Josephine Hart – Verhängnis. Erotischer Roman

Dieser umstrittene Erotikroman ist im Grunde eine klassische Dr-Jekyll-und-Mister-Hyde-Geschichte. „Damage“, so der Originaltitel, Unheil oder Schaden, ist genau das, was heraufbeschworen wird, als Dr. Jekylls geheimes Leben als Mr. Hyde einOpfer fordert und öffentlich wird – „damage“ auf allen Ebenen, und nicht nur für Dr. Jekyll. Louis Malle hat das Buch 1992 mit Jeremy Irons und Juliette Binoche in den Hauptrollen verfilmt.

Die Autorin

Josephine Hart, Baroness Saatchi (* 1. März 1942 in Mullingar, County Westmeath; † 2. Juni 2011 in London) war eine irisch-britische Schriftstellerin, Verlegerin, Theaterproduzentin und Fernsehmoderatorin. Bekannt wurde sie v.a. mit „Verhängnis„.

„Damage“ was adapted into a film of the same title by Louis Malle in 1992, as well as into an opera (called Damage, an Opera in Seven Meals) by Greek composer Kharálampos Goyós which premiered as part of the Athens Festival in 2008.[1] A second screen adaptation has been released in April 2023 as a four-part limited series for Netflix, under the title Obsession. (Wikipedia.en)

Werke

Damage, Vintage Books, 1991
Verhängnis, Roman, Knaus, München 1991
Sin, Vintage Books, 1992
Sünde, Roman, Knaus, München 1992
Oblivion, Vintage Books, 1995
The Stillest Day, Chatto & Windus, 1998
The Reconstructionist, Chatto & Windus, 2001
Catching Life By the Throat: Poems from Eight Great Poets, W. W. Norton, 2008
The Truth About Love, Roman, Virago, 2009

Handlung

Der brave englische Arzt und Unterhausabgeordnete Stephen Fleming hat ein schönes Haus, eine schöne liebende Gattin, Ingrid, und schöne, wohlgeratene Kinder, Martyn und Sally. Seine Karriere ist erfolgreich, seine Ehe nach Maßstäben der Gesellschaft „glücklich“, d.h. Mann und Frau schlafen noch regelmäßig miteinander. Zu seiner Politikerlaufbahn kam Stephen wie zu seiner Frau: durch Vermittlung wohlgesonnener Freunde, insbesondere durch Edward, Ingrids Vater. Dennoch fühlt sich Stephen auf eine undefinierbare Weise unlebendig, als sei sein Leben enteignet, als gehöre es gar nicht ihm selbst. Doch um seine Frau, Kinder und Freunde zufriedenzustellen, kooperiert er. Jeden Morgen steht er auf, um einen neuen Akt im Schauspiel seines Lebens zu spielen, indem er genau die Regieanweisungen befolgt.

Die Kinder gehen zur Uni, beginnen einen Job, bringen Freunde nach Hause oder auf Parties. Martyn, der Sohn, war bis vor kurzem ein wahrer Herzensbrecher und Don Juan, doch eines Tages stellt er seinem Papi Anna vor, eine unkonventionelle Frau von über dreißig Jahren. Auf der Stelle erkennt Stephen, dass er hier den Schlüssel zu seinem wahren Ich, zu einem wirklichen Leben gefunden hat. Als er Anna heimlich besucht, erkennt sie seinen Wunsch und gewährt ihm ohne Vorbehalte jeden seiner intimsten Wünsche. Sie verspricht ihm „Alles! Immer!“ Doch sie warnt ihn zugleich: Sie hat in ihrer Jugend den Selbstmord ihres Bruders Aston überlebt, der sie inzestuös geliebt hatte. Diese Überlebensfähigkeit macht Anna zu einer sehr gefährlichen Frau: Sie selbst ist praktisch unverwundbar, doch derjenige, der sich mit ihr einlässt, muss auf alles gefasst sein. Kein Wunder, dass sie Ingrid intuitiv sehr beunruhigt und merkwürdig vorkommt, doch Stephen schlägt alle Warnungen inden Wind und beruhigt Ingrid.

Sklavin

Er ist geradezu besessen von seiner heimlichen Sklavin, die ihm alle Wünsche erfüllt, euphorisch ob dieses „wirklichen Lebens“. Dass er seine Frau wie auch seinen Sohn betrügt, macht ihm durchaus etwas aus: Er fühlt sich wie der Wolf im Schafspelz, ein Werwolf mit umgekehrten Vorzeichen. Doch dieser Roman ist eine Moritat, undjede Moritat hat ihre „Moral von der Geschicht“. Und so kommt es schließlich zur Tragödie. (Vorsicht: Spoiler!) Nach vier Monaten des Wartens und Hofierens hat Martyn seiner Anna endlich das ja-Wort abgerungen, mit ihr nach der Verlobung ein Haus gekauft und steht kurz davor, die Angebetete zuheiraten. Doch zu Annas dunklen Geheimnissen gehört eine Wohnung, in die sie Stephen am Tag vor der Hochzeit einlädt, um wilden Sex zu haben – mit Ketten, Stricken und allem drum und dran.

Unheil

Das Paar hat zwar die Wohnungstür abgeschlossen, doch Martyn in seinem wütenden Drang, Anna eine schlimme Nachricht zu hinterbringen (ihr Vater hatte einen Herzanfall), bricht die Tür auf (er hatte die Adresse von einem alten Freund Annas) und taumelt angesichts der nackten Leiber seiner Fast-Ehefrau und seines Vaters entsetzt zurück – in die Tiefe. Das Unglück zerstört nicht nur Stephens geheimes Leben, sondern natürlich auch seine Familie, seine Ehe und seine Karriere. Nun ist keine Rede mehr vom Amt als nächster Premierminister. Es geht um Schadensbegrenzung. Stephen kann sich praktisch einsargen lassen. Und Anna? Als erfahrene Überlebende hat sie nach dem Unglück sofort das Weite gesucht und keinen Kontakt mehr mit denOpfern des Unheils aufgenommen. Nur ihr alter Freund, Peter Calderon, weiß, wo sie ist, verrät aber nichts. Jahre später meint Stephen Anna mit einem Kind zusehen.

Mein Eindruck

Diese Geschichte einer zerstörerischen Obsession in den besten Kreisen der britischen Gesellschaft liest sich schnell und problemlos. Die Autorin, genauer: Stephen Fleming berichtet in einfachen Worten und Sätzen von dem heraufziehenden Unheil, das von der Seligkeit eines erfüllten erotischen Erlebens begleitet ist. Die Sätze wirken jedoch wohlgesetzt, so als würde ein Gerüst gezimmert oder ein Sarg zugenagelt. Der Leser kennt das Ende und doch ist er gespannt zu erfahren, wie es letztlich zudieser Katastrophe kommen konnte. Und er erkennt, dass auch ihm dieses Schicksal widerfahren könnte. Er muss nur eines Tages, vielleicht auf einer Party, einem Empfang, in der U-bahn, die Frau, den Mann mit dem gewissen Blick treffen, mit dem Blick eines/r Überlebenden… Und die Moral von der Geschicht‘? Soll dein Leben glücklich sein, lass dich nicht mit Anna ein!

Taschenbuch: 219 Seiten
Originaltitel: Damage, 1991
Goldmann/Portobello 2001
Aus dem US-Englischen übertragen von Karin Polz
ISBN 9783442551842
Goldmann Verlag

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