Alle Beiträge von Jürgen Pern

Geboren als Tutenchaton. Sohn des Amenophis iV, welcher später als Ketzterkönig Echnaoton in die Geschichte einging, und seiner Frau Nofretete. Im Alter von 19 Jahren aus machtpolitischen Motiven heraus hinterrücks ermordet.

Mario Puzo – Der Pate

Wer wäre geeigneter – quasi als (selbsternanntes) Volkes schlechtes, literarisches Gewissen -, den heiligen Zorn des Blätterwaldes zu entfesseln? Richtig. Die Zeitung mit den vier großen Buchstaben. Okay, diese Idee hatte ursprünglich die |Süddeutsche Zeitung|, der |Springer|-Verlag hat also wie üblich ein erprobtes Erfolgsrezept nur nachgeäfft. In Zusammenarbeit mit dem nicht nur namentlich verwandt-verschwägerten Augsburger |Weltbild|-Verlag erschien die |BILD Bestseller-Bibliothek|. „Der Pate“ ist Band 1 und kostet (wie alle anderen Titel der Reihe auch) moderate 4,99 €.

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Pfeiffer, Boris – Die drei ???-Kids: In letzter Sekunde (Bd. 25)

Neben der originalen ???-Kult-Serie aus der Feder Robert Arthurs, die Kinder und Jugendliche seit ihren Anfängen in den Sechzigerjahren immer noch begeistert, hat sich seit August 1999 ein Seitenarm entwickelt, der sich eher an eine jüngere Leserschaft richtet. Deutschland ist seit Jahrzehnten die treueste Drei-Fragezeichen-Hochburg, daher erstaunt es nicht, dass es dieses (übrigens auch rein deutsche) Konzept auf mittlerweile beachtliche 30 Titel bringt. Fast alle davon wurden von Ulf Blanck verfasst – fast.

Diese als „Jumboband“ beworbene Jubiläumsausgabe zur Feier des 25. Falles wird hingegen von Boris Pfeiffer erzählt. „In letzter Sekunde“ bietet mit 180 Seiten (netto – ohne Cover, Vorsatz und Verlagswerbung) gut die doppelte Seitenzahl der anderen Bände, kostet jedoch nur ein wenig mehr als die Normalo-Fälle – 7,50 €, um genau zu sein. Bei der generellen Aufmachung orientiert man sich an dem Design, welches Aiga Rasch damals erschuf und das auch heute noch den Gutteil des Wiedererkennungswertes ausmacht. Das Hardcover erschien erstmals im Dezember 2005 im |Franckh-Kosmos|-Verlag. Wo auch sonst?

_Zur Story_

Wieder einmal dürfen die Drei Fragezeichen Bobs Vater zu einem Interviewtermin begleiten. Der Sammler Mr. Pim gastiert mit seiner Ausstellung am Bahnhof von Rocky Beach. Am Bahnhof deswegen, da seine Kuriositätensammlung in einer Art Museumszug quer durch die USA tingelt. Sein neues Prunkstück ist eine überdimensionale, voll funktionstüchtige Kuckucksuhr, welche er kürzlich auf einer Auktion ergattern konnte. Gebaut hat sie ein berühmter Uhrmacher, der seit einer gewissen Zeit jedoch abgetaucht ist und gelobte, auch keine Uhren mehr bauen zu wollen, bis ihn jemand findet.

Mr. Pim hat die größte von Felix Blacktrees kunstvoll-raffinierten Kuckucksuhren erstanden, es ist jedoch nicht die einzige – und wie es scheint, sind die Uhren auch wirklich eine codierte Spur zu seinem Aufenthaltsort. Sofern man ihre Zeichen zu deuten versteht. Oder sind das doch alles nur Gerüchte? Klar, dass insbesondere Justus darauf brennt, ihnen ihr Geheimnis zu entreißen. Und tatsächlich ist „Kuckuck“ nicht das Einzige, was Mr. Pims Uhr zu bestimmter Stunde zum Besten gibt und die Neugier der drei Jungs entfacht. Doch als sie am nächsten Tag noch einmal genau hinhören wollen, ist die seltsame Uhr gestohlen worden. Samt Waggon.

_Meinung_

Die Originalserie spielt ursprünglich in den Sechziger- und Siebzigerjahren, wurde dann aber über die Jahrzehnte behutsam bis in die Neuzeit verfrachtet. Heute sind Justus, Peter und Bob in der laufenden Serie im Alter von etwa 17 Jahren und benutzen Computer, Handy & Co. Als sie erfunden wurden, da gab es solcherlei moderne Geräte noch nicht. Zu diesem Zeitpunkt mögen sie so um die 12 oder 13 gewesen sein. Hier als knapp 10-jährige „???-Kids“ jedoch verwenden sie wie selbstverständlich das Internet und andere heutige Technik. Das passt von der Zeitlinie her überhaupt nicht ins Bild und ist überaus paradox. Zumindest hat es nicht im Entferntesten den Charme der alten Geschichten.

Kommen die „klassischen“ Fälle des fiktiven Jungdetektiv-Trios aus dem ebenso fiktiven kalifornischen Nest Rocky Beach gänzlich ohne Illustrationen daher, hat man bei den „???-Kids“ für optische Auflockerung gesorgt. Cover und die zahlreichen, zumeist putzigen, S/w-Zeichnungen im Comic-Stil stammen von Stefanie Wagner & Timo Müller bzw. Jens R. Nielsen. Allerdings hält man sich seitens der Illustrationen leider immer noch nicht an die Beschreibung der Originalfiguren. Künstlerische Freiheit nennt man das wohl – ist auch nicht weiter tragisch, reiht sich aber in die Liste der Kontinuitätsprobleme bei der „Kids“-Serie ein.

Die Story an sich ist dennoch gut durchdacht und wäre – modifiziert und an die etwas andere Altersstruktur angepasst – auch für die Hauptserie durchaus geeignet gewesen. Boris Pfeiffer spinnt sein Garn spannend und geschickt, um nicht nur den jüngeren Leser bis zum Schluss bei der Stange und somit in Leselaune zu halten. Wiewohl man als gestandener (erwachsener) Fan unter anderem die Elemente aus den Fällen „Rätselhafter Wecker“, „Superpapagei“ oder „Teufelsberg“ durchaus wiederfindet und der Plot als solcher natürlich alles andere als neu und unvorhersehbar ist. Gewürzt ist das Ganze (wie immer) mit kleinen pädagogischen Aha-Erlebnissen, die mal mehr und mal weniger augenfällig sind. Die Verbindung mit „Blacktree“ zu Schwarzwald und Kuckucksuhren ist schon sehr subtil.

_Fazit_

Dank Illustrationen und augenfreundlich großer Schriftart ist die Jubiläumsausgabe recht schnell gegessen – und das nicht nur aus der Sicht einer erwachsenen Leseratte, auch die angepeilte Leserschaft um die 10 Jahre herum dürfte sich den „Jumboband“ fix und entspannt durchziehen können und sich dabei gut unterhalten fühlen. Das Buch ist ein kurzweiliges Vergnügen und trotz der vielen kleinen Kollisionen in Sachen Logik und Kontinuität mit der Hauptserie durchaus eine der lesenswerten Geschichten der „???-Kids“.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Die drei ???® Kids – Band 25
„In letzter Sekunde“
Erzählt von Boris Pfeiffer
Illustrationen von Stefanie Wegner und Jens R. Nielsen
Lesealter: 8 bis 10 Jahre
Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 08/2005
196 Seiten Hardcover, ISBN: 3-440-10202-5
Preis: 7,50 Euro

Gerber, Michael – Barry Trotter und die schamlose Parodie

Die höchste Form des Lobes ist bekanntlich das Plagiat, auf die Parodie kann das bedenkenlos ausgeweitet werden. Wenn man der groß angelegten Verballhornung durch schreibende Scherzkekse anheimfällt, hat man es in den Bekanntheits-Olymp geschafft. Was J. K. Rowling mit ihren Harry-Potter-Publikationen trefflich gelungen ist, versucht Michael Gerber, seit Veröffentlichung des ersten Bandes seiner Potter-Parodie im Jahre 2002, immer noch zu erreichen. Wobei er den damaligen Hype geschickt ausnutzte, um mit seiner Publikation in JKRs Kielwasser mitzusegeln. Jüngst sollte übrigens auch C. S. Lewis‘ „Chroniken von Narnia“ nicht vor ihm sicher sein.

Aus „Barry Trotter and the unauthorized parody“ (US-Originaltitel), wurde in England ein verkaufsförderndes „shameless“. Hieran lehnten sich die beiden Übersetzer an und übernahmen das „schamlos“ für den Titel der deutschen Ausgabe, die erstmals 2003 bei |Goldmann| als Hardcover erschien. Die günstigere Taschenbuchausgabe ließ dann auch nicht lange auf sich warten. Die Story mit ihren schrägen Figuren fand offenbar so viel Anklang, dass Michael Gerber „… und die überflüssige Fortsetzung“ nachschob (dt. VÖ 11/2005), und ein Prequel („… und der unmögliche Anfang“ – voraussichtliche VÖ 07/2006) wird auf der Website von |Random House| bereits angekündigt.

_Der Autor_

Michael Wer? Sein parodistisches Coming-out „What we talk abbout when we talk about Doughnuts“ dürfte hierzulande jedenfalls weitgehend unbekannt sein. Gerber – Baujahr 1970 – schrieb bisher für seinen täglichen Broterwerb ansonsten für den „New Yorker“ und das „Wall Street Journal“; was er da so genau vor sich hintippselte – ob nun absolut bierernst oder als Ulknudel vom Dienst -, verrät uns die Autoren-Verlagsinfo leider nicht. Er selbst sieht sich humoristisch eher in der Ecke Monthy Pythons; wie jeder weiß, Kult-Institution an trockenem und skurrilem Humor. Very british eben. Ziemlich große Schuhe, um (ausgerechnet auch noch als Amerikaner) hineinzuschlüpfen.

_Zur Story_

Das Leben auf der Zauberschule Hogwash könnte für den 22-jährigen Oberfaulpelz Barry Trotter so schön sein. Könnte. Direktor Alpo Bumblemore gewährte ihm lebenslanges Wohnrecht im Schloss, denn der ist immer ebenso klamm wie das olle Gemäuer selbst. Barry hatte der Autorin J. G. Rollins seine Abenteuer aus der Zauberwelt erzählt, insbesondere seinen Dauerzwist mit dem Doofen Lord Valumart, was diese zu einer sagenhaften Buchreihe ausschlachtete. Die dabei abfallende Kohle und der Ruhm brachten zunächst alle in Hogwash weiter. Fanpost, massenhaft willig zu poppende Muddel-Groupies und ein Leben vollkommen ohne Job – sprich: Existenzangst.

Leider ist Barry – wiewohl ein talentierter Zauberer – nicht ganz der Saubermann aus den Romanen, und mit Geld umgehen kann er schon gar nicht. Außerdem gibt sich sein vollkommen bekloppter Patenonkel Serious Blech die allergrößte Mühe, bei äußerst fragwürdigen Geschäftsbeteiligungen möglichst viel Kohle zu verbrennen. Barrys Geld versteht sich – und der lässt sich auch fast jedes Mal belabern und anpumpen. In der Konsequenz verscherbelt Barry allerhand Zeugs aus der Zauberwelt an Muddel. Sein letzter Coup allerdings war ein Schuss nach hinten: Er hatte der Boulevardpresse (natürlich gegen Zaster) den Weg nach Hogwash gesteckt.

Jetzt tummeln sich Fan-Scharen von stinkenden Nichtmagiern vor (und in) dem Schloss herum, urinieren (sowie Schlimmeres) auf dem ehemals sauber gepflegten Rasen und beschmieren die altehrwürdigen Hallen mit obszönen Graffities. Lediglich das Seeungeheuer und die Päderasten-Pappel scheinen wenigstens noch ein wenig Spaß aus der Situation ziehen zu können. Bei allen anderen liegen die Nerven nahezu blank. Erst recht, als die Ankündigung kommt, dass die Wagner Brothers einen Kinofilm über Barry planen. Noch mehr Muddels, die das Schloss auf der Jagd nach Andenken Stein für Stein demontieren. Die hielte selbst der stärkste VerpissDich-Zauber nicht ab.

Das Ende von Hogwash!? Bumblemore setzt Barry die Pistole – ähem, den Zauberstab auf die Brust: Film verhindern oder aus der Schule fliegen! Für den hochverschuldeten Barry wäre die einzige Alternative, sich einen richtigen Job zu suchen. Schluss mit laissez-faire. Alles sträubt sich in ihm dagegen und das Fragrufzeichen auf seiner Stirn pocht auch dieser Tage immer heftiger. Hat Der-der-stinkt etwa die teutonische Hand im Spiel? Zunächst gilt es jedoch für das alte Triumvirat sich zusammenzurotten, sein treudoofer Freund Lon Measley (nach einem Unfall nur noch mit einem Hundehirn ausgestattet) und die nymphomane Hermeline Cringer begleiten Barry. Sie wollen J.G. Rollins entführen und damit den Stopp des Films erzwingen.

_Meinung_

Zu Beginn liest sich das Ganze ganz gut an und die Gags sind nette kleine und vor allem wohldosierte Rippenstöße in Richtung des Originals. Undogmatische Potter-Fans, die Verballhornungen aller Art an ihrem Helden nicht als Häresie sehen, werden anfänglich ob des spitzbübischen Humors doch den einen oder andern Schenkelklopfer antreffen. Leider geht’s dem Buch, wie so vielen anderen: Nicht etwa Ideenmangel ist das Problem, sondern eher das Gegenteil. Zu viele schräge Einfälle, die nach Sicht des Autors unbedingt mit hineinmüssen, tun der Story selten Gutes. Die Gefahr, in einer simplen Aneinanderreihung von platten Albernheiten zu landen, ist groß.

Zur Mitte hin nimmt dann schon die Dichte der vermeintlich witzigen Passagen zu, die ihr Komik-Potenzial verstärkt aus üblen Körpergerüchen und Ähnlichem schöpfen. Wobei hier zu sagen ist, dass alles fein sauber bleibt und Michael Gerber keine verbalen Entgleisungen in Richtung Fäkalsprache oder irgendwelcher Obszönitäten unterlaufen. Das überlässt er weitgehend der – mehr oder minder schmutzigen – Phantasie seiner Leser. Man spürt durch die dauernde Verzettelei ein wenig den Zwang zum Ende hin, die erzähltechnische Kurve zu kriegen und dabei unbedingt noch ein paar Lacher mit dem Holzhammer einzupassen, wobei es besser gewesen wäre, die ohnehin skurrile und teils unübersichtliche Story einfach mal laufen zu lassen.

_Fazit_

Alles in allem eine dennoch witzig geratene Parodie. Die an sich krude Story ist hierbei eigentlich eher nebensächlich und mit der heißen Nadel genäht, sie dient nur als Transportmittel für das angepeilte Gagfeuerwerk. Obschon sie recht gut und mit subtilen Seitenhieben auf den Potter-Hype anfängt, wobei Gerber kaum ein Klischee auslässt, flacht das Ganze bereits zur Mitte hin hab und kann sich am Ende noch gerade so eben über die Runden retten. Mit dem Witz ist das so eine Sache – es kann auch einfach zu viel des Guten sein. Wenn Gerber in die Liga von Monthy Python oder Douglas Adams aufsteigen will, hat er noch so einiges zu lernen, gute Ansätze zeigt er durchaus schon.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Originaltitel: „Barry Trotter and the unauthorized parody“
Simon & Schuster, New York / 2002
Übersetzung: Heinrich Anders und Tina Hohl
Europa/Goldmann, Hamburg 2003
Taschenbuch ca. 258 Seiten
ISBN: 3-4424-5815-3
http://www.randomhouse.de/goldmann/

Hausdorf, Hartwig – weiße Pyramide, Die

Der Untertitel dieses Werkes: „Außerirdische Spuren in Ostasien“ lässt bereits darauf schließen, dass es sich hier nicht um Archäologie im eigentlichen Sinne dreht. Autor Hartwig Hausdorf gehört zum Dunstkreis Erich von Dänikens. Dieser ist nun nicht grade unumstritten und Grund für manche Zeitgenossen, aufstöhnend die Augen zu verleiern. Ob seine Götter-aus-dem-All-Theorien nun kompletter Humbug sind oder nicht, das muss im Endeffekt jeder für sich entscheiden. Seine Person sei hier auch nur deswegen explizit erwähnt, da sich der Einband damit schmückt, dass eben jener EvD das Vorwort dazu spendierte.

Der Titel gehört somit in die Rubrik Grenzwissenschaften. Das heißt jenen Literaturzweig, der sich mit allerhand kuriosem Zeug beschäftigt, das a) abseits der Lehrmeinung steht, b) schwer zu beweisen und c) manchmal noch schwerer zu glauben ist. Die Spanne reicht hierbei von UFOlogie über Esoterik und „verbotene Archäologie“ bis hin zur globalen Verschwörungstheorie. Sehr oft hängt das alles auch kunterbunt gemischt zusammen. Unterhaltsam sind solche Publikationen aber meistens auf jeden Fall, und sei’s nur, um manche Behauptungen und Theorien durchzudenken und genüsslich zu zerpflücken oder sich darüber zu amüsieren, wie lächerlich sich so mancher Autor machen kann.

_Zum Inhalt_

Was die wenigsten wissen, ist, dass nicht nur in Meso-Amerika und in Ägypten Pyramiden zu finden sind. Im Reich der Mitte – sprich: China -, aber auch in den umliegenden Staaten Süd-Ost-Asiens sind diverse geheimnisvolle Monumentalbauten anzutreffen, über deren Herkunft man seit der Öffnung dieser Länder für westliche Augen heftig spekuliert. Die besagte „Weiße Pyramide“ steht in der chinesischen Provinz Shaanxi, wurde bereits um die Jahrhundertwende von Reisenden beschrieben und erstmals 1944 von einem amerikanischen Piloten im zweiten Weltkrieg fotografiert. Diese Aufnahme des 300 Meter hohen Monumentalbaus ist unlängst durch alle wissenschaftlichen Zeitschriften und archäologischen Publikationen gegangen und selbstmurmelnd findet sie sich auch hier wieder.

Die Pyramide in der Nähe der Stadt Xiang ist bei weitem nicht die einzige ihrer Art, jedoch mit Abstand die größte davon. Forscher, die das Glück haben, sie aus der Nähe begutachten zu dürfen, sind sehr euphorisch, dass sie tatsächlich unangetastet sein könnte, und hoffen darauf, bei einer weiteren Öffnung der kommunistischen Volksrepublik daran ausgiebig forschen zu dürfen. Sind die ägyptischen und meso-amerikanischen Pyramiden allesamt über die Jahrhunderte und – tausende hinweg ausgiebig gefleddert worden, so verhindert dies allein schon der chinesische Ahnenkult. Denen kommt es kaum in den Sinn, solche Grabmäler (so es denn wirklich welche sind) zu schänden. Leider ist auch dieser Umstand das wohl größte Hemmnis, so dass es Wissenschaftlern immer wieder verwehrt wird, sich intensiv damit zu befassen oder sie gar zu betreten. Bis hierher schon mal interessant, nicht wahr?

_Meinung_

Wie es sich für einen Däniken-Jünger gehört, bleibt es aber nicht bei der sachlichen Betrachtung der nüchternen Tatsachen. Es kommt nämlich schon – wenn nicht bereits mit Lesen des Untertitels – im Vorwort des Selbigen der Verdacht auf, dass sich das Buch darauf stürzen wird, wie angebliche Götter aus dem All diese weltweiten Monumente als Zeichen für die Menschheit hinterlassen haben. Diese Thematik ist nicht neu und wird von diversen Pseudo-Wissenschaftlern, Publizisten mit Sendungsbewusstsein vertreten. Das heißt im Umkehrschluss nun nicht, dass die ganze Zunft kollektiv an BSE leidet, es gibt durchaus auch einige ernst zu nehmende, sachliche Autoren darunter, die sich so ihre Gedanken über die Entwicklung auf Erden machen.

Hier ist die titelgebende Pyramide als solche schon recht schnell gar nicht mehr Thema, sondern vielmehr diverse Geschichtchen und andere seltsame Funde in Asien, die der Autor natürlich (!) Aliens in die eventuell vorhandenen Schuhe schiebt. So begleiten wir Hausdorf zu verschiedenen Fundstätten kurioser Artefakte und alter, kultureller Überlieferungen aus sämtlichen Gegenden rund um China, als da wären: Mongolei, Wüste Gobi, Tibet und auch Japan. Hier versucht er anhand von Storys und deren Interpretation nachzuweisen, dass die dortige Kultur (und auch sonst auf unserem Planeten) nicht oder nur zum Teil von uns Homo sapiens sapiens abstammt, sondern maßgeblich auf dubiose E.T.s zurückgeht.

Damit jedoch nicht genug, denn ehe sich’s der Leser versieht, landen wir bei – vermutlich bis an den Kragen der Kutte zugedröhnten – tibetischen Mönchen, die Abduktionen (Entführung durch Außerirdische) erfahren haben wollen. Was Drogen nicht alles bewirken können. Gegen Ende des Buches freuen wir uns, auch noch über diverse Entführungsanekdötchen (auch aus Deutschland) informiert zu werden, welche noch nicht so lange zurückliegen. Was das alles mit der Pyramide zu tun hat? Äh, ja nun … Nix! Um zu illustrieren, wohin die Reise thematisch geht, hier die Kapitelauflistung:

1 Söhne der gelben Götter:
Ein besonderes Erbe von den Vätern aus dem All?

2 Baian-Kara-Ula:
Eine Bestandsaufnahme

3 Im Tal der Weißen Pyramide:
Stätten, die für Besucher tabu sind

4 Der große Unterschied:
Drache ist nicht gleich Drache

5 Tibet, Dach der Welt:
Sind die Astronautengötter noch unter uns?

6 Geheimnisse der Mongolei:
Schreckensklöster im Lande der Dämonen

7 Inselreich von göttlicher Abkunft:
Wo Dogus und Kappas an die Besucher aus dem All erinnern

8 UFOs in China:
Vom Feind der Doktrin zum Mittelpunkt des Interesses

9 Unheimliche Begegnung der Vierten Art:
Wer experimentiert an den Entführten herum?

10 Licht am Ende des Tunnels:
Steckt hinter all den Absurditäten ein Plan?

Nun, wir sehen: Was die Pyramide angeht, steht da nur wenig auf dem Programm. Und nichts, was nicht längst aus Zeitschriften, wie der |PM|, |National Geographic| oder der |GEO| längst bekannt ist. Zudem stützen sich diese Publikationen auf wesentlich greifbarere Ergebnisse. Leider nimmt der Teil über archäologische Funde auch nur einen sehr geringen Platz im Buch selbst ein und dient vielmehr als Transportmedium für die darauf folgenden, wüstesten Alien-Theorien, die Däniken-Jünger so gern pflegen. Hierbei setzt Hausdorf weniger auf Fakten denn auf Interpretationen und Mutmaßungen, die er anhand von Bildern und (ziemlich schlechten) Zeichnungen zu untermauern versucht.

Hartwig Hausdorf ist bestimmt ein viel gereister Mann (der bekundet, in der Reisebranche tätig zu sein) und sein schreiberisches Talent sowie Sendungsbewusstsein möchte ich ihm nicht in Abrede stellen, aber um dieses heikle und kontroverse Thema unters Volk zu bringen, bedarf es doch schon einer stichhaltigeren Beweiskette, die weniger angreifbar ist als die Seine. Daran ändern auch seine Quellenangaben nichts, die stammen wiederum nämlich ebenfalls von teils sehr fragwürdigen Autoren und Organisationen.

Man muss hier bewussten Etikettenschwindel unterstellen. Zwar ist die Überleitung zu modernen Entführungen durch angebliche Aliens geschickt gemacht, doch immer wieder stellt sich die Frage, was das denn nun mit der Pyramide als solches zu tun hat. Der ganze Krempel hat in einem Buch mit diesem Titel eigentlich nichts verloren. Punkt. Okay, der Autor präsentiert einige archäologische Funde aus Asien, doch verliert er sich alsbald in kruden Phantasien, die nur noch nachvollziehbar sind, wenn man sich zuvor jahrelang in einem abgeschiedenen Bergkloster mächtig die Kante gegeben hat. Offenheit für Denkanstöße in diese Richtung in allen Ehren, doch – wie hier – hinter jedem Busch ein Alien an den nicht vorhandenen Haaren hervorzuzerren, halte ich für arg übertrieben.

Wer kann schon nachprüfen, was an den Geschichten irgendwelcher tibetanischen Mönchen dran ist, die sich im Hochland Himalayas irgendeinen Nonsens aus den Fingern gesogen haben und sich jetzt wohl noch ins Fäustchen lachen, dass sie wieder einem Alien-verrückten Europäer einen von Darth Vader erzählt haben. Auch den japanischen Mythos der mysteriösen „Kappas“ (Wesen, die aussehen wie Froschmänner) sofort eifrig irgendeinem E.T. anzukreiden, ist ganz amüsant zu lesen. Ausschließen kann und soll man ja nie eine Möglichkeit, doch beweisen lässt sich indes anhand einiger krakeliger Felszeichnungen nichts und muss daher ins Reich der Spekulation verbannt werden.

Gewiss, man nun von (UFO-)gläubiger Seite entgegenhalten, dass unser ganzes gesellschaftliches Wertesystem, welches ebenfalls auf Interpretationen entweder der Bibel, des Korans oder des Talmud oder-weiß-der-Henker-was beruht, ebenso angreifbar ist. Korrekt. Alles eine Sache der Sichtweise. Dagegen kann man auch nichts einwenden, die volle Wahrheit über so manchen (Irr-)Glauben wird wohl kaum jemand herausfinden. Allerdings halte ich das Suchen auf Biegen und Brechen nach Aliens als Erklärung der göttlichen Vorsehung für genauso dogmatisch und verwerflich wie anderen religiös kolorierten Fundamentalismus.

_Fazit_

Wenngleich ich bereits vorher wusste, worauf ich mich bei der Lektüre einlasse, habe ich doch mehr Information zur Weißen Pyramide vorausgesetzt. Die wird aber nur am Rande behandelt und dann plötzlich jeder müffelnde Pinkelstein eines mongolischen Ureinwohners eifrig zum außerirdischen Artefakt erhoben – das find ich dann doch um Lichtjahre am Thema vorbeigeschossen. Amüsant, aber weitgehend unbrauchbar. Gut und flüssig zu lesen ist das Buch schon, was aber nicht verwundert, schließlich ist es für die breite Masse verfasst und nicht an einen elitären, intellektuellen Zirkel gerichtet. Noch ein paar Bildchen dazu und fertig ist die extrem löchrige Beweisführung auf tönernen Füssen: Die Aliens waren es! Was? Egal, was.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
LangenMüller / Herbig 1994
3. Auflage 2002
240 Seiten Hardcover, 31 Schwarzweiß-Fotos / 3 Zeichnungen
ISBN: 3-7844-2482-1
Preis: um 10 Euro
http://www.herbig.net/

Helsing, Falk van – Fall Larry Popper, Der

Wehe, wenn einem (deutschen) Juristen versehentlich ein vermeintliches Kinderbuch statt dem BGB in die Hände fällt und er es peinlich genau durchleuchtet. So geschehen 2004 im |Eichborn|-Verlag, wo ein amtierender Richter sich nicht vor allen Kollegen als Potter-Fan outen möchte und daher unter dem Pseudonym „Falk van Helsing“ J.K. Rowlings Dauerbrenner unter die streng-ironische Lupe nimmt. Nein, ganz so verhält es sich mit dem Pseudo nicht, denn unter diesem hat er schon eine ganze Reihe humoristischer Rechtsbücher veröffentlicht, nicht nur dieses eine.

Heraus kam hierbei diesmal „Der Fall Larry Popper – Juristisches Gutachten über die Umtriebe zaubernder Jugendlicher“. Dabei geht es nicht um eine strafrechtliche Aufarbeitung sämtlicher bisher erschienenen Bände – das wäre sicher zu umfangreich – sondern lediglich Teil 1 „… und der Stein der Weisen“. Pardon. „Larry Popper und der Stein der Meisen“ muss es korrekt heißen.

Da die zugkräftigen Eigennamen mittlerweile alle eingetragen sind und deren Nutzung sicher nicht billig ist, wurde mal eben ein wenig herumgebogen, sodass kein Lizenzinhaber ob etwaiger Copyrightverletzung gepeinigt aufheulen muss, jedoch nur so weit, dass sie erkennbar bleiben. Verdammt praktisch, wenn Juristen sich an an solches Projekt wagen, die sind mit allen Wassern gewaschen. So erkennt der Leser des Buches beispielsweise in Larry, Roy, Herlinde Grips, Hägar, Onkel Verner Dumm, Tante Begonie Dumm und natürlich auch Lord Vieltod die Originalfiguren mühelos wieder.

Das nächste Problem ist der Gerichtsstand. In England/Schottland, wo die „Straftaten“ eigentlich begangen wurden, gilt (Überraschung!) irgendwie kein deutsches Recht. Weswegen das Ganze – etwa die „Warzenschwein-Zauberschule“ – kurzerhand in die „[…] Nähe von Frankfurt“ verlegt wird. Warum, das erklärt der Herr Vorsitzende im Vorwort und belegt seine amüsant-gewagte Hessen-These sogar mit äußerst realen Quellenangaben. Dass ein Teil der „Angeklagten“ noch gar nicht strafmündig ist, wischt er ebenso elegant mit dem Argument beiseite, dass das Strafmündigkeitsalter in Zukunft sowieso von 14 auf 10 herabgesetzt werden soll/wird.

_Inhalt_

Wer meint, Harry Potters Zauberwelt sei niedlich, harmlos und die Handelnden würden für Jugendliche zum Vorbild gereichen, bessere Menschen zu werden, irrt. Gewaltig. Der (meist minderjährige) Leser findet in der Potterschen Lektüre einen wahren Sündenpfuhl vor, mit (Straf-)Taten, deren Nachahmung nicht wirklich geeignet ist ,- es sei denn man möchte bereits im Kindesalter eine steile Knastkarriere starten. Da es Hexerei im deutschen Rechtswesen nicht (mehr) gibt, müssen andere Erklärungen gefunden werden, daher nimmt es sich schon höchst amüsant, wenn Euer Ehren versucht, zum Teil paranormale Vorgänge in ein physikalisch-technisches Beamtendeutsch zu transferieren, um seine Anklageschriften zu erstellen.

So wird etwa aus dem berüchtigten gegen Harrys Eltern eingesetzten „Avada Kedavra“-Todesfluch furztrocken: „Freisetzung von Druckenergien mit ungewöhnlicher Beschleunigung nach außen“, mit Todesfolge versteht sich (strafbar übrigens gemäß §212 StGB). Da der umtriebige Lord dieses zielgerichtet einsetzen kann, wird er nicht wegen „Mord mit gemeingefährlich Mitteln“ verknackt, wohl aber wegen „Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion“ (§308 StGB – paranormale Energien gelten im weitesten Sinne auch als „Explosionsstoff“), „Mord aus niederen Beweggründen“ (§211 StGB) sowieso. Gegenüber Harry macht er sich der gefährlichen, schweren Körperverletzung (die zurückbleibende Narbe – §223 Abs.1, §224 StGB) und versuchtem Mord schuldig. Dass er das Haus in Schutt und Asche legte, bleibt straffrei, weil nach fünf Jahren verjährt.

Doch nicht nur die Großen erwischt es, auch die magischen Dreikäsehochs leisten sich einen Lapsus nach dem anderen. Zwar sind dies meist keine wirklichen Kapitalverbrechen und sollten mit ein paar Sozialstunden wieder ins Lot zu bringen sein, doch das Reiten auf dem Besen (zumal ohne gültige Piloten-Lizenz und nicht von der Prüfstelle abgenommenem Fluggerät) ist ein gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr, was nach § 60 Abs. 1 LuftVG nicht ohne ist. Hagrids Einbruch bei den Dursleys in Tateinheit mit Hausfriedensbruch, zweifacher Sachbeschädigung und Körperverletzung bringt ihn locker drei Jahre hinter Gitter. Ungeklärt bleibt allerdings, ob Dursley die Knarre überhaupt besitzen durfte, die Hagrid ein wenig verformt. Schlampig ermittelt, Euer Ehren!

Snape kriegt wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetzes einen auf die unförmige Runkel – Zaubertränke sind Designerdrogen: hundert Tagessätze Geldstrafe. Harry kommt auch nicht ungeschoren davon, kann aber – summa summarum – für all seine im Roman begangenen Missetaten mit vergleichsweise milden vier Wochen Jugendarrest rechnen. Malfoy, der ebenfalls mit dem Besen durch die Lüfte karriolt, fängt sich dafür zwanzig Sozialstunden ein. Sogar der unbefugt eingedrungene Troll würde wegen Hausfriedensbruchs und versuchtem Totschlags zur Räson gebracht und vor den Kadi gezerrt – notfalls an den Haaren, wenn er denn welche hätte.

_Fazit_

Simple Ordnungswidrigkeiten bleiben in dem 120 Seiten starken Buch gottlob unberücksichtigt, sonst hätte es ohne Zweifel Telefonbuchformat erreicht. Das 7,95 € teure Taschenbuch braucht man nicht in einem Rutsch durchackern, es ist in kleinere Themenkomplexe gegliedert. Leider greift sich der Originalitätsfaktor bereits nach ein paar der Fälle merklich ab, zu sehr gleicht sich das Procedere der Aufarbeitung, und auch die überaus witzigen juristischen Beschreibungen übernatürlicher Begebenheiten zünden irgendwann nicht mehr so wie anfangs. Geeignet ist es zudem nur für kundige Leserschaft, denn ohne Kenntnis des Romans bleibt man außen vor. Somit ist der Fall Larry Popper ein typischer Vertreter der Read-once-and-forget-Fraktion, welches auch der Fan nach einmaligem Lesen vermutlich im Regal verstauben lässt.

http://www.eichborn.de/

Marx, André – Die drei ??? – Feuermond

Die berühmte Jugendserie feierte nicht nur unlängst ihr 25-jähriges Bestehen, im September 2005 erreichte sie ihren 125. Band. Sicherlich ein Grund zum Feiern, weswegen man André Marx ausschickte, nach Nummer 100 „Toteninsel“ einen weiteren Dreierband auf die Leserschaft loszulassen. Wieder erschien die Erstausgabe als Paket mit drei Büchern im Schuber und wieder ergeben die Covers des Triples ein zusammenhängendes Bild: ein Triptychon, wie man fachlich korrekt in der Malerei sagen würde. Mit Malerei liegt man hier auch sehr nah am Thema des Jubiläumsbandes. Denn nicht nur die Zahl drei ist innerhalb der Serie wichtig, auch ein ganz bestimmter Meister-Kunstdieb mischt wieder mit. Und nicht nur er.

_Zur Story_

Bob hauts von den Socken. Nein. Eher vom Fahrrad. Nach einem Kinobesuch spät dran, radelt der dritte Detektiv eilends nach Hause, als ihn die Explosion des alten, leer stehenden Verwaltungsgebäudes von Rocky Beach vom Drahtesel fegt. Ein Unfall? Unwahrscheinlich, denn bei den drei Fragezeichen trudelt am nächsten Morgen ein knapper Brief ein, der von Absicht kündet und weitere Informationen darüber verspricht. Allerdings stehen die schließlich mühsam am Treffpunkt erkämpften Informationshäppchen augenscheinlich damit nicht in Zusammenhang. Vielmehr stoßen die drei Detektive auf Hinweise auf ein mysteriöses Bild eines berühmten, französischen Malers. Ein Bild, dessen Existenz in der Fachwelt kontrovers diskutiert und vielerorts sogar angezweifelt wird: „Feuermond“. Dass dieses Bild wohl kein Mythos ist, erkennen Justus, Peter und Bob bereits daran, als dass sie bald auf alte Bekannte treffen.

Zunächst Britanny. Eben jene Britanny, welche Justus seinerzeit so arg gelinkt hatte (vgl. „Das Erbe des Meisterdiebes“). Und auch diesmal ist Messieur Victor Hugenay, der berüchtigte Gentleman-Kunstdieb, nicht weit. Unschwer zu ermitteln, dass dieser wegen des „Feuermond“-Bildes unter seinem Stein hervorgekrochen ist. Britanny gibt sich geläutert und zeigt sich kooperativ, was auch schließlich zum Erfolg führt. Es gelingt den drei Fragezeichen durch List, was noch niemandem – weder in Europa, noch in Amerika – gelang: Hugenay (gesprochen: „Üschänee“) kann dingfest gemacht werden und landet in Untersuchungshaft! Doch ist damit das letzte Wort gesprochen? Der gerissene Meisterdieb hat immer einen Kniff gefunden, sich dem Gesetz zu entziehen. Kann man Britanny wirklich trauen? Wo ist „Feuermond“? Die erste Schlacht ist gewonnen, doch der Krieg der Superhirne hat erst begonnen.

_Meinung_

Für ein solch rundes Jubiläum wie den 125. Band kann man gerne wieder einen der Lieblingsgegner (und sicher auch eine der Lieblingsfiguren der Fans) ausbuddeln. Victor Hugenay is back! Für alle, die es nicht wissen: Messieur geruhten schon öfter die mentalen Klingen mit den drei Fragezeichen – respektive hauptsächlich deren Vordenker Justus – zu kreuzen. Legendär sind die Fälle „Seltsamer Wecker“, „Super-Papagei“ und „Erbe des Meisterdiebs“. Letzterer beinhaltete eine harte Schlappe (die einzige in der ansonsten makellosen Historie der drei ???) – Grund dafür war – neben Hugenay – Britanny. Auch sie hat in dieser Geschichte ihre Auferstehung. Undurchsichtiger denn je. Hat sie sich geändert? Marx lässt den Leser zappeln und somit auch seine Protagonisten, die nicht recht wissen, in welche Schublade sie Britanny stecken sollen.

Bei Hugenay scheint der Fall ganz klar. Er ist ein Verbrecher, ein Bösewicht par exellance. Oder vielleicht doch nicht? Dass er einen Narren an Justus gefressen hat, ist bekannt. Wie immer dirigiert er die Ereignisse scheinbar nach seinen Gunsten und Belieben. Ob in Haft oder nicht. Fraglich bleibt bis zum Schluss, was seine Beweggründe sind, diese Spielchen zu treiben. Bis zum absoluten Finale ist der Leser ratloser als je zuvor, was seinen Charakter angeht. Natürlich darf eine solche Folge nicht ohne Rätsel und noch mehr undurchsichtige Typen auskommen. Ebensowenig dürfen bestimmte Figuren fehlen. Tante Mathilda und Onkel Titus gehören zur Grundausstattung, aber auch Inspector Cotta und Chauffeur Morton – samt Rolls Royce selbstverständlich – haben mal wieder ihr Schärflein beizutragen.

Als originelle Idee spielt diesmal die Zentrale der ??? eine vollkommen ungeahnte Rolle. Mehr sei hier darüber nicht verraten, als dass der gammelige Campinganhänger durchaus noch rüstig ist. An Ideenreichtum mangelt es André Marx jedenfalls nicht. Die drei Teile lesen sich sehr flüssig und mit einer guten Portion Humor. Zudem ist die Geschichte sprachlich sehr ausgefeilt, kaum ein Buch der drei Fragezeichen ist je ausschmückender verfasst worden. Die sehr bildhafte Schilderung ist erstklassiges Kopfkino. Allerdings ist Autor Marx spürbar kein wirklicher Waffenexperte: Das „Entsichern“ einer Pistole macht kein Geräusch – zumindest kein auf Entfernung wahrnehmbares – was er so lautmalerisch beschreibt, dürfte demnach der Hahn sein. Egal.

Dankbar muss man ihm sein, dass er der Verlockung widerstand, auch in diesem Jubiläumsband auf Deibel komm raus alle möglichen Figuren zu reanimieren. Er belässt beispielsweise Jelena, Skinny Norris und andere schön in der Mottenkiste und hält den Cast übersichtlich. Nichts gegen diese (Kult-)Figuren, doch der letzte, opulente Dreierband „Toteninsel“ war einfach nur gnadenlos damit überfrachtet. „Feuermond“ ist dagegen fast schon minimalistisch aufgezogen und hat nur wenige Szenen, die nicht ganz so überzeugend sind. Das Ausgangs-Szenario für den Showdown etwa. Das wirkt arg beigedengelt und allein vom Setup her eher minder glaubwürdig, ist dafür aber im Verlauf nichtsdestoweniger spannend und halbwegs schlüssig geworden.

_Fazit_

Alle drei separaten Teile vergehen wie im Flug. Die Geschichte ist, bis auf kleinere, zu vernachlässigende Macken, erfreulich intelligent und – in Sachen Hugenay und seiner Vergangenheit – höchst aufschlussreich. Der 14,90 Euro teure Dreierband ist nicht unbedingt für Einsteiger in die Serie gedacht, wenngleich auch solche damit einen recht lockeren Einstieg haben dürften. Einen gelungenen und eher actionreichen noch dazu – ein schon fast klassisch (und serientypisch) zu nennendes Rätsel gibt’s obendrauf. Natürlich ist der Fall wieder in sich abgeschlossen und eigenständig, doch stärker als üblich sind Bezüge auf frühere Begebenheiten zu finden. Diese zu kennen, ist hilfreich, jedoch für das generelle Verständnis nicht nötig. Sie sind andererseits diesmal jedoch auch etwas mehr als nur das Salz in der Fan-Suppe.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Die drei ??? ® – „Feuermond“-Band 125
Erzählt von André Marx
Franckh-Kosmos, Stuttgart – 09/2005
Das Rätsel der Meister (125-1)
Der Pfad der Täuschung (125-2)
Die Nacht der Schatten (125-3)
Drei Hardcover im Schuber, je 128 Seiten
ISBN: 3-440-10205-X

Die drei ??? – Geister-Canyon (Band 124)

Im Gegensatz zur Hörspielserie, die bis mindestens Anfang 2006 mit der Umsetzung neuer Geschichten ruht (Wir erinnern uns: Die Hitchcock-Lizenz lief Februar 2005 nach 25 Jahren aus, was bei EUROPA zum kompletten Überdenken der Marketingstrategie Anlass gab), gehen die Veröffentlichungen auf dem Buchsektor mit beinahe unverminderter Geschwindigkeit weiter. Erst jetzt im Dezember ereilte die Lesegemeinde unlängst das „Survival-Buch“  mit Outdoor-Tipps und Tricks für angehende Junior-Detektive. Die junge Seitenlinie ???-KIDS erreichte im November auch ihren 25. Band und feierte ein kleines Jubiläum.

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Die drei ???-Kids – Im Bann des Zauberers (Band 24)

Die drei Fragezeichen sind seit über 25 Jahren aus der (Jugend-)Literatur nicht mehr weg zu denken. Zur beliebten Serie gesellte sich vor einiger Zeit mit „Die ???®-Kids“ ein Spin-off hinzu, das sich an eine jüngere Leserschaft richtet. Die Protagonisten sind die gleichen, nämlich Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews – allerdings im zarten Alter von zehn Jahren und noch ohne ihre berühmte Detektei offiziell eröffnet zu haben. Bei den Kids befinden sich die Drei also in genau dem Altersrahmen, in dem auch die Zielgruppe angesiedelt ist: 8 bis 10 Jahre. „Im Bann des Zauberers“ erschien im August 2005 bei Franckh-Kosmos.

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Flessner, Bernd – Die drei ??? – Survival-Buch

Schon damals in den Anfangszeiten der Serie in Deutschland ließ themenbezogene Sekundärliteratur nicht lange auf sich warten. Detektivisches Einmaleins wie Spurensuche und -sicherung, Tipps und Tricks beim Beschatten etc. wurden alsbald immer wieder in Buchform unter dem zugkräftigen ???®-Label feilgeboten. Damit die Detektivspielerei in der Realität auch weiter gehen kann – zur Not auch in freier Wildbahn auf sich allein gestellt – veröffentlichte Bernd Flessner bei |Franckh-Kosmos| im Dezember 2005 den neuesten, quasi überlebenswichtigen Streich: Das Survival-Buch der drei ???. Der Untertitel versichert, dass Justus, Peter und Bob höchstdaselbst Outdoor-Tipps erteilen. Und die sehen – sehr zur Freude von Autor und Verlag – von den dafür aufgerufenen 9,95 € keinen einzigen Cent, denn sie sind bekanntlich nur fiktiv.

_Das Buch_

Ausnahmsweise handelt es sich diesmal nicht um ein Hardcover, sondern um ein Paperback. Es kommt serienmäßig im schützenden Klarsicht-Umschlag. Damit ist es rein äußerlich auch schon einmal für den Outdoor-Einsatz gerüstet und kann – so anscheinend die Intention dahinter – ein gewisses Maß an vorwitzigem Spritzwasser und Schmutz der Wildnis verknusen. Das Cover-Design hält sich ansonsten an die lange Jahre gewohnte und erprobte Cooperate Identity, will heißen, hauptsächlich in schwarz gehalten und mit dem unverzichtbaren, dreifarbigen Fragezeichen-Logo verziert.

Irgendwie haben sich neuerdings 128 Seiten bei |Kosmos|‘ ???-Publikationen etabliert, auch dieses Buch weist erschreckend exakt diese Seitenzahl auf. Zumindest nominell. Davon gehen dank Vorsatz, Inhaltsangabe, Raum für eigene Notizen und die verlagsinterne Werbung am Ende noch einige Seiten ab. Effektiv bleiben gut 116 Seiten, die mit den versprochenen Informationen gefüllt wurden. Diese beschränken sich nicht nur auf Text, sondern bieten zum besseren Verständnis des Gelesenen auch zahlreiche Abbildungen. In der Hauptsache Zeichnungen, diese stammen von Alexander Jung.

_Zum Inhalt_

Man muss schon Interesse für Outdoor-Aktivitäten aufbringen, das ist Grundvoraussetzung für die sinnvolle Benutzung des Buches. Es enthält nichts, was man nicht eigentlich schon von Kindesbeinen an wissen sollte, aber dessen Vermittlung heutzutage nicht mehr selbstverständlich ist. Über das Campen und die grundlegenden Kenntnisse der Orientierung im Gelände – per Karte, mit (oder auch ohne) Kompass. Vielen urban aufwachsenden Kindern und Jugendlichen dürfte das Wissen über solche Sachen jedoch ziemlich abgehen, da gilt schon der heimische Garten als Outback, Fußmärsche, die länger dauern als maximal fünf Minuten zur nächsten Fritten-Ranch – zu Currywurst und Pommes Bahnschranke – gar als Desaster.

Die Tipps und Tricks von „Justus“, „Peter“ oder „Bob“ sind hilfreich, dem drohenden Hungertod weit weg von Mamis Hausmannskost oder außerhalb der Reichweite irgendwelcher Fresstempel zu entgehen, auch wenn die Drei diese Informationen von Autor Bernd Flessner in den Mund gelegt bekommen. Die drei Detektive dienen hier natürlich lediglich als zugkräftiges Transportmedium. Überhaupt: Die gebetsmühlenartig im Buch verwendete und andauernd wiederholte „Wir, die drei ???, …“-Phrase nervt. Der durchschnittliche Jugendliche mag vielleicht unbeschlagen sein, was das Überleben in freier Natur angeht, doof ist er aber sicher nicht. Irgendwann muss mal gut sein, auch der letzte Leser hat’s bestimmt kapiert, dass dies ein ???-Spin-off ist.

Der Inhalt an sich stimmt in etwa mit dem überein, was man auch im „Reibert“ bzw. in der Zentralen Dienstvorschrift (ZdV) für/über „Formaldienst und Überleben im Felde“ (Im Soldatenjargon mehr oder weniger liebevoll „Dschungelbuch“ getauft) findet. Beides nie gehört? Aha. Drückeberger. Also nicht beim Militär gewesen. In allen drei Werken findet man Anleitung, wie man trotz mancher widriger Umstände nicht frühzeitig das Feldgeschirr reichen muss. Nützliche Dinge, wie man sich orientiert, Feuer ohne Feuerzeug macht und auch, in welche Produkte der (hauptsächlich westeuropäischen) Flora und Fauna man recht bedenkenlos seine gierigen Zähne schlagen kann, all das ist dort feinsäuberlich nachzulesen.

Im Gegensatz zum soldatischen Treiben sind im Zivilen jedoch einige Abstriche zu machen. So vermittelt das Buch neben solchen rechtlichen Aspekten auch den schonenden Umgang mit der Umwelt beim Kampieren. Nicht dass die Kiddies auf die Idee kommen, mit einem netten kleinen Lagerfeuer gleich den ganzen Wald abzufackeln oder dergleichen. So fällt beispielsweise auch das Wegballern unschuldiger Feld-, Wald-, und Wiesenbewohner unter Wilderei, liebe Kinder, was der Text auch pflichtschuldig kundtut. Selbst das Erlegen eines Tieres mit selbstgepfriemelten Pfeil und Bogen ist untersagt und wenn der Magen noch so knurrt. Das Fangen eines Fisches mit bloßer Hand kurioserweise aber nicht. Na denn: Viel Erfolg.

Beim Bund nannten wir das Biwaken in Anlehnung an die sinnentleerte Dialogzeile aus „Rambo“ auch scherzhaft: „Überleben im Wald – Ohne Schmerzen!“. Das würde als Untertitel zum „Survival-Buch“ auch recht gut passen. Ein Teil der (Standard-)Lektüre für Landser findet sich schließlich auch bei Flessner – in stark abgespeckter Form und mit Detektivspielerei (u. a. Beschatten, Spurenlesen und -sichern etc.) als Hintergrund. Abschließend kann das Erlernte in die Praxis umgesetzt werden. Bei drei unterschiedlich schwierigen Szenarien, deren Zeitaufwand von wenigen Stunden bis hin zur einer schlappen Woche reichen, kann man dann beweisen, ob man auch von der chipsfressenden Couch-Potato zum outdoorgestählten, würdigen und umweltbewussten „Detektiv“ wurde. Mit Appetit auf Regenwürmer und Heuschrecken.

_Fazit_

Über die Marketing-Masche mag man denken, wie man will, vom vermittelten Wissen her gibt es nichts zu meckern. Man hat hier einen guten, allgemeinen Leitfaden für das Biwak-Leben abseits der Fast-Food-Reservate von Mäckdonaldsstan an der Hand. Das Buch ist jugendgerecht aufbereitet, doch ohne den manchmal arg gezwungen wirkenden ???-Kontext und die detektivischen Abenteuer-Vorgaben, die heutige Jugendliche bestenfalls mit hochgezogener Braue quittieren dürften, wär’s noch besser. Needless Knowledge? Nein, das vermittelte Wissen kann sich durchaus als sehr nützlich erweisen, doch bevor man sich dieses Buch zulegt (oder eventuell gar verschenkt), ist sicherzustellen, dass auch tatsächliches Outdoor-Interesse besteht – alleine ein glühender ???-Fan zu sein, reicht definitiv nicht.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Die drei ???® Survival-Buch
– Tipps und Tricks von Justus, Peter und Bob –
Text von Bernd Flessner
Illustrationen von Alexander Jung
Franckh-Kosmos, Stuttgart 12/2005
128 Seiten, broschiert mit Klarsicht-Schutzumschlag
ISBN: 3-4401-0464-8

Die drei ??? – Schrecken aus dem Moor (Band 123)

Marco Sonnleitner ist zwar kein neues Gesicht in der Riege der ???-Autoren, aber auch noch nicht so lange dabei wie manch einer der Alteingesessenen. Sein Debüt lieferte er 2003 mit Band 109 „Gefährliches Quiz“, auf sein Konto gehen unter anderem auch der Nachfolgeband (110) „Panik im Park“, etwas später dann „Schlucht der Dämonen“ (112), 2004 folgte „Codename: Cobra“ (116) und Anfang 2005 „Der schwarze Skorpion“ (120), sowie „Fußballfieber“ (123). Dabei wurde er sukzessive besser, hat man das Gefühl. Band 124 von September 2005 ist sein aktuellstes (und, um es vorweg zu nehmen, auch bestes) Pferd im Stall. Erschienen ist das 128 Seiten starke Stück wie üblich im |Franckh-Kosmos|-Verlag zum ebenso üblichen Preis von 7,90 Euro.

Zur Story

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Henkel-Waidhofer, Johanna / Marx, André / Minninger, André – Die drei ??? – Flammen des Bösen (Sammelband)

Eine Serie begleitet und fasziniert heutige Thirtysomethings schon seit ihrer Kindheit. Die Rede ist vom Klassiker „Drei Fragezeichen“ oder auch „Die drei Detektive“ genannt. Letzteres kommt dabei näher an den amerikanischen Originaltitel „The Three Investigators“ heran. Hierzulande haben sich die drei verschiedenfarbigen Fragezeichen (weiß, rot, blau) auf schwarzem Cover längst als Aushängeschild und weithin bekanntes Markenzeichen der Serie etabliert. Eine weitere Vorstellung erübrigt sich eigentlich, denn DDF kennt wirklich fast jedes Kind.

Seit den Siebzigerjahren hat sich das Cover-Design jedenfalls kaum verändert. Früher firmierte man noch unter |Franckh’sche Verlagsgesellschaft|, heute ist das geändert in |Franckh-Kosmos|. Das Aussehen der Bücher blieb weitgehend gleich. Seit das Haus zur |Bertelsmann|-Gruppe gehört, verlegten diese die DDF auch mal als Taschenbuchausgaben unter ihrem Ableger „Omnibus“. Mit alternativen Titelbildern. Igitt. Diverse Sammelbände sind auch im Umlauf. Richtigen Kultstatus genießen jedoch bei Sammlern nur die Franckh-(Kosmos-)Hardcover, was anderes kommt nicht ins Regal. Wenn möglich, sogar nur Erstausgaben.

Ihren anhaltenden Erfolg in Deutschland hat die Serie im Besonderen der inzwischen berühmten Hörspielumsetzung zu verdanken, bei der bislang 120 Fälle der Jungs veröffentlicht wurden – und weiter neue Storys geschrieben und vertont werden, obwohl die ausgelaufene „Hitchcock-Lizenz“ ein geändertes Marketing des gesamten ???-bezogenen Produktkatalogs erfordert. Im Moment stehen daher die Zeichen nicht nur in den |EUROPA|-Tonstudios, sondern bei Konzernmutter Bertelsmann insgesamt auf „kreative Pause“. Derzeit sind die Bücherveröffentlichungen (125 Fälle) den Hörspielen um einige Bände voraus. Doch das nur am Rande.

_Zur Serie_

„Die drei Fragezeichen“, das sind kalifornische Jugendliche aus dem fiktiven Kaff Rocky Beach – irgendwo zwischen L.A. und Santa Monica gelegen. DDF, das ist vor allem das übergewichtige Superhirn Justus „Klugscheißer“ Jonas, der irgendwann mal mit seinen Kumpels Peter „Angsthase“ Shaw und Bob „Bücherwurm“ Andrews eine kleine Privat-Detektei eröffnet hat. Erwachsene, die darüber milde lächeln und die Ernsthaftigkeit der Jungs anzweifeln, werden stets eines Besseren belehrt. Das Trio wird nicht müde, seine berüchtigte Visitenkarte zu zücken und jedem, der es wissen will (oder auch nicht), die Bedeutung der drei großen Fragezeichen darauf zu erläutern.

Wenn man eines jedoch nicht tun darf, dann ist es, ihren kriminologischen Spürsinn sowie ihre Hartnäckigkeit zu unterschätzen. Die Jungs bearbeiten Fälle, die vielen Erwachsenen (respektive den Cops) meist zu banal oder grenzwertig erscheinen, sich aber nicht selten zu handfesten Verbrechen entwickeln. Egal ob angeblicher Geisterspuk, marodierende Urzeitwesen oder auch vermeintliche Werwölfe – Ihr Motto lautet stets: „Wir übernehmen jeden Fall“. Mag er auch noch so unglaubwürdig und abgedreht klingen. Ihre Erfolgsquote ist hoch und sie nehmen grundsätzlich kein Honorar für ihre Dienste.

_Zum Buch_

Da dies eine aktuelle 2005er Veröffentlichung ist, erscheint das Buch bereits ohne Namen und Logo von Alfred Hitchcock. Ein Anblick, an den man sich als langjähriger Fan erst einmal gewöhnen muss. Das heißt, eigentlich ist der Sammelband eine Wiederveröffentlichung, denn er enthält nicht mehr ganz taufrische Geschichten aus den 90ern – sie stehen inhaltlich in keinem Zusammenhang zueinander und sind (wie überhaupt alle ???-Storys) in sich abgeschlossen – mit Ausnahme eines „spezialgelagerten Sonderfalls“, nämlich der Nummer 100 – „Die Toteninsel“, welche aus drei einzelnen Büchern besteht, die untrennbar als Fortsetzungsgeschichte zusammengehören. Warum aber ausgerechnet hier nun diese Auswahl von Geschichten vom Bertelsmännischen DDF-Haus-und-Hof-Verlag |Frankh-Kosmos| ausgewählt wurden, ist dagegen nicht überliefert. Ist auch nicht wichtig, kümmern wir uns lieber mal detaillierter um deren Inhalte.

_Die Storys_

|“Spuk im Hotel“|
Erzählt von Johanna Henkel-Waidhofer
Erstveröffentlichung 1994

Justs Freundin Lys de Kerk bittet die drei Fragezeichen, sich doch mal bitte im „Old Star“ Hotel umzutun, ihre alte Schauspiellehrerin Armanda Black – der das ehrenwerte Haus gehört – steckt in Schwierigkeiten. Lys hat die drei Jungs wärmstens empfohlen. Die stolze Dame und Ex-Actrice hat ein Problem mit Gegenständen, die verschwinden und an höchst seltsamen Stellen wieder auftauchen. Eine Wanduhr im Swimmingpool zum Beispiel. Justus und Bob verdingen sich offiziell als Bedienstete, Peter hingegen darf sich aufgrund seines Losglückes als Gast im Hotel einmieten und die Augen offen halten. Vollkommen inkognito. Das Verschwinden betrifft zunächst nur Armandas persönlichen Dinge und Memorabilia ihrer Schauspielkarriere, später weiten sich die geheimnisvollen Übergriffe auch auf die Gäste aus. Diese sind zu Recht natürlich sauer und verunsichert. Will jemand Mrs Black in den Wahnsinn oder den Ruin treiben? Oder vielleicht sogar beides?

|Kurzkritik|
Ich persönlich mag die von JHW erdachten Geschichten generell nicht so sehr, wenngleich ihr das Verdienst zukommt, die Serie unbeirrt fast im Alleingang vorangetrieben zu haben, als sie Anfang der 90er leicht schwächelte. Allerdings gehört diese Story hier definitiv zu ihren besseren. Die Handlung schlägt einige interessante Haken, ist nachvollziehbar-logisch aufgebaut und gar einigermaßen spannend zu lesen. Auch wenn das Motiv – wie so oft bei ihr – zu schnell zu deutlich wird, so sind die wahre Täterschaft sowie die exakten Umstände dem Leser lange Zeit ein ziemliches Rätsel. Gewürzt ist das Ganze mit kleinen Rangeleien der Jungs untereinander, was die Erzählung deutlich auflockert. Natürlich darf Schlaumeier Justus am Ende wieder mal im Fast-Alleingag scharfsinnig vom Leder ziehen. Alles in allem ein guter und auch lesenswerter Mittelklasse-Fall der drei ???.

|“… und das brennende Schwert“|
Erzählt von André Marx
Erstveröffentlichung 1997

Onkel Titus macht eine sehr seltsame Erbschaft. Ein sehr flüchtiger Bekannter von vor über 20 Jahren ist kürzlich verstorben und hat ihm unerwartet einen bemerkenswerten Glasstein vermacht, den er laut Testament nicht mal behalten darf, sondern an einen ominösen „Beany“ weitergeben soll. Titus kennt aber niemanden diesen Namens und beauftragt die drei Detektive damit, diesen Beany zu finden. Zwei weitere Erben gibt es und sollen es ihm gleichtun und ihre vererbten (ebenfalls seltsame) Gegenstände weitergeben. Diese beiden kennt Titus aber auch nicht. Keine üppige Ausgangslage für die Satzzeichen, die aber nach zähen Ermittlungen herausfinden, dass die insgesamt drei Teile zusammengesetzt das sagenumwobene und lange verschollene „brennende Schwert“ ergeben – das ultimative Heiligtum einer nicht gerade als zimperlich verschrienen Sekte. Es sind einige krumme Gestalten hinter dem Kultgegenstand her – Verspricht er doch die uneingeschränkte Macht über die Bruderschaft des Schwertes.

|Kurzkritik|
André Marx hat nicht nur mehr Geschichten verfasst als alle anderen Autoren der Serie, er ist auch immer für besonders aktuelle, zeitgeistige Themen gut. Diesmal sind es Gefahren des Sektentums respektive der Geheimbündelei, welche er dreifragezeichenpädagogisch aufbereitet. Das war und ist allerdings nicht ganz neu, das hatten wir schon bei der „singenden Schlange“ und dem „magischen Kreis“, zwei absoluten Klassikern. Das „flammende Schwert“ ist jedoch kein Abklatsch davon, zwar mit ähnlichem Charme ausgestattet, dabei aber naturgegeben moderner sowie psychologisch und erzählerisch ausgefeilter geraten als seine doch eher naiv anmutenden Serien-Vettern aus den Sechziger- und Siebzigerjahren. Der heutigen (zumeist jugendlichen) Leserschaft kann man eben nicht so platte Geschichten vorsetzen wie damals. Das flammende Schwert gilt zu Recht als eine der besten Geschichten der Serie – sowohl als Buch als auch als Hörspiel.

|“Stimmen aus dem Nichts“|
Erzählt von André Minninger
Erstveröffentlichung 1997

Justus wird bei einem Arztbesuch Zeuge, wie die alte Mrs Holligan beinahe zusammenbricht. Auf der Praxis-Damentoilette ertönte angeblich die drohende Stimme ihrer Schwester. Die Sache hat einen klitzekleinen Haken: Abigails Schwester Tesla weilt seit drei Monaten nicht mehr unter den Lebenden. Dennoch terrorisiert sie Abigail weiter, wie schon zu Lebzeiten. Kurzerhand bietet Justus ihr die Dienste der Detektive an, denn obwohl die nervlich arg angeschlagene Dame sich wegen dieser quälenden Stimme aus dem Nichts in psychologischer Behandlung befindet, glaubt Just, dass Mrs Holligan alles andere als verrückt ist. Trotz der zunächst erteilten Zustimmung, ihr helfen zu dürfen, gebärdet sie sich den Dreien gegenüber plötzlich sehr seltsam und abweisend. Ist sie doch reif für die Klapse? Rationale Erklärungen für die Geisterstimme weist sie jedenfalls entschieden zurück und die drei Detektive müssen sich ganz schön reinknien, wenn sie den offensichtlich oberfaulen Zauber auch als solchen entlarven wollen.

|Kurzkritik|
André Minninger zeichnet sich seit einigen Jahren in erster Linie als Drehbuchautor der Hörspielserie aus, wobei er in H.G. Francis‘ große Fußstapfen steppte und dabei bis heute eine sehr gute Figur abgab und -gibt. Vielleicht liegt es daran, dass die ausgeklügelte, tiefsinnige Geschichte eher in der audiblen Darreichungsform zündet. Die Dramaturgie der ansonsten sehr gut durchdachten und spannenden Psycho-Story scheint nämlich irgendwie von vornherein gleich darauf ausgelegt zu sein, später leichter vertont werden zu können – dort kann man mit Soundeffekten und anderen Tricks arbeiten, was im Buch schlechterdings unmöglich ist. Das muss naturgegeben ohne solche Kunstgriffe auskommen und hat es dementsprechend schwerer. das nötige Flair zu schaffen. Und tatsächlich liegt die atmosphärische Dichte des Kopfkinos eine Nasenlänge hinter der des Hörspiels, was man ja doch eher selten antrifft. Dennoch ein sehr guter unter den ???-Fällen.

_Fazit_

Ob nun mit oder ohne Hitchcock-Label: Diese Zusammenstellung leistet sich, anders als der 25-Jahre-Jubiläums-Sammelband „Schrecken der Nacht“ (zusammengestellt von Konzernmutter |Bertelsmann|) aus dem Jahr 2004, keine wirkliche Schwächen. Alle drei Geschichten gehören durchweg zur gehobenen Ausstattung der Serie. Unangefochtener Top-Star ist „Das flammende Schwert“, dicht gefolgt von den zunächst nicht verstummen wollenden „Stimmen aus dem Nichts“ und dem immerhin noch überdurchschnittlichen faulen Zauber beim „Spuk im Hotel“. Die moderate 9,95 Euro teure Compilation kann man ruhigen Gewissens weiterempfehlen. Auch – und gerade – Einsteiger in die Serie bekommen hier einen repräsentativen Blick in die Welt der drei sympathischen Junior-Schnüffler. Bibliophile Sammler und eingefleischte Fans werden auch diesen 3er-Band, obwohl preislich sicherlich sehr attraktiv, höchstwahrscheinlich wieder mit Nichtachtung strafen.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
„Die drei ???® – Flammen des Bösen“
basierend auf den Charakteren von Robert Arthur
Random House, New York
Franckh-Kosmos, Stuttgart / Bertelsmann Gruppe
Erstauflage 02/2005
380 Seiten, Hardcover, ISBN: 3-440-10206-8

O’Brian, Patrick – Manöver um Feuerland (Master & Commander)

Im Kielwasser des Kinofilms und des letztes Jahr stattgefundenen DVD-Releases, erfreute sich nun auch die literarische Vorlage von „Master & Commander“ steigender Verkaufszahlen. Ein recht später Ruhm. Das Buch ist erstmals 1984 veröffentlicht worden und hat somit immerhin schon über 20 Jahre auf dem Buckel, dennoch überschlugen sich Anno 2004 die Lizenz-Verlage (etwa |Club Bertelsmann| und |Weltbild|), möglichst auf der Welle mitzuschwimmen, und verpassten dem Reprint gleich ein neues Cover – meist passend zum Film.

Der eingedeutschte Titel „Manöver um Feuerland“ alleine reichte augenscheinlich wohl nicht aus, um zu verdeutlichen, dass es sich um die Romanfassung der Verfilmung handelt. (Bei der angloamerikanischen Originalfassung ist dies nicht nötig, da Buch- und Filmtitel „The Far Side Of The World“ identisch sind.) Das Schaffen des im Jahr 2000 verstorbenen Autors Patrick O’Brian rund um die Hauptfiguren Kapitän Aubrey und Doktor Maturin auf der britischen Fregatte HMS „Surprise“ umfasst insgesamt 20 Bände, das hier vorgestellte Buch ist als Band 10 (international) bzw. als Band 11 (in Deutschland) erschienen.

_Zur Story_

Mittelmeer. Wir schreiben das Jahr 1812. Kapitän Jack Aubrey hat die Befürchtung, dass er demnächst als Arbeitsloser auf „Halbsold“ gesetzt wird – und das bei seiner prekären finanziellen Lage. Im Laufe der Zeit hat der wackere und wagemutige Kapitän privat einen Stapel Schulden angehäuft. Es sieht jedoch so aus, als würde sein treues Schiff „Surprise“ demnächst aus Altersgründen abgewrackt werden und sich die aufeinander eingeschworene Mannschaft in alle Winde zerstreuen. Die großen Seekriege der Epoche sind längst vorüber und Aubrey hat dementsprechend nach halbwegs erfolgreicher Ausführung seines letzen, mehr diplomatischen Auftrags immer noch kein neues Kommando zugesprochen bekommen.

So befindet sich die „Surprise“ auf ihrer vermeintlich letzten Fahrt nach Gibraltar, wo Aubrey Rapport beim Admiral erstatten soll, um dann ihn und das Schiff nach England in eine ungewisse Zukunft zu überführen. Doch das Schicksal will es anders. Aubrey erhält unerwartet noch einmal Aufschub für sich, Schiff und Mannschaft in Form eines neuen Marschbefehls. England befindet sich derzeit im Clinch mit den Amerikanern, die sich von Europa und somit von der Kolonialmacht unabhängig machen. Dazu gehört auch, dass die USA Kaperfregatten entsenden, um die britischen Walfänger und Handelsschiffe aufzubringen.

Eins dieser Schiffe ist die im Gegensatz zur „Surprise“ recht moderne „Norfolk“, welche Aubrey mit günstigem Wind noch im Atlantik schätzungsweise vor der Küste Brasiliens abfangen könnte. Zumindest theoretisch und wenn die Geheimdienstinformationen stimmen. Der Auftrag der „Surprise“ ist es, die amerikanische Fregatte aufzuspüren und nach Möglichkeit zu verhindern, dass die „Norfolk“ um Feuerland / Kap Horn herum in den Pazifik entschlüpft, um dort die britischen Schiffe aufzumischen. Dieses Primärziel der Engländer schlägt fehl. Die „Surprise“ wird bei einem Sturm vor Südamerika stark beschädigt, sodass sie die gesichtete „Norfolk“ erst einmal ziehen lassen müssen. Nach der Reparatur jedoch nimmt Aubrey die Verfolgung auf – wie der (deutsche) Buchtitel verrät, um Feuerland herum in den Pazifik.

_Meinung_

Wie man anhand der kurzen Inhaltsangabe bereits ersehen kann, bestehen schon einmal frappante Unterschiede zur Storyline des Films. Hier sind es Amerikaner und keine Franzosen, die gejagt werden. Zudem ist der Film natürlich um einiges eingekürzt worden, viele Handlungsstränge und Charakterisierungen aus dem Buch sind dabei entweder massiv abgeändert worden oder komplett entfallen. Der Roman ist selbstverständlich wesentlich akribischer in seiner Personenbildung, was deren Beschreibung, deren Background und ihre Funktion an Bord angeht. Schiffsarzt Dr. Stephen Maturin ist nicht nur der beste Freund des 100-Kilo-Kolosses Aubrey, sondern gleichzeitig auch noch Geheimdienstagent seiner Majestät und … latent drogensüchtig.

Mehr als einmal spricht er dem „Laudanum“ (einem Opiat) zu, welches er sonst für gewöhnlich bei den häufig fälligen (Not-)Operationen an Bord seinen Patienten als Betäubungsmittel einflößt. Seine Figur ist neben der Aubreys natürlich am detailliertesten ausgeführt, wobei es sich O’Brian – politisch korrekt – nicht verkneifen kann, ihm Selbstzweifel über seinen Drogenmissbrauch anzudichten. Gemeinhin wird angenommen, dass O’Brian mit Maturin so etwas wie ein Alter-Ego in der Geschichte geschaffen habe; inwieweit das zutrifft kann man nicht mit Sicherheit sagen, fragen kann man ihn ob seines toten Zustands auch nur noch schwerlich.

Maturin als gelehrter Wissenschaftstyp ist jedenfalls in diesem Duo der Gegenpol zum etwas raubeinigen Aubrey, der zwar ein waschechter Kapitän der britischen Marine, aber kein Leuteschinder ist. Vielmehr ein brillanter Taktiker, doch alles andere als eine Leuchte in Sachen Allgemeinwissen, dafür aber mit dem Herz am rechten Fleck, dem das Wohlergehen des Schiffes und seiner Besatzung über alles geht. Von den gelegentlichen Saufgelagen und dem Musizieren in der Offiziersmesse mal abgesehen. Ein ehrgeiziger, ziemlich schrulliger Kauz, dieser Aubrey – und vermutlich deshalb so sympathisch, weil er als Offizier nicht aus dem Adel, sondern aus dem Volk stammt. Er beachtet natürlich die Regeln und den Kodex der britischen Kriegsmarine, beugt sie aber gelegentlich und lässt auch mal Fünfe gerade sein.

Im Vorwort weist Patrick O’Brian darauf hin, dass Kenner der Materie Parallelen zu einer realen, historisch belegten Verfolgungsjagd wieder erkennen werden: HMS „Phoebe“ versus USN „Essex“. Aus der Luft gegriffen ist der Stoff also nicht. Das gilt auch für einige der Begebenheiten an Bord, die auf zeitgenössischen Schilderungen beruhen, allenfalls die Figuren und die Zusammenhänge sind fiktiv. Zum Teil hat sich O’Brian auch Versatzstücke aus anderen Logbüchern und Reiseberichten aus der entsprechenden Zeitperiode zusammengesucht und sie hier mit eingeflochten. Das hat er so geschickt gemacht, dass man kein Flickwerk argwöhnt, sondern die Handlung fast für eine historisch korrekte Überlieferung halten könnte.

_Fazit_

Wer den Film schon für zu detailreich und langatmig empfand, den wird das Buch lehren, was Detailtreue wirklich bedeutet. Im positiven Sinne ist O’Brian hier höchst akkurat bei seiner spannenden Verfolgungsjagd auf See. Insbesondere maritim interessierte Leser werden den Roman ob seiner exakten Darstellung der alten Windjammer-Zeit in ihr Herz schließen und verschlingen. Weniger Genre-Beschlagenen wird der Konsum erschwert, da sie ständig in den Appendices oder der Schemazeichnung des Schiffes nachblättern müssen, was beim Klaubautermann all die ihnen unbekannten Begriffe bedeuten. Das bremst speziell diese Leserschaft aus. Wenn man sich darauf aber einlässt, lernt man eine Menge darüber, Was-Wer-Wie-und-Warum an Bord eines Schiffes dieser Ära funktioniert. Nautisch, technisch sowie soziologisch.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Originaltitel: „The Far Side Of The World“
Ersterscheinungsjahr: 1984, Harper Collins
Deutsche Übersetzung: Andrea Kern
Erschienen: 2002 Econ Ullstein List / München
420 Seiten Hardcover, Vorsatz illustriert, ISBN: 3-5482-5837-9
478 Seiten Taschenbuch, broschiert, ISBN: 3-5482-5443-8

Henkel-Waidhofer, Johanna / Marx, André / Fischer, Katharina / Hitchcock, Alfred (Hg.) – Die drei ??? – Schrecken der Nacht (3er Sammelband)

Eine Serie begleitet und fasziniert heutige Thirtysomethings schon seit ihrer Kindheit. Die Rede ist vom Klassiker „Drei Fragezeichen“ oder auch „Die drei Detektive“ genannt. Letzteres kommt dabei näher an den amerikanischen Originaltitel „The Three Investigators“ heran. Hierzulande haben sich die drei verschiedenfarbigen Fragezeichen (weiß, rot, blau) auf schwarzem Cover längst als Aushängeschild und weithin bekanntes Markenzeichen der Serie etabliert. Eine weitere Vorstellung erübrigt sich eigentlich, denn DDF kennt wirklich fast jedes Kind – und wer nicht, sei auf den Abschnitt „Zur Serie“ verwiesen, den Fans sicherlich überlesen können, da ihnen dort nicht viel Neues präsentiert wird.

_Zur Serie_

„Die drei Fragezeichen“, das sind kalifornischen Jugendliche aus dem fiktiven Kaff Rocky Beach – irgendwo zwischen L.A. und Santa Monica gelegen. DDF, das ist vor allem das übergewichtige Superhirn und Besserwisser Justus Jonas, der irgendwann mal mit seinen Kumpels Peter „Schissbüx“ Shaw und Bob „Brillenschlange“ Andrews eine kleine Privat-Detektei eröffnet hat. Erwachsene, die darüber milde lächeln und die Ernsthaftigkeit der Jungs anzweifeln, werden stets eines Besseren belehrt. Wenn man eins nicht machen darf, dann ist es, den kriminalistischen Spürsinn des Trios sowie ihre Hartnäckigkeit, mysteriöse Fälle lösen zu wollen, zu unterschätzen. Fälle, die Erwachsenen (respektive den Cops) meist zu banal oder grenzwertig erscheinen, sich aber nicht selten zu handfesten Verbrechen entwickeln.

Schon seit Beginn der Reihe 1964 hat eine ganze Fülle verschiedenster Autoren Geschichten über das umtriebige und clevere Jung-Detektiv-Büro aus Rocky Beach unter verfasst. William Arden, M.V. Carey, um nur einige der ersten Stunde zu nennen, die neben Erfinder Robert Arthur fleißig in die Schreibmaschinen-Tastatur griffen. Heute sind es nur noch deutsche Schreiber, welche die Fackel der drei Satzzeichen weiter hochhalten – da hierzulande (im Gegensatz zu den USA) die Erfolgswelle nie abebbte. Im Gegenteil.

Oft wird immer noch fälschlicherweise Alfred Hitchcock als Autor angesehen, dabei stammt die Idee für die Charaktere von Robert Arthur. Dieser jedoch gewann (gegen Zahlung vermutlich saftiger Lizenzgebühren) den Kult-Regisseur als marketingstarke Galleonsfigur. Seither hat sich Hitchcock in den Köpfen festgesetzt. Das wird sich ab 2005 wohl langsam aber stetig ändern, da die Hitchcock-Lizenz dieses Jahr auslief – auf den Büchern neueren Datums bemerkt man dies bereits durch Weglassung seines Namenszugs und Konterfeis.

Die allesamt in sich abgeschlossenen Abenteuer der drei Schnüffelnasen sind bei der (vornehmlich) jugendlichen Zielgruppe geschlechterübergreifend beliebt – Der Versuch einer Schubladisierung in Jungen- oder Mädchen-Literatur greift hier ins Leere. Da die Serie schon so alt ist, sind schon verschiedenste Versionen der Bücher am Markt veröffentlicht worden. Die Illustrationen der deutschen Covers waren früher fest in der Hand von Aiga Rasch – hier ist es eine Collage dreier Rasch-Titelbilder. Ihren Stil führt seit einigen Jahren Silvia Christoph nun ähnlich weiter und gibt der Serie damit ihr unverkennbares Gesicht.

_Zum Buch_

Der vorliegende Sammelband zum Anlass des 25-jährigen Jubiläums der Serie enthält drei in sich abgeschlossene Geschichten. Sie bauen weder aufeinander auf, noch haben sie spezielle Querverbindungen zueinander. Wobei „Das Geheimnis der Särge“ hier ein wenig aus der Reihe tanzt, ja sogar deswegen ein wenig deplatziert wirkt, eben WEIL es ausgerechnet hier ausnahmsweise (wenn auch losen) Bezug zu anderen Fällen gibt. Streng genommen ist es nämlich der vorletzte „Teil“ einer vier Geschichten dauernden Reise der drei Fragezeichen nach good ol‘ Europe – Dieser Trip beginnt mit „Diamantenschmuggel“ geht über „Die Schattenmänner“, „Das Geheimnis der Särge“ und endet mit schließlich „Der Schatz im Bergsee“. Schauen wir uns einfach mal genauer an, was unter der Überschrift „Schrecken der Nacht“ an Einzeltiteln so alles aufgefahren wurde.

_Die Storys_

|“Das Geheimnis der Särge“|
Erzählt von Johanna Henkel-Waidhofer
Erstveröffentlichung 1996

Im Rahmen ihres Europa-Trips sind Justus, Peter und Bob mittlerweile in Deutschland angelangt. Die berühmten Höhlen der Schwäbischen Alb stehen auf ihrer Agenda, nachdem sie grade noch in Italien ein paar Dunkelmännern ans Bein pinkelten. Dort lernten sie auch ihrer jetzige Gastgeberin Alex kennen, deren Einladung sie folgten. Natürlich schlittern die drei Naseweise auch in Tschörmany wieder in ein Abenteuer und treffen auf schräge Typen. Diesmal sind es schrullige Bewohner eben jenes Landstrichs, die auch noch mächtig Dreck am Wanderstab zu haben scheinen – zumindest einige von ihnen. Dabei schrecken weder Sprachbarriere noch ach so dunkle Höhlen die Junior-Schnüffler, das Geheimnis der Särge aufzuklären. Natürlich zeigen sich die lokalen Sheriffs als wahre Vertreter der Gattung „Landeier“ und somit als wenig hilfreich, sodass mal wieder alle Aufklärungsarbeit fest in amerikanischer Hand ist.

|Kurzkritik|
Ein so naher Bezug zu anderen Fällen innerhalb der Serie ist eher die Ausnahme. Warum die Bertelsmänner ausgerechnet hier eine Story aus ihrem Kontext gerissen haben, kann nicht rational erklärt werden. Ein 4er-Sammelband mit den weiter oben aufgeführten Titeln wäre wesentlich sinniger gewesen. Nicht, dass man elementare Informationen verpasst, „Das Geheimnis der Särge“ ist wie alle anderen Fälle des Trios eigenständig. Trotzdem fehlen dem Leser ein paar kleinere Details, wenngleich am Rande einiges erklärt wird. Schade auch, dass ausgerechnet die „Deutschland-Folge“ ohnedies schwächelt und sich teilweise in langweiligem BlaBla und schablonenhaft herumtölpelnden Personen verliert. Vor allem gegen Ende wirkt dann alles viel zu konstruiert und zu hastig mit der heißen Nadel zusammengeschustert. Prädikat: „Etwas konfus & unglaubwürdig“.

|“Poltergeist“|
Erzählt von André Marx
Erstveröffentlichung 1997

Bob und Peter nutzen die Flaute der Junior-Detektei, um sich intensiver mit ihren Freundinnen zu beschäftigen. Justus hält sie ja während laufender Ermittlungen gern von den Mädels fern. Doch kein Fall ist in Sicht. Aber ein Hoffnungsschimmer: Als Bob und Elisabeth eine Vernissage besuchen wollen, wird diese unter fadenscheinigen Gründen abgesagt. Das Gemälde eines berühmten Künstlers wurde gestohlen, so viel ist zu ermitteln. Leider jagt sie die ruppige Urlaubsvertretung Inspector Cottas dorthin, wo der Pfeffer wächst. Mitarbeit unerwünscht. Nix zu machen. Peters Freundin Kelly hat auch was. Eigentlich gar kein richtiger Fall, denn er beschränkt sich auf die Suche nach einem Medaillion, welches ihre höchst schrullige Tante verschludert hat. Ein zähes und vor allem nerviges Unterfangen, doch dann bekommen die drei Fragezeichen das Angebot, einen angeblichen Poltergeist zu stellen. Erst gar keinen Fall, jetzt gleich zwei bzw. deren drei – oder gehört alles irgendwie doch zusammen?

|Kurzkritik|
André Marx besinnt sich hier auf alte Tugenden sowie alte Figuren der Serie. Er lässt in diesem Fall einen Erzgegner der Fragezeichen wiederauferstehen. Wer das ist, soll aus Gründen des Spannungserhalts hier und jetzt dezent unter den Grabstein der Verschwiegenheit gekehrt werden. Mysteriös angehauchte Storys haben die Serie groß gemacht, daher hat allein die Poltergeist-Thematik schon mal gute Karten für eine ansprechende Geschichte. Selbst Justus beginnt an Spuk zu glauben und erschüttert damit den Leser bis ins Mark. Damit alles nicht doch zu einfach und noch spannender wird, bastelt André Marx eine vertrackte 3-in-1-Konstellation zusammen, die am Ende sogar sehr schön aufgeht. Mit dem unerwarteten Ausgang hätte wohl kaum einer so gerechnet. Elisabeth, Kelly, Lys und nicht zuletzt Inspector Cotta sorgen in den kleineren Statistenrollen für das wohldosierte comic relief sowie ein Maß an Kontinuität, was das (private) ???-Umfeld angeht.

|“Wolfsgesicht“|
Erzählt von Katharina Fischer
Erstveröffentlichung 1999

Irgendwer hat etwas gegen Inspector Cotta, so scheint es. Ein seltsames Schreiben erreicht den Polizeichef von Rocky Beach. In diesem wird er verhöhnt und gleichzeitig wird verklausuliert ein Überfall angekündigt. Unterschrift: Wolfsgesicht. Der Überfall findet dann doch nicht statt. Das heißt, er tut es doch – aber nicht so, wie sich das die Cops und die zu Rate gezogene Polizeipsychologin so gedacht haben. Mittendrin Justus. Diesmal zufällig und nichts ahnend, bis ihn zwei Beamte für den mysteriösen Briefeschreiber halten und ihn höchst unsanft festnehmen. Als das Missverständnis aufgeklärt ist, schlägt Wolfsgesicht an unerwarteter Stelle zu und klaut absonderliche Sachen. Schon bald wird klar, dass dies nur der Auftakt zu einer Serie von Ereignissen ist, die eines auf das andere aufbauen. Dreimal will der Unhold laut eigener Angaben zuschlagen. Hat der Besuch des amerikanischen Präsidenten in Rocky Beach damit etwas zu tun? Die Spuren sind verwirrend, doch das facht bekanntlich die Neugier des Trios erst recht an.

|Kurzkritik|
Katharina Fischer spielt hier ein wenig mit dem alten Wer-erschoss-Kennedy-Mythos, einer Menge geschickt eingesetzter psychologischer Tricks und Stilelementen, die bei den drei Satzzeichen immer gern gesehen sind: Rätselsprüche, undurchsichtige Verdächtige, angeblich wasserdichte Alibis und persönlicher, individueller Einsatz aller drei Jungs. Jeder auf seinem Spezialgebiet, wie es die traditionelle Rollenverteilung der Serie vorsieht. Nur moderner, die drei Fragezeichen sind mit Computer und Handy endgültig in der Jetztzeit angekommen. Peter darf mal wieder mit Dietrichen hantieren, ausnahmsweise ist es Bob – und nicht Peter mit seinem MG – diesmal, der mit seinem Foffi eine Verfolgung aufnehmen muss. Justus (wer sonst) darf kombinieren und klugscheißen und nebenher noch den heiligen Zorn der Polizeipsychologin auf sich ziehen. Bis am überraschenden Ende das intelligent inszenierte Verwirrspiel aufgelöst wird, hat man die Seiten im Schnelldurchgang bewältigt. Ohne Durchhänger.

_Fazit_

Bertelsmann hat sich und den Lesern mit „Geheimnis der Särge“ in diesem Band keinen Gefallen getan. Zumindest beweist die Wahl, dass der Verantwortliche keinen Schimmer von der Kult-Serie hat. Wer sich von dieser schwachen ersten Story aber nicht abschrecken lässt und tapfer weiterliest, wird mit kontinuierlich steigendem Niveau belohnt. „Poltergeist“ ist eine sehr solide und typische ???-Geschichte, die mit Mystery zu gefallen weiß. „Wolfsgesicht“ ist in dieser Jubiläumsausgabe sicher der beste, weil am intelligentesten aufgezogene Fall. Bleibt unterm Strich ein akzeptabler Gegenwert. Für 9,95 € bekommt man drei Geschichten für etwas mehr als das, was sonst ein Einzelband kostet.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
„Die drei ??? – Schrecken der Nacht“
basierend auf den Charakteren von Robert Arthur
Random House, New York
Frankh-Kosmos, Stuttgart / Bertelsmann Gruppe
Erstauflage 03/2004
Seiten: 366 Hardcover

Knopp, Guido – Hitlers Manager

Professor Guido Knopp, seines Zeichens der Haus-Historiker des ZDF, ist durch seine zahlreichen Fernsehdokumentationen zur deutschen NS-Zeit ein feststehender Begriff in der TV-Landschaft geworden. Zu nahezu allen Dokus sind auch aber auch jeweils Printausgaben als Begleitbücher erschienen, und das ist mittlerweile eine erkleckliche Menge. Mit Filmen wie „Der Untergang“ und nicht zuletzt wegen des kürzlich stattgefundenen 60. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs hat der NS-Themenkomplex spürbar wieder Konjunktur in der Öffentlichkeit und den Medien.

Der Fokus liegt bei diesem Buch nicht – nimmt man Speer mal aus – auf den prominenten, immer schon im Rampenlicht stehenden und bekannten Galleonsfiguren, wie etwa Himmler, Goebbels oder Göring, sondern zielt eher in Richtung der zweiten Garnitur, eine subtile Ebene darunter. Nichtsdestoweniger handelt es sich um ebenso wichtige Gestalten und Gestalter hinter den Kulissen des „Dritten Reichs“. Verblendete Mitläufer oder gar willige Werkzeuge? Dieser Frage geht Knopp im vorliegenden Buch nach.

_Albert Speer – Der Architekt_

„Wenn Hitler einen Freund gehabt hätte, dann wäre ich es gewesen“. So lautet eins seiner berühmten Zitate. Sein Architekt Speer sollte sie bauen, seine Vision einer neuen Welt. Der Workaholic ergreift die Chance, die ihm Hitler bietet, seine Träume von monumentalen und gigantomanischen Bauten auszuleben, als sehr junger Mann. Der eifrige Günstling ist die eigentliche unangefochtene Nummer Zwei im Staat und kann bis zum Ende des Regimes – neben seiner Haupttätigkeit als Architekt – auf ein sehr umfangreiches Aufgabengebiet zurückblicken. Er war Rüstungsminister und später – ab 1942 – auch für das Ressort „Bewaffnung und Munition“ verantwortlich. An dieser Position ist er federführend für die Arbeitseinteilung von KZ- Häftlingen und Zwangsarbeitern aktiv, um den kriegszehrenden Moloch kräftig weiter zu füttern. Dass Deutschland den Krieg nicht gewinnen konnte, dürfte dem als intelligent bekannten Speer jederzeit bewusst gewesen sein.

Als er 1946 von den Allierten zu 20 Jahren Haft verdonnert wird, ist er grade mal 41 Jahre alt. Er bekennt sich in Nürnberg für schuldig und kommt vergleichsweise billig weg. 1966 wird er wieder auf freien Fuß gesetzt und hat in der Zwischenzeit seine Memoiren geschrieben, worin er zwar von einer „Gesamtschuld“ spricht, seine persönliche Rolle jedoch Zeit seines Lebens relativiert und herunterspielt. Die Mär vom „guten“ Nazi setzt sich fest. Eine Litanei, die Knopp im Gegensatz zur Mehrzahl Speers weiterer Biographen nicht nachbetet. Sein berechtigter Vorwurf: Als zentrale Figur in der Schaltstelle der Macht, und eingedenk der Tatsache, dass Speer alles andere als auf den Kopf gefallen war, wusste er stets genau, was er tat – und nahm alles billigend in Kauf, was seiner und seines „Führers“ Sache nützte. Sein freimütiges Geständnis entsprang wohl vielmehr Kalkül und/oder einem verzerrten Selbstbild. Wirkliche Reue oder gar Verantwortung hat Speer auch später nie gezeigt

_Alfred Jodl – Der Militär_

Hitlers Stabschef war ein Offizier der alten Schule, der noch im kaiserlichen Heer groß geworden ist – eine mögliche Erklärung dafür, warum General Jodl vielleicht aus falsch verstandenem, soldatischem Ehrgefühl heraus dem Diktator die Treue hielt. Auch wenn dieser seine Stabschefs – auch Jodl – immer wieder lautstark entließ, sobald sie seine verschrobenen Taktikeinschätzungen nicht teilten oder sogar wagten, dem „GröFaZ“ zu widersprechen. Nach den Hire-and-Fire-Prinzip wurden die Befehlshaber dann wieder generös reaktiviert, wenn es dem Choleriker erneut in den Kram passte. Jodl, der Mitläufer, machte dieses Spielchen bis zum Showdown im Führerbunker nicht gänzlich kritiklos mit. Doch Befehl ist nun mal Befehl. Sein krampfhaftes Ignorieren der Realität und Festhalten an Hitler hat ihm schlussendlich den Tod gebracht. Er wurde in den Nürnberger Prozessen verurteilt und hingerichtet.

_Wernher von Braun – Der Raketenmann_

Der Koryphäe im Bereich der Strahltriebwerkstechnik wird auch immer ein Saubermann-Image attestiert. Immerhin adelte ihn die USA mit der Einbürgerung, was ja für sich genommen schon einem generellen Persilschein gleichkommt. Zum Dank dafür brachte Professor Braun die Amis auf den Mond und gerne schmückte sich auch Nachkriegsdeutschland mit den Lorbeeren, dass es ein Deutscher war, der den Wettlauf mit den Russen entschied. Braun behauptete immer, höchst unpolitisch gewesen zu sein und nur seine Arbeit gemacht zu haben. Es trifft zu, dass Braun weder ein NS-Parteibuch besaß noch sich von Himmler vor den nationalsozialistischen Karren spannen und als Ehrenmitglied in die SS integrieren lassen wollte (weswegen er vom derart Düppierten sogar zeitweise inhaftiert wurde). Das spricht für ihn und wird gerne als weiterer Beweis herangezogen, dass Braun nichts mit den Nazis zu tun haben wollte. Doch ganz so rein ist seine Weste nicht.

Man darf nicht vergessen, dass der geniale Tüftler für tausendfachen Tod allein durch seine in Peenemünde entwickelten V1- und V2-Raketen verantwortlich ist. Dies ließe sich vielleicht noch mit der obligatorischen „Es war Krieg“-Phrase halbwegs glaubhaft entschuldigen. Übersehen werden dafür die unwürdigen Umstände, unter denen die Raketenanlage errichtet, ausgebaut und betrieben wurde. Hier kamen auch verstärkt Zwangsarbeiter und Häftlinge zum Einsatz, deren kalkulierter Tod durch Arbeit und grausige Hygienezustände niemanden zu stören schien. Alles geschah mit Brauns Wissen und seiner Billigung, wie Knopps Quellen belegen. Braun hat die Zustände demnach nicht nur gekannt, nach Methode Zweck-heiligt-die-Mittel hat er seine Animositäten mit Himmler zurückgestellt und sogar explizite Unterstützung bei diesem angefordert. Und der war der Herr über die Konzentrationslager, sprich: die Quelle für Brauns Arbeitskräfte. Ein Pakt mit dem Teufel.

_Ferdinand Porsche – Der Ingenieur_

So wie Wernher von Braun der Vater des Raketentriebwerks ist, so ist Porsche der Vater des Volkswagen-Konzerns. Die Vision des Autonarren aus Österreich, nämlich nach dem Vorbild von Ford hochqualitative und für die „Volksgenossen“ erschwingliche Autos in Massen herzustellen, war Triebfeder für den Autobahnbau. Doch in dem in Wolfsburg aus dem Boden gestampften Industriekomplex lief der berühmt gewordene „Käfer“ erst nach Kriegsende in nennenswerten Stückzahlen vom Band. Vorher wurden die Produktionsstätten – natürlich, muss man fast sagen – für non-zivile Gimmicks missbraucht. Porsche entwickelte so einige kriegerische Gerätschaften, darunter den berüchtigten „Tiger“-Panzer, aber auch eine ganze Latte Fehlkonstruktionen. Dem Tüftler waren keine Grenzen gesetzt, Hitler unterstützte seinen Landsmann nach Kräften. Unnötig zu erwähnen, dass auch hier verstärkt Zwangsarbeiter aus KZ und Kriegsgefangenschaft tüchtig verheizt wurden, sowohl beim Ausbau des Werkes als auch beim Flugzeugmotorenbau und der Munitionsherstellung.

_Alfried Krupp zu Bohlen und Halbach – Der Industrielle_

Der Millionen schwere Erbe und Gründer des Thyssen-Konzerns leitete die Waffenschmiede des Nazi-Reiches, mitten im deutschen Kernland – dem Ruhrgebiet. Kohle und vor allem Stahl waren sein Geschäft. Bei ihm gewinnt man den Eindruck, als lebte er die ganze Zeit in seiner eigenen schönen Feudalwelt, fernab von den Sorgen und Nöten der damaligen „Normalos“. Er wurde aber spätestens bei Kriegsende in die Realität zurückgeholt, als ihn die GIs straight away vor seiner noblen Essener „Villa Hügel“ verhafteten, um ihn in Nürnberg vors Tribunal zu schleifen. Da fiel er geradezu aus allen Wolken, denn als praktizierenden Nazi hat er sich nicht gesehen. War er auch nicht, wenngleich er aus Profitgründen der NSDAP angehörte und als Förderer der SS auftrat.

Hitlers Avancen, sich mit dem Adligen zu schmücken, wich er jedoch meist geschickt aus und beschränkte Kontakte auf das Nötigste. Dennoch hielt ihn das nicht ab, lukrative Geschäfte mit dem Regime zu machen, denn ohne seinen Stahl und die Produkte, wie Kanonenrohre oder Panzerplatten sowie diverse Maschinenteile, wäre die deutsche Kriegsmaschinerie letztlich nicht sehr erfolgreich gewesen. Seine Maxime, dass Politik vor dem Werkstor ende, erwies sich als sehr blauäugig – spätestens als auch er auf die billigen menschlichen Ressourcen aus KZs und Kriegsgefangenenlagern angewiesen war, um die geforderte Produktion aufrecht erhalten zu können. Krupp kam mit einer geringen Haftstrafe noch verhältnismäßig glimpflich davon.

_Hjalmar Schacht – Der Banker_

Schacht ist der Einzige aus dieser Riege, der den Absprung irgendwie doch schaffte, wenn auch nicht aus ideologischen Gründen. Dabei haben die Finanzkünste des heute wenig bekannten Finanzministers mit dem auffälligen Vornamen (seine Familie stammt aus Skandinavien) den Aufstieg des „Dritten Reiches“ erst möglich gemacht. Hätte er nicht so gekonnt mit den so genannten MEFO-Wechseln jongliert, wäre die Kriegskasse schon weit vor dessen Ausbruch nicht mehr so prall gefüllt gewesen. Der Freimaurer Schacht hat mit allerlei Buchungstricks die schwarzen Konten prächtig gefüllt und das Wiedererstarken des Militärs finanziell auf stabile Beine gestellt – ohne dass die Alliierten davon Wind bekamen, denn eigentlich war es Deutschland nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg durch horrende Reparationszahlungen theoretisch unmöglich, genug Mittel für solche Eskapaden aufzubringen, selbst wenn man es gewollt hätte.

So hatten es sich die Siegermächte damals jedenfalls gedacht. Ein Irrtum, dank Schachts Finanzgenie. So kam es, dass sich Hitlerdeutschland klammheimlich wieder aufrüsten konnte und sich schließlich über das verhängte Verbot, schwere Waffensysteme zu besitzen, eigenmächtig hinwegsetzte. Als Schacht dann später realisierte, dass Hitler überhaupt nicht vorhatte, die faulen Wechsel rückzuführen, zog er die Konsequenz und trat zurück. Da sich das Regime jedoch keinen so hochrangigen Mitwisser erlauben konnte, landete Schacht unvermittelt dort, wo man unliebsame Zeitgenossen für gewöhnlich entsorgte: im KZ. Dieser Umstand wusch ihn später zwar nicht vollständig rein, erleichterte ihm allerdings die Phase der Entnazifizierung ungemein. Als ehemaliger KZ-Häftling konnte er glaubhaft machen, dass er mit den Machenschaften in dieser Form nichts zu tun haben wollte.

_Zwischenbilanz_

Eher unauffällige Männer, die aber aufgrund ihrer teils willigen Mitarbeit das braune Regime erst möglich machten. Sie sind Hitlers mächtige Manager aus der zweiten Reihe, vielfach ohne aktive nationalsozialistische Vita, zum Teil sogar gänzlich ohne Parteibuch. Und doch waren sie höchst wichtige Rädchen im Getriebe. Sechs ganz unterschiedliche Charaktere mit ebenso unterschiedlichen Hintergründen, Motivationen und Visionen. Mancher glaubte sich nach eigenem Bekunden in den Nürnberger Prozessen (und auch danach) unwissend und unschuldig an den Verbrechen, die im Dritten Reich verübt wurden. Mitgefangen – mitgehangen.

Doch so ahnungslos waren sie alle nicht, spätestens als zum Ausgleich für die schwindenden Arbeitskräfte KZ-Häftlinge unter erbärmlichen Verhältnissen für den „Endsieg“ vor ihren Augen durch Arbeit systematisch vernichtet wurden, hätten die Industriellen wach werden müssen. Für Jodl gilt im übertragenen Sinne das Gleiche, als das militärische Fiasko und Hitlers Wahnsinn immer deutlicher zu Tage traten. Zum Teil regte sich auch halbherziger Widerstand, doch schien es den meisten von ihnen opportun, weiter mitzuschwimmen – der eine mehr, der andere weniger. Das untere Ende der Sechs markiert Hjalmar Schacht, der die Notbremse zog. Das obere Ende der Skala besiedelt Albert Speer als Hitlers bestes Pferd im Stall. Auch wenn dieser seine Rolle zeitlebens gern verharmloste und herunterspielte.

_Das Buch_

Gegliedert ist das knapp 416 Seiten starke Werk aus dem Hause |Bertelsmann| in sechs Kapitel, entsprechend den Hauptakteuren, auf die hier eingegangen wird. Auflockerung erfährt der Leser durch Bilder und eine Vielzahl gesondert ausgeklinkter Originalzitate aus unterschiedlichen Quellen, entweder von den Protagonisten selbst oder ihnen nahe stehenden Personen über sie. Das stört den Lesefluss zuweilen, da es bei dem kompakten Layout des Textes schwer fällt, abzusetzen, die Aufmerksamkeit auf ein Zitat zu richten, das eventuell nicht mal unbedingt etwas mit dem soeben Gelesenen zu tun hat, und hernach wieder den Faden aufzunehmen. Interessant sind die Statements aber, ZU interessant, um sie gegebenenfalls einfach zu ignorieren.

Für den Stoff muss man schon ein wirkliches Interesse mitbringen, und selbst dann handelt es sich großteils um recht trockene Materie. Zum Glück ist das Werk in recht lockerer und verständlicher Sprache – ja beinahe Plauderton – geschrieben und doziert nicht auch noch. Das wäre auch zu viel des Guten gewesen, wo das Thema an sich bereits ziemlich zäh ist. Knopp bereitet die Lebensläufe der Protagonisten auf und versucht zu ergründen, ab welchem Zeitpunkt jeder von ihnen den |point of no return| erreichte und warum die Zivilcourage dann doch nicht ausreichte gegenzusteuern. Natürlich erscheint es von der heutigen Warte aus einfach, ein Urteil zu fällen, doch so leicht macht Knopp es sich nicht. Zu groß ist die Gefahr, in eine gewisse Apologetik abzurutschen oder – dem Gegenteil – sie allesamt in Bausch und Bogen zu verdammen.

Die Mischung aus sachlicher Kritik und Fürsprache ist Knopp gelungen, dabei handelt es sich bei den Kapiteln allenfalls um Streiflichter und nicht um vollständige Biographien, die jeden Aspekt der entsprechenden Charaktere aufs i-Tüpfelchen auszuleuchten vermögen. Das ist auch gar nicht nötig, um eine nüchterne Analyse anzustellen, was genau die Beweggründe jedes Einzelnen gewesen sein könnten. Selbstverständlich eignen sich die Angesprochenen nicht gerade als Sympathieträgern und dennoch haben sie (wie jeder Mensch) nicht nur schlechte Seiten gehabt. Trotzdem verwundert es, diese Menschlichkeit auch tatsächlich so zu lesen zu bekommen – eben differenziert und nicht pauschalisiert. Der Grundton ist verständlicherweise kritisch gefärbt, wenn auch nach menschlichem Ermessen einiges klarer wird über die unterschiedlichen Motivationen, die Hitlers Manager umtrieben haben mögen.

_Fazit_

Lesenswert und weit entfernt vom um Aufmerksamkeit heischenden Boulevard- und Sensationsjournalismus, der dieser Tage ja gern mit allerlei „neuen“ Enthüllungen und ebenso „neuen Farbbildern“ um die Gunst der Leser bzw. Zuschauer buhlt, kommt Guido Knopps Analyse der Männer aus der zweiten Reihe angenehm sachlich daher, so wie wir es aus dem ZDF bereits kennen. Ohne viel Firlefanz, dafür aber für manchen sicherlich noch zu trocken. Kein Buch für Gelegenheitsleser und nur schwach am Thema Interessierte, so viel ist sicher, denn mit einem recht satten Preis von 24,90 Euro überlegt man es sich in diesem Personenkreis sicherlich zweimal, ob sich die Investition tatsächlich lohnt; da sind die TV-Reportagen wesentlich verdaulicher und kosten lediglich die GEZ-Gebühren, die man ohnehin (gezwungenermaßen) entrichten muss.

Luceno, James – Star Wars Episode III – Die illustrierte Enzyklopädie

Pünktlich zum Kinostart der dritten Episode der Star-Wars-Saga kommen auch schon die verschiedensten Merchandise-Artikel auf den Markt. Neben allerhand Action-Figürchen, Raumschiffen und sonstigem, beinahe unverzichtbarem, Fan-Nippes (wie blinkenden und dudelnden Plastik-Laserschwertern, Vader-Masken mit Vocoder etc.) natürlich auch diverse Druckerzeugnisse. Eines davon ist ein Buch, welches sich als illustrierte Enzyklopädie zu „Rache der Sith“ verstanden wissen will. So lautet jedenfalls der hochtrabende, deutsche Titel des von James Luceno zusammengestellten und von |Lucas Books| vertriebenen Werkes. Die deutsche Ausgabe der auf Hochglanz getrimmten Publikation übernahm die |vgs|, wo man das „visual dictionary“ werbewirksam eben mal zur „Enzyklopädie“ erhob. Ob man diesem Anspruch gerecht werden kann, erscheint schon auf den ersten Blick hinsichtlich des arg dürren Buchs fraglich.

_Corpus Galacti_

„Aufregende Fotos und umfassende Erläuterungen verraten alles über Charaktere, Kreaturen, Droiden und Ausrüstungsgegenstände […]“ verspricht der Teaser-Text auf der Rückseite, neben einigen anderen, vermeintlichen Segnungen, mit denen man dem potenziellen Sternen-Fanatiker Appetit auf vergleichsweise magere 64 (in Worten: „vierundsechzig“) Seiten |Star Wars| machen möchte. Zugegeben, die Optik ist ziemlich edel. Großformat und hochwertiges Papier machen schon mal was her, doch wie das immer so ist im Leben, kommt es ja nicht nur auf die Verpackung, sondern vielmehr auf den Inhalt an. Besonders dann, wenn dem nach jedem Informationsschnipsel gierendem Klientel dafür 15,90 € aus der abgewetzten Jedi-Kutte geleiert werden sollen. Hervorgehoben sei hier explizit das Attribut „alles“ aus dem oben wiedergegebenen Teaser – man darf zu Recht gespannt sein, wie dies auf den paar Seiten zu bewerkstelligen sein soll.

Von der geradezu verschwenderischen Seitenzahl muss man nämlich schon mal fünf Seiten für Vorsatzseiten, Inhaltsangabe und Einleitung abziehen. Erst auf Seite sechs wird der Leser in das Setup von Episode III auf einer Doppelseite eingeführt, inklusive eines kurzen Rückblicks auf das, was bisher geschah. Dem großen galaktischen Krieg und dem, was in dieser Episode auf welchen Planeten zu erwarten steht. Nach dieser knappen Orientierungshilfe geht es dann mit 33 Themenkomplexen, welchen (mit wenigen Ausnahmen) wiederum je eine Doppelseite gewidmet ist, weiter. Dabei ist „komplex“ leider nicht wörtlich zu nehmen, denn dominiert werden die jeweiligen Abschnitte von Illustrationen und Abbildungen. Der Begleittext nimmt sich dagegen kümmerlich aus. Zudem beanspruchen allein Anakin/Darth Vader, Die Klonkrieger, die Wookies und Palpatine/Darth Sideous gleich mehrere Kapitel für sich, die man ohne weiteres hätte zusammenfassen können

Verständlich, dass für den Rest der behandelten Themen auf den verbliebenen (wenigen) Seiten nicht mehr viel Raum für erschöpfende Informationen bleibt. Allerdings muss man zugute halten, dass auch Randfiguren und Ausrüstungsgegenstände und gelegentlich kleine (fiktive) Anekdoten immerhin Erwähnung finden und in den Kontext zur Geschichte gesetzt werden. Interessant sind insbesondere die Schnittzeichnungen etwa des Wookie-Bowcasters und auch der Abschnitt über General Grievous, einem Cyborg – halb Lebewesen, halb Droide. Leider verliert sich der simpel gestrickte Text durchgängig in oft absolut nebensächlichem Klimbim ohne geistigen Nährwert und Tiefe. Selbstverständlich ist irgendwie alles, was mit Star Wars (oder einer beliebigen anderen, erfundenen Geschichte) zu tun hat, streng genommen als „needless knowledge“ einzustufen, doch so needless muss es dann doch bitteschön nicht sein.

Besonders lächerlich, um nicht zu sagen kindisch-kitschig, sind aber die Beschriftungen zu Hinweispfeilen, die auf „Besonderheiten“ eines Gegenstands oder einer Person zeigen. Etwa „Ungewöhnlich ernster Gesichtsausdruck“ oder „Stoff wirkt schwerer, als er ist“ bei Obi-Wan, sind nicht die einzigen, sinnfrei-eleganten Einlassungen, die entweder zu Lachmuskelkatarrh oder wahlweise verständnislosem Kopfschütteln reizen. Es sind einige richtige Knaller darunter; der Autor sollte vielleicht eine Karriere als interstellarer Comedian anstreben, ich fürchte jedoch, er meint es vollkommen ernst. Mir ist nicht ganz klar, an welche Leserschaft sich das Buch richtet, der erwachsene Fan (zu welchen auch ich mich zähle) kommt sich etwas veralbert vor. Und dabei gehöre ich noch nicht mal zu den Dogmatikern, welche |Star Wars| als bierernst betrachten und jeden Anflug flockiger Schreibe als pure Ketzerei verschreien.

_Fazit_

Trivial und zu bildlastig. Die nette Aufmachung ist zwar nicht zu beanstanden, doch hapert’s am Gehalt. Schöne Bilder, aber wenig erhellender, oberflächlicher Text, der streckenweise geradezu peinlich kindisch ist. Unter einer Enzyklopädie versteht man für gewöhnlich eher einen fetten Wälzer mit Stichwortverzeichnis und Index. Idealerweise einen, der thematisch wirklich in die Tiefe geht und nicht etwas, das irgendwie den Flair und Charme eines Hochglanz-Werbeflyers versprüht. Aber bestimmt kein besseres Bilderbuch – fehlen eigentlich nur noch mitgelieferte Buntstifte, damit man sich seine Klonkrieger und Droiden selbst ausmalen kann. Scheinbar hält man die Fans für eine Bande Grenzdebiler. Die – für effektiv 60 Seiten – recht unverschämten 16 Euro sind für zwei Kinokarten, den (übrigens erstaunlich guten) [Roman 1163 oder schon mal als Anzahlung für die zukünftig erscheinende DVD wesentlich besser angelegt. Hol’s der Rancor.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_

Originaltitel: „Star Wars Episode III – The Visual Dictionary“
Ersterscheinung: 2005, Lucas Books / DK / VGS
Seiten: 64 mit zahlreichen Abbildungen
Ausgabe: 1. Auflage / Hardcover
ISBN: 3-8025-3441-7

Ballard, Robert D. / Archbold, Rick – Entdeckung der Bismarck, Die

Sie galt als der Stolz der Reichsmarine, 260 Meter lang, 32 Meter breit. Ein Ehrfurcht gebietender Stahlkoloss, gepanzert mit dreizehn Zentimeter starken Platten, ausgerüstet mit vier Waffentürmen zu je zweimal 380-mm-Geschützen, auch die „mittlere Artillerie“ entsprach in ihrem Kaliber in etwa dem, was auf anderen Schiffen großteils schon als Hauptbewaffnung galt. Ein Monstrum, gebaut und vom Stapel gelaufen zu nur einem Zweck: Tod und Vernichtung zu speien – vorzugsweise auf den Handelsrouten der Briten, um England im zweiten Weltkrieg auszuhungern. Die Rede ist von Deutschlands damaligem Prestige-Schlachtschiff „Bismarck“. Ihre einzige Fahrt der Operation „Rheinübung“ sollte gleichzeitig ihre letzte sein.

Auch ihr Schwesterschiff „Tirpitz“ stand unter keinem guten Stern und liegt heute – versenkt von Flugzeugen und Kleinst-U-Booten – im skandinavischen Osta-Fjord. Mit dem Verlust der Titanen fror Hitlerdeutschland den Bau weiterer Superschlachtschiffe ein, deren Ära eigentlich schon längst mit Erfindung des trägergestützten Flugzeugs ohnehin obsolet geworden war. Die alliierte Hetzjagd auf die |Bismarck| ist legendär und sie endete mit ihrer Versenkung im Ostatlantik. Der umtriebige Meeresgeologe Robert D. Ballard machte sich in den Achtzigern auf die Suche nach dem berühmtesten deutschen Wrack.

_Historisches_

19. Mai 1941 – Die |Bismarck| und ihr Begleitschiff |Prinz Eugen| versuchen in einer Nacht-und-Nebelaktion, unbemerkt von ihrem Stützpunkt im norwegischen Grimstadfjord zu ihrem Einsatzort im Atlantik zu gelangen. Operation „Rheinübung“ hat begonnen. Kurz zuvor wird das Kommando vom erfahrenen und besonnen Kapitän Lindemann an den bärbeißigen und großkotzigen Admiral Lütjens übertragen. Der wohl erste fatale Fehler in diesem Einsatz überhaupt. Zu ihrem weiteren Unglück bemerkt eine Aufklärungs-Spitfire der britischen Admiralität zufällig und trotz dichter Bewölkung die Kampfgruppe bei Bergen am Nachmittag des 22. Mai. In London schrillen verständlicherweise die Alarmsirenen: Die Hunnen haben ihr Monster tatsächlich von der Kette gelassen und es ist klar, dass es über Scapa Flow und die Dänemark-Straße (bei Grönland) durchzubrechen versucht.

24. Mai 1941 – Die Kreuzer |Suffolk| und |Norfolk| halten Fühlung mit dem Gegner, das gefürchtete Schlachtschiff |Hood| – der Nationalstolz der Briten – und sein Pfadfinder, die neue (und sehr unerprobte) |Prince of Wales|, preschen heran, um die deutsche Kampfgruppe zu stellen, nehmen aber versehentlich zuerst das Führungsschiff – die |Prinz Eugen| – statt des Hauptgegners |Bismarck| am frühen Morgen aufs Korn. Diese bleibt wie durch ein Wunder jedoch fast unbeschädigt. Nach sechs Minuten des Distanzgefechts erzielt eine Salve der |Bismarck| auf der |Hood| einen schweren Treffer, der das Schiff innerhalb von Sekunden auseinanderreißt und versenkt.

Doch auch die |Bismarck| kommt nicht ungeschoren davon. Nachdem die britischen Schiffe ihren Irrtum bemerken, können sie einige Treffer landen, die sie auf etwa 28 Knoten verlangsamen und ihren Treibstoffvorrat drastisch reduzieren. Der Einsatz des britischen Flugzeugträgers |Victorious| verläuft wie das Hornberger Schießen: Weder gelingt es den Briten, einen „Aal“ ins Ziel zu bringen, noch schafft es das frenetische Abwehrfeuer der |Bismarck|, einen der zerbrechlichen Flieger herunterzuholen. Pattsituation einstweilen. Die |Bismarck| ermöglicht durch eine Finte das Entkommen der |Prinz Eugen|.

25. und 26. Mai 1941 – Die britische Admiralität detachiert starke Kampfverbände, um die waidwunde |Bismarck| endgültig zu versenken, auch die britischen Träger |Ark Royal| und |Victorious| sind mit von der Partie, zudem das neue Flaggschiff |King George V| sowie kleinere Einheiten der Homefleet – genannt „Force-H“. Zwischendurch verliert man die Fühlung zu beiden Deutschen, doch Gevatter Zufall schlägt ein weiteres Mal zu: Ein Catalina-Flugboot der Coastal Guards spürt die beiden Schiffe auf, wird vom erbitterten Flak-Feuer zwar erwischt, jedoch nicht abgeschossen.

Die |Ark Royal|, der zweite Flugzeugträger im Operationsgebiet, entsendet ihre Doppeldecker des Typs Swordfish, diese sind je mit einem einzelnen Torpedo ausgerüstet. Die ersten Angriffswellen schlagen fehl, doch ein einziger Aal trifft die |Bismarck| an ihrer empfindlichste Stelle: dem Ruder. Es verkeilt sich und der ohnehin angeschlagene Titan kann nur noch im Kreis fahren – ganz wehrlos ist er deswegen noch nicht. Durch die Biskaya zu kommen und den rettenden Hafen von Brest zu erreichen, scheint immer unwahrscheinlicher.

27. Mai 1941 – Am frühen Morgen sichten das Großkampfschiff |King George V| und sein schwerer Begleit-Kreuzer |Rodney| dank des Fühlungshalters |Norfolk| die |Bismarck| und preschen heran. Das Gefecht startet auf 25 Seemeilen Entfernung und zieht sich über knapp drei Stunden hin, wobei die Distanz der Kontrahenten auf wenige Meilen schrumpft, sodass gegen Ende die Geschossbahnen sogar waagerecht ausfallen statt – wie sonst üblich – ballistisch. Während Treffer an oder unterhalb der Wasserlinie aufgrund des schweren Panzergürtels wirkungslos zu verpuffen scheinen, zeitigen die Einschläge auf dem Deck ihre Wirkung auf der |Bismarck|.

Ihr Abwehrfeuer verstummt nach und nach, je mehr die Aufbauten schweren Granatenbeschuss wegstecken müssen, um irgendwann gänzlich zu schweigen. 10:22 Uhr stellen die Briten das Feuer ein, die |Bismarck| ist ein loderndes, glühendes Wrack – doch sie schwimmt unvermindert. Lütjens erteilte unlängst den Befehl zur Selbstversenkung. Die |Dorsetshire| eilt heran, um aus nächster Nähe drei Torpedos abzufeuern, welche dem Schiff endgültig den Garaus machen sollen. Ob diese für den Untergang maßgeblich waren, erhitzte die Gemüter seither – Fakt: Um 10:39 kentert die |Bismarck| nach Backbord und sinkt Bug voran auf den 4,5 Kilometer tiefen Grund und ins Reich der Legenden.

_Meinung_

Robert D. Ballard – der Entdecker der |Titanic| – überkam es, eine weitere Expedition zu einem berühmten Wrack zu unternehmen, und die Duplizität der Ereignisse ist erstaunlich, denn wieder erweist sich ein verdammt fetter Pott als überaus scheues Reh, das sich den Blicken des Forscherteams zu entziehen vermag, gleichwohl sind auch wieder zwei Anläufe nötig, bis sich der Erfolg einstellt. Die erste Exkursion 1988 war ein Schlag ins Wasser und brachte bis auf das Wrack eines alten Segelschiffes nicht viel mehr als Hohn und Spott. Davon ab ist der Meeresgrund mit seinen Bergen, Tälern, tiefen Schluchten und Schlickfeldern – und das in ewiger Finsternis der Tiefsee in 4700 Metern – auch kein leicht zu erkundendes Terrain. Das Wetter und der Seegang in der Biskaya tun ihr Übriges. Expedition I wird gefrustet gecancelt. 1989 bricht das Team erneut auf – mit weiteren erbettelten Geldern. Natürlich gebraucht Ballard sein Rasenmäher-System, um die vermutete Sinkposition Streifen für Streifen abzufahren, diesmal jedoch mit einem anderen und moderneren Forschungsschiff. Am 8.6.1989 ist Neptun mit ihnen: Das bemerkenswert gut erhaltene Wrack taucht vor den Kameralinsen auf.

Ballards Bücher zeichnen sich vor allem durch eines aus: Das Hohelied auf die US Navy (deren Equipment er benutzt), die nicht enden wollende Litanei technischer Pannen und Erklärung seiner Suchmethode, also in der Summe: Ballard, Ballard und nochmals Ballard. Das kann ganz schön nervig sein auf die Dauer, denn kennt man eines seiner Bücher, kennt man, was das angeht, alle (mit wenigen Ausnahmen) – ein ausgesprochen publicitygeiler Selbstdarsteller und deswegen auch oft in die Kritik geraten. Dennoch: Ein fähiger Experte auf seinem Gebiet, dessen Suchoperationen im Endeffekt immer von Erfolg gekrönt werden. Das muss man ihm lassen. So nimmt leider auch in diesem Band das Drumherum ungebührlich viel Platz in Anspruch. Dabei meine ich jedoch nicht die historische Aufarbeitung seitens Co-Autor Rick Archbold, die gewohnt akkurat und neutral ausfällt. Bis das Wrack endlich auch bildtechnisch untersucht wird, sind gut zwei Drittel des Buches herum. Der Anfang zieht sich wie der sprichwörtliche Kaugummi, sieht man – wie gesagt – von den historischen Fakten zur Schiffsgeschichte einmal ab, die sehr interessant sind.

Ab dem Fund kann der Bildband dann auch endlich richtig punkten, denn auch das ist Ballard: Die Analyse der Schäden, Rekonstruktion der Ereignisse nach dem Untergang sowie die Verpflichtung seines Illustratoren Ken Marschall, ein exaktes Abbild des Ist-Zustandes grafisch festzuhalten, sind superb. Mit dabei sind auch wieder die ausklappbaren, großformatigen Panoramaansichten, welche die |Bismarck| damals und heute gegenüberstellen. Marschall zeichnet ein stimmungsvolles Bild des aufgefundenen Ground-Zero, sowohl auf dem Cover als auch später im Inneren des Buches. Die verwendeten Fotos sind selbst gemessen an heutigen Standards scharf und aussagekräftig, allerdings reichte die restliche Zeit der Expedition nicht ganz dafür aus, alle wichtigen Punkte zu klären, die für den Untergang der |Bismarck| verantwortlich gewesen sein mögen.

Ballard resümiert jedoch aus den gewonnen Daten, dass die Selbstversenkung und nicht die Torpedos letztendlich verantwortlich waren. Dass er damit Recht gehabt hat, beweist James Camerons ausführliche Dokumentation, dessen jüngst auf DVD erschienene Tauchfahrt zum Wrack die Thesen Ballards untermauert. Somit ist klar: Ballard mag ein Brusttrommler sein, ein unfähiger Idiot ist er ganz sicher nicht – im Gegenteil: Seine Analysen treffen trotz der spärlichen Informationen ins Schwarze. Obwohl Ballard diesmal nicht – anders als bei der |Titanic| – selbst in einem bemannten Tauchboot dem Wrack einen Besuch abstattet, sind seine Schlussfolgerungen aufgrund der gelieferten Bilder seines Tauchroboters sehr präzise und gelten heute als Lehrmeinung. Vollkommen zu Recht.

_Fazit_

Die Aufarbeitung des Bildbandes kann nicht an allen Stellen überzeugen, für mich ist da ab und zu ein wenig zu viel Brimborium drin, das nur mäßig interessant ist – zumindest für diejenigen, die den Sermon mit dem ballardschen Suchsystem schon kennen. Hier und da blitzt auch ein wenig unnötiger Pathos auf, darüber kann man aber hinwegsehen. Lichtblick ist Co-Autor Rick Archbold, der in späteren Werken gottlob auch mehr Gewicht bekommt. Klasse sind wie immer die Illustrationen Ken Marschalls und die Fotos von Wrack und Trümmerfeld. Leider ist dieser Tage nur noch die inhaltlich identische Taschenbuchausgabe problemlos erhältlich, der großformatige Bildband ist derzeit leider out of print und rarer. Schade, denn grade die Bilder wirken im Taschenbuch nicht annähernd so gut, dafür ist es wesentlich billiger zu haben. Als Nachschlagewerk sehr empfehlenswert, bekommt es aber leichte Abzüge in der B-Note.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_

Originaltitel: „The Discovery Of The Bismarck“
Ersterscheinung: 1990 – Madison Publishing Inc. / NY
Deutsche Ersterscheinung: 1990 – Ullstein / Berlin
Übersetzung: Karl-Otto von Czernicki und Ralf Friese
Zugrunde liegende Version: Hardcover / 8. Auflage 1994
Seiten: 236 / durchgängig bebildert + 2 ausklappbare Panoramen
ISBN: 3-550-06443-8 (Hardcover)
ISBN: 3-548-23298-1 (Taschenbuch)

Nevis, Ben – Die drei ???: Poisoned E-Mail (Engl. Ausg.)

Die altbekannte Jugendserie macht sich auf zu neuen Ufern. Schon komisch; nicht nur, dass die Gestaltung der Bücher seit Anfang 2005 ohne Konterfei und Namen des mit ihnen assoziierten Gönners Alfred Hitchcock auskommen muss, da die Lizenz ausgelaufen ist. Das eigentlich viel Bemerkenswertere ist vielmehr, dass die Serie nun zum Teil ins Englische übersetzt wird. Früher war es ja genau umgekehrt, doch seit geraumer Zeit führen ausschließlich deutschsprachige Autoren die Geschichten weiter, was am anhaltenden und ungebrochenen Beliebtheitsgrad der drei Detektive hierzulande liegt, während sie in ihrem Ursprungsland wohl schon lange wieder verschwunden sind. Der Grund für die Übertragung ins Englische liegt aber weniger darin, den dortigen Markt zurückzuerobern, sondern vielmehr soll damit den deutschen Jugendlichen ein besseres englisches Sprachgefühl vermittelt werden.

Amerikanisches Englisch, um es präzise zu formulieren. Inklusive einer „Vokabelhilfe“. Anfang April 2005 sind zwei Fälle der drei Junior-Schnüffler in angloamerikanischer Fassung bei FRANCKH-KOSMOS als Hardcover erschienen: „Das Hexen-Handy“ und „Gift per E-Mail“. Deutlich zu erkennen an der „Stars and Stripes“ Flagge auf Buchrücken und Frontcover, nebst dem Hinweis „American English“. Ob noch weitere Geschichten diesen Weg (und vielleicht in andere Sprachen) gehen werden, war bislang nicht zu ermitteln, dies ist aber zu erwarten, wenn das Konzept sich (durch entsprechende Verkaufszahlen gestützt) als erfolgreich erweist. Die beiden Fälle dürfen somit vorerst als Versuchsballons dafür angesehen werden, ob diese Idee auch bei den Lesern ankommt und gewürdigt wird.

_Zur Story_

Meg Baker ist passionierte Taucherin und insbesondere Wracks haben es ihr angetan. Erst kürzlich ist ein kleiner Kutter bei einem Unwetter in den seichten Gewässern vor Rocky Beach abgesoffen. Als sie zusammen mit einer Bekannten einen Tauchgang dorthin unternimmt und versucht, durch ein Leck ins Innere zu gelangen, hat sie eine äußerst unangenehme Begegnung mit einer Riesengruppe ziemlich giftiger Quallen. Eine renitente Spezies mit potenten Nesselkapseln – blöderweise reagiert sie auch noch allergisch auf die Viecher. Ihre Tauchpartnerin kann sie bergen und bewusstlos ans Ufer schaffen. Verständlich, dass Mrs Baker auf die schwabbeligen Tierchen fürderhin nicht gut zu sprechen ist. Das für sich genommen, kann man als unglücklichen aber halbwegs normalen Tauchunfall apostrophieren. Wo ist nun der Fall für die drei Detektive?

Erstens gehören diese Quallen nicht in das Innere eines Wracks und schon gar nicht in dieser Konzentration. Zudem hat Mrs Baker kurz nach dem Zwischenfall eine wenig erbauliche E-Mail erhalten, in deren Anhang sich ein niedlicher, aber nickeliger Virus befindet. Der Payload des elektronischen Plagegeists äußert sich als Ansammlung von virtuellen Quallen, welche sich überall im System bis Oberkante Unterlippe breit machen. Zufällige Ironie des Schicksals, Wahnvorstellung oder doch böse Absicht eines Finsterlings? Letzteres liegt nahe. Das ist auch der Grund, weshalb die angenervte Mrs Baker bei Justus, Peter und Bob in der Zentrale eine dringende Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlässt und um Hilfe bittet. Ein ehemaliger Klient der drei Fragezeichen hat ihr die Jugendschnüffler wärmstens empfohlen. Leider ist die gute Frau nicht grade mit einem dicken Geduldsfaden gesegnet, was ihr Quallen-Problem angeht.

Als Justus etwas später zurückruft, ist Mrs Baker grade im Begriff, sich einem anderen Privatdetektiv zuzuwenden – einem professionellen Erwachsenen aus dem angrenzenden Santa Monica. Der sei schon auf dem Weg. Tief in seiner detektivischen Ehre erschüttert und gekränkt, schafft er es jedoch, es so zu drehen, dass wer als erstes bei ihr erscheint, den Job bekommt. Natürlich rasseln die drei Jungs vor dem Haus der potenziellen Neu-Klientin in ihren Konkurrenten: Dick Perry. Und ebenso natürlich ist der Typ ein widerlicher Schleimbeutel. Ohne sich auf etwaiges Fairplay einzulassen, schnappt er ihnen den Auftrag mit krummen Methoden vor der Nase weg. Unnötig zu erwähnen, dass die Jungs nicht locker lassen und ihrerseits an dem Fall dranbleiben. Inoffiziell. Die Lage spitzt sich zu, als ein Schulkollege der drei im unmittelbaren Zusammenhang mit den Ermittlungen gekidnappt wird.

_Meinung_

„Gift per E-Mail“ stammt aus der Feder von Ben Nevis (Erstveröffentlichung 2002 in deutscher Sprache) und zählt auch bei den Hörspielen zu den besseren Storys. Und zu den moderneren. Die drei Fragezeichen gebieten zu diesem Zeitpunkt der Serie bereits über Computer und eigene Autos. Trotzdem sind die Fahrräder der Jungs nicht vollständig vom Tisch und die Autos von Bob und Peter werden nur dosiert eingesetzt. Nevis besinnt sich auf traditionelle Elemente, welche die Serie groß gemacht haben. Zum Beispiel ein Rätselreim oder die berühmte Telefon-Lawine kommen zum Einsatz. Jetzt ist es allerdings die E-Mail-Lawine. Man geht mit der Zeit. Realistisch daran ist, dass diese Art der Informationsbeschaffung auf Basis der stillen Post auch ein Bumerang sein kann. Dann nämlich, wenn die E-Mail-Anfrage die falschen Kreise erreicht. Merke: Auch der PC der pfiffigen Schnüffelnasen ist vor Viren nicht gefeit.

Vor allem aber der Aspekt, einen mindestens ebenbürtigen Gegner in Gestalt von Dick Perry vor sich zu haben, macht den Fall sehr interessant. Konkurrenz belebt eben das Geschäft, zudem wurde die ewig alte Leier, die Ermittlungen ohne große Rückschläge ablaufen zu lassen, auch irgendwann mal langweilig. Diesmal müssen die Junioren ein paar Kröten (respektive Quallen) schlucken und sich ganz schön strecken, bis sie beim finalen Showdown dann doch wie gewohnt (und erhofft) triumphieren dürfen. Bis dahin ist es aber ein steiniger und verschlungener Weg, der buchstäblich erst auf den letzten beiden Seiten des Buches die Wendung zum Guten erfährt. Vorher sieht es tatsächlich so aus, als müssten Justus, Peter und Bob zum allerersten Mal eine deftige Niederlage einstecken. Perry ist ihnen stets eine Nasenlänge voraus.

Der ins US-Englische übersetzte Text ist für Leser mit mittleren bis guten Kenntnissen flüssig zu lesen und gut zu verstehen. Amerikanisches Englisch unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht vom britischen. Das hierzulande in der Schule großteils vermittelte Oxford-Englisch ist dagegen vergleichsweise steif, bildet aber die Basis, über die man verfügen sollte. Das verwendete Amerikanisch ist lockerer, flotter und irgendwie lebendiger. Damit man sich nicht verheddert, sind besonders interessante und/oder ungewöhnliche Vokabeln sowie typische Redewendungen in Fettdruck mitten im Text hervorgehoben. In der Fußnote jeder Seite stehen direkt die Übersetzungen der auf der Seite hervorgehobenen Begriffe und Formulierungen. Dies sind zwischen drei und sechs pro Buchseite. Am Anfang ist dies für den Lesefluss recht störend oder sagen wir besser: ungewohnt, da der permanente Fettdruck einzelner Textelemente doch etwas irritiert.

Man gewöhnt sich aber daran und bemerkt, dass diese Lösung gegenüber einer stupiden Auflistung der betreffenden Vokabeln und Phrasen in einem Appendix durchaus Vorteile hat. Man muss nicht blättern, sondern ein kurzer Blick nach unten genügt. Sofort ist man wieder mitten im Geschehen. Bekannte Ausdrücke überspringt man nach einer Zeit automatisch und pickt sich bei Bedarf nur die wirklich Interessanten heraus. Aufschlussreich sind insbesondere Slang-Ausdrücke, Aphorismen und Metaphern, etwa die amerikanischen Äquivalente für „Leichen im Keller haben“, „Feierabend machen“ oder „Die Hosen voll haben“, um mal ein paar umgangssprachliche Beispiele zu nennen, die vielleicht nicht jedem geläufig sind, sich aber im Alltagsgebrauch als nützlich erweisen können. Manche erläuterten Begriffe kommen leider doppelt vor, wobei sich mir der Sinn dahinter nicht ganz erschließt – ich vermute ein Versehen bei der redaktionellen Bearbeitung und Auswahl.

_Fazit_

In erster Linie dürften mit einer Veröffentlichung wie dieser Schulen angepeilt sein, die ihren Englisch-Unterricht damit aufwerten können, dass – statt des normalen Stoffs des Lehrplans – bekanntermaßen beliebte Jugendliteratur in einer anderen Sprache gelesen wird. Doch auch für gestandene Fans und alle sprachinteressierten Leseratten bietet sich hier Gelegenheit, eventuell verschüttete Kenntnisse aufzufrischen bzw. -bessern. Das macht schon aufgrund der gut ausgewählten Story von „Poisoned E-Mail“ Spaß. Die Übersetzung ist modern, unkompliziert und recht leicht zu bewältigen, jedoch nicht anspruchslos geraten. Das Konzept mit dem Transfer ins Englische inklusive der Vokabelhilfe ist eine nette Idee. Es wäre wünschenswert, dass das auf mehr der Fälle der drei Fragezeichen (zumindest diejenigen aus „deutscher Produktion“) ausgedehnt wird. Bislang sind es zwei davon, verdient hätten es noch einige andere.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_

Originaltitel: „Die drei ??? – Gift per E-Mail“
Erzählt von Ben Nevis
basierend auf den Charakteren von Robert Arthur
Erstveröffentlichung: 2005 / Franckh-Kosmos, Stuttgart
Übersetzung ins Amerikanische: Andreas Zantop
Seiten: 144 / Hardcover
ISBN: 3-440-10065-0
ISBN: 3-440-10353-6 (Deutsche Sprachfassung, 2002; aktuelle Auflage Februar 2005)

Robert Arthur – Die drei ??? und das Gespensterschloss (Band 1)

Eigentlich muss man über diese Jugendserie keine Worte mehr verlieren, denn seit über 30 Jahren steht sie vom Bekanntheitsgrad her ungefähr auf gleicher Stufe mit Enid Blytons „5 Freunde“-Reihe. Der unaufhaltsame Erfolg der drei ??? auch in Buchform stellte sich in Deutschland aber erst mit Aufkommen der Hörspiele aus dem Hause EUROPA ein. Das „Gespensterschloss“ ist dabei ein markantes Kuriosum, denn die Buchvorlage ist der erste je veröffentlichte Fall der drei Detektive. In Deutschland jedoch befand man ihn für die jugendliche Hörerschaft Anno 1979 anscheinend als ungeeignet zum Auftakt der Serie. So zog man für die Vorstellung der Hörspielserie – quasi als Versuchsballon – den „Super-Papagei“ vor und das Gespensterschloss rutschte dort auf den undankbaren Platz 11.

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Arthur, Robert / Hitchcock, Alfred – Die drei ??? und die flüsternde Mumie

Während die flüsternde Mumie bei den EUROPA-Hörspielen die Nummer 10 verpasst bekam, ist die Romanvorlage eigentlich der zweite Fall der drei Jung-Detektive aus dem fiktiven Rocky Beach, die sich selbst „Die drei Fragezeichen“ nennen. Die drei Detektive sind die amerikanischen Schuljungen Justus Jonas, Peter Shaw und Robert „Bob“ Andrews, die immer wieder knifflige und mysteriöse Fälle lösen. Dafür stehen auch die Fragezeichen – als Symbol für das Unbekannte und ungelöste Rätsel. Nicht etwa für Selbstzweifel, wie Erwachsene nicht müde werden zu fragen. Für Selbstzweifel gibt es auch gar keinen Grund, denn das Trio ermittelt nunmehr seit über 40 Jahren erfolgreich durch die Jugendliteratur. Ihr Erfinder Robert Arthur schuf einen Evergreen, als er mit dem zugkräftigen Namen Alfred Hitchcock im Titel die Serie 1964 ins Leben rief. Zu uns schwappte die Welle Anfang der Siebziger und sie ebbt bislang nicht ab. Auch wenn hierzulande eher die Hörspiele bekannter (und beliebter) sind als die Romane.

_Zur Story_
Der Brief ihres Mentors Alfred Hitchcock versetzt die drei Detektive in Verzückung. Na ja, bis auf Hasenfuß Peter vielleicht. Ein höchst mysteriöser Fall wird ihnen dort in Aussicht gestellt. Professor Yarborough – ein Freund Hitchcocks – ist Ägyptologe und hat kürzlich die von ihm entdeckte Mumie des Ra-Orkon für sein Privatmuseum erhalten. Doch der olle Lappenträger scheint trotz seines augenscheinlich toten Zustands sehr mitteilungsbedürftig zu sein. Jedoch nur dann, wenn Professor Yarborough alleine im Raum mit dem Sarkophag ist, flüstert der 3000 Jahre alte Knabe unverständliches Zeug in einem alt-arabischen Dialekt. Sobald etwa der abergläubische Butler Wilkins mit im Zimmer ist, herrscht Funkstille. Aus nachvollziehbaren Gründen wendet sich der Professor weder an die Polizei noch an seine Wissenschaftskollegen – beide würden ihn für verrückt erklären. Justus und Bob bieten ihm ihre Dienste an. Peter kümmert sich derweil lieber um eine verschwundene Katze, ihm sind flüsternde Mumien definitiv zu gruselig.

Sie erhalten den Auftrag aber erst nachdem Justus dem Professor glaubhaft versichert hat, dass er an den Fluch des Pharaos und ähnlichen übersinnlichen Humbug nicht glaubt, welcher der Mumie angedichtet wird. Butler Wilkins sieht das ganz anders, wofür er gern und ständig vom Professor gerüffelt wird. Schon bei der ersten Begutachtung des Raumes scheint der dünnhäutige Wilkins aber Recht zu bekommen. Ohne ersichtlichen Grund stürzt eine schwere Anubis-Statue beinahe auf Justus und einige der Masken an der Wand rauschen kurz darauf zu Boden. Ra-Orkon hingegen tut aber, was Tote nun mal so tun: er schweigt beharrlich. In seinem Sarkophag und am Leichnam selbst sind keinerlei technische Einrichtungen zu erkennen, welche darüber Aufschluss geben könnten, dass jemand den Professor zu verulken oder gar zu ängstigen gedenkt. Justus greift zu einem Trick, um Ra-Orkon zum Flüstern, und Licht in die Sache, zu bringen.

Verkleidet als Professor Yarborough betritt er den Raum alleine, bewaffnet mit einem Tonbandgerät. Siehe da. Die Mumie beginnt leise zu flüstern. Lässt sich der Pharao so einfach veräppeln? So scheint es, denn als Justus sich unfreiwillig demaskiert verstummt der alte Ägypter sofort – ein kleines Malheur, jedoch hat Justus das schwache Flüstern immerhin auf Band. Nun können er, Bob und der Professor zu dessen Nachbarn gehen und sich Ra-Orkons Gebrabbel übersetzen lassen. Professor Freeman ist nämlich Experte für Arabisch und zudem ein langjähriger Freund von Yarborough. Er und dessen Vater haben seinerzeit das Grab des Ra-Orkon gemeinsam entdeckt – Freeman senior kam kurz darauf um, was allgemeinhin dem Fluch angelastet wird. Doch während Butler Wilkins alleine das Haus hütet, taucht plötzlich Schakalgott Anubis höchstpersönlich auf und entwendet die Mumie. Der grade eingetroffene Peter, der von alledem nichts ahnt, hat derweil eine unheimliche Begegnung der dritten Art: mit Ra-Orkons vermeintlichem Lieblingskater und erzürnten Nachfahren des Pharaos.

_Meinung_
Man merkt, dass dieser Fall der direkte Anschluss an das Debüt „… und das Gespensterschloss“ ist, und man gewinnt den Eindruck, beide Romane wurden in einem Rutsch von Robert Arthur verfasst. Die flüsternde Mumie stammt aber aus dem Jahr 1965. Wie wir im Auftaktroman erfahren, hat Bob ein Gipsbein, welches ihn auch noch im vorliegenden Buch leicht behindert. Bei genauerer, chronologischer Betrachtung können zwischen den beiden Geschichten keine 30 Tage liegen, denn die drei Schnüffler haben immer noch (beschränkten) Zugriff auf den Rolls-Royce, samt Chauffeur Morton. Dessen Benutzung hat Justus bei einem Preisausschreiben einer Autovermietung für exakt diesen Zeitraum gewonnen. Erst später, als sie einem jungen Mann mit Namen August August aus der Patsche helfen, sorgt dieser dafür, dass das Trio ohne zeitliche Begrenzung auf den Rolls zurückgreifen kann, wann immer er benötigt wird. Das passiert aber erst bei „… und der Fluch des Rubins“ und soll hier nur dazu dienen, die Handlung zeitlich ungefähr einordnen zu können.

Zudem wird zwischendrin immer wieder nur das Gespensterschloss als Referenz angegeben. Vor allem, was den Bezug der drei Fragezeichen zu Altmeister Hitchcock betrifft. Freilich hat dieser mit der Serie nur insofern zu tun, als dass er vom Autor für seine Reihe verwurstet wird. Mit dessen Einverständnis (und gegen Lizenzgebühr) natürlich. Eine Lizenz, die nun am Anfang 2005 endgültig auslief und nicht erneuert wurde. Für altgediente Fans etwas bedauerlich, aber sicher kein Weltuntergang. Mit Voranschreiten der Serie verschwanden Vorwort und Zwischenkommentare des angeblichen Mentors sowieso mehr und mehr aus den Büchern. Irgendwo um Band 50 herum taucht diese Besonderheit der alten Geschichten gar nicht mehr auf. Keine augenzwinkernden Tipps mehr für unaufmerksame Leser. Hier gibt’s sie selbstverständlich noch und liefern den einen oder anderen humorvollen Fingerzeig in Richtung Auflösung.

Die Flüsternde Mumie ist auch anderweitig eine wichtige Wegmarke. Erstmals finden hier die inzwischen berühmt gewordenen Ausrüstungsgegenstände, wie die Walkie-Talkies und das als Ofenrohr getarnte Periskop in der Zentrale auf dem Schrottplatz, Erwähnung und Verwendung. Das heißt, es wird nicht nur beschrieben, wie Justus die genannten Teile zusammenbastelt, sie erweisen sich als wichtige Elemente in dieser Geschichte und sind auch im weiteren Verlauf der Reihe immer wieder gern verwendete Utensilien der drei Fragezeichen. Die Story ist der erste Versuch Arthurs, einen two-in-one-Fall zu etablieren. Einerseits Peter auf der Suche nach einer verschwundenen Katze, andererseits Just und Bob beim „Hauptfall“. Man kann sich bereits denken, dass beide Stränge irgendwann zusammenlaufen – das geschieht tatsächlich sogar sehr schnell.

Flott geschriebene und leicht zu lesende 142 bzw. 176 (dtv) Seiten mit relativ großem Schriftbild machen die flüsternde Mumie zu einem recht kurzen Vergnügen. Zu kurz und hastig für meinen Geschmack, man hätte den Leser ruhig noch etwas mehr zappeln lassen können. Aus dem Mystery-Element der Mumie – samt dem sie umwabernden Fluch – und Peters Parallelaktionen wäre noch mehr heraus zu holen gewesen, stattdessen geriert der Plot alsbald als wilde Hatz nach der gemopsten Leiche und ihrem Sarkophag quer durch Los Angeles. Trotz der gelegentlichen Fingerzeige „Hitchcocks“ kommt man auf die endgültige Lösung wohl kaum selbst, dazu enthält Robert Arthur der Leserschaft zu viele wichtige Informationen vor. Die letzten Puzzlesteinchen des Warum fallen erst beim obligatorischen Finale an ihren Platz – hauptsächlich durch ein (zu) rasches, umfassendes Geständnis und weniger durch detektivische Kombinationsgabe.

_Fazit_
War das Erzähltempo durchweg von einer gewissen Hektik geprägt, kommt der Schluss ziemlich abrupt. Logisch nachvollziehbar ist die Story aber, wenn auch der Grund für das Flüstern etwas arg konstruiert wirkt. Der sonst so schätzenswerte, subtile Pädagogik-Faktor innerhalb der Serie kommt hier ebenfalls ungewöhnlich kurz. Verschenktes Potenzial zugunsten von mehr Action. Dabei hätte die interessante Thematik bestimmt mehr hergegeben als verzweifelte Verfolgungsjagden, was ihr einen Touch Unausgewogenheit verleiht. Somit zählt die flüsternde Mumie unterm Strich, trotz ihres sicher nicht gänzlich unverdienten Klassiker-Status, nicht unbedingt zu meinen persönlichen Top-Favoriten. Weder als Roman, noch als Hörspiel. Nichtsdestoweniger ist die solide Geschichte auch kein Totalausfall, sondern reiht sich im durchaus akzeptablen Mittelfeld ein. Wie alle „alten“ Fälle eignet sich auch dieses Buch uneingeschränkt für (Quer-)Einsteiger.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Originaltitel: „Alfred Hitchcock and the Three Investigators in the Mystery of the Whispering Mummy“
Erzählt von Robert Arthur
Erstveröffentlichung: 1965 / Random House, NY
Deutsche Ausgabe: 1970 / Franckh-Kosmos, Stuttgart
Übersetzung: Leonore Puschert
Seiten: 142 / 176
Von verschiedenen Verlagen in unterschiedlichen Bindungen erhältlich
ISBN: 3-423-07022-6 (dtv-TB)
ISBN: 3-440-05207-9 (Originalausgabe)

Arthur, Robert / Hitchcock, Alfred – Die drei ??? und der Super-Papagei

Der Super-Papagei hat in Deutschland einen Sonderstatus innerhalb der Serie, denn mit ihm begann der Siegeszug. Das bedarf einer kurzen Erklärung. Einem breiteren Publikum bekannt wurden die Fragezeichen erst 1979 über die Hörspiele aus den EUROPA-Studios, die ersten Bücher erschienen bereits Anfang der Siebziger und fristeten bis dahin ein ziemliches Schattendasein. Bei EUROPA wurde der eigentlich erste Roman „… und das Gespensterschloss“ von 1964 zurückgestellt und dafür „… und der Super-Papagei“ (aus dem gleichen Jahr) stattdessen als Pilot vertont. Das Gespensterschloss rutschte auf Platz 11 und fürderhin galt der Papagei – nach dem durchschlagenden Erfolg der Hörspielserie – auch bei den Büchern als Auftaktgeschichte. Zumindest in Deutschland. Wenngleich es chronologisch falsch ist, hält sich diese Annahme bei manchen bis heute. Ebenso wie die Autorenschaft von Hitchcock, tatsächlich wurde die Serie von Robert Arthur ins Leben gerufen, der sich auch noch für den Super-Papagei verantwortlich zeigt.

Alfred Hitchcock hat eigentlich nichts weiter mit den „Three Investigators“ (so der amerikanische Originaltitel der Reihe) zu tun. Er stiftete unter Lizenz lediglich seinen zugkräftigen Namen und tritt als Moderator in den alten Geschichten auf, später ließ aber auch das nach. Die drei Fragezeichen sind ein flügger Selbstläufer geworden, man brauchte das markttechnische Tuning nicht mehr. Jene Lizenz ist nun Anfang des Jahres 2005 pünktlich zum 25. Jubiläum der Serie in Deutschland sowieso endgültig ausgelaufen. Fürderhin werden Printausgaben und Hörspiele ohne sein Konterfei und Namen im Titel erscheinen. Das Nostalgikerherz blutet ein wenig, doch im Grunde genommen ist dies kein wirklicher Verlust oder gar Rückschlag. Man hatte sich als Fan nur daran gewöhnt, Altmeister Hitchcock mit der Serie in Verbindung zu bringen. Nicht mehr, nicht weniger.

Doch wer sind die drei Detektive? Die amerikanischen Schuljungs Justus, Peter und Bob lösen ihre kniffligen und mysteriösen Fälle zumeist von ihrer Zentrale – einem alten, versteckten Campingwagen – auf dem Schrottplatz von Justus‘ Onkel Titus aus. Auch und gerade solche, welche der Polizei manchmal zu banal erscheinen. Hier und da stößt die Jugenddetektei auch durch puren Zufall auf Rätsel und Abenteuer, falls sie nicht von ihrem Impressario Hitchcock oder einem anderen potenziellen Klienten an sie herangetragen werden. „Wir übernehmen jeden Fall“ ist das Credo der drei Schnüffelnasen, das neben dem ???-Logo auf der berühmten Visitenkarte der drei prangt. Die Fragezeichen – ein verschiedenfarbiges für jeden – stehen nicht etwa für Selbstzweifel, sondern für ungelöste Geheimnisse und Rätsel aller Art. Diesen Umstand müssen sie, als Running Gag, mindestens einmal pro Fall den oft skeptischen Erwachsenen erklären.

Sollte die Visitenkarte nicht den gewünschten Effekt bringen, das Gegenüber zu überzeugen, dass die Drei es faustdick hinter den Löffeln haben, verfügen sie noch über einen Ausweis der Polizeidirektion von Rocky Beach, der sie zu „offiziellen, ehrenamtlichen Junior-Mitarbeitern“ erhebt. Diesen haben sie aufgrund ihrer zurückliegenden, oft erfolgreichen, Zusammenarbeit mit den Cops von der Behörde erhalten. Den Ausweis drücken sie gerne jedem in die Hand, der ihre Fähigkeiten wegen ihres Alters in Zweifel zieht. Nicht selten münden die Ermittlungen der Jungs nämlich darin, dass der ihnen wohlgesonnene Hauptkommissar Reynolds tätig werden muss, weil sich ein anfangs harmlos anmutender Fall dann doch als „richtiges“ Verbrechen erweist. Morde sind aber nie aufzuklären, man beschränkt sich darauf, die Jugendserie „sauber“ zu halten und auf weniger kapitale Verbrechen, z. B. Diebstahl, Fälschung, Entführung, Betrug etc. als maximum crime zu setzen.

_Zur Story_
Mr. Malcolm Fentriss ist sein Papagei Lucullus abhanden gekommen, den er erst kürzlich von einem mexikanischen Hausierer erstanden hat. Da sich die Polizei wenig kooperativ zeigt und davon ausgeht, dass sein gefiederter Hausgenosse ganz einfach entflogen ist, wendet sich Mr. Fentriss an seinen Freund Alfred Hitchcock, ob dieser nicht eine gute Detektei empfehlen könne. Kann er. Natürlich schickt Hitchcock die drei Fragezeichen auf die Fährte des ausgesprochen sprachbegabten Flatterviehs. Doch zunächst müssen Just und Peter das Haus des neuen Klienten besuchen, um näheres zu erfahren. Ein Hilferuf daraus alarmiert die Jungs, als sie sich dem Gebäude nähern. Ein unfreundlicher, dicker Mann in Fentriss‘ Haus, der sich als der Eigentümer ausgibt, behauptet, das wäre der wiedergekehrte Papagei gewesen. Es gäbe keinen Fall zu lösen. Vielen Dank und Tschüss!

Natürlich war das nicht Mr. Fentriss, den finden Justus und Peter kurz darauf gefesselt in seinem Haus, nachdem sie misstrauisch geworden waren und noch einmal zurückkehrten. Der Befreite erzählt ihnen die ganze Geschichte und auch, dass der Papagei keinesfalls ausgebüxt sein kann. Einleuchtend, denn kein Papagei würde gleich seinen Käfig mitnehmen. Doch vor allem was „Lucky“ so auszeichnete, klingt für Justus hochinteressant. Er hat einen sehr höchst rätselhaften Spruch auf der Pfanne. Damit ist Lucullus nicht der Einzige. Mrs. Waggoner – eine Nachbarin von Mr. Fentriss – hat vom gleichen Hausierer einen gelbköpfigen Papagei gekauft. „Schneewittchen“ gibt auch seltsam Verdrehtes zum Besten – und ebenso wie schon Lucullus ist Schneewitchen gestohlen worden, wie Justus und Peter wenig später durch Zufall erfahren. Und wieder wurden der dicke Mann und sein markantes Auto in der Nähe des Tatorts gesehen.

Als wären zwei solcher schrägen und geheimnisvollen Vögel nicht schon genug, stellt sich heraus, dass es insgesamt sieben davon gibt, hinter denen nicht nur der undurchsichtige Mr. Claudius (so heißt der Dicke), sondern auch der spätere Erzrivale der Satzzeichen – Victor Hugenay – her sind wie der Teufel hinter armen Seelen. Vor allem Monsieur Hugenay, der Gentleman-Kunstdieb aus Frankreich, ist eine verdammt harte und clevere Nuss. Doch wie passt er ins Bild? Skinny Norris, der Dauergegenspieler der drei Detektive, schmeißt ihnen auch noch Steine in den Weg, was die wilde Jagd nach dem Federviechern zum Kippen zu bringen droht. Wem wird es zuerst gelingen die Papageien zu finden und die Rätselsprüche von Lucullus, Schneewittchen, Robin Hood, Blackbeard, Käpt’n Kidd, Sherlock Holmes und Al Capone zu knacken? Besonders der unscheinbare Blackbeard scheint der unverzichtbare Schlüssel zum kniffligen Fall zu werden. Obwohl er optisch nicht viel hermacht, ist er nämlich: der Super-Papagei.

_Meinung_
Die Entscheidung, den Roman „… und der Super-Papagei“ als Auftakt zur Hörspielserie zu verwenden, war eine sehr gute von EUROPA. Und eine mit Spätfolgen. Man hatte sich eine Vorlage herausgepickt, die voller Stammfiguren steckt, mit welchen die drei Detektive auch später immer wieder zu tun bekommen werden. Der verhasste Erzrivale Skinny Norris, Superschurke Hugenay (gesprochen: „Üschänee“) oder Chauffeur Norton, der den (gelegentlich zur Verfügung gestellten) Rolls Royce der drei Fragezeichen lenkt. Alles ziemlich feste Größen im späteren Verlauf der Reihe. Nicht zu vergessen Blackbeard – genannt „Blacky“ -, der ab dieser Story dauerhaft in Justus‘, Peters und Bobs Zentrale einzieht. Als ihr gefiedertes Maskottchen. Kein Wunder also, dass auch der Buchtitel fälschlicherweise gemeinhin als „Teil 1“ gilt.

Besonders attraktiv für Jugendliche ist sicher das Konzept, dass drei Schuljungs in der Erwachsenenwelt bestehen und diese von ihren detektivischen Fähigkeiten überzeugen können. Wer hätte sich als Kind bzw. Teenie nicht gewünscht, wenigstens etwas mehr Gehör zu finden? Oder auch geheimnisvolle Rätsel zu lösen vermocht? Die drei Fragezeichen bestehen solche Abenteuer und dabei symbolisieren sie, dass frisches Denken und gute Bildung im Verbund mit Teamwork zum Erfolg führen. Teamwork ist ein gutes Stichwort. Fallen viele der Fälle in „the one and only Justus-Superstar“-Manier aus, dienen Peter und Bob endlich mal wieder nicht nur als reine Statisten, sondern liefern der Leserschaft äußerst wichtige Informationen, die selbst das unumstrittene Mastermind der Fragezeichen nicht kennt. Bei der Lösung des Falles ist zudem diesmal eine große Portion Glück mit im Spiel und nicht nur fleißige Detektivarbeit.

Der Superpapagei ist auch wieder eine Geschichte, bei der man eine Menge nebenher lernen kann. Nicht nur den Gebrauch des eigenen Verstandes, um des Rätsels Lösung auf eigene Faust zu knacken, wie es bei jedem Fall der drei Detektive stets gedacht und erwünscht ist. Gemeint sind vielmehr die Papageien (wie man ihren Namen bereits ersehen kann), die dem Autor als Transportmittel dazu dienen, durch ihre verbogenen Zitate auch andere berühmte Gestalten der Literatur und aus realen Geschichte dem Leser etwas näher zu bringen. Diesen vielleicht sogar neugierig zu machen, über die einzelnen Figuren, welche die Papageien verkörpern, selbst etwas mehr zu lesen. Ein geschickter Schachzug, ein paar pädagogisch und didaktisch wertvolle Informationen in Punkto Allgemeinwissen derart einzuflechten.

Besonders angetan hat es Robert Arthur offensichtlich Robert Louis Stevenson und seine „Schatzinsel“. Leider ist Übersetzerin Leonore Puschert das wohl nicht ganz aufgegangen, als sie „Long John Silver“ (ein feststehender Eigenname) mit „dem langen John Silver“ übersetzte. Dies ist aber die einzige Übersetzungsmacke, die auffällig wurde und soweit ich weiß, ist sie in späteren Auflagen ausgebügelt worden. Sieht man von der Änderung des Titels an sich mal ab, denn eigentlich müsste das Buch „… und der stammelnde Papagei“ heißen. Okay, „Super-Papagei“ klingt zweifellos interessanter und ist so falsch nun nicht. Der Schreibstil ist locker, mutet aber in seiner Wortwahl ein wenig antiquiert an. Das tut der Geschichte aber keinen Abbruch, im Gegenteil. Irgendwie gehört diese Schreibweise zu den drei Fragezeichen.

Geübte Leseratten rauschen in knapp zweieinhalb bis drei Stunden durch die fast 200 Seiten. Somit ist das Buch eines der längeren der Serie. Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass die Figuren schärfer konturiert sind als bei manch anderem Vertreter der Reihe. Fehlen darf selbstverständlich nicht, dass „Alfred Hitchcock“ mit seinen gelegentlichen, augenzwinkernden Zwischenkommentaren, die vielleicht nicht ganz so akribisch mitdenkenden Leser immer wieder in die richtige Bahn lenkt und Denkanstöße liefert. Aber auch das hilft nicht, den Fall selbst klären zu können, geschweige denn das verzwickte Rätsel zu lösen. Arthur gibt als „Hitchcock“ zwar subtile Hinweise, der Showdown gerät dann doch sehr unerwartet und spannend bis zur letzten Seite. Außerdem dürfen die Protagonisten am Ende noch beweisen, dass sie das Herz auf den rechten Fleck haben. Warum? Das sei hier aufgrund des Spannungserhalts nicht verraten.

_Fazit_
Es wäre ganz bestimmt ein würdiges Buch zur Vorstellung der Serie gewesen, keine Frage. Es verkörpert wie kaum ein zweites das Flair und die Tugenden, welche Leser – ob jung oder alt – seit Jahrzehnten so sehr schätzen. Es ist alles da, was eine gute Abenteuergeschichte ausmacht: Ein „richtiges“ Verbrechen, ein exzellent durchdachtes und logisch aufgebautes Rätsel, eine Portion Mystery und zu guter Letzt ein Friedhof im Nebel mit abschließendem Happy-End. Lesefaulen sei an dieser Stelle das Hörspiel in der 2004er-Neuauflage ans Herz gelegt, welches schon ziemlich nah an die Vorlage herankommt. Im Gegensatz zur „alten“ Version von 1979 jedenfalls, auch wenn einige wichtige Nebenhandlungen auch hier fehlen bzw. stark angepasst wurden. Alles in allem ist dieser Fall ganz besonders für Neueinsteiger dringend zu empfehlen, auch wenn das „Gespensterschloss“ der allererste Fall der drei Fragezeichen ist.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_
Originaltitel: „Alfred Hitchcock and the Three Investigators in the Mystery of the Stuttering Parrot“
Erzählt von Robert Arthur
Erstveröffentlichung: 1964 / Random House, NY
Deutsche Ausgabe: 1972 / Franckh-Kosmos, Stuttgart
Zugrunde liegende Ausgabe: Taschenbuchausgabe 1978 / dtv
Übersetzung: Leonore Puschert
Seiten: 186
Von verschiedenen Verlagen in unterschiedlichen Bindungen erhältlich
ISBN: 3-423-07316-0 (TB / dtv)