“
12 „Die Vollstrecker 2“
13 „Pilgrim 2000 1“
14 _“Pilgrim 2000 2″_
15 „Aktenzeichen: Illegal“ (01.07.2011)
16 „Operation Sonnenfracht“ (01.07.2011)

_Countdown bis zur Flucht: Spannende Action auf der Arche_

Man schreibt das Jahr 2127. Commander Mark Brandis und seine Crew befinden sich auf der erdabgewandten Seite der Sonne. Nach Reparaturen an einer Raumstation ist die HERMES auf dem Rückweg, als die Kommunikation ausfällt. Der lange Aufenthalt in der Nähe des Zentralgestirns hat die Sehfähigkeit der sechs Raumfahrer beeinträchtigt. Erst in 17 Tagen sollen sie wieder Kontakt mit der Erde erhalten. Doch dann taucht ein seit Jahrzehnten verschollenes Generationenraumschiff vor ihnen auf, und Brandis ergreift die Chance herauszufinden, ob noch jemand an Bord lebt …

Teil 2: Er hat Bewohner an Bord gefunden. Der Rückweg zur Schleuse, an der die HERMES angedockt ist, ist allerdings versperrt – durch ein Heer hundegroßer Ratten. Da das Generationenraumschiff dem Untergang geweiht ist, bleibt Brandis nur wenig Zeit, einen zweiten Fluchtweg zu finden. Und die Ratten sind nicht die einzige Gefahr an Bord … (abgewandelte Verlagsinfos)

_Der Autor_

Nikolai von Michalewsky (1931-2000) war bereits Kaffeepflanzer, Industriepolizist, Taucher und Journalist gewesen, als sein erster Roman 1958 veröffentlicht wurde. Am bekanntesten wurde er ab 1970 mit den Mark-Brandis-Büchern, der bis heute (nach |Perry Rhodan|) mit 31 Bänden erfolgreichsten deutschsprachigen SF-Reihe.

Seine konsequente Vorgehensweise, Probleme der Gegenwart imm Kontext der Zukunft zu behandeln, trug Michalewskys Serie eine treue Leserschaft und hohe Auflagenzahlen ein. Seine besondere Zuneigung galt besonders dem Hörspiel. Er gehörte zu den meistbeschäftigten Kriminalhörspiel- und Schulfunkautoren Deutschlands. (Verlagsinfo)

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Macher und Regisseure sind Interplanar.de:
Joachim-C. Redeker: Sounddesign und Musik
Redeker und Balthasar von Weymarn: Produktion, Regie und Schnitt

Jochim-C. Redeker, geboren 1970, lebt seit 1992 in Hannover. Gelernt hat er das Produzieren in der SAE Frankfurt, seither arbeitet er als Tonmeister für Antenne Niedersachsen. An zwei Virtual Reality Projekten hat er als Sounddesigner gearbeitet. Er gibt Audio- und Hörspielseminare und arbeitet als Werbetexter und Werbesprecher für zahlreiche Unternehmen sowie für Kino- und Radiowerbung. Musikalisch betreut er neben seinen eigenen Projekten auch Jingle- und Imageproduktionen. Bereits 1988 brachte ihm eine frühe Hörspielarbeit mit Balthasar den Sonderpreis der Jury für akustische Qualität beim Maxell Momentaufnahmen Wettbewerb ein.

Balthasar von Weymarn, geboren 1968, lebt seit 2006 im Taunus bei Frankfurt. Ausgebildeter Dramaturg und Filmproduzent (Filmstudium Hamburg); arbeitet auch als Skriptdoktor, -autor und Ghostwriter für Unternehmen wie Bavaria Film, Odeon Pictures, Tandem Communications, Storyline Entertainment u. a.

Das Hörspielmanuskript schrieb Balthasar v. Weymarn nach dem gleichnamigen Roman von Nikolai von Michalewsky. Die Aufnahmeleitung lag in den Händen von Tommi Schneefuß und Sven-Michael Bluhm.

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

Prolog: Wolf Frass
Commander Mark Brandis: Michael Lott
Dr. Rebecca Levy: Claudia Urbschat-Mingues
Bordsystem CORA: Mira Christine Mühlenhof
Lt. Pablo Torrente: Martin Keßler
Lt. Iwan Stroganow: Martin Wehrmann
Lt. Grigori Romen: David Nathan
Lt. Konstantinos Simopoulos: Gernot Endemann
Judith: Katarina Tomaschewsky
Melchior: Klaus Sonnenschein

_Hintergrund und Vorgeschichte_

Die „Mark Brandis“-Hörspielreihe begann 2005-2007 mit „Bordbuch Delta VII“. Inhaltlich unterscheidet sie sich in einigen wichtigen Punkten von den Büchern.

* Die Geschichten sind um 50 Jahre in die Zukunft verlegt, die Saga beginnt also 2119;
* Die Kürzel EAAU und VOR sind zu „die Union“ und „die Republiken“ geworden;

EAAU: Die Europäisch-Amerikanisch-Afrikanische Union (EAAU) ist ein transkontinentaler Staatenverbund und wurde als Zusammenschluss der drei Kontinente Europa, Amerika und Afrika ca. 1999 gegründet – ihr assoziiert ist Australien. Während Europa der Kontinent ist, der über die längste Tradition verfügt, haben sich Afrika und Amerika zu den industriell bedeutendsten Kontinenten entwickelt.
Flagge: ein Ring goldener Planeten um drei kleeblattartig angeordnete grüne Kontinente auf weißem Grund.
Hauptstadt: Metropolis

VOR: Die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR) sind ein transkontinentaler Staatenverbund und umfassen zwischen Ural und der Pazifikküste die asiatischen Staaten einschließlich Ozeaniens.
Flagge: zwei gekreuzte Mongolenschwerter vor einer gelb-roten Sonne.
Hauptstadt: Peking

|VEGA|

Die Strategische Raumflotte (SR) lagerte 2106 ihre Entwicklungsabteilung auf die Venus aus. Die zuständige Agentur ist die VEGA, kurz für Venus-Erde Gesellschaft für Astronautik, mit immerhin 8000 Mitarbeitern. Direktor der VEGA ist seit 2122 der ehemalige Major (SR) und Commander (VEGA) John Harris. Die Routen der Testflüge für die Neuentwicklungen sind streng geheim, da die Prototypen als begehrte Beute sowohl für die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR) und die Europäisch-Amerikanisch-Afrikanische Union (EAAU), aber auch für Raumpiraten gelten. Offiziell gilt die VEGA als neutral, aber ihre Auftraggeber waren bislang immer die SR und die Raumfahrtbehörde der Union.

_Handlung_

Mark Brandis hat eine fremde Stimme in seinem Kopf gehört, die von ihm verlangte, das zu tun, was sie von ihm verlangte. Brandis denkt ja gar nicht daran, denn dieses Ansinnen ist unvereinbar mit dem Diensteid, den er gegenüber VEGA abgelegt hat. Außerdem wird diese Welt schon in vier Tagen in die Sonne stürzen. Kurz davor dürfte es hier drin ziemlich ungemütlich werden. Aber wird der Besitzer der STIMME sie alle gehen lassen?

Commander Georg Romen, der von einem Pfeilschuss aus einer automatischen Schussanlage verwundet worden ist, kann inzwischen wieder gehen. Brandis hat die letzte Siedlerin, Judith, eingeladen, mit ihnen zur Erde zu kommen und sie willigt ein. Das erste Ziel muss eine Schleuse sein und sie gehen an einer Schiffswand entlang, doch schon bald werden sie von den Riesenratten angegriffen. Wieder wirft Brandis eine seiner sonischen Granaten, kann die mutierten Viecher aber nur kurz aufhalten. Sie folgen offenbar dem gleichen Willen wie Judith. Aber wer steckt dahinter?

Nach dem Rückzug ins palisadengeschützte Dorf ruft Brandis CORA auf der HERMES an, doch sie kann seinen Befehl, eine Fähre ferngelenkt zur nächsten Schleuse zu fliegen, nicht nachkommen. Es wäre gegen ihre Instruktionen. Deshalb meldet sich Lt. Stroganoff freiwillig, die Fähre, mit der sie hergekommen sind, zur zweiten Schleuse zu steuern.

Weil die STIMME keine Ruhe gibt und Brandis stundenlang bewusstlos werden lässt, beschließt der Genervte, nach dem Ursprung der STIMME zu suchen und sie auszuschalten. In einer Art Steuerzentrale stoßen er und sein Begleiter auf das Archiv, das ihnen Einblick in die dramatischen Geschehnisse auf der „Pilgrim“ ab dem Jahr 2078 gewährt.

Da kommt die Meldung, dass die andere Gruppe angegriffen werde. Rückzug! Doch das Dorf ist auf gespenstische Weise verlassen …

_Mein Eindruck_

Nachdem im ersten Teil Brandis und seine Crew quasi in eine Falle getappt sind, schildert nun der zweite Teil, wie sie es schaffen, sich daraus zu befreien – möglichst noch, bevor die Pilgrim in die Sonne stürzt. Dieses Bemühen erweist sich spannenderweise als schwieriger als erwartet. Der Gott dieser seltsamen Welt will sie nicht gehen lassen und hetzt seine Ratten auf sie.

Die Frage, die jedoch den Hörer schon die ganze Zeit quält, lautet: Wie konnte diese so wohlgeplante Welt eigentlich scheitern und zu einer Hölle für ihre Bewohner werden? Um die Antwort auf diese Frage aller Fragen herauszufinden, müssen Brandis & Co. den Unterschlupf des Gottes finden. Dort entdecken sie im Archiv die Berichte, die ihnen entsprechende Auskunft erteilen.

Offenbar waren sich Crew, Wissenschaftler und reiche Passagiere von beginn an nicht sonderlich grün. Im Verlaufe der Jahre, die auf dem Weg zur Sonne Proxima Centauri vergingen, verschärften sich die Konflikte, die schließlich mit offener Gewalt ausgetragen wurden. Nur wer sich der Crew unterwarf, durfte überleben. Und der Letzte der Crew ist der Gott dieser einsam durchs All stürzenden Arche. Er beansprucht den Löwenanteil jeder Ernste – solange bis nur noch eine einzige Überlebende übrig ist: Judith.

Wieder liegt ein Menschheitstraum in Trümmern, scheint der Autor dieses Romans zu sagen. Im Verlauf der Handlung, die einer Ermittlung samt Überlebenskampf gleicht, wird aber deutlich, dass es schon bei der Planung einen gravierenden Fehler gab: Wenn die Passagiere sich der Mission nicht verpflichtet fühlen, bilden sie lediglich belastenden Ballast, der nur Nahrung wegfrisst, die anderen zustünde.

Bei Siedlern ist das was anderes. Deshalb schildert die meiste SF, die Generationenraumschiffe darstellt, Siedler und Kolonisten. Es gibt aber auch Romane wie Cherryhs „40.000 in Gehenna“ (siehe meinen Bericht), in denen Klone die Siedler stellen – zwecks Besetzung einer Welt im Verlauf eines Kriegs.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Geräuschkulisse erstaunt den Hörer mit einer Vielzahl mehr oder weniger futuristischer Töne, so etwa die Triebwerke der HERMES oder das Öffnen und Schließen ihrer Luken und Schleuse. Doch wenn man ein Fan von SF-Fernsehserien ist, dann dürfte einen dies nicht gerade umhauen, sondern eher ganz normal vorkommen. Vor allem das Dröhnen, Zischen und Jaulen von Düsen ist regelmäßig zu hören, was ja auch naheliegt.

Ungewöhnlich sind eher Sounds, die an das Brutzeln von Eier erinnern, an stockende Sounds – das lässt aufhorchen. Hier haben die Macher dazugelernt. Der gute Sound trägt dazu bei, den Hörer direkt ins Geschehen hineinzuversetzen, und das kann man von den wenigsten SF-Fernsehserien behaupten. Auch das Design von verzerrten Meldungen ist ähnlich professionell gehandhabt. Ein Satz kann mittendrin seine Klangcharakteristik ändern – faszinierend.

Einen Großteil der Sounds in dieser Episode werden von natürlichen Dingen erzeugt, so etwa von Vögeln – oder von mutierten Riesenratten. Allerdings kommen auch Pfeilschüsse gut zur Geltung. Besonders verliebt waren die Toningenieure in das BUMM der Handgranaten, die Brandis und seine Getreuen werfen, um die Ratten abzuwehren. Die Explosionen sind mit viel Liebe gestaltet. Andererseits sind sie zu kurz, um eine militaristische Ader der Sounddeisgner zu verraten.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Stimme von IHM. Sie muss natürlich entsprechend eindrucksvoll erscheinen, um wie die eines Gottes wirken zu können, dem seine Untertanen Gehorsam schulden. Schließlich wird Brandis dadurch auch bewusstlos. Doch auch dieses Tondesign ist plausibel gelungen.

|Die Sprecher|

Die Sprecher erfüllen ihre Aufgabe zu meiner Zufriedenheit. Es handelt sich um die immer wieder in der Serie auftauchenden Hauptfiguren wie der Titelheld, seine Frau und sein Boss. Daneben ergeben sich immer wieder neue Nebenfiguren, darunter auch chinesisch oder nicht-human klingende Sprecher.

|Musik|

Ja, es gibt durchaus Musik in diesem rasant inszenierten Hörspiel. Neben dem Dialog und den zahllosen Sounds bleibt auf der Tonspur auch ein wenig Platz für Musik. Sie ist wie zu erwarten recht dynamisch und flott, aber nicht zu militärisch – ganz besonders im Intro und in den Intermezzi.

Ganz am Schluss erklingt ein flottes Outro, das den Ausklang zu dieser Episode bildet, bevor es zu einer langsam Hintergrundmusik abbremst. Diese läuft während der langen Absage, bei der sämtliche Sprecher und, wo sinnvoll, ihre Rollen aufgezählt werden.

|Das Booklet|

Das Booklet bietet einen Überblick über die bereits erschienenen Folgen der Serie, über die Macher und über die Sprecher. Darüber hinaus gibt es jeweils Zusatzinformationen über das Generationenraumschiff: Was ist das überhaupt und wie sieht es aus? Sehr schön ist das die Risszeichnung der „Pilgrim 2000“. Zweck, Technik und Probleme dieses Schiffstyps werden eingehend erläutert. Es wurde 1929 von John Desmond Bernal erfunden, um interstellare Distanzen zu überwinden, und seit 1939 immer wieder in der SF-Literatur verwendet. Robert Heinlein, der Autor von „Universe“, hätte seine helle Freude daran.

_Unterm Strich_

Der zweite Teil der Doppelfolge um „Pilgrim 2000“ beantwortet nicht nur die im ersten Teil aufgeworfenen Fragen, sondern muss auch schildern, wie sich der Erkundungstrupp aus der Falle befreit, in die er unwissentlich getappt ist. Das erweist sich als schwieriger als erwartet. Schließlich geht es nur noch um Sekunden – ein richtiger Countdown. Das ist dramaturgisch wirkungsvoll aufgebaut und ausgeführt. So werden Action und Wissen aufs Unterhaltsamste verbunden.

|Das Hörbuch|

„Mark Brandis“ ist als Hörspiel professionell inszeniert, spannend, stellenweise actionreich und mitunter sogar bewegend.

Hinweis: Die Fortsetzung trägt den Titel „Akte illegal“.

|1 Audio-CD mit 56 Minuten Spieldauer
ISBN-13: 978-3829124379|
[www.folgenreich.de]http://www.folgenreich.de
[www.markbrandis.de]http://www.markbrandis.de
[www.interplanar.de]http://www.interplanar.de

_Mark Brandis bei |Buchwurm.info|:_
|Weltraumpartisanen|
Band 01: [„Bordbuch Delta VII“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6535
Band 02: [„Verrat auf der Venus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6539
Band 03: [„Unternehmen Delphin“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6536
Band 04: [„Aufstand der Roboter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6618
Band 05: [„Vorstoß zum Uranus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6630
Band 06: [„Die Vollstrecker“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6636
Band 07: [„Testakte Kolibri“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6723
Band 08: [„Raumsonde Epsilon“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6781
Band 09: [„Salomon 76“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6723
Band 10: [„Aktenzeichen: Illegal“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6801
Band 11: [„Operation Sonnenfracht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6802
Band 12: [„Alarm für die Erde“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6882
Band 13: [„Countdown für die Erde“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6908
Band 14: [„Kurier zum Mars“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6938
Band 15: [„Die lautlose Bombe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6962

Mark Brandis: Pilgrim 2000. Teil 1 von 2 (Folge 13)

_|Mark Brandis| als Hörspiel:_
01 [„Bordbuch Delta VII“ 4995
02 [„Verrat auf der Venus“ 5013
03 [„Unternehmen Delphin“ 5524
04 [„Aufstand der Roboter“ 5986
05 [„Testakte Kolibri 1“ 5984
06 [„Testakte Kolibri 2“ 5985
07 [„Vorstoß zum Uranus 1“ 6245
08 [„Vorstoß zum Uranus 2“ 6246
09 [„Raumsonde Epsilon 1“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6467
10 [„Raumsonde Epsilon 2“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6468
11 „Die Vollstrecker 1“
12 „Die Vollstrecker 2“
13 „Pilgrim 2000 1“
14 _“Pilgrim 2000 2″_
15 „Aktenzeichen: Illegal“ (01.07.2011)
16 „Operation Sonnenfracht“ (01.07.2011)

_Die gescheiterte Arche Noah: spannender Überlebenskampf_

Man schreibt das Jahr 2127. Commander Mark Brandis und seine Crew befinden sich auf der erdabgewandten Seite der Sonne. Nach Reparaturen an einer Raumstation ist die HERMES auf dem Rückweg, als die Kommunikation ausfällt. Der lange Aufenthalt in der Nähe des Zentralgestirns hat die Sehfähigkeit der sechs Raumfahrer beeinträchtigt. Erst in 17 Tagen sollen sie wieder Kontakt mit der Erde erhalten. Doch dann taucht ein seit Jahrzehnten verschollenes Generationenraumschiff vor ihnen auf, und Brandis ergreift die Chance herauszufinden, ob noch jemand an Bord lebt … (abgewandelte Verlagsinfo)

_Der Autor_

Nikolai von Michalewsky (1931-2000) war bereits Kaffeepflanzer, Industriepolizist, Taucher und Journalist gewesen, als sein erster Roman 1958 veröffentlicht wurde. Am bekanntesten wurde er ab 1970 mit den Mark-Brandis-Büchern, der bis heute (nach |Perry Rhodan|) mit 31 Bänden erfolgreichsten deutschsprachigen SF-Reihe.

Seine konsequente Vorgehensweise, Probleme der Gegenwart im Kontext der Zukunft zu behandeln, trug Michalewskys Serie eine treue Leserschaft und hohe Auflagenzahlen ein. Seine besondere Zuneigung galt besonders dem Hörspiel. Er gehörte zu den meistbeschäftigten Kriminalhörspiel- und Schulfunkautoren Deutschlands. (Verlagsinfo)

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Macher und Regisseure sind Interplanar.de:
Joachim-C. Redeker: Sounddesign und Musik
Redeker und Balthasar von Weymarn: Produktion, Regie und Schnitt

Jochim-C. Redeker, geboren 1970, lebt seit 1992 in Hannover. Gelernt hat er das Produzieren in der SAE Frankfurt, seither arbeitet er als Tonmeister für Antenne Niedersachsen. An zwei Virtual Reality Projekten hat er als Sounddesigner gearbeitet. Er gibt Audio- und Hörspielseminare und arbeitet als Werbetexter und Werbesprecher für zahlreiche Unternehmen sowie für Kino- und Radiowerbung. Musikalisch betreut er neben seinen eigenen Projekten auch Jingle- und Imageproduktionen. Bereits 1988 brachte ihm eine frühe Hörspielarbeit mit Balthasar den Sonderpreis der Jury für akustische Qualität beim Maxell Momentaufnahmen Wettbewerb ein.

Balthasar von Weymarn, geboren 1968, lebt seit 2006 im Taunus bei Frankfurt. Ausgebildeter Dramaturg und Filmproduzent (Filmstudium Hamburg); arbeitet auch als Skriptdoktor, -autor und Ghostwriter für Unternehmen wie Bavaria Film, Odeon Pictures, Tandem Communications, Storyline Entertainment u.a.

Das Hörspielmanuskript schrieb Balthasar v. Weymarn nach dem gleichnamigen Roman von Nikolai von Michalewsky. Die Aufnahmeleitung lag in den Händen von Tommi Schneefuß und Sven-Michael Bluhm.

Die Rollen und ihre Sprecher:

Prolog: Wolf Frass
Commander Mark Brandis: Michael Lott
Dr. Rebecca Levy: Claudia Urbschat-Mingues
Bordsystem CORA: Mira Christine Mühlenhof
Lt. Pablo Torrente: Martin Keßler
Lt. Iwan Stroganow: Martin Wehrmann
Lt. Grigori Romen: David Nathan
Lt. Konstantinos Simopoulos: Gernot Endemann
Judith: Katarina Tomaschewsky
Melchior: Klaus Sonnenschein

_Hintergrund und Vorgeschichte_

Die „Mark Brandis“-Hörspielreihe begann 2005-2007 mit „Bordbuch Delta VII“. Inhaltlich unterscheidet sie sich in einigen wichtigen Punkten von den Büchern.

* Die Geschichten sind um 50 Jahre in die Zukunft verlegt, die Saga beginnt also 2119;
* Die Kürzel EAAU und VOR sind zu „die Union“ und „die Republiken“ geworden;

EAAU: Die Europäisch-Amerikanisch-Afrikanische Union (EAAU) ist ein transkontinentaler Staatenverbund und wurde als Zusammenschluss der drei Kontinente Europa, Amerika und Afrika ca. 1999 gegründet – ihr assoziiert ist Australien. Während Europa der Kontinent ist, der über die längste Tradition verfügt, haben sich Afrika und Amerika zu den industriell bedeutendsten Kontinenten entwickelt.
Flagge: ein Ring goldener Planeten um drei kleeblattartig angeordnete grüne Kontinente auf weißem Grund.
Hauptstadt: Metropolis

VOR: Die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR) sind ein transkontinentaler Staatenverbund und umfassen zwischen Ural und der Pazifikküste die asiatischen Staaten einschließlich Ozeaniens.
Flagge: zwei gekreuzte Mongolenschwerter vor einer gelb-roten Sonne.
Hauptstadt: Peking

|VEGA|

Die Strategische Raumflotte (SR) lagerte 2106 ihre Entwicklungsabteilung auf die Venus aus. Die zuständige Agentur ist die VEGA, kurz für Venus-Erde Gesellschaft für Astronautik, mit immerhin 8000 Mitarbeitern. Direktor der VEGA ist seit 2122 der ehemalige Major (SR) und Commander (VEGA) John Harris. Die Routen der Testflüge für die Neuentwicklungen sind streng geheim, da die Prototypen als begehrte Beute sowohl für die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR) und die Europäisch-Amerikanisch-Afrikanische Union (EAAU), aber auch für Raumpiraten gelten. Offiziell gilt die VEGA als neutral, aber ihre Auftraggeber waren bislang immer die SR und die Raumfahrtbehörde der Union.

_Handlung_

Mark Brandis ächzt und stöhnt – so eine Operation am offenen Sehnerv ist nichts für schwache Männer! Er hat sich durch die Nähe zu unserem Zentralgestirn eine Sonnenblindheit zugezogen, und jetzt muss die attraktive Dr. Levy seine Augen wiederherstellen. Captain Brandis und sein Commander Romen flachsen dennoch herum.

Währenddessen sitzt Lt. Torrente am Steuer der HERMES. Sie haben den Auftrag, eine Raumstation vor dem Sturz in die Sonne zu bewahren, denn Ressourcen sind knapp. Allerdings bedeutet die Nähe zur Sonne nicht nur Gefahr für die Augen, sondern Funkstille für die nächsten 17 Tage. Da entdeckt Torrente ein UFO!

Das Unbekannte Flugobjekt ist zylinderförmig. Ungläubig starrt Torrente es an – das kann nicht sein! Es handelt sich um ein acht Kilometer langes Raumschiff mit einem gigantischen Durchmesser: zwei Kilometer. Wo wurde denn sowas gebaut?

Brandis befiehlt Annäherung und Klar Schiff zum Gefecht. Man kann ja nie wissen. Noch 50 Ka-Emm. Stroganoff sagt fassungslos: „Das ist die Pilgrim 2000.“ Bordcomputer CORA berichtet, der Schiffsmotor sei inaktiv, was bedeutet, dass dieses Raumschiff binnen vier Tagen in die Sonne stürzen wird. Nun lautet die Frage: Ist irgendjemand an Bord, den sie vor diesem feurigen Tod bewahren müssen?

Lt. Simopoulos berichtet, dass die Pilgrim 2000 vor 60 Jahren als Generationenraumschiff gebaut wurde, um zur nächstgelegenen Sonne Proxima Centauri zu fliegen. An Bord befanden sich Wohlhabende und Wissenschaftler, die eine Arche aus Modulen zusammenbauten. Seltsamerweise verfügt das Schiff über keine Fähren. Doch jetzt meldet sich niemand auf Kontaktversuche.

Mit maximalen Sicherheitsvorkehrungen begeben sich Brandis und Co. per Shuttle an Bord der „Pilgrim“. Sobald sie die zwei Schleusen passiert haben, stehen sie in einer grünen Wunderwelt. Raumanzüge ablegen und kundschaften, weist Brandis seine Begleiter an. Alles sieht friedlich aus, doch das bleibt nicht lange so. Sie treffen eine Riesenratte an, doch sie scheint keine aggressive Mutation zu sein. Als sie eine Siedlung erreichen, werden sie mit Pfeilen beschossen, die Romen niederstrecken. Alles in Deckung!

_Mein Eindruck_

In dieser Doppelfolge wirft der Autor Licht auf ein weiteres Standardmotiv der spekulativen Zukunftsliteratur. Dieser Schiffstyp wurde 1929 von John Desmond Bernal erfunden, um interstellare Distanzen zu überwinden. Seit 1939 wurde diese Idee immer wieder in der SF-Literatur verwendet. Robert A. Heinlein, der Autor von „Universe“, verarbeitete die Idee mehrfach, ebenso weitere Autoren wie zuletzt Gene Wolfe in seinen Zyklen über die Lange Sonne und die Kurze Sonne.

Michalewsky zeigt uns eine Welt, die einen utopischen Traum umsetzt: eine autarke Welt, die sich Jahrhunderte lang durch den leeren Raum bewegen soll. Natürlich treten dabei vielfache probleme der Steuerung und Aufrechterhaltung dieser künstlichen Welt auf, angefangen bei der künstlichen Schwerkraft über die Fortpflanzung und gesellschaftliche Organisation der Bewohner bis hin zur Lebensmittelproduktion und Navigation.

Selbst dem blutigen Laien dürfte schnell klarwerden, wo die Bruchstellen dieser Konstruktion liegen: So etwa in der Kooperation zwischen den Leuten, die das Schiff lenken und die Maschinen steuern einerseits sowie den Leuten, die es sich hier einfach nur lange Zeit gutgehen lassen wollen, weil sie ja ein sauteures Ticket bezahlt haben. Die „Pilgrim 2000“ ist ausnahmsweise kein Siedlerschiff, das eine fremde Welt kolonisieren soll. Das ist wahrscheinlich der fundamentale Fehler: Die Passagiere haben eine andere Zielvorstellung als die Mannschaft.

Im zweiten Teil findet Mark Brandis viel mehr darüber heraus. Doch in Teil 1 stößt er lediglich auf zwei menschliche Bewohner. Der Erste ist die letzte Siedlerin namens Judith, mittlerweile eine sehr alte Frau, die als kleines Mädchen eine von Kriegen zerrissene Welt verließ. Doch was sie erzählt, macht Brandis besorgt: Sie darf nur ein Viertel ihrer Ernte behalten. Den Rest liefert sie an einer Opferstätte einem unbekannten Wesen ab, das sie nur IHN nennt. Und damit ist der zweite Bewohner dieser einsamen Welt gemeint. Doch was hat sich Brandis unter IHM vorzustellen?

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Geräuschkulisse erstaunt den Hörer mit einer Vielzahl mehr oder weniger futuristischer Töne, so etwa die Triebwerke der HERMES oder das Öffnen und Schließen ihrer Luken und Schleuse. Doch wenn man ein Fan von SF-Fernsehserien ist, dann dürfte einen dies nicht gerade umhauen, sondern eher ganz normal vorkommen. Vor allem das Dröhnen, Zischen und Jaulen von Düsen ist regelmäßig zu hören, was ja auch naheliegt.

Ungewöhnlich sind eher Sounds, die an das Brutzeln von Eier erinnern, an stockende Sounds – das lässt aufhorchen. Hier haben die Macher dazugelernt. Der gute Sound trägt dazu bei, den Hörer direkt ins Geschehen hineinzuversetzen, und das kann man von den wenigsten SF-Fernsehserien behaupten. Auch das Design von verzerrten Meldungen ist ähnlich professionell gehandhabt. Ein Satz kann mittendrin seine Klangcharakteristik ändern – faszinierend.

Einen Großteil der Sounds in dieser Episode werden von natürlichen Dingen erzeugt, so etwa von Vögeln – oder von mutierten Riesenratten. Allerdings kommen auch Pfeilschüsse gut zur Geltung. Besonders verliebt waren die Toningenieure in das BUMM der Handgranaten, die Brandis und seine Getreuen werfen, um die Ratten abzuwehren. Die Explosionen sind mit viel Liebe gestaltet. Andererseits sind sie zu kurz, um eine militaristische Ader der Sounddeisgner zu verraten.

Die meisten SF-Serien wie etwa „Classic Star Trek“ oder „Raumpatrouille Orion“ sind viel zu alt für solchen Sound, und „Babylon 5“ oder „Andromeda“ klingen zwar toll, spielen aber in abgelegenen Raumgegenden, wo irdische Ereignisse kaum eine Rolle spielen. Dadurch hebt sich „Mark Brandis“ im Hörspiel bemerkenswert von solchen TV-Produktionen ab, von SF-Hörspielen ganz zu schweigen. Nur Lübbes „Perry Rhodan“ kann in dieser Liga mitspielen.

|Die Sprecher|

Die Sprecher erfüllen ihre Aufgabe zu meiner Zufriedenheit. Es handelt sich um die immer wieder in der Serie auftauchenden Hauptfiguren wie der Titelheld, seine Frau und sein Boss. Daneben ergeben sich immer wieder neue Nebenfiguren, darunter auch chinesisch oder nicht-human klingende Sprecher.

|Musik|

Ja, es gibt durchaus Musik in diesem rasant inszenierten Hörspiel. Neben dem Dialog und den zahllosen Sounds bleibt auf der Tonspur auch ein wenig Platz für Musik. Sie ist wie zu erwarten recht dynamisch und flott, aber nicht zu militärisch – ganz besonders im Intro und in den Intermezzi. Ganz am Schluss erklingt ein flottes Outro, das den Ausklang zu dieser Episode bildet, bevor es zu einer langsam Hintergrundmusik abbremst. Diese läuft während der langen Absage, bei der sämtliche Sprecher und, wo sinnvoll, ihre Rollen aufgezählt werden.

|Das Booklet|

Das Booklet bietet einen Überblick über die bereits erschienenen Folgen der Serie, über die Macher und über die Sprecher. Darüber hinaus gibt es jeweils Zusatzinformationen, so etwa über Rebecca Levy (geb. 2100 in Heidelberg, Ritterin des Johanniterordens seit 2125 bei der VEA als Exobiologin) und Pablo Torrente (geb 2093 auf der Venus, E-Bioniker, Messerwerfer und Nahkampfexperte, Kenntnisse süd-indianischer Spiritualität).

_Unterm Strich_

Ähnlich wie manche Handlungsstränge der „Perry Rhodan“-Hörspiele, greift auch die „Mark Brandis“-Serie politische Themen auf statt nun auf die Karte der abenteuerlichen Erforschung fremder Welten zu setzen. Das finde ich schon mal sehr löblich, denn so kann der Hörer die gezeigten Vorgänge mit seinen eigenen sozialen und politischen Verhältnissen vergleichen und sie, mit etwas Verstand, auch kritisch bewerten.

In dieser Doppelfolge kommt die Idee eines Raumschiffs zum Tragen, das über Generationen hinweg zum nächsten Stern fliegt. Dass dies eine ziemliche Schnapsidee ist, zeigt sich, als Mark Brandis und seine Crew ein solches Raumschiff im Endstadium seines Lebens entdecken. Niemand scheint in dieser künstliche Arche noch am Leben zu sein – wo sind all die Siedler geblieben?

Statt einer freundlichen Begrüßung durch ein Empfangskomitee erleiden die Mitglieder des Erkundungstrupps eine feindselige Attacke nach der anderen und machen schließlich Bekanntschaft mit einem gottähnlichen Überwesen, wie es scheint: Eine telepathische Stimme in Brandis‘ Kopf fordert Unterwerfung und Gehorsam. Ob sie diesem Herrscher über die Ratten entkommen können, wird die zweite Hälfte dieses Hörspiels erweisen.

Ich kannte die Grundidee natürlich von Heinleins Geschichten her. Es handelt sich um ein Standardmotiv in der Sciencefiction. Dennoch macht der deutsche Autor etwas Eigenständiges daraus und entwirft ein ansprechendes, wenn auch nicht umwerfendes Szenario an Bord der „Pilgrim 2000“.

|Das Hörbuch|

„Mark Brandis“ ist als Hörspiel professionell inszeniert, spannend, stellenweise actionreich und mitunter sogar bewegend. Im Unterschied zu den ersten Folgen wurden nun mindestens zwei größere Dialogszenen eingebaut, die mir sehr gut gefallen haben. Sie charakterisieren besonders Mark Brandis als einen moral- und verantwortungsbewussten Erwachsenen, der auch mal seine Fehler korrigieren kann.

Dies ist beruhigend weit entfernt von Kinderkram und rückt die Serie in die Nähe der POE-Hörspiele, die mir fast durchweg gut gefallen. In zehn Jahren wird man diese Serie als Vorbild für eine gelungene SF-Serie aus deutschen Landen auf gleicher Höhe mit „Perry Rhodan“ setzen. Und die Sammler werden sich die Finger danach lecken.

Gut finde ich, dass Universal Music den Vertrieb übernommen hat. Dadurch ist der Fortbestand der Serie gesichert. Und nun kann man sich mit David Nathan (bekannt als „Johnny Depp“) und anderen auch namhafte Synchronsprecher leisten, die ein wenig (?) mehr kosten als die bisher eingesetzten. Das kommt dem Wiedererkennungs- und Unterhaltungswert der Serie nur zugute – und natürlich auch dem Sammler.

Hinweis: Fortsetzung in Teil 2.

|1 Audio-CD mit 53 Minuten Spieldauer
ISBN-13: 978-3-8291-2436-2|
[www.folgenreich.de]http://www.folgenreich.de
[www.markbrandis.de]http://www.markbrandis.de
[www.interplanar.de]http://www.interplanar.de

_Mark Brandis bei |Buchwurm.info|:_
|Weltraumpartisanen|
Band 01: [„Bordbuch Delta VII“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6535
Band 02: [„Verrat auf der Venus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6539
Band 03: [„Unternehmen Delphin“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6536
Band 04: [„Aufstand der Roboter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6618
Band 05: [„Vorstoß zum Uranus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6630
Band 06: [„Die Vollstrecker“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6636
Band 07: [„Testakte Kolibri“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6723
Band 08: [„Raumsonde Epsilon“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6781
Band 09: [„Salomon 76“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6723
Band 10: [„Aktenzeichen: Illegal“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6801
Band 11: [„Operation Sonnenfracht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6802
Band 12: [„Alarm für die Erde“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6882
Band 13: [„Countdown für die Erde“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6908
Band 14: [„Kurier zum Mars“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6938
Band 15: [„Die lautlose Bombe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6962

David Baldacci – Die Sammler (Camel Club 2)

Die Camel Club-Serie:

1) „Die Wächter“
2) „Die Sammler“
3) „Die Spieler“
4) „Die Jäger“
5) „Hell’s Corner“ (noch ohne dt. Titel)

Bibliomanen im Clinch: Spannender Actionthriller in Washington

Der Sprecher des Repräsentantenhauses in Washington wird Opfer eines Anschlags. Als kurz darauf ein hochrangiger Mitarbeiter der Kongressbibliothek tot aufgefunden wird, ist für Oliver Stone und den Camel Club schnell klar: Diese beiden Morde müssen etwas miteinander zu tun haben.

David Baldacci – Die Sammler (Camel Club 2) weiterlesen

Håkan Nesser – Mensch ohne Hund (Inspektor Barbarotti 1)

Der Inspektor vs. Gott: Spielstand unentschieden

Der erste Fall für Inspektor Gunnar Barbarotti ist knifflig: „Wir haben zwei Personen, einen Onkel und einen Neffen. Gemeinsam mit einigen Verwandten kommen diese ein paar Tage vor Weihnachten zusammen, um ein Familienfest zu feiern. In der ersten Nacht verschwindet der Onkel spurlos. In der nächsten Nacht der Neffe. Warum?“ Gute Frage – nächste Frage!

Der Autor

Håkan Nesser – Mensch ohne Hund (Inspektor Barbarotti 1) weiterlesen

Goodkind, Terry – Gesetz der Neun, Das

_Romantischer Actionthriller_

Als der Kunstmaler Alex Rahl eines Tages eine Frau davor bewahrt, überfahren zu werden, erfährt sein Leben eine drastische Wendung. Denn Jax behauptet, aus einer anderen Welt zu stammen und ihn vor den Mördern, die jene Welt ausgesandt hat, beschützen zu wollen. Denn Alex sei einer der letzten Überlebenden eines uralten Herrschergeschlechts, das aus jener Welt stamme. Wie sonst könnte er Landschaften malen, deren Schönheit sich nicht auf seiner Welt wiederfindet, sondern in der anderen? Schon bald zeigt sich, dass Alex den Schutz, den Jax gewähren kann, bitter nötig hat …

_Der Autor_

Mit seinem mehrbändigen Zyklus um „Das Schwert der Wahrheit“, die er 1994 begann, hat sich der 1948 in Nebraska geborene Amerikaner Terry Goodkind in die erste Reihe der meistverdienenden Fantasyautoren geschrieben. Heute lebt er in Neuengland.

Aus der Masse der High-Fantasy-Bücher heben sich seine Romane wie „Wizard’s First Rule“ oder „Stone of Tears“ durch eine nüchterne, wenn nicht sogar düstere moralische Vielschichtigkeit und durch Momente von Erfindungsreichtum – meist hinsichtlich unangenehmer Überraschungen – heraus.

Der Zyklus „Das Schwert der Wahrheit“ umfasst ein Dutzend Romane (in ersten deutschen Ausgaben jeweils aufgeteilt) und ist vorerst mit „Konfessor“ beendet worden. Mit „The Omen Machine“ scheint die Saga einen Neustart zu erleben.

Der Zyklus „Das Schwert der Wahrheit“:

Band 0: „Das Verhängnis der Schuld – Die Vorgeschichte von ‚Das Schwert der Wahrheit'“
Band 1: „Das erste Gesetz der Magie“ („Wizard’s First Rule 1“)
Band 2: [„Der Schatten des Magiers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1179 („Wizard’s First Rule 2“)
Band 3: „Die Schwestern des Lichts“ („Stone of Tears 1“)
Band 4: „Der Palast des Propheten“ („Stone of Tears 2“)
Band 5: „Die Günstlinge der Unterwelt“ („Blood of the Fold 1“)
Band 6: „Die Dämonen des Gestern“ („Blood of the Fold 2“)
Band 7: [„Die Nächte des roten Mondes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6895 („Temple of Winds 1“)
Band 8: „Der Tempel der vier Winde“ („Temple of Winds 2“)
Band 9: „Die Burg der Zauberer“ („Soul of Fire 1“)
Band 10: „Die Seele des Feuers“ („Soul of Fire 2“)
Band 11: „Schwester der Finsternis“ („Faith of the Fallen 1“)
Band 12: „Der Palast des Kaisers“ („Faith of the Fallen 2“)
Band 13: „Die Säulen der Schöpfung“ („The Pillars of Creation“)
Band 14: [„Naked Empire: Das Reich des dunklen Herrschers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6896 (2003; dt. im Sept. 2004)
Band 15: „Die Magie der Erinnerung“ („Chainfire“, 2004, dt. im Mai 2006)
Band 16: „Das Ende der Welten“ („Phantom“, 2006, dt. im April 2007)
Band 17: „Konfessor“ („Confessor“, 2008)
Band 18: „The Omen Machine“ (August 2011)

_Handlung_

Der siebenundzwanzigjährige Alexander Rahl ist ein friedliebender Kunstmaler, der in Orden, Nebraska, vom mageren Ertrag seiner Gemäldeverkäufe lebt. Nach dem Tod seines Vaters und der Einweisung seiner Mutter in eine psychiatrische Klinik hat Alex nur noch seinen Großvater Ben, ein früherer Kämpfer der Special Forces, der ihm beigebracht hat, wie man sich verteidigt.

|Die geheimnisvolle Fremde|

Diese Fähigkeit erweist sich als sehr hilfreich, als Alex auf der Straße eine Katastrophe quasi in zeitlupe beobachtet: Ein Lieferwagen schießt aus einer Seitenstraße hervor, überquert die Hauptstraße und droht eine sonderbar gekleidete Frau zu überfahren, die keineswegs das Auto anschaut, sondern Alex. Was wird er tun?

Alex sieht wie in Zeitlupe das boshaft grinsende Gesicht des Beifahrers im Lieferwagen, ein Gesicht, das genau zum Piratenlogo der Firma passt. Aber es ist nicht bloß Boshaftigkeit, sondern blanker Hass auf ihn, Alex, der in ihm etwas auslöst. Schnell packt er die Frau und schiebt sie aus dem Weg des heranschießenden Wagens. Dieser stoppt sofort und die zwei Fahrer steigen aus. Alex macht sich kampfbereit. Da intervenieren jedoch zwei Streifenpolizisten. Für Alex ist der Fall damit erledigt. Doch schon bald soll er die zwei Typen wiedersehen.

Er lädt die Frau zu einem Kaffee ein und zeigt ihr in der nahen Galerie eines seiner Bilder. Sie findet es wunderschön. Er findet seinerseits Jax, so nennt sie sich, wunderschön: wallende blonde Haare, ein schwingendes Kleid bis zu den Füßen, das altertümlich geschnitten ist, sowie ein Umhang, den sie um ihre Schultern geschlungen hat. Doch kaum hat sich Alex mal umgedreht, ist sie schon verschwunden.

Sein Großvater Ben gratuliert ihm zum 27. Geburtstag und weist ihn daraufhin, dass auch Alex‘ Mutter an ihrem 27. Geburtstag verrückt wurde – hoffentlich passiert das nicht auch seinem Enkel. Dass Alex‘ Vater bei einem Autounfall ums Leben kam, lastet auf seiner Seele – die Rahl scheinen eine mit Verhängnis beladene Familie zu sein.

|Das Erbe|

Großvater gibt ihm ein ganz besonderes Geschenk: Die Urkunde für ein riesiges Stück Land in Maine. Alex, der sich nicht mal einen neuen Anlasser für seinen Cherokee kaufen kann, ist, wenn er den Vertrag erfüllt, der stolze Besitzer von 40.000 Morgen Land! Dieser Vertrag bestimmt, dass nur er der berechtigte Erbe ist – und auch das nur dieses eine Jahr lang. Merkwürdig, findet Alex. Er besucht seine Mutter in der Klinik, doch ist wie immer so sediert, dass sie ihn kaum erkennt. Sie rät, alle Spiegel zu verhängen, denn man beobachte ihn mit Hilfe der Spiegel. Alex seufzt.

Auch Bethany gratuliert ihm zum Geburtstag und lädt ihn zu einem ganz besonderen Abend ein. Sie will ihn mit den nicht unbeträchtlichen Reizen ihres üppigen Körpers verwöhnen. Welcher Mann könnte zu einem solchen Angebot nein sagen? Alex tut es, denn er findet Bethanys oberflächliche Art des Empfindens und Denkens abstoßend, vielleicht ist er aber auch nur mehr an Jax interessiert, der geheimnisvollen Fremden.

|“Ärger wird dich finden“|

Dass er an dieser Wahl recht getan hat, erweist sich schon im Verlauf des nächsten Monats. Im Fernsehen hört er, dass die beiden Streifenpolizisten, die ihm halfen, mit gebrochenem Genick gefunden worden seien. Und er muss an Jax‘ Worte denken, dass die beiden „Piraten“ nicht wie andere Menschen gewesen seien.

Mr Martin, der Besitzer der Galerie ruft ihn an: Er habe alle seine Bilder verkaufen können, aber er habe eine Bitte. Als Alex Mr Martin besucht, erlebt er einen Schock: Ein Fremder habe zwar alle seine Bilder zum doppelten Preis gekauft, sie dann aber mit schwarzem Markierstift verunstaltet. Einer der Sprüche verunglimpft Alex persönlich aufs Gröbste. Woher kennt ihn der Kerl? Mr. Martin hat Angst. Er gibt Alex die 24.000 Dollar und will ihn nie wiedersehen.

Etwas Sonderbares geht hier vor, und es beunruhigt Alex. Wenn er nur Jax wiedersähe! Als er von den Piraten angegriffen wird, taucht sie aus dem Nichts auf, um ihn zu schützen: Mit einem Messer kann sie sehr gut umgehen. Sie weist ihn diesmal darauf hin, dass sie nicht aus seiner Welt stamme und er Landschaften male, die sie selbst nur aus ihrer eigenen Welt kenne. Er sei der Schlüssel zu einem Geheimnis, das mit dem Gesetz der Neunen zu tun habe. 27 sei die Summe 9 aus 2 und 7. Am 27. Geburtstag erfuhren er und seine Mutter von ihrem Erbe.

|Ein weiteres Opfer|

Er glaubt ihr nicht. Wie auch? Bei einem weiteren Treffen beleidigt er Jax, obwohl sie sehr nett zu ihm ist und seine Hilfe benötigt. Sie verschwindet spurlos. Als Nächstes schockiert ihn der Brand des Hauses, in dem sein Großvater lebte. Ben ist fast zur Unkenntlichkeit verbrannt, doch er war bereits vorher tot. Was geht hier nur vor? Wer sind diese geheimnisvollen Nichtmenschen, die ihm nach dem Leben trachten, fragt sich Alex. Sind es jene Wesen, die seine Mutter aus den Spiegeln beobachten? Und jene Stimme, die aus seinem Handy knurrt? Er hat es auf Jax‘ Anraten zerstört, sodass man ihn nicht mehr damit verfolgen kann.

|Die Königin|

Einen Monat später hat er sich soweit beruhigt, dass er wieder malen kann. Es ist eine sehr stürmische Nacht voll Regen, Blitz und Donner, als Punkt Mitternacht seine Türklingel ertönt. Genervt geht er zur Haustür: Durch den Türspion sieht er Bethany in ihrer üppigen weiblichen Pracht. Er seufzt und öffnet die Tür. Sofort hebt sie den Arm, und er spürt einen schmerzhaften Schock: Starkstrom jagt durch seinen Körper und lässt ihn sich in Qualen winden. Bethany, die angeblich so dumme Tussi, hat ihn mit einem Taser niedergestreckt. Zwei muskelbepackte Kerle tragen ihn ins Haus. Sie sehen genauso aus wie die Piraten, die ihn angegriffen haben.

Alex besinnt sich darauf, was ihm sein Großvater Ben beigebracht hat, und kann einen der beiden ausschalten, doch als Strafe dafür jagt ihm Bethany erneut einen Stromstoß durch den Leib. Erst als er mit reißfesten Fesseln ans Bett gebunden ist, rückt sie mit ihrer wahren Absicht heraus. Sie stammt aus der anderen Welt, Jax‘ Welt, und er soll die mittlerweile entkleidete Bethany schwängern. Sie braucht sein Kind, um den einzig wahren Erben der Familie Rahl auszutragen!

Alex ist völlig klar, dass sie ihn umbringen wird, sobald ihr dies gelungen ist. Wenn jetzt doch nur Jax hier wäre. Doch so viel Glück soll Alex in Bethanys gierigen Armen nicht beschieden sein. Zumindest vorerst …

_Mein Eindruck_

Wie man sieht, ist Goodkind seinen Themen treu geblieben: Ein junger Mann – in „Schwert der Wahrheit“ war es Richard Rahl – wird aufgrund seiner Herkunft mit Aufgaben betraut, deren Größe zunächst seine Vorstellungen übersteigt. Doch er hat mindestens einen Lehrmeister, hier heißen sie Ben Rahl und Jax Amnell. Natürlich muss er sich auf eine kleine Odyssee machen. Doch schon hier gibt es den ersten Unterschied: Die Odyssee findet in Alex‘ Heimatstadt statt. Diese wird quasi auf den Kopf gestellt.

|Apokalypse daheim|

Statt in weite Fernen abzuschweifen wie Richard Rahl, erstrecken sich Alex‘ Abenteuer aufs Überleben in der eigenen Stadt. Orden, so scheint es, wird gerade belagert, von jenen Schergen des Befehlshabers der anderen Welt: Radell Cain heißt der Spitzbube, der sich an Skrupellosigkeit und Entschlossenheit nur mit Hitler und Stalin vergleichen lässt.

Wie Jax erzählt, hat es der Anführer einer wachsenden Anhängerschaft darauf abgesehen, alle Magie aus seiner Welt zu verbannen. Und da er für alle Übel die Träger der Gabe verantwortlich macht, erfreut sich seine Bewegung regen Zulaufs. Was wiederum alle Magier, wie etwa Jax, nicht nur an sich gefährdet, sondern auch zu Verfolgten macht.

|Anti-Magie-Bewegung|

Natürlich gilt es herauszufinden, was Radell Cain von unserer Welt will. Schließlich gibt es hier keinerlei Magie, die zu bestrafen wäre. Nein, Cain – ein unheilvoller Name, wenn es je einen gab – will Technik, von der wir nicht nur im Überfluss besitzen – und sie wie Magie benutzen -, sondern ohne die wir schon gar nicht mehr leben können. Ohne Technik, die Medikamente und Lebensmittel herstellt, würde unsere Industriekultur in kürzester Zeit zusammenbrechen. Dieses Szenario malt Jax in einer Szene genüsslich aus.

Es gibt nur einen Haken bei dieser Geschichte, weiß Jax: Man kann keine Gegenstände von hier nach dort mitnehmen, denn sie gehen in der Großen Leere dazwischen verloren. Deshalb besteht das oberste Ziel aller Schergen und Helfer Radell Cains darin, den DURCHGANG zu finden und herauszufinden, wie er geöffnet wird.

Laut einer Prophezeiung kann dies nur einer tun, der nicht von Cains Welt stammt: Alex Rahl, der Nachfolger jenes Mannes, der einst die Welten voneinander trennte und die nicht mit Magie Begabten in unsere Welt verbannte. Man braucht keine Kristallkugel, um sich ausrechnen zu können, dass der Durchgang, den Cain will, sich auf Alex Rahls frisch geerbtem Land befinden muss – irgendwo im Stephen King Country.

|Nachgefragt|

Mich wunderte nur die ganze Zeit, dass Cains Helfer nicht gleich auf Alex losgehen, sondern sich erst seine Mutter schnappen und dann seinen Großvater (der, da er ihrer Folter als Ex-Marine widerstand, getötet wurde). Die Erklärung für diese Reihenfolge ist simpel: Jax hat den Gegner mit ihrem Auftauchen daran gehindert, Alex zu fangen und zu foltern, um ihm das Geheimnis zu entreißen. Dafür haben sie es bereits mehrfach bei seiner Mutter versucht.

|In der Falle|

Es ist daher logischerweise Alex‘ Aufgabe, seine Mutter zu fragen, ob sie dem Gegner etwas verraten hat und wenn ja, wie viel. Doch als sie den neunten (!) Stock der psychiatrischen Klinik besuchen, tappen Alex und Jax mitten in eine Falle. Es gehört zum großartigen Wendepunkt dieses Romans, dass Alex und Jax, gerade noch kurz davor triumphierend aus Orden abzureisen, zu gefangenen des Feindes werden. Wie sie dies überleben, soll nicht verraten werden. Dass sie es tun, ergibt sich aus der Tatsache, dass die Geschichte weitergeht. Nur soviel: Dieser mittlere Akt ist absolut großartig inszeniert: Actionreich, dramatisch und voller Spannung.

Wieder einmal zeigt uns Goodkind die Elemente, die seine SCHWERT-Saga so erfolgreich gemacht haben: Das zentrale Liebespaar wird der ultimativen Belastung seiner Beziehung unterworfen, indem sich Alex, der Held, bewähren muss, um seine Liebe, Jax, vor einem denkbaren schändlichen Schicksal zu bewahren.

|Good girl, bad girl|

Was die Frauen angeht, so wiederholen sich auch hier die Schemata. Die gute Frau ist hingebungsvoll, aber eine Kriegerin, die mit vollem Einsatz kämpft – genau wie Kahlan. Die böse Frau, beispielsweise Bethany, ist die ultimative Egoistin, die nur an sich denkt, alles von ihrer Beute verlangt und dem jeweiligen Männchen keine Chance lässt. Allerdings hat Bethany diesmal die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Das wird sie noch bedauern.

_Die Übersetzung _

Die Übersetzung durch Caspar Holz, der praktisch alle SCHWERT-Romane ins Deutsche übertragen hat, ist gewohnt flüssig zu lesen, fehlerlos und dem deutschen Umgangston angepasst, sodass die Redeweise der Figuren unserer Welt natürlich wirkt. Nur die Fremden, die reden etwas gestelzt und sonderbar.

Der einzige Druckfehler, der mir auffiel, findet sich auf Seite 468. Statt „Verfolgungswahn“ heißt es da „VORfolgungswahn“.

Auf den Innenseiten des Umschlags ist die Landkarte von D’Hara etc. abgedruckt. Sie wird jedoch überhaupt nicht benötigt. An keiner Stelle wird ein Ortsname von dort genannt, sodass man keine Vorkenntnisse aus der SCHWERT-Saga benötigt, um „Gesetz der Neun“ verstehen zu können.

Der einzige genannte Ort ist der „Palast des Volkes“, der sich auf der Karte mitten in der Weite von D’Hara befindet. Er hat sein Gegenstück in jenem sonderbar geformten Berg, der als Schauplatz für das Grande Finale in Maine dient: Castle Mountain (und nicht etwa Castle Rock, ähem.)

_Unterm Strich_

„Das Gesetz der Neun“ ist perfekt konstruiertes und erzähltes Lesefutter, das ich in nur drei Tagen verschlungen habe. Man kann es auch in einem Tag schaffen. Die Handlung spielt sich ausschließlich in unserer Welt ab, weist nur sehr wenige übernatürliche Elemente auf (vor allem im Finale), besticht aber durch eine tiefgehende Charakterzeichnung im Falle von Alex und Jax, dem perfekten keuschen Liebespaar. Wer nun an Richard Rahl und Kahlan denkt, liegt völlig, doch das ist keine Voraussetzung zum Verständnis. Unser Verdacht, dass Kahlan nur eine ausgebildete Messerkämpferin ist, sondern eine Konfessor, wird lediglich genährt, jedoch nie bestätigt.

Die beste Szene ist für mich mit Abstand nicht die (gottlob) scheiternde Vergewaltigung durch Königin Bethany, sondern Alex‘ und Jax‘ unfreiwilliger Aufenthalt in der psychiatrischen Klinik, ausgerechnet im neunten Stock. Hier muss Alex durch List und Entschlossenheit nicht nur sich selbst, sondern vor allem auch seine Liebe in Gestalt von Jax retten. Die Schauplätze sind so anschaulich geschildert, dass ich überzeugt bin, dass Goodkind selbst an einem solchen Ort recherchiert hat.

Der Vergleich mit Richard Rahls Gefangenschaft und sexueller Folter im „Palast des Volkes“ liegt nahe. Nur manche Sätze, die Alex sagt, klingen nicht so, als würde sie von einem schwer mit Thorazin sedierten Menschen stammen, sondern von einem hellwachen Burschen, der weiß, was er vorhat. An diesen Stellen bewegt sich der Autor am Rande der Plausibilität.

Natürlich darf auch eine Geheimgesellschaft der Guten nicht fehlen: Die Treuhandgesellschaft für das Erbe der Rahls hat das Land durch die Jahrhunderte geschützt, was die Frage beantwortet, wie im Zeitalter der Satellitenüberwachung der Durchgang zur anderen Welt so lange unentdeckt bleiben konnte.

Wer also Goodkind mal entdecken möchte, ohne Kenntnisse von der SCHWERT-Saga mitbringen zu wollen, findet hier einen Einstieg, der mit Action, Drama, viel Romantik und Spannung aufzuwarten weiß.

|Taschenbuch: 543 Seiten
Originaltitel: The Law of Nines (2009)
Aus dem US-Englischen von Caspar Holz
ISBN-13: 978-3442376469|
[www.randomhouse.de/blanvalet]http://www.randomhouse.de/blanvalet

Campbell, Jack – Fluchtpunkt Ixion. Die verschollene Flotte 3

_|Die verschollene Flotte|:_

Band 1: [„Furchtlos“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6124
Band 2: „Black Jack“
Band 3: _“Fluchtpunkt Ixion“_
Band 4: „Gearys Ehre“ (erscheint am 24.06.2011)

_Actionreich und spannend: Black Jack in der _Falle?

Seit hundert Jahren kämpft die Allianz verzweifelt gegen die Syndikatswelten, und die erschöpfte Flotte ist in Feindgebiet gelandet. Ihre einzige Hoffnung: Captain John Geary. Seit seinem heldenhaften letzten Gefecht hält man ihn für tot. Doch wie durch ein Wunder hat er im Kälteschlaf überlebt. Nun soll er als dienstältester Offizier das Kommando über die Flotte übernehmen, um sie sicher nach Hause zu bringen. In einem Krieg, der nur in einem Fiasko enden kann …

Zu Band 3: Unzählige Feinde warten auf dem Weg nach Haus, und bis jetzt hat Captain John „Black Jack“ Geary immer ein Rezept dafür gehabt. Doch dann scheint er in eine Falle zu laufen. Aber wer hat sie ihm gestellt?

_Der Autor_

Hinter dem Pseudonym „Jack Campbell“ verbirgt sich der ehemalige U.S. Navy-Offizier John G. Hemry. In seinem aktiven Dienst bei der Marine sammelte er viel Erfahrung, die er in seine SF-Romane einfließen ließ. Campbell lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Maryland, unweit Washington, D.C.

Der Zyklus „Die verschollene Flotte“:

1) „Furchtlos“ („Dauntless“, 2006)
2) „Black Jack“ („Fearless“, 2007)
3) „Fluchtpunkt Ixion“ („Courageous“, 2007)
4)“ Gearys Ehre“ („Valiant“, 2008)
5)“ The Lost Fleet: Relentless“ (2009)
6) „The Lost Fleet: Victorious“ (2010)
7) „The Lost Fleet: Beyond the Frontier“ (04/2011)

Zyklus „Stark’s War“

1. „Stark’s War“ (April 2000)
2. „Stark’s Command“ (April 2001)
3. „Stark’s Crusade“ (März 2002)

Zyklus „Paul Sinclair“

1. „A Just Determination“ (May 2003)
2. „Burden of Proof“ (März 2004)
3. „Rule of Evidence“ (März 2005)
4. „Against All Enemies“ (März 2006)

_Vorgeschichte_

Captain John „Black Jack“ Geary ist ein Kriegsheld aus jenen Tagen vor hundert Jahren, als der Krieg der Allianz mit den Syndikatswelten begann. Damals rettete er sich an Bord einer Rettungskapsel, die ihn im Kälteschlaf hielt, und wurde hundert Jahre später aufgefischt. Jetzt hat ihn die Flotte wieder aufgetaut, weil ein Notfall eingetreten ist: Die Allianz-Flotte ist im Feindgebiet umzingelt, nachdem sie verraten wurde. Ihr bleibt nur die Wahl zwischen bedingungsloser Kapitulation und völliger Vernichtung durch die zahlenmäßig überlegene Syndic-Flotte.

Geary verlässt seine Kabine an Bord des Flaggschiffs „Dauntless“ (= Furchtlos) und geht zur Brücke. Dort übergibt ihm Admiral Bloch als dem dienstältesten Offizier das Kommando über die Flotte und verrät ihm ein ungemein wichtiges Geheimnis: Die „Dauntless“ darf um keinen Preis in die Hand des Feindes fallen, sonst ist die Allianz verloren. Dann fliegt Bloch mit einer Fähre zum Flaggschiff des Gegners, um zu verhandeln. Hilflos muss Geary auf dem Bildschirm die Videoübertragung mit ansehen, wie der Vorstandsvorsitzende (CEO) des Syndikats Bloch und seine Adjutanten kaltblütig abknallen lässt. Es gibt keine Verhandlungen, sondern ein Ultimatum: eine Stunde bis zu Kapitulation oder Vernichtung.

Eine Stunde kann eine Menge Zeit sein, wenn es drauf ankommt, denkt Geary. Nach einer Rücksprache mit Captain Desjani, der Kommandantin der „Dauntless“, über das Geheimnis lässt er eine Videokonferenz der anderen Kapitäne einberufen. Er bringt trotz des Widerstands einiger Offiziere – wer traut schon einem Aufgetauten? – alle auf seine Linie und lässt einen Rückzugsplan ausarbeiten: Operation Ouvertüre. In einem Vier-Augen-Gespräch mit der Ko-Präsidentin zweier verbündeter Flotten muss er zu seinem Missvergnügen feststellen, dass auch sie das Geheimnis der Flotte kennt – oder zumindest gut geraten hat. Immerhin ist Ko-Präsidentin Victoria Rione abschließend bereit, den Gegner hinzuhalten.

Während sich die Flotte umformiert, um den Massensprungpunkt anzuvisieren, der sie aus dem feindlichen System herauskatapultiert, führt Geary ein Gespräch mit dem CEO des Gegners. Der ist zunächst verständlicherweise ungläubig, dass ein vor hundert Jahren gestorbener Offizier nun das Kommando über die Allianz-Flotte übernommen haben will. Das soll wohl ein Trick oder schlechter Scherz sein? Geary pflegt nicht zu scherzen, aber es gibt ihm Gelegenheit, den CEO eine weitere halbe Stunde aufzuhalten. Bis dieser die Verbindung entnervt unterbricht, um Gearys Offiziere einzeln zur Aufgabe zu überreden. Geary unterbindet diesen Versuch energisch.

Mit einem verlustreichen Rückzugsgefecht gelingt es Geary, seine Flotte fast komplett aus dem Feindsystem springen zu lassen. Doch er verliert dabei seinen Großneffen, der sich für die Flotte opfert und in Gefangenschaft geht. Geary verspricht ihm, ihn rauszuholen und Michaels Schwester zu kontaktieren, die auf einer der Allianzwelten lebt.

Doch jenseits des Zielpunktes nach dem Sprung muss Geary feststellen, dass hundert Jahre Krieg ihre Spuren hinterlassen haben, nicht nur auf den Welten, sondern vor allem in Gearys eigener Flotte …

_Handlung_

Captain John Geary hat es geschafft, die ramponierte Allianz-Flotte vor der sicheren Vernichtung durch die Syndik-Flotten zu bewahren und – unter persönlichen Opfern – in die relative Sicherheit eines anderen Sternsystems zu manövrieren.. Indem er das Hypernet der Syndiks vermeidet, das viel größere Sprünge erlauben würde, kann er ihrer Überwachung entgehen. Doch dafür kommt er langsamer voran, indem er von Sternsystem zu Sternsystem springt. Die Flotte will nach Hause, in den Allianz-Raum, also wieso macht er dann Umwege? Einige selbstbewusste Offiziere haben ihrem Zweifel und Unmut darüber bereits Luft gemacht. Es soll noch schlimmer für Jack „Black Jack“ Geary, den wiedererweckten Kriegshelden, kommen.

In Band 2 schlägt er eine Rebellion der Offiziere nieder, doch kommt er zu spät, um die Szession des egozentrischen Captain Falco zu unterbinden. Dieser läuft in eine Falle der Syndiks und seine Flotte wird bei Vidha fast völlig aufgerieben. Reumütig kehren die von Falco verführten Offiziere mit den überlebenden Schiffen zu Geary zurück. Falco hat ebenfalls überlebt und wird eingesperrt. Wer weiß, wozu er noch gut ist. Außerdem kann ihn nur die Allianz selbst aburteilen. Und die ist noch weit entfernt.

Nachdem er das System Sancere ausgeplündert hat, um seine Vorräte aufzufrischen, düst die Flotte weiter nach Baldur, wo sich keinerlei Widerstand zeigt. Sie nutzt die Gelegenheit, um wertvolle Erze zu rauben. Zum Glück erfolgt seitens der Syndiks keinerlei Gegenwehr. Danach springt die Flotte nach Daiquon, doch hier zeigt sich erstmals, dass die Syndiks ihnen auf der Spur sind. Mit knapper Not können sie verhindern, dass der Sprungpunkt, den sie nach Ixion benötigen durch Minen unpassierbar gemacht wird. Schon in Ixion ist ihnen eine größere Syndik-Flotte auf den Fersen, um ihnen den Weg zur Allianz-Grenze zu verlegen.

Co-Präsidentin Victoria Rione ist glücklicherweise wieder menschlich zugänglich geworden. Sie hat zu ihrer Bestürzung und Scham herausgefunden, dass ihr geliebter Gatte noch als Gefangener der Syndiks am Leben ist – und sie vergnügte sich derweil im Bett eines anderen! Sollte diese Entdeckung je die Runde machen, dann wäre sie als Liebchen des Flottenkommandanten abgestempelt. Und die opponierenden Offiziere würden nicht zögern, diesen Eindruck gegen Geary zu verwenden. Also ist höchste Diskretion angebracht.

Welchen Kurs soll er nun als nächsten einschlagen, fragt sich Geary. Die Syndiks werden erwarten, dass er weiter Richtung Grenze vordringt und haben deshalb bestimmt das naheliegendste Ziel, T’negu, vermint. Welcher würde sie überrumpeln, fragt Geary nicht nur sich, sondern auch den wahnsinnigen Captain Falco. Die Antwort ist einfach: Lakota. Ein reiches System mit einem Hypernet-Portal. Dort ist bestimmt mit Widerstand zu rechnen. Aber auch mit reichen Ressourcen.

Doch mit dem, was dann im Lakota-System geschieht, hat auch Geary in seinen finstersten Phantasien nicht gerechnet …

_Mein Eindruck_

Ich habe diesen actionreichen Roman in nur drei Tagen gelesen. Er lässt sich in drei große Teile strukturieren. Im ersten Viertel kümmert sich die Flotte um ihre innere Stärkung, indem sie die Erze abbaut und in Waffen und Brennstoffzellen umwandelt. Auf diese Weise wird sie wieder gefechtsbereit für eine längere Strecke.

Gleich nach der Festlegung des neuen Kurses muss sich Geary im nächsten Viertel mit Victoria Rione auseinandersetzen – und zugleich mit Captain Tanya Desjani einigen, welche mit Rione praktisch um Gearys Gunst buhlt – aber auf beruflicher Ebene. Diese scheinbare Dreiecks- und Bettgeschichte, die ein gewisses humorvolles Element zur Handlung beiträgt, überzeugt die opponierenden Offiziere vollends davon, dass der Flottenkommandant unter der Fuchtel von unqualifizierten Frauen steht und für das Kommando nichts taugt.

Weit gefehlt! Im Ixion-System zeigt er den Offizieren, was eine Harke ist. Schwieriger wird es dann schon im Lakota-System, wo gleich zwei Flotten bereit zu sein scheinen, Gearys Flotte das Leben schwerzumachen. Todesmutig, wie sie es in alten Allianz-Tagen gelernt haben, stürzt sich eine der Offizierinnen in ein Duell mit dem Feind. In Gearys Augen der Gipfel der Unvernunft. Aber er weiß, woher diese falsch verstandene Tapferkeit stammt. Er hat sich bemüht, die Offiziere davon zu überzeugen, dass das Überleben der ganzen Flotte wichtiger ist als eine Tapferkeitsmedaille eines Einzelnen. Captain Desjani hat diese Lektion ebenso gelernt wie etliche andere Offiziere. Nun jedoch ist die Flotte einen Schlachtkreuzer ärmer.

Der letzte und wichtigste Teil des Romans ist wie üblich eine Raumschlacht mit allen Schikanen. Sie lässt das Herz eines jeden Fans solcher Action höherschlagen. Man muss nicht „Hornblower“ gelesen oder „Master and Commander“ gesehen zu haben, um Gearys Gefechtsmanöver geradezu genial zu finden. Er ist immer für eine Überraschung gut.

Im Nachklapp gibt es eine weitere Überraschung, die den Leser gespannt auf die Fortsetzung warten lässt: Die Aliens, von denen bereits in Band 2 die Rede war, haben das von ihnen geschaffene Hypernet so manipuliert, dass sich eine Syndik-Flotte verflogen hat – ausgerechnet nach Lakota. Diese Manipulation eines wichtigen Verkehrsweges ist eine laute Botschaft. Doch wofür?

_Die Übersetzung _

Wie schon im Vorgängerband ist Ralph Sanders Übersetzung bemerkenswert frei von Druckfehlern. Lediglich auf Seite 393 fand ich ein dicken Fehler: “ …um die überlegene Syndik-Streitmacht in Empfang zu nehmen, die Ixion früher oder später [nach Ixion] erreichen musste.“ Die zwei Wörter in Klammern sind sicherlich überflüssig.

Stilistisch ist der Text auf einer sehr beachtlichen Höhe, sodass man zu keinem Zeitpunkt merkt, dass es sich im Grunde um relativ simple Vorgänge in der Geschichte handelt. Nur für die betroffenen Figuren geht es dabei um Leben und Tod.

_Unterm Strich_

„Fluchtpunkt Ixion“ führt die Bände „Furchtlos“ und „Black Jack“ konsequent weiter. Ich habe den flott und einfach erzählten Roman in nur zwei Tagen gelesen. Die militärische Aktion spielt sich diesmal in vier Systemen ab, und an Flottenaktivitäten und Kämpfen herrscht durchaus kein Mangel. Ich hätte mir ein bisschen mehr Detektivermittlung gewünscht und weniger das Herunterbeten von Kampfhandlungen, und seien sie noch so einfallsreich.

Aber wenigstens kommt ganz am Schluss die Ermittlung ein klein wenig voran, als Jack Geary seiner besseren Hälfte, der Ko-Präsidentin Victoria Rione, weitere Indizien für seinen Verdacht mitteilt: Die Menschen sind keineswegs allein im Universum und die Aliens, die wohl jenseits des Syndikraums existieren, haben etwas mit dem von ihnen geschaffenen Hypernet vor. Aber was?

Ansonsten kann der Roman mit den üblichen Unterhaltungswerten eines Military-SF-Romans dienen: mehrere Raumgefechte, diverse Abwehrkämpfe, die Auseinandersetzung mit einem unerbittlichen und zahlenmäßig überlegenen Gegner und schließlich offene Rätsel, die es im nächsten Band „Die Verschollene Flotte 4: Gearys Ehre“ zu lösen gilt. Er erscheint am 24. Juni 2011.

|Taschenbuch: 397 Seiten
Originaltitel: The Lost Fleet: Courageous (2008)
Aus dem US-Englischen von Ralph Sander
ISBN-13: 978-3404233519|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

Garth Nix – Listiger Freitag (Die Schlüssel zum Königreich 5) (Hörbuch)

Die Schlüssel zum Königreich:

„Schwarzer Montag“ (Die Schlüssel zum Königreich 1)
„Grimmiger Dienstag“ (Die Schlüssel zum Königreich 2)
„Kalter Mittwoch“ (Die Schlüssel zum Königreich 3)
„Rauer Donnerstag“ (Die Schlüssel zum Königreich 4)
„Listiger Freitag“ (Die Schlüssel zum Königreich 5)
„Mächtiger Samstag“ (Die Schlüssel zum Königreich 6)
„Goldener Sonntag“ (Die Schlüssel zum Königreich 7)

Garth Nix – Listiger Freitag (Die Schlüssel zum Königreich 5) (Hörbuch) weiterlesen

Parker, Robert B. – Wilderness

_Actionthriller: Verbrecherjagd in der Wildnis_

Aaron Newman ist unfreiwilliger Zeuge eines Mordes und identifiziert den Täter auf dem Polizeirevier. Als er jedoch seine Frau nackt, gefesselt und geknebelt bei sich daheim vorfindet, bekommt er eine leise Ahnung, dass er es mit Gangstern zu tun hat, die zu allem entschlossen sind – und sie haben einen Informanten in Kreisen der Polizei oder Staatsanwaltschaft. Dort kann er keine Hilfe erwarten und so zieht er seine Aussage zurück. Doch das hält den Mörder nicht davon ab, ihm einen Auftragskiller auf den Hals zu schicken.

Mir ist keine deutsche Übersetzung bekannt.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zu seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine etwa acht Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Der 42-jährige Aaron Newmon ist ein erfolgreicher Schriftsteller in Smithfield nahe Boston, verheiratet mit Janet, einer Englischdozentin an der Uni. Die zwei Töchter sind bereits aus dem Haus, und so kann sich Aaron tagsüber seinem Schreiben oder der Freizeit widmen. Diesmal joggt er abends durch den nahen Wald, als er plötzlich einen entsetzlichen Mord beobachtet: Ein hagerer Weißer schießt einer wehrlosen schwarzen Frau in den Hinterkopf und lässt sich dann seelenruhig in seinem Wagen davonfahren. Aaron erwacht aus seiner Erstarrung und stellt fest, dass die Frau tot ist. Dann holt er die Polizei.

Auf dem Revier identifiziert er den Mörder erst in einem Fahndungsbuch, dann in einer Gegenüberstellung. Er ist bereit, den Mann namens Adolph Karl auch vor Gericht zu identifizieren. Als er nach Haus zurückkehrt, ist es bereits nach zwei Uhr nachts. Er erwartet, Janet bereits im Bett zu finden. Als er ins Schlafzimmer kommt, sieht er sie jedoch nackt, gefesselt und geknebelt auf dem Bett liegen. Dass Karls Männer dies getan haben, ist leicht an den eingeritzten Initialen AK auf Janets Bauch abzulesen.

Nachdem er sie befreit, sie erzählt und sich schließlich beruhigt hat, beraten sie am nächsten Morgen, was zu tun ist. Da erhält Aaron einen anonymen Anruf von Karls Handlanger: Der droht damit, Aaron und seine Frau zu töten, sollte Aaron seine Aussage nicht zurücknehmen. Was bleibt ihm anderes übrig? Es sagt es zu und nimmt auf der Wache seine Aussage zurück. Die Cops durchschauen ihn sofort, aber sie erkennen auch, dass sie einen Verräter in den eigenen Reihen haben müssen – sonst hätten die Verbrecher nicht bereits Mrs. Newman nicht bereits aufgesucht, als Mr Newman noch auf der Wache war.

Es geht Aaron, dem Jünger Hemingways, gewaltig gegen den Strich, sich so unterbuttern zu lassen. Seiner Frau, die um die Kontrolle in dieser Situation fürchtet, ist das völlig schnuppe; sie versteht ihn nicht: Sie will Rache und ein Ende der Angst. Denn es ist kaum anzunehmen, dass Adolph Karl sie in Ruhe lassen wird. Ganz im Gegenteil: Er wird sie beide umlegen. Und ihre Töchter womöglich auch.

Aarons und Janets bester Kumpel ist ihr Nachbar Chris, ein Restaurantbesitzer, der in Scheidung lebt. Chris hat in Korea beim Militär gedient, ebenso wie Aaron, war Footballspieler, ist Karatekämpfer und ein Waffenfreak – Machismo in Reinkultur. Er ist dafür, Karl umzulegen und ihm so zuvorzukommen. Alle drei einigen sich darauf, einen Mord zu begehen. Leichter gesagt als getan.

Adolph Karls Haus erweist als ebenso unangreifbar wie sein Möbelgeschäft. Janet findet heraus, dass der Gangster eine Jagdhütte in den Wäldern von Maine besitzt und dort mit seinen zwei Söhnen und seinen Leibwächtern jagen und angeln geht – eine günstige Gelegenheit. Wenn sie ihn dort erwischen wollen, brauchen sie aber ein Scharfschützengewehr. Dies wird von Aaron gekauft. Lieutenant Vincent bekommt Meldung vom betreffenden Waffenladen und kann sich ausrechnen, was Newman vorhat, doch er wartet lieber ab. Gewinnt Newman, sind sie Karl los, doch wenn Karl gewinnt, können sie ihn dafür festnageln – die Cops gewinnen so oder so.

Doch Karl hat bereits einen Killer auf Aaron angesetzt. Der ein wenig paranoide – und sehr wachsame – Chris schaltet den Mann aus und entsorgt ihn. Nun ist klar, dass keine Zeit mehr bleibt. Alle drei beziehen Posten an einem idyllischen See in Maine, wo Karl unangreifbar auf einer Insel logiert, bewacht von vier Männern. Erst als alle fünf Gegner zu einem Jagdausflug aufbrechen, scheint der Weg frei zu sein.

Doch dieser „Jagdausflug“ verläuft ganz anders als vorgesehen …

_Mein Eindruck_

Ich habe den Roman in nur fünf Stunden gelesen. Er ist recht spannend, voller Action, recht flott erzählt und mit wenig Ballast befrachtet. Die ersten zwei Drittel spielen in Smithfield, das letzte Drittel schildert die Auseinandersetzung in den Wäldern von Maine. Die Mitte sieht den Kampf mit dem Auftragskiller und der Anfang dreht sich völlig um den Mord an der Unbekannten und den Überfall auf Janet Newman. Man kann also sagen, dass ständig etwas los ist.

|Psychologie|

So weit, so gut. Aber ein Roman mit so wenigen Figuren sollte ein bisschen mehr als Action liefern. Deshalb richteten sich meine Erwartungen eigentlich auf die zentrale Beziehung zwischen Aaron und Janet Newman. Diese entwickelt sich denn auch in eine positive Richtung weiter. Janet ist ein Control-Freak. Zu Beginn verwünscht und verflucht die gefesselte Janet ihren Mann, weil er bloß dasteht und sie, die Nackte und Wehrlose, anstarrt. Tatsächlich schießt Aaron, der seiner Frau alles recht machen muss und will, bei ihrem knusprigen Anblick eine erotische Fantasie durch den Kopf. Sie hat ihn durchschaut.

Aber sie ist selbst schuld daran. Weil sie vor vielem Angst hat und stets ihre Angst unter Kontrolle halten will, steuert sie auch alles, was mit Sex und Zärtlichkeit zu tun hat. Letzteres ist verpönt, und bei Ersterem bestimmt sie von A bis Z, was auf welche Weise geschieht. Obwohl die beiden Eheleute seit 23 Jahren verheiratet sind, scheint sie sich immer noch ein wenig vor diesen Intimitäten zu ekeln. Bei ihren Gesprächsrunden an der Uni ist sie jedenfalls viel gelöster.

Doch während der gefährlichen Tage im Wald lernen die beiden, sich auf einen Konsens zu einigen und stoßen zu einem neuen Verständnis füreinander vor. Aarons Wunsch nach ritterlicher Romantik übt einen seelischen Druck auf Janet aus, den sie kaum aushalten kann (übrigens genauso wie bei der weiblichen Hauptfigur in dem „Spenser“-Krimi „Promised Land“ von 1977). Aaron muss akzeptieren, dass Janet genauso knallhart sein kann wie ein Mann: Er ist fähig, viel zu ertragen, doch sie ist fähig durchzuhalten, bis das Ziel erreicht ist.

Die Frage ist also, ob es Janet gelingen wird, sich zu ändern, wenn sich Aaron unter dem Druck der Ereignisse ändert. Er tut das, was er sich in seinen literarischen Hemingway-Fantasien herbeiwünscht: Den harten Kerl markieren und den Gegner ausschalten. Dass er dabei auch wirklich ein anderes Leben auslöschen muss, ist für ihn die härteste und unangenehmste Erkenntnis – über den Lebenskampf und sich selbst. Doch sein Sinn für Romantik wird dadurch erheblich reduziert, was Janet mit Erleichterung aufnimmt. Auf einer neuen Ebene des Verständnisses können sie ihre Ehe, die zuvor auf der Kippe stand, weiterführen.

|In den Wäldern|

Soweit ich bis jetzt bei Parker gelesen habe (an die 40 Romane), ist dies der einzige, der zum großen Teil draußen in der Wildnis spielt – und somit seinem Titel vollauf gerecht wird. Zu meinem Erstaunen gelingt es dem Autor von Krimis, die in Städten spielen, auch die Phänomene, die in der Wildnis zählen, glaubwürdig zu beschreiben und zum Leben zu erwecken. Seine Prosa ist durch kurze, präzise Sätze leicht verständlich, und die Bilder erwachen mühelos wie von alleine im Geist des Lesers.

Sicherlich hätte ein Autor wie Lee Child aus diesen 250 Seiten 600 gemacht und dabei jede Menge Charakterstudien eingeflochten. Doch diese erweisen sich als überflüssig, wenn es darum geht, einen finsteren Gangster und seine Truppe zu beschreiben, sowie ihnen ein einzelnes Ehepaar gegenüberzustellen. Natürlich ist die Story indirekt ein Loblied auf den kompetenten und zum Kampf fähigen Mann, der nicht zuletzt durch körperliche Fitness seinen Gegner zu überwältigen vermag. Aber Janet Newman ist jeden Deut genauso viel wert wie er. Am Schluss sagt er, er hätte den Kampf, der sich über Tage hinzieht, nicht ohne sie bewältigen können: Er kann, wie gesagt, ertragen, doch sie kann bis zum Ende durchhalten.

_Unterm Strich_

Der Autor wollte offenbar einen Actionthriller im großen Outdoors inszenieren. Das ist ihm leider nur halbwegs gelungen, nämlich mit dem Actionteil. Was ich vermisse, ist die Psychologie unter den Gegnern – bis auf Adolph Karl sind sie alle praktisch gesichtslos. Zur Rechtfertigung dieser Freischärler-Action dient dem Autor eine Bedrohung des Ehepaars Newman – er hat zu viel gesehen und soll für immer zum Schweigen gebracht werden.

Newman ist jedoch nicht der Zauderer Hamlet: Er nimmt das Gesetz in die eigenen Hände, besonders angesichts der Tatsache, die Cops abwartend zusehen, was sich entwickelt. Dass die Eheleute mit ihrem Leben kurz auch noch ihre Ehe dabei retten, ist ein schöner Nebeneffekt, der den Leser zufrieden zurücklässt. Den eigenmächtigen Einsatz der Gewalt scheint für Amerikaner selbstverständlich zu sein – für Amazon-Leser ist dieser Thriller eines der besten Bücher des Autors.

Merkwürdig kalt lässt die Newmans jedoch der Mord an Chris, ihrem freundlichen, organisatorisch so begabten Nachbarn und Lebensretter. Das hat mich unangenehm berührt, weil es wirkt, als müsste der Tod von Nebenfiguren billigend in kauf genommen werden. Ironie kommt überhaupt kaum auf, höchstens bei den Cops, und so wirkt die Story bierernst und ein wenig verkrampft.

Überhaupt wirkt die Psychologie der Nebenfiguren so schmalspurig, als hätte der Autor in dieser Hinsicht sein Manuskript um mehr als die Hälfte zusammenstreichen müssen (was mich stark an die Kinofassungen der „Millennium-Trilogie erinnert, die jeweils um eine halbe Stunde gekürzt wurden). Parker hat denn auch die Finger von diesem Sujet gelassen und sich auf Krimis konzentriert.

Das Buch eignet sich für Leser, die wenig Wert auf Psychologie legen und vielmehr einen ordentlichen Actionthriller lesen wollen. Sie werden nicht enttäuscht und werden das Buch in nur wenigen Stunden verschlingen.

|Taschenbuch: 248 Seiten
ISBN-13: 978-0440193289|
[Verlagshomepage]http://bantam-dell.atrandom.com/

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066
[„Gunman’s Rapsody“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6836

„Cole & Hitch“:

1) „Appaloosa“ (2005)
2) „Resolution“ (2008)
3) „Brimstone“ (2009)
4) „Blue-Eyed Devil“ (2010)

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) [„Night and Day“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6873
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) [„Melancholy Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6834
5) [„Blue Screen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6835
6) [„Spare Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6852

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die 39 Romane umfasst, erschienen:

[„The Godwulf Manuscript“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6921
[„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
[„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
[„Potshot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6821
[„Walking Shadow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6820
[„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
[„Chasing the Bear“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6837
[„Hundred Dollar Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6838
[„Taming a Sea-Horse“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6839
[„Bad Business“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6840
[„Back Story“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6842
[„Painted Ladies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6843
[„Cold Service“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6844
[„The Professional“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6866
[„Playmates“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6867
[„Thin Air“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6872
[„Small Vices“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6829
[„Promised Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6923
[„Mortal Stakes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6922
[„God Save The Child“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6951
[„Ceremony“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6952
[„The Judas Goat“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6953

Parker, Robert B. / Chandler, Raymond – Poodle Springs. Ein Philip-Marlowe-Krimi

_Philip Marlowe: harte Schale, romantischer Kern_

Philip Marlowe hat sein neues Büro in Poodle Springs bezogen; sein erster Job lässt nicht lange auf sich warten. Der Nachtclubbesitzer Manny Lipschultz beauftragt ihn, einen risikosüchtigen Zocker zu finden, der sich mit 100.000 Dollar Spielschulden aus dem Staub gemacht hat. Marlowe muss wieder einmal feststellen, dass hinter Glitzerfassaden verdammt schmutzige Dinge vor sich gehen können …

Die Übersetzung „Einsame Klasse“ erschien 1990 bei Knaus als Folge 8 der „Philip Marlowe“-Serie.

_Die Autoren_

|1) Robert B. Parker|

Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zu seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine etwa acht Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.

|2) Raymond Chandler|

Raymond Thornton Chandler wurde am 23. Juli 1888 in Chicago geboren. Der alkoholsüchtige Vater verließ die Familie, als Raymond sieben Jahre alt war. Die Mutter siedelte mit dem Jungen nach Großbritannien über. Auf dem College beschäftigte er sich vor allem mit Malerei und mit Literatur. Um die Sprachen zu lernen, ging Chandler jeweils für ein Jahr nach Frankreich und nach Deutschland.

1907 nahm Chandler die britische Staatsbürgerschaft an und arbeitete für kurze Zeit beim britischen Naval Stores Branch. Dann verdingte er sich als Reporter für den London Daily Express und die Bristol Western Gazette. Nebenbei veröffentlichte er mehrere Gedichte und seine erste Erzählung. 1912 kehrte er in die USA zurück und schlug sich in Los Angeles mit den unterschiedlichsten Jobs durch. In Abendkursen eignete sich Chandler Buchhaltung und Rechnungswesen an.

1917 meldete Chandler sich zur kanadischen Armee. Er machte eine Ausbildung bei der Luftwaffe, doch kurz vor dem Abschluss seines Trainings war der Krieg in Europa vorbei. Chandler kehrte nach Los Angeles zurück und wurde Buchhalter einer Molkerei. 1922 übernahm er den Posten des Buchhalters in einer Öl-Firma und stieg binnen kurzer Zeit zum Vize-Präsidenten auf. Zwei Jahre später heiratete er Cissy Pascal, die fast 18 Jahre älter war als er selbst.

1932 verlor Chandler seinen Posten, weil er zu viel trank und häufig krankfeierte. Von nun an widmete sich Raymond Chandler ganz dem Schreiben. Er arbeitete fünf Monate an einer Erzählung, die er schließlich dem Magazin „Black Mask“ verkaufte: 1933 erschien Chandlers erste Kriminalgeschichte. In seiner vierten Geschichte „Killer in the Rain“ tritt zum ersten Mal Philip Marlowe auf, der zum Prototypen des amerikanischen Detektivs wird. 1939 erschien Chandlers erster Roman. Seine Romane entstanden aus dem Zusammenfügen und Verdichten mehrerer Geschichten.

Anfang der vierziger Jahre begann Chandlers Kontakt mit Hollywood. Es gelang ihm, die Film-Rechte an seinen ersten Romanen zu verkaufen. Billy Wilder überredete ihn 1943, gemeinsam ein Drehbuch des Romans „Double Indemnity“ von James M. Cain zu schreiben. Für sein Script zu „The Blue Dahlia“ wurde Chandler für den Oscar nominiert.

Chandlers Frau Cissy verstarb im Dezember 1954 nach langer, schwerer Krankheit. Ihr Tod warf Chandler aus der Bahn. Er verfiel dem Alkohol und unternahm einen Selbstmordversuch. Chandler reiste viel, auch nach Europa.

Raymond Chandler starb am 26. März 1959 in LaJolla, Kalifornien.

|Krimis von Raymond Chandler: |

|Philip Marlow|-Reihe:
(1939) „Der große Schlaf“ („The Big Sleep“)
(1940) „Lebwohl, mein Liebling“ („Farewell, My Lovely“)
(1942) „Das hohe Fenster“ („The High Window“)
(1943) „Die Tote im See“ („The Lady in the Lake“)
(1949) „Die kleine Schwester“ („The Little Sister“)
(1953) „Der lange Abschied“ („The Long Good-bye“)
(1958) „Playback“ („Playback“)
(1989) „Einsame Klasse“ (vollendet von Robert B. Parker) („Poodle Springs“)
(1991) „Tote träumen nicht“ (Fortsetzung zu „Der große Schlaf“ von Robert B. Parker) („Perchance to dream“)

|Handlung|

Da Philip Marlowe seit einigen wenigen Monaten mit der Millionenerbin Linda Potter verheiratet ist, muss er zu ihr in das Reichenparadies Poodle Springs ziehen, das mitten in der kalifornischen Wüste liegt. Marlowe hat allerdings weder für Nobelvillen was übrig noch will er von den Millionen seines Schwiegervaters abhängig sein. Deshalb eröffnet er sein neues Büro Downtown.

Als er sich mit den örtlichen Bullen bekanntmacht, haut ihn sein erster Kunde an: Manny Lipshultz, der Betreiber eines halbseidenen Kasinos namens Argosy Club, sucht einen Mann. Lester Valentine hat noch 100.000 Dollar Spielschulden bei ihm, weil sein Scheck platzte. Und nun will Mannys Chef Blackstone, Lesters Schwiegervater, die Schulden eintreiben – mit blauen Bohnen. Na, das sind ja feine Verwandtschaftsverhältnisse.

Nun ist Les Valentine spurlos verschwunden, und Marlowe soll ihn suchen. Er schlägt sogar die zehnprozentige Beteiligung an dem geplatzten Scheck aus. Marlowe weiß: Zehn Prozent von nichts sind verdammt wenig. Er bekommt seinen Tagessatz von 100 Dollar plus Spesen. Die ersten Hinweise erweisen sich als Flops. Nachdem er bei Valentines Strohwitwe Muffy Valentine eingebrochen ist, hat er jedoch seinen ersten Hinweis: eine Adresse in Los Angeles, eruierbar durch einen Strafzettel für Falschparken.

Sie gehört einem „Porträt und Industrie-Photographen“ namens Larry Victor. Kann dies ein Zufall sein? Die Adresse bei Valentines Witwe passt zu einem Mann mit Valentines Initialen. Marlowe bricht wieder ein und stößt auf Pornofotos sowie auf das Foto eines Starlets, das sich ihm erst tags zuvor im Evaskostüm präsentiert hat. Kaum hat er dieses Foto an sich genommen und die Pornobilder an ihren Platz zurückgetan, als auch schon der Bürobesitzer eintritt. Doch Marlowe rauszuschmeißen, bietet er ihm einen Drink an. Etwas ungewöhnlich, findet der Schnüffler. Natürlich leugnet Victor, diesen Valentine zu kennen.

Er beschattet den Fotografen. In einer Bar trifft der Typ eine Blondine, die ihm weiteres Pornozeug anbietet. Danach fährt Victor nach Venice in ein nettes Haus, wo ihn bereits eine schwarzhaarige Schönheit namens Angel erwartet. Ihr Namen stehen auf dem Briefkasten. Schau an: Der Mann ist zweimal verheiratet und führt ein Doppelleben. Aber warum wissen seine andere Frau oder deren Vater nichts davon? Und warum erzählt Marlowe nichts davon seinem Auftraggeber, wundert sich Linda.

Als Marlowe am nächsten Tag Larry Victor erneut in dessen Büro aufsuchen will, ist die Tür offen und die Blondine vom Tag zuvor sitzt im Chefsessel – mit einem hässlichen Loch in der Stirn. Marlow ahnt, dass sich die angenehmen Verhältnisse, in denen Larry Victor alias Lester Valentine sein Doppelleben führt, rapide ihrem Ende nähern. Vor allem dann, wenn Muriel Blackstone mächtiger und reicher Vater Clayton von Larrys anderer Frau erfahren sollte.

Und diese ist es, die es in Marlowes Augen verdient, beschützt zu werden. Eine Aufgabe, die sich als zunehmend schwieriger erweist. Denn es bleibt nicht bei der ersten Leiche…

_Mein Eindruck_

Ich hatte mir Chandler immer als schwierig und ungeheuer abgebrüht vorgestellt. Das muss wohl an den Filmen der schwarzen Serie liegen, die keinerlei Hoffnung aufkommen ließen. Doch Robert B. Parker ist, wie ich vielfach feststellen durfte, ein Autor, der seinen Figuren immer viel Raum für Hoffnung lässt – selbst dann, wenn es für sie manchmal zappenduster aussieht. Also freute ich mich schon auf die Lektüre.

Die ersten vier Kapitel stammen von Chandler, die restlichen 37 von Parker. Der Übergang ist sanft, aber merklich. Auf einmal herrscht nicht mehr sparsamer Dialog vor, nein, jetzt dürfen auch ausführliche Orts- und Personenbeschreibungen vorkommen. Dennoch bleiben die Dialoge zwischen Marlowe und seinen männlichen Gegenübern stets von seinem trockenem Humor gekennzeichnet. Den finden die Cops in der Regel überhaupt nicht lustig, und die Gauner noch weniger.

Der Marlowe Parkers ist zwar nicht gerade mit dem abgebrühten Gentleman zu vergleichen, den Humphrey Bogart dargestellt hat, aber auch kein muskelbepackter Schlägertyp wie Spenser. Beide haben jedoch eines gemeinsam: Sie leben – wie die Ritter von anno dunnemals – nach einem Code, nach eigenen Regeln, und wenn man sie nicht lässt, dann verschwinden sie. Das sagt Marlowe zu seiner Noch-Ehefrau Linda, die damit überhaupt nicht zurechtkommt, dass ihr Gatte nicht so pflegeleicht und häuslich ist wie die Männer ihrer Freundinnen. Die Ehe wird freundschaftlich beendet, doch eines bleibt: die Liebe. Denn beide sind Romantiker.

Auch Parkers Marlowe versteht sein Handwerk auf dem Effeff, und so kommt er nicht nur Lester Valentines Bigamie und Doppelleben auf die Spur, sondern auch den diversen Morden. Die Cops finden es natürlich nicht koscher, dass dieser Privatschnüffler sie immer von dort anruft, wo die jeweils neueste Leiche zu finden ist. Eigentlich sollte es andersrum sein. Um ihn zum Reden zu bringen, stecken sie ihn eine Nacht in den Knast. Die arme Linda ist entsetzt. Was werden ihre Freundinnen sagen!

Was ist es bloß, das das Verhältnis zwischen Vätern und Töchtern in den „Marlowe“-Krimis so interessant und labil macht? Muriel Valentine wird von ihrem Vater, dem zwielichtigen Tycoon Clayton Blackstone, nicht bloß verwöhnt, sondern geradezu fürsorglich erdrückt. Das hat natürlich böse psychologische Folgen für Muriel. Schon im Teenageralter muss sie über die Stränge geschlagen haben, erfährt Marlowe, machte Nacktfotos von sich, und als sie aus dem europäischen Urlaub zurückkehrte, stellte sie Daddy vor vollendete Tatsachen: Sie hatte eben jenen Porno-Fotografen geheiratet: Lester Valentine.

Alias Larry Victor alias Schlenker. Dieser Spielertyp ist, wie Marlowe erkennt, ein wenig wie er. Er spielt, um das Risiko zu verlieren als Nervenkitzel genießen zu können. Leider setzt Larry alias Les stets auf die falschen Chancen und verliert, so etwa bei Manny Lipshultz. Doch diesmal zahlt seine Frau Muriel nicht die Zeche, sondern lässt den Scheck platzen – Pech für Lester.

Diese Story ist zwar wenig plausibel, aber wenigstens nachvollziehbar (kaum jemand würde es wagen, den Plot von „The Big Sleep“ / „Tote schlafen fest“ als nachvollziehbar zu bezeichnen). Die Stringenz steht eh nicht im Vordergrund, sondern vielmehr scheint es, als wolle der Autor bemerkenswerte Szenen aneinanderreihen – sicherlich eine Hauptaufgabe der Unterhaltungsliteratur.

Eine der besten Szenen ist Marlowes Begegnung mit einer betrunkenen Hure in einer Bar. Er will sie als Informantin aushorchen und füllt sie ab. In Nullkommanix ist die verblühte Lady betütert. Doch dann tanzen sie miteinander, und dieser Moment hat so viel Wehmut in sich, dass er im Gedächtnis bleibt. Mit seltener Sanftheit bettet Marlowe die Besinnungslose auf eine Lederbank in der Bar und sorgt dafür, dass es ihr gut geht. Also doch ein Gentleman? Nein, lediglich ein Romantiker.

Und das ist auch der Grund, warum die Ehe mit Linda zwar enden mag, nicht jedoch ihre gegenseitige Liebe zueinander. Im Schlusskapitel geben sie einander Hoffnung und der Liebe ein Fest.

_Unterm Strich_

Dieser Krimi ist mit den „Spenser“-Romanen kaum zu vergleichen, was Action, Drama und Sex angeht. Marlowe, der olle Pfeifenkopf, kann auch nicht kochen wie sein Bostoner Kollege. Er schlägt sich nicht, nimmt keine Gangster hoch, befreit keine Jungfrauen und vieles mehr. Doch dafür macht er einen guten Job, als er den Bigamisten findet und ihn nicht an Cops oder Gangster ausliefert. Ein Fehler möglicherweise, aber ein feiner Zug. Am Schluss soll wenigstens ein Pärchen überleben, beschließt er.

Der Fall plätschert im Spannungsnetz von Porno-Fotografen, Bigamisten, scharfen Fotomodellen und Halbwelt-Tycoons so vor sich hin, bis sich ganz unverhofft doch noch eine Lösung einstellt. Leider ist es eine ziemlich blutige. Aber damit ist die Bedrohung für das Glück des Pärchens beseitigt, was den alten Romantiker Marlowe zufriedenstellt.

Krimikenner dürften schon lange vor dem Finale herausgeknobelt haben, wer die Leichen auf dem Gewissen hat. Auch mir sind ein paar Klischees zu viel hineingewoben, so etwa das unheilvolle Verhältnis zwischen Vater und Tochter (man denke auch an „Chinatown“). Aber Hauptsache, Parker bringt die vom Meister angefangene Geschichte sauber zu Ende – und mit wesentlich mehr Anlass zur Hoffnung.

|Taschenbuch: 290 Seiten
ISBN-13: 978-0425123430|
[Verlagshomepage]http://us.penguingroup.com/static/pages/publishers/adult/berkley.html

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066
[„Gunman’s Rapsody“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6836

„Cole & Hitch“:

1) „Appaloosa“ (2005)
2) „Resolution“ (2008)
3) „Brimstone“ (2009)
4) „Blue-Eyed Devil“ (2010)

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) [„Night and Day“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6873
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) [„Melancholy Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6834
5) [„Blue Screen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6835
6) [„Spare Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6852

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die 39 Romane umfasst, erschienen:

[„The Godwulf Manuscript“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6921
[„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
[„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
[„Potshot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6821
[„Walking Shadow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6820
[„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
[„Chasing the Bear“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6837
[„Hundred Dollar Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6838
[„Taming a Sea-Horse“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6839
[„Bad Business“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6840
[„Back Story“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6842
[„Painted Ladies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6843
[„Cold Service“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6844
[„The Professional“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6866
[„Playmates“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6867
[„Thin Air“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6872
[„Small Vices“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6829
[„Promised Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6923
[„Mortal Stakes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6922
[„God Save The Child“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6951

Parker, Robert B. – Looking for Rachel Wallace – Ein Spenser-Krimi

_Viele heiße Eisen: Entführung einer lesbischen Feministin _

Rachel Wallace ist eine militante Feministin. Ihr neuestes Buch schlägt wie eine Bombe ein, denn es prangert Missstände in der Gleichberechtigung an und nennt die dafür Verantwortlichen beim Namen. Als ihr anonyme Anrufer mit Mord drohen, engagiert Rachels Verlag den Privatdetektiv Spenser als ihren Bodyguard. Doch auch Rachel ist explosiv. Im falschen Moment geht sie vor Wut hoch und entlässt Spenser. Darauf haben ihre Feinde nur gewartet. Jetzt haben sie freie Bahn.

Deutsche Übersetzungstitel: „Bodyguard für eine Bombe“, 1981 bei Ullstein.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zu seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine etwa acht Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Die radikalfeministische Autorin Rachel Wallace hat wegen ihres neuen Buches „Tyranny“ ernstzunehmende Drohungen von Unbekannt bekommen. Sie prangert darin nämlich eklatante Fälle von Ungleichbehandlung von Frauen im Allgemeinen und von homosexuellen Frauen im Besonderen an. Ihr Verlag und dessen Lektor engagieren Privatdetektiv Spenser, um Rachel vor Angriffen zu schützen.

|Attacken|

Das erweist sich auch bald als nötig. Als sie in einer Bostoner Bibliothek einen Vortrag halten will, versperren Demonstranten den Zugang. Mit Hilfe von ein, zwei Polizisten und einem Fausthieb Spenser ist der Weg schnell freigeschafft, auch wenn Rachel in keinster Weise den „unfriedlichen Einsatz männlicher Gewaltbereitschaft“ unterstützt. Spenser aber merkt sich ein Gesicht unter den Demonstranten. Er wird es wiedersehen.

In einer Buchhandlung, wo sie signiert, wird Rachel mit einer Torte beworfen, doch Spenser schaltet die beiden Studenten sofort aus. Auch das gegen Rachel gegen den Strich. Abends zieht sie sich mit ihrer lesbischen Freundin Julia Wells auf ihr Hotelzimmer im „Ritz“ zurück. Spenser kooperiert mit dem Hotelsicherheitschef, damit ihr nichts passiert. Wenn schon, denn schon.

Als sie von einem anderen Termin zurückkehren, muss Spenser, der Fahrer, schnellstens reagieren: Zwei Autos wollen ihn einklemmen und rammen! Rachel muss sich auf dem Boden ganz klein machen. Puh, Schwein gehabt, nix passiert. Als der schlagkräftige Spenser die Cafeteria einer Versicherungsgesellschaft zerlegt und somit ein weiteres Mal „überreagiert“, feuert sie ihn kurzerhand. Wenige Tage später ruft ihn der Verlag erneut an: Rachel Wallace ist spurlos verschwunden.

|Die Suche|

Nun fühlt sich Spenser in seiner Berufsehre angegriffen. Dass Rachel eine Zicke ist, ist ihr gutes Recht – siehe den Verfassungsartikel über die freie Meinungsäußerung. Aber dass sie wegen dieser Meinung mundtot gemacht werden soll, geht ihm heftig gegen den Strich. Allerdings macht er einen verhängnisvollen Fehler: Gegenüber Kripochef Martin Quirk erwähnt er Julie Wells nicht. Aus Pietät und Feingefühl?

Spenser sucht im Ku Klux Klan ebenso nach Frauenfeinden wie unter jenen Demonstranten vor der Bibliotheken. Unter Letzteren stößt er auf ein ganzes Netzwerk von konservativen Aktivisten und Kommunistenhassern, die über all ihre Finger drin und Kontakte in einflussreichen Kreisen haben: viel Geld und nichts zu tun. Als aber die wahre Identität von Julie Wells zum Vorschein kommt, könnte sich Spenser glatt in den Hintern beißen – hat er etwa eine Wölfin zu seinem Schäfchen gelassen?

_Mein Eindruck_

Der Mittelteil des Romans folgt dem üblichen Muster einer Ermittlung à la Spenser: Sie geht in alle Richtungen und wirkt daher ein wenig ziellos. Das liegt allerdings in der Natur der Sache. Aus den Hinweisen ergibt sich ein schwerer Verdacht, dem Spenser natürlich nachgehen muss. Der Haken dabei: Die mutmaßlichen Entführer sind eine sehr einflussreiche Familie plus ihr schießwütiger Gorilla, mit dem Spenser bereits Bekanntschaft gemacht hat.

Doch mit der Hilfe von Julia Wells, die völlig verängstigt ist und um ihre Geliebte Rachel bangt, erhält Spenser eine exzellente Ortsbeschreibung. Doch das Schicksal scheint sich gegen ihn verschworen zu haben – der zweite Haken: Ein regelrechter Blizzard legt jeglichen Verkehr in und um Boston lahm. Doch im Koreakrieg hat der Privatdetektiv gelernt, wie man lange Fußmärsche von mehreren Meilen bewältigt – und auch den schlimmsten Schneesturm übersteht. Nach einer kuscheligen Nacht mit seiner sexy Freundin Susan Silverman kann’s gestärkt an Leib und Seele losgehen. Sollte er nicht mehr lebend zurückkehren, so seine letzte Bitte, werde sich sein Kumpel Hawk um sie kümmern.

|Eine Ritterfigur|

Susan ist es auch, die mehrmals betont, dass Spenser sich wie ein Ritter verhalte, der wehrlosen Opfern beistehen müsse, weil es sein Ehrenkodex verlangt. Susan nennt ihn „Lancelot“, und Rachel lacht natürlich verächtlich über solche Klischees der Männlichkeit. Doch als sie und Julie Wells sich ohne jede Hilfe einer Welt gegenübersehen, die lesbische Frauen, aus ganzem Herzen ablehnen, ja, sogar verabscheuen, da gibt es nur noch einen, an den sie sich wenden können: Eben Spenser.

|Heiße Eisen|

Wieder mal packt der Autor mehrere Eisen an, die anno 1980, als Ronald Reagan zum US-Präsidenten gewählt wurde und das konservative Amerika die Oberhand (zurück-) gewann, ziemlich heiß waren: Homosexualität, Feminismus und arbeitsrechtliche Gleichberechtigung und Gleichstellung bei den Löhnen und Aufstiegschancen.

Tatsächlich sind hierzulande (und in USA) gerade mal Feministinnen und Homosexuelle akzeptiert worden, aber bei den wirtschaftlichen Bedingungen hinken die Deutschen zahlreichen anderen Ländern in Europa weit hinterher. Frauen bekommen im Schnitt 25% weniger lohnen, und von einer Frauenquote können die meisten Betriebe hierzulande nur träumen.

|Der Ritter weint|

Ich hätte nie gedacht, dass ich mal bei Parker lesen würde, dass Spenser weint. Das tut er aber, als er Rachel endlich findet und aus ihrem Gefängnis befreit. Weint er vor Erleichterung – oder aus Mitgefühl? Wir erfahren es nicht. Aber der Eindruck, den seine Tränen bei Rachel hinterlassen, ist sehr tief.

Bevor Spenser jedoch mit Rachel abhauen kann, muss er noch ihre Entführer überwinden. Ein explosiver Showdown ist die Konsequenz dieser Auseinandersetzung. Tatsächlich stellt sich jetzt heraus, dass die Entführung einen sehr persönlichen Hintergrund hat: Rachel soll für die „moralische und sittliche Verderbnis“, die sie über Julie Wells gebracht habe, büßen. Dass ihre Entführer sie als Zeugin nicht am Leben lassen können, ist ihr leider nur allzu klar.

Zu seinem Erstaunen findet Spenser in einem der eintreffenden Polizisten einen jungen Mann (war beim Militär), der ebenfalls das Opfer Rachel über die Belange der Bürokratie und Hierarchie stellt – er fährt Spenser und Rachel nach Hause, wo schon Susan wartet. Solche Selbstlosigkeit ist sicherlich rar.

_Unterm Strich_

Nach dem absehbaren Aufeinandertreffen der extrem unterschiedlichen Ansichten von Spenser und der Feministin kommt nach ihrem Verschwinden erst der Fall so richtig in Gang. Wo sind Rachel und ihre rätselhafte Geliebte abgeblieben? Dass das friedliche Boston, das „Athen Amerikas“, über eine rege Ku-Klux-Klan-Gemeinde ebenso verfügt wie über erzkonservative Kommunisten- und Feministenfresser, hätte Spenser – und wir erst recht – nicht ohne Weiteres erwartet.

Doch Spenser lässt sich davon nicht abbringen, denn er sieht es als seine Pflicht an, die Scharte, die er durch seine Vernachlässigung Rachels verursacht hat, wieder auszuwetzen. Folglich lässt er nichts unversucht und schüttelt eine ganze Menge Köpfe, ob nicht doch ein Hinweis herausfällt, wo sich Rachel aufhält. Spenser Fäuste fliegen immer wieder recht wirkungsvoll, und nur einmal muss er eine Niederlage einstecken. Der gewalttätige Höhepunkt des Buches und die emotionalen Szenen danach haben mich mit diesem konventionellen und ziellos wirkenden Mittelteil vollauf versöhnt.

|Taschenbuch: 224 Seiten
ISBN-13: 978-0440153160|
[Verlagshomepage]http://bantam-dell.atrandom.com

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066
[„Gunman’s Rapsody“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6836

„Cole & Hitch“:

1) „Appaloosa“ (2005)
2) „Resolution“ (2008)
3) „Brimstone“ (2009)
4) „Blue-Eyed Devil“ (2010)

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) [„Night and Day“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6873
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) [„Melancholy Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6834
5) [„Blue Screen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6835
6) [„Spare Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6852

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die 39 Romane umfasst, erschienen:

[„The Godwulf Manuscript“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6921
[„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
[„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
[„Potshot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6821
[„Walking Shadow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6820
[„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
[„Chasing the Bear“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6837
[„Hundred Dollar Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6838
[„Taming a Sea-Horse“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6839
[„Bad Business“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6840
[„Back Story“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6842
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[„The Judas Goat“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6953

Parker, Robert B. – The Judas Goat – Ein Spenser-Krimi

_Terroristenhatz: in 40 Tagen bis zur Olympiade_

Der Millionär sitzt im Rollstuhl, verkrüppelt und verbittert. Vor einem Jahr wurden seine Frau und seine beiden Töchter bei einem Sprengstoffanschlag in einem Londoner Restaurant getötet, er selbst schwer verletzt. Nun will er Rache nehmen, und Spenser soll sie an seiner Statt nehmen. „Finden Sie die Mörder. Ich zahle Ihnen einen guten Preis“, sagt er. Doch bald ist Spenser dem eigenen Tod näher als dem Kopfgeld …

Der Titel der dt. Übersetzung lautet: „Kopfpreis für neun Mörder“ (erstmals 1980 bei Ullstein).

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zu seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine etwa acht Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Spenser wird zu der noblen Hütte des Millionärs Hugh Dixon gerufen. Der international tätige Unternehmenschef sitzt im Rollstuhl, eine Katze auf dem Schoß. Vor einem Jahr wurden seine Frau und seine beiden Töchter bei einem Sprengstoffanschlag in einem Londoner Restaurant getötet, er selbst schwer verletzt. Doch die Londoner Polizei hat die neun Mörder – acht Männer und eine Frau – immer noch nicht gefunden. Nun soll Spenser sie ausfindig machen, für ein Kopfgeld von 2500 Dollar pro Nase bzw. 25.000 Dollar für alle. Solch einen Batzen Geld kann Spenser, dessen Konto gerade Ebbe aufweist, gut gebrauchen. Mit sämtlichen Unterlagen und einem dicken Scheck in der Tasche fliegt er nach London.

Dixon hat alle Täter genau gesehen. Zusammen mit der Polizei von London konnte er Täterbeschreibungen und Phantombilder anfertigen. Diese prägt sich Spenser nun als erstes ein. Er verabschiedet sich sehr emotionsreich von seiner Freundin Susan Silverman: Er spielt John Wayne und sie Miss Kitty wie im Film: „Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss“, knurrt er, dann lachen sie.

Es verwundert ihn nicht, dass er zwar in London bestens empfangen und unterstützt wird, aber die Polizei keinerlei Hinweise auf die Identität der Einzeltäter geben kann. „Es handelt sich um eine neue Terrorgruppe, die sich Liberty nennt und erzkonservative Werte vertritt: Kommunistenhasser und Rassisten“, erklärt Inspector Downes von der Kripo. Spenser gibt einfach eine Anzeige in der „Times“ auf. Schon einen Tag später hat er eine Einladung zu einem Treffen in seinem Hotelpostfach: offensichtlich eine Falle.

Doch er ist überrascht, dass die Terroristen zweigleisig fahren. Das Treffen soll ihn in Sicherheit wiegen, während sich zuvor zwei Attentäter in seinem Hotelzimmer auf die Lauer gelegt haben. Und sie sind keineswegs die letzten Kontrahenten, die Spenser ausschalten muss. Inspector Downes fragt sich nach drei Toten, ob es so eine gute Idee war, einen solchen Kopfgeldjäger in sein friedliches Städtchen London gelassen zu haben.

Das juckt Spenser nicht: Nachdem er das treffen hat platzen lassen, beschattet er die Frau, die ihn treffen wollte – die einzige Lady unter acht (inzwischen nur noch fünf) Männern. Katherine Caldwell (Name wohl gefälscht) lebt in einem völlig weißen Apartment, in das der Detektiv sofort einbricht. Alles sieht proper aus – bis er auf die Seiden-Dessous stößt und danach auf die gefälschten Pässe und vier 22er-Pistolen, wie sie die Angreifer verwendeten. Höchste Zeit, das alte Mädchen Katie nervös zu machen.

Aber für dieses Vorgehen muss ihm jemand den Rücken freihalten. Er ruft Hawk zu Hilfe, gegen Honorar, versteht sich. Zusammen beschatten sie Katie-Mausi so offensichtlich, bis diese plötzlich nach Kopenhagen verschwindet. Ihr zu folgen, ist für Hawk ein Klacks. Nun muss sich Spenser als Köder anbieten, während sich Hawk wie stets im Hintergrund hält.

Als sich ihm drei Bewaffnete nähern, fragt sich Spenser, ob er diesmal den Kopf der Bande kennenlernen wird. Und wenn ja, ob der ihn lange genug am Leben lässt, bis Hawk ihn retten kann …

_Mein Eindruck_

Nächste Station ist Amsterdam, wo der Anführer verschwindet und seine „Gangsterbraut“ Kathie zurücklässt. Sie ist die „Judas-Ziege“ des Originaltitels, der Verräter, der die anderen normalerweise ans Messer liefert. Das war von vornherein Spensers Plan. Und auch diesmal hat er Glück: Sie liefert ihm in höchster Angst vor Hawk, dem „grässlichen schwarzen Mann“, einen Hinweis, der alle drei nach Montreal führt.

Denn in der kanadischen Metropole finden gerade die Olympischen Spiele statt, und der Terroristenanführer will unbedingt daran teilnehmen. Allerdings nicht allein, sondern mit einem extrem starken Leibwächter, der ebenso die Kommunisten hasst wie die Schwarzen. Und dreimal darf man raten, was ein Terrorist bei der Olympiade vorhat: einen Anschlag. Können Spenser und Hawk den Tod eines Athleten oder gar noch Schlimmeres verhindern?

Wie man sieht, nimmt sich der Autor in diesem Actionthriller eines (leider) immer noch aktuellen Themas an, nämlich des internationalen Terrorismus‘. Das macht das Buch auch heute noch interessant, ebenso die Frage der Security. Aber Terroristenhatz ist für Spenser kein Selbstzweck, kein Sport. Vielmehr fühlt er sich selbst entfremdet und braucht danach immer ein Rendezvous mit Susan Silverman, um wieder zu sich selbst zu finden.

Susan steht in krassem Gegensatz zu Kathie, dem Terroristenliebchen. Kathie ist eine Masochistin, die in Misshandlung und Demütigung ihre sexuelle Erfüllung findet. Als sie sich Spenser nicht nur anbietet, sondern sogar aufdrängt, gerät er in eine peinliche Lage. Offensichtlich ist diese Frau schwer emotional gestört und somit abstoßend für ihn. Das ist das kleinere Problem. Das größere besteht darin, Susan treu zu sein. Ach, der Versuchungen sind gar viele. Hawk hat dieses Problem nicht und wird daher auch nicht von Kathie als Schlappschwanz betrachtet … Dennoch revanchiert sich Spenser für Kathies Hilfe und lässt sie laufen.

Dass solche Psychopathen wie Kathie und ihr Lover in der Terroristenszene agieren, wirft natürlich ein negatives Licht auf die Akteure. Sie scheinen alle nicht ganz zurechnungsfähig zu sein. Wie sonst könnten sie planen, eine ganze Familie mit einer Bombe auszulöschen oder einen Goldmedaillengewinner vor aller Augen zu erschießen? Merke: Dies ist kein Thriller von John le Carré.

Das Finale zieht sich über mehr als 20 Seiten hin und belohnt den Actionfreund für seine Geduld mit einem waffenlosen Fight der beiden Detektive Spenser und Hawk gegen den riesenhaften Leibwächter. Zachary hat mich stark an Ronald Niederman aus dem zweiten und dritten Teil der „Millennium“-Trilogie von Stieg Larsson erinnert. (Larsson hat sich ja aus so mancher Quelle bedient.) Dementsprechend schwer tun sich die Guten, den bärenhaften Bösen aus Russland zu Fall zu bringen. Es ist notwendig, denn wer weiß, was er anrichten könnte, sollte er entkommen. Und er ist ein wichtiger Zeuge.

_Unterm Strich_

Auch diesen Thriller habe ich in nur wenigen Stunden verschlungen. Die 200 Seiten sind mit viel Action sowie einer Menge netter als auch bizarrer Erotik gefüllt. Es schadet dem europäischen Leser keineswegs, dass ihn der amerikanische Autor an drei europäische Schauplätze entführt: das großartige England Shakespeares, das Spenser so liebt, das fast ebenso großartige Kopenhagen, „Paris des Nordens“, und schließlich nach Amsterdam, das wirklich sehr seltsam wirkt – mit seinen Pornoshops, den Hippies und Backpackern, seiner Toleranz und seinen reichen Kunstmuseen. (Weder von Kiffern noch Huren ist die Rede, aber der Autor darf beides als existent und bekannt voraussetzen.)

Von den 40 bisher gelesenen Krimis ist dies der einzige (bislang), in dem es ganz klar nur um Terroristen geht. Und diese Typen stecken auch nicht, wie so oft bei Chandler und dem späten Parker, mit dem Auftraggeber des Detektivs unter eine Decke. Die Fronten sind halbwegs klar, bis auf die kleine Ausnahme mit der titelgebenden „Verräterziege“ Kathie Caldwell, die die Fronten wechselt. Wer auf Action, Fights, Erotik und Spannung steht, ist mit diesem Thriller genau richtig bedient. Alle anderen sollten die Finger davon lassen.

|Taschenbuch: 203 Seiten
ISBN-13: 978-0440141969|
[Verlagshomepage]http://bantam-dell.atrandom.com

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066
[„Gunman’s Rapsody“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6836

„Cole & Hitch“:

1) „Appaloosa“ (2005)
2) „Resolution“ (2008)
3) „Brimstone“ (2009)
4) „Blue-Eyed Devil“ (2010)

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) [„Night and Day“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6873
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) [„Melancholy Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6834
5) [„Blue Screen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6835
6) [„Spare Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6852

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die 39 Romane umfasst, erschienen:

[„The Godwulf Manuscript“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6921
[„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
[„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
[„Potshot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6821
[„Walking Shadow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6820
[„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
[„Chasing the Bear“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6837
[„Hundred Dollar Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6838
[„Taming a Sea-Horse“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6839
[„Bad Business“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6840
[„Back Story“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6842
[„Painted Ladies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6843
[„Cold Service“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6844
[„The Professional“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6866
[„Playmates“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6867
[„Thin Air“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6872
[„Small Vices“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6829
[„Promised Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6923
[„Mortal Stakes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6922
[„God Save The Child“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6951

Parker, Robert B. – Ceremony – Ein Spenser-Krimi

_Actionreich: Der Widerspenstigen Rettung_

Statt zur Schule geht die junge April Kyle lieber auf den Strich. Der Vater hat das Mädchen längst abgeschrieben. Doch die Mutter bittet Privatdetektiv Spenser um Hilfe: In der Combat Zone, Bostons Sex-Hölle, verbringt der Detektiv einige der härtesten Tage seines Lebens.

Eine Hure sei seine Tochter, nichtsnutzig und verkommen, sagt der Vater. Für die Mutter allerdings stellt sich die Sache nicht so einfach dar. Deshalb bittet sie Privatdetektiv Spenser um Hilfe, als die junge April Kyle im Bostoner Rotlichtbezirk verschwindet. Gegen den Willen des Vaters, versucht Spenser das Mädchen zu finden. Doch als er April aufgespürt hat, beginnt das eigentliche Problem erst. Denn was soll Spenser mit einem Mädchen anfangen, dessen einzige Fähigkeiten in der Horizontalen liegen?

Der Titel der dt. Übersetzung lautet: „Einen Dollar für die Unschuld“ (1983 bei Ullstein).

Der Originaltitel beruht auf einem Zitat von William Butler Yeats über die Wiederkehr des Heilands. Die Zeilen betreffen die „ceremony of innocence“, die durch Blutvergießen beendet wird.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zu seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine etwa acht Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Seine Freundin Susan Silverman, die Vertrauenslehrerin in der Bildungsorganisation von Massachusetts ist, bittet Privatdetektiv Spenser, nach der Ausreißerin April Kyle zu suchen. Allerdings ist Spenser erstaunt über die rüde Art, wie Aprils Vater, ein wohlhabender Versicherungskaufmann, seine Tochter abgeschrieben hat und sie keinesfalls zurückhaben will. Das gilt aber nicht für Mrs. Kyle, die ihre Tochter vermisst und sich um sie sorgt. Für einen symbolischen Dollar übernimmt Spenser den Auftrag, vor allem aus Trotz gegenüber dem Rabenvater.

April ist nicht die einzige Schülerin in Smithfield, die die Schule abgebrochen hat und untergetaucht ist. Auch ihre Freundin Amy Gurwitz entschied sich für diesen Weg. Doch Amy ist viel leichter zu finden: Sie wohnt zentral in Boston bei einem dicken Mann, dem das Haus gehört. Spenser wartet, bis er Amy allein sprechen kann. Die Sechzehnjährige spielt die perfekte Gastgeberin und erteilt keinerlei Auskünfte.

Als bleibt Spenser nichts anderes übrig, als im Rotlichtbezirk von Boston nach April Ausschau zu halten. Er kreuzt den Weg von mehr als einem Zuhälter und muss sich Hawk als Schützenhilfe holen. Es stellt sich heraus, dass alle Huren und Zuhälter von Tony Marcus beherrscht werden, einem schwarzen Gangster, und dieser warnt via Hawk eindringlich davor, weiter nach der jungen Hure zu suchen. Warum? Was soll an einer x-beliebigen jungen weißen Nutte so Besonderes sein, würde Spenser gerne mal wissen.

Durch einen Tipp von einer der Prostituierten weiß Spenser, dass April strafversetzt wurde. In Providence, Rhode Island, muss sie nun die perverseren Gelüste ihrer Kunden befriedigen. Doch sie als Freier zu befreien, ist nur die halbe Arbeit. Sie entschlüpft ihm auf der Rückfahrt nach Boston mit einem simplen Trick. Es ist aber klar, wo sie wieder auftauchen wird: bei Amy Gurwitz.

Tatsächlich braucht sich Spenser vor jenem vornehmen Haus nur auf die Lauer zu legen. Am Tag vor dem Erntedankfest sieht er Amy und den Dicken davonfahren – der Weg für einen entschlossenen Einbrecher ist frei. Innen sieht alles sehr proper aus, allerdings nur, bis Spenser in den dritten Stock gelangt: Dort ist ein komplettes Fotostudio eingerichtet. Massen von Pornomaterial liegen herum. Auch die Position des Hausherrn wird Spenser deutlich: Es ist Susans zweitoberster Boss. Das dürfte sie interessieren.

Am nächsten Tag taucht April auf und zieht bei Amy und Mitchell Poitras ein. Spenser berät mit Susan, was sie unternehmen sollen. Sie hat inzwischen herausgefunden, was für ein schmutziges Spiel Poitras treibt und will April und Amy unbedingt herausholen. Leichter gesagt als getan. Die beiden Mädchen weigern sich, Poitras zu verlassen. Kein Wunder: Sie wollen weder nach Hause noch in den Rotlichtbezirk.

Die selbsternannten Retter müssen sich also eine gute Lösung des Problems einfallen lassen, bevor sie Poitras hochnehmen und dem Schicksal von April und Amy eine andere Richtung geben können. Aber zuvor müssen sie mit dem mächtigen Beschützer von Poitras reden …

_Mein Eindruck_

In der ersten Hälfte des Buches begeben sich Spenser und Hawk in eine Kampfzone: den Rotlichtbezirk von Boston. In den frühen achtziger Jahren sahen diese Sperrbezirke noch ganz anders aus als heute: grell beleuchtet, voller Schmuddelware, umstellt von Straßenprostituierten, die wiederum von knallharten Zuhältern ausgebeutet und „beschützt“ wurden.

Damit er hier überhaupt etwas erfahren kann, muss Spenser schon mal den einen oder anderen „pimp“ außer Gefecht setzen. Dabei setzt er letzten Endes sein Leben aufs Spiel, wie Hawk ihm verklickert. Und für was dies alles? Für einen lumpigen Dollar oder für ein Menschenleben? Offensichtlich ist er also ein Idealist.

|Sozialkritik|

Andererseits kann man sich fragen, welche Perspektiven eine Sechzehnjährige, die von ihrem Vater verstoßen wird, aber von einem anderen Kerl hofiert wird, wählen würde. Der Haken dabei: Der nette Kerl ist ein Charakterschwein, das Pornofilme dreht. Hier liegt der Hund begraben bzw. die zentrale Kritik des Autors an den Missständen in Boston: Dass ein hoher Beamter des Bildungsministeriums seine von allen Schulberatern des Landes über Problemschüler ihm zugetragenen Informationen dazu missbraucht, weiße Mädchen zu Huren zu machen (und Jungs, für die entsprechende Kundschaft). Dass er und seine Kunden bei der Ausbeutung der ungebildeten, wehrlosen Mädchen einen riesigen Reibach machen, versteht sich von selbst.

|Ungewöhnliche Lösung |

Doch was mit April Kyle passieren soll, sobald sie aus den Klauen ihres „netten Kerls“ befreit worden ist, ist eine schwierig zu beantwortende Frage. April will nicht zu ihren Eltern zurück – eh klar. Die Alternative dazu besteht in intensiver Beratung für Eltern und Kind – die Aussichten sind minimal, wenn man an den wütenden Vater denkt. April hat keinen Schulabschluss, und das Einzige, wovon sie etwas versteht, ist das Ficken, wie sie sagt. Als sich Spenser an einen Auftrag von vor sieben Jahren erinnert („Mortal Stakes“, Spenser Nr. 3), fällt ihm auch die Frau ein, die das Problem lösen könnte: Ms Patricia Utley, die Leiterin eines Callgirlrings.

|Die „April Kyle“-Trilogie|

Dies ist der erste „Spenser“-Roman, den Parker über April Kyle schrieb. Es folgten noch „Taming a Sea-Horse“ und „Hundred-Dollar Baby“, in dem April jenes traurige Ende nimmt, das Susan Silverman ihr vorhergesagt hat. Spenser behandelt April stets mit Respekt für ihre Wünsche, lässt ihr stets die Wahlfreiheit hinsichtlich ihrer eigenen Zukunft. Das findet keineswegs die Zustimmung Susan Silvermans, die lieber auf die Hilfen setzen würden, die sie selbst vertritt: also Schulberatung, Vertrauenslehrer usw. Zur Not sogar Waisenhaus und dergleichen.

Dass Spenser die minderjährige April weiterhin eine Prostituierte sein lässt, ist eine ziemlich ungewöhnliche Lösung. Sie steht im Widerspruch zum Fürsorgeanspruch des Staates und zum Vertrauen, das Durchschnittsbürger in die Organe ihres Gemeinwesens setzen. All diesen Instanzen erteilt Spenser praktisch eine Absage.

|Lady Susan|

Eine herausragende Szene ist der fulminante Auftritt von Susan Silverman in ihrer Eigenschaft als Schülerberaterin, als Tutorin. Wie eine Löwin, die sich um ihre ungebärdigen Jungen kümmert, tritt sie mit Spenser dem wütenden Poitras gegenüber und fordert die Herausgabe von April Kyle. Nun hat sie Spenser praktisch den Fall aus der Hand genommen. Dummerweise erteilen ihr April und Amy eine Absage.

|Invasion|

Und so bleibt es einem entschlossenen Trio aus Spenser, Hawk und Susan überlassen, eine kleine Invasion auf das Poitras-Haus anzuführen, kurz bevor die Bullen von der Sitte eintreffen. Im actionreichen und turbulenten Höhepunkt des Romans, der ohne einen einzigen Absatz erzählt wird, müssen sich die drei ihrer Haut erwehren. Denn aufgebrachte Orgienteilnehmer sind, selbst wenn sie besoffen und bekifft sind, im Kampf von Mann gegen Mann ein ernstzunehmender Gegner …

_Unterm Strich_

Im ersten Band der „April Kyle“-Trilogie muss Spenser mit großer Mühe erst die ausgerissene Sechzehnjährige in der Kampfzone des Rotlichtbezirks finden. Er stößt in ein Wespennest und riskiert sein Leben, denn zwei mächtige Männer – ein Gangster und ein hoher Beamter – haben ein einträgliches Geschäft damit aufgezogen, ahnungslose Schülerinnen erst anzulocken und dann auf dem Strich auszubeuten. Die Rettung Aprils gelingt – um einen Preis. Doch Amy Gurwitz will unbedingt bei ihrem Ausbeuter bleiben.

|Lady Susan|

Wie so oft verurteilt der Autor nicht, schon gar nicht mit irgendjemandes moralischen Maßstäben. Neben dieser Haltung gefiel mir auch das starke Auftreten von Susan Silverman, die eine bestimmte Szene völlig dominiert. Von Spenser erfahren wir auch, welche eminente Bedeutung diese Frau für ihn und sein Leben hat: Er könnte diesen Job nicht ohne sie machen. Dennoch ist sie keine heilige Madonna, sondern trägt das „Lächeln eines gefallenen Engels“. Und sie kann sehr witzig sein.

|Die zweite Ebene|

Durch viele kleine Details verrät der Autor, welches hohe intellektuelle Niveau sich hinter seiner flott erzählten Story verbirgt. Da lesen wir Zitate von Bischof Berkeley über die Natur der Wahrnehmung, eine witzige Anspielung auf Henry David Thoreau, den amerikanischen Philosophen der Selbständigkeit und Freiheit, sowie von Shakespeares berühmtem Sonett Nr. 73 („Where Late the Sweet Birds Sang“).

|Zwei edle Ritter|

Diese angedeuteten Untertöne weisen dem literarisch gebildeten Leser den Weg zu einer resonanten zweiten Ebene des Romans: Indem der edle Ritter Spenser seiner Herzens-Dame Susan verspricht, ihre Bitte zu erfüllen, geht er eine heilige Ehrenpflicht ein. Sie kann nur eingelöst werden, wenn er den Gegenstand ihres Interesses vollständig aus jeglicher Gefahr und Not rettet – auch mit unorthodoxen Methoden.

Obwohl dies recht hochgestochen klingt, kann der Krimifan mit jeder Menge harter Action seitens der beiden „Ritter“ Spenser und Hawk retten. Denn Hawk ist nur die dunkle andere Seite von Spensers Charakter – und doch eine völlig eigenständige Figur, die ich in keinem „Spenser“-Krimi missen möchte, sorgt sie doch für Witz, Ironie und den Zugang zur Welt der Schwarzen und des Verbrechens, zu der Spenser nicht ohne Weiteres Zugang hat.

|Taschenbuch: 182 Seiten
ISBN-13: 978-0140089530|
[Verlagshomepage]http://us.penguingroup.com/static/pages/publishers/adult/berkley.html

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066
[„Gunman’s Rapsody“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6836

„Cole & Hitch“:

1) „Appaloosa“ (2005)
2) „Resolution“ (2008)
3) „Brimstone“ (2009)
4) „Blue-Eyed Devil“ (2010)

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) [„Night and Day“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6873
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) [„Melancholy Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6834
5) [„Blue Screen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6835
6) [„Spare Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6852

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die 39 Romane umfasst, erschienen:

[„The Godwulf Manuscript“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6921
[„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
[„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
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[„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
[„Chasing the Bear“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6837
[„Hundred Dollar Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6838
[„Taming a Sea-Horse“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6839
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[„God Save The Child“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6951

Parker, Robert B. – God Save the Child – Ein Spenser-Krimi

_Susan Silverman top, der Rest Flop_

Ein Kind verschwindet spurlos … ist Kevin Bartlett (15) entführt worden, wie sein Vater glaubt, ein reicher Bostoner Bauunternehmer? Oder ist er nur durchgebrannt, wie Privatdetektiv Spenser argwöhnt, dem die seltsamen Begleitumstände Rätsel aufgeben? Oder ist er schon tot? Eine groteske Lösegeldforderung, ein Pappkarton mit grässlichem Inhalt, ein Toter im Hause Bartlett – das sind die rätselhaften Meilensteine auf Kevins Weg ins andere Leben, auf dem Spenser ihm folgt.

Der Titel der dt. Übersetzung lautet: „Kevins Weg ins andere Leben“ (1976 bei Ullstein).

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zu seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Spenser hat sich mit gerade mal 39 Jahren bereits einen gewissen Ruf als Bostoner Privatdetektiv erworben. Er kann deshalb auch recht gut mit der Bostoner Kripo unter Martin Quirk sowie mit der Staatspolizei unter Healy zusammenarbeiten, die ihn aber wegen seiner Unfähigkeit, sich unterzuordnen und seines berüchtigten Humors nur widerwillig kontaktieren. Die Jahre beim Bezirkstsaatsanwalt haben ihm gute Verbindungen verschafft, und die Erfahrungen als Cop, Boxer und Soldat kommen ihm stets gut zupass. So auch diesmal.

Das Ehepaar Roger und Margaret Bartlett wohnt im Bostoner Vorort Smithfield in der exklusivsten Ecke. Ihr fünfzehnjähriger Sohn Kevin ist verschwunden und sie denken, dass er entführt wurde. Dass er von selbst ausreißen würde, ist für sie undenkbar. Doch bisher haben die Mannen von Sheriff George Trask keine Spur von Kevin entdeckt. Bis eine Lösegeldforderung eintrifft, die Marge Bartlett schier einen Nervenzusammenbruch bereitet. Ihre Befürchtungen werden wahr. Was Spenser stutzig macht, ist die Form der Lösegeldforderung: ein Comic Strip.

Natürlich stellen Trask und Healy eine Falle auf, die den Geldabholer bei der Übergabe – an einer Landstraße – einfangen soll. Spenser spielt in einem nahen Pferdestall Kiebitz. Doch auch er wird von dem einfachen Trick des Räubers überrumpelt: Der Motorradfahrer entkommt auf einem simplen Reitpfad! Spenser könnte sich in den Hintern beißen.

Nun macht sich der Privatdetektiv Gedanken darüber, welche Art von Person Kevin Bartlett überhaupt ist. Er sucht die Schülerberaterin Susan Silverman auf, die an Kevins High School die Schüler psychologischen Rat erteilt. Sie sieht umwerfend auf und Spenser verliebt sich in sie. Neben seiner Einladung, die sie gern annimmt, ist aber auch ihre Information wichtig, dass Kevin sich in letzter Zeit sehr aufsässig verhalten hat und sich mit einer Clique Halbstarker einließ, deren Kopf ein gewisser Vic Harroway sein soll.

Nachdem der erste Abend mit Susan zur beiderseitigen Zufriedenheit verlaufen ist, fahren sie zu diesem Vic Harroway hinaus. Es ist ein flacher Bungalow abseits der Landstraße, dessen halb fertiggebaute Garage mal bessere Zeiten gesehen hat. Ein rauchendes 14-jähriges Mädchen im T-Shirt ruft Vic heraus, als die Besucher eintreffen. Vic ist, wie sie erstaunt sehen, ein muskelbepackter Bodybuilder. Und er verweigert nicht nur jede Auskunft bezüglich Kevin Bartlett, sondern bedroht sie mit seinen Fäusten. Ein strategischer Rückzug erscheint Spenser angebracht. Aber die Beleidung „Schlampe“ für Susan will er dem Kerl heimzahlen.

Die Entführung kommt immer weniger koscher vor. Das Ehepaar Bartlett führt keine gute Ehe, und wie Susan gesagt hat, sind beide keine guten Rollenvorbilder für einen heranwachsenden Jungen. Nachdem Mrs Bartlett, die Gattin mit Schauspielerambitionen, eine Todesdrohung erhalten hat, besteht sie hysterisch darauf, von Spenser bewacht zu werden. Und als die Leiche ihres Anwalts im Wohnzimmer liegt, fällt sie schier in Ohnmacht. Dennoch: Sie muss ihre Dinnerparty organisieren, komme, was da wolle.

Da Spenser nun im Bartlett-Haus übernachtet, lernt er auch Kevins Schwester Delilah alias Dolly kennen. Die Dreizehnjährige fasst Zutrauen zu dem starken Mann und zeigt ihm Kevins Geheimversteck. Wie in einem Votivschrein hat der Junge in einem Schrankkoffer eine ganze Sammlung von Zeitschriften und Postern über Vic Harroway versteckt. Offensichtlich ist der Bodybuilder Kevins Idol und Vaterfigur, wenn auch nicht gerade der beste Umgang. Was, wenn es sich gar nicht um eine Entführung handelt?

Aber was hat es mit diesem Harroway überhaupt auf sich, will Spenser herausfinden. Als er sich umhört, erfährt er, dass der große Kerl stockschwul sei. OK, aber womit verdient der seit einem Jahr Arbeitslose seinen Lebensunterhalt? Obwohl er damit Marge Bartlett wieder an den Rand eines Nervenzusammenbruchs bringt, seilt sich Spenser ab und begibt sich in eine Schwulenbar. Als dort endlich Harroway auftaucht und nur eine Viertelstunde mit einem fetten Kerl redet, folgt er dem Bodybuilder durch den Regen. Im Stadtpark legt sich Spenser auf die Lauer, um herauszufinden, wen Harroway dort treffen will.

Zu seiner Überraschung handelt es sich um einen alten Bekannten aus dem Kreis um die Bartletts, der ebenfalls auf jener fulminanten und megapeinlichen Dinnerparty war, zu der Spenser auch Susan einlud. Als Spenser Harroways Spur weiterverfolgt, stößt er auf einen finsteren Zusammenhang. Doch wo ist der offenbar ahnungslose Kevin?

_Mein Eindruck_

Ich gebe offen zu, dass ich mir diesen zweiten „Spenser“-Krimi, der ja immerhin schon einige Jährchen auf dem Buckel hat, nur wegen eines einzigen Handlungsaspektes gekauft habe: Hier lernt Spenser seine Lebensgefährtin Susan Silverman kennen und lieben. Sie ist eine ungewöhnliche Frau: intellektuelle Jüdin mit großartigem Sinn für Humor und einem Hunger nach sexueller Erfüllung. Da kommt sie bei Spenser genau an den Richtigen.

Er hat zwar in „The Godwulf Manuscript“ („Spenser“-Krimi Nr. 1) die Sekretärin Brenda Loring kennengelernt und trifft sie auch noch in „Mortal Stakes“ (Spenser Nr. 3), doch schon in „Promised Land“ (Nr. 4) ist Susan die einzig Wahre. Kann man gut verstehen. Susan fügt seinem Leben interessante Aspekte hinzu, nicht zuletzt auch tiefere psychologische Einsichten. Kein Wunder also, dass sie in der TV-Serie „Spenser For Hire“ neben Robert Urich erstklassig besetzt wurde. Umso schlimmer daher, dass sie in „Valediction“ (Nr. 11) verschwindet und in „A Catskill Eagle“ (Nr. 12) gerettet werden muss!

|Eine dubiose Entführung|

Doch Spenser hat auch noch einen Fall zu lösen, auch wenn sich die Arbeit bei den Bartletts weder als anstrengend noch als vergnüglich bezeichnen lässt: Marge Bartlett ist eine egozentrische Nervensäge und betrügt obendrein ihren Mann, den Bauunternehmer Roger, der natürlich ständig auf Baustellen rumhängt. Nicht zuletzt Sheriff Trask gehört zu ihren Lovern. Bei dem Gedanken an den Fettwanst dreht sich Spenser der Magen um.

Dass sich in dieser Familie ein fünfzehnjähriger Junge nicht gerade wohlfühlte, kann Spenser gut nachvollziehen. Er wäre vielleicht auch ausgerissen und hätte seinen „Alten“ Streiche gespielt. Dazu gehören nicht nur gereimte Todesdrohungen sowie Lösegeldforderungen in Comicstripform, sondern auch eine Strohpuppe in einem Leichenwagen. Sehr witzig, Kevin, denkt Spenser.

|Das dunkle Imperium|

Dass Kevins Idol und Vaterersatz Vic Harroway nicht nur schwul, sondern auch ein Verbrecher ist, lässt den Detektiv nichts Gutes für die Zukunft des Jungen erwarten. Harroway könnte ihn vergewaltigen oder gar für seine kriminellen Aktivitäten einspannen. Doch wie sich herausstellt, hat der scheinbar unangreifbare Bodybuilder nicht nur einen mächtigen Beschützer, sondern gleich zwei, einer schlimmer als der andere. Von dem Freier einer minderjährigen Prostituierten, die Harroway ihm zuführte, quetscht Spenser brisante Informationen heraus. In Smithfield existiert demnach ein Verbrechensimperium, das seinesgleichen sucht. Aber wie kann das sein, wenn es doch den tüchtigen Sheriff Trask gibt …?

|Showdown|

Der Schlüssel zur Lösung der privaten Seite dieses kniffligen Rätsels ist Kevin. Und da dieser sich an Harroway gebunden fühlt, wer der sein unangreifbarer Beschützer ist, muss Harroway ausgeschaltet werden. Leichter gesagt als getan, schließlich ist der Typ Bodybuilder. Doch Spenser ist nicht umsonst ein ausgebildeter Boxer, der gleich merkt, dass er es mit keinem entsprechend trainierten Gegner zu tun hat.

Bevor er jedoch zum Schlag kommt, muss er mit ansehen, wie sich erst Roger Bartlett und dann auch dessen Frau wütend auf den „Kindsräuber“ stürzen. Ein zum Scheitern verurteilter Angriff, wie sich sogleich herausstellt. Aber Spenser rechnet es ihnen hoch an: Sie lieben ihren Sohn wirklich. Dann ist auch für der Moment der Wahrheit gekommen, als Harroway zum ersten Fausthieb ausholt.

In allen seinen ersten „Spenser“-Krimis hat Parker solche Boxkämpfe inszeniert. Man kann sie mögen oder auch nicht, doch sie gehören zu seinem frühen Stil dazu. Später weiß er es besser. Dann entscheidet der Grips und nicht die Faust, welchen Kampf Spenser gewinnt. Bemerkenswert ist jedoch, dass es praktisch nie zu Schießereien kommt. Die empfand Parker offenbar stets als öde und einem so intelligenten Helden als unangemessen.

In einem zweiten Showdown stellt Spenser die beiden Hintermänner, die Harroway lediglich als Erfüllungsgehilfen für die Drecksarbeit benutzt haben. Quirk und Healy helfen ihm dabei, wenn auch, wie so oft, widerwillig. Spenser sind eben manchmal nicht mit der Verfassung der Vereinigten Staaten zu vereinbaren (Habeas Corpus und so weiter). Aber das ist eben das Unterhaltsame an seiner Arbeit. Ganz im Gegensatz zu dem der Cops, die in dieser Geschichte nur rumhängen.

_Unterm Strich_

Wie gesagt, habe ich diesen „Spenser“-Krimi nur wegen des erstmaligen Auftritts von Susan Silverman, Spensers künftiger Lebensgefährtin, gekauft. Sie sorgt für zwei feine romantische Szenen und für einige wertvolle psychologische Einsichten. Mit Humor gesegnet, werden ihre Szenen sozusagen zum Salz in der Suppe. Und das ist wörtlich zu verstehen: Bei Spenser geht Liebe immer durch den Magen, denn er ist ein ausgezeichneter Koch.

Den Plot kann man ansonsten echt in der Pfeife rauchen. Die Story ist so dünn, dass sie sich auch auf der Hälfte der Seiten hätten erzählen lassen. Die restlichen hundert Seiten musste der Autor offenbar mit Silverman-Romantik, irreführender Action und nervenden Partys füllen. Ich brauchte viel Geduld und viel Sympathie für den Helden, um die Story zu bewältigen.

Das ist das erste Mal, dass mir das bei einem „Spenser“-Krimi passiert ist. Das letzte Drittel wiegt den vorhergehenden Rest dann beinahe wieder auf – aber nur beinahe. Die zwei Showdowns hätte Parker schon viel früher andeuten können. Später machte er einen besseren Job als hier. Diesen Roman muss man nur kennen, wenn man sich für den ersten Auftritt Susan Silvermans interessiert.

|Taschenbuch: 205 Seiten
ISBN-13: 978-0440128991|
[Verlagshomepage]http://bantam-dell.atrandom.com

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066
[„Gunman’s Rapsody“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6836

„Cole & Hitch“:

1) „Appaloosa“ (2005)
2) „Resolution“ (2008)
3) „Brimstone“ (2009)
4) „Blue-Eyed Devil“ (2010)

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) [„Night and Day“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6873
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) [„Melancholy Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6834
5) [„Blue Screen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6835
6) [„Spare Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6852

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die 39 Romane umfasst, erschienen:

[„The Godwulf Manuscript“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6921
[„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
[„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
[„Potshot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6821
[„Walking Shadow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6820
[„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
[„Chasing the Bear“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6837
[„Hundred Dollar Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6838
[„Taming a Sea-Horse“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6839
[„Bad Business“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6840
[„Back Story“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6842
[„Painted Ladies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6843
[„Cold Service“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6844
[„The Professional“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6866
[„Playmates“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6867
[„Thin Air“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6872
[„Small Vices“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6829
[„Promised Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6923
[„Mortal Stakes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6922

Parker, Robert B. – Appaloosa (Cole & Hitch 1)

_Verfilmt: Western-Klischees gegen den Strich gebürstet_

Die beiden freischaffenden Stadt-Marshalls Virgil Cole und Everett Hitch bekommen es in dem Städtchen Appaloosa mit einem despotischen Rancher zu tun, der die Stadt tyrannisiert. Sie nehmen es mit ihm und seinen 25 Cowboys auf. Gestört werden sie von Virgils Affäre zu der Pianospielerin Allie French, die sich als fiese Intrigantin erweist.

Das Buch wurde noch nicht übersetzt, aber inzwischen (2008) mit Viggo Mortensen, Jeremy Irons, Ed Harris und Renée Zellweger verfilmt. Die Kritiker waren sich einig, dass hier die alten Motive des Westerns überarbeitet werden.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Das erste Mal, als Everett Hitch auf Virgil Cole trifft, ist vor einem Saloon in dem Kaff Trinidad, irgendwo in Arizona. Der Marshall ist deutlich an seinem Stern auf der Brust zu erkennen. Everett schaut zu, wie es mit einem betrunkenen Fallensteller in Lederwams aufnimmt, der den bezeichnenden Namen Bear trägt. Virgil ist die ganze Zeit sehr ruhig, erhebt die Stimme nie, doch als der andere zur Waffe greift, schießt er zuerst. Cole, der den Beistand Everetts zu schätzen, fragt den arbeitslosen Durchreisenden, ob er als sein Deputy arbeiten würde. Everett sagt schließlich ja.

|Der Tyrann: Randall Bragg|

Nachdem sie einige weitere Städtchen zusammen befriedet haben, treffen sie in Appaloosa ein. Die drei Ältesten des Stadtrates bitten Virgil, sie von dem Rancher Randall Bragg zu befreien, dessen Cowboys nicht nur die Stadt tyrannisieren, sondern auch den vorhergehenden Marshall Jack Bell und dessen Deputy erschossen, als diese drei von ihnen festnehmen wollten. Diese drei hatten eine Bürgerin vergewaltigt, nachdem sie ihren Gatten erschossen hatten. Virgil lässt sich umfassende Vollmachten erteilen und drakonische Gesetze verhängen. Das Wichtigste davon: Niemand darf innerhalb der Stadtgrenzen eine Waffe tragen.

Natürlich glauben die Bragg-Cowboys nicht, dass der neue Marshal diese Gesetze durchsetzen würde. Drei von ihnen müssen für diesen Irrtum ins Gras beißen, der Vierte ergibt sich. Bragg will verhandeln, aber Cole zeigt ihm, was die einzige Verhandlungsbasis ist: seine Gesetze. Bragg zieht Leine. Als ein ehemaliger Deputy Jack Bells namens Whitfield zurückkehrt, um als Zeuge gegen Bragg und Co. wegen Mordes auszusagen, sieht Cole einen guten Grund, sich Bragg zu schnappen. Aber wie geht man gegen 25 Bewaffnete vor? Am besten gar nicht. Stattdessen schnappen sich Cole und Everett den Rancher auf dem stillen Örtchen und stecken ihn in die Zelle des Sheriffbüros.

Sie müssen zweieinhalb Wochen warten, bis der Wanderrichter vorbeikommt, um das Urteil über Bragg zu fällen. In dieser Zeit kann viel passieren, daher wird der Gefangene permanent bewacht und Whitfield, der einzige Zeuge, nächtigt im Knast, damit er nicht von Braggs Leuten erschossen wird.

|Woman trouble: Allie French|

Inzwischen hat sich eine angeblich verwitwete Pianospielerin namens Allie French in Cole verliebt und fängt mit ihm eine Affäre an. Everett, Coles treuer Gefährte, schaut dem Anfang skeptisch zu. Denn weil Allie Cole wütend gemacht hat, schlägt dieser einen Kutscher zusammen. Nur Everett kann Coles Anfall beenden. Dennoch bleiben Cole und Allie beisammen und bauen ein Haus am Stadtrand.

Dort soll Everett auf Coles Geheiß mal die Zimmer anschauen – und wahrscheinlich Allie Gesellschaft leisten. Allie schmeißt sich jedoch an den überraschten Everett ran und küsst ihn. Der drückt sie von sich weg und haut ab, denn seinen Freund zu betrügen kann nur zu Ärger führen: Cole würde ihn abknallen. Katie Goode, die freundliche Hure, zu der Everett oft geht, ahnt, was Allie French tun wird: Sie wird Everett an Cole verraten, und dann gnade Gott den beiden – und der Stadt.

Schon bald taucht Randall Braggs Vormann Vince, ein Revolvermann, mit 20 Männern vor dem Gefängnis auf, um Bragg herauszuholen. Nur Cole und Everett stellen sich ihm entgegen. Der Ärger hat begonnen.

_Mein Eindruck_

Aber das ist der Auftakt zum turbulenten Mittelteil des Romans. Zwei Revolverhelden, mit denen Cole schon mal zusammengearbeitet hat, tauchen in der Stadt auf: die Shelton-Brüder Ring und Mackie. Es ist klar, worauf sie aus sind. Nach Braggs überfälliger Verurteilung zum Tod durch den Strang entführen sie Allie French und versprechen Cole, sie im Austausch für Bragg wieder freizulassen. Dies geschieht bei einem Wassertank mitten in der Prärie, wo der Zug, der Bragg ins Gefängnis bringen soll, anhält, um zu tanken. Die Sheltons hauen Cole übers Ohr und verschwinden mitsamt Bragg und Allie.

Nun folgt eine kuriose Verfolgungsjagd mitten durch die Prärie, die zu diesem Zeitpunkt offenbar noch von den letzten Kiowa-Indianern bewohnt wird. Als die Verfolgten in einer Flussbiegung ein Lager aufschlagen, schlagen die Kiowa-Jäger zu, um sich die Waffen und die Frau zu schnappen. Dies beobachten Cole und Hitch, die inzwischen aufgeschlossen haben. Sie wissen, dass die Indianer nur auf der Büffeljagd waren, als sie die Weißen entdeckten. Und Cole und Hitch beobachten erstaunt, wie Allie French sich nach dem Nacktbaden ihrem Entführer Ring Shelton hingibt.

Um die Indianer abzuwehren, müssen sich Entführer, Entführte und Verfolger zusammentun, wobei sich Hitch durch besonderen Mut hervortut, indem er dem Anführer der Kiowas auf friedliche Weise begegnet statt mit der Knarre. Zusammen geht’s weiter nach Beauwville, wo es zum Shootout kommen wird, weil sich die Sheltons und ihr Cousin, der Stadt-Marshal, weigern, den Gefangenen herauszurücken. Der Schluss des Romans besteht in der Lösung des Bragg-Problems – ein für alle Mal. Nur wer ganz genau aufgepasst hat, weiß, warum es nicht Cole, sondern Hitch ist, der Bragg erledigt.

|Die Gesetzeshüter|

Die beiden Gesetzeshüter Cole und Hitch schlagen sich von Stadt zu Stadt durch – sie sind, was sie tun, wie Spenser, Jesse Stone und all die anderen Helden bei Robert B. Parker. Zugleich sind sie ein dynamisches Duo: Während Cole so abgebrüht ist, dass er keine Angst vor dem Tod hat, verfügt Hitch durchaus noch über Gefühle – und das mache ihn verwundbar, findet Cole. Deshalb ist es Hitch ganz zufrieden, nur der Deputy zu sein. Er hat dafür Gelegenheit, seinen Gefährten bei dessen Gebrauch der falschen Fremdwörter zu korrigieren. Während Hitch auf der US-Militärakademie West Point war, kennt Cole dafür Clausewitz, den preußischen Militärtheoretiker. Diese zwei Jungs haben einiges auf dem Kasten.

|Die Frau und der Leitwolf|

Beide könnten friedlich ihren Job erledigen, tja, wenn es Allie French nicht gäbe. Nur Katie Goode, Everetts Hure, scheint diese Frau vollständig zu verstehen. Allison ist ein Überlebenstyp: Sie hängt sich immer an den Leitwolf in einer Gemeinschaft, damit dieser sie beschützt und ernährt. Als sie sich an Everett ranschmeißt, kapiert dieser Allies Methode: Everett ist Allies Ersatzmann, sollte Cole, mit dem Allies zusammenwohnt, etwas zustoßen. Als sie entführt wird, lässt sie sich mit Ring Shelton ein, dem neuen Leitwolf.

Tatsächlich ist die Bezeichnung „Leitwolf“ falsch, denn das Symbol, das der Autor dafür gewählt hat, ist der große, starke Appaloosa-Hengst, dessen Freiheit und Dominanz Cole so bewundert, dass er ihn sowohl Everett als auch Allie zeigt. Allie erschrickt, als der Hengst mit einem Rivalen kämpft und diesen in die Flucht schlägt. Sie schlägt die Hände vors Gesicht und jammert: „Oh mein Gott!“ Wer weiß, was sie in diesem Kampf erblickt hat. Sie fragt, warum sich die Stuten nicht einfach auch von dem zweiten Hengst decken lassen – was genau die falsche Denkweise ist, aber ihrer eigenen völlig entspricht.

Als Cole und Everett einmal von Ehre und Unehre sprechen, schüttelt Allie nur verwundert den Kopf und fragt sich, wie Männer bloß so „silly“ sein können, so töricht. Nun, für Cole und Hitch ist die Ehre alles. Denn würden sie sich nicht an die Regeln halten, die sie als Gesetz über eine Stadt verhängen, wären sie keinen Deut besser als jeder dahergelaufene Straßenköter, der mit einer Knarre umzugehen wisse – wie die Sheltons etwa. Die Ehre ist alles, was zwischen den Gesetzeshütern und der Barbarei steht. Und ausgerechnet diese Ehre will Allie für töricht halten?

|Freundschaft|

In Beauville ist Bragg entkommen. Nach einem Jahr kehrt er zurück und gibt die Rolle des reuigen Sünders, der die Stadt Appaloosa zu neuer Pracht und Blüte führen will. Er kauft die Stadträte aus und plant, seinen Kompagnon zum Bürgermeister zu machen. Das würde Cole und Hitch natürlich den Job kosten. Doch dann macht Bragg einen Fehler: Er will auch Cole die Frau ausspannen. Da hat er bei Allie leichtes Spiel, denn er ist offensichtlich der neue Leitwolf in der Stadt und sie lässt sich gerne mit ihm ein.

Als Everett die beiden inflagranti delicto erwischt, steht er vor einem Dilemma: Wenn Cole erfährt, dass er betrogen wird, bringt er Allie und/oder Bragg aus persönlichen Gründen um – ein klarer Verstoß gegen die eigenen Ehrenregeln. Also muss Everett einen Weg finden, um Cole nicht in diese Verlegenheit zu bringen. Er gibt seinen Stern ab und fordert Bragg danach als reiner privatmann heraus. Für seinen Freund und die Ehre setzt er sein eigenes Leben aufs Spiel. Er macht alles richtig, genau, wie es ihm Cole beigebracht hat …

Neben all dem Brimborium, das typisch für jeden Western ist, geht es also dem Autor um die zentrale Frage, was denn eigentlich die Gesetzeshüter wie Cole & Hitch von den angeheuerten Revolvermännern wie den Sheltons unterschieden. Und wie weit ist es eigentlich mit diesem angeblichen Ehrenkodex her, wie er von John Wayne und anderen Hollywood-Ikonen verkörpert wurde, etwa in „Rio Bravo“? Die Frau, um die es geht, stellt alles in Frage, doch Everett Hitch hat eine Antwort darauf: freundschaftliche Treue.

|Der Überlebenstyp|

Der Autor verurteilt Allie French keineswegs, so wie er auch sonst stets unparteiisch bleibt: Sie lebt nach ihren eigenen Regeln, und die oberste lautet: Überleben! Und das geht nach ihrem Verständnis nur an der Seite des jeweils stärksten Mannes, den sie mit der ältesten Währung der Welt bezahlt: Sex. Dabei will sie sich doch keinesfalls mit einer Stute vergleichen lassen, die sich nur vom stärksten Hengst decken lässt – und doch verhält es sich genauso. Und das ist das zentrale Motiv, das sich im Titel Appaloosa – einer speziellen Pferderasse – widerspiegelt. Doch der einzige Grund, der verhindert, dass Allie wie alle anderen unverheirateten Frauen in der Grenzstadt anschaffen gehen muss, ist ihr Klavierspiel. Und das beherrscht sie nach Everetts Meinung auch noch ziemlich schlecht.

Wer die „Jesse Stone“-Krimis kennt (ebenfalls verfilmt), der erinnert sich an Jesses Exfrau Jennifer, von der er sich in L.A. scheiden ließ, nachdem er wg. Trunksucht aus dem Polizeidienst geflogen war. An seinem neuen Arbeitsort taucht sie erneut auf, setzt ihm jedoch wieder Hörner auf – nur um zu ihm zurückzukehren, wenn ihre Pläne scheitern. Sie ist ebenfalls ein Überlebenstyp und gleichfalls nicht zu verurteilen. Aber wie für Cole macht ihr Verhalten das Leben für den Gesetzeshüter Jesse Stone nicht gerade einfacher. Das sorgt wiederum für den ironischen Humor in den „Stone“- und in den „Cole & Hitch“-Romanen.

_Unterm Strich_

Klar, dass es Schießereien und andere Standardsituationen aus den Westernfilmen gibt. Aber sie sind niemals Selbstzweck oder gar Show – so machen eben die Gesetzeshüter Cole & Hitch ihre Arbeit. Dass sie den Verbrecher der Gerechtigkeit zuführen, versteht sich von selbst. Doch dann gibt es Komplikationen: Allie French, mit der sich Cole eingelassen hat, wird von Braggs Revolvermännern entführt und erst viel später freigelassen. Es kommt zu einer Auseinandersetzung mit Indianern und einer weiteren Schießerei mit Braggs Leuten. Um das Problem Bragg endgültig zu lösen, muss Hitch ihn zum Duell herausfordern.

Das ist der nicht so standardmäßige Handlungsverlauf. Dieser Aspekt könnte Ed Harris, den Produzenten, Regisseur und Hauptdarsteller der Verfilmung von 2008 dazu veranlasst haben, das Projekt überhaupt zu machen. Er spielt ja selbst auch öfters solche Macho-Typen, etwa einen marhsal, einen Sheriff oder den Anführer einer Killertruppe. Und Viggo Mortensen (Hitch) ist in „History of Violence“ – und natürlich als Aragorn – schon selbst als Mann aufgetreten, der Gewalt einzusetzen weiß, um seine Werte (Freiheit, Liebe, Treue usw.) zu verteidigen.

Die beiden Hauptfiguren sind, wie im Film, recht nachdenklich und reden oft über sich und ihre Motive und Einstellungen, nicht zuletzt deshalb, weil Allie sie ständig löchert. Haben sie denn keine Angst bei ihrem Job, will sie wissen? Cole hat keine, aber Everett schon – das unterscheidet die beiden grundlegend. Allie ist denn auch, die alles in Frage stellt: die Gesetze, die sie aufstellen, ihre Ehre und das Konzept von Liebe sowieso. Trotz dieser Zweifel kann man den Roman keineswegs nihilistisch nennen, sondern lediglich realistisch. Denn es gibt eines, das durchaus imstande ist, diesen Zweifeln Paroli zu bieten: das Prinzip der freundschaftlichen Treue.

Für einen Western ist dieser Roman sehr untypisch, und der Leser, der sich Klischees erwartet, wird enttäuscht werden. Doch es ist auch kein Anti-Western, denn die beiden Hauptfiguren werden zwar heftig angekratzt, doch bleiben sie Sieger. Auch die Frauenfiguren werden weder auf den Sockel gestellt, noch als Huren üb er einen Kamm geschert, sondern nur als Überlebenstypen gewürdigt. Man kann dies verurteilen. Der Autor tut dies wohlweislich nicht, zeigt aber die Folgen dieser Haltung auf. Was würde aus der menschlichen Gesellschaft werden, wenn es ausschließlich Überlebenstypen gäbe? Die „Regeln“ und ihre Durchsetzung würden der Vergangenheit angehören und wir würden zur Barbarei zurückkehren.

|Taschenbuch: 290 Seiten
ISBN-13: 978-0425204320|
[Verlagshomepage]http://us.penguingroup.com/static/pages/publishers/adult/berkley.html

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066
[„Gunman’s Rapsody“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6836

„Cole & Hitch“:

1) „Appaloosa“ (2005)
2) „Resolution“ (2008)
3) „Brimstone“ (2009)
4) „Blue-Eyed Devil“ (2010)

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) [„Night and Day“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6873
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) [„Melancholy Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6834
5) [„Blue Screen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6835
6) [„Spare Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6852

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die 39 Romane umfasst, erschienen:

[„The Godwulf Manuscript“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6921
[„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
[„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
[„Potshot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6821
[„Walking Shadow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6820
[„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
[„Chasing the Bear“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6837
[„Hundred Dollar Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6838
[„Taming a Sea-Horse“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6839
[„Bad Business“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6840
[„Back Story“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6842
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[„Cold Service“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6844
[„The Professional“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6866
[„Playmates“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6867
[„Thin Air“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6872
[„Small Vices“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6829
[„Promised Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6923
[„Mortal Stakes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6922
„Hugger Mugger“ …
Und viele Weitere.

Parker, Robert B. – Godwulf Manuscript, The – Ein Spenser-Krimi

_Spensers erster Fall: Tempo, Sex und Action_

Spenser wird von einer Bostoner Universität angeheuert, eine rares, gestohlenes Manuskript aus dem Mittelalter wiederzubeschaffen. Er ist kaum überrascht, dass sein einziger Hinweis ein radikaler Student ist, dem vier Kugeln in der Brust stecken. Die Cops sind dabei, die hübsche Blondine einzubuchten, deren Fingerabdrücke sich überall auf der Tatwaffe finden. Spenser gibt sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden. Er kniet sich in seine Hausaufgaben rein, im Wissen, dass, wenn er seinen Auftrag nicht schnellstens erledigt, könnte er sich eine ganz schlechte Note einhandeln – eine, die von einer blauen Bohne begleitet wird …

Deutsche Übersetzung? Ich konnte keine finden.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) [„Night and Day“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6873
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) [„Melancholy Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6834
5) [„Blue Screen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6835
6) [„Spare Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6852

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die 39 Romane umfasst, erschienen:

[„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
[„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
[„Potshot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6821
[„Walking Shadow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6820
[„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
[„Chasing the Bear“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6837
[„Hundred Dollar Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6838
[„Taming a Sea-Horse“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6839
[„Bad Business“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6840
[„Back Story“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6842
[„Painted Ladies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6843
[„Cold Service“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6844
[„The Professional“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6866
[„Playmates“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6867
[„Thin Air“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6872
[„Small Vices“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6829
„Hugger Mugger“ …
Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Der Direktor der Bostoner Universität beauftragt Privatdetektiv Spenser damit, ein am Sonntag gestohlenes Manuskript aus dem 14. Jahrhundert wiederzubeschaffen. Der Sicherheitsbeauftragte der Uni, Tower, informiert ihn, dass der anonyme Dieb 100.000 Dollar Lösegeld für das Manuskript haben will, zahlbar an eine radikale Organisation. Ein seltsamer Dieb, findet Spenser. Tower tippt auf eine radikale Organisation namens SCACE: das Studentenkomitee gegen kapitalistische Ausbeutung.

Das zugänglichste Mitglied von SCACE soll dessen Sekretärin Terry Orchard sein. Die junge Frau erweist sich zwar als halbwegs mitteilsam, doch ihr radikaler Freund Dennis Powell will sich unbedingt mit Spenser prügeln. Da gerät er an den Richtigen: Spenser war mal Boxer. In Nullkommanix liegt Dennis am Boden, dann zerrt er Terry fort. Wenigstens konnte Spenser ihr seine Karte geben.

Und das erweist sich als gut für sie, denn nachts um drei Uhr ruft sie ihn an und bittet ihn mit einer merkwürdig langsamen Stimme um Hilfe. Er rast zur angegebenen Adresse in einer anrüchigen Studentengegend nahe der Uni. Er bricht in die angegebene Wohnung ein, nur um die Leiche des erschossenen Dennis Powell vorzufinden sowie eine schwer unter Drogen stehende Terry Orchard.

Nachdem er ihren Kreislauf wieder in Schwung gebracht hat, kann sie ihm halbwegs zusammenhängend berichten, was geschehen ist. Zwei weiße Männer in Mäntel und mit Handschuhen wurden von Dennis mitten in der Nacht hereingelassen. Sie erschossen ihn, dann richteten sie es so ein, dass das wehrlose Mädchen ihre eigene Waffe – sie hatten sie extra mitgebracht – auf den leblosen Dennis abfeuerte. Spenser ist klar warum: Die Schmauchspuren würden auf Terry als Schützin hinweisen. Dann verabreichten die zwei Verbrecher ihr oral eine Droge, die nach Opium und Kampfer schmeckte. Es sollte wie eine Überdosis aussehen. Alles sollte wie ein Streit unter Liebenden sowie einem Selbstmord der Schützin aussehen. Nur Spensers Eintreffen machten den Urhebern einen Strich durch die Rechnung.

Aber wer hat die Kerle geschickt, fragt sich Spenser. Terry weiß es nicht. Erst auf seine bohrenden Fragen rückt sie mit Bruchstücken ihrer Erinnerung heraus: Dennis telefonierte mit einem Professor und sagte, er habe „es“ gut versteckt – das Godwulf-Manuskript? Terry weiß es nicht. Sobald Spenser sie bei der Mordkommission von Lieutenant Martin Quirk abgeliefert hat, beauftragt ihr Vater, der Terry auf Kaution freibekommt, Spenser damit, nach den Verbrechern zu suchen, die seine Tochter zu einer Mordverdächtigen gemacht haben.

Mit zwei Honorarvorschüssen in der Tasche macht sich Spenser auf die Suche, denn für ihn ist sonnenklar, dass der Manuskript-Diebstahl und der Mord an Dennis Powell zusammenhängen. Als Informationsquelle tut Spenser, der von der Unilleitung und Tower gewarnt wird, bloß keine Dozenten zu beschnüffeln, die Chefredakteurin der Studentenzeitung auf, Iris Milford. Iris ist eine Schwarze, erst 28 und schon Mutter von drei Kindern – sie kennt das Leben.

Und sie kann ihm einen Professor nennen, der sowohl für das Manuskript als auch als Powells Kontakt in Frage kommt: Prof. Lowell Hayden. Kaum hat Spenser eine paar Takte mit dem Professor gesprochen, als auch schon zwei Typen mit harten, kantigen gesichtern in seinem Büro auftauchen. Sie fordern ihn unmissverständlich auf, sie zu dem Unterweltkönig Joe Broz zu begleiten, wenn ihm seine Gesundheit am Herzen liegt. Schweren Herzens kommt Spenser mit. Mit Joe Broz scherzt man nicht.

Nach dem unerquicklichen Gespräch mit dem „Paten“ geschehen merkwürdige Dinge in Spensers Fall: Das Manuskript taucht wieder, Quirk wird als Ermittlungsleiter abgelöst und – eine weitere Leiche taucht auf: Terry Orchards frühere Mitbewohnerin Catherine Connelly. Jetzt wird Spenser erst recht neugierig, ganz egal, ob Joe Broz ihn ernsthaft davor gewarnt hat, weiter seine Nase in diesen Fall zu stecken.

Denn für ihn gibt es nur einen Weg, um die unschuldige Terry Orchard vor dem Frauengefängnis zu bewahren: den wahren Urheber des Mordanschlags auf sie und Dennis Powell zu finden …

_Mein Eindruck_

Der Held agiert in Parkers erstem „Spenser“-Krimi wie heutzutage Jack Reacher: Kompromisslos, unaufhaltsam, ohne Rücksicht auf eigene Verluste. Das ist schwer nachzuvollziehen, weil wir nur sehr wenig von seinem Hintergrund mitgeteilt bekommen. Er hat in Korea gekämpft, war mal ein Polizist, bis er wegen Befehlsverweigerung geschasst wurde, arbeitete auch mal für den Distriktstaatsanwalt des Landkreises Suffolk. Er kennt sich also mit Ermittlungen aus – na schön. Aber wieso muss er durch jede Mauer?

Es muss wohl an seinem weichen Herz liegen, das ihn größtes Interesse am weiblichen Geschlecht hegen lässt. Und die arme Terry Orchard ist nicht nur mehrfach auf seine Hilfe angewiesen, sondern sie sieht auch gut aus – und er schläft auch mich ihr. Schließlich ist er keineswegs ein Kostverächter. Selbst wenn er kurz zuvor mit Terry Mutter geschlafen hat, die von ihrem stets abwesenden Mann reichlich frustriert ist und dringend sexuelle Zuwendung braucht. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, ist Spenser eine Ein-Mann-Schutztruppe für Frauen in Not.

Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, ist er ein unaufhaltsamer Verfechter der Gerechtigkeit. Weder Drohungen von Joe Broz noch Warnungen von der Polizeiführung können ihn davon abhalten, den Drahtzieher des Anschlags auf Dennis und Terry ausfindig zu machen und zu Rechenschaft zu ziehen. Ironischerweise muss er dem Kerl erst einmal das Leben retten und fängt sich dabei eine Kugel ein.

Man kann sich weder über zu geringes Tempo noch über zu wenig Action – weder in Form von Gewalt, noch in Form von Liebe – beschweren. Der finale Showdown lässt als Dramatik und verzweifelter Gewalt nichts zu wünschen übrig. Später muss sich Spenser von seiner Freundin Susan Silverman – die er im nächsten Fall kennenlernt – fragen lassen (in „Promised Land“), ob es wirklich nötig war, Joe Broz‘ Killer mit eigenen Händen zu erwürgen. Spenser kann nur erwidern, dass er das ist, was er tut. Man muss ihn an den Ergebnissen seiner Taten messen, wie Thomas Jefferson es empfahl: Und das Ergebnis ist, dass der Täter gefasst wird und Terry Orchard endlich freikommt. Da gibt es nichts zu meckern.

_Unterm Strich_

Das titelgebende Godwulf-Manuskript selbst ist völlig unwichtig, ganz im Unterschied zu jenen alten Schriften, die wir bei Dan Brown finden. Somit ist dieser schnörkellose, sehr temporeiche Krimi keineswegs ein Thriller neuer Schule, sondern eher ein naher Verwandter eines Mike-Hammer-Krimis von Mickey Spillane.

Bekanntlich ist Parker auch ein Jünger und Nachahmer, ja sogar Kollaborateur (bei „Poodle Springs“, s. o.) von Raymond Chandler. Respektlose Untersuchungen und Schnüffler sind dessen Markenzeichen. Bei Spenser kommen noch die Eigenschaften eines guten Kochs und eines Künstlers hinzu – ein seltener Vogel.

Da das Geschehen an einer Uni spielt, kennt sich der ehemalige Uniprofessor Parker (er war es bis 1979) bestens mit dem Milieu aus. Und natürlich mit der entsprechenden Ära, die von Rassenunruhen, Studentenrevolten („Four Dead in Ohio!“), Gegenkultur, Revoluzzern, Sekten (man denke an Charles Manson) und natürlich Drogen geprägt war – eine sehr turbulente Zeit. Was macht Parker daraus?

Parker lehnt nicht die Menschen an sich ab, wohl aber ihre verbrecherischen Taten und Absichten. Der Täter etwa will die Menschen durch Drogen befreien, als sei er ein zweiter Timothy Leary. Dass er dabei ebenso einen Reibach macht wie der Gangster, der das Heroin liefert, steht offenbar in keinem Widerspruch zu seinen antikapitalistischen Thesen. Der Täter erweist sich als echter Wirrkopf und gemahnt Spenser an gewisse Figuren aus „Alice im Wunderland“, etwa an den Verrückten Hutmacher. Dementsprechend zahlreich und tragisch sind die Opfer dieser wirren Denkweise.

Spenser bzw. Parker hat schon immer etwas gegen Radikale und Theoretiker gehabt. Am besten ist dies im preisgekrönten Krimi „Promised Land“ abzulesen (Spenser Nr. 4). Dort töten radikale Feministinnen beiläufig einen Bankwächter und eine unbescholtene Gattin und Mutter gerät aus falsch verstandener Solidarität mitten in die nachfolgende Morduntersuchung. Parker kritisiert falsch verstandene und angewendete Ideale und Versprechen – nicht die Menschen, die an sie glauben und deshalb verraten und betrogen werden. Diese Haltung macht ihn mir so sympathisch und stellt mich mit den Geschichten seiner Krimis immer wieder zufrieden.

Was seinem Erstling allerdings fehlt, ist die psychologische Einsicht. Sein Held ist noch reichlich zweidimensional und macht einen recht machomäßigen Eindruck. Das soll sich ab Krimi Nr. 4 tiefgreifend ändern, was nicht zuletzt am Erscheinen und der Wirkung von Susan Silverman, der Psychologin, liegt. Die Durchschnittswertung wird allerdings durch den hohen Unterhaltungswert verbessert.

|Taschenbuch: 208 Seiten
ISBN-13: 978-0440129615|
[Verlagshomepage]http://bantam-dell.atrandom.com

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
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