_Vier Wünsche und ein Hallelujah_
Die 14-jährige Meg Finn hat schon einiges auf dem Kerbholz. Doch nun ist sie dabei, ein richtiges Verbrechen zu begehen. Leider geht alles schief, was schiefgehen kann, und dann steht Meg vor den Toren des Himmels – mit der Betonung auf VOR. Denn Petrus und der Höllenwächter Beelzebub streiten sich, ob Meg den Einlass in die himmlischen Gefilde verdient hat. Die Experten sind sich nicht einig, und deshalb schicken Petrus und ein Diener des Teufels die 14-Jährige zur Bewährung zurück ins Erdendasein.
Hienieden soll sie ihrem letzten Opfer, Lowrie McCall, beistehen. Der alte Mann will unbedingt vier Dinge nachholen, die er bisher versäumt hat. Meg soll dabei helfen.
_Der Autor_
Eoin Colfer, geboren 1968, ist Lehrer und lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Wexford, Irland. Er hat mehrere Jahre in Saudi-Arabien, Tunesien und Italien unterrichtet. 2001 erhielt er den Children’s Book Award, den wichtigsten Kinder- und Jugendbuchpreis Großbritanniens, und 2004 den Deutschen Bücherpreis in der Kategorie „Kinder- und Jugendbuch“. Seine bislang sechs „Artemis Fowl“-Romane wurden allesamt Bestseller und sind von Rufus Beck kongenial ins Medium Hörbuch übertragen worden.
Mehr von Eoin Colfer auf |Buchwurm.info|:
[„Artemis Fowl“ 172
[„Artemis Fowl – Die Verschwörung“ 180
[„Artemis Fowl – Der Geheimcode“ 569
[„Artemis Fowl – Die Rache“ 1279
[„Artemis Fowl – Die verlorene Kolonie“ 4025
[„Artemis Fowl – Die Akte“ 3135
[„Fletcher Moon, Privatdetektiv“ 4463
[„Cosmo Hill: Der Supernaturalist“ 4677
_Die Inszenierung_
Dieses Hörspiel ist eine Produktion des Rundfunks Berlin-Brandenburg.
|Die Rollen und ihre Sprecher:|
Meg Finn: Claudia Eisinger
Lowrie McCall: Christian Grashof
Belch Brenan: Christian Ehrich
Beelzebub: Jürgen Holtz
Satan: Hilmar Eichhorn
Sissy: Ursula Werner
Brendan Ball: Dieter Mann
Dessie/Murt: Thomas Schmidt
Flit/Frisöse/Verkäufer/Moderator/Sicherheitsbeamter: Stefan Kaminski
Regie führte Gabriele Bigott, die auch für die Dramaturgie zuständig war. Die Bearbeitung des Textes erfolgte durch Andrea Czesienski. Den Ton nahm Peter Avar auf.
Die Musik stammt von Lutz Glandin, die Sängerin ist Jelena Kuljic.
_Handlung_
Meg Finns irdische Existenz als Menschenwesen findet in ihrem 14. Lebensjahr ein abruptes Ende. Sie ist verpflichtet, ihrem Bekannten Belch Brennan einen Gefallen zu tun (die Gründe werden erst spät verraten) und muss ihm helfen, einen Einbruch zu begehen. Hier wohnt der alte Rentner Lowrie McCall, und Belch rechnet mit keinem Widerstand. Falls doch, würde er dem Alten seinen Pitbull Raptor („Räuber“) auf den Hals hetzen.
Was sich leider als notwendig erweist. Denn der alte Lowrie steht plötzlich mit einer Schrotflinte im Zimmer, das Belch auszuräumen gedenkt. Der Pitbull senkt auf Geheiß seines Herrn die Beißer ins Bein des Alten, doch Meg Finns Flehen veranlasst Belch, seinen Hund zurückzupfeifen. Das ist Megs einzige gute Tat an diesem Tag, denn gleich danach ergreift sie die Flucht, Raptor und Belch ihr hinterher.
Schon wieder hat sie Pech: Sie hat die falsche Richtung eingeschlagen und ist in der Sackgasse gelandet, wo der Gastank des Hauses steht. Belch legt mit Lowries Schrotflinte auf sie an, um eine lästige Verräterin aus dem Weg zu räumen. Wenigstens will er ihr eine Warnung verpassen, an die sie noch lange denken wird. Doch der Warnschuss trifft leider auch den nicht allzu gut geschützten Gastank, vor dem Meg steht. Kawumm!
|Im Jenseits|
Bekanntlich werden alle Seelen per Tunnelsystem an die für sie vorgesehenen Endstation befördert, also entweder in die Hölle oder in den Himmel. Dieses Tunnelsystem ist keineswegs unbewohnt, sondern wird von Seelenklaubern und Tunnelkratzern bevölkert, die das System sauber halten. Die Seelen gelangen je nach ihrer Färbung durch Löcher an die Endstation: rote Farbe – ab in die Hölle, blaue Farbe – hosianna! Bei der Mischung aus Belch und Raptor, die an Meg vorüberschwebt ist der Fall klar: Roter geht’s gar nicht mehr.
Bei Meg hingegen hat die Hölle ein Problem, und deshalb ruft der Oberdämon Beelzebub – nicht zu verwechseln mit seinem Boss Satan – per Handy bei Petrus an, der bekanntlich an der Himmelspforte Wache schiebt. Bub schickt Petrus ein paar Daten auf dessen PC rüber und lässt fragen, ob man nicht einen praktischen Deal abschließen könnte. Das Sündenkonto dieser Meg Finn sei nämlich ausgeglichen: Sie habe zwar ihrem Stiefvater Franco Kelly übel mitgespielt (was später noch breit erklärt wird), doch durch die Hilfe, die sie Lowrie McCall angedeihen ließ, sei sie quasi rehabilitiert worden.
Was tun, spricht Bub. Petrus entscheidet, dass Meg auf Bewährung zur Erde zurückmuss. Hätten wir uns ja gleich denken können. Es dürfte auch klar sein, dass Bub einen Hintergedanken bei dem Deal hat. Er schickt einen Seelenfänger hinterher: Belch/Raptor, aufgerüstet mit einem logischen Schaltkreis namens ELF, der sich als Hologramm sichtbar machen kann. Auch die Hölle verfügt über Computergenies.
|Die vier Wünsche|
Inzwischen sind auf der guten alten Erde zwei Jahre ins Land gegangen. Als Meg Finns Geist bei Lowrie McCall landet, um hier Wiedergutmachung zu leisten und ihr Seelenkonto aufzubessern, reagiert der Alte natürlich zunächst ein wenig befremdet. Kein Wunder, hat er doch keinerlei Erfahrung im Umgang mit Geistern. Nach ein paar Kabbeleien raufen sich die beiden zusammen, so dass eine erste mentale Verschmelzung stattfinden kann. Sofort fühlt sich Lowrie verjüngt. Meg bekommt daraufhin ganz schön Mitleid mit dem alten Knacker: Er hat nämlich nur noch ein paar Monate zu leben: das Herz. Und das Leben, das er bisher gehabt hät, scheint ihm aus lauter verpassten Gelegenheiten und Fehlentscheidungen zu bestehen.
Sobald Meg ihm klargemacht hat, worin ihre Aufgabe und ihre Fähigkeiten bestehen, stellt Lowrie eine Liste von Wünschen zusammen. Doch um die alle zu erfüllen, reicht die Zeit nicht. Also streicht er alle bis auf vier. Und um deren Erfüllung muss das seltsame Gespann hart kämpfen, denn nicht nur der Seelenfänger der Hölle vereitelt die guten Taten, für die Meg hierhergeschickt wurde, sondern auch genügend boshafte oder dumme Menschen.
Als Erstes will Lowrie McCall der beliebtesten Fernsehoma von Irland einen dicken Kuss verpassen. Sie war mal seine Jugendliebe, und eigentlich wollte er sie ja heiraten, hatte dann aber nicht die Traute – wie es halt so geht. Meg sieht da ein paar Schwierigkeiten auf sie beide zukommen. Wwürde man zum Beispiel beim staatlichen Sender RTE einen Mann einlassen, der aussieht wie der letzte Penner? Und diese Komplettüberarbeitung des Lowrie McCall ist erst der Anfang ihrer Mühen …
_Mein Eindruck_
„Meg Finn“, das Eoin Colfer noch vor „Artemis Fowl“ veröffentlichte, ist eine metaphysische Komödie mit Spannungselementen. Diese Art von Literatur ist in angelsächsischen Regionen keineswegs unbekannt. Mervyn Wall hat 1965 mit „Der unheilige Fursey oder das Irland der Frommen“ (übersetzt von Harry Rowohlt!) eine ähnliche Komödie veröffentlicht, in der Satan um die Seelen der Iren kämpft, insbesondere um die des bravsten Laienbruders Fursey (der Ärmste wird mit einer Hexe verkuppelt). Colfer greift also auf bekannte Vorbilder zurück.
Und das liegt in einem erzkatholischen Land ja auch nahe. Schließlich sind die Versuchungen sonder Zahl, und irische Bischöfe haben stets genügend Grund, gegen die Verfehlungen ihrer Schäflein zu wettern. Wenn sich also die Guten gegen die Anfechtungen des Bösen bewähren sollen, wo sonst als in Irland?
Diesmal allerdings will der Autor nicht Erwachsene ansprechen, sondern Jugendliche im rebellischen Alter von vierzehn Jahren. Und die Pubertät ist ja bekanntlich für jeden Jugendlichen die Hölle auf Erden. Auch Meg Finn hat schon Schulschwänzen und dergleichen auf dem Kerbholz. Sie ist auf dem „besten“ Weg, eine Kriminelle zu werden. Und dann ist da noch die Sache mit ihrem Stiefvater Franco Kelly – aber hierzu darf ich nichts verraten.
|Auch für Jungs|
Doch Colfer spricht nicht nur Mädchen an. Die vier Wünsche, die sich Lowrie McCall erfüllen will, reichen alle bis weit in seine Vergangenheit zurück, als er selbst noch ein Jugendlicher von fünfzehn bis achtzehn Jahren war. Hier dürften sich einige junge männliche Leser wiederfinden – besonders wenn sie Iren sind.
Meg muss lernen, für den alten gebrechlichen Knacker Verantwortung zu übernehmen, damit er sich die Wünsche erfüllen kann. Natürlich nicht ohne dabei an die Aufbesserung ihrer eigenen Seelenfarbe bzw. Aura zu denken. Bei diesen geradezu herkulischen Arbeiten gerät sie immer weiter in die Gefühlswelt des Alten, und er wird ihr Freund. Es zeigt sich, dass sie ebenfalls einen solchen Freund gebraucht hat. Denn wegen der Franco-Sache hat sie ein schlechtes Gewissen (und einen roten Fleck auf ihrer Aura). Lowrie aber kann sie verstehen, warum sie das getan hat und verzeiht ihr.
|Showdown|
Als es daran geht, den vierten und letzten Wunsch zu erfüllen, sieht sich daher Meg in der Lage, zwei Dinge zu tun, die sie selbst sehr verwundern, weil sie nämlich überhaupt mit ihrem üblichen Egoismus in Einklang stehen. Und sie tut dies zum einen, weil sie Lowrie liebt und zum anderen, weil sie Franco endlich selbst verzeihen kann, was er ihr angetan hat. Damit macht sie im Showdown um die Seelen von Lowrie, Franco und ihrer eigenen einen entscheidenden Punkt. Ob’s wohl reicht, ihr Konto ins Plus zu bringen? Vielleicht kann sie dann sogar ihre Mutter wiedersehen, die sie mit dreizehn durch einen betrunkenen Autofahrer verlor? Aber nur, wenn Petrus sie einlässt.
_Die Inszenierung_
|Die Sprecher|
Jede einzelne Figur in „Meg Finn“ hat ihre eigene, deutlich unterscheidbare Stimm- und Tonlage. Der alte Lowrie, gesprochen Christian Grashoff, klingt natürlich heiser und die aufmüpfige Meg in Claudia Eisingers moderner Darstellung nicht zu jung, sondern aufgeklärt – schließlich ist sie ja eine Einbrecherin. Es klingt sehr ulkig, wenn sie beide gleichzeitig sprechen.
Witziger ist da schon Satan, der so ölig und hinterhältig droht wie John Malkovich in „Gefährliche Liebschaften“. Oder sein untergebener Dämon Beelzebub, der sich gerade noch zurückhalten kann, jemanden mit seinem Dreizack aufzuspießen, so frustriert ist der Ärmste von Satans Demütigungen. In der Hölle hat man’s eben nicht leicht.
Sehr zu Herzen gehend ist die Szene im TV-Studio gestaltet, wo Lowrie die Moderatorin Sissy, seine Jugendliebe, küssen will. Die ganze Aktion wird ja landesweit live übertragen, und jeder spricht nachher von dem rührenden Augenblick, als das Paar das aktuelle Thema „Liebe im Alter“ veranschaulicht.
Die schönste Kreation ist jedoch meines Erachtens ein unscheinbares Wesen im Tunnelsystem des Jenseits, das den schönen Namen Flit trägt. Flit ist ein Tunnelkratzerwurm. Er sammelt Seelenreste auf, um den Tunnel sauber zu halten, und gibt Meg einen solchen Stein mit, quasi als Ersatzbatterie. Insgesamt also ein recht nützliches Wesen, und ein freundliches obendrein. Meg lernt viel von ihm, selbst wenn es nicht einfach ist, die Laute eines Wurms zu verstehen. Es ist eine Art von Säuseln.
|Geräusche|
Die Geräusche lassen sich leicht einteilen: in natürliche, künstliche und übernatürliche. Natürliche Geräusche sind solche wie der Wind und der Regen, künstliche solche wie von Motoren, zerbrechendem Glas oder von einem explodierenden Gastank. Weitaus weniger einleuchtend sind übernatürliche Geräusche. Ja, man könnte sich die Frage stellen, ob das Übernatürliche an sich überhaupt einen Ton von sich gibt.
Von solchen Spitzfindigkeiten sind die Tonmeister beim |rbb| jedoch weit entfernt. Wie hört es sich beispielsweise an, wenn ein Geist in einen Menschen fährt, also etwa Meg in Lowrie? Es klingt wie ein gigantisches, hinausgezogenes Saugen. Und der umgekehrte Klang ertönt, wenn Megs Geist Lowrie wieder verlässt. Es ist kein sonderlich angenehmes Geräusch, aber es klingt faszinierend – und vor allem anschaulich.
|Musik|
Ein irisches Ambiente benötigt auch irische Musik, um richtig wirken zu können. Lutz Glandin hat auf dieser traditionsreichen Grundlage eigene Kompositionen geschaffen. Für dynamische Szenen hat er sich flotte Folk Music einfallen lassen, für besinnlichere Momente und für Szenen im Himmel etc. auch langsamere.
Das durchgehende Leitmotiv scheint jedoch ein alte Folk-Melodie darzustellen, die das Lied begleitet, welches Lowrie zu seinen vier Wünschen inspiriert hat. Er zitiert das Volkslied jedenfalls, besonders in der Szene des vierten Wunsches auf den Klippen von Moher. Diese Weise ist auf merkwürdige Weise sowohl trotzig wie auch wehmütig.
_Unterm Strich_
Diese Geschichte hat zum Glück nur wenig mit Goethes „Faust“ zu tun. Vielmehr standen einige irische Autoren, darunter Mervyn Wall, Pate. Die metaphysische Komödie mit Spannungseinlagen erinnert zwar stellenweise an „Artemis Fowl“, doch dort ist die Unterwelt nicht mehr mit Satans Kohorten bevölkert, sondern wird von der elfischen Untergrundpolizei ZUP überwacht. Was ja schon mal ein Fortschritt ist. Meg Finn ist nicht so techniksüchtig wie Artemis, aber genauso fähig zu durchtrieben ausgeführten Schandtaten wie ihr Kollege.
Allerdings hätte ich mir als vierten und letzten Wunsch Lowries doch etwas anderes gewünscht, als über die Klippen von Moher zu spucken. Ich meine: Was ist schon dabei? Eine ganze Menge, wie sich herausstellt. Dieser Ort hat für Iren etwas Mythisches, und selbst Flachlandtiroler wie wir könnten den 150 Meter hohen grauen, sturmumtosten Klippenwänden im Westen Irlands etwas Eindrucksvolles abgewinnen. Hier in den Wind zu spucken, ohne selbst getroffen zu werden, ist eindeutig ein Kunststück.
|Das Hörspiel|
Die Handlung bietet reichlich unterhaltsame und spannende Momente, die jedes pubertierende Kind nicht kaltlassen dürften. Wie sich Meg an ihrem miesen-fiesen Stiefvater rächt und sie den alten Lowrie gegen den Hölle-Hund Belch-Raptor verteidigt, das hat schon dramatischen Charakter. Die Auftritte von Belch-Raptor wurden jedoch stark zusammengestrichen, wodurch das Hörspiel einen anrührend-besinnlichen Charakter erhält, der jeden bischöflichen Christenhirten erfreuen dürfte. Aller technischer Schnickschnack, wie ihn Colfer so liebt, fehlt hier ebenfalls.
Relativ realistisch sind die Geräusche gelungen, und selbst das Saugen beim Einfahren des Geistes von Meg Finn in Lowries Körper (mit reichlich Hall bzw. Dämpfung) ist anschaulich und gewinnt durch seine Wiederholung eine Art Signalwirkung. Sehr schön fand ich die Musik Lutz Glandins, die einwandfrei ins irische Ambiente passt.
Fazit: ein Volltreffer.
|Originaltitel: The Wish List, 2000
Aus dem Englischen von Claudia Feldmann
55 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-86742-636-7|
http://www.hoerbuch-hamburg.de
http://www.rbb-online.de