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Buchwurm, seit ich lesen kann :-)

Heitz, Markus – Zwerge, Die

Zwerge – für viele sind das nur die lustigen Gefährten mit den roten Zipfelmützen, die manch einer zu Dutzenden in seinem Vorgärten zu stehen hat, um dadurch zum Gesprächsthema der gesamten Straße zu werden. Ganz anders stellen sich diese kurzgewachsenen Gefährten üblicherweise im Fantasy-Genre dar. Überzeugte der bärtige Gimli bei Tolkien noch durch seine Freundschaft zu dem einst verhassten Elb, durch seine bärbeißige Art und seine geschickt geschwungene Axt, so zeichnet Markus Heitz in seiner Zwergen-Reihe Charaktere, die ihresgleichen suchen!

_Zwerge gegen den Rest der Welt_

Das Böse hat das Geborgene Land erobert. Der Magier Nudin ruft die anderen mächtigen Magi und Magae zu sich, um ein altes Ritual durchzuführen. Was die anderen jedoch nicht wissen: Ein hinterhältiges Wesen ist in Nudin eingefahren, das ihn verändert, ihn mächtiger und böser werden lässt. Nudin hat sich zu Nôd’onn gewandelt und will die anderen Magier vernichten. Er entzieht ihnen bei dem Ritual alle Magie und tötet sie. Anschließend widmet er sich auch den Magierschülern, doch eine Maga überlebt – gerettet von ihrem treuen Diener.

In einer anderen Geschichte lernen wir den Zwerg Tungdil kennen, der bei den Menschen aufgewachsen ist. Er lebt bei dem Magus Lot-Ionan und hat bei den Menschen echte Freunde gefunden, doch auch Feinde. So kommt es eines Tages zum Streit mit einem Menschen. Wichtige Zauberformeln werden dabei zerstört und Lot-Ionan schickt Tungdil daraufhin auf eine lange Reise. Im Herzen weiß er, dass der Zwerg unschuldig war und möchte ihm mit dieser Reise auch die Gelegenheit geben, andere Zwerge kennen zu lernen und das geborgene Land zu sehen.

Unterwegs erlebt Tungdil allerlei Abenteuer, spannend wird es allerdings erst, als er die Zwergenzwillinge Boëndal und Boïndil kennenlernt. Die beiden sind auf der Suche nach einem geeigneten Thronfolger für die Zwerge. Der Großkönig ist alt geworden und sieht seinen letzten Tagen entgegen, doch der einzige Thronanwärter – Gandogar – ist auf Krieg mit den Elben aus, was einige tapfere Zwerge wie Balendilín verhindern wollen. Also hat er die beiden Brüder ausgeschickt, um Tungdil aufzugreifen. Doch bevor Tungdil als Thronfolger anerkannt wird, stehen ihm und seinem Widersacher Gandogar einige Prüfungen ins Haus, in denen sich der echte Thronfolger beweisen muss. Es steht zwei zu zwei, als die letzte Aufgabe gezogen wird – eine, die Tungdil sich erdacht hat. Auf seinen Reisen hat er erlebt, wie das Tote Land Einzug in das Geborgene Land genommen hat. Er weiß von Nôd’onns Verrat und kennt einen Weg, ihn zu zerstören: Eine Feuerklinge muss geschmiedet und gegen den bösen Magus gerichtet werden. Und so besteht die letzte und entscheidende Aufgabe der Thronanwärter darin, sich auf eine lange und gefährliche Reise zu begeben, um die Feuerklinge zu schmieden und den bösen Magier zu vernichten.

Um diese Aufgaben zu erfüllen, darf jeder der beiden Zwerge sich eine kleine Reisegruppe zusammenstellen. Tungdil nimmt selbstverständlich die beiden Brüder Boëndal und Boïndil mit, die ihm bereits mehrfach das Leben gerettet haben, außerdem entscheidet er sich für den ständig betrunkenen Steinmetz Bavragar und den ängstlichen Edelsteinschleifer Goïmgar, der permanent im Clinch mit der Reisegruppe liegt, da er sich an Kämpfen nicht beteiligt und offen zum Ausdruck bringt, dass er einzig Gandogar unterstützt und ihm Tungdil verhasst ist. Unterwegs sammeln sie noch einige weitere Gefährten auf, und Boïndil erhält viele Gelegenheiten, sich ins Schlachtgetümmel zu stürzen. Denn es steht schlecht um das Geborgene Land, das Böse breitet sich immer schneller aus, und die Zwergengruppe ist die einzige Hoffnung …

_Zwerge sind cool_

Bislang hielt ich Zwerge für eher komische Wesen, die für mich wenig Reiz besaßen. Für mich waren das einfach nur die bärtigen Wesen, die sich am liebsten in unterirdischen Höhlen aufhalten. Doch Markus Heitz spendiert den Zwergen ganz neue Facetten. Natürlich halten sich auch seine Zwerge am liebsten unterirdisch auf – auch wenn sie sich nicht gerne als Unterirdische bezeichnen lassen. Heitz verleiht nicht nur allen Bevölkerungsgruppen Charakteristika, sondern auch jeder einzelnen Figur und vor allem jedem einzelnen Zwerg. Bei ihm teilen sich die Zwerge in fünf Gruppen, die alle unterschiedliche Talente haben: Die einen können gut schmieden, die anderen gut Diamanten schleifen und die dritten kämpfen, und zwar am liebsten gegen ihre Artgenossen. Natürlich mögen die Zwerge keine spitzohrigen Elben, manche würden sogar am liebsten in den Krieg gegen die Elben ziehen. Die Elben bleiben ein wenig blass im Buch, da sie nur ganz am Rande auftauchen, viel interessanter sind da schon die Alben, die schwarzäugigen bösen Elben, die den Zwergen an die Wäsche wollen. Alben sind durch und durch böse und unterscheiden sich vor allem durch ihre schwarzen Augen von normalen Elben. Daneben tauchen natürlich die anderen bekannten Bevölkerungsgruppen auf: Orks und Oger, Menschen und Magier, Gnome und ein paar andere, die tapfer für das Böse in die Schlacht ziehen.

Was das Buch ausmacht, sind die ausgefeilten Charakterzeichnungen. Bei Markus Heitz ist jeder Zwerg individuell. Tungdil ist bei den Menschen aufgewachsen und kennt Zwerge nur aus den Büchern. Dementsprechend belesen ist er auch und wird daher gerne als der Gelehrte tituliert. Er ist schüchtern gegenüber Zwergenfrauen, da er sie erst spät kennenlernt, er muss das Kämpfen noch lernen, aber Schmieden kann er wie ein echter Zwerg – was er ja auch ist. Boïndil ist hitzköpfig und braucht regelmäßig Schlachten gegen Orks, sonst wird er unausstehlich. Er liebt das Schlachtengetümmel und meidet nicht einmal die auswegloseste Situation. Ganz anders dagegen sein Bruder Boëndal, der deutlich besonnener und freundlicher ist. Er versucht stets, seinen Bruder im Zaum zu halten und zu vermitteln. Mit am besten gefallen hat mir der ewig betrunkene Bavragar. Einst war er der beste Steinmetz der Zwerge, er hat bislang unübertroffene Kunstwerke geschaffen, doch dann ist er dem Alkohol verfallen. Seine Hände zittern und er schafft es nicht mehr, sein Handwerk auszuüben. Dafür hat er stets ein Liedchen auf den Lippen und genießt sein Leben in vollen Zügen. Nur beim Zwergenvolk ist er nicht mehr glücklich, da sein Schicksal dort zu öffentlich ist. Er wünscht sich, sein Lebenswerk zu krönen und dann nicht mehr zu den Zwergen zurückzukehren. Alle diese Figuren gestaltet Markus Heitz gekonnt aus; wir lernen die Zwerge und ihre Eigenarten immer besser kennen, bis sie zu wahren Freunden werden. Was Heitz hier schafft, ist wahrlich meisterhaft.

_Kommt Zeit, kommt Spannung_

Zu Beginn lässt Markus Heitz sich viel Zeit, um die Figuren vorzustellen und in die Geschichte einzuleiten. Er stellt erst ausführlich die handelnden Figuren vor, beschreibt die Situation und versetzt uns in seine Welt. Das dauert mitunter schon recht lange, ohne dass die Geschichte ins Rollen kommt. Die ersten knapp 200 Seiten ziehen sich daher ein wenig hin, was ich aber mehr als verzeihlich finde in Anbetracht dessen, was man dafür später geboten bekommt, und angesichts der Tatsache, dass er mit diesem Buch in seine Zwergenreihe einleitet. Der Spannungsbogen setzt demnach später an, ist dann aber durchaus gelungen. Die Situation für Tungdils Reisegruppe wird immer gefährlicher und auswegloser, sodass man immer mehr mit ihr mitfiebert. Je länger man liest, umso mehr versinkt man in der Welt der Zwerge und umso schwieriger ist es, das Buch noch aus der Hand zu legen.

Gleichzeitig schafft Markus Heitz es, die Landschaften und Situationen dermaßen plastisch zu beschreiben, dass sie uns direkt vor Augen stehen. Dies macht er aber, ohne zu langweilen. Nie hatte ich das Gefühl, dass ich über eine Landschaft, über eine Höhle oder eine Stadt zu viel erfahre, er streut seine Beschreibungen so geschickt in die Geschichte ein, dass es ein stimmiges Ganzes wird, das fasziniert. In diesem Buch kann man vollkommen versinken, wenn man sich erst einmal auf die Geschichte einlässt.

_Die erste Schlacht der Zwerge_

Insgesamt ist das vorliegende Buch mehr als gelungen. Wer die ersten 200 Seiten übersteht und sich durch die lange Einleitung „hangelt“, dem bietet Markus Heitz viel: faszinierende Charaktere, spannende Schlachten, böse Gestalten, viele Intrigen und bildhafte Beschreibungen. „Die Zwerge“ machen Lust auf mehr und verleiten definitiv dazu, gleich zum nächsten Buch zu greifen, um zu erfahren, wie es mit unseren zwergischen Helden weitergeht!

|635 Seiten, kartoniert
überarbeitete Neuausgabe
ISBN-13: 978-3-492-70076-4|
http://www.piper-verlag.de

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http://www.zwergenreich.at
http://www.geborgene-land.de

_Markus Heitz auf |Buchwurm.info|:_

[Interview mit Markus Heitz]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=56
[„Ritus“ 2351 (Buch)
[„Ritus“ 3245 (Hörbuch)
[„Sanctum“ 2875 (Buch)
[„Sanctum“ 4143 (Hörbuch)
[„Die Mächte des Feuers“ 4655 (Lesung)
[„Die Mächte des Feuers“ 2997
[„Kinder des Judas“ 4306
[„Die Zwerge“ 2823
[„Die Zwerge“ 2941 (Hörbuch)
[„Die Rache der Zwerge“ 1958
[„Der Krieg der Zwerge“ 3074
[„Schatten über Ulldart“ 381 (Die Dunkle Zeit 1)
[„Trügerischer Friede“ 1732 (Ulldart – Zeit des Neuen 1)
[„05:58“ 1056 (Shadowrun)
[„Die dritte Expedition“ 2098

Hesse, Andree – Schwester im Jenseits, Die

Andree Hesse hat sich in Deutschland zunächst einen Namen als Übersetzer gemacht, doch gleich sein erster eigener Kriminalroman „Der Judaslohn“ ließ Kritikerherzen höher schlagen und brachte Hesse als Nachfolger Mankells ins Spiel. Hesses Krimiheld Arno Hennings hat einfach zu viele Ähnlichkeiten mit dem gebeutelten Kurt Wallander, als dass die Parallelen nicht auffielen, und auch in Hesses jüngstem Krimi „Die Schwester im Jenseits“ beweist er wiederum, dass er nicht nur sympathische Figuren zeichnen, sondern auch einen spannenden Krimi mit brisant politischem Hintergrund aufs Papier zaubern kann.

_Aus zwei Kriminalfällen mach‘ einen_

Es ist Neujahr in Celle, und der junge Kurde Mehmed Duman wartet auf einem Parkplatz auf seine weibliche Verabredung. Dass er zittert, liegt nicht nur an der eisigen Kälte in Norddeutschland, sondern auch an Mehmeds mulmigen Gefühlen, wenn er an seine Verabredung denkt. Doch die Frau taucht nicht auf, stattdessen trifft Mehmed eine tödliche Kugel. Als die Polizei Drogen in seinem Auto findet, fällt der Verdacht gleich auf das Drogenmilieu, denn Mehmed war erst kurz zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er wegen Drogenmissbrauchs eingesessen hatte.

Von all dem ahnt Arno Hennings noch nichts, als er auf dem Rückflug von Danzig nach Hamburg sitzt. Über Weihnachten hatte er seine Freundin Aglaja und den gemeinsamen Sohn Andrzej besucht. Die Stimmung während des Besuches war allerdings mehr als getrübt, die Beziehung zwischen Arno und Aglaja erweist sich als immer schwieriger und Arno glaubt auch nicht mehr an Aglajas Rückkehr nach Deutschland. Kaum trifft er wieder in Celle ein, wartet allerdings zunächst Ablenkung auf Hennings. Schon auf dem heimischen Bahnhof trifft er auf seinen Kollegen Karsten Müller, der ihm von dem toten Kurden berichtet.

Zunächst scheinen die Ermittlungen eindeutig, doch je weiter die Polizisten in den Fall eintauchen, umso verwirrender wird er. Kurz darauf greifen einige Rechtsradikale zwei yezidische Kurden an. Aus dem Angriff wird schnell eine Massenschlägerei, bei der Arno Hennings unter Einsatz seines eigenen Lebens das eines Kurden retten kann. Und wo immer Hennings ermittelt, wohin auch immer er geht, eine Frau taucht immer wieder auf – Ronahi Duman, die Schwester des Toten, von der Arno Hennings auf den ersten Blick fasziniert ist.

Bevor die Polizisten der Lösung des Falls näherkommen, wird die Celler Kripo vom Fall abgezogen. Als kurz darauf der angesehene Chirurg Dr. El Tahir verschwindet und Arno wieder an einem Fall ermittelt, findet er schnell einige Parallelen zwischen den beiden Ereignissen und muss erkennen, dass die jungen Kurden beide Male der Schlüssel zur Lösung sind …

_Kein guter Start ins neue Jahr_

Das Jahr ist noch jung, als die Celler Polizisten in einem neuen Fall ermitteln müssen. Zunächst ist alles klar, Drogenhändler haben sich an Mehmed Duman gerächt. Aber natürlich ist bei Andree Hesse nichts so, wie es auf den ersten Blick scheint. Das erkennt auch bald Arno Hennings, der sich in die Arbeit stürzt, um nicht über seine gescheiterte Beziehung zu Aglaja nachdenken zu müssen. Kaum ist er nämlich wieder in Celle angekommen, erreicht ihn ein Anruf aus Danzig, bei dem Aglaja ihm mitteilt, dass sie sich in einen Autohändler verliebt hat und nicht gedenkt, jemals wieder zurück nach Deutschland zu kommen. Arno hatte es befürchtet, doch offen ausgesprochen, trifft ihn die Wahrheit wie ein Messerstich mitten in die Brust. Sein einziger Trost in dieser Situation ist seine geliebte Hündin Basta, die er nach seinem Besuch in Danzig endlich wieder bei seinem Cousin abholen kann.

Bei Arno bricht einiges zusammen; die Frau seines Cousins vertraut ihm an, dass sie gedenkt, ihren Mann zu verlassen, weil sie nicht mehr an ihre Ehe glaubt, und auch auf eine alte Bekannte trifft Hennings wieder, nämlich auf Emma Fuller, die er bei früheren Ermittlungen kennengelernt hat, die wir ihn „Der Judaslohn“ nachlesen können. Die aktuellen Ermittlungen führen Hennings zu einem ehemaligen Soldaten, zu dem er mit Emmas Hilfe Kontakt herstellen will. Emma ist einsam und hat von Arnos Problemen mit Aglaja gehört. Als sie versucht, sich an Hennings heranzumachen, weist dieser sie allerdings brüsk zurück, was ihm im Nachhinein schon wieder leid tut, doch bei Arno Henning ist zurzeit einfach der Wurm drin.

Ähnlich gebeutelt scheint er uns wie unser aller Freund Kurt Wallander. Die Ähnlichkeiten setzen sich fort, denn auch Arno ist nun ein verlassener Mann, der seinem Kind hinterhertrauert, zu dem er kaum Kontakt haben kann. Er ist einsam, aber auch etwas kauzig, sodass andere Menschen es nicht leicht haben, sich ihm überhaupt zu nähern. Andree Hesse gibt seinem Krimihelden Arno Hennings immer mehr Profil, er baut sein Leben immer mehr aus, sodass er zu einem festen Bestandteil dieser Krimireihe geworden ist. Alle anderen Figuren verblassen neben Arno Hennings, sodass ich jetzt kaum etwas über seine Kollegen sagen könnte. Das finde ich schon etwas schade, denn zu sehr sollte man ein Buch oder eine ganze Reihe nicht auf einer einzigen Figur aufbauen.

_Heiße Kämpfe bei eisigen Temperaturen_

Eine Stärke von Andree Hesse ist ganz klar seine Fähigkeit, einen spannenden und komplexen Plot zu konstruieren. Seine Geschichte beginnt im Jahr 1987 im Irak, wo wir die kleine Nasira kennen lernen. Ihren Vater hat sie bereits verloren, doch nun haben Soldaten ihr Dorf überfallen und erschießen vor ihren Augen auch noch die geliebte Mutter. Mit ihrem Onkel und den anderen Dorfbewohnern flieht Nasira vor den feindlichen Soldaten, aber die Flucht ist schwer und fordert weitere Opfer. Die Menschen haben wenig zu essen und zu trinken, und Nasiras Tante bekommt mitten auf der Flucht auch noch ein Baby. Außerdem muss Nasira die meiste Zeit ihre kleine Schwester tragen, die selbst noch zu klein ist, um die Strapazen des Weges zu ertragen. Immer wieder schaltet Hesse zurück zu Nasira, die zu einer kurdischen Freiheitskämpferin wird. Es ist ganz klar, dass in ihrer Person die Lösung des Falles liegt, doch was Nasira mit den Kriminalfällen in Celle zu tun hat, erfahren wir natürlich erst ganz zum Schluss.

Hesse hat sich wieder einige brisante Themen für seine Geschichte herausgepickt. So schreibt er nicht nur über die Kriegsgräuel und die Flucht der Kurden im Irak, sondern er thematisiert auch den Fremdenhass und die Probleme der Kurden in Deutschland. Aber auch generell die Einwanderungsproblematik diskutiert Hesse, nämlich in der Person El Tahirs, der angeblich aus dem Libanon stammt. Das allerdings ist extrem praktisch, denn Flüchtlinge aus dem Libanon werden nicht abgeschoben, da sie von ihrem Land nicht wieder aufgenommen werden. Kommt El Tahir also gar nicht aus dem Libanon? Aber wer ist er wirklich? Und was hat ihn veranlasst, aus seiner Heimat zu fliehen und in einer kleinen Stadt in Norddeutschland ein neues Leben aufzubauen? Genau diese Frage wird zum Dreh- und Angelpunkt der Geschichte.

Wie Andree Hesse uns seine Lösung präsentiert, ist absolut gelungen. Zwar ist er nicht gerade ein Meister des Spannungsbogens, aber seine Konstruktionen überzeugen dennoch. Vielleicht mögen es am Ende zu viele Zufälle sein, die die beiden Fälle in Celle miteinander verbinden, aber das verzeiht man Hesse dann schnell. Von selbst wird man als Leser wohl nicht auf die Lösung kommen, doch hält Hesse uns bei der Stange, indem er immer neue Informationen einstreut, die uns allerdings mehr verwirren als Klarheit zu schaffen.

Etwas Entwicklungspotenzial sehe ich noch im Spannungsaufbau, denn obwohl das Buch gut zu lesen ist und mich auch sehr schnell interessiert hat, wird die Handlung erst zum Schluss hin so packend, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. Hesse versucht es mit einigen Cliffhangern, wie auch sein schwedisches Vorbild Mankell es immer wieder praktiziert hat, doch überzeugen diese bei Hesse nicht. Oft genug erkennt Arno Hennings nämlich, dass er etwas Entscheidendes übersehen hat, dass ihm eine Person bekannt vorkommt, er sie aber nicht zuordnen kann oder dass er das Gefühl hat, etwas Wichtiges übersehen zu haben (das kommt Mankell-Fans bekannt vor, nicht wahr?). Doch die Auflösung gibt es manchmal so gut wie gar nicht oder sie führt eher zu einem Stirnrunzeln. So findet er beispielsweise in einer Szene den Personalausweis einer wichtigen Zeugin und hat sofort ein Aha-Erlebnis. Und zwar hat Hennings auf den ersten Blick erkannt, dass sie nicht die Schwester ihres angeblichen Bruders sein kann, da nur wenige Monate zwischen ihren Geburtstagen liegen. Ehrlich gesagt fand ich es allerdings nicht schlüssig, dass Hennings sämtliche Geburtstage der handelnden Figuren sofort parat hat. Eine Kleinigkeit, über die man hinwegsehen kann, aber es sind mehrere solcher Szenen, die mitsamt dem verbesserungswürdigen Spannungsbogen den Gesamteindruck ein wenig trüben.

_Eine turbulente Woche geht zuende_

Nur eine Woche dauern die Ermittlungen an, dann ist die Lösung schon klar. Kaum zu glauben, wie viel in dieser kurzen Woche in Celle passiert ist. Aber obwohl die Polizei anfangs ziemlich im Dunkeln getappt ist, haben einige glückliche Zufälle dazu geführt, dass beide Kriminalfälle schnell aufgeklärt werden konnten. Andree Hesses dritter Kriminalroman rund um Arno Hennings gefällt gut, muss allerdings einige Abstriche in der B-Note hinnehmen. Hesses Versuche, die Spannung zu steigern, wirken manchmal etwas unbeholfen, dabei hat er es eigentlich kaum nötig, ungeschickte Cliffhanger einzubauen, da sein Plot wirklich gut gefällt. Thematisch und personell punktet Hesse, und auch sein Schreibstil gefällt gut, wobei er hier aber noch nicht mit Mankell gleichziehen kann. Hesses Bücher machen bei der Lektüre schon etwas „Arbeit“ und lesen sich nicht von alleine, wie es mir bei Mankell praktisch immer ergangen ist. Dennoch hat Andree Hesse mit seinem nunmehr dritten Arno-Hennings-Krimi bewiesen, dass er konstant gelungene Romane abliefert – Glückwunsch.

http://www.rowohlt.de/

_Andree Hesse auf |Buchwurm.info|:_
[„Der Judaslohn“ 1213
[„Das andere Blut“ 3044

Kalla, Daniel – Rage – Die Therapie

Bislang war Daniel Kalla bekannt für seine rasanten Bioterrorismus-Thriller „Pandemie“ und „Immun“, doch nun widmet er sich einem ganz neuem Thema, nämlich der Psychotherapie. Nachdem die beiden Bestsellerautoren Sebastian Fitzek und John Katzenbach damit überaus erfolgreich waren, erscheint dies fast logisch, doch ob Kalla an die Erfolge anderer Thrillerautoren anknüpfen kann, wollen wir uns erst einmal genauer ansehen …

_Reif für die Therapie_

Dr. Joel Ashman hat früher als Psychiater praktiziert, doch seit einiger Zeit arbeitet er als Profiler für die Polizei. Als sein ehemaliger Kollege und Partner Dr. Stanley Kolberg brutal ermordet aufgefunden wird, ist es Ashman, der an den Tatort gerufen wird, um dort die Spuren zu deuten und ein Täterprofil zu entwerfen. Getötet wurde Kolberg durch eine Kugel, die seinen Hals gestreift und dabei die Halsschlagader aufgerissen hat. Nur wenige Sekunden blieben Kolberg danach noch, doch posthum wurden ihm schlimmste Verletzungen zugefügt. Der Täter muss Kolberg gehasst haben. Und da der Psychiater sich auf Aggressionstherapie spezialisiert hatte, fällt der Verdacht gleich auf einen seiner Patienten. Doch wer kommt für diese schreckliche Tat in Frage? Neben Ashman versuchen die beiden ermittelnden Beamten – Ethan Devonshire, der von allen Dev genannt wird, und Claire Shepherd -, genau das herauszufinden.

Die Polizisten versuchen, an Kolbergs Patientenakten heranzukommen, doch das erweist sich schwieriger als gedacht. Nach und nach kristallisieren sich allerdings einige ehemalige Patienten heraus, die ein Motiv gehabt hätten, Kolberg umzubringen. Auch Kolbergs Partner Calvin Nichol verhält sich höchst verdächtig. Eines Abends taucht er bei Ashman auf und will ihn warnen, seine Nase nicht in höchst gefährliche Angelegenheiten zu stecken. Kurz darauf entkommt Ashman nur knapp einem Anschlag auf sein Leben. Was weiß er, das er nicht hätte wissen dürfen? Ashman tappt im Dunkeln und muss um sein Leben fürchten.

Nach und nach treten immer mehr Verdächtige auf den Plan. Ashman erinnert sich an den Fall Angela Connor, eine ehemalige Patientin von ihm, die nach einem Selbstmordversuch bei ihm in Behandlung war. Schlussendlich hat sie sich von einer Brücke gestürzt, und es ist offensichtlich, dass Ashman sich nach wie vor die Schuld an ihrem Tod gibt. Was aber hat der alte Fall Connor mit Kolbergs Tod zu tun? Gibt es hier eine Verbindung?

_Wer ist hier eigentlich krank?_

Daniel Kalla verliert in „Rage“ keine Zeit: Gleich zu Beginn betreten wir den grausigen Tatort, an dem Kolberg literweise Blut verloren hat. Wir lernen die Protagonisten kennen und erfahren, dass Kolberg und Ashman einst Partner gewesen sind. Umso schlimmer trifft es Ashman, seinen väterlichen Freund so aufzufinden. Aus den dürftigen Hinweisen versucht er, ein Täterprofil zu erstellen. Die Polizei befragt immer neue verdächtige Patienten, deren Namen sich kaum einprägen, weil es so viele sind. Alle haben ein Motiv, doch die meisten auch ein Alibi.

Gleichzeitig denkt Ashman immer häufiger an Angela Connor, die ihm einst in monatelanger Therapie ihr Herz geöffnet hat. In zahlreichen Rückblenden erfahren wir, was Ashman mit Angela Connor erlebt hat. Der Psychiater erinnert sich an sein erstes Zusammentreffen mit ihr, als sie versucht hatte, sich das Leben zu nehmen. Schnell erzählt sie ihm vom Missbrauch in ihrer Kindheit, doch lange braucht es, bis sie ihm anvertraut, was sie in der Therapie bei Kolberg erlebt hat. Nur Andeutungen sind es, die sie zunächst fallen lässt, doch Ashman kann kaum glauben, was er von ihr erfährt. Die Polizei ahnt nichts von Ashmans Gedanken und sie weiß auch nichts vom Fall Angela Connor. Als sie aber herausfindet, dass es Beschwerden beim Gesundheitsamt über Stanley Kolberg gegeben hat, fällt auch Angelas Name, und ihr Bruder rückt plötzlich ins Zentrum der polizeilichen Ermittlungen.

Um Angela Connor drehen sich viele Passagen des Buches, und hier baut Kalla immer mehr Spannung auf, da man einfach wissen will, wie Angela ums Leben gekommen ist und was sie bei Kolberg erlebt hat. Der hatte nämlich einige Leichen im Keller, wie die Autopsie schließlich ans Tageslicht gebracht hat: Sein Leichnam weist zahlreiche Spuren auf, die auf regelmäßige SM-Aktivitäten hindeuten. Nach und nach erfahren wir, was Kolberg in seinem Leben getrieben hat und bleiben sprachlos zurück. Nur leider geht Kalla meiner Meinung nach einen Schritt zu weit: Die Geschichte, die er hier zeichnet, baut sich zunächst schlüssig auf, doch ab einem gewissen Punkt erscheint sie mir zu unglaubwürdig. Schade, denn bis zu diesem Zeitpunkt war der Spannungsbogen durchaus gelungen.

Recht früh wird darüber hinaus klar, was hier gespielt wurde, und die einzige Frage, die noch zu klären ist, ist die nach dem Mörder Kolbergs. Aber auch hier gibt uns Kalla genügend Hinweise, um frühzeitig den wahren Täter zu entlarven. Überraschungen gibt es daher gen Ende keine mehr, sodass das große Finale etwas verpufft – schade eigentlich.

_Therapie erfolgreich?_

Während das Buch am Ende vor sich hinplätschert, tragen leider die Charaktere die Handlung nicht weiter. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Joel Ashman, der den ermordeten Kolberg sehr gut kennt, da er jahrelang sein Partner gewesen ist und da Kolberg ihm ins Leben zurück geholfen hat, nachdem Kolbergs Frau tragisch ums Leben gekommen war. Erst später erzählt uns Kalla, was Ashmans Frau passiert ist und was dieser bereits in seiner Kindheit und Jugend erlebt hat. Das ist dann auch der Punkt, an dem Kalla ins Absurde abdriftet. Ashmans Vergangenheit ist zu tragisch, zu übertrieben, seine Lebensgeschichte zu tränenreich, als dass sie authentisch wirken könnte. In seinem Leben ist praktisch alles schiefgegangen, was nur schiefgehen kann, doch natürlich stellt Kalla seinem tragischen Helden eine Frau an die Seite, die ihn wieder aufrichten soll. Und das ist Claire Shepherd, die ebenfalls gezeichnet ist, da ihr Mann ihr übel mitgespielt hat. So nähern die beiden sich nur zaghaft an, die gebrannten Kinder scheuen das Feuer und können doch irgendwann nicht voneinander lassen. Somit bekommt der Leser dann auch noch die unausweichliche Liebesgeschichte zu lesen, bei der Kalla sich nicht einmal zu schade ist, auch noch einen Hund einzubauen, der eigentlich Ashmans Frau hinterhergetrauert hat, sich aber nun ebenfalls auf den ersten Blick in die neue Frau in Ashmans Leben verliebt. Kitschiger geht es kaum.

Was Kalla hier aus seinem Nähkästchen zaubert, hat schon Rosamunde-Pilcher-Qualitäten, die ich wahrlich in keinem Thriller zu lesen bekommen möchte. Diese Rahmengeschichte trieft vor Kitsch und steht damit in krassem Gegensatz zum brutalen Mord, den es aufzuklären gilt. Für meinen Geschmack bedient sich Daniel Kalla in vielerlei Hinsicht zu vieler Klischees, die auch schließlich das Fass zum Überlaufen bringen.

_Therapie nicht gelungen, Psychiater tot_

Unter dem Strich bleibt doch Enttäuschung zurück. Während die Geschichte durchaus Potenzial hat und die Erzählung um Angela Connor vielversprechend beginnt, schafft Kalla schlussendlich nicht die Gratwanderung zwischen einer packenden, aber auch glaubwürdigen Story. Seine Figuren gleichen Schablonen aus einem Kitschroman, die uns nicht einmal sonderlich sympathisch werden. Der Spannungsbogen beginnt gut, flacht dann allerdings angesichts der vielen Schnitzer deutlich ab, sodass das Buch gen Ende nur noch vor sich hinplätschert. Die Idee war gut und auch der flüssige Schreibstil gefällt, doch am Ende bleibt das Buch doch nur im Mittelmaß stecken.

http://www.heyne.de

_Daniel Kalla auf |Buchwurm.info|:_
[„Pandemie“ 2192
[„Immun“ 3761

Sohn, Amy – Sex and the City

Carrie Bradshaw, Miranda Hobbes, Charlotte York und Samantha Jones sind die Heldinnen meiner Endzwanziger. Die vier verkörpern wahre Freundschaft unter Frauen – ganz ohne den viel zitierten Zickenkrieg, aber natürlich nicht ohne Männer, nicht ohne Mode und natürlich nicht ohne Sex. Mit ihnen zusammen habe ich viele Stunden vor dem Fernseher verbracht, habe mit ihnen gelitten, mich mit ihnen gefreut und mich mit ihnen verliebt. Und wer wie ich einen dicken Kloß im Hals hatte, als Carrie am Ende von Staffel sechs die alles entscheidende SMS von Mr. Big bekommen hat, in der wir erstmals seinen wahren Namen lesen konnten, der dürfte sich ebenso sehr auf den Film gefreut haben, der in diesem Sommer nun endlich unsere Kinos geentert hat. Pünktlich zum Kinostart erschien bei |Schwarzkopf & Schwarzkopf| das Buch zum Film, das mit zahlreichen Hochglanzfotos aufwarten kann und den Fan viele Filmszenen nochmals Revue passieren lässt.

_Hochzeit mit Hindernissen_

Carrie ist immer noch glücklich mit ihrem Mr. Big. Zusammen suchen sie in New York ein Apartment, doch das stellt sich genauso schwierig heraus wie die Suche nach der Liebe. So sind sie gespannt auf die 33. Wohnung, die sie sich ansehen, doch auch die ist ein echter Reinfall. Aber im gleichen Haus ist noch eine weitere Wohnung frei, das Penthouse. Und genau dort fühlt sich Carrie wie im Immobilienhimmel. Die Wohnung ist ihr absoluter Traum und hat nur einen einzigen Haken: einen winzigen Kleiderschrank! Doch Big verspricht ihr, die Finanzierungsprobleme zu lösen und ihr einen größeren Kleiderschrank zu bauen.

Als Carrie ihren langjährigen Freundinnen von der traumhaften Wohnung erzählt, kommen ihr Zweifel, denn was passiert, wenn die Beziehung doch scheitert und sie aber ihre eigene Wohnung aufgegeben hat? Diese Zweifel unterbreitet sie abends beim gemeinsamen Kochen ihrem „alten Freund“ Big. Und schneller als Carrie je gedacht hätte, beschließen die beiden, dann eben zu heiraten. Damit beginnen die großartigen Planungen zur Hochzeit des Jahres. Carrie wird eingeladen zu einem Brautmodenshooting für die |Vogue|. Eigentlich wollte sie ja in einem ganz schlichten Kostüm aus dem Second-Hand-Laden heiraten, doch dann verliebt sie sich in ein Kleid von Vivienne Westwood, das ihr die Designerin auch tatsächlich schenkt. Carrie schwebt auf Wolke neun. Doch wovon sie nichts ahnt: In Big keimen die ersten Zweifel, ob es wirklich noch um die beiden geht oder nur um ein großes Event. So kommt es, wie es kommen muss: Der Tag der Hochzeit ist gekommen, doch wer nicht kommt, ist Big …

Aber auch Carries Freundinnen haben einiges durchzumachen: In Mirandas Ehe ist eigentlich alles in Butter – dachte sie zumindest, bis Steve sich beschwert, dass sie schon seit Monaten nicht miteinander geschlafen haben. Das wiederum war der erfolgreichen Karrierefrau gar nicht bewusst. Doch es kommt noch schlimmer: Bald darauf gesteht Steve ihr einen Seitensprung. Daraufhin zieht Miranda kurz entschlossen mit dem gemeinsamen Sohn Brady aus. Auch bei Samantha regen sich erste Zweifel, ob die Beziehung mit Smith noch das Richtige ist für sie. In ihrem Leben, das früher nur auf sie fixiert gewesen ist, dreht sich seit Jahren alles nur noch um ihren Freund. Das schmeckt ihr gar nicht, zumal ihr gutgebauter Nachbar jede Nacht mit einer (oder zwei) anderen Frau(en) im Bett landet. Nur bei Charlotte ist noch keine Gewitterwolke am Ehehimmel aufgezogen, ganz im Gegenteil – das Schicksal hält eine wundervolle Überraschung für sie parat …

_Von Kopf bis Fuß in Liebe eingehüllt_

Auf rund 180 Seiten kann der Leser den gesamten Film und in stark verkürzter Form auch die sechs Staffeln von SATC Revue passieren lassen. Zunächst bekommen wir zwei Vorworte zu lesen – eins vom Drehbuchautor Michael Patrick King, der die Entstehung des Drehbuchs schildert, und eins von Sarah Jessica Parker höchstpersönlich, die ihre Vorbereitungen auf den Filmdreh beschreibt. Anschließend geht es um die Entstehungsgeschichte des Filmes, wir erfahren, wie die extravaganten Brautkleider für Carries |Vogue|-Shooting ausgewählt wurden, welche Schwierigkeiten es gab, an Carries Schreibtisch und diverse Outfits zu gelangen, und wir können lesen, wie Fans und Journalisten die Dreharbeiten lahmgelegt und die Filmemacher versucht haben, möglichst viel vom Film geheimzuhalten.

Nach dieser kurzen Einstimmung geht es direkt in die Handlung. Zu jeder Staffel der Serie gibt es einen einseitigen Abriss mit ausgewählten Fotos. Der natürlich größte Teil des Buches widmet sich aber ausführlich dem aktuellen Kinofilm (Achtung an alle Fans: Wer den Film noch genießen möchte, sollte |erst| den Film schauen und dann das Buch lesen). Viele DIN-A4-große Hochglanzfotos zeigen die schönsten Szenen des Filmes. Ergänzt werden die Fotos von einem kurzen Text, der beschreibt, was in der jeweiligen Szene geschieht. Außerdem gibt es dort einige Eindrücke der Schauspielerinnen, des Drehbuchautors oder der Kostümdesigner zu lesen, die interessante Hintergrundinfos zu bieten haben. In den Texten finden sich zwar viele Dinge, die man aus dem Film schon kennt, dennoch sind hier auch viele kleine und nette Details zu entdecken, die mir im Kino entgangen waren. So malt Carrie in Lilys Bilderbuch die Schuhe von Cinderella blau aus – ein Hinweis auf die blauen Manolos, die in ihrem überdimensionalen Schuhschrank im Penthouse stehen und am Ende des Filmes noch eine große Rolle spielen. Oder wir erfahren, dass Sarah Jessica Parker sich in einen Gürtel – der den Spitznamen Roger erhält – so sehr verliebt hat, dass sie ihn gleich in mehreren Szenen und zu mehreren Outfits (insgesamt trägt sie 80 während des Filmes!) trägt, bis man ihn ihr wegnimmt …

Was mir besonders gut gefallen hat, sind die schönsten Zitate des Filmes („Ewig dein. Ewig mein. Ewig uns“); hier kann man sich nochmal bestens an die Filmszenen erinnern und im Gedächtnis die ganzen Szenen durchspielen – herrlich! Durch das Buch habe ich nun noch mehr schöne Zitate im Kopf als nach dem Kinobesuch.

Merkwürdig fand ich allerdings, dass ich einige Szenen aus dem Buch im Film nicht gefunden habe. Vermutlich sind also nach dem Druck des Buches noch einige Szenen der Schere zum Opfer gefallen! Ich kann mich zum Beispiel definitiv nicht daran erinnern, Charlotte und Harry in Kostümierung gesehen zu haben, und ich denke, Harry als Fester aus der Addams Family hätte man kaum vergessen können, wenn die Szene im Film aufgetaucht wäre. Auch wurden manche Szenen im Buch nicht völlig korrekt beschrieben; so ging Carrie gen Ende des Filmes in das Apartment, um ihre Manolos zu retten, nicht, um Big zu treffen. Doch dies trübt den Gesamteindruck dieses farbenprächtigen und informativen Buches nicht wirklich.

Der Schluss des Buches widmet sich – nach den Männern und der Liebe – dem nächstwichtigen Thema der gesamten Serie, nämlich der Mode. Nach einer kurzen Einleitung, in der wir erfahren, welche Gedanken sich die Kostümdesigner gemacht haben, um die vier Frauen ihrem Alter, ihrem Charakter und ihrer Lebenserfahrung entsprechend passend einzukleiden, und welche Designer alle vertreten sind, findet sich auf den nächsten Seiten für jede der vier Hauptdarstellerinnen eine Fotostrecke, auf der all die Outfits aus dem Film mit Angabe der jeweiligen Designer zu sehen ist. Für mich nicht unbedingt interessant, da ich nicht vorhabe, auch nur eines der Teile nachzukaufen, dennoch nett anzusehen, zumal ich gestehen muss, dass ich mich an viele der Kleidungsstücke gar nicht erinnern kann – zum Teil, weil sie auch nur sehr, sehr kurz zu sehen sind. Und last but not least sind die Schauplätze des Drehs mit kurzer Beschreibung aufgeführt – ein Detail, das mir beim geplanten USA-Besuch im kommenden Jahr sicherlich nützlich sein wird, um zumindest den einen oder anderen Ort aufsuchen zu können.

_Ewig Sex and the City_

Insgesamt ist dies ein absolutes Must-have für Fans. Wer den Film gesehen hat und sich nochmal die wichtigsten Szenen in Erinnerung rufen möchte, ist hier genau richtig. In Hochglanzqualität können wir die vier Hauptdarstellerinnen nochmals bei ihren turbulenten Unternehmungen begleiten und ganz in Ruhe auf jedes Detail achten. Ich werde das Buch sicherlich noch häufig durchblättern, um die Zeit bis zum Erscheinen der DVD des Filmes zu überbrücken. Klare Kaufempfehlung!

http://www.schwarzkopf-schwarzkopf.de
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Croggon, Alison – Gabe, Die (Die Pellinor-Saga 1)

Fantasy-Liebhaber sind heutzutage schwer gebeutelt: J. R. R. Tolkien ist längst verstorben, sodass leider keine weiteren großartigen Werke mehr aus seiner Feder zu erwarten sind, doch immer mehr teils nicht einmal sonderlich talentierte Schreiberlinge reihen sich in die Tradition Tolkiens ein, um ein Stückchen seiner Erfolgstorte abzubekommen. Was den Fantasy-Markt flutet, ist mitunter allerdings schwer verdaulich. Wenn jemand daherkommt wie Alison Croggon, deren |Pellinor-Saga| für zwei begehrte Fantasypreise nominiert wurde und die ihre Saga ähnlich umfangreich anlegt wie Tolkien, horchen üblicherweise alle Fantasy-Fans auf, doch regt sich auch eine gewisse Skepsis …

_Von der Sklavin zur Bardin_

Maerad fristet in Gilmans Feste ein trostloses Dasein als Sklavin. Eine Flucht erscheint ihr praktisch unmöglich. Langsam fühlt Maerad, wie sie innerlich verwelkt und ihre Hoffnung auf eine Flucht immer kleiner wird. Doch eines Tages, als sie in den Kuhstall zum Melken geschickt wird, bäumt sich die Kuh auf, weil sie einen geheimnisvollen Fremden spürt, den von den „Normalsterblichen“ allerdings niemand wahrnehmen kann, da der Barde Cadvan sich unsichtbar gemacht hat. Zu dessen eigener Überraschung kann Maerad ihn allerdings sehen – denn sie trägt selbst die Gabe in sich. Da Cadvan große Kräfte in Maerad entdeckt, bietet er ihr an, ihn auf seiner eigenen gefährlichen Reise zu begleiten. Maerad kann ihr Glück kaum fassen und muss nicht lange nachdenken, denn nichts scheint ihr trostloser und auswegloser als das Leben in Gilmans Feste. So belegt Cadvan die beiden mit einem Bann, sodass sie fortan von den Blicken anderer Menschen verschont bleiben.

Ihre Flucht ist schnell bemerkt, doch weiß Cadvan die verfolgenden Hunde zu besänftigen, denn Barden können auch mit Tieren kommunizieren – eine Gabe, die Maerad bei sich selbst erst recht spät in diesem Buch entdeckt. Noch weitere Gefahren begleiten die beiden auf ihrem Weg; so will Cadvans Widersacher einen ganzen Berg über den beiden Flüchtenden zusammenstürzen lassen, und erst, als die beiden Barden ihre Kräfte zusammentun, können sie ihren Weg fortsetzen. Auch böse Werwesen greifen Maerad und Cadvan an. Doch je mehr Gefahren die beiden bedrohen, umso mehr Kräfte entdeckt Maerad an sich, was sich auch im weiteren Verlauf der Geschichte fortsetzen wird.

Frieden kehrt für die beiden Weggefährten erst ein, als sie Inneil erreichen. Dort finden sie bei Silvia und Malgorn Unterschlupf, die die ausgezehrte Maerad erst einmal aufpeppeln und mit schicken Gewändern umhüllen. In Silvia findet Maerad so etwas wie einen Mutterersatz, sodass es ihr schwerfällt, Inneil wieder zu verlassen. Doch die gefährliche Reise geht für die beiden noch weiter, denn Cadvan will seinen ehemaligen Lehrer finden, außerdem soll Maerad als Bardin eingeführt werden, und die hohe Sprache muss noch in ihr erwachen. Vieles steht den beiden also noch bevor, aber natürlich wird nicht alles so einfach vonstatten gehen …

_Dieser Weg wird kein leichter sein_

Alison Croggon erzählt die Geschichte von der verlorenen Zivilisation von Edil-Amarandh und vom Rätsel des Baumlieds. Denn darum wird sich in den folgenden Bänden wohl alles drehen. Cadvan ist nämlich auf der Suche danach, um sein Land vom Bösen zu befreien, denn der Namenlose bedroht die ganze Zivilisation. Natürlich gibt es auch eine Offenbarung, in der von einer Auserwählten die Rede ist. Cadvan identifiziert Maerad schnell als die Auserwählte, doch erst, wenn sie als Bardin eingeführt wird und ihren wahren Namen erhält, wird man sehen, ob sie wirklich den richtigen Namen tragen wird und somit als Auserwählte das Böse besiegen kann.

Es sind die üblichen Zutaten, die Alison Croggon in ihrer |Pellinor-Saga| vermischt: Das Böse bedroht die Welt und nur eine kleine Ansammlung von Menschen versucht, das Böse abzuwenden, steht aber auf recht verlorenem Posten da. Doch verspricht eine Offenbarung Rettung durch eine bislang unbekannte Auserwählte, die so große Kräfte und Fähigkeiten besitzt, dass sie das Land retten kann. Und hier kommt dann auch Maerad ins Spiel, die zunächst noch nicht ahnt, welch gewichtige Rolle sie spielen soll. Cadvan ist ihr Retter, der sie zunächst allerdings in weitere Gefahren bringt. Diese lassen sich jedoch nicht vermeiden, zumal Maerad sie als angenehmer empfindet als ihre Gefangenschaft in Gilmans Feste. Cadvan mutiert zum Lehrer für die junge Magierin, die nur langsam ihre Fähigkeiten entdeckt, diese aber noch nicht gezielt einzusetzen weiß. Auch ein kostbares Instrument trägt sie bei sich, das ähnlich wie Frodos Kettenhemd aus dem „Herr der Ringe“ wertvoller ist als alles andere in dieser Welt Bekannte.

Natürlich dürfen die Bösen in dieser Saga nicht fehlen, und auch hier entdecken wir Parallelen zum „Herr der Ringe“, denn ähnlich wie dort die Orks zum Bösen mutierte Elben darstellen, treffen wir hier auf Dunkle Barden, die sich ebenfalls vom Guten abgewandt haben. Noch weitere Parallelen zum „Herr der Ringe“ tun sich auf, nämlich ausschweifende Landschaftsbeschreibungen, wie Tolkien sie geliebt hat. Doch im Gegensatz zu Tolkiens poetischen Beschreibungen, die eine märchenhafte Schönheit zu vermitteln wissen, langweilen Croggons Ausführungen immer mehr, denn was ihrem Buch fehlt, ist leider der rote Faden. Bevor sie überhaupt Spannung aufbaut und dem Leser mitteilt, worum es gehen soll, wo(durch) die Gefahr droht und wie man Abhilfe schaffen kann, begeben Cadvan und Maerad sich auf eine ewig lange Reise.

Hier geizt die australische Autorin nicht mit ellenlangen Beschreibungen – ein willkürliches Beispiel: |“Die nächsten beiden Tage ritten sie weiter durch das Moor, dem Verlauf des Flusses folgend, und hielten sich dabei so dicht wie möglich an den Bäumen. Sie sahen keinerlei Tiere und hörten nur Grillen und Frösche oder den durchdringenden Schrei eines Adlers hoch über ihnen. Da zahlreiche kleine Rücken und Rinnen das Gelände zerfurchten, kamen sie nur langsam voran. Häufig stießen sie auf seltsame Gruben, als wäre die Erde dort irgendwann gewaltsam aufgebrochen worden. Der Boden war übersät mit Quarz- und Granitbrocken, die eine fortwährende Bedrohung für die Hufe der Pferde darstellten. Das Wetter blieb kalt und grau. Immer wieder setzten frostige Regen- oder Schneeregenschauer ein, die ebenso jäh endeten, wie sie begannen. Der Wind hingegen wehte ständig: ein bitterkalter Luftstrom, der ohne Unterlass über die Anhöhen und Felsen pfiff. Die endlosen braun- und Grautöne versetzten Maerad nach und nach in eine gelangweilte Benommenheit. […]“|

Die Beschreibung geht noch einige Zeit so weiter und hat auch mich in gelangweilte Benommenheit versetzt. Croggons Schreibmuster ist sehr eintönig: Cadvan und Maerad betreten eine neue Landschaft, die ausschweifend beschrieben wird. Maerad ist erschöpft, hat allerdings eine düstere Vorahnung, die sie ihrem Begleiter nicht mitteilen möchte. Die beiden ruhen sich aus und werden von einer Gefahr bedroht, die in einem Kampf abgewendet wird. Die beiden freuen sich über den Sieg, ziehen weiter und betreten die nächste Landschaft, womit sich der Kreis schließt.

_Zwei gegen den Rest der Welt_

Im Mittelpunkt des gesamten Buches stehen Maerad und Cadvan, die sich allmählich immer besser kennen- und schätzen lernen. In einem Seelenblick entdeckt Cadvan viel Elend, das Maerad verdrängt hat. Er erfährt, wer ihre Mutter und was mit ihrer Familie geschehen ist. Später wird Cadvan allerdings eine düstere Seite offenbaren, die Maerad so viel Angst einjagt, dass ihr Vertrauen in ihn schwer erschüttert wird. Doch dieser Zwist ist schnell ausgeräumt; in einem innigen Gespräch kann Cadvan die Gewitterwolken weiterschieben, sodass ihrer weiteren Freundschaft nichts mehr im Wege steht.

Alison Croggon legt viel Wert auf ihre Charakterzeichnung, sodass wir beide Hauptprotagonisten im Laufe der Geschichte sehr gut kennenlernen. Leider jongliert die Autorin allerdings mit vielen Klischees, die man in zu vielen anderen Büchern bereits gelesen hat. Auch wirken die Charaktere reichlich weichgespült; Ecken und Kanten sind erst zu entdecken, als Cadvan von seiner eigenen Vergangenheit berichtet und einige Fehler offenbaren muss. Und auch diese wirken reichlich aufgesetzt. Insgesamt bin ich mit den beiden nicht recht warm geworden. Obwohl Maerad mich in Ansätzen an Sonea aus Trudi Canavans [„Gilde der schwarzen Magier“ 4746 erinnert hat, konnte ich mich in Maerad doch nie hineinversetzen und habe auch nicht mit ihr fühlen können.

Auch sprachlich stolpert man immer wieder über Kleinigkeiten, über Druckfehler und merkwürdige Satzkonstruktionen, bei denen ich nicht weiß, ob das Original bereits Schwächen hatte oder ob der Übersetzer diese Stolpersteine eingebaut hat. Ein Beispiel: |“Cadvan blieb auf der Hut, und Maerad unterstützte ihn trotz ihrer Müdigkeit dabei.“| Wie man jemanden dabei unterstützen kann, auf der Hut zu sein, ist mir allerdings ein Rätsel …

_Spannung, wo bist du?_

Am meisten fehlt dem Buch ein erkennbarer Spannungsbogen. Ich wusste lange Zeit nicht, worauf Alison Croggon hinauswill, und musste mich durch ellenlange Landschaftsbeschreibungen kämpfen. Erst kurz vor Schluss hatte ich das Gefühl, nun weiterlesen zu müssen, um zu erfahren, wie es weitergeht. Doch endet der erste Band der |Pellinor-Saga| genau in dem Moment, als die Geschichte ein wenig ins Rollen gekommen ist. Eine knapp 500-seitige Einleitung in ihre Tetralogie halte ich für arg übertrieben. Deutlich mehr Kürze hätte dem Buch sehr gut getan, denn in einem Wust an ausschweifenden Beschreibungen geht die eigentliche Erzählung völlig unter.

Alison Croggon schafft es leider nicht, eine Welt aufzubauen, in die man versinken kann und in der man sich wohlfühlt. Gemeinsam mit ihren beiden Hauptfiguren hetzen wir durch die Gegend, trotzen Gefahren und schauen in trostlose Landschaften. Potenzial ist erkennbar, aber was unter dem Strich herausgekommen ist, ist leider nur krampfhaft konstruiertes Mittelmaß – schade!

Writing and books


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Teltscher, Wolfgang – DeisterKreisel

Barsinghausen ist eine kleine beschauliche Stadt am Deister – südwestlich von Hannover. Bei Wolfgang Teltscher wird dieses kleine Städtchen nun Schauplatz für seinen Lokalkrimi. Dort, wo die Polizei meist nicht allzu viele Verbrechen aufzuklären hat, gilt es nun, im mysteriösen Todesfall des ehemaligen Kriminalkommissars zu ermitteln …

_Toter im See_

Viele Jahre lang war Alfred Matuschek Leiter der Kriminalpolizei in Barsinghausen, doch nun wurde er aufs Altenteil versetzt. Wehmütig sitzt er in seiner Heimatstadt am See, betrachtet die Enten und wirft seine Uhr ins Wasser, die seine Kollegen ihm zum Abschied geschenkt haben. Denn Zeit ist für ihn nicht mehr wichtig, sondern eher zur Belastung geworden. Mit seiner letzten handgeschmierten Stulle füttert er die Enten und denkt derweil über seinen Abschied von der Polizei nach und über den bevorstehenden Ruhestand. Fast vier Wochen später sitzt ein Liebespaar auf der gleichen Bank am See und küsst sich das erste Mal, doch über die Schulter ihres Begleiters hinweg sieht die junge Frau eine Leiche auf dem Wasser treiben – es ist der tote Alfred Matuschek.

Da die Polizei in Barsinghausen befangen ist, reist Kommissar Manfred Marder aus Stade an, der einst auch schon mit Matuschek zusammengearbeitet hat. Ganz auf sich allein gestellt, versucht er zunächst, sich ein Bild von Matuschek und seiner Familie zu machen. Währenddessen wartet er auf die Ergebnisse der kriminaltechnischen Untersuchung, denn noch ist nicht klar, ob Matuschek gewaltsam ums Leben kam oder gar Selbstmord beging. Doch wieso sollte er sich so kurz nach seiner Pensionierung freiwillig das Leben nehmen? Auf der anderen Seite finden sich keine Zeichen der Gewalteinwirkung, und die Analyse besagt auch lediglich, dass Matuschek eindeutig ertrunken ist. Ob ihn aber jemand unter Wasser gedrückt hat oder ob es doch ein Selbstmord war, muss Marder herausfinden.

Zunächst befragt er Matuscheks Frau, seine Tochter und seinen Sohn, aber auch Matuscheks ehemaligen Arbeitskollegen und seinen einzigen Freund. Das Bild, das diese Menschen Marder von dem Toten vermitteln, scheint ausgesprochen harmonisch. Niemand weiß etwas Negatives über Matuschek zu berichten, aber schnell fängt dieses scheinbar so harmlose Bild an zu bröckeln, als Marder ein wenig daran zu kratzen beginnt. Was haben diese Menschen ihm verschwiegen? Welcher Mensch war Matuschek wirklich? Als Marder tiefer zu graben beginnt, erscheint ein ganz neues Bild des Toten …

_Täuschende Idylle_

Zunächst baut Wolfgang Teltscher eine beschauliche Idylle auf. Er präsentiert Alfred Matuschek, erzählt von seiner Pensionierung und der Abschiedsfeier mitsamt dem unpassenden Geschenk. Auch die Szene am See wirkt nachdenklich und harmonisch, nichts deutet darauf hin, dass bald etwas Schreckliches passieren wird. Als die verliebte Frau auf dem See den Körper eines Menschen treiben sieht, bricht dieses Unglück in eine hübsche Kleinstadtidylle hinein. Doch Teltscher baut zunächst noch mehr Spannung auf, denn zunächst enthält er uns vor, wer denn nun tot im See treibt. Stattdessen widmet er sich seinen weiteren Charakteren. Wir lernen Matuscheks Frau auf dem Tennisplatz kennen und erfahren, dass sie ihrem Mann offensichtlich nicht allzu treu gewesen ist und die Ehe schon längst nur noch auf dem Papier existierte. Aber auch bei der Vorstellung der beiden Kinder Bertram und Anja geht der Autor schonungslos vor. In den Augen von Vera Matuschek sind ihre beiden Kinder Versager, hatte sie ihnen doch immerhin eine großartige Karriere nach einem ordentlichen Hochschulstudium gewünscht. Doch Anja ist lieber Krankenschwester geworden und will das Geld ihren späteren Ehemann verdienen lassen, während Bertram sich als Forstwirt im Wald versteckt.

Auch Matuscheks andere Bekannte – sein ehemaliger Kollege Burt Brenner und sein einziger Freund Knut Wotowski – kommen in ihrer Vorstellung nicht allzu gut weg. Brenner freut sich einfach zu sehr, seinen ehemaligen Chef los zu sein, der in seiner eigenbrötlerischen Art und Weise nie gut mit Brenner zusammengearbeitet hat. Und Wotowski hat einen Berg Schulden bei dem kürzlich verstorbenen Kriminalkommissar, den er auch nur schwerlich zurückzahlen kann, da seine deutsche Gaststube nicht so gut läuft, wie er sich das wünschen würde.

Wolfgang Teltscher konzentriert die Lesersympathien folglich in einer einzigen Person, und zwar in der des ermittelnden Kommissars Marder, dem als Einzigen daran gelegen zu sein scheint, das Verbrechen aufzuklären. Marder quartiert sich in einer hübschen kleinen Pension ein, in der er sich auch sogleich mit der Hauswirtin anfreundet, zumal diese ihm täglich ein fantastisches und wohlschmeckendes Frühstück kredenzt. Marder ist ein Mensch, der das Leben offensichtlich genießt. Ab und an quält er sich zwar zu einer Yogastunde, doch sein Vorsatz, täglich eine Stunde Yoga zu machen, ist schnell vergessen.

Manfred Marder ist es nun, der versucht, hinter die Kulissen in Barsinghausen zu schauen. Denn auf den ersten Blick erscheint alles zu perfekt; Matuscheks Familie trauert zwar nicht um das verstorbene Familienoberhaupt, dennoch beschreiben die drei eine harmonische Familienidylle. Hier passt nichts zusammen, das merkt auch Kommissar Marder – wenn auch erst auf den zweiten Blick und nach einem wichtigen Hinweis seiner Hauswirtin.

_Beschaulich und gemächlich_

Es ist nicht gerade eine reißende Spannung, die Wolfgang Teltscher aufbaut, denn nach seinem ersten großen Spannungsmoment plätschert das Buch so vor sich hin. Wir begleiten Manfred Marder bei seinen Ermittlungen, lauschen den Befragungen und spekulieren selbst, was bloß vorgefallen sein könnte. Doch Teltscher gibt uns kaum Hinweise an die Hand, um eigenständig auf die Lösung zu kommen. Schnell ist klar, dass hinter den Masken einiges verborgen bleibt, doch ist es an Marder, diese Wahrheit aufzuspüren – der Leser hat dazu keine Chance, da er nie mehr weiß als der ermittelnde Kommissar.

Auch passiert über lange Strecken hinweg nichts Neues. Die kriminaltechnische Analyse bringt keine Neuigkeiten, und die Befragungen drehen sich im Kreise, sodass Marder alle Verdächtigen – und davon gibt es später doch so einige – immer wieder neu befragen muss. Der Spannungsbogen flaut über weite Strecken ziemlich ab, um eigentlich erst kurz vor Schluss wieder etwas abzuheben, als ein wichtiges Beweismittel gefunden wird und auf der vorletzten Seite nun auch endlich der Leser erfährt, was hinter dem Tod Matuscheks steckt. Das Ende ist zwar stimmig und überzeugt auch, nur kommt es recht plötzlich und baut sich nicht wirklich spannend auf; hier hätte Teltscher dem Leser zwischendurch einfach schon mehr Informationshäppchen zuwerfen sollen.

_Barsinghausen? Wo ist das denn?_

Lokalkrimis sind „in“. Dank Susanne Mischke hat der Krimi auch endlich seinen Weg nach Hannover gefunden, doch Wolfgang Teltscher verlagert seine Krimihandlung aus Hannover hinaus und siedelt seinen Fall in Barsinghausen an. Das ist gewagt, denn in Barsinghausen und den zugehörigen Ortsteilen wohnen gerade einmal 36000 Einwohner – eine winzige Zielgruppe an ortskundigen Lesern. Und da Teltscher seinen Heimatort im Laufe der Romanhandlung nicht ein einziges Mal verlässt, erkennen nicht einmal Hannoveraner irgendetwas an Lokalkolorit wieder, zumal Teltscher auch nicht allzu viel erzählt von seinem Ort, sodass der Lokalanteil eher uninteressant wirkt. Schade.

_Über den Deister …_

Zunächst begann „DeisterKreisel“ recht vielversprechend. Teltscher baut einiges an Spannung auf und stellt einige interessante Figuren vor, von denen immerhin eine durchaus Sympathiepunkte sammeln kann. Doch über weite Strecken plätschert das Buch dann vor sich hin. Insgesamt bleibt daher ein eher mittelmäßiger Eindruck zurück, zumal etliche Tippfehler den Lesefluss stören und das „ß“ meiner Meinung nach zu arg vernachlässigt wurde. Eine ordentliche Schlusskorrektur hätte diesen Missstand sicher beheben können. Der Schreibstil gefiel mir eigentlich sehr gut und auch die Charaktere, die Teltscher zeichnet, überzeugen. Vielleicht sollte der Autor sich einmal aus Barsinghausen hinauswagen und ein wenig von der Idylle lösen, dann könnte sein nächstes Buch deutlich mehr Leser überzeugen.

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Erhardt, Stefan (Autor) / Görtler, Carolin (Illustratorin) – Tim will zum Fußball

Kurz vor Beginn der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz ist Fußball in aller Munde. Und wer immer noch nicht weiß, worauf es beim Fußball ankommt und welche Positionen es für die Spieler auf dem Platz gibt, der kann sich dies nun auf unterhaltsame Weise erzählen lassen.

Inspiriert von der |Sportschau|, die sein Papa nie verpasst, peilt der kleine Tim eine Karriere als Fußballstar an. Doch so richtig weiß er noch gar nicht, auf welcher Position er eigentlich spielen will. Also versuchen Vater und Sohn gemeinsam herauszufinden, welche Talente Tim hat und wo er diese am besten einsetzen könnte. Allerdings klappt die Kommunikation nicht so ganz, denn Tim versteht seinen Papa oftmals falsch und glaubt zum Beispiel, dass die Mausefalle aus dem heimischen Keller ihm bei der Abseitsfalle behilflich sein könnte oder dass er nun täglich Bananen essen muss, um bessere Bananenflanken schießen zu können. Am Ende weiß Tim aber, was er werden will, denn er hat auf jeder Position seine Talente entdeckt und kann somit vom Abwehrspieler über den Stürmer bis hin zum Trainer alle Rollen einnehmen.

„Tim will zum Fußball“ ist eine liebevoll illustrierte Geschichte für Kinder, die sich kurz vor der Europameisterschaft noch genauer über Fußball informieren möchten. Stefan Erhardt erzählt die Geschichte eines Gesprächs zwischen Vater und Sohn, das den Fußball und die notwendigen Talente der einzelnen Spieler zum Inhalt hat. Im Grunde genommen ist die Geschichte sehr simpel gestrickt, denn Tims Vater erzählt seinem Sohn, welche Möglichkeiten es im Fußball gibt und welche Kenntnisse und Talente für die jeweilige Rolle erforderlich sind. Ihren Reiz gewinnt die Erzählung dadurch, dass Tim seinen Vater ganz allerliebst missversteht. Wenn sein Vater ihm sagt, dass der Ball einem Stürmer am Fuß kleben muss, holt Tim schon die große Tube Klebstoff aus seinem Zimmer, um dem Ganzen nachzuhelfen. Und dieses Muster setzt sich auch fort, bis schließlich alle Positionen durchgespielt sind und Tim den Eindruck gewinnt, er könne eigentlich alles machen.

Gelesen ist die Geschichte recht schnell, aber durchgeblättert auf keinen Fall, denn jede Doppelseite ist liebevoll und farbig gestaltet. Carolin Görtler haucht Erhardts Figuren Leben ein und lässt uns dadurch an ihren Emotionen und Handlungen teilhaben. Alle Zeichnungen stimmen bis ins letzte Detail und verbergen viele niedliche Feinheiten, die unbedingt entdeckt werden wollen. Tim und seinen Vater werden so zum Beispiel von zwei lustige Gefährten bei ihrem Gespräch begleitet, und zwar einem Teddybär und einer kleinen Maus. Diese beiden süßen Gesellen werden während des Gesprächs ebenfalls aktiv. Auf dem einen Bild sieht man den Teddybär in voller Fußballfanmontur mit einem Wimpel in der Pfote, auf einem anderen spielen sich Teddy und Maus einen kleinen gestreiften Ball zu, in der nächsten Szene sucht der Bär verzweifelt nach der Maus und kurz darauf trainiert der Teddy seine Sportler-Beine, indem er drei Bücher mitsamt der Maus in die Höhe stemmt. Diese hübschen Details sorgen dafür, dass man jedes Bild minutenlang anschaut, jeden Winkel betrachtet, um auch bloß nichts zu verpassen.

Text und Bild gehen in diesem wunderschönen Buch Hand in Hand; besonders angetan hat es mir die vorletzte Doppelseite, auf der Tim noch einmal rekapituliert, was er eigentlich alles kann und welche Möglichkeiten im Fußball ihm dies eröffnet. Und natürlich setzt es sich hier wieder fort: Er nimmt die Aussagen seines Vaters wörtlich und will dem Gegner mit einer Schere den Weg abschneiden bzw. das Spiel ankurbeln, indem er an einer Kurbel dreht, die am Rande eines Miniaturstadions befestigt ist. Jedes Bild passt wunderbar zu der hübschen Geschichte, doch ohne diese liebevollen Zeichnungen, die Tims Missverstehen noch einmal verdeutlichen, würde die ganze Erzählung nicht funktionieren.

„Tim will zum Fußball“ ist eine allerliebst illustrierte Geschichte für Fußballfans jeden Alters, die irgendwie Kind (geblieben) sind und Spaß daran haben, etwas Neues zu entdecken. Dieses Buch kann man nach dem ersten Lesen gleich noch einmal von vorne beginnen, um den Zeichnungen noch mehr Aufmerksamkeit widmen zu können. Dann nämlich entdeckt man auf einigen Seiten tatsächlich noch etwas Neues.

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Feldkirchner, Jennifer – Paule das kleine Stinktier

Literarisch wurden Stinktiere bislang arg vernachlässigt, und wenn sie doch einmal in Büchern oder Filmen auftauchten, so nur als stinkende Wesen, die keine Sympathiepunkte sammeln konnten. Diesen Missstand will Jennifer Feldkirchner mit ihrem ersten Kinderbuch, in dem ein kleines Stinktier die Hauptrolle spielt, nun beheben.

Bevor wir aber das kleine Stinktier Paule kennenlernen, erfahren wir zunächst einiges über die Gewohnheiten und Eigenarten von Stinktieren – und das sogar farbig bebildert. Doch schon auf Seite zwölf treffen wir endlich Paule und erfahren sein großes Geheimnis: Paule hat nämlich eine wunderschöne Höhle entdeckt, die er nun seiner besten Freundin Lisa zeigt. In der Höhle, die sich hinter dichtem Gestrüpp versteckt, leuchten viele bunte Lichter, die den Ort zu etwas ganz Besonderem machen, und so wird aus Paules großem Geheimnis auch Lisas Geheimnis. Doch die Höhle ist nicht immer so beschaulich wie bei Lisas erstem Besuch, denn bald sucht ein wildes Tier die beiden in ihrem Versteck heim. Nur mit Glück und einem stinkenden Pups kann Paule das gefährliche Tier verscheuchen.

Gemeinsam erleben Paule und Lisa noch viele weitere Abenteuer: So geht ein mysteriöser Dieb in Müffelsdorf um, der sich komischerweise nur die wollenen Unterhosen der weiblichen Dorfbewohner schnappt. Wer hinter diesen Diebstählen steckt, finden Paule und Lisa schließlich mit einer kleinen List heraus, doch am Ende haben sie sogar großes Mitleid mit dem Dieb und lassen ihn laufen … Kurz darauf bekommen die beiden kleinen Stinktiere eine neue Mitschülerin, die aufgrund ihres Aussehens schnell zur Außenseiterin abgestempelt wird, doch so etwas duldet Paule nicht und beschließt daher, auf Bella zuzugehen. Fortan haben Lisa und Paule eine neue Weggefährtin, die auch bald in das Geheimnis der Höhle eingeweiht wird.

Unterbrochen wird diese Rahmengeschichte durch Paules wilde und kuriose Träume und durch seine Abstecher zu seinem Großvater, der in seinem Leben schon unglaublich viel erlebt hat und nur zu gerne von all seinen Abenteuern berichtet.

Schon auf dem Titelbild winkt uns ein fröhlicher Paule entgegen und auch Bella und Lisa können wir gleich erblicken, und diese drei sind es auch, die wir bei ihren Abenteuern begleiten. Paule hat eine kleine liebenswürdige Eigenschaft, die ihm ausgesprochen peinlich ist, die ihm und Lisa allerdings auch das Leben rettet. Denn Paule kann nicht immer kontrollieren, wann er seinen übel riechenden Pups ab“feuert“; so passiert es mitunter ganz ungewollt, dass Paule sich und seine Gefährten in eine Stinkwolke einhüllt. Alleine diese Eigenart macht ihn mir schon sympathisch, weil sie zeigt, dass unser kleiner Held alles andere als perfekt ist.

Jennifer Feldkircher zeichnet – und das ist hier wörtlich gemeint – liebevoll einige sehr sympathische und tierische Charaktere. Auf nahezu jeder Doppelseite findet sich passend zur jeweiligen Situation eine Zeichnung, manche auch in Farbe. Manchmal sind es nur einfache Strichzeichnungen in schwarzweiß, die aber dennoch im Detail sehr viel Aussagekraft besitzen. Denn auch wenn die Stinktiere aus nur wenigen Strichen bestehen, so haben sie doch immer einen zur Situation passenden Gesichtsausdruck – seien es Lisas strahlende Augen, als sie das erste Mal die Höhle betritt, oder sei es die Todesangst in Paules Blick, als er vor einem riesigen Kraken flüchtet. Immer kann man den Gesichtern ablesen, in welcher Gemütsverfassung sich die kleinen Stinktiere gerade befinden! Besonders ins Auge fallen natürlich die Farbzeichnungen, die in satten Farben gehalten sind und allen Kindern und Junggebliebenen ausgesprochen gut gefallen dürften. Alle Bilder wirken dadurch fröhlich, und die Stinktiere strahlen sehr viel Lebensfreude aus. Durch die vielen liebevollen und aussagekräftigen Zeichnungen wird das Buch zu einem optischen Hochgenuss, der einem die beschriebenen Szenen noch deutlicher vor Augen führt.

Aber auch inhaltlich überzeugt „Paule, das kleine Stinktier“, denn die Geschichten sind lustig, kindgerecht und unterhalten sogar ältere Leser. Mit Paule, Lisa und Bella hat Jennifer Feldkirchner drei (stink)tierische Charaktere geschaffen, die unterschiedlicher kaum sein könnten, denn Bella mit ihrem extravaganten Aussehen ist eine ganz andere Persönlichkeit als die kleine Lisa mit ihren blonden Zöpfen. Besonders gut hat mir gefallen, wie Paule und Lisa ganz selbstverständlich Bella in ihrem Freundeskreis aufnehmen, sie in ihr Geheimnis einweihen und gleich zu Weggefährten werden, obwohl die anderen Stinktiere Bella schneiden. Freundschaft ist somit ein ganz wichtiger Aspekt, der natürlich in einem Kinderbuch auch nicht fehlen sollte. Jedenfalls bin ich mir sicher, dass die meisten Erwachsenen noch viel lernen könnten von Paule und Lisa.

Die Autorin beweist eine blühende Fantasie mit ihren Geschichten, und das sei hier durchaus positiv gemeint. Denn gerade die Abenteuer, die Paule in seinen Träumen erlebt (und die ihn meist vor seinem Bett aufwachen lassen), und auch die Erlebnisse aus Großvaters reichhaltigem Erfahrungsschatz sind dermaßen lustig und spannend, dass ich gerne noch viel mehr darüber erfahren möchte. Zu bemängeln ist eigentlich nur eines, und das ist die etwas zu sparsame Verwendung diverser Satzzeichen, denn so manch ein fehlendes Komma hätte die Sätze leichter lesbar gemacht.

„Paule das kleine Stinktier“ ist eine rundum gelungene Geschichte. Jennifer Feldkirchner beweist mit ihrem Erstlingswerk ihr hervorragendes Zeichentalent, mit dem sie auch in auf den ersten Blick ganz simplen Zeichnungen viele Details unterbringt und die Szenen lebendig werden lässt. So werden uns die handelnden Stinktiere nicht nur durch die geschriebenen Geschichten sympathisch, sondern auch durch die zum Teil sehr farbenfrohen Bilder. Damit kann ich nur hoffen, dass es möglichst bald eine Fortsetzung geben wird, in der wir weitere Geschichten von Paule und seinen Freunden zu lesen bekommen werden.

Markus Zusak – Die Bücherdiebin

Der Tod ist uns bereits in vielen literarischen Werken begegnet, so zum Beispiel als bedrohliche Gestalt im „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal oder in seiner wohl kuriosesten Form in Terry Pratchetts |Scheibenwelt|. Doch vermutlich haben wir den Tod noch nie so gut kennen gelernt wie in Markus Zusaks „Bücherdiebin“, nie sind wir ihm und seinen Gedanken so nahe gekommen und nie konnten wir ihn so menschlich erleben wie hier. Zusaks Tod möchte dem Sterben eine fröhliche Seite verleihen, sein Tod ist amüsant, achtsam und andächtig, und das sind nur seine guten Eigenschaften mit dem Buchstaben A. Nur ’nett‘, das ist ihm völlig fremd. Hier lohnt sich also ein genauerer Blick …

_“Nett“ ist dem Tod völlig fremd_

Ihre erste Begegnung mit dem Tod hat Liesel im Jahr 1939 im Alter von neun Jahren, als sie zusammen mit ihrem Bruder mit dem Zug nach Molching reist, um dort bei Pflegeeltern zu wohnen. Doch ihr Bruder überlebt die Fahrt nicht und stirbt unterwegs. An den Gleisen begegnet er dem Tod, der seinerseits sogleich von Liesel fasziniert ist. Das junge Mädchen stiehlt in dieser Situation ihr erstes Buch, und zwar das „Handbuch für Totengräber“, anhand dessen sie lesen lernt. Liesel Meminger ist allerdings keine gewöhnliche Diebin, sie stiehlt nicht jedes Buch, sondern sie nimmt sich Bücher nur in bestimmten Situationen und nur, wenn es für sie nicht anders geht. So sind es nur wenige Bücher, die sie im Laufe der Jahre ansammelt, und es sind schlechte Jahre – es ist der Zweite Weltkrieg und die Bomben fallen auf Deutschland und später auch auf die bayrische Stadt Molching.

Der Tod hat uns eine faszinierende Geschichte zu erzählen, nämlich die von Liesel Meminger, die ihm nicht aus dem Kopf gehen will, seit er sie an den Gleisen stehen gesehen hat, als er sich die Seele ihres toten Bruders geholt hat. Liesel wächst bei ihren Pflegeeltern Rosa und Hans Hubermann auf, die fortan ihre Familie bilden. Rosa wirkt nach außen hin sehr schroff und betitelt geliebte Menschen nur mit den Worten „Saumensch“, dennoch gleicht es einer besonderen Auszeichnung, von Rosa diesen Namen zu erhalten, denn nur ihr liebe Menschen nennt sie so. Hans Hubermann ist praktisch das Gegenteil seiner Frau, er ist stets freundlich und hilfsbereit und wird für Liesel eine der wichtigsten Bezugspersonen überhaupt. Er hat bereits eine bewegte Vergangenheit hinter sich, deren wesentliche Ereignisse wir im Laufe der Geschichte kennen lernen. So erfahren wir, wie er einem Juden sein Leben verdankt – und auch ein Akkordeon, das Hans allerdings während des Zweiten Weltkrieges nur noch selten spielt. Eines Tages soll ihn seine Vergangenheit einholen, als nämlich der Sohn von Hans‘ Lebensretter vor der Tür steht und um Zuflucht vor den Nazis bittet.

Liesel freundet sich immer mehr mit Max an, dem Juden, der sich im Keller der Hubermanns versteckt. Immer mehr Zeit verbringt sie bei Max, statt mit ihrem guten Freund Rudi beim Fußball spielen. Dennoch nimmt auch Rudi in Liesels Leben eine ganz wichtige Rolle ein; die beiden verbindet trotz ihres jungen Alters eine tiefe Liebe, die sich Liesel allerdings lange nicht eingestehen kann.

All diese Ereignisse werden überschattet von den Ereignissen des Zweiten Weltkrieges, die zunächst kaum nach Molching vordringen, später allerdings dafür umso schrecklicher. Und zwischendurch muss der Tod immer häufiger loseilen, um die Seelen der Toten einzusammeln. In diesen Jahren hat er viel zu tun, dennoch hat er stets ein Auge auf Liesel, der er gar nicht allzu früh wiederbegegnen möchte …

_Tod auf Abwegen_

Markus Zusak hat sich für seine Erzählerrolle eine ganz besondere Figur herausgesucht, und zwar eine der im zweiten Weltkrieg vermutlich am meist Beschäftigten – den Tod. Doch dieser gerät ein wenig auf Abwege, als er die junge Liesel Meminger das erste Mal sieht. Obwohl er ihr nur dreimal begegnet, weiß der Tod erstaunlich gut über Liesel Bescheid. Das hat er dem glücklichen Umstand zu verdanken, dass er bei der dritten Begegnung Liesels Buch aufsammeln kann, in welchem sie ihre kurze Lebensgeschichte aufgeschrieben hat. Während um sie herum die ganze Welt zusammenbrach, hat Liesel jede Nacht stundenlang geschrieben – eine Geschichte, die nicht nur den Tod fasziniert, sondern auch den Leser. Liesel ist eine Überlebende, oft genug schaut der Tod in ihrer Nachbarschaft, in der Familie und im Freundeskreis vorbei, Liesels Seele jedoch holt der Tod sich erst ganz zum Schluss. Und erst dann kommt es zum ersten kurzen Gespräch zwischen den beiden.

Neben dem Tod ist Liesel die zweite Hauptfigur der Erzählung. Als wir ihr das erste Mal begegnen, ist sie erst neun Jahre alt, dennoch hat sie schon schwere Schicksalsschläge einstecken müssen. Sie wächst bei Pflegeeltern auf – ohne ihren Bruder, der bereits am Anfang des Buches stirbt. Liesel wird schneller erwachsen, als man es ihr wünschen mag. Sie erlebt die Kriegsgräuel hautnah mit, muss geliebten Menschen beim Sterben zusehen und verliert nach und nach viele geliebte Menschen. Als ihre Eltern einen Juden bei sich im Keller verstecken, kümmert sich Liesel nicht nur liebevoll um ihn, sondern sie versteht auch gleich trotz ihres jungen Alters die Schwere dieser Situation und vertraut sich nicht einmal ihrem besten Freund Rudi an. Sie wird erfinderisch, als die Nazis die Häuser auf der Suche nach geeigneten Luftschutzkellern durchkämmen, und rettet Max damit das Leben.

Ihre Liebe zu Büchern, in denen sie sich vollkommen verlieren kann und die es ihr erlauben, in eine andere, faszinierende Welt einzutauchen, macht Liesel noch sympathischer. Und obwohl Liesel eine erstaunliche Entwicklung durchmacht, bleibt sie doch stets glaubwürdig, denn es sind meist einschneidende Erlebnisse, die sie einen Schritt nach vorne in Richtung Erwachsenendasein tun lassen.

_Nicht noch ein solches Buch?!_

„Die Bücherdiebin“ mag das x-te Buch in einer Reihe voller Romane über die NS-Zeit sein, dennoch hebt es sich von der Masse ab. Markus Zusak schreibt frei von Kitsch und berührt dennoch die Herzen seiner Leser – und das, obwohl er selbst keine eigenen Erinnerungen an diese Zeit hat, sondern auf den Erfahrungsschatz seiner Eltern zurückgreifen musste.

Obwohl das Buch direkt im Jahr 1939 zu Beginn des zweiten Weltkrieges einsteigt, bleiben die Kriegserlebnisse längere Zeit eher im Hintergrund. Der Tod bekommt immer mehr zu tun, dennoch stehen weiterhin Liesel Meminger und Rudi Steiner sowie ihre Freundschaft im Vordergrund der Erzählung. Die beiden gehen auf Diebestour, denn der Hunger ist groß. Ein paar Äpfel als Diebesgut sind Belohnung genug für die beiden, auch wenn Liesels ausgehungerter Magen die Nahrungsaufnahme gar nicht verträgt. In die Geschichte eingewoben, klingt also das Elend durch, in dem die Menschen damals gelebt haben. Auch dass Rosa Hubermann die Kunden davonlaufen, weil die meisten Menschen es sich nicht mehr leisten können, sich von ihr die Wäsche waschen zu lassen, ist Zeichen genug. Dennoch geht es vordergründig weiterhin um Liesel, denn der Tod will eigentlich gar nicht so sehr die Geschichte des Krieges erzählen, sondern die der Bücherdiebin, die ihre Zuflucht in den Büchern findet. Lesen ist für sie die Flucht vor Albträumen oder schlimmen Gedanken. Auch im Luftschutzraum während eines Bombenalarms ist es ein Buch, das nicht nur Liesel von der elenden Warterei ablenkt, sondern auch ihre Freunde und Nachbarn. So liest Liesel Kapitel um Kapitel, während die Menschen fürchten müssen, dass währenddessen ihr Hab und Gut weggebombt wird. Doch Liesels Worte lassen die Menschen kurzzeitig in eine fremde Welt flüchten.

„Die Bücherdiebin“ ist nicht einfach nur ein Buch über die NS-Zeit, es ist ein mitreißendes Portrait einer ganz besonderen Buchliebhaberin, die schnell die Herzen aller Leser erobert. Stilistisch ist das vorliegende Werk allerdings oftmals gewöhnungsbedürftig. Einen Einstieg habe ich lange nicht gefunden, weil ich nicht wusste, worauf Markus Zusak hinaus will. Zu kurz waren die ersten Kapitel, als dass ich mich schnell hätte einlesen können. Oftmals sind es mehrere zusammenhanglose Absätze, die auf einer Seite aneinander gereiht sind. Auch die vielen fettgedruckten Passagen, die Randbemerkungen, nähere Erläuterungen oder Personenvorstellungen darstellen bzw. etwas besonders hervorheben sollen, unterbrechen häufig den Lesefluss. Darüber hinaus sind viele Sätze arg knapp geraten, sodass die Sprache teils abgehackt anmutet. Lange braucht es daher, bis das Buch seine volle Faszination entfaltet und man tatsächlich in der Geschichte versinken kann. Dann allerdings sind viele schöne Schätze zu entdecken. Besonders berührt hat mich die Geschichte, die Max für Liesel geschrieben hat. Keinen Zugang habe ich allerdings zu seinen Skizzen gefunden. Ich bin etwas zwiegespalten bei diesem Buch, denn die Grundgeschichte, die Charaktere und viele von Zusaks Erzählungen sind einfach nur schön, doch manche Stilmittel empfand ich bis zum Schluss als störend. So bin ich durchgehend zusammengezuckt, wenn Rosa ihre Pflegetochter mit „Saumensch“ anredet. Die fettgedruckten Absätze sehen zwar durchaus hübsch aus, sie stören aber immer wieder den Lesefluss, zumal sie oftmals inhaltlich wenig zu sagen haben.

Unter dem Strich bleibt dennoch ein überaus positiver Eindruck zurück, obwohl ich denke, dass das Buch eher für Erwachsene und Jugendliche ab etwa 14 Jahren geschrieben ist. Viele Details dürften zu jungen Lesern womöglich verborgen bleiben, zumal sich das Buch nicht immer ganz ‚unanstrengend‘ liest. Wenn man sich aber erst mal auf das Buch eingelassen hat, entdeckt man das ganz Besondere an der „Bücherdiebin“. Markus Zusak ist hier sicher ein ganz großer Wurf gelungen. Nachdem ich das Buch ausgelesen hatte, blieben bei mir ein wenig Trauer zurück, weil ich eine liebgewonnene Freundin verlassen musste, und der Wunsch, noch mehr über Liesel zu erfahren und über die Jahre zwischen ihrer dritten Begegnung mit dem Tod und dem schlussendlich letzten Zusammentreffen, aber das werden wir vermutlich nie erfahren – schade.

|Originaltitel: The Book Thief
Originalverlag: Random House US/UK
Aus dem Englischen von Alexandra Ernst
Ab 12 Jahren
Gebundenes Buch, 592 Seiten|
[Homepage des Autors]http://www.randomhouse.com/features/markuszusak/
[Verlagsspezial]http://www.randomhouse.de/webarticle/webarticle.jsp?aid=10217

Kampmann, Renate – Fremder Schmerz

Band 3: [„Fremdkörper“ 3672

Leonie Simon ist eigentlich Gerichtsmedizinerin, doch offensichtlich reicht ihr dieser Job alleine nicht aus, sodass sie sich in bester Miss-Marple-Manier stets auch in die Arbeit der Polizei einmischt und auf eigene Faust ermittelt. Mit „Fremder Schmerz“ legt Renate Kampmann bereits den vierten Teil in ihrer Leonie-Simon-Reihe vor, die mit „Die Macht der Bilder“ ihren lesenswerten Anfang nahm …

_Das schlägt hohe Wellen_

Wieder einmal vergisst Leonie Simon, die Alarmanlage abzuschalten, bevor sie die Balkontür betätigt. Kaum hat sie sich ihre Klamotten übergeworfen, steht auch schon ihre verängstigte Vermieterin vor der Tür, kurz gefolgt von der Polizei, die erneut aufgrund eines falschen Alarms bei Leonie auftaucht. Doch dieses Mal hat es ein Gutes, denn durch die Polizisten erfährt sie gleich, dass das Haus ihres Kollegen Frank Gotthardt abgebrannt ist. Leonie macht sich sofort auf den Weg, um notfalls ihre Arbeit am Tatort verrichten zu können.

Schnell bestätigen sich Leonies schlimmste Befürchtungen, denn ihr Kollege Frank Gotthardt und seine Frau sind tatsächlich ums Leben gekommen, doch ob wirklich die Flammen daran schuld waren, bezweifelt Leonie sofort. Frank Gotthardt wird zwar in einer Lage aufgefunden, die voreilig auf einen Selbstmord schließen ließe, und auch seine Frau liegt auf der Kellertreppe, als wäre sie rückwärts die Treppe hinuntergestoßen worden. Nach genauerer Untersuchung kommen Leonie jedoch immer mehr Zweifel, denn Claudia Gotthardts Genick ist professionell gebrochen, während weitere Verletzungen, die ein Sturz auf der Treppe mit sich gebracht hätte, fehlen. Und auch die Schmauchspuren an Frank Gotthardts Händen deuten darauf hin, dass jemand anderer hier zu Werke gegangen ist.

Auf eigene Faust ermittelt Leonie und sucht nach Motiven. Zunächst glaubt sie, dass Frank Gotthardt in einem brisanten Fall die gerichtsmedizinischen Untersuchungen gemacht haben muss, doch bald deutet alles darauf hin, als wären Claudia Gotthardts Recherchen über veruntreute Hilfsgelder Auslöser für die schreckliche Tat gewesen. Claudia, die als freie Journalistin gearbeitet hat, war einem handfesten Skandal auf der Spur; so hatte sie herausgefunden, dass Hilfsgelder für die Opfer des Tsunamis gar nicht an den richtigen Stellen angekommen sind.

Als kurz darauf die schwer zugerichtete Leiche eines Zahnarztes gefunden wird, der damals etliche Tsunami-Opfer identifiziert hat, deutet alles auf einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen, dem Leonie Simon auf die Spur kommen möchte, um den Tod ihres Kollegen besser verarbeiten zu können …

_Zu viele Köche verderben den Brei_

Der vorliegende Kriminalroman beginnt mit einem Paukenschlag: Schon in der ersten Szene muss Leonie Simon das ausgebrannte Haus ihres Kollegen betreten, um dort die Leichen der beiden Gotthardts zu untersuchen. Schnell deutet alles auf einen unbekannten Dritten hin, der offensichtlich von den Gotthardts überrascht wurde, die zu früh aus dem Urlaub zurückgekehrt sind.

Leonie, die sich immer noch nicht vollkommen in Berlin eingelebt hat, ist Mitglied einer Gruppe, die ungelöste Kriminalfälle unter die Lupe nimmt, um ein genaues Täterprofil zu erstellen. Beim Treffen liegt die Akte des ermordeten und gefolterten Zahnarztes auf dem Tisch. Schnell finden die Ermittler heraus, dass der tote Zahnarzt genau wie Claudia Gotthardt und Leonie selbst mit Khao Lak verbunden ist, wo damals die Opfer des Tsunamis zu identifizieren waren. Diese Spur ist es, die Leonie sich am intensivsten anschaut, zumal sie selbst die Zeit in Khao Lak noch nicht vollständig verarbeitet hat.

Kurz darauf kommt eine Vermisstenmeldung rein, denn Sina Rauscher-Abramowsky ist verschwunden. Bei dem Namen klingelt es bei Leonie, denn in Claudia Gotthardts Unterlagen war sie bereits auf einen Theo Abramowsky gestoßen, der vor dem Tsunami eine Tauchschule in Khao Lak geführt hatte. Leonie sucht Abramowsky auf, um ihn zur Rede zu stellen, denn zu viele Spuren führen in die gleiche Richtung, als dass wirklich der Zufall im Spiel sein könnte. Abramowsky zeigt sich wenig kooperativ und weicht Leonies Fragen mehr oder weniger geschickt aus, was Leonies Misstrauen ins Unermessliche steigen lässt.

Doch Leonie hat noch mehr auf dem Herzen, denn ihr Bruder Michael ist vor einiger Zeit spurlos verschwunden. Man nimmt an, dass er bei einer Explosion ums Leben kam, doch gefunden wurde von ihm nur ein Finger, sodass Leonie nicht an seinen Tod glauben mag. Wieder einmal ermittelt sie auf eigene Faust und wird tatsächlich auf sehr verschlungenen Pfaden fündig.

Als sie Michael gegenübersteht, hat dieser überraschenderweise Informationen, die Leonie in ihrem Berliner Fall weiterhelfen, denn er weiß mehr über Theo Abramowsky, der gar nicht der ist, für den er sich ausgibt.

Und dann sollte man nicht vergessen, dass ein Mörder, den der Leser früh kennenlernt und der auch Leonie Simon in einer der ersten Szenen über den Weg läuft, sein Unwesen treibt. Ben erbt das Haus seiner Tante, allerdings nur unter der Bedingung, dass er seinen tot geglaubten Großvater im Pflegeheim besucht. Dort findet er einen kauzigen General vor, der keine sonderlich weiße Weste vorzuweisen hat. Denn einst war er ein ehrgeiziger Nazi-Scherge, der seine Vergangenheit nun gerne vergessen machen möchte und mit seinen ehemaligen Nazi-Freunden nichts mehr zu tun haben will.

Renate Kampmann macht viele Baustellen auf in ihrem vierten Leonie-Simon-Roman, sodass der Leser oft genug den Überblick zu verlieren droht. Mitunter eiert ihre Romanhandlung dadurch hin und her, ohne dass man Kampmanns Gedankengängen folgen kann. Hinzu kommen die vielen Zufälle, die nach und nach immer unrealistischer wirken. Dass Leonie Simon plötzlich beschließt, ihren Bruder wiederfinden zu wollen, und dieser dann auch noch einen ganz wichtigen Hinweis liefern kann, fand ich wenig glaubwürdig. Auch dass Kampmann zwei Kriminalfälle parallel abhandeln möchte, obwohl nur einer titelgebend ist und dieser durch die genaue Charakterzeichnung Bens und seiner Familie genügend Stoff für das gesamte Buch hergegeben hätte, fällt negativ auf.

Wie die Autorin den Tsunami und seine schrecklichen Auswirkungen thematisiert, wirkt aufgesetzt. Hierbei geht es der Autorin nicht nur um die Schwierigkeit der Opferidentifizierung, sondern auch um die Schrecken, welche die freiwilligen Helfer noch Jahre später zu verarbeiten haben. Aber damit nicht genug, diskutiert Kampmann auch noch das Problem, dass viele Kriminelle den Tsunami und das anschließende Chaos ausgenutzt haben, um ihr eigenes Verschwinden zu inszenieren. Das sind sicherlich alles spannende Themen, allerdings hätten sie für ein weiteres Buch gereicht.

Denn eigentlich geht es um Ben, seine mysteriöse Krankheit und seinen Wunsch, den Schmerz anderer Menschen genauestens zu analysieren. Er mordet nicht aus Spaß an der Freude, sondern er will genau herausfinden, wie andere Menschen auf Schmerz reagieren. Gleichzeitig muss er sich mit seinem Großvater auseinandersetzen, zu dem er sich auf der einen Seite hingezogen fühlt, der auf der anderen Seite aber auch abstoßend auf Ben wirkt. Und sein Großvater ist auch schuld daran, dass ein skrupelloser Nazi Ben bedroht und ihn zu erpressen versucht.

Renate Kampmann riskiert einen ganz genauen Blick auf Ben und sein Leben, sodass der Mörder uns im Laufe der Geschichte immer vertrauter wird und wir auch immer besser sein Motiv verstehen können. Diese Charakterzeichnung ist der Autorin wirklich gut gelungen, nur geht sie leider ein wenig in einem Wust aus anderen Geschichten unter – schade.

_Leonie auf Abwegen_

Die zweite Person, die im Mittelpunkt des Buches steht, ist natürlich die Gerichtsmedizinerin Leonie Simon, die sich bereits zum vierten Mal in die Ermittlungen der Polizei einmischt. Hinzu kommen aber wie gewohnt zahlreiche persönliche Probleme: So führt Leonie nach wie vor eine Beziehung zu Paul, der in Hamburg arbeitet und immer weniger Zeit für Leonie hat. Doch auch die x-te Ausrede seinerseits macht Leonie immer noch nicht misstrauisch genug, und auch als sie einen abgebrochenen rotlackierten Fingernagel in seiner Wohnung entdeckt, versucht Leonie noch zu retten, was nicht mehr zu retten ist.

Fast zeitgleich hat sie eine Affäre mit einem Journalisten, der sie aber nur auszuhorchen scheint. Auf der Beziehungsebene befindet Leonie sich folglich auf einer echten Talfahrt. Dafür wird ihre Bekanntschaft zur Psychologin Madeleine Quast immer intensiver. Quast vertraut Leonie nach und nach ihre Probleme an und wird dadurch fast zu einer guten Freundin und Vertrauten. Die hat Leonie aber auch bitter nötig, denn auch der pubertierende Sohn einer Bekannten sucht in Berlin verzweifelt Hilfe von Leonie, die mit der Situation offensichtlich völlig überfordert ist.

In der Rückbetrachtung frage ich mich immer mehr, wie Renate Kampmann es geschafft hat, all diese Aspekte in einem nur knapp 500-seitigen Kriminalroman unterzubringen; vielleicht hätte sie wirklich gut daran getan, zwei Bücher aus dieser Geschichte zu machen.

_Lesenswert mit Schönheitsfehlern_

Insgesamt fühlte ich mich trotz allem recht gut unterhalten vom vorliegenden Roman. Kampmann thematisiert zwei für sich genommen sehr interessante Kriminalfälle, die nicht nur spannend sind, sondern auch brisante Themen aufgreifen. Ihre Charakterzeichnung überzeugt auf ganzer Linie, auch wenn Leonies hartes Schicksal mitunter etwas dick aufgetragen wirkt.

Der größte Kritikpunkt ist sicherlich die völlige Überfrachtung der Geschichte, die leider einen roten Faden oft vermissen lässt und dazu führt, dass die Spannung nie so richtig ansteigen kann. „Fremder Schmerz“ ist sicherlich nicht der beste Roman der Leonie-Simon-Reihe, obwohl er viel Potenzial hatte. Unter dem Strich bleibt ein eher durchschnittlicher Eindruck zurück und die Hoffnung, dass sich Renate Kampmann beim nächsten Mal wieder steigert.

|496 Seiten Hardcover|
http://www.ullsteinbuchverlage.de/listhc/

Vlugt, Simone van der – Finsternis

„Finsternis“ ist der inzwischen dritte Thriller der niederländischen Senkrechtstarterin Simone van der Vlugt, die mit „Klassentreffen“ und „Schattenschwester“ zwei packende Psychothriller vorgelegt hat. Ähnelte „Schattenschwester“ dem Debütwerk noch auffallend stark, wagt sich van der Vlugt mit dem vorliegenden Thriller nun an eine ganz andere Thematik heran. Ob ihr dieser Ausflug in die Verschwörungsthrillerecke allerdings gelungen ist, bleibt nachzuprüfen …

_Howard Carters Erben_

Durch Zufall macht der niederländische Archäologe Nicolaas Bogaards in Karnak eine unglaubliche Entdeckung. Er findet einen geheimen Durchgang und eine geheime Kammer, in die er alleine eindringt, um sich diese Eroberung von niemandem streitig machen zu lassen. Anschließend verschwindet er allerdings spurlos.

In einer Kneipe lernt die Maklerin Birgit einen gutaussehenden Kerl kennen – als Jef stellt er sich vor und rettet sie beherzt aus einer unangenehmen Situation. Schnell sind die beiden sich einig und vergnügen sich in Birgits Wohnung. Die beiden verbringen eine heiße Nacht und einen wunderschönen Tag, doch danach verschwindet auch Jef ohne eine Nachricht. Birgit kommt die Idee, ihn in einem der leerstehenden Häuser zu suchen, die sie vermitteln will und die sie Jef gezeigt hatte. Und tatsächlich spürt sie ihn auf. Kurz nach ihr taucht allerdings ein mysteriöser Fremder auf, der bewaffnet ist und offensichtlich Böses im Schilde führt. Die beiden können dem Fremden gerade noch einmal entfliehen. Als Birgit Jef zur Rede stellt, erzählt er ihr, dass er auf der Suche nach seinem Vater ist, dem bekannten Archäologen Nicolaas Bogaards, den er nicht mehr erreichen kann.

Gemeinsam fliegen die beiden nach Ägypten, dicht gefolgt vom bewaffneten Fremden, der immer noch nach ihrem Leben trachtet. Auf der Ausgrabung lernen die beiden Nicolaas‘ Vertraute und gute Freundin Frances kennen, die den beiden die geheime Kammer zeigt, in der sich offensichtlich die Bundeslade befunden hat. Damit ist Bogaards Entdeckung eine wirklich großartige. Doch kurz nach dem gefährlichen Ausflug in die geheime Kammer wird Frances ermordet und Birgit und Jef befinden sich wieder auf der Flucht. Dieses Mal verschlägt es sie nach Frankreich, wo Jef einen guten Freund seines Vaters sucht, der vielleicht ein wenig Licht in die Sache bringen kann. In Frankreich jedoch treffen die beiden nicht nur ihren bekannten Widersacher wieder, sondern stehen plötzlich noch weiteren Menschen gegenüber, die nach ihrem Leben trachten…

_Auf Dan Browns Spuren_

Nach ihren beiden doch sehr ähnlichen (wenn auch sehr spannenden) Psychothrillern wagt sich Simone van der Vlugt an etwas ganz anderes heran. Ich hatte zwar wieder einen guten Psychothriller erwartet, fand mich dann aber plötzlich in einem Verschwörungsthriller wieder, der sich recht schnell um die Diskussion rund um die Bundeslade dreht. Löblich natürlich, dass die Autorin ein ganz anderes Genre erobern möchte, doch leider geht hier viel schief und sie orientiert sich in vielen Dingen zu sehr an Dan Brown…

Zunächst lernen wir Birgit und Jef kennen, die schon in der ersten Nacht übereinander herfallen und anschließend das direkte Pendant zu Robert Langdon und Vittoria Vettra bzw. Sophie Neveu darstellen. Die beiden reisen von einem exotischen Ort zum nächsten und kommen dabei einem unglaublichen Geheimnis immer näher auf die Spur. Der Schreibstil der Autorin ist dabei ähnlich kurz angebunden wie bei Dan Brown, obwohl sie zugegebenermaßen mit ihrer Story keine solche Faszination entwickelt, wie Brown es bislang meist geschafft hat. Zu ausgeluscht fand ich auch die Geschichte rund um die Bundeslade, die in Indiana Jones zudem deutlich interessanter und vor allem unterhaltsamer dargestellt wird…

Aber auch im Folgenden bedient sich van der Vlugt weiterer Brownscher Elemente, so präsentiert sie uns zum Ende natürlich den Bösewicht, der das Geheimnis um die Bundeslade wie seinen Augapfel hütet, doch leider identifiziert man ihn sehr schnell, da man ja bereits weiß, dass in einem solchen Buch der beste Freund am Ende zum Feind und zum Strippenzieher hinter all dem Schrecken wird. So bleibt natürlich das Überraschungsmoment völlig aus und weicht eher einem Gähnen ganz nach dem Motto „hab ich es doch geahnt“.

Und natürlich verstrickt die Autorin sich ganz wie ihr männliches Vorbild in abstrusesten physikalischen Verstrickungen und Theorien. So handelt es sich bei der Bundeslade um die schrecklichste Waffe schlechthin, denn die Kiste ist mit einem Pulver gefüllt, das High-Spin-Zustände erzeugen kann. Diese High-Spin-Kerne sorgen dafür, dass sich alle Elektronen mit Höchstgeschwindigkeit synchron bewegen und zu einem Pulver zerfallen, das supraleitende Eigenschaften hat. Dieser Supraleiter kann dann Energie über weite Strecken übertragen und zwar ohne einen elektrischen Leiter. Verbindet man nun zwei Supraleiter, entsteht ein Magnetfeld. Hier will van der Vlugt nicht weiter vertiefen, sondern wirft nur Begriffe wie Quantenkohärenz und das Meißner-Feld in den Raum, in letzterem kann man unbegrenzt Energie speichern. Aktiviert wird der Supraleiter mittels Magnetfeld, in dem dann Energie wie in einem Perpetuum mobile in fortwährender Bewegung begriffen ist. Aufgrund dieser erstaunlichen Eigenschaften ist nun also unendlich viel Energie in der Bundeslade gespeichert, die eine unvorstellbar große Spannung aufbaut, die sich in dem Moment entlädt, wenn sich jemand der Bundeslade zu sehr nähert. Und daher handelt es sich bei der Bundeslade um die tödlichste aller Waffen. So weit, so „interessant“. Leider vergisst die Autorin in ihrer Danksagung zu erwähnen, von welchem Berater sie diese spannende Theorie mitgeteilt bekommen hat…

Inhaltlich greift Simone van der Vlugt meiner Meinung nach folglich total daneben. Sie kupfert nicht nur handwerklich schlecht vieles schon Dagewesene ab, sondern übertreibt es mit ihren Theorien dann leider, wie Dan Brown es vor ihr mit seinen Superakkus und der Antimaterie ebenfalls getan hat.

_Klischees!_

Auch figurentechnisch begnügt Simone van der Vlugt sich mit lieblosen Schablonen. Sie bringt ein junges, gutaussehendes Pärchen aufs Tapet, das dann todesmutig durch die halbe Weltgeschichte reist, immer dicht verfolgt von einem bewaffneten Killer. Beide Hauptfiguren haben für mich im Laufe der Geschichte keinerlei Format erhalten. Natürlich sind beide mit einer wahrlich tragischen Biografie ausgestattet, so ist Birgit nur gezeugt worden, um ihre Leukämie-kranke Schwester zu retten. Ihre ganze Kindheit war Birgit daher nur Spenderin für ihre Schwester, hat ihr Knochenmark und am Ende auch eine Niere gespendet, aber auch Jef steht mit seiner verkorksten Familiengeschichte dem Ganzen in kaum etwas nach. Derlei tragische Geschichten drücken mir wiederum zu sehr auf die Tränendrüse und wirken meiner Meinung nach auch völlig überzogen, sodass ich mich in keiner Situation mit Birgit identifizieren konnte. Hinzu kommt, dass man von vornherein ja weiß, dass diesen beiden blassen Charakteren ohnehin nichts passieren wird und daher auch kaum Spannung aufgebaut wird.

_Netter Versuch, allerdings völlig gescheitert_

Wie gesagt, ich rechne es Simone van der Vlugt hoch an, dass sie mal etwas ganz Neues versucht hat, nachdem ihr zweiter Thriller dem ersten doch zu sehr ähnelte und sie in diesem Genre offensichtlich keinerlei neue Ideen mehr zu Papier gebracht hätte. Was sie uns hier präsentiert, grenzt allerdings schon fast an eine Unverschämtheit. Die Grundstory ist dermaßen ausgelutscht, dass sie einen kaum packen kann, sondern nur noch zum Gähnen animiert und wenn van der Vlugt uns dann am Ende ihre kuriosen Theorien auftischt, ist man kurz davor, das Buch an die Seite zu legen. Im übrigen wirkt das ganze Buch ziemlich ideenlos, da die Parallelen zu anderen Schriftstellern und Büchern so offensichtlich sind, dass der Wiedererkennungsfaktor viel zu hoch ist. Bei „Finsternis“ ist der Name wirklich Programm, finster ist dieses Buch wie es finsterer kaum sein kann …

http://www.diana-verlag.de

_Simone van der Vlugt auf |Buchwurm.info|:_

[„Schattenschwester“ 3625
[„Klassentreffen“ 3850

Soininvaara, Taavi – Finnischer Tango

[„Finnisches Requiem“ 1909
[„Finnisches Quartett“ 2988
[„Finnisches Blut“ 3465

_Vom Gefolterten zum Folterer_

In Camp Bucca wird Adil al-Moteiri qualvoll gefoltert. Doch er übersteht die Erniedrigungen und Qualen schwer verletzt. Anschließend ist er allerdings nicht nur körperlich gekennzeichnet, sondern er will dieses Unrecht wieder gutmachen …

Eeva Hallamaa, ehemals drogenabhängig, hat dagegen einigermaßen ins Leben zurückgefunden. Nach dem Sorgerechtsstreit um ihre Tochter Kirsi und der gescheiterten Beziehung zu Adil al-Moteiri ist sie glücklich in ihrer Partnerschaft mit Mikko, der allerdings nur unter der Bedingung mit ihr zusammen ist, dass Eeva keine Drogen mehr nimmt. Als sie eines Tages im Dezember in ihre Wohnung zurückkehrt, stimmt etwas nicht, sie spürt sofort, dass etwas anders ist. Und richtig: Ein Mann, der sich als „der Türke“ vorstellt, bedroht sie und setzt vor ihren Augen einem bekannten Drogendealer den goldenen Schuss. Der Türke trägt Eeva auf, der Polizei eine Botschaft zu übermitteln, und zwar soll sie ihnen sagen, dass Wassili Arbamov den europäischen Drogenmarkt erobern möchte. Noch ahnt Eeva allerdings nicht, dass ihr Alptraum erst begonnen hat.

Sie flüchtet sich zu Arto Ratamo, den sie in der Vergangenheit kennen und schätzen gelernt hat, weil Kirsi mit Ratamos Tochter Nelli gut befreundet ist. Arto Ratamo glaubt Eevas Schilderung, doch als sich in ihrer Wohnung außer Spuren von Amphetamin nichts findet, beginnt auch Ratamo, skeptisch zu werden. Der tote Drogendealer wird später gefunden – mit Spuren aus Eevas Wohnung direkt an der Leiche, und erschossen wurde er mit der Waffe von Eevas Vater. Eeva rutscht ungewollt in eine schier ausweglose Situation. Bald wird sie wieder vom Türken bedroht, der weitere Pläne mit ihr hat. Doch noch weiß sie nicht, dass hinter allem ihr Exfreund al-Moteiri steckt, der einen wahrlich teuflischen Plan ausgeheckt hat, bei dem Eeva eine entscheidende Rolle spielen soll …

_Rasant_

Der finnische Erfolgsautor Taavi Soininvaara spinnt erneut seine spannende Reihe um Arto Ratamo weiter. Ratamo, der früher als Wissenschaftler gearbeitet hat, ist nun schon seit geraumer Zeit bei der SUPO, der finnischen Sicherheitspolizei. Seine ehemalige Liebe Riitta Kuurma kehrt nach ihrem Dienst bei Europol in die finnische Hauptstadt zurück, und Ratamo merkt, dass Riitta die Trennung noch nicht vollkommen verkraftet hat. Arto Ratamo jedoch steckt bereits in einer neuen Beziehung, in der er zwar glücklich ist, doch Ilona möchte gerne eine Familie gründen und mit Ratamo zusammenziehen; das allerdings ist Ratamo zu viel der Nähe, sodass er ins Zweifeln gerät, ob diese Beziehung wirklich das Richtige ist oder ob er womöglich einfach beziehungsunfähig ist. Gleichzeitig hadert er mit seiner Freundschaft zu Eeva Hallamaa, die schwer belastet wird durch all die Indizien, die gegen sie sprechen und auch Ratamo an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln lassen.

Schon im Prolog nimmt die Geschichte Fahrt auf, denn wir lernen Adil al-Moteiri kennen, der schwerste Folterungen zu erdulden hat, diesen aber standhält und neue Pläne schmiedet, wir erfahren, dass er nun einen Weg einschlagen will, von dem es kein Zurück mehr gibt. Doch was genau al-Moteiri plant und welche Rolle Eeva Hallamaa, seine Exfreundin, dabei spielt, das bleibt sehr lange Zeit im Dunkeln. Nur häppchenweise erfahren wir von Taavi Soininvaara, welche Figuren in den Plan verwickelt und welche teuflischen Anschläge auf die Menschheit geplant sind.

Erst kurz vor Ende erfahren wir dann aber, was genau das oberste Ziel al-Moteiris ist, und sind genauso schockiert wie die Polizisten, die kurz vor knapp ebenfalls herausbekommen, was al-Moteiri vorhat. Der Spannungsbogen setzt von Beginn an ein, steigert sich dann immer mehr, um schließlich im großen Finale seinen Höhepunkt zu erreichen. Soininvaara schafft es daher wieder einmal, seine Leser völlig zu fesseln und in seine Geschichte eintauchen zu lassen. So musste ich das Buch auch in wenigen Tagen verschlingen, um endlich zu erfahren, was al-Moteiris Plan ist.

_Gut gegen Böse_

Insbesondere Eevas Rolle in al-Moteiris Plänen verleiht der Geschichte ihren besonderen Reiz. Wir wissen, dass Adil al-Moteiri Eeva immer noch liebt, gleichzeitig bringt er sie aber in eine ausweglose Lage; er lässt Reste von Amphetaminen in ihrer Wohnung verteilen, obwohl er weiß, dass Eeva dadurch höchstwahrscheinlich ihren Job an der Uni sowie das Sorgerecht für ihre Tochter verliert. Er hetzt den Türken auf Eeva und versetzt sie dadurch in Angst und Schrecken, er legt falsche Fährten, die Eeva stets als Schuldige dastehen lassen, und versteckt schlussendlich kiloweise Drogen in Eevas Wohnung und im Atelier ihres Lebensgefährten. Wieso al-Moteiri das seiner Geliebten antut, bleibt lange im Dunkeln. Eeva Hallamaa wird dadurch zur Sympathieträgerin, da der Leser ja weiß, dass sie unschuldig und ohne ihr Zutun in diese Situation geraten ist. Wieso Eeva der Schlüssel zum Gelingen von al-Moteiris Plan ist, fand ich zwar arg unlogisch, doch über diesen kleinen Schönheitsfehler mag man hinwegsehen.

Der zweite Sympathieträger ist wieder einmal Arto Ratamo, der vom Unglück verfolgt zu sein scheint. Seine Beziehungen scheitern der Reihe nach, seine Tochter Nelli war wochenlang krank, sodass Ratamo sich große Sorgen um sie macht und den Ergebnissen ihrer Blutuntersuchung ängstlich entgegenblickt, und dann macht er sich auch noch wiederholter Dienstvergehen schuldig, um seine Freundin Eeva Hallamaa zu decken. Ratamo hat wirklich das Potenzial, einen Wallander abzulösen, zumal in der Tat einige Parallelen zu entdecken sind. Und mir scheint, ein Krimi- oder Thrillerheld muss einfach eine tragische Figur sein, die nie zum Happy-End gelangen wird. Und da passt Arto Ratamo hervorragend ins Profil, obwohl er am Ende natürlich stets als mehr oder weniger gefeierter Held dasteht. Mit Ratamo hat Taavi Soininvaara eine Figur geschaffen, die durchaus eine längere Thrillerreihe trägt, weil sie Ecken und Kanten besitzt, stets glaubwürdig bleibt und uns so nahe gebracht wird, dass wir immer mitfiebern und mitleiden. Das ist mal wieder ganz großes Kino.

Neben den Sympathieträgern baut Soininvaara auch die unliebsamen Gestalten zum Teil weiter aus und stellt Ratamo bei der SUPO zwei ungeliebte Gegenparts gegenüber, mit denen Ratamo immer wieder in Clinch geraten kann und die nach und nach immer sympathischer werden – herrlich!

_Wenn Frisuren zu Hauptdarstellern werden_

Auch sprachlich überzeugt Taavi Soininvaara. Obwohl seine Bücher ausgesprochen spannend geschrieben sind, nimmt Soininvaara sich dennoch ab und an die Zeit, um seine Situationen durch nette Metaphern oder Ironie aufzulockern. Insbesondere in der Figurenbeschreibung macht sich das bemerkbar, ein Beispiel:

|“Sie machte einen ganz ruhigen Eindruck und klopfte mehrmals leicht auf ihre massive Frisur, die heute gewissermaßen haargenauso aussah wie ein Hexenbesen am Ast einer Birke.“|

Doch die misslungene Frisur von Arto Ratamos Chefin ist Hauptdarstellerin in einer weiteren Situation:

|“[…] und Arto Ratamo beobachtete interessiert, wie sich ihre massive Haartracht in der Waagerechten verhalten würde. Die Stützkonstruktion hielt, stelle er enttäuscht fest, das imposante tütenförmige Gebilde wackelte kaum, während die Chefin der SUPO vorsichtig Kaffee schlürfte.“|

So gerät das vorliegende Buch nicht nur zu einem spannenden Pageturner, sondern auch noch zu einem vergnüglichen Leseerlebnis, denn Soininvaara trifft stets den schmalen Grat zwischen locker-flockiger Figurenzeichnung und den spannenden Passagen, die natürlich von derlei Schnickschnack verschont bleiben.

_Ein teuflischer Plan_

Auch die Hauptstory überzeugt über weite Teile. Taavi Soininvaara greift verschiedene Probleme auf; so thematisiert er unter anderem den europäischen Drogenhandel. Er beschreibt, auf welchen Wegen die Drogen nach Europa geschmuggelt und dort weiterverbreitet werden, um immer mehr Menschen drgenabhängig zu machen – und das offensichtlich sehr erfolgreich, denn die Strippenzieher schwimmen im Geld, sodass Arbamov eine Erpressung um 25 Millionen Euro eigentlich ganz gut verkraften kann.

Die Drogen sind aber nur ein Schauplatz, denn auch der Konflikt zwischen den islamischen Staaten und den westlichen Mächten ist ein weiterer Themenschwerpunkt. Adil al-Moteiri kämpft als Vertreter des Islams für das Recht seines Volkes, außerdem möchte er vergelten, was seiner Familie widerfahren ist. Dabei bewegt er andere Menschen wie Bauern auf einem Schachbrett und opfert das Leben seiner Mitmenschen, ohne dabei mit der Wimper zu zucken. Nach und nach wird einem immer klarer, dass al-Moteiri vor nichts zurückschreckt, was am Ende die islamischen Staaten allerdings auch wieder als die einzig Bösen hinstellt. Taavi Soininvaara baut jedoch ein Feindbild auf, das durchaus glaubwürdig ist; er macht sehr deutlich, welch schreckliches Elend einzelne Terroristen erzeugen können, wenn sie zu viel Macht und Geld erlangen …

_Darf ich bitten?!_

Unter dem Strich ist Taavi Soininvaara erneut ein erstklassiger Thriller gelungen, der von der ersten Seite an fesselt und mit überzeugenden und authentischen Charakteren aufwarten kann. Nicht nur sprachlich, sondern auch thematisch unterhält Soininvaara seine Leser gut, auch wenn seine Geschichte an manchen Stellen ein wenig hakt (mir erschien Eevas Rolle und Mithilfe dann doch etwas zu konstruiert). Vielleicht nicht allerbeste Sahne, aber insgesamt dennoch verdammt lesenswert!

http://www.aufbauverlag.de

Burger, Wolfgang – Schwarzes Fieber

Eigentlich wollte Kripochef Andreas Gerlach zwei Sommerwochen mit seinen beiden Töchtern in Portugal verbringen, um dort seine Eltern zu besuchen. Doch ein Wasserrohrbruch im Haus seiner Eltern macht dem geplanten Urlaub einen Strich durch die Rechnung. Stattdessen leidet die Familie Gerlach unter dem erneuten Jahrhundertsommer in Heidelberg. Während Andreas Gerlach versucht, sich trotz tropischer Temperaturen zu sportlichen Aktivitäten aufzuraffen, und seine Töchter sich derweil um ein Pferd kümmern, liest Gerlach in der Zeitung von einer verunglückten Motorradfahrerin, die mit schweren Verletzungen auf dem Weg zum Heidelberger Aussichtsberg, dem Königstuhl, gefunden wurde. Dass es sich bei der Verunglückten gar nicht um eine Motorradfahrerin handelt, erfährt Gerlach erst nach seinem Urlaub.

Die schwer verletzte Frau liegt im Krankenhaus, spricht jedoch kein Wort. Ihre Identität bleibt daher genauso im Dunkeln wie ihre Herkunft und die Frage, wie sie schwer verletzt im Graben neben der Straße landen konnte.

Kurz darauf entdeckt ein Ehepaar auf seinem Grundstück in Heidelberg die stark verweste Leiche eines Farbigen. In dessen Hosentasche findet sich das erste wichtige Beweisstück, nämlich ein Streichholzbriefchen aus einer Kneipe, in der die Kneipenwirtin sich tatsächlich an den Farbigen erinnern kann. Ihre Mithilfe ist es schließlich, die die Polizei auf die erste heiße Spur bringt. Dank der Kneipenwirtin kann die Polizei die Wohngemeinschaft ausfindig machen, in welcher der Schwarze vor seinem Tod gewohnt hat. So ist zumindest dieser Tote identifiziert, und die Spur führt die Polizei nach Angola, das Heimatland des Toten.

Derweil schwebt die verunglückte Unbekannte in Lebensgefahr, denn mehrfach schleicht sich ein Typ im Anzug an ihr Krankenbett, kann jedoch glücklicherweise immer rechtzeitig aufgescheucht und vertrieben werden. Doch wer ist der Anzugtyp, der offensichtlich das zu Ende bringen möchte, was er am Königstuhl begonnen hat? Als eine Faser, die bei der Toten gefunden wurde, als Haar einer Perücke identifiziert werden kann, ist die Polizei endlich in der Lage, ein besseres Foto der Unbekannten zu veröffentlichen, und tatsächlich bringt dies den Durchbruch und ihre Identifikation. Auch sie stammt aus Angola – was hat die Unbekannte mit dem Toten zu tun und wer trachtet ihr weiterhin nach dem Leben?

Wolfgang Burger hat das Verbrechen ins beschauliche und weltberühmte Heidelberg gebracht. Die wunderschöne Stadt am Neckar ist Schauplatz seiner Krimireihe rund um Alexander Gerlach, der nach dem Tod seiner Frau zusammen mit seinen zwei Töchtern im Nordbadischen wohnt und bei der Polizei arbeitet. Dieses Mal hat er wieder einen sehr vertrackten Fall zu lösen, denn zwei vermeintlich unzusammenhängende Kriminalfälle kann er langsam aber sicher miteinander in Verbindung bringen.

Wie gewohnt tappt die Polizei zunächst lange im Dunkeln, wodurch Burger einiges an Spannung aufbaut, zumal die Unbekannte im Krankenhaus weiterhin bedroht wird. Welches Geheimnis verbirgt sie, das der Mann im Anzug gerne auslöschen möchte? Es ist eine mühsame Schnitzeljagd, auf die Gerlach und seine Kollegen sich begeben müssen.

Umrahmt wird dieser Kriminalfall von Gerlachs Sorgen um seine beiden Töchter, die sich in den Ferien um ein Pferd kümmern und dabei ihre Liebe zu diesen Tieren entdecken. Die beiden umsorgen liebevoll jeden Tag ihr Pflegepferd und wollen nun all ihr Taschengeld sparen, um sich selbst ein eigenes Pferd anschaffen zu können. Und so löchern sie ihren Vater unentwegt und fragen ihn so lange nach Geld, bis er sich schließlich mit seinen beiden hartnäckigen Töchtern aufmacht in die Zweiburgenstadt Weinheim an der Bergstraße, um dort ein Pferd zu begucken, in das die beharrlichen Töchter sich auch sogleich verlieben. Das eigene Pferd ist dann schnell gekauft, obwohl es ein großes Loch in Gerlachs Brieftasche reißt, doch sieht er auch die positive Entwicklung seiner Töchter, die sich verantwortungsbewusst zeigen und dank des Pferdes auch einiges an Bewegung bekommen.

So entwickelt Wolfgang Burger ganz nebenbei seinen Hauptcharakter weiter und beschreibt Alexander Gerlachs Privatleben ausgesprochen detailreich. Leider ist das auch die einzige Geschichte, welche die Ermittlungen umrahmt, sodass Gerlach der einzige Polizist ist, der uns näher gebracht und der uns daher sympathisch wird. In Gerlachs Charakterzeichnung investiert Burger zwar viel, dennoch hätte ich mir gewünscht, dass er sich nicht alleine auf seinen Krimihelden beschränkt.

Im Mittelpunkt stehen allerdings weiterhin der Mord an dem Schwarzen und der Fall um die afrikanische Unbekannte. Mithilfe des Botschafters in Angola kommt die Polizei Schritt für Schritt weiter, denn der Botschafter erweist sich als ein echter Dr. Watson, der die Polizei mit wichtigen Informationen füttern kann. Mit seiner Hilfe erfährt die Polizei bald den Grund für die Einreise der Unbekannten. Ein schlimmes Schicksal hat sie in Angola ereilt, das sie nun in Deutschland rächen möchte, doch nun ist ein Killer ihr auf der Spur, wodurch die Jägerin zur Gejagten wird.

Nebenbei erfährt der Leser von einer mysteriösen Einbruchserie im Odenwald, bei der in Häuser eingebrochen wird, deren Bewohner zurzeit im Urlaub sind. Und obwohl die Bewohner an alles gedacht haben, ihren Briefkasten regelmäßig leeren lassen und dafür sorgen, dass immer wieder Licht im Hause angemacht wird, werden sie ausgeraubt. Diese Einbruchserie gibt der Polizei viele Rätsel auf, und Gerlachs gute Seele von Sekretärin ist es schließlich, die den Fall lösen kann. Leider hat dieser rein gar nichts mit dem eigentlichen Kriminalfall zu tun, was ich ausgesprochen schade fand, denn so ist die Einbruchserie nur schmückendes Beiwerk.

All die Ermittlungen spielen sich im schönen Nordbaden ab, das wieder einmal von einem Jahrhundertsommer heimgesucht wird. So kann sich Gerlach auch kaum zum Radfahren aufraffen, weil es einfach viel zu heiß ist, um sich sportlich zu betätigen. In diese sommerliche Idylle platzt die spannende Ermittlung, die Wolfgang Burger durch geschickt platzierte Hinweise immer am Laufen hält. Dadurch erhöht sich nach und nach die Spannung, die schließlich in einem Cliffhanger auf Seite 193 gipfelt, auf der Gerlach ankündigt, den entscheidenden Fehler begangen zu haben, der zu weiteren Todesfällen führen wird. Leider löst sich nicht wirklich auf, welcher entscheidende Fehler Gerlach unterlaufen ist; man kann sich zwar einiges zusammenreimen, aber mir ist nicht klar geworden, wie er die weiteren Taten hätte verhindern können.

Zum Showdown begibt Gerlach sich schließlich nach Sardinien, wo der Fall aufgeklärt und zum Abschluss gebracht wird. Für seine Schauplätze hat sich Burger wirklich schöne Orte ausgesucht, die den Fall gut umrahmen. Wir begleiten Gerlach gerne auf seinen Touren rund um Heidelberg, entlang der Bergstraße und schließlich bis nach Sardinien. Zu viel des Lokalkolorits ist es allerdings nicht; Burger verwendet lokalspezifische Informationen recht wohldosiert, sodass auch Ortsfremde sich gut zurechtfinden werden.

Auf den ersten Blick gefällt der vorliegende Kriminalroman recht gut, doch bei genauerer Betrachtung finden sich auch einige Punkte, die störend wirken. Zum ersten ist das die spärliche Charakterzeichnung, die sich auf Gerlach beschränkt. Zum zweiten ist es die überflüssige Einbruchserie, und zum dritten sind es viele Zufälle, die schließlich zur Lösung des Falles führen. So kann sich die Kneipenwirtin nicht nur fünf Wochen nach dem Kneipenbesuch des Schwarzen an ihn erinnern, auch der beherzte Einsatz des Botschafters in Angola, ohne den die Heidelberger Polizei ganz schön alt ausgesehen hätte, ist schon durchaus beachtlich. Und schlussendlich ist es die privat aufgestellte Radarfalle eines Fanatikers, die zur Identifikation des Mörders führt. Hier kommen zu viele unwahrscheinliche Ereignisse zusammen, worunter die Spannung ein wenig leidet. Auch die Vorgeschichte in Angola wirkt ein wenig aufgesetzt, obwohl sie ein durchaus heikles Thema aufgreift, das den Leser nachdenklich stimmt.

So bleibt unter dem Strich ein positiver Eindruck zurück, der durch einige Kleinigkeiten zwar getrübt wird, dennoch würde ich immer wieder zu einem Heidelbergkrimi aus der Feder Wolfgang Burgers greifen.

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Remin, Nicolas – Gondeln aus Glas

Aller guten Dinge sind drei? Das bleibt zu überprüfen. Feststeht, dass Commissario Tron in „Gondeln aus Glas“ seinen dritten Fall löst – und wir dürfen live dabei sein. Nicolas Remin hat sich mit seiner Kriminalreihe im historischen Venedig dank seiner sympathischen Charaktere und seines unvergleichlich liebevollen Schreibstils in die Herzen seiner Leser geschrieben, und nun ist sein dritter Fall auch endlich als Taschenbuch erschienen.

_Echt oder nicht echt? Das ist hier die Frage!_

Marie Sophie, die Königin der beiden Sizilien, ist in Geldnot, wie praktisch also, dass sie über die Kopie eines kostbaren Tizian verfügt, die darüber hinaus dank ihrer geringen Größe praktisch zu transportieren ist. So informiert sie Oberst Orlow davon, dass sie diese Kopie an den Kunsthändler Kostolany in Venedig verkaufen will – natürlich inkognito, also reist sie als Signora Caserta nach Venedig.

Doch Kostolany trifft in seinem eigenen Laden auf seinen Mörder, der es offensichtlich nur auf eines abgesehen hat, nämlich den kostbaren Tizian, der als einziges Gemälde verschwindet. Die Königin Maria Sofia de Borbone ist in heller Aufregung, denn sie braucht für ihre Zwecke dringend Geld und will deswegen in Venedig bleiben, bis sich der Tizian wieder angefunden hat.

Das ruft Commissario Tron auf den Plan, der sich geschwind auf die Suche nach dem Mörder Kostolanys macht und sich damit auch auf die Spur des Tizians begibt. Begleitet wird er bei diesem nicht ganz einfachen Unterfangen von seinem Kollegen Sergente Bossi, der mit unglaublicher Kombinationsgabe sofort darauf schließt, dass es sich bei Signora Caserta um die Königin von Sizilien handeln muss. Tron spielt das Spiel mit und gaukelt Bossi vor, dass er dies auch längst bemerkt habe, obwohl er sich in Wahrheit von ihr täuschen ließ. Doch schließlich fällt auch ihm die Ähnlichkeit zwischen Marie Sophie und der Kaiserin Elisabeth von Österreich auf – ihre Schwester.

Der verschwundene Tizian ist allerdings wie üblich nicht das Einzige, was Tron auf dem Herzen liegt, denn seine Mutter plagen immer noch die Geldsorgen und der Palazzo Tron verfällt mehr und mehr. Trons Mutter fasst daher große Pläne mit ihrer künftigen Schwiegertochter, der Principessa di Montalcino, die über das nötige Kleingeld verfügt, um günstiges Pressglas herzustellen und unter dem Markennamen Tron venezianisches Glas in großem Kaliber zu vermarkten. Um die Produktion des Pressglases gebührend zu feiern, planen die beiden geschäftstüchtigen Damen einen großen Ball. Als die beiden hören, dass die Königin von Sizilien in Schwulitäten ist und ausgerechnet Tron ihr bei ihren Sorgen behilflich sein kann, wittern sie Morgenluft. Sie legen Tron mehr als nahe, dass er den Tizian rechtzeitig wiederzufinden habe, damit die Königin aus Dankbarkeit und als werbewirksame Figur auf dem Ball erscheinen kann. So rennt Tron die Zeit davon, zumal Kostolany nicht das einzige Todesopfer bleiben soll …

_Tödlicher Tizian_

Zur Abwechslung treffen wir in diesem Kriminalroman nicht auf die Kaiserin von Österreich, sondern auf ihre Schwester Marie Sophie, die ein delikates Geheimnis mit sich trägt, das sie nun in große Schwierigkeiten bringen soll. Kostolany ist der Erste, der in diesem Buch sein Leben lassen soll, doch längst nicht der Letzte, denn nicht nur Marie Sophie verschweigt etwas, es sind noch weitere Verschwörungen am Werke, die der Mörder nun unter dem Deckmantel des Tötens verhüllen möchte.

Dummerweise werden die Toten immer zu den für Tron ungünstigsten Zeitpunkten aufgefunden, denn stets stellt er sich gerade auf ein kleines Schäferstündchen mit seiner Verlobten ein, die dank des Pressglases kaum noch Zeit für ihren Liebsten hat, doch immer wieder werden die beiden durch schlechte Nachrichten gestört. Zunächst treten die Ermittlungen auf der Stelle, Tron befragt die Kunden, die am Todesabend bei Kostolany gewesen sind. Dabei spürt er zwar einen aufgebrachten Kunden auf, der durchaus ein Tatmotiv haben könnte, doch schon am Großfürsten Troubetzkoy beißt Tron sich die Zähne aus. Denn dieser kommt Tron und Bossi zwar dubios vor, allerdings sehen Trons Vorgesetzte es gar nicht gerne, dass er Troubetzkoy in den Kreis der Verdächtigen aufnimmt.

Durch den sachdienlichen Hinweis eines anderen Kunsthändlers ist der verschwundene Tizian schnell identifiziert und aufgefunden. Problematisch ist lediglich, dass er sich auf dem Schiff des besagten Troubetzkoy befinden soll, das nicht durchsucht werden darf. Aber das schreckt natürlich keinen Tron, der daraufhin beschließt, selbst an Bord zu gehen und das Bild zu beschaffen. Immer noch hat der Fall nicht viel Fahrt aufgenommen, doch als der Tizian schließlich zurückerobert ist, stellt er sich als Fälschung heraus! Als kurz darauf der Kopist des Tizian einen merkwürdigen Unfall erleidet, steigert sich die Spannung schließlich, um allerdings kurz darauf auch wieder abzunehmen.

Durch die aufgetauchte Kopie verwandelt sich der vorliegende Kriminalroman nämlich zu einem Ratespiel. Je nachdem, ob es nun eine Kopie des Tizian gibt oder sogar zwei – denn auch das ist nicht ausgeschlossen -, ergeben sich als Tatmotiv ganz neue Konstellationen und Verdächtige. So spielen Tron und sein Kollege Bossi alle Möglichkeiten durch und verwirren dabei mitunter auch den Leser. Es ist ähnlich wie das Hütchenspiel, bei dem man einen kleinen Gegenstand unter drei verschiedenen Muscheln wiederfinden muss; hier geht es darum, den echten Tizian neben dem einen oder den zwei gefälschten aufzufinden. Beim Durchspielen sämtlicher Möglichkeiten bezüglich des Tizians und der Verdächtigen hat Nicolas Remin mich zugegebenermaßen zeitweise abgehängt, denn zu sehr verwirrt er sich in den einzelnen Gängen seines Irrgartens. Dadurch leidet ein wenig der Spannungsbogen, denn irgendwann ist man es leid und mag gar nicht mehr so genau wissen, wo nun der echte Tizian hängt und wer von den Kopien gewusst hat. Zu verworren empfand ich an dieser Stelle Nicolas Remins Gedankengänge.

_Tron zum Dritten_

Wo Nicolas Remin dagegen in gewohnter Weise punkten kann, das sind seine liebevolle Charakterzeichnung und sein Wortwitz. Commissario Tron kämpft wieder einmal mit kleineren und größeren Problemen auf allen Ebenen, und wie üblich rückt der eigentliche Kriminalfall in seiner Prioritätenliste ein wenig nach hinten, wenn vermeintlich wichtigere Dinge hinzukommen. Der Polizeichef Spaur beschäftigt Tron auch dieses Mal wieder sehr gut, da er ein Stück Prosa für den Emporio della Poesia schreiben möchte, für das er Tron um kreative Ideen bittet. Dieser wirft einige hanebüchene Stichpunkte in den Raum, die Spaur allerdings sogleich begeistert aufnimmt und Tron bittet, um diese Stichpunkte herum ein Konzept zu entwerfen. Kurz darauf plagt Spaur bereits das nächste Problem, denn seine Geliebte Violetta hat einen hartnäckigen Verehrer, der sie mit Blumen beschenkt und ihr den Hof macht. Spaur allerdings kennt nicht einmal den Namen des Konkurrenten und setzt daraufhin Tron auf den „Fall Violetta“ an. Der gemeine Widersacher ist sogleich dingfest zu machen und aus der Stadt zu ekeln, so der Auftrag, mit dem Tron sich zusätzlich noch herumzuplagen hat.

Nicolas Remin entwickelt in wunderbarer Weise seine Charaktere weiter, die einem immer mehr ans Herz wachsen, allen voran natürlich Tron, auch wenn er manchmal schon recht dreist ist, wenn er Bossis Erkenntnisse zu seinen eigenen macht. Bossi gewinnt nach und nach an Profil, er mausert sich immer mehr zu einem guten Ermittler, der mit Fachvokabular nur so um sich schmeißt und Tron damit immer genügend Worte an die Hand gibt, damit der wiederum Spaur beeindrucken kann.

Zu den Stärken gehören bei Remin auch die Frauenfiguren; in diesem Buch ist es vor allem die Principessa di Montalcino, die Tron auf Trab hält, aber auch immer genau weiß, in welchen Situationen sie Tron den kleinen Finger reichen muss, um ihn weiterhin bei der Stange zu halten. Sie spielt die Waffen einer Frau unglaublich geschickt aus und bleibt uns dennoch höchst sympathisch.

_Achtung Wortwitz, ich komme_

Nicolas Remin hat einen unvergleichlichen Schreibstil, der alle seine Bücher zu einem besonderen Leseerlebnis macht. Mit seinen köstlichen Worten und herrlichen Metaphern schafft er es, uns alles bildlich vor Augen zu führen. Der Genuss eines Desserts ist Remin manchmal schon einige Absätze wert, wenn Tron darüber nachdenkt, wie er zwei geliebte Nachspeisen am besten verzehrt: eins nach dem anderen (und dann in welcher Reihenfolge?) oder doch lieber mit „Sachertorteneffekt“ beide gleichzeitig? Das ist ein Problem, das man höchstwahrscheinlich aus dem eigenen Alltag nicht wirklich kennt bzw. nicht so detailliert durchdenkt wie Tron, dennoch beschreibt Remin diese Situation so fantastisch, dass man stets ein Lächeln auf den Lippen trägt.

Auch die Charakterbeschreibungen sind wieder einmal herrlich gelungen – ein Beispiel: |“Als Bossi zehn Minuten später Trons Büro betrat, hatte er den tragischen Gesichtsausdruck eines Mannes, der in ungeahnte Abgründe geblickt hatte. Dazu passte sein schleppender Gang, sein desillusionierter Blick und das blaue Auge, das in farblichem Einklang mit seiner blauen Uniform stand. Auch seine Nase, deren Wiederherstellung gute Fortschritte gemacht hatte, schien abermals in Mitleidenschaft gezogen zu sein. Sie stach bergeracmäßig aus Bossis Gesicht hervor und verlieh seiner Erscheinung einen Einschlag ins Dramatische.“|

Mit diesen farbenfrohen Beschreibungen, die stets einen Hauch von Ironie enthalten und auch die winzigste Kleinigkeit berücksichtigen, entführt uns Remin in eine faszinierende Welt seiner wunderbaren Romanfiguren, die wir nur zu gerne für eine Weile begleiten.

_Unter dem Strich_

Nicolas Remin ist sicherlich nicht der Meister der Spannung. Dieses Mal empfand ich den eigentlichen Kriminalfall als ziemlich schwach, zumal Remin uns mit seinen vielen Gedankenspielen arg fordert und stellenweise zu viele Rätsel aufgibt. Doch punktet Remin wie gewohnt mit seinen historischen Schauplätzen, den anschaulichen Beschreibungen und den sympathischen Charakteren. Insgesamt ist „Gondeln aus Glas“ allerdings das schwächste Glied in der bisherigen Tron-Reihe, aber auch das schwächste Remin-Buch ist immer noch deutlich besser als zahlreiche andere Kriminalromane. Und eins ist klar: Remin muss man gelesen haben, man sollte sich allerdings nicht als Erstes dieses Buch schnappen, sondern vielleicht gleich zum nächsten Fall greifen („Die Masken von San Marco“), den bislang besten Tron-Fall.

http://www.rowohlt.de

_Nicolas Remin auf |Buchwurm.info|:_

[„Schnee in Venedig“ 1987 (Band 1)
[„Venezianische Verlobung“ 2326 (Band 2)
[„Die Masken von San Marco“ 4630 (Band 4)

Mischke, Susanne – Tote vom Maschsee, Der

Neue Krimis sprießen fast schon wie Unkraut aus dem Boden, und besonders beliebt sind Lokalkrimis, bei denen Krimihelden im eigenen Heimatort ermitteln. Doch leider war die schöne niedersächsische Hauptstadt bei Krimiautoren bislang offensichtlich nicht sonderlich beliebt. So haben wir zwar eine sehr gute Tatortkommissarin, die in Niedersachsen ermittelt, aber zu lesen gab es krimitechnisch über Hannover nicht sehr viel – das hat sich nun glücklicherweise dank Susanne Mischke geändert!

_Auf Haarmanns Spuren_

Dr. Martin Offermann, ein bekannter Psychologe, hält im Courtyard Marriott Hotel am Hannoveraner Maschsee einen Vortrag über die Typologie von Sexualstraftätern – noch nichts Böses ahnend, denn es wird nicht lange dauern, bis seine Zunge am Denkmal für Haarmanns Opfer auf dem Stöckener Friedhof gefunden wird und der Rest von Offermann tot im Maschsee.

Die Hannoveraner Kriminalpolizei ist sofort vor Ort, um Spuren zu sichern und Zeugen zu vernehmen. Jule Wedekin, die gerade ihren ersten Tag bei der Kripo verlebt und sich gleich mit den Vorurteilen ihrer neuen Kollegen konfrontiert sieht, bekommt keine Schonzeit zugestanden; sogleich gehört sie zur Ermittlungstruppe, die herausfinden soll, ob jemand Offermann zum Schweigen bringen wollte. Hat die herausgeschnittene Zunge ‚etwas zu sagen‘? Da der bekannte Psychologe oftmals als Gutachter für das Gericht gearbeitet hat, wühlt sich die Kripo durch Berge von Akten und zieht Erkundigungen ein zu laufenden Fällen. Auch Offermanns schöne Kollegin Liliane Fender rückt schnell ins Kreuzfeuer der Polizei, denn sie gibt immer nur so viele Informationen preis wie notwendig, außerdem verschweigt sie der Kripo, dass sie sich demnächst als Partnerin in der Praxis einkaufen wollte – für stolze 140.000 Euro, die sie nun dank Offermanns plötzlichem Ableben gespart hat. Klingt nach einem handfesten Motiv.

Doch die Polizei verfolgt zahlreiche weitere Spuren, denn der jüngste Fall, in welchem Offermann als Gutachter tätig war, erscheint ebenfalls vielversprechend. Es geht um einen Sexualstraftäter, der nun nach 15 Jahren Gefängnis entlassen werden soll – ohne Sicherheitsverwahrung, denn das Gericht hatte 15 Jahre zuvor versäumt, eine solche anzuberaumen. So müssen neue Informationen her, um den Straftäter weiter hinter Schloss und Riegel zu halten. Hat Offermanns Tod mit diesem Fall zu tun? Das bleibt abzuwarten …

_Gestörte Idylle am Maschsee_

Hannover als ehemalige Heimat des bekannten Massenmörders [Fritz Haarmann]http://de.wikipedia.org/wiki/Fritz__Haarmann bietet sich eigentlich an für einen Lokalkrimi, doch „Der Tote vom Maschsee“ war nun der erste von mir gelesene Krimi, der in meiner langjährigen Wahlheimat spielt. So war ich natürlich gespannt wie ein Flitzebogen auf lokale Begebenheiten, die ich selbst aus eigener Erfahrung kenne, und da enttäuschte mich Susanne Mischke nicht. Gleich zu Beginn findet sich eine abgeschnittene Zunge auf dem Stöckener Friedhof, kurz darauf geht es zum Leichenfund an den wunderschönen Maschsee, der damals in der Zeit des Nationalsozialismus künstlich angelegt wurde. Mischke geizt aber auch nicht mit Stadtteilbeschreibungen aus der Südstadt, Linden und auch der List. Stets nimmt sie den Leser an die Hand, leitet ihn über Hannovers Straßen und lädt ihn ein in Kneipen der Stadt. Wer Hannover nicht kennt, mag etwas überfordert sein, doch wer die Niedersächsische Hauptstadt kennt, wird begeistert allen Schritten folgen und sich gerne an die jeweiligen Stadtteile und Örtlichkeiten erinnern.

Doch Susanne Mischke hat noch mehr zu bieten, und zwar grandiose Charaktere. Allen voran wäre da beispielsweise Hauptkommissar Völxen zu nennen, der zu faul zum Rasenmähen ist und es deshalb für praktisch erachtet hat, sich stattdessen vier Schafe anzuschaffen, die das Rasenstutzen für ihn übernehmen. Was er allerdings nicht bedacht hat, war die Tatsache, dass leider auch die Schafe in regelmäßigen Abständen geschoren werden müssen, und so hat Völxen sich das geeignete Werkzeug gekauft und macht sich unter tatkräftiger Unterstützung seiner pubertierenden Tochter ans Werk. Doch bevor er seine Schafe fertig frisiert hat, ereilt ihn ein Anruf seiner Kollegen, die ihn zu einem neuen Tatort rufen, und so eilt er davon und überlässt seiner Tochter und dem nicht gerade gern gesehenen Freund das Feld. Grandios ist die Szene, als Völxen am Tag darauf seine Schafe beguckt und feststellen muss, dass seine Tochter besonders kreativ gewesen ist:

|“Nichts Gutes ahnend, stapft Völxen ums Haus herum und nimmt Kurs auf die Schafweide. Dort angekommen, schnappt er nach Luft, und an seiner Schläfe treten zwei Adern hervor. […] Völxen deutet stumm und anklagend auf das Schaf Angelina. Das Tier ist ordentlich geschoren, bis auf einen Streifen entlang der Wirbelsäule. Damit nicht genug, hat irgendein Blödian diese Irokesenbürste pink eingefärbt.“|

Völxen gibt auch an anderen Stellen genügend Anlass zum Schmunzeln; so ist er etwas beleibt und wird von seiner nicht mehr ganz so geliebten Ehefrau zum Diäten angehalten. Während er zähneknirschend zu Hause das Bier ausspart (glücklicherweise hält sein Nachbar immer ein gutes Herri – für den Nicht-Hannoveraner auch „Herrenhäuser“ genannt – bereit) und den Gemüsefraß herunterquält, gönnt er sich an anderer Stelle natürlich genügend Kalorienbomben, doch seine Frau hat noch bessere Pläne für ihn – nämlich Nordic Walking!

|“Fettverbrennung, schon wieder so ein Unwort. Hat etwa diese Übungsleiterin – „Ich bin Helga“ – dabei ihn angesehen? Dabei ist er hier längst nicht der Dickste. Schon eher diese Dame fortgeschrittenen Alters in den pinkfarbenen Leggins. Überhaupt – wären die Stöcke nicht, man könnte meinen, dies sei ein Treffen der Weight-Watchers. Er kommt sich albern vor in diesen Klamotten, die Sabine für ihn bei ihrem Lieblingskaffeeröster erstanden hat. Zum Glück sieht ihn hier niemand, der ihn kennt. Er hat sich extra bei der Volkshochschule der nahe gelegenen Kleinstadt Gehrden zum Anfängerkurs angemeldet…“|

Hauptkommissar Völxen ist allerdings nicht der einzige Charakter, der richtig Profil gewinnt und dem Leser höchst sympathisch wird. Auch die neue Kommissarin aus gutem Hause – Jule Wedekin -, die sich endlich von ihren Eltern abnabeln will und deswegen in eine kleine Wohnung in der List zieht, erlebt Kurioses: Als sie eines Abends nämlich zu ihrem Nachbarn geht, um das geeignete Equipment auszuleihen, um ihre Küchenlampe aufzuhängen, sieht sie mit Kennerblick sofort die kleine Hanfplantage auf der Fensterbank ihres Nachbarn und stellt sich ihm vorsorglich nicht als Polizistin vor. Thomas, so heißt der Hobby-Hanfzüchter, bietet sich sogleich an, die Küchenlampe eigenhändig aufzuhängen und begleitet Jule in ihre Wohnung, als auch schon ihr Kollege Fernando – ehemals bei der Drogenfahndung – vor der Tür steht und Thomas weismacht, dass er Fußpfleger wäre. Nachdem die zweite Flasche Wein geleert ist und eine Tüte kreist, klingelt auch noch die nächste Kollegin an Jules Tür – Oda, die sich gleich fröhlich zu der angeheiterten Runde gesellt und sich die Tüte schnappt. Genau so stellt man sich die deutsche Kriminalpolizei vor, zumal Oda sich ganz uneigennützig anbietet, den angeheiterten Hanfzüchter spätabends in seine Wohnung begleitet, um sich dort seine Pflanzensammlung zeigen zu lassen – und nicht nur das …

All diese Beschreibungen machen die handelnden Figuren sympathisch und fast schon zu guten Freunden. Susanne Mischke lädt uns ein, ihre Romanfiguren kennenzulernen und sie auf Schritt und Tritt zu begleiten. Derart herrliche Beschreibungen voller Situationskomik findet man leider selten, insbesondere im Krimigenre.

_Und was ist mit der Spannung?_

Neben der wunderbaren Charakterzeichnung vergisst Susanne Mischke selbstverständlich nicht ihren Kriminalfall, den es aufzuklären gilt. Und hier zeigt sie, dass sie die wesentlichen Elemente eines guten Kriminalromans kennt; sie legt verschiedene Spuren aus, die teilweise natürlich in die Irre führen, sie lässt verschiedene Menschen auf den Plan treten, die alle Stückchen für Stückchen zur Lösung des Falles beitragen oder vielleicht auch Hinweise geben, die in die falsche Richtung führen. So fiebert man beständig mit, will wissen, was mit Offermann geschehen ist, ob seine schöne Kollegin Fender Dreck am Stecken und warum man ihn zum Schweigen verurteilt hat.

Die Lösung des Falles überzeugt auf ganzer Linie, auch wenn sie wohl nicht vollkommen überraschend kommt. Schon ein wenig vorher deutet sich an, dass praktisch nur noch diese eine Auflösung möglich ist, doch glücklicherweise erlag Mischke nicht dem Wahn, ihrem Buch zum Schluss noch eine hanebüchene Wendung hinzufügen zu müssen, die an den Haaren herbeigezogen gewesen wäre.

Kriminaltechnisch gesehen geht „Der Tote vom Maschsee“ als gehobener Durchschnitt durch, doch als Gesamtkunstwerk betrachtet, das sich mit Sicherheit eher an die Bevölkerung Hannovers wendet, kann ich nur die Höchstnote zücken. Susanne Mischke streut genügend Lokalkolorit ein, um Hannoveraner bei Laune zu halten, verirrt sich aber nicht so sehr in Straßennamen und anderem Insiderwissen, dass andere Leser vollkommen ausgeschlossen wären. Insbesondere mit ihren sympathischen und authentischen Charakteren, ihrer Situationskomik und ihrem Wortwitz punktet Susanne Mischke und sorgt dafür, dass ich schon jetzt dem nächsten Fall entgegenfiebere, den Völxen und sein Ermittlungsteam lösen müssen.

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Scholten, Daniel – falsche Tote, Die

Mit seinem Debütroman „Der zweite Tod“ hat Daniel Scholten sprunghaft die Bestsellerlisten erobert, das Buch verkaufte sich wie geschnitten Brot. Nun legt Scholten mit seinem zweiten Krimi „Die falsche Tote“ nach (der kurioserweise zeitlich vor dem ersten Krimi spielt) und möchte sicherlich an seinen früheren Erfolg anknüpfen, allerdings scheint er beim zweiten Anlauf wohl in den Startlöchern steckengeblieben zu sein …

_Wo ist Josefin?_

Josefin Rosenfeldt ist die Tochter des schwedischen Justizkanzlers, doch nun liegt sie tot vor ihrer Wohnung – ein Sturz daraus hat sie das Leben gekostet. Kommissar Cederström und sein Team rücken zu den Ermittlungen an und versuchen, die Sensation vor der Presse geheimzuhalten. Doch als der Justizkanzler die Tote identifizieren soll, stellt sich heraus, dass es sich bei der Leiche gar nicht um seine Tochter handelt, sondern um ein dunkelhaariges Mädchen, das Josefin lediglich ähnlich sieht.

Die Unbekannte hatte in Josefins Wohnung gelebt, doch wo steckt die echte Josefin? Seit sie verfrüht aus ihrem Frankreichurlaub zurückgekehrt ist, verliert sich ihre Spur, und auch ihr Bruder ist zeitweise verschwunden. So steht die Reichspolizei vor vielen Rätseln: Hat sich das Mädchen selbst auf die Straße gestürzt oder war es doch Mord? Und galt der Anschlag ihr oder doch Josefin?

Die Polizei tappt lange Zeit im Dunkeln. Der erste Anhaltspunkt sind kleine mysteriöse Briefchen, die sich offenbar zwei Liebende geschrieben haben. Doch wer sind Hesperia und Aisakos? Mysteriös sind allerdings nicht nur die Briefe, sondern auch die vielen Geldabhebungen, die von Josefins Konto innerhalb kürzester Zeit abgehen, obwohl Josefin höchst sparsam ist und stets nur kleinste Beträge abgeholt hat. Doch nun hat sie ihr gesamtes Konto geräumt und den Dispokredit vollkommen ausgeschöpft. Wofür braucht sie das Geld?

Während ihr Vater Kjell Cederström und seine Kollegen ihren Nachforschungen nachgehen, begibt sich Kjells Tochter Linda mit pochendem Herzen zu einem Zeichenkurs, an dem sie aufgrund ihres großen Talents und trotz ihres jungen Alters teilnehmen darf. Doch ihr Einstieg dort fällt schwer, denn der Dozent ist schwierig und sie hat zunächst eine Blockade und bekommt kein vernünftiges Bild aufs Papier. Da hilft es ihr sehr, dass sie schnell Freundschaft zu Amelie schließt, die ebenfalls an besagtem Zeichenkurs teilnimmt. Aber dann verschwindet Amelie spurlos und Linda begibt sich selbst auf Spurensuche. Hat Amelies Verschwinden etwas mit Josefin zu tun? Denn bei beiden Mädchen hängt das gleiche Poster in der Wohnung.

_Zerfasertes_

Zunächst beginnt „Die falsche Tote“ mit einem Prolog, in welchem wir Josefin auf ihrem Urlaub in Frankreich begegnen, wo sie sich mit ihrem Liebhaber an einer unheimlichen Stelle trifft und darüber nachdenkt, was es mit dem dunkelhaarigen Mädchen auf sich hat, doch in der nächsten Szene beschreibt Daniel Scholten bereits ihren Tod durch den Sturz aus der Wohnung. Der Prolog steht somit in keinerlei Zusammenhang mit dem weiteren Verlauf des Buches, was sich leider auch nie ändern wird, denn ihre französische Urlaubsliebe wird nie wieder thematisiert und auch die Ereignisse in Frankreich spielen später keine Rolle mehr. Doch das ist nur der erste Punkt, der störend auffällt.

Anschließend widmet sich Daniel Scholten den Ermittlungen der Polizei, die lange Zeit auf der Stelle treten. Lediglich die geheimnisvollen Briefe sind ein Anhaltspunkt, doch deren Ursprung und deren Sinn bleiben im Dunkeln. Als dann der Justizkanzler allerdings eröffnet, dass es sich bei der Toten gar nicht um seine Tochter handelt, nimmt das Buch vermeintlich Tempo auf, denn nun steht die Polizei vor der Aufgabe, die Unbekannte zu identifizieren, was sich natürlich als sehr schwierig erweist. Handelt es sich bei der Toten überhaupt um eine Schwedin? Und wie konnte sie sich in Josefins Wohnung und in ihr Leben einschleichen? Die Polizei und auch der Leser wissen es nicht.

Cederström und seine Kollegen ermitteln an vielen Enden, doch keines passt so richtig zum nächsten. Einige Zufälle spielen der Polizei in die Hand und führen sie mal in die eine, mal in die andere Richtung, doch nie ist klar, welche jetzt eine vielversprechende Spur ist und welche nicht. Der Leser tappt somit noch mehr im Dunkeln als Cederström und man verliert sich in einer wirren Handlung, der man gar nicht so recht folgen kann. Eine Spur führt die Polizei nach Deutschland zu einer geheimen Organisation, die dort am Werke ist. Aber auch hier ist unklar, was die Organisation überhaupt treibt und was dies mit dem Todesfall in Schweden zu tun hat.

Da scheint es wiederum vielversprechend, als Lindas neue Freundin Amelie verschwindet und man in ihrer Wohnung das gleiche Poster findet, das der Polizei auch bei Josefin schon Rätsel aufgegeben hat. Handelt es sich dabei um das Poster einer geheimen Schwesternschaft? Doch was hat es mit dem Poster und der Schwesternschaft auf sich? Wir wissen es nicht und erfahren es auch erst spät.

Störend fällt auf, dass zu viele Zufälle im Spiel sind, welche die Polizei voranbringen. Da tritt Linda Cederström auf, die weitschweifig beschrieben wird und sich mit Mühe und Not zu ihrem Kunstkurs schleppt, aber eigentlich hat das nichts mit dem Fall zu tun. Als sich schließlich eine Verbindung zwischen der verschwundenen Amelie und der ebenfalls untergetauchten Josefin auftut, fand ich das sehr verschroben.

_Personelle Schwächen_

Ein weiteres Manko des Buches ist die Vielzahl an auftauchenden Figuren. Einmal ermitteln verschiedene Beamte in der Reichspolizei am Fall „Josefin“, da sind neben Kjell auch noch Henning, Barbro und Sofi, die wir allerdings gar nicht näher kennenlernen. Von Barbro wusste ich bis zum Schluss nichts, von Henning erfährt man nur, dass er unglücklich verheiratet war, von Sofi weiß man, dass sie während der Handlungszeit befördert wurde und sehr ehrgeizig ist, und bei Kjell konnte man sich im Laufe der Zeit zusammenreimen, dass Linda seine Tochter sein muss. Doch familiäre Hintergründe, Hobbys, Eigenarten oder Sonstiges, das den Figuren etwas Format hätte geben können, fehlen völlig im vorliegenden Krimi.

Darüber hinaus werden zahllose Personen interviewt, es tauchen praktisch in jedem Kapitel neue Personen auf, die größtenteils überhaupt keine Rolle spielen und oft genug auch zu einer falschen Spur gehören. Ich kann mich daher an den Großteil der Namen schon jetzt nicht mehr erinnern, weil die Personen nur auftauchten, um ein paar Seiten später wieder in der Versenkung zu verschwinden.

Der rote Faden fehlt dem Buch daher völlig, ebenso wie eine Charakterzeichnung, die praktisch nicht stattfindet. Ich habe selten ein Buch gelesen, in welchem die handelnden Figuren so wenig Raum erhalten und so wenig Profil gewonnen haben. Ich hatte das Gefühl, dass Daniel Scholten ziemlich lieblos seine Ideen zu Papier gebracht und sich nicht darum geschert hat, seine Leser an die Hand zu nehmen, um sie durch das Gewirr an Ideen zu geleiten.

Hinzu kommen zahllose unnötige Handlungsstränge, die sich im Nichts verlaufen. Da forscht die Polizei beispielsweise nach, welche Personen das Buch ausgeliehen haben, in welchem sich die Sprüche finden, die in den geheimnisvollen Briefen stehen, welche sich Hesperia und Aisakos geschrieben haben. Dabei macht die Polizei mitunter erstaunliche Entdeckungen, die leider ebenfalls null mit dem eigentlichen Kriminalfall zu tun haben.

_Ärgernisse_

So liest man sich lustlos durch das Buch, verliert zwischendurch den Überblick und auch den Anschluss. Zwischendurch musste ich immer wieder zurückblättern, um zu erfahren, wie die Polizei eigentlich zu der jetzigen Spur gekommen ist und wie alles im Zusammenhang steht. Daher verpufft auch Scholtens Auflösung am Ende völlig; es gibt kein Aha-Erlebnis, sondern nur Erleichterung, dass die Lektürequal endlich ein Ende hat.

Insgesamt bleibt daher ein enttäuschender Eindruck zurück. Daniel Scholten mag sich viel vorgenommen haben für sein Buch, doch leider fanden hier zu viele Ideen Eingang, sodass man völlig den Überblick verliert. Damit einher geht natürlich, dass auch keine Spannung aufgebaut wird, weil es ja keinen roten Faden gibt, an dem man sich durch das Buch hätte hangeln können. Die fehlende Charakterzeichnung tut ihr Übriges und fügt sich irgendwie auch wieder stimmig in das Konzept ein, denn hier fehlt es einfach an allen Ecken und Enden, sodass die Frage bleibt, ob das Buch überhaupt lektoriert wurde. Denn dabei hätte spätestens auffallen müssen, dass „Die falsche Tote“ handwerklich sehr viel vermissen lässt. Wenn Daniel Scholten irgendwann einmal einen Henning Mankell beerben möchte, muss er doch noch viel lernen …

http://www.goldmann-verlag.de
http://www.danielscholten.com/

Remin, Nicolas – Masken von San Marco, Die

Elisabeth, die Kaiserin von Österreich, war beileibe nicht die verklärt romantische Figur, wie sie in den bekannten Sissi-Filmen präsentiert wird. Und Nicolas Remin traut sich in seinem neuesten Roman „Die Masken von San Marco“ wieder einmal, Elisabeth als diejenige Person hinzustellen, die sie (vermutlich) wirklich gewesen ist, nämlich als die Ehefrau, der die ehelichen Pflichten zuwider waren und die ihren Göttergatten Franz Joseph längst nicht so angehimmelt hat wie er sie. Elisabeth war eine eigensinnige Frau, welcher der höfische Pomp lästig war, die nicht gerne in der Menschenmasse stand und die sich tagtäglich an ihren Turngeräten in der Hofburg gequält hat, um ihre göttlich schlanke Taille zu bewahren. Und genau in dieser Rolle treffen sie nun wieder.

_Tod dem Kaiser_

Die österreichische Monarchie ist den Einwohnern Venedigs ein Dorn im Auge, das Ansehen des österreichischen Kaisers ist schlecht und es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sich Franz Joseph aus Venedig zurückziehen muss. Doch Franz Joseph hat bereits einen Plan, um sein Ansehen wieder zu steigern: So plant er einen Venedig-Aufenthalt, zu dem ihn auch Ehefrau Elisabeth begleiten soll. Während einer Ansprache auf dem Markusplatz schließlich soll ein vermeintlicher Attentäter mit Platzpatronen auf Franz Joseph schießen, der als Einziger die Ruhe bewahren wird – da er ja weiß, dass es kein echter Anschlag ist – und dessen Ansehen dadurch rapide steigen wird.

So beauftragt er Oberst Hölzl und Graf Crenneville damit, alles Erforderliche in die Wege zu leiten. Die beiden haben jedoch schon Informationen darüber, dass ein echtes Attentat geplant ist. Sie wissen aber auch, mit welchem Zug der Attentäter nach Venedig einreisen wird und wie er verkleidet ist, damit seine Auftraggeber ihn erkennen. Also beschließen sie, einen eigenen Mann einzuschleusen, der den Attentäter ersetzt und die Strippenzieher rechtzeitig ans Messer liefert.

Von all dem ahnt Commissario Tron noch nichts, als er vom Polizeipräsidenten von Spaur erfährt, dass die venezianische Polizei nicht zum Schutz des Kaisers und der Kaiserin beitragen soll. Das soll das Militär übernehmen. So erfährt Tron auch nichts von den genauen Reiseplänen des Kaiserpaars. Als jedoch eine Leiche aus dem Ponte dei Mendicanti gezogen wird, sind Tron und sein Kollege Bossi gefordert. Die Obduktion ergibt schließlich, dass ein Profikiller am Werke gewesen ist, der seinen Widersacher mit einem gezielten Genickbruch in den Tod befördert und ihn aus dem Zug ins Wasser geworfen hat. Schnell erfahren Tron und Bossi, dass der Killer den Ermordeten ersetzt hat. Dieser war mit einem Zinksarg nach Venedig eingereist, dem Tron und Bossi derweil nachforschen. Eine Exhumierung fördert dann zutage, was der unbekannte Tote tatsächlich nach Venedig befördert hat, nämlich lediglich einen Sandsack und einen Haufen Sprengpulver, von dem noch einige Reste im Sarg verblieben sind. Plant tatsächlich jemand ein Attentat auf das Kaiserpaar?

Eberhard von Königsegg, der sich bereits im Palazzo Reale befindet und auf die Ankunft des Kaisers wartet, plagen derweil ganz andere Sorgen, nämlich seine horrenden Spielschulden. Doch hat Königsegg sich eine Lösung parat gelegt; er weiß von einer kostbaren Goldkette, die der Kaiser als Geschenk für seine geliebte Elisabeth im Tresor des Palazzo aufbewahrt. Da der Geburtstag des Kaisers der Schlüssel zum Tresor ist, entwendet Königsegg kurzerhand das kostbare Geschmeide und begibt sich damit zu einem dubiosen |professore|, der das teure Schmuckstück mithilfe von Quecksilber verdoppeln will. Anhand eines Rings hat er Königsegg bereits bewiesen, dass seine Apparatur hervorragend funktioniert, sodass Königsegg hier die Lösung für seine Spielschulden sieht. Als der |professore| das Schmuckstück allerdings in seine Apparatur getan hat, öffnet sich die Tür zum Labor und zwei bewaffnete Polizisten stürmen das Zimmer, welche die beiden Herren kurzerhand festnehmen.

Königsegg ist verzweifelt; wie soll er erklären, wer er ist und wie er in den Besitz des kaiserlichen Geschmeides gekommen ist? Als sich ihm dann die Gelegenheit zur Flucht eröffnet, nutzt er diese, auch wenn er das Schmuckstück zurücklassen muss. Darum will er sich später kümmern. Also wendet er sich kurz darauf an Commissario Tron, der allerdings zu berichten weiß, dass es in der fraglichen Nacht gar keinen Polizeieinsatz gegeben hat. Königsegg wurde reingelegt und steht nun mit Schulden, aber ohne Kette da. Was nun?

Zeitgleich schleust der Profikiller sich in die Gruppe Männer ein, die das Sprengpulver nach Venedig geschmuggelt hat. Der kaiserliche Besuch rückt näher, aber Tron ist den Attentätern immer noch nicht auf die Spur gekommen; die Zeit drängt …

_Schauplatz Venedig_

In Commissario Trons vierten Fall überschlagen sich erneut die Ereignisse: Der österreichische Kaiser Franz Joseph plant zur Aufpolierung seines eigenen Ansehens ein gestelltes Attentat auf sich und die Kaiserin, aber es scheint auch irgendeine Gruppe zu geben, die tatsächlich Sprengpulver nach Venedig schmuggelt, um dort den Kaiser anzugreifen. Doch das sind nicht die einzigen Probleme, die Tron quälen, denn die Renovierungsarbeiten im Palazzo Tron gehen langsam voran, was die Laune seiner geliebten Mutter trübt und sie stets alte Brötchen kaufen lässt, aber auch seine Verlobte hat Sorgen, denn ihr Pressglas verkauft sich so hervorragend ins Ausland, dass Österreich plant, Einfuhrsteuern zu erheben, die das gesamte Geschäft kaputtmachen würden. So bittet die Principessa Tron, das Attentat auf den Kaiser zu verhindern, um sich Elisabeths Gunst zu sichern und sie zu überreden, die Einfuhrsteuer abzuwenden. Kein einfacher Plan, da die venezianische Polizei eigentlich von den Ermittlungen ausgeschlossen ist und auch die Zeit arg knapp wird, um die Attentäter noch rechtzeitig aufzuspüren.

Die Handlung spielt sich an verschiedenen Schauplätzen ab. So treffen wir Franz Joseph, der frohen Mutes ist, weil er sich in Sicherheit wähnt und seine Reaktion auf das vermeintliche Attentat probt. Elisabeth dagegen plant ihren Venedig-Aufenthalt etwas anders; sie packt unauffällige Kleider ein, um erneut in Person der Gräfin Hohenembs die Stadt auf eigene Faust zu erkunden. Ein weiterer Handlungsstrang dreht sich um Eberhard von Königsegg, dessen Sorgen immer größer werden, denn nun hat er nicht nur Spielschulden, sondern muss auch noch das Verschwinden der teuren Kette erklären. Doch wie der Zufall es will, hat er die Schulden bei einem guten Freund Trons gemacht.

Und natürlich hängen die einzelnen Handlungsstränge zusammen, denn Trons Ermittlungen in Sachen Königsegg führen ihn in ein gewisses Casino, in welchem auch einer der nun Toten gearbeitet hat, dessen Ableben Tron aufklären will. Die Ermittlungen nehmen schließlich richtig Fahrt auf, als sich zumindest dem Leser die wahren Zusammenhänge erschließen, denn wir haben den Vorteil, dass wir nicht nur die Drahtzieher des geplanten Attentats kennen, sondern auch den Profikiller, der auf dem Weg nach Venedig einen Mitreisenden mit gebrochenem Genick aus dem Zug befördert hat. So sind wir Tron immer mindestens einen Schritt voraus, sodass wir nur hoffen können, dass er rechtzeitig die richtigen Schlussfolgerungen ziehen wird, um am Ende alle Fälle erfolgreich aufklären zu können.

_Italienische Beschaulichkeit_

Nicolas Remins Kriminalromane rund um Commissario Tron strahlen eine gewisse Ruhe aus, daher ist Ehrgeiz etwas, das Tron völlig zu fehlen scheint. Lieber liest er auf der Arbeit in seinem geliebten Blatt |Emporio della Poesia|, das er selbst herausgibt. Auch schickt er immer wieder Bossi los, um die unangenehmen Nachforschungen zu erledigen. Als es schließlich an die Exhumierung geht, ist Tron es, der die Laterne hält, während Bossi sich mit der Schaufel abplagt und dann auch den Sarg öffnen darf. Doch natürlich ist das Schicksal auf Trons Seite, denn immer wieder fügt sich für ihn alles geschickt zusammen, sodass er als der strahlende Held dasteht.

In diesem vierten Fall des Commissario Tron haben wir diesen und seine Kollegen bereits bestens kennengelernt. Tron ist ein Genießer, der zum Frühstück gerne ein halbes Dutzend süße Teilchen nascht anstelle der alten Brötchen, die ihm seine Mutter immer wieder vorsetzt – natürlich nur aus Geiz, denn Geld hat sie eigentlich genügend, seit die Pressglasproduktion so gut läuft. Für die Geschäfte und das Finanzielle hat Tron seine Verlobte, die ihn aber auch gerne immer wieder darauf hinweist, wie teuer die Speise ist, die Tron gerade unüberlegt verdrückt. Doch ihn lässt das recht kalt, er bleibt gelassen, lächelt und genießt. Das macht Tron immer wieder überaus sympathisch, auch wenn er ohne Hilfe seiner Principessa kein so gediegenes Leben führen könnte.

Auch die anderen Figuren gefallen ausgesprochen gut, beispielsweise Eberhard von Königsegg, mit dem wir eigentlich nur Mitleid haben können, da er vom Pech verfolgt ist. Denn kaum hat er endlich einen Ausweg aus der Schuldenfalle gefunden, lässt er sich von einer fingierten Polizeikontrolle hereinlegen und verliert nun auch noch die kostbare Kette. So ein Pech! Doch gibt er nicht auf und stellt dann seine eigenen Nachforschungen an, aber ohne Trons Hilfe wäre er vermutlich nicht weit gekommen.

_Atmosphärisch und sympathisch_

Nicolas Remin verzaubert uns regelrecht mit seiner Lektüre, versetzt uns ins 19. Jahrhundert und nimmt uns in diesem Buch mit nach Wien an die Hofburg und auch wieder mit ins alte Venedig, wo die berühmten Demel-Pralinen allerdings nicht weniger beliebt sind als in Wien. Er beschreibt in wunderbaren Worten die bezaubernden Schauplätze und seine Figuren, sodass man direkt in die Situationen hineinversetzt wird. Natürlich leidet darunter ein wenig der Spannungsbogen, da das gesamte Buch vermutlich dank Tron eine gewisse Beschaulichkeit ausstrahlt, die einen packenden Spannungsbogen irgendwie verhindert. Doch stört dies hier gar nicht, ganz im Gegenteil, Nicolas Remins Kriminalromane sind sympathisch und einfach angenehm geschrieben. In wunderbaren Worten findet hier jedes Detail Erwähnung, wie zum Beispiel die Fliege, die sich in Trons Frühstücksmarmelade verirrt hat, oder die zu feste Konsistenz des Brötchens:

|Nach dem Frühstück – denn das musste er noch hinter sich bringen. Und so wie es aussah, war das nicht ganz einfach. Das Brötchen, in das er biss, nachdem es ihm gelungen war, das Tier aus der Konfitüre zu entfernen, war uralt. So alt, dass seine Zähne nicht einmal einen Fingerbreit eindrangen. Er drehte es um und probierte sein Glück auf der anderen Seite – ohne Erfolg. Tron ließ entnervt das Brötchen sinken und stellte fest, dass ihn die Contesa bereits stirnrunzelnd beobachtete. […] „Weißt du, was dir völlig abgeht, Alvise?“ Nein, das wusste er nicht. Biberzähne für die Brötchen? Geschmack an toten Fliegen?|

Insgesamt gefiel mir das vorliegende Buch ausgesprochen gut. Natürlich muss man in punkto Spannung ein paar Abstriche machen, dafür zaubert Nicolas Remin dem Leser mit seinem herrlichen Schreibstil immer wieder ein Lächeln ins Gesicht, zumal er wunderbar sympathische Figuren zeichnet. Der zu lösende Kriminalfall ist sicherlich nicht der ausgefeilteste, aber die Idee fand ich sehr unterhaltsam, da sie doch die Intrigen, die am kaiserlichen Hof geschmiedet wurden, wunderbar auf die Schippe nimmt. „Die Masken von San Marco“ ist ein Krimi für Liebhaber exotischer, netter und beschaulicher Literatur, eigentlich genau die richtige Lektüre für einen lauen Frühlingsabend.

http://www.kindler-verlag.de/

_Nicolas Remin auf |Buchwurm.info|:_
[„Schnee in Venedig“ 1987
[„Venezianische Verlobung“ 2326

Canavan, Trudi – Götter (Das Zeitalter der Fünf 3)

Band 1: [„Priester“ 4275
Band 2: [„Magier“ 4456

In „Götter“ gibt es ein vermutlich letztes Wiedersehen mit Auraya, die sich im zweiten Band „Magier“ von den Weißen losgesagt hat. Nachdem die Götter von ihr verlangt hatten, Mirar umzubringen, und Auraya diesen Befehl nicht ausführen konnte, hatte sie die Wahl zwischen einem verlängerten „Hausarrest“ und ihrem Abschied als Weiße.

Doch noch viele Fragen sind im zweiten Band unbeantwortet geblieben, sodass die Spannung groß war, als ich den abschließenden Band des „Zeitalters der Fünf“ aufschlug. Und auch hier wurde ich nicht enttäuscht …

_Unsterblich_

Auraya ist inzwischen einfache Priesterin, die sich wieder frei bewegen darf. Natürlich führt ihr Weg sie wieder zu den Siyee, mit denen sie bereits im ersten Teil Freundschaft geschlossen hat. Doch dieses Mal gilt es dort keine gefährliche Seuche zu bekämpfen, sondern sie trifft auf die unsterbliche Emerahl, die sich Auraya als Jade vorstellt. Wie von Mirar gewünscht, trifft Emerahl sich mit Auraya, um die ehemalige Weiße zu unterrichten. Auraya soll lernen, ihre Gedanken vor den Göttern abzuschirmen, außerdem möchte Emerahl herausfinden, ob Auraya tatsächlich das Potenzial hat, selbst eine Unsterbliche zu werden, wie Mirar es vermutet.

Tatsächlich stellt Emerahl schnell fest, dass Auraya ihre Macht nicht eingebüßt hat – ganz im Gegenteil, in mancher Hinsicht ist sie stärker als zuvor. Schnell lernt sie, ihre Gedanken abzuschirmen. Doch zunächst weigert sich Auraya zu lernen, wie sie selbst die Unsterblichkeit erlangen kann. So erzählt Emerahl ihr zwar, wie sie sich selbst unsterblich machen kann, doch erwartet sie nicht, dass Auraya dieses Wissen tatsächlich anwenden wird. Aber wieder einmal sorgt Auraya für Überraschungen, denn schnell wendet sie ihr neues Wissen an und wird damit zu der sechsten Unsterblichen. Auch ihre Fähigkeit zu fliegen hat Auraya nicht verlernt, doch offenbart sie weitere erstaunliche Fähigkeiten; so kann sie weiterhin, obwohl sie keine Weiße mehr ist, die Gedanken anderer Wesen lesen, außerdem spürt sie die Anwesenheit der Götter und kann auch ihren Gesprächen lauschen.

In einer anderen Geschichte treffen wir Danjin wieder, der immer noch seiner ehemaligen Herrin Auraya hinterhertrauert, der sich aber nun an eine andere Weiße gewöhnen muss, nämlich an Ellareen, die zu Aurayas Nachfolgerin erkoren wurde. Da Ella Danjins Gedanken lesen kann, verfolgt ihn permanent ein schlechtes Gewissen, wenn er Auraya nachtrauert. Als ihm Ella schließlich aber die wahren Gründe für Aurayas Weggang nennt, wankt auch Danjins Vertrauen. Aber seine Verbindung zu Auraya ist dennoch nicht vollkommen abgebrochen, verfügt er doch immer noch über den Ring, mit welchem die beiden in gedanklichem Kontakt stehen.

Während Emerahl und Auraya sich kennen lernen und Emerahl ihre Vorurteile der ehemaligen Weißen gegenüber abbaut, reist Mirar nach Süd-Ithanien, wo die Traumweber in Eintracht mit den Pentadrianern leben. Dort gibt es keine Verfolgung, die Traumweber dürfen die Menschen heilen und werden nicht wegen ihres Glaubens unterdrückt. Mirar wird nachdenklich, ob die Pentadrianer nicht doch ein besseres Volk sind als die Bewohner von Nord-Ithanien. Nekaun, die oberste Stimme der Pentadrianer, beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit Reivan, doch im Mittelpunkt steht die schwelende Konkurrenz zwischen Nekaun und der zweiten Stimme Imenja, die Nekaun nicht vollkommen vertrauen kann.

So richtig Fahrt kommt aber erst auf, als die Siyee einen Auftrag ihrer Göttin Huan erhalten und sich nach Süd-Ithanien begeben. Auraya begleitet die Abordnung der Siyee, allerdings haben die Götter ihr verboten, sich in den Auftrag einzumischen und zu kämpfen. Als die Siyee schnurstracks in eine Falle tappen und in Gefangenschaft geraten, befindet sich Auraya erneut in einer Zwickmühle, denn sie darf die Siyee nicht befreien, ohne gegen die Pentadrianer zu kämpfen und sich damit erneut gegen den Willen der Götter zu stellen. Als sie schließlich die Bekanntschaft Nekauns macht, gerät ihr Leben in große Gefahr …

_Auftakt zum Schluss(t)akt_

Zunächst lässt sich Trudi Canavan in gewohnter Manier viel Zeit. Sie begleitet Auraya und Mirar bei ihren Reisen, erzählt ausführlich von den Unterrichtsstunden, die Emerahl der zunächst verhassten Auraya gibt, doch erst einmal geschieht über lange Strecken nicht viel. Die beiden verfeindeten Völker leben ihr Leben vollkommen unbeeinflusst voneinander.

Hier gilt es zunächst, Aurayas neue Fähigkeiten zu erkennen und auszuloten, wie mächtig sie nun noch ist, seit sie nicht mehr unter dem Schutz der Götter steht. Als sie schließlich ihre Fähigkeit erlangt, die Götter zu belauschen, erkennt sie, dass Huan zu einer Todfeindin geworden ist, die nur nach einer Gelegenheit sucht, Auraya zu töten. Huan ist auch schließlich der Grund, warum Auraya sich unsterblich macht, da sie erkennt, in welch einer gefährlichen Situation sie lebt. Hin und wieder verirrt sich auch ihr ehemaliger Geliebter Chaia in ihre Gedanken, über den Auraya immer noch nicht hinweggekommen ist. So drehen sich ihre Gedanken permanent um ihre beiden Ex-Geliebten, die sie nicht vergessen kann. In Mirar erkennt sie immer noch einige Eigenschaften Leirards, dennoch überwiegt ihre Abneigung Mirar gegenüber die meiste Zeit, sodass sie eher Chaia nachtrauert, der erfreulicherweise noch eine sehr wichtige Rolle einnehmen wird.

Erst als Auraya mit den Siyee nach Süd-Ithanien kommt und dort die Bekanntschaft der ersten Stimme Nekaun macht, nimmt das Buch richtig Fahrt auf, alles andere bis dahin ist mehr oder weniger Vorgeplänkel und die Vorbereitung auf die finale Schlacht. Denn natürlich wird es am Ende noch einmal zur Konfrontation der beiden verfeindeten Völker kommen, bei der selbstverständlich auch die Götter ein Wörtchen mitreden wollen.

_Unsterbliche Charaktere_

Wieder einmal beleuchtet Trudi Canavan in allen Einzelheiten die agierenden Figuren. Allen voran ist natürlich wieder einmal Auraya zu nennen, die seit dem Beginn des ersten Bandes eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht hat und nun wirklich gar nichts mehr mit Sonea, unserer Heldin aus der „Gilde der Schwarzen Magier“, gemeinsam hat. Auraya ist längst keine Weiße mehr, dennoch hat sie nichts ihrer Macht eingebüßt, ganz im Gegenteil; sie wird stärker und stärker und könnte das Zünglein an der Waage sein, wenn es zur finalen Schlacht der Weißen gegen die Pentadrianer kommt. Doch je mehr sie über Huan erfährt, umso schwieriger fällt Auraya die Wahl der beiden Seiten …

Auraya ist eine faszinierende Persönlichkeit, die immer mehr an Profil gewinnt. Schon im zweiten Band „Magier“ erweist sie sich als eigensinnig, als sie sich gegen die Götter stellt und beschließt, ihre Rolle als Weiße abzutreten. In diesem Band wird sie unsterblich, und dennoch vergisst sie ihre alten Verbündeten, die Siyee, nicht. Und auch ihr kleines Haustier Mischief darf natürlich nicht fehlen. Auraya ist eine zauberhafte Figur, mit der man sich gerne identifiziert.

Auch die anderen Unsterblichen erhalten viel Raum im Buch. Emerahl begibt sich nun endlich auf die Suche nach der mysteriösen Schriftrolle der sechsten Göttin, in der Emerahl die Wahrheit über die Götter vermutet. Die Suche nach dieser Schriftrolle ist gefährlich und birgt viele Rätsel, die Emerahl mithilfe der beiden unsterblichen Zwillinge zu lösen hat. Als sie schließlich das Rätsel um die Götter lösen kann, ist es wie ein Paukenschlag, der schon an dieser Stelle neugierig auf das Ende macht.

Währenddessen outet Mirar sich als der Anführer der Traumweber, da er seinem Volk offen beistehen will. Bei seinem Besuch in Glymma, dem Hauptsitz der Pendarianer, merkt er, dass dieses Volk ganz anders mit den Traumwebern umgeht. Das bringt ihn in einen schwierigen Gewissenskonflikt, da er immer noch Gefühle für Auraya hegt, die nach wie vor zu den Weißen hält. Diese Situation birgt viel Konfliktpotenzial, das Trudi Canavan bis ins Letzte ausreizt.

Eine besonders interessante Figur ist allerdings auch die Erste Stimme Nekaun. Während er im ersten Teil aus der Perspektive Reivans als sympathischer Anführer vorgestellt wurde, der die Pentadrianer vernünftig anführen kann, lernen wir nun eine ganz andere Seite von ihm kennen. Nekaun entwickelt sich zu einem rechthaberischen und arroganten Anführer, der bei den anderen Stimmen nicht immer Pluspunkte sammeln kann. Auch Reivan muss eines Nachts erkennen, dass Nekaun nicht der nette Junge ist, als den sie ihn einst kennen gelernt hat. Nekaun entwickelt sich hier erstaunlich schnell weiter – allerdings nicht zu seinem Vorteil …

_Grau statt Schwarzweiß_

Wie schon in „Magier“ angedeutet, so sind die Pentadrianer nicht das böse Volk, als das sie noch im ersten Band „Priester“ erschienen. Auch die Pentadrianer haben fünf Götter, an die sie glauben, und fünf Anführer, die Stimmen. Die Parallelen zwischen den beiden Völkern werden immer deutlicher, doch im Bezug auf die Traumweber offenbaren die Pentadrianer sympathische Züge. Trudi Canavan schafft es hervorragend, die klare Aufteilung in Gut und Böse, wie sie uns zu Beginn der Trilogie erschien, weiter zu differenzieren. Ähnlich wie es auch Sergej Lukianenko in seiner [Wächter-Tetralogie 3594 macht, so verpasst auch Canavan beiden Völkern Ecken und Kanten; beide Völker spinnen Intrigen, offenbaren aber auch genügend positive Seiten, sodass man sich hin- und hergerissen fühlt und gar nicht weiß, zu wem man halten soll. Und ähnlich geht es sogar Auraya, die ja unter den Weißen aufgewachsen ist, nun aber erkennen muss, dass die Pentadrianer nicht wie erwartet das durchweg Böse sind.

Stattdessen baut Trudi Canavan eine neue „Feindfigur“ auf, die schlussendlich zu einem riesigen Paukenschlag führen wird, wenn die Autorin auf einen Schlag alle offenen Fragen auflöst!

_Überflüssiges_

Leider schafft Trudi Canavan es auch in ihrer zweiten Trilogie nicht, ihren Spannungsbogen konstant aufrechtzuerhalten. Immer wieder baut sie lange Beschreibungen von Szenerien und Völkern ein, die für den Verlauf der Geschichte vollkommen unwichtig sind. Ein Beispiel dafür sind die Elai, die Auraya in Band eins dazu überreden wollte, eine Allianz mit den Weißen einzugehen. Im zweiten Band haben die Elai noch mehr Raum erhalten, weil die Elai-Prinzessin verschleppt wurde und schließlich mithilfe Imenjas gerettet werden konnte. So kam es schließlich zum Bündnis zwischen den Elai und den Pentadrianern, von dem ich dachte, dass es eventuell die Schlacht am Ende entscheiden könnte. Doch weit gefehlt; im abschließenden Band sind die Elai wieder zu einer Fußnote verkommen, da sie praktisch überhaupt keine Rolle spielen. Zwar hat der Elai-König den einen oder anderen Auftritt, aber doch nur als Statist. Diese überflüssigen Handlungsstränge und unnötigen Ausschweifungen trüben im Rückblick ein wenig den Gesamteindruck der Trilogie.

_Überzeugend, aber ausbaufähig_

Insgesamt gefiel mir der abschließende Band der Trilogie sehr gut. Er benötigte zwar etwas Anlauf, bevor wirklich der Spannungsbogen einsetzt, doch Trudi Canavans Auflösung hat es wirklich in sich. Als es endlich zu dem Moment kam, als sich alle Puzzleteilchen zu einem Bild zusammenfügten und die Zusammenhänge klar wurden, hat es mich wie ein Schlag in die Magengrube getroffen, obwohl ich zugeben muss, dass man die Auflösung hätte erahnen können. Aber ich muss auch gestehen, dass Trudi Canavan mich erfolgreich hinters Licht geführt hat – so hatte ich nicht geahnt, wie alles zusammenhängt. Das ist der Autorin wirklich großartig gelungen, was der gesamten Trilogie das gewisse Etwas verleiht. Eine weitere Stärke Canavans ist es, dass sie sich nicht zu schade ist, auch Figuren zu opfern, wie sie es in der |Gilde der Schwarzen Magier| gemacht hat. Mit Happyends hat sie es offensichtlich nicht, aber dennoch überzeugt ihr Ende vollkommen.

„Götter“ schließt die Trilogie überzeugend ab und hinterlässt auch eine gewisse Leere, weil es mir schwergefallen ist, von Auraya Abschied zu nehmen, aber die Leere nach der Gilde war dann doch noch größer. Trotzdem: Wer Trudi Canavans erste Trilogie verschlungen hat, findet hier einen ansprechenden Ersatz, der ein wenig die Zeit überbrückt, bis das nächste Buch aus der Kyralia-Reihe auf den Markt kommt.

http://www.trudicanavan.com/
[Verlagsspezial zur Trilogie]http://www.randomhouse.de/specialskids/zeitalter/

_Trudi Canavan auf |Buchwurm.info|:_
[„Priester“ 4275 (Das Zeitalter der Fünf 1)
[„Magier“ 4456 ((Das Zeitalter der Fünf 2)
[„Die Rebellin“ 3041 (Die Gilde der Schwarzen Magier 1)
[„Die Novizin“ 2989 (Die Gilde der Schwarzen Magier 2)
[„Die Meisterin“ 3065 (Die Gilde der Schwarzen Magier 3)

Arto Paasilinna – Adams Pech, die Welt zu retten

Energiekrise, hinfort mit dir

Die Energiekrise ist in aller Munde, die Umweltverschmutzung und Klimaerwärmung spätestens seit den IPCC-Berichten ebenfalls, und genau dies will sich der Erfinder Aatami Rymättylä zunutze machen. Für ihn herrscht Saure-Gurken-Zeit. Seine Akku-AG läuft schlecht, die Aufträge und Reparaturen bleiben aus, da wirtschaftliche Flaute herrscht und niemand ihn beschäftigen will. Der Gerichtsvollzieher ist daher ein guter Bekannter Rymättyläs, aber vor allem seine Exfrauen und -freundinnen stehen permanent auf der Matte, da Aatami Rymättylä die Alimente für seine inzwischen sieben Kinder nicht zahlen kann. Doch eines Tages schafft er den Durchbruch, er erfindet einen leichten Akku auf organischer Basis, der viel leichter und handlicher ist als die herkömmlichen Bleiakkus, aber vor allem speichert sein neuer Akku viel mehr Energie. So trifft es Rymättylä nicht allzu schwer, als bei einer Explosion seine gesamte Werkstatt abbrennt und er selbst wegen vermeintlichen Versicherungsbetrugs im Gefängnis landet. Er hätte ohnehin nicht gewusst, wo er hätte unterkommen sollen, außerdem hat er im Gefängnis genügend Zeit, um seine Berechnungen für den neuen Akku zu verfeinern und zu überdenken.

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Böckler, Michael – Tödlicher Tartufo

|“Zunächst hatte Hippolyt mit Vernaccia und Cabernet geliebäugelt, mit Sangiovese di Romagna, Lambrusco, Gutturnio und schließlich Barbera und Moscato. Nein, nicht um all diese Weine zu trinken, höchstens gelegentlich ein kleines Degustationsglas. Vielmehr hatte er seine Giulietta durch die Anbaugebiete steuern wollen, getreu der Maxime, dass der Weg das Ziel wäre. Er liebte die romantischen Strade die vini, die durch die reizvollsten Landschaften Italiens führten. Der Vernaccia hätte ihn nach San Gimignano ins Elsa-Tal geleitet, von dort durchs Chianti Classico und an Florenz vorbei nach Carmignano, wo traditionell Cabernet Sauvignon angebaut wird. […] Recht bald aber hatte er diese reizvolle Streckenführung verworfen, sie war ihm dann doch zu zeitraubend und lustorientiert erschienen. Immerhin gab es für seinen Ausflug einen ernsten, einen todernsten Anlass. Entweder hatte sich Rettenstein durch einen makabren Unglücksfall ins Jenseits befördert, oder er war Opfer einer brutalen Gewalttat geworden. In jedem Fall erforderte es der Respekt, sich dem Ziel auf direktem Weg zu nähern.“|

Genau das ist Hippolyt Hermanus durch und durch: immer pragmatisch, aber doch mit einem gewissen Gefühl für guten Geschmack und gutes Benehmen. Denn wenn er schon einen eventuellen Mordfall aufzuklären hat, kann es ja nichts schaden, die besten Weine auf dem Weg zu kosten, oder nicht? Aber dann packt ihn doch das schlechte Gewissen, denn kurz vor seinem Tod hatte Rettenstein per Mail Hilfe bei Hipp, wie Hermanus gern genannt wird, angefordert.

_Wenn Pilze und Wein zum Verhängnis werden …_

Ildefonso Battardi ist der angesehenste Trüffelsucher im Piemont. Als er sich jedoch an diesem Tag mit seinem Hund auf die Suche nach den besten Trüffeln macht, merkt Ildefonso, dass etwas anders ist. Er ist skeptisch, irgendetwas liegt in der Luft. Noch bevor er den ersten Trüffel aus der Erde graben kann, trifft ihn eine Ladung Schrot, die das Ende seiner letzten Trüffelsuche markiert.

Auch Hubert Rettenstein hat einen schweren Tag: Ein Blatt Papier ist mit einem Parmesanmesser auf seinem Schreibtisch befestigt, und die Botschaft verkündet nichts Gutes, denn angeblich sollen Rettensteins beste Weine vergiftet sein. Um den Gegenbeweis anzutreten, schenkt Rettenstein sich selbst ein Glas des vermeintlich vergifteten Weins ein, hält aber im letzten Moment noch inne und gibt zunächst seiner Katze zu trinken. Als er ihr zuprosten will, krümmt die Katze sich am Boden und erstarrt schließlich. Glück gehabt! Doch dieses währt nicht lang, denn kurz darauf wird Rettenstein in seinem Weinkeller aufgefunden – tot unter einem Weinregal liegend. War es ein Unfall oder hat jemand absichtlich das Regal umgestoßen?

Zunächst sehen beide Todesfälle wie Unfälle aus: Ildefonso wurde von der irregeleiteten Schrotladung eines Jägers niedergestreckt, während Rettensteins überfüllte Weinregale ihm schließlich zum Verhängnis wurden. Auch der Maresciallo Viberti von den Carabinieri in Alba zeigt wenig Interesse an der Aufklärung möglicher Kriminalfälle, denn die Trüffelzeit ist angebrochen und damit eine Saison kulinarischer Hochgenüsse.

Doch Hipp packt das schlechte Gewissen, hatte Rettenstein ihn doch um Hilfe gebeten, die Hipp aus reiner Bequemlichkeit ihm nicht gewährte. Er beschließt, mit seiner altersschwachen Giulietta an den Ort des Unglücks zu fahren und ein paar Nachforschungen anzustellen. Seine Freundin Sabrina ist zunächst wenig begeistert von Hipps Abwesenheit, zumal bald Rettensteins uneheliche und überaus attraktive Tochter Gina auftaucht, die Hipps Leben gewaltig in Aufruhr bringt.

_Die wunderbar erträgliche Leichtigkeit des Seins_

In Hippolyt Hermanus Leben herrschen Harmonie, Beschaulichkeit und natürlich guter Wein. Während er für Tartufo zunächst wenig übrig hat, ist er einem edlen Tropfen Wein gern zugeneigt. Als eine unbequeme Mail seine Muße stören will, ignoriert er diese, doch dann will er Rettensteins Tod doch auf den Grund gehen. Schnell vermutet Hipp ein herbeigeführtes Unglück, denn zu viele Hinweise deuten auf Fremdeinwirkung: Rettenstein ist offensichtlich gar nicht in seinem Weinkeller zu Tode gekommen, sondern wurde dort unter einem umgestürzten Regal drapiert, um alles wie einen Unfall aussehen zu lassen. Doch davon lässt sich natürlich ein Hippolyt Hermanus nicht täuschen.

Mit cleverer Kombinationsgabe und vor allem den richtigen Beziehungen zu einem gewissen Carabinieri gelangt Hipp immer wieder an die richtigen Informationen. Nur die schöne Gina stellt sein Leben auf den Kopf. Alles deutet darauf hin, dass sie ihren Vater ins Jenseits befördert hat, um an sein Geld zu kommen. Hipp jedoch setzt alles dran, ihr zu einem Alibi zu verhelfen. Er flüchtet zusammen mit Gina, um nachzuforschen, ob sie für den Tatabend nicht doch ein Alibi hat. Und was lange währt, wird endlich gut, denn schließlich erinnert sich Gina, wie sie am fraglichen Abend bei ihrer Mutter gewesen und die Ärztin zu einem Hausbesuch gekommen ist und somit bezeugen kann, dass Gina bei ihrer Mutter war. Klingt zwar gut, doch inzwischen hat Hipp sich selbst zum Tatverdächtigen gemacht, da er Gina zur Flucht verhalf, und dummerweise hat er selbst kein Alibi …

So richtig kann ihn dies aber nicht erschüttern, denn Hipp lässt sich von solchen Bedrohungen nicht einschüchtern, er nimmt es gelassen und geht weiterhin seinen Nachforschungen nach. Das eine oder andere Gläschen Wein hilft ihm dabei, die Ruhe und den Durchblick zu bewahren.

_Beschauliche Gemächlichkeit_

Eine sympathische Beschaulichkeit ist es, die das gesamte Buch ausstrahlt. Michael Böckler nimmt sich viel Zeit, die kulinarischen Highlights Italiens zu beschreiben; so lernen wir ganz nebenbei die besten Weine kennen, die leckersten Gerichte und die schmackhaftesten Trüffel. Manch einem mag das zu viel an Lokalkolorit sein, ich persönlich fand diese Exkurse allerdings immer sehr lehrreich, zumal ein umfangreicher Anhang das Buch abrundet. Viele Begriffe im Buch sind mit einem Stern markiert und deuten darauf hin, dass sich zu diesem Ort, zu dieser Delikatesse oder zu diesem Gericht im Anhang weiterführende Informationen finden werden. Dort beschreibt Michael Böckler, was einen guten Wein ausmacht, wann sich ein Barolo Riserva nennen darf, wo es die besten Trüffel zu finden gibt, in welchem Restaurant man einkehren muss, und auch zahlreiche Rezepte runden den Anhang ab. So wird das Buch zu einem literarischen und auch kulinarischen Leckerbissen, den ich auf meine nächste Italienreise, die mich ins Piemont führen sollte, garantiert einpacken werde, um genau zu wissen, wo die beschriebenen Leckereien am besten zu genießen sind.

Im Zentrum der Geschichte steht der überaus sympathische Hippolyt Hermanus, der sich nicht nur mit einem vertrackten Kriminalfall konfrontiert sieht, sondern auch mit einer schönen Frau, die ihn immer wieder in Versuchung führen will, beispielsweise wenn sie komplett entkleidet ihre Klimmzüge macht, um keine Klamotten dabei durchzuschwitzen. Doch auch wenn es ihm ausgesprochen schwerfällt, so duscht Hipp lieber kalt, als dass er seine geliebte Sabrina hintergeht. Hipp mit seiner netten und gelassenen Art, seiner penetranten Vorgehensweise und seiner Vorliebe für gutes Essen und leckeren Wein wird zu einer Identifikationsfigur, die man gerne begleitet und von der man unbedingt mehr wissen will.

_Literarischer Leckerbissen_

Michael Böcklers „Tödlicher Tartufo“ ist ein leicht bekömmlicher und schmackhafter Kriminalroman, der durch seine sympathischen Figuren punktet, durch die bildhaften Beschreibungen der italienischen Landschaften und die exquisiten Beschreibungen all der dortigen Delikatessen, die dem Leser das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Mit viel Liebe zum Detail und einem nicht zu überlesenden Wortwitz beschreibt Böckler seine Figuren und Schauplätze. „Tödlicher Tartufo“ ist trotz der Morde ein sehr beschaulicher Roman, der sicher nicht so viel Tempo entwickelt wie andere Krimis, aber durch seine Gemächlichkeit überzeugt und einen sehr guten Nachgeschmack hinterlässt. Ich freue mich schon auf das nächste literarische Menü, das Michael Böckler uns kredenzt!

http://www.droemer.de