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Meyer, Stephenie – Seelen

Irgendwann, in einer nicht näher bestimmten Zukunft, haben Parasiten die Weltherrschaft übernommen. Diese kleinen, silbrigen, quallenartigen Außerirdischen werden einem Menschen ins Rückrat implantiert und übernehmen fortan die Kontrolle sowohl über den Körper als auch den Geist. Die menschliche Seele, die dem Körper vorher eine Persönlichkeit gegeben hatte, wird verdrängt – sie stirbt -, und so ist die Menschheit fast gänzlich ausgestorben. Es gibt nur noch ein paar „reine“ Menschen, die sich in abgelegenen Gegenden verstecken, um nicht von den außerirdischen Suchern gefunden zu werden. Diese Menschen leben planlos vor sich hin, einzig darauf bedacht zu überleben. Einen organisierten Widerstand gegen die außerirdische Invasion gibt es nicht. Der Krieg ist verloren.

Melanie ist einer dieser Menschen. Mit ihrem kleinen Bruder Jamie und ihrem Freund Jared lebt sie versteckt in einer Hütte. Doch bei einem Ausflug in die Zivilisation wird sie entdeckt und gefangen genommen. Man setzt ihr eine Seele ein, doch Melanie erweist sich als stark. Sie kämpft für sich und ihren Körper und lässt sich nicht einfach verdrängen. Und so wohnen fortan zwei Seelen in Melanies Brust: Sie selbst, die unbedingt zu Jamie und Jared zurückkehren will, und die Seele Wanda, die mit ihren Prioritäten kämpft und zunächst versucht, diese Stimme in ihrem Kopf loszuwerden. Doch schließlich werden beide Freundinnen, teilen sie doch die gleichen Erinnerungen und Gefühle.

Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach Melanies kleiner Familie und stoßen dabei auf eine Widerstandszelle. Nicht nur Melanie, sondern auch Wanda findet bei den Menschen ein Zuhause und die Liebe. Doch während Melanie an nichts anderes als an Jared denken kann, fühlt sich die Seele Wanda zu Ian hingezogen. Eine vertrackte Situation.

Stephenie Meyer, deren derzeit fürs Kino verfilmte „Twilight“-Serie wohl vielen weiblichen Lesern ein Begriff ist, wagt sich hier auf neues Terrain. Ihr aktueller Roman „Seelen“ wird von Meyers amerikanischem Verlag mit dem Slogan „Science-Fiction für Leute, die keine Science-Fiction mögen“ verkauft, was den Nagel ziemlich genau auf den Kopf trifft. Ja, Wanda ist eine Außerirdische, und ja, Wanda erzählt auch von Zeit zu Zeit von den anderen Planeten, auf denen sie gelebt hat (denn ihre parasitische Rasse breitet sich im ganzen Universum aus), doch für Meyer ist die Science-Fiction nur ein Vehikel, um ihr eigentliches Anliegen zu transportieren: eine ungewöhnliche Liebesgeschichte in den Wirren einer chaotischen und apokalyptischen Zeit.

Dass Melanie und Wanda sich einen Körper teilen müssen und Wanda fortan mit den Wünschen und Gefühlen „ihres“ Menschen zu kämpfen hat, klingt zunächst seltsam, erweist sich aber – gerade am Anfang des Romans – als durchaus tragfähiges Konzept, das den Reiz der Geschichte ausmacht. Wanda, die schon auf mehreren Planeten gelebt und daher mehrere Lebensformen bewohnt hat, ist schier überwältigt von der Fülle der Gefühle, die auf sie einprasseln. Und Melanie, die Wanda zunächst als Feindin betrachtet, versucht gerade mit Hilfe dieser intensiven Gefühle auf Wanda einzuwirken, um ihr klarzumachen, dass sie unbedingt zu Jamie und Jared zurückkehren müssen. Auf die Zwiesprache zwischen den beiden und die langsame Entwicklung von Feindinnen zu Freundinnen zu Schwestern verwendet Meyer einen Großteil ihrer Zeit, und es ist diese ungewöhnliche Beziehung, die alle anderen im Roman in den Schatten stellt.

Dies gilt auch für die Liebesgeschichte. Sie hat das Potenzial, ebenso überlebensgroß zu sein wie die Liebe zwischen Bella und Edward in den Twilight-Romanen, denn Melanie setzt wahrlich Himmel und Hölle in Bewegung, um zu Jared zurückzukehren. Doch als das Unmögliche dann geschafft ist, als sich Melanie/Wanda in Jareds Gesellschaft wiederfinden, da verliert Meyer plötzlich die Geduld. Die Beziehung stagniert, über fünfhundert Seiten passiert nichts, außer dass Melanie sich körperlich nach Jared sehnt und Wanda nicht so recht weiß, wohin mit sich und den ungewohnten Gefühlen. Jared selbst ist nichts weiter als ein Fixpunkt, dem sich Meyer nie wirklich nähert. Man kann kaum nachvollziehen, warum Melanie so unsterblich in ihn verliebt ist, denn Meyer schafft es nie, Anknüpfungspunkte für den Leser zu schaffen. Jared wirkt immer nur wie ein unerreichbarer Schwarm, nie wie ein Mensch aus Fleisch und Blut.

Das gelingt ihr bei Ian, in den sich Wanda im Verlauf der Handlung verlieben wird, deutlich besser, doch hat sie dort offensichtlich tief in die Klischeekiste gegriffen, denn er ist der perfekte Schwiegersohn. Er hilft Wanda, wo er kann, ist zuvorkommend, liebenswürdig, immer bereit, sich für Wanda in Gefahr zu begeben. Er ist so gut, so glatt, so ohne jeden Fehler, dass man in seiner Gegenwart ein herzhaftes Gähnen unterdrücken muss. Kurzum, er ist ein Langweiler, wenn auch ein sympathischer.

Stephenie Meyer hat mit „Seelen“ einen Roman geschrieben, der origineller daherkommt als ihre Vampirserie, und doch tappt sie in genau die gleichen Fallen wie in ihren vorherigen Büchern. Zunächst einmal ist „Seelen“ mit fast neunhundert Seiten schlicht zu lang. Viel hätte gekürzt oder komplett gelöscht werden können. Gerade, als Wanda auf die kleine Gruppe Menschen trifft und von ihnen in einer winzigen Höhle eingesperrt wird, tritt die Handlung für etliche Kapitel auf der Stelle. Wanda, die eben noch todesmutig durch die Wüste spaziert ist, mutiert plötzlich zu einem passiven Angsthasen. Sie redet nicht mit den Menschen, die sie eben noch so herbeigesehnt hat. Sie erklärt auch nicht ihre Lage. Sie sitzt da und schweigt – über mehrere Kapitel hinweg, ohne dass sich die Handlung in irgendeine Richtung weiterentwickeln würde.

Auch ist Meyer immer noch mit ihren Nebencharakteren überfordert. Die Charaktere, die Wanda/Melanie umgeben, bekommen durchaus ein Gesicht: Jamie, Ian, Walter (Wandas erster menschlicher Freund). Doch alle anderen Personen sind nichts weiter als Statisten, die da sind, um die Buchseiten zu füllen – sie haben keine nennenswerte eigene Handlung, keine eigene Geschichte, nichts, dass sie irgendwie charakterisieren würde. Besonders problematisch ist das bei Maggie und Sharon, die Wanda bis zur Unvernunft hassen. Der Leser erfährt jedoch nie Näheres über die beiden und hat so keine Chance zu ergründen, warum sie so handeln, wie sie es tun. Damit läuft dieser – zugegeben kleine – Nebenschauplatz völlig ins Leere und bleibt innerhalb des Romans losgelöst und sinnentleert.

Der größte Stolperstein ist jedoch einer, über den Meyer immer wieder fällt, ohne ihn jemals aus dem Weg zu räumen. Wandas Rasse ist friedliebend und gutmütig. Nachdem sie die Erde übernommen hatten, gab es in den Nachrichten nur noch Erfreuliches zu berichten und bei den Olympischen Spielen bekamen alle Teilnehmer eine Medaille. Wanda wird schon schlecht, wenn Melanie nur an Gewalt denkt. Und doch hat Wandas Rasse praktisch die gesamte Menschheit ausgelöscht, ohne zu realisieren, dass ihre Anwesenheit eventuell unerwünscht sein könnte. „Alles, was wir uns nahmen, machten wir besser, friedlicher und schöner“, sagt sie an einer Stelle, als wäre das Grund genug, einen Planeten zu übernehmen. Wanda fühlt sich hingezogen zu all diesen Lebensformen, respektiert und liebt sie gar. Doch auf der anderen Seite stellt sie eine ungeheure Arroganz zur Schau, einen stetigen Unwillen, andere Lebewesen als eigenständig zu akzeptieren. Sie verabscheut Gewalt, spricht aber im gleichen Atemzug völlig leidenschaftslos von Euthanasie: „Ein Körper, der nicht richtig funktionierte, wurde schnell und schmerzlos aussortiert, denn er war genauso unnütz wie ein Auto, das nicht fuhr.“ Dass sie einen Menschen tötet, wenn sie dessen Körper und Geist übernimmt, erkennt sie nicht als Mord. Sie hat hehre moralische Überzeugungen, doch letztendlich ist sie nicht anders als jedes andere Lebewesen – willens, über Leichen zu gehen, um das eigene Überleben zu sichern. Wanda verweigert sich dieser Erkenntnis stetig, und auch Meyer trägt nichts dazu bei, den Kern dieses Widerspruchs zu ergründen oder aufzulösen.

Trotzdem, „Seelen“ ist unterhaltsam, meistens sogar kurzweilig. Gerade der Anfang der Geschichte überzeugt auf ganzer Linie, wohl auch, weil der Leser vollauf damit beschäftigt ist, sich in dieser fremden Welt zurechtzufinden. Meyer kann dieses Tempo nicht halten, der Schluss ist zudem zu zuckrig und lässt zu viele unbequeme Fragen zurück, als dass man uneingeschränkt glücklich mit der Auflösung sein könnte. Doch Meyers Geschichte lebt von Melanie und Wanda. Wenn man diese beiden mag, wird man die Lektüre nicht bereuen.

|Originaltitel: The Host
861 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-551-58190-7|

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_Mehr von Stephenie Meyer auf |Buchwurm.info|:_

[„Bis(s) zum Morgengrauen“ 4600 (Bella und Edward 1)
[„Bis(s) zur Mittagsstunde“ 4647 (Bella und Edward 2)

John Marsden – Ein endloser Albtraum

Der Australier John Marsden konstruiert in dem Buch „Ein endloser Albtraum“ ein ‚Was wäre wenn?‘-Szenario. Er konfrontiert eine Gruppe von Jugendlichen damit, dass in ihrem Land plötzlich ein Krieg ausbricht und sie lernen müssen, damit umzugehen. Das Besondere dabei ist, dass es sich nicht um irgendein Land in der dritten Welt handelt, sondern um Australien, also nicht unbedingt eine Krisenregion.

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Meyer, Stephenie – Bis(s) zum Morgengrauen (Bella und Edward 1)

Im zarten Alter von siebzehn Jahren ändert Bella ihr Leben drastisch. Nicht, dass ihr viele Alternativen blieben: Ihre Mutter hat gerade einen Baseballprofi geheiratet und will mit ihm durch die Staaten ziehen. Da ist für Bella kaum Platz, und so entschließt sie sich, zu ihrem Vater in das verschlafene Forks zu ziehen, das sie bisher nur aus diversen Schulferienbesuchen kannte.

Der Umzug nach Forks ist in Bellas Augen keineswegs eine Verbesserung. Eigentlich kommt sie nämlich aus dem sonnigen Phoenix, und so fällt es ihr zunächst schwer, sich an das verregnete Forks zu gewöhnen. Auch die Beziehung zu ihrem Vater gestaltet sich zuerst schwierig – Charlie ist ein Einzelgänger aus Gewohnheit und muss sich daher erst an seine neue Rolle als Vater gewöhnen. Und dann ist da natürlich noch die Tatsache, dass sie an der Highschool die „Neue“ sein wird, was ihr eine berechtigte Gänsehaut über den Rücken jagt.

Letztendlich wird es dann aber gar nicht so schlimm, wie Bella befürchtet hat. Im Gegensatz zu Phoenix ist sie in Forks bald der Mittelpunkt des Interesses. Ihr ganzer Jahrgang scheint erpicht darauf, mit ihr befreundet sein. Die Jungs laufen ihr – fast sprichwörtlich mit sabbernder Zunge – scharenweise hinterher und auch die Mädchen nehmen sie sofort in ihre Clique auf. Nur ihr Banknachbar in Bio verwehrt sich Bellas Charme. Edward scheint eine sofortige Abneigung gegen sie zu verspüren und ihr ständig aus dem Weg zu gehen.

Bella ist konsterniert und gekränkt, kann sie sich doch nicht vorstellen, dem mysteriösen und schweigsamen Edward einen Anlass gegeben zu haben, sie nicht zu mögen. Und dass er schließlich sogar seine Biostunden zu schwänzen scheint, nur um ihr nicht begegnen zu müssen, erscheint ihr dann doch ein wenig drastisch.

Bella und Edward haben also nicht den besten Start. Und doch kommen sie sich näher, als Edward ihr bei einem Auffahrunfall das Leben rettet. Diesmal ist Bella nicht gekränkt, aber doch immer noch konsterniert, kann sie sich doch nicht des Eindrucks erwehren, dass Edward den auf sie zurollenden Wagen mit reiner Muskelkraft gestoppt hat – ohne einen Kratzer abzubekommen. Als sie dann noch bei einem Ausflug ins nahegelegene Indianerreservat erfährt, dass Edwards Familie der Zutritt verwehrt ist, weil sie Bluttrinker sind, ist ihr Interesse dann doch geweckt. Könnte Edward tatsächlich ein Vampir sein oder bildet sie sich da nur etwas ein?

Der Leser wird die Antwort schnell erraten: Natürlich ist Edward ein Untoter und natürlich hat er sich nicht von Bella ferngehalten, weil er sie nicht leiden kann. Er will Bella, und Bella ist sich schon lange darüber im Klaren, dass sie Edward will, doch die kleine Nebensache mit dem Vampirismus verkompliziert die Sache ein wenig.

Die Betonung liegt hier auf „ein wenig“, denn Stephenie Meyer lässt nie einen Zweifel daran, dass sie mit „Bis(s) zum Morgengrauen“ einen Liebesroman geschrieben hat. Sie hält sich nicht mit einem B-Plot auf, und auch Nebenfiguren sind hauptsächlich Staffage. Bei ihr geht es um Bella und Edward: Bella, wie sie im Geheimen Edward hinterherschmachtet. Edward, wie er unverschämt gut aussieht und einfach alles kann. Bella, deren Körper elektrische Stromstöße durchfahren, als Edward sie zufällig berührt. Edward, der ihr ganz romantisch auf einer Sommerwiese seine Liebe gesteht. Bella, die immer wieder in Gefahr gerät und von Edward gerettet werden muss. Und am Schluss geht doch alles irgendwie gut aus.

Meyers Liebesgeschichte ist buchstäblich wie aus dem Bilderbuch. Die Handlung ist schablonenhaft und bietet kaum überraschende Wendungen. Auch Meyers eher durchschnittliches erzählerisches Talent kann darüber nicht hinwegtrösten. Sie ergeht sich in endlosen Wiederholungen, bis dem Leser Edwards überirdische Schönheit und Bellas absolut unrealistische Tolpatschigkeit zu den Ohren herauskommen. Sie wird es nicht müde, Edwards Alabasterhaut zu beschreiben, seinen gottgleichen Körper und seine changierenden Augen, sodass auch die letzte Leserin begreift, dass sie hier den perfekten Mann vor Augen hat. Gleichzeitig ist Bella tapsig (sie fällt ständig auf die Nase), aber schön – die typische Damsel in Distress, die sich vom mutigen Helden aus potenziellen Gefahrensituationen retten lassen muss (will). Sie bietet damit eine mehr als geeignete Projektionsfläche für jugendliche Mädchenherzen.

Als Vampirroman kann „Biss zum Morgengrauen“ kaum überzeugen. Da findet sich nichts, was man nicht schon mal irgendwo anders gelesen oder gesehen hätte. Edward ist genauso empfindsam und „menschelnd“ wie Anne Rices Louis, ohne jedoch dessen Weltschmerz und Leid an seiner Existenz zu teilen. Die Liebesgeschichte hat das Überlebensgroße von Joss Whedons Buffy und Angel, ohne die potenzielle Gefahr, eine Bestie zu entfesseln. Meyers Vampire sind seltsam blutarm. Edwards Familie ernährt sich von Tieren, während sie sich gleichzeitig Mühe gibt, vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein (Edwards „Vater“ ist ein angesehener Chirurg). Edward ist zwar stark und kann einem Menschen gefährlich werden, doch wie Bella kann man diese Tatsache als Leser nicht so recht glauben. Er ist einfach zu gut, um wirklich böse zu sein.

Doch schließlich ist „Biss zum Morgengrauen“ ja nicht in erster Linie ein Vampir-, sondern ein Liebesroman, und in dieser Hinsicht fährt Meyer definitiv alle Geschütze auf. Wer also einmal so richtig dahinschmelzen will in einer Geschichte, die ein bisschen verbotene Gefahr verspricht, ohne je wirklich gefährlich zu werden, der wird „Bis(s) zum Morgengrauen“ vermutlich in zwei Tagen verschlungen haben und sich sofort den nächsten Band vornehmen. Schließlich hat Stephenie Meyer bisher drei erfolgreiche Schmöker veröffentlicht, die sich um Bella und Edward drehen – eine Verfilmung ist in Arbeit.

Interessanterweise beschreibt Meyer anhand der Vampire, was eine glückliche Familie ausmacht. Während Bella sich zwischen ihrer Mutter und deren neuen Mann wie das fünfte Rad am Wagen vorkommt und daraufhin zu ihrem Vater flieht, den sie auch kaum kennt, bietet Edwards Vampirfamilie Geborgenheit und ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das sie so offensichtlich noch nicht kennengelernt hat. Beim traditionellen „Freundin der Familie vorstellen“ fühlt sich Bella sofort wie zu Hause, wohl auch, weil Edwards „Eltern“ sie sofort annehmen und akzeptieren – etwas, das ihr bei ihren leiblichen Eltern schmerzlich zu fehlen scheint. In diesen Szenen gelingt es Meyer auch, überzeugende Nebencharaktere zu schildern. Während Bellas menschliche Schulfreunde nämlich alle austauschbar und nicht mehr als Rauschen im Hintergrund der Handlung sind, ist Edwards Vampirfamilie offensichtlich wirklich aus Fleisch und Blut – Charaktere, die man greifen kann, die Gefühle haben, genauso wie Vorlieben und Abneigungen.

„Bis(s) zum Morgengrauen“ begründet das wohl neue Genre der Feelgood-Vampir-Schmonzette. Das heißt, man darf auf der einen Seite weder große Charaktertiefe noch anspruchsvolle Prosa erwarten. Und auch einige Logikprobleme sollte man in Kauf nehmen können (das größte davon ist wohl die Frage, warum ein Vampir freiwillig zur Highschool gehen würde). Dafür bekommt man dann aber eine Story, die sich durchaus flott wegliest und genau in die Richtung geht, die der Leser erwartet. Manchmal ist es schließlich auch ganz nett zu sehen, wie die Protagonisten sich kriegen, anstatt frühzeitig dahinzuscheiden (à la „Romeo und Julia“ oder „Sturmhöhe“). Die jugendliche (oder junggebliebene) Leserin darf sich gern in der Rolle der Bella sehen, die von Edward erobert wird und mit ihm die Freuden der ersten großen Lieben durchlebt. Und das macht wahrscheinlich auch den großen Erfolg des Romans aus.

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Risa Wataya – Hinter deiner Tür aus Papier

Die japanische Schriftstellerin Risa Wataya gehört zu den Gefeierten in ihrem Land. 2003 erhielt sie, mit nur neunzehn Jahren, den bedeutendsten japanischen Literaturpreis für das Buch, das der |Carlsen|-Verlag 2007 auch in Deutschland veröffentlicht.

„Hinter deiner Tür aus Papier“ erzählt aus der Sicht der Teenagerin Hatsu, die sich bewusst dagegen entscheidet, Teil des Cliquengeflechts ihrer Oberschule zu sein. Damit riskiert sie zwar die Freundschaft zu Kinuyo, die gerade eine neue Clique gefunden hat, doch das ist ihr egal. Hatsu empfindet ihre Mitschüler als oberflächlich und verlogen – bis auf einen: Ninagawa mit dem überlangen Pony und den Stromausfallaugen.

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Diana Wynne Jones – Die Merlin-Verschwörung

Roddy lebt im königlichen Troß, mit dem sie ununterbrochen durch ganz Blest unterwegs ist. Das ist notwendig, denn die Aufgabe des Königs ist es, das Reich auf diese Weise gesund zu erhalten. Eigentlich hat Rhoddy mit ihrem Vagabundendasein kein Problem, wenn nur nicht die Familie ihres besten Freundes Grundo so fürchterlich wäre! Kein Wunder, daß Sybils Mann vor ihr geflüchtet ist!
Im Augenblick ist der königliche Hof auf dem Weg zu einem offenbar recht kitzligen Treffen mit dem schottischen König. Alles wurde akribisch vorbereitet, alles scheint perfekt. Bis der Merlin bei der Begrüßung unerwarteter Weise sterbend zusammenbricht. Eine Zeit lang geht alles drunter und drüber, und die Lage beruhigt sich erst, als Maxwell Hyde, Rhoddys Großvater väterlicherseits und ein mächtiger Magide, mit einem Nachfolger für den Merlin auftaucht. Dieser Merlin scheint jedoch irgendwie seltsam, und schon bald sind Rhoddy und Grundo einer riesigen Verschwörung auf der Spur. Aber niemand, dem sie davon erzählen, will ihnen glauben…

Derweil begleitet Nick seinen Vater auf einen Schriftstellerkonferenz nach London. Eigentlich findet er das alles furchtbar langweilig, aber nur, bis er sich plötzlich unvermittelt auf einem Flugplatz wiederfindet. Von ein paar Männern in Wildlederanzügen wird er in ein fremdartiges Fluggerät verfrachtet und nach Marseille geflogen, wo er erfährt, daß er für die Sicherheit in einem Krickettspiel sorgen soll, bei dem der Thronfolger mitspielt! Noch fremdartiger wird es, als er sich in einem Tunnel unter dem Stadion einfach auf den Boden setzt, weil er keine Ahnung hat, was er eigentlich tun soll. Kaum hat er sich niedergelassen, findet er sich in einem fremdartigen Wald wieder, wo er eine der bemerkenswertesten Begegnungen seines Lebens hat. Und plötzlich steckt er mitten in einem gefährlichen Abenteuer…

Wer aufgrund des Buchtitels irgendeinen entfernten Handlungsfaden im Zusammenhang mit der Artus-Sage vermutet, liegt also völlig daneben. Oder sagen wir, ziemlich daneben, denn Bezüge dazu gibt es durchaus, zum Beispiel im Hinblick auf den weißen und den roten Drachen oder Rhoddys Großvater mütterlicherseits.
Abgesehen davon jedoch ist die Geschichte eigenständig.
Diana Wynne-Jones arbeitet mit diversen Parallelwelten. Insgesamt sind es vier, wenn man Romanows Insel nicht mitzählt.
Eine davon ist unsere Realität, in der Nicks Dad lebt. Natürlich nicht ganz, denn immerhin stammt Nick, der ebenfalls dort lebt, aus einer anderen Parallelwelt. Da unsere Realität aber nur zu Beginn kurz auftaucht, ist das nicht weiter von Belang.
Die Hauptwelt, in der sich der größte Teil der Handlung, vor allem das Komplott, abspielt, ist Rhoddys Welt, genannt Blest. Zunächst wirkt diese Welt ein wenig irritierend. Hier existieren Magie und Technik in schönster Eintracht. Roddys Dad zaubert mithilfe von Magie für den König mal eben den Regen weg und läßt die Sonne scheinen, während ihre Mutter an ihrem Laptop arbeitet. Übliche Fortbewegungsmittel sind ganz normale Busse und Autos, telefoniert wird dagegen auf magische Weise. Nebenbei hat die Autorin in diese Welt den stärksten mythischen Anteil einfließen lassen, von Hexenmagie über das Kleine Volk bis hin zum walisischen Totengott.
Die Welt der Plantagenets, in der Nick seinen seltsamen Wachdienst im Krikettstadion schiebt, führt ebenfalls eher ein Randdasein. Sie bleibt von der Ausgestaltung her ziemlich blaß, was auch daran liegen mag, daß Nick sich hauptsächlich unterm Stadion aufhält und mit den beteiligten Leuten nur wenig spricht. Allein die Schilder in den Fenstern der Restaurants bringen ein wenig Farbe in diese Stelle, wahrscheinlich ein augenzwinkernder Seitenhieb auf französische Aussprache. Im übrigen dient diese Welt hauptsächlich der Vorbereitung auf die Figur Romanows.
Zuletzt wäre da noch Loggia, so benannt nach ihrem balkonartigen Aufbau innerhalb einer Schlucht. Obwohl Nick sich dort nicht länger aufhält als in der Welt Plantagenet, ist Loggia etwas ausführlicher und lebendiger beschrieben. Dennoch erhält der Leser auch hier nur einen Überblick, ins Detail geht die Autorin nicht.

Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Handlung. Und die ist leider etwas wirr geraten.
Das liegt nicht unbedingt daran, daß wir es hier mit verschiedenen Welten zu tun haben, sondern eher daran, daß die Autorin mit ihren Erklärungen äußerst sparsam umgeht. So steht der Leser zunächst mal etwas irritiert vor einer Handlung, die mit englischen Ortsbegriffen gespickt ist, aber ganz deutlich in keinem irgendwie bekannten England spielt! Der Mix aus Technik und Magie und das Umherziehen des Königs tragen ebenfalls ihr Teil dazu bei. Es dauert ein wenig, bis man sich eingelesen hat.
Auch als mit Nicks Auftauchen klar wird, daß es sich um Parallelwelten handelt, bleibt die Sache etwas konfus. So bin ich mir zum Beispiel nicht wirklich sicher, ob Nicks Dad ebenfalls von diesen Parallelwelten weiß, oder ob er nur deshalb Maxwell Hyde mit der Suche nach seinem Sohn beauftragt hat, weil der gerade neben ihm stand, als sein Sohn verschwand.
Damit sind wir schon beim nächsten Punkt. Die Autorin macht sich nicht die Mühe zu erklären, was ein Magide ist oder was er tut. Das wird dem Leser erst mit fortschreitender Lektüre klar, als Maxwell Hyde immer häufiger auftaucht. Auch erfährt der Leser nicht, um was für Geschöpfe es sich eigentlich bei den durchsichtigen Wesen handelt, die Rhoddy das erste Mal im Haus ihrer Großmutter auf ihrem Bett sitzen sieht.
Die Ortswechsel von Nick sind ebenfalls sehr unpräzise dargestellt. Einerseits sagt Nick, er könnte nicht allein von einer Welt in die andere wechseln, andererseits erzählt er nur wenige Absätze später, sein erster Wechsel zwischen den Welten sei ihm in einem Hotel gelungen! Falls die Autorin damit meinte, daß Nick einen solchen Wechsel nur unbewußt zustande bringt, dann hätte sie dies vielleicht erwähnen sollen.

Ein Knackpunkt ist auch Romanows Insel. Die Männer, mit denen Nick das Stadion bewacht hat, erwähnten, er hätte sich die Insel aus verschiedenen Welten und Zeiten zusammengebastelt und sich dort versteckt, damit ihn niemand finden könnte, vor allem nicht seine Ex-Frau. Nick findet ihn aber ohne größere Schwierigkeiten, nachdem er auf den Wegen zwischen den Welten drei Hilfesuchenden weitergeholfen hat. Nun mag man einwenden, daß Romanow bei ihrem Gespräch im Stadion Nick ja sozusagen eingeladen habe, der Trick also nur bei Feinden wirke. Dann frage ich mich aber, wie der Gebetsmeister aus Loggia es dorthin geschafft hat, noch dazu mit einem Fluggerät! Und wenn der es geschafft hat, warum hat Romanows Ex-Frau es dann nicht geschafft?
Und dann ist da auch noch das Problem mit der Zeit: Romanows Insel befindet sich im Verhältnis zu den anderen Welten zehn Jahre in der Vergangenheit. Als Nick in Loggia zum ersten Mal auf Joel und Japheth trifft, sind sie noch Kinder, kleiner als er. Beim Showdown sind sie bereits erwachsen. Nick ist dagegen immer noch vierzehn. – Nun hat Nick ja, nachdem Joel und Japheth von Romanows Insel verschwunden sind, noch einige Zeit dort verbracht. Und wenn man davon ausgeht, daß die Zeit an diesem besonderen Ort womöglich anders verläuft als anderswo, dann wäre es ja möglich, daß er nicht so sehr gealtert ist wie die beiden anderen Jungen. Seltsamerweise aber ist Grundos Schwester Alicia zum Zeitpunkt des Showdowns ebenfalls noch ein Kind!
Da fallen Unwahrscheinlichkeiten – zum Beispiel, daß der walisische Totengott mit einer Menschenfrau verheiratet war und eine Tochter und eine Enkelin hat – kaum noch ins Gewicht!

Das Erstaunliche an alledem ist, daß das Buch trotzdem unterhaltsam war. Nachdem sich zumindest ein Teil der Wirrnisse durch geduldiges Weiterlesen geklärt hatte, kam die Geschichte in Fahrt und gewann an Farbe. Dazu trugen nicht nur eigenwillige Tiere wie Helga, die Ziege, und Mini, die Elefantendame, bei, sondern auch die teilweise recht schrägen Charaktere, zum Beispiel Rhoddys Großmutter, ihre Zwillingscousinen oder ihre Tante Dora. Auch Maxwell Hyde gibt Anlaß zum Schmunzeln, wenn er sturzbetrunken zwischen den Welten unterwegs ist. Die übrigen Personen wirken eher etwas klischeehaft: Romanow ist der starke Mann, Sibyl die unerträgliche Schreckschraube, Nick der unfreiwillige Held und Rhoddy die weltrettende Kratzbürste. Das macht sie aber nicht weniger sympatisch. Wenn Nick wieder einmal frisch aufgewacht ist und sich bis zu seinem Kaffee wie eine totale Tranfunzel benimmt, hat er garantiert sämtliche Morgenmuffel auf seiner Seite!

Mit der „Merlin Verschwörung“ hat die Autorin ein Buch geschrieben, das durchaus interessante Ideen und eine vielversprechende Handlung vorweisen kann, die kurzweilig erzählt ist und gegen Ende zunehmend spannend wird. Nur die Ausführung hätte an einigen Stellen noch etwas präziser und detaillierter sein können. Das hätte sowohl den Einstieg erleichtert als auch einige Knackpunkte zutage gebracht, die so vielleicht vermieden worden wären.
Andererseits ist das Buch für eine Leserschaft von zwölf bis vierzehn Jahren geschrieben, und ich bin mir nicht sicher, ob für so junge Leser die Zeitproblematik überhaupt eine ist.
Wie auch immer man es dreht und wendet, das Buch hat ein wenig von seinem Potential verschenkt. Der Dalemark-Zyklus war besser durchdacht und sauberer aufgebaut.

Diana Wynne Jones lebt mit ihrer Familie in Bristol und gilt als die bedeutendste Jugendbuchautorin Groß-Britanniens. Viele ihrer Bücher erhielten angesehene Preise, u.a. den World Fantasy Award und den Guardian Award, wurden aber nicht alle ins Deutsche übersetzt. Außer dem Dalemark-Zyklus schrieb sie „Eine Frage der Balance“, „Einmal Zaubern – Touristenklasse“, und den Kinderbuch-Zyklus Die Welt des Crestomanci.

Taschenbuch 576 Seiten
Originaltitel: The Merlin-Conspiracy
Deutsch von Gabriele Haefs
ISBN-13: 978-3-404-20442-7

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Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Reinhard Kleist – Cash – I see a darkness

Spätestens seit »Walk the Line« im Kino lief, kann man guten Gewissens von »Cashmania« reden. Franz Dobler verwendet diese Vokabel in seinem Vorwort zu Reinhard Kleists Comicbiographie »Cash – I see a darkness«. Cashmania. Ein Ausdruck für die allgemeine Begeisterung, die Johnny Cash posthum zuteil wird. Der schwarze Highwayman, Mister Ring-of-Fire, hat es in die Popkultur geschafft. Fast möchte man von Kult sprechen, wäre das Wort nicht so abgegriffen.

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