Per Meurling – Gullivers Abenteuer

Erotische Abenteuer bei Winzlingen und Riesen

„Wild sind die Abenteuer, die der berühmte Gulliver hier erlebt. Frisch, witzig und voll übersprühender Einfälle berichtet der Autor von Gullivers Reisen nach Liliput und in das Land der Riesen.“ (Verlagsinfo)

Der Autor

Der Schwede Per Meurling hat auch „Münchhausens erotische Abenteuer“ verfasst und ebenfalls bei Moewig veröffentlicht – siehe meinen Bericht dazu.

Handlung

(Die Zwischenüberschriften entsprechen den Kapitelüberschriften.)

Der Schiffbruch

Zunächst einmal muss Dr. Lemuel Gulliver anno 1699 Liliput erreichen. Dabei war die gar nicht seine Absicht. Er strandet nur aufgrund eines Schiffbruchs, den der Ausguck durch seine Nachlässigkeit verschuldet. Nachlässig ist er deshalb, weil er aus Langeweile an sein letztes Mädchen in einem englischen Hafen denkt und sich lieber munter einen runterholt, als die nahen Klippen zu beobachten. Das eine führt zum anderen, und schwupps, ist Gulliver der einzige Überlebende. Er wird sofort gefesselt.

Im Land der Liliputaner

Die Liliputaner sind etwa 12 bis 14 Zentimeter groß. Folglich erscheint ihnen Der Lebende Berg, der da bei ihnen gestrandet, nicht als einer der Ihren. Aber was ist es dann? Die Meinungen am Hof des Kaisers gehen auseinander. Wenn es ein Mann ist, muss es ein Glied haben, das liegt auf der Hand. Aber wie soll man das Glied finden und messen? Ein Expedition des Vermessungsamtes macht sich an die Arbeit, unter Leitung des Mitgift- und Schürzenjägers Meinersteht dieses Geheimnis zu lüften. Sie finden das Glied – es ist monströs. Doch steht es auch? Um dies herauszufinden, spannt der Leiter die süße Tittelina ein. Ihre Wirkung auf das Riesenglied ist, nun ja, erhebend und kolossal…

Riesenskandale in Liliput

Wie Gulliver zu seinem Frust feststellen muss, sind die Liliputaner ganz versessen auf Liebesspiele und treiben es zu jeder Gelegenheit. Seine Moral, die er sich von einem Landpfarrer in Nottinghamshire angeeignet hat, kommt damit nicht zurecht. Doch sein Appell an den Kaiser, jegliche Aktivitäten und Äußerungen der Geilheit einzustellen, fallen auf taube Ohren. Unterdessen sind die adligen Damen scharf auf seines Manneskraft geworden, doch ihnen allen läuft die gewitzte wie vorwitzige Tittelina den Rang ab.

Mr. Gullivers Party

Mr. Gulliver erhält zahlreiche Auszeichnungen, für die er sich mit einer Party revanchieren möchte. Seine geliebte Tittelina sitzt auf seiner großen Hand und stößt regelmäßig Schreie der Ekstase aus. Die Gäste der feinen Gesellschaft amüsieren sich – bis nacheinander die Kerzen ausgemacht werden. Zu Gullivers größter Verlegenheit beginnen ein Seufzen, Stöhnen und Grunzen, das nur eines bedeuten kann. Leider hat diese Dunkelheit fatale Folgen für den Ratsherrn Stecher, der eine Sängerin geliebt hat. Sie trägt seine Unterhose, er ihren rosa Schlüpfer. Das führt zu unangenehmen Fragen im jeweiligen Zuhause.

Blefuscu rüstet zum Krieg

Die Nachbarinsel Blefuscu ist der Erzfeind der Liliputaner. Seit die Hochfinanz des Kaiserreichs ihr Verlangen nach den Bergwerken und anderen Rohstoffen Liliputs geäußert hat, hat sich die Flotte bereitgemacht, den Feind anzugreifen. Admiral Großpint spendiert allen Offizieren und Matrosen nicht nur Alkohol, sondern auch den besuch zahlreicher „vaterländisch gesinnter“ Damen. Diese Nacht wird kurz, doch nicht für den Admiral. In seiner Kajüte wartet seine Geliebte, die süße Futtperle…

Mr. Gulliver rettet Liliput

Wie schon Mr. Swifts Bericht bekannt, stapft Mr. Gulliver einfach über den Sund nach Blefuscu, schnappt sich die Ankertaue der blefuscuanischen Flotte und zieht diese nach Liliput. Dort werden die Kanonen als Festungsartillerie installiert, die Matrosen gefangengenommen – die patriotischen Damen haben alle bis auf eine die Schiffe verlassen müssen. Großpint und Futtperle werden verhaftet und eingesperrt. Es kommt beim Premierminister Flimnarp und dem Kaiser nicht gut an, dass sich Mr. Gulliver weigert, die Gefangenen zu töten und Blefuscu zu zerstören. Die Stimmung, eh schon auf der Kippe, wendet sich gegen ihn.

Großpint und Futtperle werden bestraft

Admiral Großpint und seine Geliebte Futtperle erleiden ein trauriges Schicksal. Kaum aus dem Kerker geholt, wird Großpint nackt an den Schandpfahl gestellt, um öffentlich mit Stockhieben bestraft zu werden. Doch das einzige, was ihn kümmert, ist sein Dreispitz, sein Zeichen als Admiral. Er endet im Zoo, und wehe, jemand nimmt ihm seinen Hut weg!

Futtperle*** endet, wie es vorauszusehen war, als Hure für die Soldaten der Festung. Das ist nicht das übelste Schicksal, denn sie wird verhätschelt. Sie wird wegen ihrer Beliebtheit sogar so hochnäsig, einen alten Bootsmanns abzuweisen, nur weil er ein Holzbein hat. Er lehrt sie Mores…

***Fut(t) ist eine österreichische Bezeichnung für die Vulva, und die Perle ist wohl die Klitoris.

Mr. Gulliver flieht aus Liliput

Es kommt, wie es kommen muss: Mr. Gulliver sieht sich veranlasst, Liliput zu verlassen. Schuld daran ist, wieder einmal, eine Frau. Nicht irgendeine Frau, versteht sich, sondern Putzi, die Frau des Premierministers Flimnarp. Sie teilt mit ihm nicht das Bett, sondern zelebriert die Ehe auf eher geistiger Ebene. Dafür treibt sie es aber gerne mit allerlei Mannsvolk – bis sie hört, dass der Lebende Berg Modell für ein Denkmal stehen soll und dabei nackt sei. Mr. Gulliver ist die Hauptattraktion der edlen Frauen – bis auf eine: die Kaiserin. Er hat es gewagt, ihren brennenden Palast mit seinem Urinstrahl zu löschen. Wie grässlich und übelriechend! Die Kaiserin verbündet sich mit Flimnarp und betreibt Gullivers Ermordung. Es ist klar, dass nur Gift ein Resultat bei einem lebenden Berg erzielen kann…

Unterdessen verliebt sich Putzi nicht nur in die Gestalt des Riesen, sondern ganz besonders in dessen gigantisches Glied. Wie würde es erst aussehen, wenn man es zum Stehen bringen könnte? Gesagt, getan. Sie besorgt ihrem Angebeteten ein riesiges Fernglas und stellt sich vor ihm in Pose. Dann beginnt ihr Tanz der sieben Schleier…

Mr. Gulliver erlebt einen peinlichen Zwischenfall

Mr. Gulliver hat Wind von dem Anschlagsplan bekommen und ist rechtzeitig abgereist. Anders als von Mr. Swift angegeben reist er nicht direkt nach England zurück, sondern über Frankreich. An der Zollstation im Hafen versucht er der jungen Gräfin Onani zu helfen, die Schwierigkeiten hat, den hartnäckigen Zöllner zu passieren. Er besteht darauf, dass sie ihr Schmuckkästchen öffne, was sie standhaft verweigert. Erst als auch Gullivers Fürsprache nichts hilft, gibt sie nach und öffnet mit einem winzigen Schlüsselchen die fragliche Schatulle. Alle Zuschauer brechen angesichts des Inhalts in Lachen oder peinliche Schamesröte aus…

Das häusliche Glück

Mrs. Gulliver staunt nicht schlecht, als ihr verschollener Gatte an einem verregneten Abend an die Tür ihres Hauses klopft. Eigentlich wollte sie gerade mit Mr. Stevenson, dem Fischhändler, dem Liebesgott opfern, doch der totgeglaubte Gatte hat natürlich Vorrang. Der Lover muss in den Schrank und seine mitgebrachte Flunder in die Pfanne. Dergestalt gestärkt, sehnt sich Mr. Gulliver nach den Freuden, die sein Eheweib bereithält, sehr zum neidischen Missfallen des im Schrank versteckten Mr. Stevenson…

Mr. Gulliver begibt sich auf eine neue Reise

Schon nach zwei Monaten daheim zieht es Gulliver wieder in die Ferne. Doch als die Mietkutsche schon bereitsteht, lockt ihn seine Lady nackt, wie die Göttin sie schuf, zurück ins Schlafzimmer. Er erreicht sein Schiff in letzter Minute.

In Brobdingnag

Er nimmt einen Kauffahrer, der nach Ostindien segelt. Durch einen Sturm kommt die ABENTEUER vom Kurs ab und ankert vor einer unbekannten Insel. Später erfährt Gulliver, dass dies Brobdingnag ist, das Land der Riesen. Der erste Riese trennt ihn vom rettenden Boot, das sich in Sicherheit bringt.

Der Bauer Ruppivulla entdeckt den Winzling in seinem Gerstenfeld und bringt ihn es nach Hause, um es seiner ebenso gewaltigen Frau Gigantuska vorzustellen. Beide lachen sehr, als Gulliver einen Ständer entwickelt, wie ihn die Todgeweihten vor dem Hängen bekommen. Ganz klar: Er ist ein menschliches Wesen, erklärt Ruppivulla und schenkt es seiner Tochter Glumdalclitch. Diese beschützt ihn vor gefährlichen Ratten, Käfern, Würmern und Spatzen, indem sie ihm ein Lager in einer gepolsterten Schublade herrichtet. Dieses Refugium schützt ihn aber nicht vor den Späßen, die sich Ruppivulla erlaubt, wenn er seine Frau beim Sex beglückt. Gulliver lernt quasi auf die harte Tour, Rodeo zu reiten…

Mr. Gulliver wird Künstler

Ruppivulla macht den Däumling, wie er ihn nennt, zu einer Jahrmarktsattraktion. Das Eintrittsgeld behält er natürlich ein, und als die Einnahmen aus der Show den Ertrag aus der Ernte übersteigen, wird er von der Show abhängig. Das weiß Gulliver auszunutzen und gestaltet fortan sein eigenes Showprogramm…

Das Hintere Gesicht

In einem finsteren Wald hören Ruppivulla, Glumdalclitch und Gulliver entsetzliche Schreie, die aus einem Haus am Waldesrand dringen. Da klingt nach einer Frau in Not, denken die beiden Riesen, zücken ihre Pistolen und dringen in das Haus ein, um zu helfen. Eine nackte Frau, die an ein gewaltiges Himmelbett gefesselt ist, schreit um Hilfe. Denn in selbigem Bett wird gerade ein Mann von einem anderen vergewaltigt. Mithilfe der Pistolen machen dieser unschönen Sache ein Ende. Sie staunen nicht schlecht, als sie erfahren, dass die Frau die Gattin des Vergewaltigten ist, kein anderer als der Dorfpfarrer. Und dass der Vergewaltiger seine Tat nicht im geringsten bereut. Angezogen weisen ihn seine Kleider als Angehörigen der höheren Stände aus.

Als Ruppivulla droht, den Mann dem Galgen zuzuführen, ist er verblüfft, als die Pfarrersleute dies für eine völlig überzogene Maßnahme halten, die obendrein den guten Ruf des Pfarrers in Mitleidenschaft ziehen würde. Die weiblichen Reize der molligen Pfarrerin, die Ruppivulla in einer angrenzenden persönlich in Augenschein nehmen darf, überzeugen ihn zudem, die ganze Sache auf sich beruhen zu lassen.

Die Königin

Das erweist sich als kluge Entscheidung, denn der vornehme Typ stellt sich als königlicher Theaterimpresario Lurilux vor, als er anderntags die Gulliver-Show besucht. Er kauft Ruppivulla den Däumling für eine hübsche Summe ab und macht ihn zu einem landesweiten bekannten Popstar. Ein Glück nur, dass sich Glumdalclitch weiterhin um den Schutz des Menschleins kümmern darf, sonst hätten die Fans ihn zerrissen. Als die Königin eine Million Dukaten für ihn bietet, gehört er ihr.

Sie ist die schönste Riesin, die Gulliver je gesehen hat – und eine der wollüstigsten. Wenn sie im Schlossteich mit ihren Hofdamen badet, wird ihre weibliche Magie von keiner übertroffen. In Ermangelung von Männern sind die Damen meist miteinander beschäftigt. Doch Gulliver hat einen Rivalen: den Hofzwerg. Er wirft ihn eines Tages in ein Sahnekännchen, aus dem ihn nur eine hilfreiche Hand vor dem Ertrinken rettet. Die Königin kann sich jede Nacht von einem anderen Gardesoldaten beglücken lassen, kann Gulliver bezeugen. Er ist erfreut zu sehen, dass sie sehr wählerisch ist, und lernt: Für die Macht der Schönheit gibt es kein Gut oder Böse.

Die tugendsame Musulla

Die einzige Hofdame, die bei einer öffentlichen Vierteilung wegschaut, ist die schwarzhaarige, aber liebliche Musulla. Ihr gehört sofort Gullivers Zuneigung, den Tugendhaftigkeit entzückt ihn immer. Als eines Nachts ein Graf sich an ihr vergehen will, werden seine Beistandsangebote nur verlacht. Doch dann erhält Musulla Hilfe von unerwarteter Seite…

Mein Eindruck

Relativität

Wie schon in Mr. Swifts literarischer Vorlage sieht sich der „Held“ Mr. Gulliver der Erfahrung seiner eigenen Relativität innerhalb der bekannten Welt ausgesetzt. Bei den Liliputanern ist er zu groß, bei den Riesen zu klein. Neben allem damit verbundenen Frust gehört auch sexuelle Enthaltsamkeit mit zum Ungemach, das mit dieser Verschiebung einhergeht. Guten Sex hat er deshalb nur mit seiner eigenen Frau – und die betrügt ihn mit dem Fischhändler. Merke: Um guten Sex zu haben, muss man – in jeder Hinsicht – die passende Größe haben und obendrein hautnah anwesend sein. Sind diese beiden Bedingungen nicht erfüllt, braucht Mann sich nicht zu wundern, wenn Frau sich ihr Vergnügen woanders sucht.

Tugend

Einer der Gründe, warum Gulliver in Liliput so wenig Spaß hat, ist sein Festhalten an puritanischen Glaubenssätzen, von denen der Leser schon früh erfährt, dass sie vom Urheber, dem Küster, selbst bereits verraten wurden. Gullivers Streben nach Tugend, etwa durch den Appell, Geilheit zu verbieten, gründet also von vornherein auf einer Unwahrheit. Seine Auffassung von Tugend zu importieren, erinnert stark an den Kolonialismus, der von Anfang an – siehe Lateinamerika – von christlicher Missionsarbeit begleitet wurde. Die Missionare verbreiteten den Glauben nicht nur mit Feuer und Schwert, sondern auch mit Mikroben und Pestilenz. Der Grund: Wie heute im Amazonasgebiet, waren damals die Völker Lateinamerikas nicht gegen die Mikroben der Europäer resistent.

Geilheit

Als wäre diese bemitleidenswerte Ironie falsch begründeter Tugend nicht genug, steht Gullivers nordenglischer Tugendhaftigkeit auch noch die tägliche Praxis auf Liliput entgegen, lustvollen Sex zu haben, und zwar überall und zu jeder sich bietenden Gelegenheit. Das bedeutet nicht, es mit dem angetrauten Ehegespons zu treiben, wie Putzi, Premier Flimnarps Gattin, demonstriert. Auffallend ist aber die Faszination der Frauen hinsichtlich Gullivers gigantischem Glied. (Dass ein großes Glied auch großes Vergnügen seitens der Frau bedinge, ist allerdings ein verbreiteter männlicher Mythos. Entscheidend ist nur die Stimulation der Klitoris.)

Versuchungen

Dass es die Riesen von Brobdingnag genauso geil und wild treiben wie die Zwerge von Liliput, muss Gulliver schon in der ersten Nacht seines Aufenthalts bei Ruppivulla & Co. erleben. Ja, den Riesen verschafft es sogar ein zusätzliches Vergnügen, beim Vögeln beobachtet zu werden. Ob da wohl auch das Wissen um Gullivers Machtlosigkeit mitspielt, so dass sie ihn extra hart quälen können? Dass die Erotik der Riesen nichts für ihn sei, meint Gulliver in dem Moment zu erkennen, als Gigantuska ihr Baby stillt. Ihre Brüste sind wie zwei Berge, ihre Zitzen („Titten“) nähern sich den Ausmaßen von Baumstämmen – er muss sich übergeben.

Ganz anders hingegen die Königin von Brobdingnag. Ihre Lieblichkeit, die sich ihm schon im Schlossteich offenbart hat, führt ihn fast dazu, seine Tugendhaftigkeit vergessen zu wollen. Die Macht ihrer Schönheit schert sich, wie erwähnt, einen feuchten Kehricht um willkürliche Kategorien wie Gut und Böse. Die Relativität der Auffassungen von Tugend zeigt sich an dem Angriff auf die schöne Musulla. Der Graf, der sie haben will, schert sich wegen seiner Kraft und seines Machtbewusstseins, ja, seiner bloßen Größe wegen, nicht um die Proteste, die von Musulla und Gulliver kommen. Er wird sie vergewaltigen, ganz einfach weil er es kann. Denkt er jedenfalls, bis ein neuer Gegner auftaucht…

Die Übersetzung

S. 22: „ohne nenne[n]swerte Begeisterung“: Das N fehlt.

S. 26: „Läfig“ statt „Käfig“.

S. 33: “ Der reichgalonierte Kutscher“: seine Kleidung ist reich geschmückt und verziert.

S. 47: „Der Neumond stand gelb und grell am Himmel.“ Üblicherweise ist der Neumond unsichtbar.

S. 47: „Die Nacht war veilchenblau.“ Üblicherweise ist die Nacht schwarz. Das liegt an dem Mangel an Licht, trotz der Millionen Sterne, die am Firmament prangen.

S. 50: „das einzige, was sie spürte, dass die puschen musste.“ Übersetzung: Sie musste pinkelen.

S. 53: „wenn ich ihn[en]… in einen Käfig sperrte…“ Die Endung -en ist überflüssig.

S. 68: „in Maskopie mit dem Feinde“: geheime Absprache

S. 72: „Die Gräfin nah mi[h]n auf den Arm…“ Das H fehlt.

S. 91: „östlich der Molukken“. Es handelt sich um die berühmten Gewürzinseln in der Sunda-Straße. Weil aber Indonesien östlich von Ostindien liegt, muss die ABENTEUER den langen Weg um Kap Hoorn herum genommen haben und quer durch den Pazifik gesegelt sein, um zuerst die Molukken zu treffen. Warum hat sie nicht den kurzen Weg um das Kap der Guten Hoffnung genommen?

Unterm Strich

Nach „Sexland“ zieht es Lemuel Gulliver, wenn man dem schwedischen Originaltitel glauben darf. England, Liliput und Brobdingnag sind nur drei Aspekte desgleichen Motivs: Sex, Geilheit und Gullivers Kampf dagegen. Im Unterschied zu den fabulösen Anekdoten des Freiherrn von Münchhausen geht der deftige Kampf zwischen „fremder“ Geilheit und eigener „Tugendhaftigkeit“, die auf einer Lüge beruht, auf Kosten des Helden.

Immer wieder muss Gulliver Rückschläge hinnehmen, und auch wenn ihn mal eine fremde Dame anhimmelt wie die kleine Tittelina, so überwiegt doch der Frust aufgrund der körperlichen Inkompatibilität. Dass es auch ungeachtet dessen Mittel und Wege gibt, einander zu genießen, schildert der Autor leider nicht. Entweder mangelte es ihm an Einfallsreichtum – was ich nicht glauben kann – oder die „Mittel und Wege“ erschienen ihm so gewagt, dass es sie nicht niederschreiben wollte oder konnte.

Neben den bereits aus der Swiftschen Vorlage bekannten ironischen Seitenhieben auf die Relativität und Willkürlichkeit von moralischen und anderen Maßstäben bietet Meurlings Buch also wenig Erbauliches. Auch der Humor hält sich in Grenzen, und die Spannung tritt nur stellenweise auf, so etwa dann, als die Kaiserin den Plan fasst, zusammen mit dem Premierminister den lästigen Riesen endgültig zu beseitigen. Schließlich hat er auf ihr Haus gepinkelt! Ist das nicht Grund genug, ihn wegen Majestätsbeleidigung ins Jenseits zu befördern? Wie man sieht, geht es immer wieder um Macht und deren mehr oder weniger gerechte Ausübung.

Gegenbeispiel

Auch aus den erwähnten gefahrvollen Momenten bei den Riesen, die der Däumling erleben muss, wird wenig gemacht. Wie sehnte ich mich nach Richard Mathesons fesselnden Schilderungen aus seinem verfilmten Roman „The Incredible Shrinking Man“ aus dem Jahr 1957 zurück! Dort macht der Autor auf den Bedrohungen, denen sich der schrumpfende Däumling Mr. C gegenübersieht, ein heroisches Drama und zugleich eine menschliche Tragödie – das Schicksal, das Mr. C erleidet, ist nicht von ihm verschuldet, sondern durch moderne Wissenschaft und Technik (Radioaktivität und Insektizid) verursacht. Von Mr. C’s Heldentum ist Gulliver weit entfernt: Er wird Opfer einer „comedy of manners“. Kein Wunder also, dass sich der Autor bei Zwergen und Riesen eher den Freuden und Intrigen der Einheimischen widmet als Gullivers sehr relativierten Leiden.

Taschenbuch: 126 Seiten
Originaltitel: Gullivers resa till sexland
Aus dem Schwedischen von Arvid Kornell;
ISBN-13: 9783811862296

www.vpm.de

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