Andreas Eschbach – Die steinernen Schatten (Das Marsprojekt 4)

_Spannendes Abenteuer: auf einer fremden Welt gestrandet_

Arianna, Ronny, Carl und Elinn – alle zwischen 13 und 15 Jahren alt – sind als erste Kinder auf dem Mars geboren worden und aufgewachsen. Doch im Jahr 2086 sollen sie gemeinsam mit anderen Marssiedlern zur Erde zurückkehren, weil machthungrige Politiker behaupten, das Marsprojekt sei gescheitert. Die Vorbereitungen zur Stilllegung der Forschungsstation laufen bereits auf Hochtouren, als die Kinder eine aufregende Entdeckung machen.

Während die Forscher noch über den Zweck der seltsamen blauen Türme grübeln, machen sich die Marskinder daran, ihr Geheimnis zu lüften. Was niemand weiß: Die Kinder halten den Schlüssel zu einer anderen Welt in der Hand. Ein kleiner Schritt, die Passage öffnet sich, die Türme sind ein Portal! Bald finden sie sich auf dem geheimnisvollen Planeten wieder und müssen feststellen, dass ihnen der Rückweg nach Hause abgeschnitten ist. Auf sich allein gestellt, schlagen sie sich auf dem unbekannten Planeten durch – einer Welt, die alles andere als verlassen ist …

Das Marsprojekt:

01: [„Das ferne Leuchten“
02: [„Die blauen Türme“
03: [„Die gläsernen Höhlen“
04: [„Die steinernen Schatten“
05: [„Die schlafenden Hüter“

_Handlung_

Elinn ist überzeugt davon, dass die Marsianer sie gerufen haben. Als sie dies jedoch im Rat der fünf Marskinder (da sind noch Carl, Ariana, Ronny und Urs), lehnen diese ihren Plan als zu gefährlich ab. Deshalb macht sie sich auf eigene Faust auf den Weg zum Löwenkopf, wo die zwei blauen Türme der Marsianer stehen. Seit Carl aus einem dieser Türme getreten ist, obwohl er 5000 Kilometer von hier eingetreten war, weiß jedes der Marskinder, dass es sich um das Tor in eine fremde Welt handelt. Nur Elinn jedoch ist überzeugt, dass das marsianische Artefakt mit ihrem Namen darauf ein Schlüssel sein muss – genau wie bei Carl.

Doch der blaue Turm ist umlagert von den Zelten, Männern und Messgeräten Professor Caphurnas, der hier die Aliens untersucht. Dennoch gelingt es ihr, unerkannt mit dem Frachtflugzeug herzukommen und bis zum Zaun vorzudringen – ein Hüpfer in der schwachen Schwerkraft, und sie ist drüber. Noch ein paar Schritte zum Turm, das Artefakt als „Schlüssel“ vorgestreckt, und sie ist durch: auf einer fremden Welt! Doch da packt sie eine gewaltige Kraft und streckt sie zu Boden. Elinn hat eines nicht bedacht: dass die Schwerkraft viel höher ist als auf dem Mars. Und wenn man sie nicht bald rettet, wird sie hier sterben.

Als Carl das Verschwinden seiner Schwester entdeckt, schlägt er Alarm. Seine Mutter erleidet einen Nervenzusammenbruch, doch Tom Pigrato, der Gouverneur, behält die Nerven. Er ruft bei Caphurna an. Der ist überrascht, bestätigt aber bald, dass er Elinn jenseits der Barriere auf dem Boden liegen sehen kann. Pigrato bittet Carl und Urs, Elinn zu retten, denn sie sind die Einzigen, die ebenfalls über diese „Schlüssel“ der Aliens verfügen. Ein Versuch von anderen Helfern, zu Elinn vorzudringen, scheitert.

Urs und Carl schleppen ein in aller Eile vorbereitetes Messgerät durch die Barriere. Dann streckt auch sie die hohe Schwerkraft nieder: 1,06 g zeigt das Messgerät, aber auch Sauerstoff, Stickstoff und Kohlendioxid. Dieser fremde Planet hat eine Atmosphäre, doch es herrscht Nacht, während auf dem Mars die Sonne aufgeht. Erleichtert stellen sie fest, dass Elinn noch lebt, aber sie atmet schwer. Jeder auf dem Mars weiß seit den Tests, die Pigrato durchführen ließ, dass Elinns Lunge nicht unter Erdbedingungen arbeiten kann. Sie hat höchstens zwei Wochen zu leben. Und sie können alle drei nicht zurückkehren: Die Schlüssel funktionieren nur in einer Richtung – und der Turm ist von ihrer Seite aus nicht zu sehen. Sie brechen auf, um diese Welt zu erkunden – und erleben eine große Überraschung!

|Unterdessen …|

Auf dem Mars herrscht große Aufregung wegen der verschwundenen Kinder, die in der fremden Welt gestrandet sind. Und seit der Turm die Barriere geschlossen hat, sind sie auch nicht mehr zu sehen. Da bemerkt Prof. Caphurna, dass auch der andere Turm sich verlangsamt – in sieben Wochen wird auch er zum Stillstand kommen. Wird sich dann ein weiteres Tor öffnen? Leider zu spät, um Elinn zu retten.

Um sicherzugehen, dass keine weiteren Türme mit Tarnvorrichtungen auf dem Mars existieren, lässt Pigrato jenen Motorsegler starten, mit dem der Tarnschirm der Türme zuerst unterflogen wurde. Der einzige Pilot, der das Ding fliegen kann und leicht genug ist, ist Ronny, das Fliegerass. Ronny findet es absolut „galaktisch“, diese Chance erneut geboten zu bekommen und sagt sofort zu. Wenige Stunden später steigt er vom Löwenkopf auf, um den Flieger zur zerstörten Asiatischen Marsstation zu steuern, wo es noch ein Startkatapult für solche Flieger gibt.

|Die fremde Stadt|

Doch bei der Erkundung und Überführung passiert Ronny etwas Merkwürdiges. Als er eigentlich über den Valles Marineris sein sollte, der großen Marsschlucht, fällt sein Blick auf eine große Stadt voller Licht, in der sechs blaue Türme stehen. Da senkt sich ein riesiges Raumschiff auf den Zentralplatz zwischen den Türmen und eröffnet das Feuer. Alles im Umkreis wird zerstört. Dann schließt sich der Blick auf dieses Spektakel wieder. Ronny gelingt es, den Flieger sicher zu landen, als wäre nichts gewesen.

Doch als Pigrato diese Szenen auf den Aufnahmen der automatischen Kamera des Fliegers sieht, bekommt er Zweifel, ob es eine so gute Idee war, alles alleine machen zu wollen. Er wird die Erde informieren müssen, das heißt den Chef der Raumfahrtbehörde, den strengen, zwielichtigen Senator Bjornstadt. Und wenn die „Heimwärtsbewegung“ von den Vorgängen auf dem Mars Wind bekommt, wird sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um jegliche Raumfahrt zum Stillstand zu bringen und die Marssiedler zur Erde zurückzuholen. Dem Statthalter Pigrato stehen schwere Zeiten bevor. Von der Ungewissheit über den Verbleib seines einzigen Kindes Urs ganz abgesehen.

Einige Stunden später erhält Ariana DeJones, Urs’ Freundin, eine erstaunliche, kurze Mail von ihrem Freund …

_Mein Eindruck_

Ich habe diesen spannenden Abenteuerroman in nur zwei Tagen gelesen und bin sicher, man kann ihn auch in nur einem Tag schaffen. Die Geschichte entwickelt sich wendungsreich und unvorhergesehene Richtungen, sodass man stets gespannt ist, wie die Handlung weitergeht. Wird Elinn überleben? Wo befinden sich die Marskinder überhaupt? Wird es für sie eine Rückkehr geben?

Gut fand ich, dass der Autor nicht auf den bisherigen Funden herumreitet und die Leute ewig rätseln lässt, wie die Technik der Aliens auf dem Mars funktioniert. Das bringt nämlich einfach nichts und wäre nur Anlass zu endlosen Diskussionen gewesen, wie sie noch im ersten Band zu finden waren. Stattdessen ergreift wie schon zuvor jeweils eines der Marskinder die – mehr oder weniger vernünftige – Initiative und macht sich daran, eben diese Technik zu nutzen.

Für Elinn könnte dies allerdings fatale Folgen haben. Deshalb müssen ihr Carl und Urs, als personalisierte Inhaber der „Schlüssel“, ihr folgen und helfen. Natürlich macht auch Carl die hohe Schwerkraft zu schaffen, aber Urs hat die Erdschwerkraft noch nicht lange verlassen (er ist erst zwei Monate auf dem Mars) und hält sich am besten auf der fremden Welt, die sie betreten haben. Was das Trio dort vorfindet, soll hier nicht verraten werden, damit die Überraschung erhalten bleibt.

Ziemlich witzig bemerkte ich, dass sich der Autor à la Hitchcock selbst in die Geschichte hineingeschrieben hat. Der Astronaut Peter Eisenhardt ist an Bord eines den Mars umkreisenden Raumschiffs und erzählt seinem Kollegen von einem Großvater, der Science-Fiction-Romane schrieb, darunter auch Zeitreisegeschichten. Da kam mir doch gleich „Das Jesus Video“ in den Sinn. So was nennt man bei Filmen einen Cameo-Auftritt, aber diesmal ist er selbstironisch gemeint.

Außerdem gibt es einen ziemlich witzigen Auftritt eines afrikanischen Künstlers, der sich Kibbi nennen lässt. Wieder mal hat der Autor seine Kultur- und Geschichtskenntnisse ausgegraben und angewandt. Dieser Kibbi hat die Kunst für ein Museum geschaffen, das die Menschheitsgeschichte darstellt, aber mit einer so innovativen Konzeption, der er jeden Handwerker einzeln anleiten muss, um alles richtig zu machen.

Das Museum steht nahe der kenianischen Olduvai-Schlucht, die unter Anthropologen als Ursprung der Menschheit gilt, seit die Familie Leakey hier Knochen von Frühmenschen fand. Doch nun hat man hier einen verstörenden Fund gemacht, der die ganze schöne Theorie von der Entstehung des Menschen über den Haufen wirft: die titelgebenden „steinernen Schatten“ …

_Unterm Strich_

Ich fand diesen vierten Teil des Zyklus‘ fast noch spannender und witziger als den Vorgänger, obwohl der auch schon ziemlich haarsträubend ist. Für Jugendliche ab zwölf bis vierzehn Jahren (und natürlich erwachsene Junggebliebene) bietet der Roman einige überraschende Wendungen, sodass ich mich gut unterhalten fühlte.

Immer wieder beeindruckte mich der Kenntnisreichtum des Autors in der Luft- und Raumfahrttechnik – Kunststück, hat er doch beides studiert. Außerdem finde ich seine süddeutsche Umgangssprache immer sympathischer. Das hebt seinen Erzählstil nämlich wohltuend von den Übersetzungen aus dem Englischen ab, mit denen der deutsche SF-Markt regelmäßig überflutet wird. Genauso würde ich als Schwabe auch erzählen, wenn ich die Zeit (und den Mut) dazu hätte.

|Zur Taschenbuch-Ausgabe|

In dieser Taschenbuchausgabe des 2007 bei Arena veröffentlichten Romans fehlen allerdings die Illustrationen. Trotzdem behauptet der Bastei-Lübbe Verlag, diese Ausgabe sei „Vollständig“. Wahrscheinlich bezieht sich diese Behauptung nur auf den Text.

Die Umschlaginnenseiten der Leinenausgabe bieten nämlich zwei hilfreiche Zeichnungen. Die Hintere ist dem Löwenkopf-Areal gewidmet. Eigentlich hätte sie an den Anfang gehört, weil dort die Handlung einsetzt. Im vorderen Umschlag ist die Raumstation MIR-3 abgebildet, die dem reichsten Mann der Erde, dem Erfinder Yules Whitehead, gehört, und die im letzten Viertel der Handlung eine kleine Rolle spielt. Sie dient als Habitat für Leute, die zum Mars wollen oder von dort kommen. Sie verfügt über einen Mechanismus zur Erzeugung künstlicher Schwerkraft, wie man ihn aus dem Film „2010 – Das Jahr in dem wir Kontakt aufnehmen“ kennt (der Mittelteil der „Leonov“ rotiert).

Aber dennoch kann sich der Leser freuen: Die Taschenbuchausgabe ist mit knapp neun Euro einen Fünfer billiger als die Leinenausgabe. Obendrein weist sie ein viel schöneres Titelbild auf, als es die Arena-Ausgabe zu bieten weiß. Natürlich könnte sich der kundige Astronom fragen, was das für ein Riesenplanet sein soll, der da am Himmel hängt. Aber man sollte Titelbilder sowieso nur als poetische Interpretationen des jeweiligen Künstlers auffassen.

Taschenbuch: 334 Seiten
ISBN-13: 978-3404243952
www.arena-verlag.de