Fetjaine, Jean-Louis – Vor der Elfendämmerung

„Vor der Elfendämmerung“ ist der Auftakt zu einer Trilogie, die auf eine außergewöhnliche Art die Artussage nacherzählt. Außergewöhnlich deshalb, weil es zunächst überhaupt nicht um Artus geht.

Der Zwergenkönig Baldwin kommt in die Hauptstadt des Königreiches Logres. Um einen Zwergenkönig, noch dazu einen so alten, dazu zu bewegen, seinen Berg zu verlassen, muss schon etwas Außergewöhnliches passiert sein. Doch der König gibt sich reserviert. Erst auf der Ratsversammlung des folgenden Tages lässt er die Katze aus dem Sack: Der Zwergenkönig Troin wurde ermordet. Von einem Elf! Elfenkönig Llandon und seine Königin Lliane fallen aus allen Wolken.
Eine Komission wird ausgesandt, bestehend aus zwei Elfen, zwei Zwergen und zwei Menschen mit jeweils einem Pagen, die den beschuldigten Elfen finden und zurückbringen sollen. Doch sie werden verfolgt, und schon bald lichten sich ihre Reihen. Wer ist der Verfolger? Und welches Ziel verfolgt er?
Während die Komission mit den Widrigkeiten der Reise kämpft, ziehen sich dunkle Wolken über der Hauptstadt Loth zusammen…

Wie gesagt, von Artussage ist noch nicht viel zu spüren. Lediglich die angedeutete Mythologie der Kelten, die das grobe Gerüst für die Geschichte stellt, sowie einige Namen – Gorlois, Uther, Igraine, Tintagel – deuten darauf hin, was der eigentliche Kern der Geschichte ist. Aber auch wirklich nur der absolute Kern! Der keltische Anteil ist mit den magischen Artefakten der Elemente – Kessel, Stein, Speer und Schwert – bereits erschöpft, und die Handlung ist frei von den gewohnten christlich-mittelalterlichen oder neuheidnischen Interpretationen. Dieses Buch ist Fantasy in Reinform.
Natürlich spielt das Christentum trotzdem eine Rolle, allerdings eine eher untergeordnete: die Mönche und Priester sind nicht, wie anderswo, Vertreter eines selbstständigen Machtfaktors, sondern reduziert auf Handlanger des Menschenkönigs. Religion ist in dieser Version kein Thema. Hier geht es um Macht:

Die Welt, die Fetjaine zeichnet, ist trist und trübselig. Verhangener Himmel, ständiger Nieselregen, Nebel, Kälte, graubraunes Gras, eintönige Ebenen, Leere. In den Sümpfen kommen außerdem noch Gestank und Mücken dazu. Überhaupt nicht geheimnisvoll. Nur deprimierend.
In diese Grundstimmung sind die Charaktere eingebettet. Zunächst die der Völker insgesamt: Elfen, Zwerge und Menschen. Seit der großen Schlacht gegen den Dunklen Herrn sind sie Verbündete. Doch der Bund steht auf äußerst wackligen Füßen. Die Zwerge, aufgrund ihrer Körpergröße empfindlich und von übertriebenem Ehrgefühl, hegen sowohl Verachtung als auch Misstrauen für die Elfen, und lassen sie das auch deutlich spüren. Die Elfenkönige wissen um diese Eigenschaften der Zwerge, doch die hitzköpfigeren von ihnen tun sich enorm schwer mit ihrer Selbstbeherrschung, zumal ein Teil von ihnen vor dem großen Krieg mit dem Dunklen Herrn grausame Verfolgung durch die Zwerge zu erdulden hatte. Dazwischen die Menschen, mit beiden Völkern freundschaftlich verbunden und stets damit beschäftigt zu vermitteln.

Der Tod des Zwergenkönigs Troin bringt die unsichere Allianz noch mehr ins Wanken. Die Zwerge beschuldigen die Elfen des Mordes und des Diebstahls eines silbernen Kettenhemdes, und fordern Genugtuung. Der Mörder soll bestraft werden. Die Elfen dagegen wollen zunächst den Beschuldigten finden und befragen, denn sie bezweifeln seine Schuld. Es gibt zu viele Ungereimtheiten, die die Zwerge jedoch nicht interessieren. Krieg droht!

Die Komission hat von vornherein schlechte Chancen, denn die Parteien spielen ein doppeltes Spiel. Die Zwerge haben verschwiegen, dass ihnen nicht nur ein zwar teures, aber im Grunde läppisches Kettenhemd gestohlen wurde, sondern auch Caledfwch, das Schwert der Göttin Dana, der Talisman des Volkes der Zwerge, der ihr Überleben garantiert: Excalibur. Sie haben den Erben des ermordeten Königs Troin als Pagen in ihre Gruppe eingeschmuggelt, und der fanatische Zwerg ist eine wandelnde Zeitbombe.
Die Menschen dagegen haben auf diese wichtige Mission zwei ihrer jüngsten und unerfahrensten Krieger mitgeschickt. Während diese auf dem Weg nach Norden sind, verwandelt sich die Stadt Loth ganz allmählich in ein Heerlager.
Und keiner der Angehörigen der Komission weiß, dass auch noch die Gilde ihre Finger im Spiel hat, die Gilde der Diebe und Mörder.
Irgendjemand rüttelt ganz gehörig an den Grundfesten der bestehenden Ordnung, und zwar mit Absicht. Das wird im Laufe der Handlung immer deutlicher, und es wird auch deutlich, wer da rüttelt. Allmählich wird die Reise der Komission zu einem Wettlauf mit der Zeit.

Wir haben hier also sozusagen die Vorgeschichte zur Vorgeschichte der eigentlichen Sage vor uns. Das zeigt sich allerdings hauptsächlich am Anfang und am Ende der Geschichte, wo Merlin das erste Mal ernsthaft auftaucht und die Geburt Morganas voraussagt, der Tochter von Uther und Lliane.
Dazwischen haben wir eine Handlung, die davon völlig unabhängig, aber durchaus interessant angelegt ist. Die Komission schleppt aufgrund ihrer Zusammensetzung die schwelenden Konflikte der Völker mit sich herum, die im Laufe der Reise immer stärker an die Oberfläche dringen, parallel dazu eskaliert die Sache auch auf höherer Ebene. Allerdings fehlt dem Ablauf der Geschehnisse der Schwung. Es ist, als hätte die trübe Grundstimmung des Buches dem Autor so aufs Gemüt geschlagen, dass er den Handlungsverlauf nicht mehr vorantreiben, sondern nur noch mitschleppen konnte. Die Spannung bleibt dabei fast völlig auf der Strecke.
Was deutlich rüberkommt, sind die Stimmungen, sowohl die Tristesse der Landschaft, als auch das bunte und gefährliche Treiben in der Stadt der Gnome. Die Charaktere der verschiedenen Völker sind gut herausgearbeitet, wenn auch die Vorstellung von blauhäutigen Elfen etwas gewöhnungsbedürftig und die Darstellung der Zwerge manchmal ein wenig übertrieben ist und damit ins Klischeehafte abzurutschen droht. Aber das reicht nicht.
Die Charaktere der handelnden Einzelpersonen bleiben ziemlich blass und ohne Tiefe, von ihren Gedanken erfährt man nichts. Soziale Strukturen und geographische Gegebenheiten sind nur skizziert. Schade, daraus hätte man mehr machen können!
Zwar ist das gesamte Potenzial von Fetjaines Entwurf längst nicht ausgeschöpft: Merlin kam bisher nur am Rande vor, die Dämomen ebenso, und am Ende des Buches weiß nur der Leser, wer die Intrige wirklich angezettelt hat. Allerdings neigen Fortsetzungen auch bei einem schwachen Anfang nicht unbedingt zur Steigerung, mein Interesse an den Folgebänden hält sich deshalb in Grenzen.

Sprachlich gesehen ist das Buch nicht schlecht. Fetjaine schreibt kompakt, aber elegant. Seine Sätze sind lang und voller Nebensätze, aber nicht verschachtelt. Insgesamt liest es sich sehr angenehm. Allerdings wären gelegentliche Absätze hilfreich. Wenn mitten im Text plötzlich aus dem Blickwinkel einer anderen Person erzählt wird, sorgt das kurzzeitig für Verwirrung.
Das Lektorat ist ganz in Ordnung. Außer einem gröberen Schnitzer sind mir nur zwei kleinere Tippfehler aufgefallen. Auch das Cover des Buches finde ich recht gelungen. Der Vergleich mit Tolkien dagegen hinkt wieder mal! Fejaines Elfen haben keinerlei Ähnlichkeit mit Tolkiens Elben, genausowenig wie die Menschen. Seine Gnome kommen bei Tolkien überhaupt nicht vor. Magie ist viel seltener und auch anders. Und Fetjaines Welt ist keine erfundene, sie ist die wirkliche Welt aus einer anderen Sicht heraus. Man hüte sich also vor falschen Erwartungen. Das betrifft auch alle, die vom Blickwinkel der Artussage aus an das Buch herangehen. Der Autor selbst hat seine Geschichte als Elfentrilogie bezeichnet, und das ist gut so.

Jean-Louis Fetjaine studierte Philosophie und mittelalterliche Geschichte und arbeitete dann als Journalist und Verleger. Er hat mehrere humoristische Bücher veröffentlicht, bevor er sich mit seiner Elfentrilogie der Fantasy zuwandte. Der zweite Band ist unter dem Titel „Nacht der Elfen“ erschienen, der dritte Band trägt den Titel „Stunde der Elfen“. Im Oktober dieses Jahres erscheint „Der Weg des Magiers“. Im Original trägt das Buch den Titel „Le pas de Merlin“, die Vermutung liegt also nahe, dass es zumindest mit der Trilogie in Verbindung steht. Nichts Genaues war dazu aber nicht zu finden, ebensowenig eine Homepage des Autors.

Die europäische Verfassung im globalen Kontext

Wenn Europa weltpolitisch mitreden will, geht der Weg an einer Verfassung nicht vorbei. Europa will mit einer Stimme sprechen, aber die Realität erscheint ganz anders.
Der Irak-Krieg zeigte das drastisch. Von den drei Großen waren Deutschland, Frankreich und Russland (wenngleich Letztere allerdings nicht zur EU gehörend sind) antiamerikanisch (im Sinne des derzeitigen außenpolitischen Kurses der US-Regierung). England dagegen war völlig auf Kurs mit den USA und zeigte dies durch einen sehr überraschenden Paukenschlag mit einer gemeinsamen Erklärung von vier weiteren EU-Regierungschefs (Dänemark, Italien, Portugal, Spanien) zur Unterstützung der amerikanischen Irak-Politik, dem sich sogar drei weitere Regierungschefs aus den damals noch nicht angehörenden Beitrittsländern Polen, Tschechien und Ungarn anschlossen. Damit war Europa politisch gespalten und keine wünschenswerte einheitliche Linie mehr vorhanden.

Die Initiative für eine Verfassung ging von Deutschland aus. Im deutschen Bundestag wurde 1995 die Idee einer europäischen Charta behandelt und von 1999 bis 2000 wurde unter Bundespräsident Roman Herzog die Grundrechtcharta vorgelegt. Gerade diese Menschenrechte stoßen auf Blockaden, England kennt in seiner nationalen Verfassung keine Menschenrechte und wehrt sich vehement, solche in eine europäische Verfassung aufzunehmen. In Nizza war im Dezember 2000 die Grundrechtcharta zwar schon feierlich verkündet worden, ist aber nicht rechtsverbindlich. Ungeachtet dieser Tatsache wird sie von der europäischen Gerichtsbarkeit bis hin zum Europäischen Gerichtshof seitdem angewandt. Juristisch sehr zweifelhaft. Interessant im Buch sind auch viele Beispiele darüber, was da bislang überhaupt vor dem Gericht verhandelt wurde, denn der europäische Bürger bekommt davon ja überhaupt nichts mit. Dass Grundrechte in eine Verfassung gehörensollte – abgesehen von der englischen Position – keine Frage sein, denn schon bei der Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten sollte man doch wissen, ob diese bereit sind, grundlegende Menschenrechte anzuerkennen. Konkretes Beispiel sind die derzeitigen Beitritsverhandlungen mit der Türkei. Da muss es um die Abschaffung der Todesstrafe, das Verbot der Diskriminierung von Minderheiten oder das Folterverbot und um Selbstverständlichkeiten wie Rundfunk- und Pressefreiheit gehen – nur um ein paar Rechte aus der Grundrechtcharta zu nennen. Eine Verfassung, die keine Grundrechte garantiert, sollte den Namen „Verfassung“ gar nicht verdienen.

Eigentlich sollte die Verfassung mit dem historischen Eintritt der zehn Ostblockländer im Mai 2004 schon eingeführt sein, aber dies ist nicht der Fall. Sieht man sich die Diskussionen – in welche die Bürger nicht einbezogen sind – an, gleicht auch alles einer Farce. Dies zeigt sich an einfachen Sätzen, die in diesem eigentlich seriösen Buch eher einer Satire gleichen:

|“Bei der Konstituierung des Konvents prägte der Konventspräsident Giscard d`Estaing den unbestreitbar richtigen, eindrucksvollen Satz: ‚Der Konvent ist der Konvent‘. Dies lässt sich nicht bestreiten und zeigt, dass es gelegentlich die Notwendigkeit gibt, unterschiedliche Perspektiven zu erkennen und sich gegenseitig zu überzeugen.“|

Bei der Diskussion zur Europäischen Verfassung lohnt sich ein Vergleich zur Verfassung der Vereinigten Staaten, da diese verschiedenen Staaten durchaus – wenn auch anders als im Vergleich zu Europa – ähnliche Beweggründe hatten. Bis diese sich letztlich durchsetzen konnte, war übrigens auch ein Prozess vonnöten, der fast hundert Jahre andauerte. Die Unabhängigkeitserklärung von Thomas Jefferson 1776 beendete das Joch von der englischen Krone, ähnlich will sich Europa heute wohl wiederum von der Vormachtstellung der USA lossagen, weswegen die USA das „alte Europa“ sehr argwöhnisch beäugen. Die Grundfragen, die es bei einer Verfassung zu beachten gibt, sind denen der USA von vor nunmehr 215 Jahren also ähnlich. Der große Unterschied ist allerdings, dass Europa kein Klon der USA werden will. Genau wie damals ist aber längst nicht vorhersehbar, wo künftig die geographischen Grenzen Europas überhaupt einmal sein werden.

Vorbildhaft am Beispiel USA allerdings wäre bereits deren Grundrechtekatalog |Bill of Rights| von 1791, der sehr demokratisch eingeführt wurde und ein Dokument der amerikanischen Bürger darstellt. Im Gegensatz zur europäischen Diskussion, von denen die Bewohner der Nationalstaaten überhaupt nichts inhaltlich mitbekommen und wo die Verantwortlichen an der Realisierung arbeiten, als wären sie in einem „Geheimbund“.

Eine europäische Identität ist aber auch durchaus etwas anderes bei all der kulturellen und sprachlichen Vielfalt. Wir Europäer sprechen keine einheitliche Sprache und sind stolz auf eine „Einheit in der Vielfalt“. Keine Kultur darf dominieren, um das demokratische Miteinander zu gewährleisten. In den USA sprachen eigentlich alle schon hauptsächlich englisch. Diese sprachliche und kulturelle Problematik wird aber auch in einem künftigen Amerika kommen. Um 1900 waren noch 90 % aller Amerikaner europäischer Abstammung (davon 25 % deutsch) und das ist mittlerweile auf 70 % gesunken. 90 % der jetzigen Einwanderer kommen aus dem spanisch sprechenden Raum. Kalifornien hat keine weiße Mehrheit mehr und Texas wird in 20 Jahren mehrheitlich spanisch sprechen.

Angst machen den USA der eingeführte Euro und auch eine eventuelle europäische Armee, die die NATO schwächen könnte. Andererseits blickt man aber auch mit Interesse und Respekt auf die europäischen Bemühungen. Es stehen ja tatsächlich auch konkrete Bestrebungen dahinter, die UNO, welche keinen Frieden organisieren kann, und die WTO, die keine Gerechtigkeit organisieren kann, mit europäischen Ideen zu reformieren.

Ganz unterschiedliche Meinungen gibt es zum Amt eines europäischen Präsidenten. Tony Blair (England) will einen Superpräsidenten wie in den USA. Deutschland will diesen nicht, schon gar nicht von einem obskuren europäischen Rat am Ende gegen den Bürgerwillen eingesetzt. Giscard d`Estaing (Frankreich) will einen Wahlkongress für den Präsidenten mit dem gesamten Europarat und gleich vielen Abgeordneten der angeschlossenen Nationalstaaten. Personalentscheidungen aus einem Kongress mit über 1.400 Mitgliedern zu treffen, dürfte sehr schwierig werden.

Information über all diese Dinge bleibt wichtig, und mitreden zu können, sollte auch möglich sein. Ein Blick ins Internet auf das |Institut für Europäisches Verfassungsrecht| lohnt, um aktuell zu bleiben: http://www.whi-berlin.de

_Ingolf Pernice / Walter-Hallstein-Institut für Europäisches Verfassungsrecht (Hrsg.)
[Die europäische Verfassung im globalen Kontext]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/383290512X/powermetalde-21
Forum Constitutionis Europae – Band 5
136 S., Pb., NOMOS 2004
ISBN 3-8329-0512-X _

Reginald Hill – Ins Leben zurückgerufen

Das geschieht:

1963 starb auf dem Landsitz von Lord Ralph Mickledore Pamela, Gattin des US-amerikanischen Diplomaten James Westropp, durch einen Schrotschuss in die Brust. Als Täter identifizierte der mit dem Fall beauftragte Superintendent Tallantire Sir Ralph höchstpersönlich, der mit der Verstorbenen ein Verhältnis unterhielt. Mickledore fand für seine Bluttat eine Komplizin: Cecily Kohler, das Kindermädchen der Westropps, war angeblich ebenfalls die Geliebte des Lords und diesem hörig.

Sir Ralph wurde kurz vor der Abschaffung der Todesstrafe 1964 gehängt. Noch unter dem Galgen hatte er seine Unschuld beteuert. Cecily Kohler verbüßte eine lange Haftstrafe. Nie gelang es, die ganze Wahrheit ans Tageslicht zu bringen, denn unter den Gästen befanden sich an dem verhängnisvollen Wochenende auf Mickledore ein Minister, zwei hochrangige Diplomaten sowie ein reicher und spendabler Geschäftsmagnat – Männer, die alle Hebel in Bewegung setzten, sich aus dem Ermittlungsverfahren zu stehlen. Reginald Hill – Ins Leben zurückgerufen weiterlesen

Stephen King: Wolfsmond (Der Dunkle Turm 5)

Weiterhin ziehen Revolvermann Roland von Gilead und seine Gefährten dem Dunklen Turm entgegen, der Zentrum und Stütze des Universums darstellt. In der Mittwelt – Ort der Handlung – tun sich Dimensionsportale, Zeitfallen u. a. Hindernisse auf. Zusätzlich aufgehalten wird die Gruppe von den Bewohnern eines Grenzdorfes, das von einer Horde maskierter Finsterlinge belagert wird. Gemeinsam nimmt man den Kampf gegen eine gewaltige Übermacht auf … – Der fünfte Band der „Dark-Tower“-Serie ist ein Episoden-Epos mit enormen Längen, das Substanz durch Geschwätz, nur vorgeblich geheimnisvolle Andeutungen und das Recycling früheren King-Werken ersetzt. Zwar gelingen dem Verfasser durchaus fesselnde Szenen, die aber durch generellen Leerlauf entwertet werden: ein Buch für jene, die wissen wollen, wie‘s weitergeht. Stephen King: Wolfsmond (Der Dunkle Turm 5) weiterlesen

Blick auf ein neues Europa

Der größte Umbruch in der Europäischen Union stand mit der Eingliederung der ehemaligen Ostblock-Staaten bevor, als Hofbauers „Osterweiterung“ erschien, und dies wurde und wird in allen Medien ohne Ausnahme als positives Ereignis kommentiert. Umso wichtiger sind Bücher wie dieses, das auch die Schattenseiten aufzeigt. Die nachfolgenden Darstellungen sind aus zeitlicher Perspektive der Veröffentlichung formuliert, liegen also vor den kürzlichen Neubeitritten in die EU.

Die heutigen Humanisten wissen, dass der Name „Europa“ auf die von Zeus entführte Tochter des Phönix zurückgeht. Dabei ist die Herkunft des Namens eigentlich noch viel älter und entstammt nicht der griechischen Mythologie. Etymologisch leitet sich der Name vom assyrischen |erp| ab, was soviel wie „düster, dunkel, finster“ bedeutet: wo die Sonne untergeht. „Asis“ nannten dem gegenüber die Assyrer das Helle, Leuchtende: wo die Sonne aufgeht, Asien. Genauso sprechen wir auch heute noch vom Abendland, wo die Sonne untergeht, und vom Morgenland, wo sie aufgeht.

Die ersten Ambitionen für ein großes Reich hatten die Römer, die den Lîmes als Grenzwall bauten, und innerhalb lebten die „zivilisierten“ römischen Bürger und außerhalb die „Barbaren“. Ihr Reich erstreckte sich vom Norden Englands über Belgien und Süddeutschland entlang der Donau bis ans Schwarze Meer und den Dnjestr. Als die Römer an Bedeutung verloren, bekam die Idee religiösen Charakter und wurde vom christlichen Denken als Maßstab bestimmt, in all den Jahrhunderten immer voran auch von den Deutschen mit ihrem „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“. Gespalten wurde dieses Reich 1054 durch das große Schisma, das die Kirche in einen lateinisch-römischen und einen griechisch-orthodoxen Lebensraum spaltete.

Dies genügt an dieser Stelle für das Wesentliche aus der Vergangenheit, im Buch selbst wird die Historie wesentlich detaillierter dargestellt. Interessant, um das jetzige Geschehen einschätzen zu können, ist hier nur die jüngere Vergangenheit. Nachdem der Expansionsdrang der Deutschen mit dem Zweiten Weltkrieg erst einmal wieder beendet war, wurde im Zuge des Kalten Krieges mitten in Europa eine imaginäre Mauer gezogen. Treibende Kraft dafür waren die USA, die Russen unter Stalin wollten eigentlich dem entgegen arbeiten und 1949 zur Gründung der NATO ersuchte Russland noch die Aufnahme. Auch wollte Russland nie die Teilung Deutschlands, und 1952 machte Stalin noch das Angebot, auf seine Besatzungszone zu verzichten, um Deutschland als Ganzes politisch zu neutralisieren und damit zu vereinen. Dies wurde vom Westen komplett ignoriert und zurückgewiesen. Die USA hat kräftig die westlich europäischen Länder aufgerüstet und investiert, aber davon auch so profitieren können, dass es durch die Kreditzinsen wirtschaftlich gut voranging.

Dass der Ostblock dann 1989 zusammenbrach, lag nicht am System, sondern daran, dass die dortigen Völker nicht mehr mithalten konnten. Vor allem die Computertechnologie, die diese nicht hatten und die den westlichen Unternehmen all ihre Einsparungen möglich machte, brachte das Aus für den Kommunismus. Die letzte sozialistische Regierung Ungarns wurde durch einen von Otto Habsburg, dem Sohn des 1918 abgedankten Monarchen Karl, vermittelten 500 Millionen DM-Kredit aus Bonn eingekauft und dafür machten sie 1989 die Grenzen nach Österreich auf. Millionen DDR-Bürger wurden erwartet und große Flüchtlingslager eingerichtet, aber es waren dann nur wenige Tausend – trotzdem wurde das spektakulär vermarktet. Die Durchreise nach Bayern war generalsstabsmäßig geplant. So gut wie alle von diesen hatten bereits ihre Arbeitsverträge mit bayrischen und baden-württembergischen Unternehmen in der Tasche. Nach und nach brach damit der ganze Ostblock zusammen. Wohin dieses für ein halbes Jahrhundert scheinbar verloren gegangenes Osteuropa „heimkehrte“, wurde erst später deutlich: in einen von Krisen und Kriegen arg in Mitleidenschaft gezogenen Kontinent, wie er vor der kommunistischen Zwangsmodernisierung bestanden hatte. In Jugoslawien, Albanien, Moldawien und Teilen Russlands kehrte der Krieg nach 45-jähriger Unterbrechung wieder auf die politische Bühne zurück. Und das übrige Europa wird von wirtschaftlichen Krisen gebeutelt, im Osten nun freilich noch um ein Spürbares höher als im Westen.

Die Revolution, von der gesprochen wird, ist ein Mythos. Die DDR wurde einfach mit Stumpf und Stiel ausradiert. Die anderen Länder, die über eine nationale Identität verfügten, schreckten nicht vor inszenierten Falschmeldungen zurück. In Prag präsentierte das Bürgerforum einen von Sicherheitskräften Erschlagenen. Das war im Westen tagelang der Headliner, derjenige dagegen, der am gleichen Tag in Göttingen bei einer antifaschistischen Demo von prügelnden Polizisten unter die Räder eines PKW getrieben wurde und verstarb, wurde kaum wahrgenommen. Später stellte sich heraus, dass es einen Toten in Prag gar nicht gegeben hatte. Auch Havels kometenhafter Aufstieg vom Dramaturgen zum Republikgründer ist Teil einer Inszenierung, die aus drei Massenkundgebungen und zwei Stunden Generalstreik eine Revolution gemacht hat.

Noch krasser ist der Widerspruch zwischen Mythos und Wirklichkeit in Rumänen. 1989 verfolgte unter dem Weihnachtsbaum die christliche Welt mit Genugtuung die Hinrichtung des Ehepaars Ceausescu, weil sie das für gerecht für einen solch blutrünstigen Dracula hielt. Tage zuvor sah man nämlich zehntausend bestialisch ermordete ungarischstämmige Rumänen in den Nachrichtenbildern. Als sich später die ganze revolutionäre Aufregung gelegt hatte, kam heraus, dass die gezeigten Leichen keine Revolutionsopfer waren, sondern Spitaltote, die mit Geld bestochene Wärter aus dem krankenhauseigenen Friedhof ausgruben und revolutionär drapierten. Es gab keine zehntausend Tote. 96 Tote waren lediglich registriert. Nur als Vergleich: Beim zeitgleichen Überfall der USA auf Panama gab es 7.000 tote Panamesen. Ceausescu wollte im Gegensatz zu den Präsidenten wie Honecker, Husak und Schivkoff, die für ihre Länder keine wirtschaftliche Perspektive mehr sahen, einfach nicht das Feld kampflos räumen. Denn er hatte gerade einen großen wirtschaftlichen Triumph gefeiert. Zehn Jahre lang hatte er seinem Volk die härtesten sozialen Bedingungen des Internationalen Währungsfonds aufgebürdet, um sämtliche Auslandsschulden zurückzahlen zu können. Im April 1989 war Rumänien als einziges Ostblockland schuldenfrei. Zu spät, denn ringsherum begann sich der osteuropäische Wirtschaftsraum aufzulösen. Als einziger politischer Führer der ehemaligen Ostblockstaaten wurde der rumänische KP-Chef am weströmischen Christtag 1989 hingerichtet.

Die ganzen ehemaligen Ostblockländer stehen heute unter einem sozialen Schock, was natürlich verschwiegen wird. Nach Statistiken der UNICEF stieg die Sterberate in diesen Ländern von 1989 bis 1997 um 12 Prozent. Betroffen sind eher Männer als Frauen und vor allem Arbeiter im Alter von 35 bis 49 Jahren. Teile einer im Kommunismus großgewordenen Generation haben die wirtschaftliche Krise nach der Wende und deren heftigen sozialen Auswirkungen nicht verkraftet. Dass der westliche Kapitalismus drei Millionen Menschenopfer brachte, wird nicht bekannt gegeben. Im selben Zeitraum sanken die Geburtsraten aus Zukunftsangst um 20 Prozent. Demographische Katastrophen dieser Art wirken sich erst nach mehreren Jahrzehnten drastisch aus, wenn es dann in den peripher-kapitalistischen künftigen Gesellschaften darum gehen wird, Alterssicherung für jene sicher zu stellen, die die Wende überlebt haben.

Dass das kommunistische System an sich versagt hätte und deswegen von innen her zusammenbrach, ist ein Mythos. Den Menschen im Ostblock geht es heute noch weit schlechter als zu den Zeiten vor 1989. Sämtliche nationale Statistiken wiesen bereits in den ersten Jahren nach der Wende zweistellige Einbrüche des Bruttoinlandprodukts auf. Pro Kopf liegt es weit unter den EU-Werten. Auf dem fiktiven BIP-Konto hat jeder Deutsche 25.000 Euro, jeder Pole 4.600, jeder Ungar 5.100, jeder Balte 3.000 und jeder Bulgare sogar nur 1.500 Euro. Das angebliche Reformjahrzehnt ist ein einziges Desaster. Lohnabhängige und Rentner wurden enteignet und die großen ausländischen Konzerne gingen als Gewinner der Transformation hervor. Die Schrumpfung von Sparguthaben durch Hyperinflation sowie die Streichung von Arbeitsplätzen mittels Privatisierung und Schließung von Betrieben zählten zu den effektivsten Formen des sozialen Raubs.

Die Verschuldung der Regierungen im Westen ist enorm. IWF und Weltbank geben die groben Linien vor. 165 Milliarden US-Dollar umfassen die Schulden bei westlichen und amerikanischen Banken, Russland weist dazu weitere 160 Milliarden US-Dollar Auslandsschuld auf. Rumänien hat seine Verschuldung aus den Achtzigerjahren, die während der Herrschaft von Nicolae Ceausescu abgebaut worden war, nach wenigen Wendejahren wieder erreicht. Das große Druckmittel sind nun die Verschuldung und die Bereitschaft zur Anpassung im Hinblick auf den EU-Beitritt. Das ist alles nicht aufzubringen und wird nichts in diesen Ländern verbessern. Bei solchen Schuldenhöhen und circa 12 Prozent Zinsen wird der jährliche Kaptitalabfluss aus dem Osten beträchtlich sein. Das Kapital fließt also, entgegen der medialen und politischen Suggestion, Jahr für Jahr von Ost nach West. Daran ändern auch die groß angekündigten Hilfen für Osteuropa nichts. Das von Brüssel ausgeschüttete Programm für die EU-Beitrittskandidaten betrug ja gerade mal 11 Milliarden Euro. Ein wirtschaftliches Aufholen in den Ostblockländern ist völlig unmöglich.

Seit 1945 wurde Europa nicht von demokratischer, sondern ausschließlich durch wirtschaftliche und militärische Integration geprägt, sowie teilweise durch die noch bestehenden monarchistischen Kreise in Holland, Luxemburg, Belgien, Dänemark, Spanien und Großbritannien. Der Vertrag von Maastrich 1992 über eine „Europäische Union“, den damals zwölf Staaten unterschrieben, veränderte den Charakter Europas. Brüssel war zum Zentrum der politischen Macht geworden.

Im Dienste der großen, nach Markterweiterung und Marktvereinigung strebenden europäischen Konzerne häuft die von keiner Volkswahl oder ähnlichem demokratischen Akt belastete EU-Kommission Kompetenzen an, die weit jenseits derer der Regierungen jedes einzelnen Teilnehmerstaates liegen. Tausende nationaler Normen in so gut wie allen Branchen werden aufgehoben, auf dass europaweit agierende Konzerne in einer Wirtschafts- und Währungsunion produktionstechnisch rationalisieren und damit Kosten sparen bzw. Gewinne maximieren können. Von heute auf morgen bestimmten der EU-Rat und Kommissare des Brüsseler Großraums über die Finanz- und Währungspolitik, Wirtschaft, Außen- und Innenpolitik, Agrarpolitik sowieso auch über Verkehr, Forschung und Entwicklung, Bildung und Justiz. Im nationalen Rahmen blieben im Grunde nur noch die Kulturpolitik und Teilbereiche der Beschäftigungs- und Sozialpolitik sowie der Justiz und Innenpolitik. Brüssel bestimmt den wirtschaftspolitischen Spielraum der nationalen Regierungen und der ist denkbar eng. Mittlerweile wacht auch die Europäische Zentralbank über den EURO als eingeführte gemeinsame Währung. Die Finanzminister der nationalen Mitgliedsstaaten stehen in der Rolle von Erfüllungsgehilfen einer restrektiven Budgetpolitik, deren Ziel es ist, den Konzernen Investitionssicherheit im Großraum herzustellen. Für Sozial-, Wohnungs-, Gesundheits- und Rentenpolitik fehlt dann logischerweise das Geld. Der Nationalstaat verliert Zug um Zug seine Existenzberechtigung.

Die Bevölkerungen Europas waren in heftigem Widerstand gegen eine solcherart Europäische Union, der nur unter Einsatz aller Mittel der Propaganda gebrochen werden konnte. Dänemark lehnte ab, aber bei Nachbefragung kam es zu einer knappen Mehrheit. Auch Frankreich stimmte nur mit einer hauchdünnen Mehrheit. Typischerweise entschieden die Deutschen über das Bundesverfassungsgericht. In Großbritannien blockierten die Konservativen. Die einzigen Länder, die still hielten, waren die ärmeren südlichen Staaten. Gleich nachdem die wirtschaftliche Struktur der neuen Supermacht stand, legte die Kommission 1993 bereits die Beitrittsbedingungen für die Ostblockstaaten fest, ohne dass von diesen überhaupt ein Antrag gestellt worden war. Die in den Beitrittserklärungen formulierte Definition von Demokratie hat aber nichts mit Volksherrschaft zu tun, sondern versteht darunter ein fest in der Hand der europäischen Kapitalgruppen befindliches Medien- und Parteiensystem, das sich dem Kapitalismus verpflichtet fühlt. Osteuropäische Parteien und Präsidenten, selbst wenn demokratisch von ihren Bevölkerungen mehrheitlich gewählt, gelten, sobald sie den Kapitalismus kritisieren, als nicht demokratisch. {Man betrachte dazu die verschiedentlich geäußerten US-amerikanischen Ansichten über den Begriff „Demokratie“. Zudem ist die Lektüre der neuen EU-Verfassung in Bezug auf die Wertstellung von demokratischen gegenüber marktwirtschaftlichen Aspekten sehr erhellend. – Anm. d. Lektors}

Die EU kostet die Mitgliedsstaaten eine Menge Geld. Deutschland ist dabei der größte Nettozahler und bestreitet 30 Prozent der gesamten Beitragszahlungen. Ein beträchtlicher Teil davon fließt in die vorbereitende Integration der beitrittswilligen Länder, aber nicht etwa an die Menschen dort. Die Gelder kommen den größten westeuropäischen Konzernen zugute, z.B. Volkswagen für die logistische Unterstützung der Investitionen in Tschechien und Fiat für Selbiges in Polen.

Die „großen“ Nationen begriffen recht schnell, dass sie zusammenarbeiten müssen, wenn sie die Macht innerhalb eines Großeuropas wollen. Nachdem sich 1989 zeigte, dass Deutschland den 2. Weltkrieg doch nicht so eindeutig verloren hat, wie man in den Jahrzehnten nach 1945 annahm, reichte Frankreich dem einstigen Kriegsgegner aus Einsicht in die neuen Machtverhältnisse die Hand. Deutschland und Frankreich zettelten gemeinsam die europäische Verfassungsdiskussion an. Die Beitrittskandidaten werden regelmäßig geladen und geprüft. Das verläuft nach dem sportlichen Muster einer Superstar-Gewinnshow – es werden Pluspunkte bei Übernahme vergeben und Minuspunkte bei kritischen Äußerungen. In diesem sogenannten „Screening“-Verfahren fallen die Nationen im Rennen vor und zurück und die einzelnen osteuropäischen Staaten stehen dabei im Konkurrenzkampf. Verhandlungen finden mit keinem der Beitrittsbewerber statt. Für diese geht es nur darum, den gesamten Bestand an Rechtsvorschriften und kapitalistischer Norm zu übernehmen, während die EU-Spezialisten das Gelingen dieser Maßnahme überprüfen. Rumänien und Bulgarien haben vorerst dieses Spiel verloren. Die Gewinner für Mai 2004 sind Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern. Dass das als Demonstration eines europäischen Friedens propagandagerecht beworben wird, ist reiner Zynismus. Der Krieg als Mittel der Politik ist nach Europa zurückgekehrt. Soldaten aus der EU und den USA sind in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo und Mazedonien im Einsatz. Die Erweiterung der NATO Richtung Osten bringt US-amerikanisches, deutsches und britisches Militär in Stellung. Jetzt, wo die Soldaten aus den EU-Ländern auf dem Balkan, in Afghanistan und demnächst in einer Reihe anderer Länder und Regionen der Welt stationiert sind, kehren angeblich „Frieden, Demokratie, Stabilität und Wohlstand auf unserem Kontinent“ ein.

Nach diesem Abriss, der nur ein Drittel des Buches erfasst, folgen die Zustandsanalysen der neu hinzukommenden Beitrittsländer. Auf diese einzugehen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, aber er ist auch nicht als Ersatz zum Lesen des Buches gedacht. Auffallend sind in allen Ländern das gleiche Muster der erfolgten Übernahme der bedeutendsten wirtschaftlichen Sektoren durch westeuropäische Eigentümer, die einseitige Ausrichtung des Außenhandels, die De-Industrialisierung ganzer Regionen und damit das extreme Auseinanderdriften von Reich und Arm in regionaler und sozialer Hinsicht.

_Hannes Hofbauer
[Osterweiterung]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3853711987/powermetalde-21
Vom Drang nach Osten zur peripheren EU-Integration
Pb., 239 S., ProMedia, 2003
ISBN 3-85371-198-7_

|Dieser Essay erschien zuerst im alternativ orientierten Magazin [AHA.]http://www.aha-zeitschrift.de|

Edward Gibbon – Verfall und Untergang des Römischen Imperiums (erstmals vollständig übersetzt in 6 Bänden)

Die vorliegende Ausgabe enthält in fünf Bänden die Kapitel I-XXXVIII bis zum Ende des Römischen Reiches im Westen einschließlich der ›Allgemeinen Betrachtungen über den Untergang des Reiches im Westen‹ sowie sämtlicher Fußnoten, Nachweise und Anmerkungen des Autors. Damit liegt dieser Teil von Gibbons Werk zum erstenmal seit 1837 ungekürzt und in einer neuen, zeitgemäßen Übersetzung vor.
Der sechste Band der dtv-Ausgabe enthält ausführliche Informationen zu Leben und Werk des Autors und zur Rezeptionsgeschichte sowie Bibliografie und Register.

Die Ausgabe entspricht den Bänden 1-3 des Gesamtwerks, die zuerst zwischen 1776 und 1781 in London veröffentlicht wurden. Gibbon betrachtete das Werk hiermit zunächst als abgeschlossen und wollte eine Fortsetzung von der Reaktion der Öffentlichkeit abhängig machen. (Verlagsinfo)
Edward Gibbon – Verfall und Untergang des Römischen Imperiums (erstmals vollständig übersetzt in 6 Bänden) weiterlesen

RatCon 2003

|Um die Wartezeit bis zur Ratcon dieses Jahres für alle Rollenspiel- und Fantasybegeisterten mit nostalgischem Verzücken zu versüßen, sei an dieser Stelle ein Bericht der Vorjahresveranstaltung als Appetithappen präsentiert. Dieser Con-Bericht wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung von [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht, dem großen deutschsprachigen Onlinemagazin für Fantasy, Science-Fiction, Horror und Rollenspiele.|

Die |RatCon| 2003 liegt zum Zeitpunkt, da ich dies schreibe, einen Tag hinter mir – Zeit für einen Bericht, der für alle Nicht-Con-Gänger die wichtigsten Ereignisse einigermaßen gerafft und schnell liefert, ohne nur aus Stichworten zu bestehen.

Die von |FanPro| in Dortmund ausgetragene Veranstaltung war – wie auch die Jahre zuvor – ein voller Erfolg: Schon Freitag am Spätnachmittag stand der doch nicht allzu kleine Platz vor dem Fritz-Henßler-Haus gerammelt voll mit Rollen- und Tabletopspielern, und meinen Nachfragen zufolge fanden sich unter diesen sogar einige, die es hier erst werden wollten. Mein Diktiergerät nahm Phrasen wie: „Ich bin hier wegen dem Rollenspiel, aber hauptsächlich wegen der vielen Freunde und Bekanntschaften aus der Internetszene, die ich hier treffen werde“ oder „Rollenspiel, Freunde, Spaß pur!“ auf, und ich versprach mir ein schönes, sonniges Wochenende. Denn auch der Wetterbericht spielte mit: Auch am Abend und in der Nacht sanken die Temperaturen nicht groß unter die noch T-Shirt-freundlichen 15 Grad, am Tag musste man häufig Schatten suchen, um es länger draußen (z. B. für eine der Spielrunden, die im Inneren keine Plätze mehr fanden und deshalb nach außen verlagert wurden) aushalten zu können.

Ebendiese Spielrunden fanden sich auch sehr schnell zusammen, sodass ab knapp nach Eröffnung um 18 Uhr bis abends (ca. 23 oder 24 Uhr) keine freien Spieltische mehr über das zentrale Vergabesystem zu beziehen waren – bis dahin beschäftigte man sich mit dem Treffen alter Bekannter (überall bildeten sich die Community-Menschenringe), dem Ausrollen von Schlafsäcken, dem Aufpumpen von Luftmatratzen oder schlicht Nichtstun und in der Abendsonne liegen. Todesmutige Spielgruppen, die sich auf Bäumen, Zäunen oder auf dem harten und sandigen Boden niederließen, waren ebenfalls zu beobachten – so auch wir. Direkt am Freitag war bis auf das sehr erfolgreiche und durchweg sehr positiv aufgenommene |Multiparallele Abenteuer| kein erwähnenswertes Programm aus dem Rollenspielbereich; die Tabletopper verzogen sich aber recht bald in ihre Sphären namens |MechWarrior|, |MageKnight| und |Battletech| und verließen diese auch nicht, um sich unter das |Pen&Paper|-rollenspielende Volk zu mischen. Nachdem eine grobe Übersicht über das Programm geschaffen wurde, plante man die Seminare für die folgenden Tage vor und ich brachte den Freitagabend bzw. die Nacht des Samstags gut hinter mich.

Am Samstag forderte der um 10 Uhr beginnende Workshop „Das ultimative Monster: Der Spieler“ von _Hadmar von Wieser_ ein recht frühes Aufstehen, das jedoch vielfältig belohnt wurde: Sowohl Spieler- und Spielleitergehirn als auch die Lachmuskeln wurden in einem gelungenen und spontanen Vortrag über die vier Typen des Rollenspielers und seine Wünsche aufs Angenehmste strapaziert, während Hadmar mit großem schauspielerischem Talent und unter Einbeziehung des zahlreich erschienenen Publikums über Crush, den Barbaren erzählte. Kaum einige Minuten Pause, dann setzte Hadmar von Wieser seine vielgelobten Vorträge fort: Diesmal jedoch mit Unterstützung durch _Tom Finn_, neben Bernhard Hennen und Karl-Heinz Witzko ebenfalls Autor des |Gezeitenwelt|projekts, die von sich selbst erzählten, ihr Projekt vorstellten und das Feedback und die Meinungen der Fans einholten. Im anschließenden Interview mit Tom Finn und Hadmar von Wieser, geführt von Oliver P. Bayer und mir, zeigten die beiden |DSA|- und |Gezeitenwelt|autoren erneut, dass sie für jede Frage der Fans eine Antwort haben – nur geben wollen sie nicht immer eine… Über den Tag hinweg fanden sich am F-Shop-Stand (der auch die druckfrischen Erstausgaben von „Stäbe, Ringe, Dschinnenlampen“ verkaufte) einige Autoren der neueren |Phoenix|-Romane ein, um sich Kritik, Lob und Unterschriftenjägern zu stellen. Der sehr sonnige Samstag klang dann in der berühmten Filmnacht aus, weshalb man am Sonntag in der Frühe die letzten verschlafenen Gesichter aus dem Kinosaal huschen und ob des hellen Lichtes im schummrigen Vorraum blinzeln sah.

Der letzte Tag der Con glänzte vor allem durch eins: Aufbruchstimmung. Diese durchzieht leider – wie auch die vorigen Jahre – den ganzen Sonntag, diesmal jedoch auch kräftig von den |FanPro|-Mitarbeitern unterstützt, die schon vorweg Zelte einklappten und die Schotten dicht machten. Der Hauptblock des Programmes war bereits vorüber, und man wartete nur auf eins: Die Podiumsdiskussion mit der gesamten anwesenden |DSA|-Redax. Vorher wurde man jedoch von der Siegerehrung des inoffiziellen Abenteuerwettbewerbs |Gänsekiel & Tastenschlag| unterhalten, in der sowohl die Juroren (Bewältigung von vielen hundert Manuskriptseiten) als auch die Preisträger und Teilnehmer viele Arbeitsergebnisse präsentieren konnten. Während des Sonntags standen viele Fans auch bei den beiden Zeichnerinnen _Caryad_ und _Sabine Weiss_, die auf Wunsch und gegen ein kleines Entgelt den eigenen Helden zeichneten. Die Podiumsdiskussion um 15 Uhr lockte schließlich doch noch alles, was von den 2.000 Besuchern auf der |RatCon| verblieben war, in den großen Kinosaal, schließlich bestand hier die Möglichkeit, die Ankündigungen neuen |DSA|-Materials zu hören und selbst mitzubestimmen, welche Projekte demnächst in Angriff genommen werden sollten. Die Informationen waren im Einzelnen:

Ein großer Marketingbereich (Tassen, T-Shirts, Schmuck, Fußmatten, Pinnwände…) wird für |DSA| und |FanPro| vom |DSA| spielenden _Oliver Nöll_ (Hersteller des |Einen Rings|) erschlossen werden: Erste Produkte (so die |Aventurien|-Pinnwand) erzielten auf der |RatCon|-Auktion Preise von bis zu 40 €.

In Zukunft werden viele alte |DSA|-Romane bei |Phoenix| neu aufgelegt werden, die |Heyne|-Romane werden mit der „Rhiana die Amazone“ nur noch als direkte Folgetitel weitergeführt werden, die einen größeren Soapfaktor haben – die bisher gewohnte Romanreihe wird |Phoenix| weiterführen (auch als Hardcoverausgaben), da die |Heyne|-Romane dem Anspruch von Autoren und Leserschaft nur selten entsprachen.

Im vielgefragten Bereich der |DSA|-Computerspiele konnte |FanPro|-Chef _Werner Fuchs_ nicht viel Neues vermelden: Zwar sei das Interesse weiterhin vorhanden, es fehle jedoch schlichtweg an den Mitteln und den geeigneten Partnern. Einer sei zwar „in der Hinterhand und im Gespräch“, aber die Entwicklungskosten würden such auf mindestens 2,5 Millionen € belaufen und so |FanPro|s Kapazitäten sehr stark belasten – zu stark für den Moment.

Verkaufszahlen zu |TDE| in Amerika lagen noch nicht vor, jedoch wird demnächst „Over the Griffin Pass“, eine Übersetzung von „Über den Greifenpass“ von Thomas Finn, und „World of Aventuria“ (Geographia Aventurica) erscheinen, die |Spielstein|-Kampagne von Don-Schauen ist ebenfalls im Gespräch. Eigenes Material für den US-Sektor ist im Moment allerdings nicht geplant und höchst spekulativ, Rückübersetzungen ins Deutsche sind aber auf keinen Fall geplant.

Nach „Götter und Dämonen“ wird es keine weiteren |DSA|-Boxen geben, die vier Kernregelwerke werden allerdings möglicherweise in Kompendien (andere Zusammenstellung, selber Inhalt) für Sammler und Themeninteressierte zusammengefasst werden. Zur |Spiel 2003| in Essen wird die Box erscheinen, eventuell auch als limitierte Sonderausgabe mit Unterschriften und einem kleinen Gimmick.

An weiteren Regelwerken folgt die Umsetzung von „Drachen, Greifen, schwarzer Lotus“ in Hardcoverform sowie die verschiedenen Regional- sowie evtl. spezifische Rassen(„Freakshow“ – Thomas Römer)bände, sofern diese nicht in den Regionalausgaben abgehandelt werden. Der Südmeerband (Piraten, Al’Anfa etc.) wird zur |Nürnberger Spielemesse| 2004 erscheinen, die Thorwalausgabe danach, möglicherweise zur |RatCon| in einem Jahr oder zur |Spiel| kurz danach.

Das „Liber Cantiones“ ist weiterhin als „Sammlerledersonderausgabe“ geplant, die jedoch nur in kleiner Stückzahl erscheinen wird.

Der Anteil der Soloabenteuer wird weiter zurückgefahren werden.

An Abenteuern sind vorerst nur Anthologien geplant, die sich bei der Spielerschaft offenbar großer Beliebtheit erfreuen.

„The Next Big Thing“ in Aventurien wird etwas mit heißblütigen Wesen mit Schuppenproblem zu tun haben – es geht um die Drachen…

Die Überarbeitung des |DSA|-Lexikons wird vorerst nicht in Angriff genommen, da sich dieses langweilige Mammutprojekt niemand vornehmen möchte – für Leidensarbeiten wie diese fehlen dann doch Mitarbeiter und zu viel Zeit, die |FanPro| lieber in neues Material gesteckt sehen will.

|DSA-Mobile| lässt ebenfalls Neues von sich hören: So schreibt Dr. Stefan Blanck „Die Grabräuber“ und Tom Finn an „Drachenfeuer“ – beide Abenteuer sollen noch dieses Jahr erscheinen.

Um 17 Uhr – also eine Stunde vor Ende der „48 Stunden Spielspaß“ – verließ ich dann schließlich die |RatCon| und werde an dieser Stelle noch kurz etwas wiedergeben, was noch keinen Platz im obigen Bericht gefunden hat:

So etwa die dringende Empfehlung, statt der FH-hauseigenen Cafeteria lieber die zahlreichen Imbissstuben der nahen Dortmunder Innenstadt zu stürmen – halbwarme, komplett weiße und fetttriefende unfertige Pommes sind nicht eben das, was man deliziös nennt und was auf einer Convention den knurrenden Magen beruhigt. Aber der Frühstücksteller für 3 € (immerhin zwei Brötchen + heißes Getränk) war noch annehmbar, auch wenn das Ei weggespart wurde. Dennoch boten zumindest am Samstag bestimmt fünf Bäckereien innerhalb eines Radius von ca. 800 Metern ums FHH eine gute Alternative.

Die Spieltischvergabe gestaltete sich dieses Jahr nach meinen Erfahrungen etwas unkomplizierter, hier hat |FanPro| offenbar aus den Riesendebakeln der letzten Jahre gelernt und den Service verbessert.

Alle anwesenden Autoren haben ein offenes Ohr für Fans – ich habe dieses Jahr mit so vielen Autoren gesprochen wie noch nie zuvor – nur anmelden sollte man sich vorher, um eine Chance zu haben und den Autoren eine zu lassen. Dann allerdings kann man nur vor spontanen, witzigen und durchaus privaten Gesprächen warnen – das |Gezeitenwelt|interview zog sich in meinem Falle unglaublich hin, weil Hadmar von Wieser und Tom Finn (etwas abseits von der Con) sehr angenehm und gesprächig waren.

Wer immer eine bunte Palette an Rollenspielshops (die allerdings nur ihre eigenen Produkte verkaufen und so keinen Preiskampf betreiben), Spielrunden aus fast allen Systemen und Seminare zum Rollenspiel und zur Fantasy sucht, ist auf der |RatCon| jedes Jahr wieder gut aufgehoben.

Con-Homepage: http://www.ratcon.de/
Veranstalter: http://www.fanpro.com
Nächster Termin: 10. – 12. September 2004

_Firunew_ für das [X-Zine]http://www.x-zine.de/

Max Allan Collins – CSI Las Vegas: Tod im Eis

Das geschieht:

„Never change a winning team“, lautet eine alte Binsenweisheit, die sich dieses Mal jedoch nicht verwirklichen lässt. Die bewährte Nachtschicht-Besatzung des „Crime Scene Investigation” (CSI) Las Vegas muss dieses Mal getrennt arbeiten, d. h. Tatorte sichern und meist quasi unsichtbare oder sogar unmögliche Spuren untersuchen. Gil Grissom, der Chef, und seine Kollegin Sara Sidle nehmen an einer Konferenz im fernen und winterlichen Bundesstaat New York teil.

Zurück bleiben Grissoms Stellvertreterin Catherine Willows und ihre Mitarbeiter Warrick Brown und Nick Stokes. Sie werden mit einem seltsamen Leichenfund konfrontiert: Weit außerhalb von Las Vegas wurde in der Wüste eine tote Frau gefunden. Der Mörder hat sich viel Mühe gegeben, die Spuren seiner Untat zu vertuschen: Sorgfältig hat er die Leiche eingefroren und sich nun erst ihrer entledigt. Max Allan Collins – CSI Las Vegas: Tod im Eis weiterlesen

Stroud, Jonathan – Bartimäus – Das Amulett von Samarkand

In einer Welt, in der Zauberer die Regierung bilden und ein zwei Klassensystem regelt, wer zu der privilegierten magischen Schicht gehört, wächst der junge Nathanael auf und wird – wie es sich gehört – von einem Magier als Lehrling aufgenommen. Bald merkt der Junge, dass sein Talent weitaus größer ist als sein altbackener vorsichtiger Lehrmeister vermutet, ja sogar, dass er in jungen Jahren schon seinem Meister voraus ist. Heimlich studiert er die verbotenen Werke und alle Versuche des Meisters, ihn durch Angst und Drohungen einzuschüchtern, scheitern kläglich. Der spießige und kleinbürgerliche Zaubermeister ist ein Beamter von niedrigem Stand, der sich bei den hohen Tieren der Regierung einschmeicheln will und mehr durch Gefälligkeiten und Kriecherei Karriere macht als durch magisches Talent. Das wird dem Jungen spätestens klar, als ein besonders fieser hochrangiger Besucher sich über ihn lustig macht. Blind vor Wut und Enttäuschung will er sich rächen, beschwört ein paar nervige Kleinstdämonen, doch die sind keine Gegner für den fiesen Magier. Der wiederum ist extrem sauer und fährt mit dem Kind Schlitten, während sein Meister zuschaut. Nun ist der Hass in dem Zauberlehrling geboren und der Racheplan steht schnell fest. Doch dazu braucht es einen etwas mächtigeren Dämon. Flugs macht Nathanael sich daran und beschwört den Dschinn Bartimäus.

Bartimäus hätte natürlich vieles lieber getan als einem rotznäsigen Lümmel von Zauberlehrling zu Diensten zu sein. Mit allen Mitteln versucht er sich der Beschwörung zu erwehren, doch zwecklos. Er muss gehorchen. Dabei ist die Aufgabe alles andere als einfach. Doch Bartimäus ist zwar nicht der mächtigste Dämon, dafür einer der listigsten. Und so gelingt es ihm auch, den Plan des Jungen auszuführen. Aber wenn der Dämon glaubt, damit hätte es sich auch, dann irrt er sich. Denn ohne es zu wissen, hat sein Beschwörer einen Plan der finstersten Sorte aufgedeckt und die mächtigen Magier, die dahinter stehen, sind ziemlich sauer. Und so stecken Bartimäus und Nathanael in echten Schwierigkeiten.

Der Roman gehört zu einer kleinen Reihe von Büchern, die als Debüt des Schriftstellers Jonathan Stroud in den Staaten Furore gemacht haben. Bereits kurz nach dem Erscheinen wurde das erste Buch für 20 Länder lizenziert. Dabei ist jedoch die Nähe zu einer anderen Erfolgsserie wohl eher von Bedeutung als eine ungeheure schriftstellerische Leistung, die ich hier nur bedingt feststellen kann.

Üblicherweise verzichtet ein Kritiker auf einen Vergleich. Doch da der Vertrieb des Buches sich daran orientiert und zugleich eine Menge tatsächlicher Parallelen existieren, muss man den Roman in Bezug zu der Reihe „Harry Potter“ sehen. Vertrieblich ist „Bartimäus“ sicherlich das Buch, welches überhaupt als Nachfolger des Fantasy-Jugend-Bestsellers gesehen werden kann. Wir haben England als Lokation, einen jungen Zauberlehrling und fiese Magier als Gegner. Das war es allerdings auch. Einem Vertrieb mag das reichen, doch einem Kritiker nicht.

„Bartimäus“ ist ein rundum eigenständiges Buch, das nicht nur besser geschrieben, sondern auch tiefgehender als der erste |Harry Potter|-Band ist. In dem Buch findet man alles, was ein spannendes Werk ausmacht und zudem noch eine Menge Gesellschaftskritik und Nachdenkenswertes. Der Autor nutzt die Außensicht des Dämons auf die Welt der Menschen, um kritisches Gedankengut zu verbreiten. Während die „Muggles“ bei Roawling als Menschen zweiter Klasse liebevoll akzeptiert werden, bricht der Dämon Bartimäus eine Lanze für die magisch Unbegabten. Nathanael argumentiert wie ein kleiner Rassist für das faschistische Regime der Magier über die Menschheit. Durchgehend schildert der Roman aus zwei abwechselnden Perspektiven nicht nur das Abenteuer, sondern auch die alternative Welt. So wird dem Leser nicht nur die Sicht des überzeugten Zauberlehrlings beigebracht, man erhält zusätzlich noch die fast wortwörtliche Vogelperspektive des Dämons.

Faszinierend ist dabei noch der schriftstellerische Kniff, in zwei unterschiedlichen Zeitebenen zu beginnen, die sich passend zum Spannungshöhepunkt treffen. Ab dieser Eskalationsstufe nimmt der Roman dermaßen an Fahrt auf, dass ein Weglegen des Buches zur Qual wird.

„Bartimäus“ ist sicherlich kein literarisch wertvolles Vollkornbrötchen, sondern eher ein luftig leichtes Weißbrot; schnell konsumiert mit mangelndem Sättigungsgefühl. Dementsprechend bekommt man Hunger nach mehr und glücklicherweise liefern Autor und Verlag noch weiteres Lesefutter. Wer sich nicht vor der Sucht nach spannenden Büchern fürchtet, der sollte hier zugreifen.

_Jens Peter Kleinau (jpk)_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung von [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht, dem großen deutschsprachigen Onlinemagazin für Fantasy, Science-Fiction, Horror und Rollenspiele.|

Roderick Grierson / Stuart Munro-Hay – Der Pakt mit Gott

Reliquienverehrung kennen wir nur zu gut innerhalb unserer christlichen Kultur des Mittelalters. Aber auch ältere Kulturen glauben an diese meist geheimnisumwitterten Dinge. Neben dem |Graal| galt lange die |Bundeslade| als eines der großen Mysterien der Menschheitsgeschichte. Sie wäre in unserem Kulturbereich fast in Vergessenheit geraten, wenn nicht vor einigen Jahren die Filmindustrie diesen Mythos wieder aufgegriffen hätte und mit „Indiana Jones – Jäger des verlorenen Schatzes“ Millionen weltweit auf diesen Mythos aufmerksam gemacht hätte.

Die bekannteste Version der Lade stammt aus dem Alten Testament der Bibel. Während der Flucht aus Ägypten, des Exodus, erstieg Moses einen Berg und wurde vierzig Tage und Nächte von einem Wesen, das sich als Gott offenbarte, instruiert. Während dieser Zeit war das Volk bereits ungeduldig geworden und glaubte nicht mehr an seine Rückkehr. Als er herabstieg, tanzten sie vor dem Goldenen Kalb und sein Bruder Aaron hatte die Führung übernommen. Voller Zorn zerschmetterte Moses die von Gott erhaltenen Gesetzestafeln und metzelte gemeinsam mit den Söhnen Levis etwa dreitausend andere Israeliten nieder. Damit hatten die Leviten, die bis dahin nur als zweite Klasse unter dem Stand der aaronitischen Priesterschaftslinie galten, die religiöse Macht übernommen. Anzumerken bleibt, dass die Aaroniten ebenso zum Stamm der Leviten gehören und dieser Zwist nur einer unter vielen innerhalb der Vielfalt noch anderer israelischer Stämme darstellt. Moses ging erneut für vierzig Tage auf den Berg und kam mit zwei neuen Gesetzestafeln zurück. In dieser Version wurde erst danach die Lade gebaut und diese Tafeln hineingelegt. Wundersame Ereignisse, die die meisten Juden und Christen kennen, sind mit der Lade verbunden, bis sie zu König David von Jerusalem gelangte und dessen Sohn Salomo ihr dann den berühmten Tempel erbaute. Irgendwann war sie verschwunden, über die Umstände hat die hebräische Bibel nichts zu sagen.

Tatsächlich ist die Lade aber viel älter, sie war bereits zu der Zeit, als der biblische Bericht verfasst wurde, eine alte und mysteriöse Reliquie. Der biblische Text, der Jahrhunderte nach den darin beschriebenen Ereignissen seine Endfassung erhielt, verkündet eine Religion, in der es nur einen Gott, einen wahren Ort der Anbetung und nur eine Lade gibt. Die Überlieferungen früherer Kulte widersprechen dieser Version. Die Lade hat Konkurrenz, es gibt zu ihr Alternativen, die vermuten lassen, dass mehrere Laden existieren. Zudem bestehen erhebliche Zweifel an der Authentizität der Gesetzestafeln, die Moses in die Lade legte.

Das ganze Bibel-Getue ist ohnehin etwas recht Willkürliches. Das Neue Testament und seine christliche Religion ist eine radikale neue Interpretation des Alten Testaments, aber auch das Alte Testament wurde in seiner heutigen Form als Kanon erst im 1. Jahrhundert nach Christus festgelegt und stellt nur einen Bruchteil der ursprünglichen hebräischen Schriften dar. Diese entsprechen auch keinen einheitlichen hebräischen religiösen Linien, es gab innerhalb der Stämme noch viel mehr religiöse Machtkämpfe als nur die zwischen den in der heutigen Bibel am deutlichsten auftretenden Jahwisten (Moses) und Elohisten (Aaron). Bei Letzteren hat die Lade aus den genannten historischen Gründen auch keinerlei spirituelle Bedeutung. Archäologisch sind die biblischen Geschehnisse sowieso nicht haltbar, es ist historisch nicht möglich, zwischen Kanaaiten und Israeliten zu unterscheiden.

Für die „reine“ Lehre der Priester- und Prophetenkaste wurden der Abfall von Gott und der Untergang des israelischen Volkes mit der Einführung eines Königs besiegelt. Das Königstum stellte bei allen Völkern des Nahen Ostens eine Institution dar und war mit Mythologien verbunden, die den Kampf zwischen Ordnung und Chaos darstellten, z.B. im Babylonischen der Kampf zwischen Marduk und dem Drachen Tiamat. Der König wurde überall als Sohn Gottes betrachtet. Für die israelische Lehre war das der Untergang und größte Frevel, den sie mit König David einführten und der dann nahtlos bis zum Messias Jesus, ebenfalls dem Hause Davids entstammend, führte. (|„Am Ende würden sie wegen des Königs, den sie sich selbst gewählt hatten, zu Gott um Hilfe schreien, Gott werde ihnen jedoch nicht antworten“|… 1. Sam. 8, 10–18).

Auch an anderen Stellen des Buches Samuel wird deutlich, wie beschämend für die Priester das Verhalten König Davids war, der anstelle der jahwistischen Konventionen die Riten der kanaaitischen |Baal|s-Religion integrierte. Offen feierte er die alten Fruchtbarkeitsriten, verhielt sich sexuell „sündig“ und beschränkte sich nicht mehr auf seine eigene Frauen. Sehr interessant hierbei ist, dass Gott wegen dieser Krönung den Bund mit dem Volk Israel brach, aber dennoch stattdessen einen ewig geltenden Bund mit dem Hause David geschlossen haben soll. Und dieser Bund war nicht mehr israelitisch, sondern gehörte zur Welt der „anderen Völker“.

Für den Tempel, den Salomo baute, wurden fremdländische Handwerker geholt. Auch Salomo gilt in allen jüdischen, christlichen und muslimischen Überlieferungen als großer Magier und Zauberer. Er huldigte den Göttern seiner ausländischen Frauen, die Weisheiten, die er überliefert hat, sind einwandfrei ägyptischen Ursprungs und seine Macht soll auf ein Buch zurückgehen, das Adam noch aus dem Paradies mit in unsere Welt herüber rettete. So sehen es zumindest die jüdischen Mystiker, die im 18. Jahrhundert den |Chassidismus| begründeten. Sie erheben die Erotik des „Hoheliedes Salomo“, das auch sonst überhaupt nicht in die übrigen Lehren der Bibel passt, zu einem wesentlichen Pfeiler ihres Glaubens, indem sie in ihrem kabbalistischen |Sohar| das Brautgemach verehren, das der Weisheit – |Sophia| – der Göttin entspricht. Allen Überlieferungen nach ist die Bundeslade mit der Königin von Saba dem israelischen Volke verloren gegangen.

Für den modernen Menschen ist das, was mit und in Israel läuft, in religiöser Hinsicht völlig undurchschaubar. |Israelisch| bezeichnet das weltliche Herrschaftsgebiet, das ihnen von den Siegermächten des 2. Weltkrieges auch wieder zuerkannt wurde, |hebräisch| dagegen bezeichnet die Religionszugehörigkeit. |Semitisch| wiederum umschreibt die ganzen Aufsplitterungen in die Stammeslinien, wobei auch die nachfolgenden Weltreligionen des Christentums wie des Islams im Grunde als semitisch bezeichnet werden müssen. Von anderen Völkern werden sie jedoch immer noch als |Juden| bezeichnet, was von den Judäern herrührt, einer der Familien im verwirrenden Stammeskontingent. Diese Familie ist auch der Anstoß, den die Christen an ihnen nehmen, denn Judas hatte Jesus, den Davidianer, verraten. Heutige Gegner dieser Religion und ihres Volkes verwenden den Begriff |Zionisten|. Die Herkunft des Wortes |Zion| ist am unklarsten, aber dieser Begriff ist untrennbar mit dem Königstum des Hauses David verknüpft und stammt etymologisch aus der |Baal|-Religion.

Der Tempel Salomos wurde zerstört und bis heute wird deswegen weltweit immer wieder Krieg geführt. An der so genannten „Klagemauer“ an der Stelle des ursprünglichen Tempels in Jerusalem versammeln sich alle, die unzufrieden sind. Die christlichen und muslimischen Palästinenser, die Griechen, Armenier, Juden und Marokkaner klagen und streiten vereint um diesen Verlust, der in seiner Bedeutung die gleichen Ausmaße angenommen hat wie die Vertreibung Adams und Evas aus dem Paradies.

Im Buch der beiden Autoren, auf das sich dieser Essay bezieht, geht es dann erst einmal nicht mit dem Geheimnis um die Bundeslade weiter. Es gibt einige Theorien, was aus ihr geworden sein könnte, aber der Faden spinnt sich von den Visionen Ezechiels, dem Buch Henoch, dem Erscheinen des Messias Jesus zu dem auf ihn folgenden letzten Propheten Mohamed. Mohamed räumte auf mit all den götzenhaften Vorstellungen der glaubensabgefallenen Völker der Juden und Christen, weswegen die Christen in ihm natürlich den Antichristen sahen, da für sie ja schon Jesus der Letzte und Einzige war.

Die Bedeutung, die Mohamed und sein Islam für die ursprüngliche Glaubenslinie einnimmt, ist zweifelsfrei wichtiger als die von Jesus Christus, die sich auch nur durch militärische Überlegenheit bis heute noch hat halten können. Die Muslime greifen auf die ursprünglichen Offenbarungen der Propheten zurück und können dies in ununterbrochener Kette der Überlieferung nachweisen, im Gegensatz zu den verfälschten und nicht verlässlichen Überlieferungsketten der Juden und Christen. Zudem ist die Geschichte der Juden voller Invasionen und Kriege, die Palästina zugrunde gerichtet haben. Bei allen drei heutigen Hauptreligionen bleibt der Angelpunkt ihres Streites untereinander aber Jerusalem. Selbst die Moslems gehen davon aus, dass am Tage des Jüngsten Gerichts die Kaaba von Mekka nach Jerusalem fliegen wird und als Braut auf dem Tempelberg erscheint.

Über die Legenden der muslimisch gewordenen Beduinenvölkerlinien findet die bisherige Geschichte der Lade aber eine überraschende Wendung, indem ältere Überlieferungen um die Bundeslade vor der Zeit Moses zu Tage treten, die in matriarchalische Göttinnenreligionen zurückreichen. Und damit tritt ein Geschehen zutage, auf das der Leser des zugrundeliegenden Buches bereits seit 250 Seiten hingeleitet wird, nämlich dass die Bundeslade noch heute in Äthiopien zu finden sei und dass die Königin von Saba sie dorthin aus dem Tempel Salomos brachte. Diese Königin wird im äthiopischen Volk auch mit der Königin Candaze oder Mekeda gleichgesetzt, die ihnen das Christentum überbrachte. Hier wird deutlich, dass sich die Mythen immer endlos wiederholen. In vielen alten Religionen dieses Kulturkreises geht diese Linie schon auf Lillith, die erste Frau Adams, zurück, die noch vor Eva von Gott geschaffen und noch vor dem Sündenfall aus dem Paradies vertrieben worden war.

Die Geschichte des Landes Zion ist äthiopischer Nationalepos und ihre religiöse Kultur steht in christlichem Traditionsfeld. Sie sehen den Religionskonflikt darin, dass Saulus der Jude, der sich später Paulus nannte, kam und alles verdarb. Denn auch die Äthiopier berufen sich auf eine Blutslinie aus dem Hause Davids, genau wie es auch einige magische Linien Europas tun. Allerdings bezieht sich der Anspruch dieses afrikanischen Volkes nicht nur auf den Sohn, den die Königin von Saba Salomo gebar, sondern darüber hinaus auf den Besitz der magischen Reliquie und damit auf den Anspruch auf den Bund mit Gott sowohl in alter wie in neuer Form. Und um diesen Bund geht es ja allen. Wenn man weiß, dass Salomo 700 Frauen und 300 Nebenfrauen hatte, kann man sich vorstellen, wie viele traditionelle Königslinien es heutzutage noch geben muss (nur am Rande vermerkt). Das Wichtige im äthiopischen Epos ist die Existenz der Lade, über deren wahre Bedeutung und wahres Alter sie als Besitzer deswegen auch die genauesten Kenntnisse von allen haben. Erst in ihrer Mythologie wird sie in der Bedeutung so etwas wie der Heilige Graal.

Um historisch alles noch besser zu verstehen, müssen wir noch tiefer in die Welt der arabischen Götter gehen und finden dabei die Geschichte des alten Königreiches Aksum, das dem alten Ägypten zuzuordnen ist, zu Gott Amun und seiner Göttin. Aksum gilt aber auch als Residenz dieser äthiopischen Königin von Saba. Dort stehen auch die größten Monolithe unserer Welt, was aber von den semitischen Religionen als viel später errichtetes heidnisches Zauberwerk datiert wird, und sie behaupten, ihre Kultur sei älter als diese Steine. In der heutigen äthiopischen Religion überschneidet sich dagegen der christliche mit dem jüdischen Glauben auf ganz eigene Weise. Sie haben die Mutter von Jesus, Maria, als Zion identifiziert. In der Gottesmutter, vermischt mit der wirklichen Blutslinien-Sichtweise, stellt es die perfekt gelungene heutige Version dar, was deshalb aufgrund seiner Attraktivität für den zukünftigen Weiterbestand dieses ganzen religiösen Dilemmas sorgen könnte. Und das alles in einem Land, wo sich in der Zeit nach Christus sowohl Heiden, Christen und Juden nicht nur gegenseitig sondern auch immer wieder untereinander wegen Glaubensfragen abgeschlachtet haben.

Geschichtlich ist diese neuere Ausprägung der Form des Volksglaubens aber auch verständlich, denn für die christlich liebäugelnden Äthiopier droht von den Juden keine Gefahr, wohl aber von den Moslems. Christen und Juden teilen darüber hinaus ja auch eine gemeinsame Schrift, was bei Christen und Muslimen nicht mehr der Fall ist. Und das funktioniert heutzutage alles, obwohl es historisch so war, dass Äthiopien Mohamed Schutz vor den Juden gewährte. Das christliche Interesse an Äthiopien ergibt sich dagegen aus der Tatsache, dass es zwei konkurrierende Davidslinien sind, die Äthiopier aber auch noch die Bundeslade haben, welche in den Händen der Christen den absoluten Machtanspruch auf den Bund mit Gott darstellen würde. Damit hätten die Christen auch die Chance, über den Anspruch der Lehren Mohameds triumphieren zu können. Die äthiopischen Christen haben weltweit die Marienverehrung am detailliertesten in ihren Glauben integriert, da ihrer Überlieferung nach Maria nach ihrer Himmelfahrt im Himmel Jesus dann das Versprechen abnahm, dass jeder, der in ihrem Namen eine Kirche baue, der die Nackten kleide, die Kranken besuche, die Hungrigen und Dürstenden speise, die Trauernden tröste und so fort der strafenden Hölle entgehen soll. Im heutigen Äthiopien ist man, seit all diese Geheimnisse jetzt erst in den letzten Jahren vermehrt ins Interesse der Weltöffentlichkeit gelangen, besorgt, dass ihnen von Geheimdienstgruppen die Lade gestohlen werden könnte.

Neuere Forschungen identifizieren Moses mit dem ägyptischen Eschnaton. Das goldene Kalb, um das, als Moses vom Berg herabstieg, sein Volk tanzte, war nichts anderes als der Apis-Stier, der als Inkarnation des Gottes Osiris verehrt wurde. Die Ägypter sehen deswegen die Juden als diejenigen an, die gottlos geworden sind. Nach ihrer Ansicht nach wurde ihnen die Lade von Moses gestohlen. Interessant dabei ist, dass die äthiopische Kirche noch bis 1959 der Autorität der älteren Kirche in Ägypten unterstand. Im äthiopischen Christentum sind viele Elemente der Religion König Davids integriert geblieben, die von den älteren Fruchtbarkeitskulten stammen. Bestandteil ihrer Riten sind diese ekstatischen Tänze zu Trommeln, die Nacktheit unter Männern und Frauen während der Taufzeremonien, die nicht nur einmal bei den Gläubigen durchgeführt werden, sondern immer wieder begangen werden. Die christlich-afrikanische Religion stellt ein Wunder dar – zweifelsfrei verhält sie sich in ihrer Geschichte genauso imperialistisch wie alle anderen Ausprägungen dieser semitischen Religionslinien, aber sie heilt auch alte Wunden und führt in ihren Ritualen die feindlich gegenüberstehenden Glaubenssätze der ursprünglichen ägyptischen, hebräischen, mesopotamischen und christlichen Kulte zusammen.

Die mosaische Prägung ist seit dem Erscheinen Christi vor 2000 Jahren ein Quell von Schmerz und Leid. Der äthiopische Kaiser, der sich seiner Abstammung nach auf die Königin Saba und den König Salomo berief, wurde 1974 gestürzt. In einem neuen Exodus mussten über zwei Luftbrücken wieder einmal Tausende von Juden der verlorenen Stämme Afrika verlassen. In Israel wurden sie nicht als Juden anerkannt, sondern als Christen gewertet. Es bleibt also trotz dieser vorbildlichen Integration in der äthiopischen Religion wohl auch in der Zukunft ein nicht aufhörender Religionskrieg zwischen den semitisch-ägyptischen Völkern. Auch vom Islam, der jede Heiligenverehrung und Bildnisse Gottes ablehnt, ist kein Aufeinanderzugehen zu erwarten. Und in unseren westlichen politischen Kreisen gärt ja dieselbe Bluts- und Messiaslinie im Verborgenen von den Merowinger-Dynastien über die fränkischen Kaiser seit Pippin II. bis ins heutige vatikanische Rom.

Alle, denen es um weltliche Macht geht, spielen dieses Poker-Ass irgendwann einmal aus. So wie in der |Tyndale|-Bibel der Ausgabe unter Jakob I., bei den Calvinisten, bei Oliver Cromley, der gar England als das auserwählte Volk sah und sich als zweiten Moses aus dem Hause Ägypten bezeichnete, bei den Anglikanern, den Anhängern von Thomas Müntzer, den Quäkern… Immer wieder sollen die zehn Gebote mit Waffengewalt durchgesetzt werden. Die Auswanderungen in die Neue Welt geschahen aus diesen den Exodus nachahmenden religiösen Gründen. Diese Neue Welt ist die heutige USA, deren Verfassung von einer zionistischen Priesterschaft des alten Ordens des Melchisedek entworfen wurde. Benjamin Franklin und Thomas Jefferson wählten nicht nur die Symbole des Sieges Israels über Ägypten, sondern diskutierten sogar, ob nicht Hebräisch die ideale Sprache für das neue ausgewählte Volk von Amerika sein könnte. Viele im damaligen Amerika entstehenden Sekten beriefen sich auf direkte Abstammungen zu verlorenen Stämmen Israels. Auch Indianer galten plötzlich als solche verlorene Stämme.

Joseph Smith fand eine neue Art Lade, die das Buch Mormon enthielt, und die Mormonen – die Heiligen der letzten Tage – wollen in Amerika ein neues Zion aufbauen. Tatsächlich sind sie seit dem Aufkommen des Islam die erfolgreichste Religion. Sie sehen sich als Nachfahren der alten Israeliten und setzten die alttestamentarische aaronitische und melchidekische Priesterschaft wieder ein. Ihre Tradition gründet historisch auf die Freimaurerei und in diesen Kreisen wird oft das Mormonentum auch als die „wahrhaftige Freimauerei“ bezeichnet. Ungeachtet all dieser religiösen Kriege beschäftigen der Tempel Salomos, die Lade und all die mit diesen Dingen verbundene Komplexität einer Sternenweisheit natürlich auch alle Philosophen, Wissenschaftler, Gelehrten und Historiker. Es ist zweifellos ein spannendes Thema um die Menschheits- und Kosmosrätsel. Die Freimaurer, die solches Wissen bewahren, üben den stärksten Einfluss auf Politik und Kultur der westlichen Welt aus. Ihre Wurzeln liegen im Ägyptischen und sie beglückwünschten in Telegrammen auch 1930 Ras Tafari zu seiner Wahl als Kaiser Haile Selassi I. von Äthiopien mit den Worten: „Grüße von den Äthiopiern der westlichen Welt“.

Eine neue Religion dringt auch mit den Mitteln der Musik in die Welt – |Reggae|… Für Bob Marley und alle anderen |Rastafari| ist ihr Glaube mit einem neuen Zion verbunden, in dem ein schwarzes Israel aus der Unterdrückung Babylons befreit wird… Der Kampf geht weiter. Warum kann die Religion nicht dahin zurückkehren, wo sie herkommt – zur Gemeinsamkeit der Menschheit, zur Vermischung in der Verschiedenheit, anstatt immer weiter in die Trennung zu führen und den Anspruch des Ausgewähltseins aufrechtzuerhalten? Die Lade sollte wahrscheinlich einfach wieder in die Hände der Heiden gelangen.

Das vorgestellte Buch wurde vor dem 11. September 2001 geschrieben…. Seit diesem Zeitpunkt tauchen weitere Fragen auf, wie: Was verbirgt sich im Namen von Osama Bin Laden? Etwa auch die Lade? Bundesladen überall – da lehnen wir uns doch lieber zurück und kiffen einen… Hail Selassi, Rastafari!

_Roderick Grierson / Stuart Munro-Hay
„Der Pakt mit Gott“
Auf der Suche nach der verschollenen Bundeslade

504 S., geb., Gustav Lübbe 2001
ISBN 3-785-72048-3

Broschur, Bastei Lübbe April 2003
ISBN 3-404-64191-4

Nigel Marven & Jasper James – Monster der Tiefe. Im Reich der Urzeit

Eine Zeitreise in sieben Etappen führt einen wagemutigen Tierfilmer in die Meere der irdischen Vergangenheit. Im Auftrag des Lesers taucht Nigel Marven in geheimnisvolle Tiefen, um deren gewaltige Bewohner aufzuspüren. Im Ordovizium (vor 450 Mio. Jahren) treffen wir auf Seeskorpione und Monumental-Tintenfische in schultütenspitzen Schutzschalen, im Devon (vor 360 Mio. Jahren) auf einen Albträume verursachenden, brechscherenkiefrigen Knochenpanzerfisch. In der Trias (vor 230 Mio. Jahren) erobern die Dinosaurier die Ozeane, im Jura (vor 155 Mio. Jahren) beherrschen sie diese, in der Kreide (vor 75 Mio. Jahren) verwandelt eine Flut bizarrer Riesensaurier die Weltmeere in das Aquarium des Teufels. Im Eozän (vor 36 Mio. Jahren) haben ebenfalls nicht handzahme Säugetiere diesen Lebensraum übernommen, aber im Pliozän (vor 4 Mio. Jahren) lehrt sie ein omnibusgroßer Haifisch das Fürchten.

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Felten, Monika – Elfenfeuer

„Deutscher Phantastik-Preis“, ruft der helle Aufkleber auf schwarz-weißem Cover-Hintergrund (eine alte Burg, von Dunkel umhüllt). Deutscher Phantastik-Preis? Von wem vergeben? Da schweigt des Covers Höflichkeit … Nun ja – Preis, immerhin. Also lesen wir es doch mal.

Prolog: Die Nebelelfe Shari beobachtet, wie in der Finstermark, dem unwirtlichen Gebiet nördlich des Reiches Thale, Truppen zusammengezogen werden. Es ist der übliche Dunkle Herrscher, diesmal heißt er An-Rukhbar, und natürlich will er Thale erobern. Leider kann Shari die Elfen, Menschen und Druiden nicht mehr warnen …

Erstes Buch, viele Jahre später: Erzählt wird die Geschichte des Mädchens Ilahja, die in Zusammenhang steht mit der Prophezeiung des letzten Druiden von Thale, Anthork. Der sagte An-Rukhbar voraus, dass einst beim Schein der Zwillingsmonde ein Kind geboren werde, das ihn stürzen würde. An-Rukhbars Magie macht seitdem – eigentlich – alle Frauen unfruchtbar, aber hin und wieder eben doch nicht so ganz. Ilahja, die als Kind von einer geheimnisvollen Unbekannten vor dem Tod gerettet wurde, wird natürlich die Mutter dieses Kindes sein, und natürlich verhindern alle Machenschaften des Obersten Kriegsherren Tarek und des Meistermagiers Asco-Bahrran nicht, dass es zur Welt kommt. Zumal die Herren immer nach einem Sohn suchen lassen. Pech – diesmal darf ein Mädchen die Welt retten.

Zweites Buch: Das Mädchen heißt Sunnivah, wuchs bei den letzten Priesterinnen der Gütigen Göttin auf und wird nun geweiht. Ach ja: Die Gütige Göttin wurde von An-Rukhbar in ein magisches Gefängnis gesperrt, und er hat auch ihren Stab der Weisheit geraubt, ohne den sie fast machtlos ist. Sunnivah muss also den Stab zurückgewinnen und die Göttin befreien. Ihre Aufgabe darf sie gemeinsam mit Naemy, einer der letzten Nebelelfen, mit der Kriegerin Fayola und Vhait, dem Sohn des Obersten Kriegsherren, lösen (Vhait hat sich von seinem Vater losgesagt, als ihm klar wurde, wie grausam dieser ist).

Drittes Buch: Showdown. Rebellenarmeen, dämonische Halbwesen, Schlacht um Nimrod, Sunnivahs Aufstieg zum Himmelsturm; nur dort kann der Stab zurückgegeben werden (der Berg – ein beliebtes Symbol in der Fantasy …).

Zusammengefasst: nichts wirklich Neues. Doch das lässt sich gegen die meisten anderen Fantasy-Romane auch einwenden. Hell und Dunkel, Queste, Reifen des Helden/der Heldin, Prüfungen, Qualen, Kämpfe, Sieg. Aber warum liest man Romane wie „Der Engelsturm“ (Williams), „Grüner Reiter“ (Kirsten Britain) oder „Bannsänger“ (ADF) mit angehaltenem Atem und ohne sie wegzulegen – obwohl sie doch genauso vorhersehbar sind? Und warum weckt ein Roman, der immerhin den „Deutschen Phantastik-Preis“ erhielt, diese Anteilnahme nicht? Monika Felten erzählt einfach zu glatt (und manchmal, wie am Ende des dritten Buches oder im Epilog, hart an der Fürstenroman-Grenze). Richtig gefährlich wird es nie und somit auch nicht richtig spannend. Doch das ist es nicht allein – auch die Charaktere bleiben blass, sind „die üblichen Verdächtigen“; ich konnte nicht mit ihnen fühlen. Konflikte werden ebenso schnell gelöst, wie sie herbeigeführt werden; innere Kämpfe finden selten statt, und wenn ja, dann glaubt man sie kaum. Fantasy für Brave: Gib dir nur Mühe, dann klappt s auch. Ereignis auf Ereignis, Hürde auf Hürde, aber nichts davon vermag wirklich Angst um die Helden zu machen; und eine graue Wölfin sowie ein legendärer Riesenvogel sorgen dafür, dass sich auch die letzten Gefahren in Nichts auflösen. Kein Vergleich zu Szenen wie der am Rande der Schicksalsklüfte, als Frodo den Ring nicht hineinwerfen will – und die Welt praktisch am Ende ist. Auch nicht zu jener, in der die Helden auf dem Engelsturm stehen und begreifen, dass die Prophezeiung von den drei Schwertern sie die ganze Zeit in die Irre geführt hat. Da kann noch alles passieren, ist alles offen (auch hier weiß man ja, dass es gut ausgehen wird, aber wie bloß??). Doch wenn die dämonischen Cha-Gurrline über Feltens Gefährten herfallen, ist klar, dass die Wölfin und/oder der Vogel es schon richten werden – von vornherein …

Um nicht missverstanden zu werden: Es handelt sich bei diesem Buch um flüssig erzählte, handwerklich saubere Fantasy, die man sich durchaus auf einer Bahnfahrt zum Zeitvertreib gönnen kann. Und es gibt Dutzende Bücher, auch aus dem anglophonen Raum, die langweiliger oder schlechter erzählt oder beides sind. Insofern kann man für „Elfenfeuer“ das Prädikat „Akzeptabler Durchschnitt“ vergeben. Bloß: Dieses Buch hat den „Deutschen Phantastik-Preis“ bekommen. Was eine Frage und/oder eine Vermutung offen lässt. Die Frage: Ist bei der Preisvergabe alles richtig gelaufen – hat die Jury alle relevanten Bücher gelesen? Die Vermutung: arme deutsche Fantasy …

_Peter Schünemann_ © 2003
mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung von [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/

Hannover spielt! 11

Zu den so genannten „Traditionscons“ gehört auch die Veranstaltung „Hannover spielt!“, die auch dieses Jahr im Haus der Jugend stattfand. Auf zwei Etagen fanden etliche Spieler am 22. und 23. Mai zum elften Mal eine Vielzahl von Spielrunden, interessanten Events und auch genügend Futter sowohl für ihren Magen als auch für die gut bestückten Regale zu Hause. Neben dem Verlag |Pegasus| waren |Truant|, die Redaktion |Phantastik| und als besonderes Highlight die Mannschaft des Rollenspiels |Degenesis| mit einem Promotionstand zugegen. Letztere bewarben die Erstausgabe des |Degenesis|-Rollenspiels mit Signierstunden, Zeichnungen und unverwechselbarem Charme. Doch Klaus Scherwinski und Marko Djurdjevic waren nicht die einzigen bekannten Gesichter auf der |H.spielt!| Florian Don-Schauen, André Wiesler, Thomas Römer, Wolfgang Schiemichen und Frank Heller waren zumindest körperlich anwesend, um nur ein paar zu nennen und gleichzeitig eine Menge anderer nennenswerter Personen zu unterschlagen. Wer Lust hat, sich auf einen Plausch mit den Machern der Rollenspielszene einzulassen, hat auf der [H.spielt!]http://www.hspielt.de/ weitaus bessere Chancen als auf jeder anderen Veranstaltung. Auf der Con geht es gemütlich zu und es fehlt die Hektik der Messe und der großen Cons.

Eine große Attraktivität der Veranstaltung sind nicht nur die wirklich vielfältigen Spielrunden, die sich auf die Räume gut verteilen. Es sind die besonderen Events. So fanden Lesungen, Workshops, ein Quiz und eine Preisverleihung statt. Die verschiedenen Aktionen wurden hervorragend angenommen und waren durchgehend gut besucht.

Sensationell gut kam das Quiz zum Rollenspiel „Das Schwarze Auge“ an. |Fantasy Productions| hatten das Ratespiel bereits in ihrem Newsletter angekündigt und der Zulauf war dementsprechend groß. Der Ablauf verlief witzig und unterhaltsam. Dabei hatte sich die Redaktion wirklich knackige Fragen ausgedacht, die selbst eingefleischte DSA-Fans vor Schwierigkeiten stellten. Es war eine durchaus ernsthafte Herausforderung, die mit genügend Humor durchgeführt wurde und Lust auf mehr machte.

Ein besonderer Event war die Verleihung des |Deutschen Rollenspielpreises| 2003. Die Premiere der Preisverleihung kam nicht nur bei den Machern, sondern auch beim Publikum gut an. Der |Deutsche Rollenspielpreis| ist ein Jurypreis, der als Anerkennung für die besten Leistungen im Bereich der Rollenspiele verliehen wird. Die durchweg von bekannten Szenenasen besetzte Jury verlieh die Preise unter lautem Applaus an die |Redaktion Cthulhu|, die Macher von |Arcane Codex|, an André Wiesler und an das Team von |Projekt Odyssee|. Mit der Nominierung und der letztendlichen Preisvergabe zeigte die Jury sowohl hohe Kompetenz wie auch Fingerspitzengefühl. Die allgemein gut angenommene Aktion lässt die Hoffnung aufkommen, dass damit eine Institution geschaffen wird, die weiterhin gute Leistungen prämiert.

Die Veranstaltung bot die Möglichkeit, über das Wochenende durchzuspielen, was vom harten Kern der angereisten Rollenspieler auch gerne angenommen wurde. Am Sonntagmorgen verlangten einige durchwachte Personen mit müden Augen nach Koffein, der genauso wie die anderen Nahrungs- und Genussmittel fast zum Selbstkostenpreis angeboten wurde. Eine gute Idee war dabei die Souvenirtasse für 9 Euro, bei der so viel Kaffee oder Tee inklusive war, wie der Magen vertrug.

|Hannover spielt!| ist immer wieder eine Anreise wert. Die verkehrstechnisch gute Anbindung macht dies auch geradezu einfach. Wer in der Region wohnt, sollte sich die Veranstaltung nicht entgehen lassen. Wer weiter entfernt wohnt, dem sei angeraten entweder durchzuspielen oder die gute Infrastruktur der Messestadt zu nutzen, in der die Bettenpreise zur Nebensaison – also zur Nicht-Messe-Zeit – durchaus erschwinglich sind.

_Jens Peter Kleinau (jpk)_
|Dieser Con-Bericht wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung von [X-Zine]http://www.x-zine.de veröffentlicht, dem großen deutschsprachigen Onlinemagazin für Fantasy, Science-Fiction, Horror und Rollenspiele.|

de Camp, Lyon Sprague – H. P. Lovecraft – Eine Biographie

Was lange währt, wird gut? Auf die ungekürzte Ausgabe der Lovecraft-Biographie mussten die deutschen Leser über 27 Jahre warten; 1975 schon hatte Lyon Sprague de Camp sie verfasst. Dem Wissbegierigen blieb nur, sich mit „Der Einsiedler von Providence – Lovecrafts ungewöhnliches Leben“ zu begnügen, einer Sammlung von Essays und Erinnerungen, die 1992 bei |Suhrkamp| erschien; und irgendwann, laut Boris Koch in „Mephisto 22“, erschien auch eine stark gekürzte Taschenbuchausgabe der Biographie. Nun aber liegt uns das vollständige Werk vor, ein 640-Seiten-Monument ohne Bilder (dafür mit vielen Fußnoten).

Eigentlich, so der Autor im Vorwort, wollte August Derleth dieses Buch schreiben – doch er starb, bevor er es in Angriff nehmen konnte. Also machte sich LSdC, der schon Artikel über Lovecraft und dessen Kollegen veröffentlicht hatte, an diese Aufgabe. Das erscheint einem legitimiert, da Sprague de Camp seit Jahren die |Conan|-Serie Robert E. Howards weiterschreibt, zum Teil nach dessen Entwürfen; Howard aber war ein enger Brieffreund Lovecrafts und zählte mit diesem und Clark Ashton Smith zu den „drei Musketieren des |Weird Tales|“, des Pulp-Magazins, ohne das wir vieles nicht hätten, wohl auch Lovecraft nicht. Kurios ist aber, dass de Camp bei intensiven genealogischen Nachforschungen tatsächlich auf seine entfernte Verwandtschaft mit HPL stieß (etwa so, wie Bilbo mit Pippin verwandt ist, glaube ich).

Doch kann man dem Autor auch zustimmen, wenn er meint, für diese Aufgabe vielleicht sogar besser geeignet zu sein: „Wo Derleth Lovecraft fast bis zur Vergötterung bewunderte, hatte ich das Gefühl, mich dem Thema objektiver nähern zu können.“ Richtig? Jedenfalls erweist sich de Camps Blick als ebenso anerkennend wie kritisch. Er würdigt sehr wohl Lovecrafts Leistungen als Erfinder guter Geschichten, als Schöpfer des |Cthulhu|-Mythos oder als Inspirator anderer; er sieht aber auch seine Schwächen auf literarischem Gebiet, allen voran die berüchtigte „Adjektivitis“. Der Leser findet im Buch kurze Inhaltsangaben zu den meisten Geschichten (ohne dass immer der Schluss verraten wird) und eine Bewertung der Texte, die oft herausfordert. Auch mit dem Schöpfer der Texte geht Sprague de Camp ins Gericht, er lässt weder Lovecrafts Unwillen (und Unfähigkeit?) aus, sich in der Erwerbswelt durchzusetzen, noch seine rassistischen Tiraden (die mitunter Hitler oder Goebbels alle Unehre machen). Andererseits betont er aber auch HPLs persönliche Konzilianz und Großzügigkeit sowie seine enorme autodidaktische Bildung und Vielseitigkeit. Er geht den Wurzeln in Kindheit und Erziehung nach, die einen Menschen von 25 sich als „alt“ und „Großvater“ bezeichnen ließen, und er verzweifelt beinahe über Lovecrafts „Talent“, sich nicht zu vermarkten. (Hier kann übrigens der angehende oder es sein wollende Schriftsteller einiges aus der Erfahrung des Profis mitnehmen, der sich seinen Rang – und sein Auskommen! – hart erkämpfen musste; man multipliziere die Schwierigkeiten aber, denn man lebt in Deutschland.)

Vieles wird präzise aufgelistet; wir erfahren ganze Tagesabläufe, Reiserouten, Einnahmen-Ausgaben-Bilanzen und dergleichen mehr. Es entsteht das Bild eines „Gentleman“, der nach dem Ideal des vermögenden vielseitigen Dilettanten lebte, ohne aber Vermögen zu haben; der sich (zu) lange an einer auf immer entschwundenen Vergangenheit und ihren Traditionen wie Vorurteilen orientierte; der nicht bereit war, von seinen Überzeugungen abzurücken. Hier trifft Sprague de Camp gut den Ton zwischen Unverständnis und Anerkennung; weder bejaht er vehement Lovecrafts hartnäckigen Widerstand gegen den Kommerz, noch lehnt er ihn rigoros ab. Ebenso steht es mit der Beurteilung des exzessiven Briefschreibers und Amateurjournalisten HPL; die enorme Leistung wird anerkannt, aber immer wieder kommentiert mit einem „Hätte er in dieser Zeit lieber Geschichten geschrieben …!“

So ist diese Biographie ein sehr persönliches Buch, das sich (so weit möglich) um Objektivität bemüht. Es macht Lovecraft und viele Personen seiner Umgebung lebendig, zeigt Zeitumstände, Widrigkeiten und Erfolge, ist farbig und engagiert verfasst, liest sich von Anfang bis Ende flüssig, lässt keine Langeweile aufkommen. Sein einziger Makel: sein Alter; in fast dreißig Jahren, sollte man meinen, hat die Forschung sich weiterbewegt, so dass Zeit für eine neue Betrachtung wäre. Hat sie noch niemand geschrieben? Wenn doch, wäre eine weitere Veröffentlichung wünschenswert. Aber vielleicht hat es noch keiner gewagt, sich mit Lyon Sprague de Camps Buch zu messen; das wäre alles andere als ein leichtes Geschäft.

_Peter Schünemann_ © 2003
mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung durch [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/

Suzuki, Kôji – Ring III – Loop

Die Welt irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft: Das ringförmige MHCV-Virus löst den Erreger der AIDS-Pest als unheilbaren Massenkiller Nr. 1 ab. Vor allem in Nordamerika und Japan erkranken die Menschen an einer neuen Sorte Krebs, der sich trotz fortgeschrittener Heilungsmethoden nicht stoppen lässt.

Auch die Eltern des Medizinstudenten Kaoru Futami aus Tokio sind betroffen. Der erst 20- Jährige sucht verzweifelt nach Rettung. Eine Reihe mysteriöser Zufälle führt ihn auf die Spur des bizarren „Loop“-Projekts. Fast vier Jahrzehnte zuvor hatten Forscher in den Vereinigten Staaten und Japan mehr als 1,2 Millionen Computer zusammengeschaltet, um eine Simulation künstlichen Lebens zu erschaffen. Das Experiment glückte zunächst und schuf eine Welt, die zum Spiegelbild der Realität wurde. Bevölkert wurde der „Loop“ schließlich von „Menschen“, die nie ahnten, dass sie nur im Inneren einer digitalen Matrix existierten.

Das „Loop“-Projekt scheiterte, als eine virtuelle Epidemie ihre Bewohner befiel und aussterben ließ. Das Grauen trug die Gestalt einer jungen Frau namens Sadako Yamamura, die es mit Hilfe eines trickreich verseuchten Videobandes in die künstliche Welt brachte. Schließlich bestand der „Loop“ nur noch aus Yamamura-Kopien und starb schließlich aus. Das Projekt wurde abgebrochen, sein Schöpfer, der Amerikaner Christopher Eliott, zog sich in die wissenschaftliche Emigration zurück.

Doch ist der „Loop“ wirklich „tot“? Kaoru kommt der schreckliche Verdacht, dass der „Ring“-Virus gar nicht Ergebnis einer natürlichen Mutation ist, sondern ursprünglich aus dem „Loop“ kam. Wenn dem so ist, müssten sich in den Unterlagen des Projekts Hinweise auf seine Bekämpfung finden lassen. Kaoru macht sich deshalb auf in die USA. In der Wüste New Mexicos stößt er auf das, was er gesucht hat. Allerdings ist die Wahrheit hinter dem „Loop“-Mirakel ist weitaus grotesker als der gesunde Menschenverstand es sich träumen ließe – und Kaoru entpuppt sich als Schlüssel zur einzigen Hoffnung für die Menschheit, die in einer bizarren Verschmelzung zwischen Realität und Simulation liegt …

Erfolge in Serie – seien sie geschrieben oder verfilmt – unterliegen wie die Protagonisten unserer Geschichte einem Fluch: Sie verlieren an Wirkung und schwächen sich zur Routine ab. Auch [„Ring II – Spiral“ 251 bestätigte diese alte Binsenweisheit aufs Bedauerlichste. Das drosselt die Erwartungen, die sich an eine weitere Fortsetzung knüpfen.

Überraschung: „Ring III – Loop“ ist ein sauber geplotteter und flott geschriebener Lesespaß, der den allzu routinierten Vorgänger glatt vergessen lässt. Tatsächlich ist der dritte (und bisher letzte) Roman der „Ring“-Reihe womöglich der beste. Dafür gibt es mehrere Gründe.

So gefällt vor allem Suzukis Bereitschaft, sich von den Wurzeln seiner Saga zu lösen. [„Ring“ 170 begann als Gruselgeschichte um eine ermordete, von den Toten rächend auferstehende Geisterfrau, die sich der (zum Zeitpunkt ihres Erscheinens) modernen Technik bediente, um Schrecken und Tod über ihre Opfer zu bringen. Später löste Science-Fiction den Horror ab: Sadako Yamamura „outete“ sich als personifizierte Inkarnation eines intelligent gewordenen Virus‘, der sich die Menschenwelt untertan machen wollte.

Dies lesen und sich fragen, wie es jetzt noch weitergehen könnte, lag nahe. Verfasser Suzuki ließ sich vier Jahre Zeit. Ihm gelang es in der Tat, eine logische Fortsetzung für seine Geschichte zu finden. Das muss freilich an dieser Stelle betont werden, denn inzwischen ist Suzuki ein Opfer der Zeit geworden: „Loop“ scheint die Imitation der Hollywood-Blockbuster-Trilogie „Matrix“ zu sein, so zahlreich sind die inhaltlichen Parallelen. Tatsächlich ist es höchstens umgekehrt, denn „Ring III“ war früher da. Offenbar haben sich eher die Wachowski-Brüder „inspirieren“ lassen …

Wobei die Idee der simulierten zweiten Realität ohnehin ein alter Hut der Science-Fiction ist. Daniel F. Galouye hat mit „Simulacron-3“ (dt. „Welt am Draht“/“Simulacron-Drei“) 1964 sicherlich den (verfilmten) Klassiker geschaffen. Der von der Kritik verehrte Philip K. Dick hat diese Idee gleich mehrfach kongenial durchgespielt, vielleicht am effektvollsten 1969 mit [„Ubik“ 652 (dt. „Ubik“).

Auch Suzuki hat also das Rad nicht erfunden, aber er weiß es im Rahmen seiner Möglichkeiten geschickt rollen zu lassen. Selbstverständlich könnte man mäkeln – über den allzu kunstlosen Erzählstil, die nur scheinbar dreidimensionalen Figuren, über die unnötige Reise nach USA, die vollständige Entzauberung des Yamamura-Mythos … Doch was ist die „Ring“-Saga eigentlich? Doch „nur“ Unterhaltungs-Handwerk, eine spannende Geschichte, die hier mutig ein neue Wendung nimmt und nicht nur ihre gelungene Fortsetzung, sondern auch eine zufriedenstellende Auflösung erfährt.

Dass „Ring III“ in der Zukunft spielt, wird übrigens nur am Rande deutlich. Science-Fiction kommt höchstens ins Spiel, wenn Suzuki (halbwegs) glaubhaft Technobabbel kreiert, wo virtuelle Welten oder Klone geschaffen werden. Politisch und gesellschaftlich hat sich sonst offenbar auf der Erde nichts Gravierendes getan.

Es klang bereits an: Von liebgewonnenen Figuren der „Ring“-Folgen 1 und 2 müssen wir uns verabschieden. Ein Trostpflaster schenkt uns der Verfasser jedoch: Der allzu neugierige Journalist Asakawa, die böse Sadako Yamamura sowie der zynische Ryuji Takayami tauchen in einer ausführlichen Rückblende auf, die (da war Suzuki im zweiten Teil wesentlich ungeschickter) nicht einfach eine Nacherzählung der Vorgeschichte ist, sondern diese gleichzeitig des besseren Verständnisses wegen und zur Erinnerung erzählt und gleichzeitig in ihren neuen, veränderten Handlungsrahmen stellt.

Ansonsten treffen wir – nicht ohne Grund, wie wir schließlich erfahren – in der Person des Kaoru Futami die typische „Ring“-Hauptfigur wieder: Der junge Mann ist eigentlich nur neugierig (bzw. in diesem Fall wissbegierig), ein Jedermann, der eher zufällig in das bedrohliche Geschehen verwickelt wird und dabei mächtig einstecken muss. Eine unglückliche Liebesgeschichte gehört ebenfalls zum Plot, während es dieses Mal keinen guten Freund an der Seite des Helden gibt.

Die japanische Welt ist dem westlichen Leser in „Ring III“ nur mehr bedingt fremd. Suzuki hat seine Geschichte „globalisiert“, lässt sie auf vielen Seiten sogar in den USA spielen. Nur noch selten finden sich die interessanten Eigenheiten der japanischen Gesellschaft. Weiterhin Unzufriedenheit dürfte bei den weiblichen Lesern die traditionelle asiatische „Unterwürfigkeit“ der auftretenden Frauen hervorrufen.

Christopher Eliott zieht als ebenso weiser wie undurchsichtiger „Gottvater“ aus dem Hintergrund die Fäden. Wie er seinen „Sohn“ zur Rettung der Welt schickt, weist durchaus Parallelen zur biblischen Geschichte auf, was zweifellos beabsichtigt ist und immer noch dazu taugt, die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen und der Kritik Vielschichtigkeit vorzugaukeln.

Suzuki Kôji wird uns auf dem Cover inzwischen nicht mehr als „Japans Antwort auf Stephen King“ verkauft, sondern hat es zu „Japans Bestsellerautor #1“ gebracht; praktisch, wenn ein Land so weit entfernt und fremdartig ist, dass sich solche Behauptungen kaum überprüfen lassen … So enthusiastisch dröhnt jedenfalls die Werbung, die stets auf der Suche nach einer Schublade für neue, kommerziell noch unerprobte Talente ist.

Ob Kôji im Land der aufgehenden Sonne tatsächlich den zugewiesenen Ruhm genießt, müssen wir glauben oder nicht. Was wir wissen: Bis 1991 kannten auch die Japaner Kôji nicht. Der 1957 geborene Schriftsteller rackerte da noch redlich um Lohn, Brot und Ruhm; für die ersten beiden musste für einige Jahre seine Ehefrau, eine Lehrerin, sorgen. Als Absolvent der Keio University in Tokio hatte Kôji 1990 einen (japanischen) „Fantasy Novel Award“ für seinen Roman „Rakuen“ gewonnen, aber erst „Ring“ gab ab 1991 seiner dahindümpelnden Karriere den ersehnten Schub. Aus dem Geheimtipp wurde Gruselvolkes Eigentum, als Regisseur Hideo Nakata 1998 diesen Roman verfilmte. Trotz vieler Änderungen wurde „Ring“ zum internationalen Erfolg, der selbstverständlich mehrfach fortgesetzt wurde sowie die übliche verwässerte Hollywood-Interpretation erfuhr.

Wen es drängt, sich tiefer in das „Ring“-Universum ziehen zu lassen, sei auf die zahlreichen einschlägigen Websites verwiesen. Ihrem Rezensenten gefiel am besten http://ringworld.somrux.com – außerordentlich ausführlich und wunderbar gestaltet. Hier kann man sich wirklich verlieren.

Ruth Rendell – Dunkle Wasser

Das geschieht:

Kingsmarkham ist eine Kleinstadt in der britischen Grafschaft Sussex. In diesem Spätherbst haben sintflutartige Regenfälle den Kingsbrook und die anderen Flüsse über die Ufer treten lassen. Ganze Landstriche versinken in den Fluten, ein Ende der Wolkenbrüche ist nicht abzusehen. Auch dem Haus von Chief Inspector Reginald Wexford droht die Überflutung. Der Kriminalist ist daher abgelenkt, als dem Dezernat für Kapitalverbrechen ein seltsames Vorkommnis gemeldet wird: Die Geschwister Giles (15) und Sophie (13) Dade sind verschwunden. Ebenfalls vermisst wird Joanne Troy, eine Freundin der Familie, die ein Auge auf sie halten sollte.

Während Vater Roger, ein strenger und humorloser Mann, das Verschwinden seiner Kinder vor allem als Ärgernis zu betrachten scheint, verfällt Mutter Katrina der Hysterie und vermutet Sohn und Tochter irgendwo ertrunken in den Hochwasserfluten. Ein bei der Suche angeschwemmtes Shirt von Sophie könnte dies bestätigen, aber Wexford glaubt eher an eine Entführung. Ruth Rendell – Dunkle Wasser weiterlesen

Matute, Ana María – vergessene König Gudú, Der

Dicke Fantasy-Romane fordern wohl geradezu schicksalhaft den Vergleich mit dem Werk eines gewissen J. R. R. Tolkien heraus. (Dünne übrigens auch. Aber dicke eher.) So konnte es nicht ausbleiben, dass Ana María Matutes 590-Seiten-Buch das x-hundertste „Tritt-das-Erbe-an“-Prädikat bekam. Fairerweise muss hinzugefügt werden: nicht vom Verlag selbst. Die Leute, die das Buch herausbrachten, scheinen wohl gewusst zu haben, dass hier etwas doch sehr von Tolkien Verschiedenes ans Licht gelangt ist. Aber wer einmal unter amazon.de nachschaut, der wird finden, dass sowohl Redaktion als auch Leser den berühmt-berüchtigten Vergleich bemühen, der in diesem Fall so fehlgeht wie nur irgend möglich. Denn schon ein Anlesen der ersten Seiten verrät, dass Matutes Diktion, Aufbau der Geschichte und Absicht sich deutlich von denen Tolkiens im „Herr der Ringe“ unterscheiden. Was kein Tadel sein soll; aber man kann Wein und Bier, Erdbeeren und Tomaten nun einmal nur im Allgemeinen miteinander gleichsetzen. Das Allgemeine heißt hier: Fantasy. Heißt also: große Themen mit den Augen des Träumers und des Kindes betrachten und ein wunderbares „Was-wäre-wenn“-Spiel spielen. Liebe und Tod, Treue und Verrat, Gut und Böse sind natürlich Motive, die seit dem Gilgamesch-Epos überall und immer wiederkehren; der Fantasy-Schreiber aber hat seine besondere, verfremdende Sicht auf diese Alltagsdinge.

Zur Geschichte Gudús: Sie geht so bald noch nicht richtig los. Geboren wird der Kleine auf S. 219; auf S. 256 wird er durch einen Zufall – eine Fügung des Schicksals? – zum König des Reiches von Olar. Der sterbende König Volodius liebt ihn nicht sonderlich, ebenso wenig wie seine Mutter, Königin Ardid – die einem unterworfenen Volk entstammt und Volodius nur geheiratet hat, um Rache nehmen zu können; da war sie erst sieben Jahre alt. Doch auch diese Hochzeit findet recht spät statt; zuvor muss man noch weitere Herrscher und Geschichte(n) Olars kennenlernen. Die Meinungen hierüber mögen geteilt sein: Wer an halb legendenhaften, halb historischen Erzählungen seinen Spaß hat, wird jede Seite genießen, wer allerdings eine stringente Handlung mit |action| erwartet, wird diesen Teil wohl überblättern. Ana María Matute, meine ich, hat diesen langen Anlauf nicht umsonst gewählt; es geht ihr darum zu zeigen, wie die Biographie eines Menschen schon durch die Biographien seiner Vorfahren geformt wird, und es geht ihr um die Verbindung von Geschichte und Menschenschicksalen. So haben wir es hier mit einem Werk zu tun, das sich eher mit den Gesta Danorum des Saxo Grammatikus vergleichen lässt, jener bis in die mythische Vorzeit zurückgreifenden Geschichte der dänischen Herrscher. Vor allem das Thema des Strebens nach unumschränkter Macht prägt das Buch – Volodius ist ein Machtmensch, Gudú will zum Herrscher der gesamten bekannten Welt werden. Und der einzige gute Prinz, Nobel (die redenden Namen stören ein wenig), erleidet das Schicksal aller, die nicht um Macht, sondern um Liebe bemüht sind – er stirbt. Mit seinem Tod endet dieses Buch, das ja eigentlich nur ein erster Teil ist. Gudú, auf der Höhe seiner Macht, hat sich an Prinzessin Naivia gerächt, die ihn zurückwies, und hat auch seiner klugen, machtbewussten Mutter gezeigt, wer hier der Herr im Hause ist. Den Opfern bleibt nur der Rückzug in eine Märchenwelt, in das Land der Phantasie jenseits des Todes.

Insgesamt lässt sich sagen, dass dieses Buch weit mehr Märchenmotive aufweist als die meisten anderen Fantasy-Bücher. Darin unterscheidet es sich auch von Tolkiens Werk, das episch-legendär geprägt ist. „Der vergessene König Gudú“ hat seinen eigenen Reiz (der sich freilich nicht jedem und manchem recht spät erschließen mag). Vergleiche bringen da wenig, sie wecken nur Erwartungshaltungen, die dann enttäuscht werden könnten; dieses Buch ist sehr besonders. Ana María Matutes Neigung zur starken Verfremdung der Realität und zum Aufbau einer Traumwelt, die mir schon bei ihren Kurzgeschichten („Seltsame Kinder“, Insel-Verlag Leipzig 1979) gefallen hat, kommt hier häufig zum Tragen und macht das Lesen zu einem Erlebnis eigener Art.

_Peter Schünemann_ © 2003
mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung durch [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/

Klaas, Peter – Vogelspinnen

Bevor man mit der Aufnahme von irgendwelchen Hausgenossen beginnt, sollte man sich gut informieren. Da ist das Wälzen eines oder mehrerer Sachbücher natürlich immer empfehlenswert. Gerade für Vogelspinnen gilt das besonders, denn über kaum ein anderes Tier kursieren so viele Schauermärchen, Halbwahrheiten und blanker Unfug. Doch auch wer Vorurteile oder Ängste abbauen und seine eventuell vorhandenen Bildungslücken über die faszinierenden Achtbeiner zu schließen gedenkt, kommt um Literatur nicht herum. Das Problem: Obwohl Vogelspinnen schon recht lange bekannt sind und die ersten Arten im Ausklang des 19. Jahrhunderts ausführlicher erforscht und beschrieben wurden, ist dieser Wissenschaftszweig, was die korrekte Katalogisierung und Genealogie angeht, noch recht jung und befindet sich auch heute noch im konstanten Fluss. Seit 1989 versucht Peter Klaas ein wenig Ordnung ins Chaos zu bringen.

Selbst unter Züchtern und Betreibern von Zoogeschäften herrscht immer noch teilweise Uneinigkeit, was die korrekte Haltung und Pflege von Spinnen generell angeht, von selteneren Arten mal ganz zu schweigen. Jeder hat da – wie so oft – seine Meinungen und Ansichten. Es werden immer noch bislang unbekannte Vogelspinnen entdeckt. Zudem ändert sich die Rassenzuordnung und die Einsortierung vermeintlich unlängst bekannt geglaubter Arten weiterhin, da sich die bisherigen (nicht nur aber hauptsächlich) partiell als falsch herausstellten. Damit hat sich Klaas nicht nur Freunde in der Szene gemacht, einige werfen ihm Regelungswut und Profilierungssucht vor. Inwieweit solche oft recht unsachlich geäußerten Vorwürfe gerechtfertigt sind, vermag ich nicht zu beurteilen – da schwingt aber sicher eine gute Portion Neid mit.

_Der Autor_
Peter Klaas ist Leiter des Insektariums des Kölner Zoos und beschäftigt sich seit Jahren ausführlich mit den Vertretern der Gattung Theraphosinae, den Vogelspinnen. Er pflegt und züchtet sie auch privat und bereist immer wieder die Herkunftsländer, um die Tiere in ihrem natürlichen Habitat zu beobachten. Ihm gelingen dabei einige sehr beachtenswerte Entdeckungen. 1989 erscheint sein viel beachtetes Erstlingswerk „Vogelspinnen im Terrarium“, wo er einige der bis dato herrschenden Falschinformationen ausräumt und somit auch gleichzeitig den Grundstein für die private Spinnenhaltung hierzulande legt. Er gilt als Pionier auf dem Gebiet. Vor dieser Zeit ist die Pflege von Vogelspinnen außerhalb von Zoos allenfalls ein Thema für exzentrische Sonderlinge – wenn überhaupt. Klaas ist immer mal wieder zu Gast auf Symposien und Conventions, wo er Vorträge über Spinnen und ihre Lebensräume hält, welche er des Öfteren bereist.

_Das Buch_
Beide bislang erschienen Bücher gelten als Standardwerke der Thematik und sind im |Eugen Ulmer|-Verlag als A4-Hardcover mit Hochglanzseiten erschienen. Sein derzeit neuestes Werk beschäftigt sich zu Beginn mit Körperbau, Herkunft, Pflege und Zucht von Vogelspinnen im Allgemeinen. Dieser Part richtet sich vornehmlich an Einsteiger in die Materie, bietet aber auch dem vorgebildeten Leser hier und da ein paar interessante Fakten und Kniffe. Der Schreibstil ist nicht wissenschaftlich hoch gestelzt, gut verständlich, kommt aber insgesamt recht trocken rüber. Sicherlich kein Buch, das man aus lauter Vergnügen mal liest, sondern eher zur Hand nimmt, wenn man etwas nachschlagen will – wirkliches Interesse ist also zwingend Grundvoraussetzung, Vorkenntnisse hingegen nicht. Nach der Lektüre dieses Teils weiß man schon prinzipiell alles, was man so wissen sollte, wenn man sich mit den Tieren beschäftigen oder sie gar pflegen/züchten möchte.

In der zweiten Hälfte stellt Klaas einige ausgesuchte Arten im Detail vor, die in seinem Erstling von 1989 entweder noch fast unbekannt oder zuvor inkorrekt bezeichnet/einsortiert waren. Hier werden die Tipps und Informationen zu den Arten schon etwas spezieller, oft finden sich auch schöne Fotos – zum Teil – aus freier Wildbahn daneben, wodurch man sich dann auch ein Bild von dem entsprechenden Tier machen kann. Die Betonung liegt hier eindeutig auf „einige“, denn so besonders üppig fällt der Arten-Teil, was die darin besprochenen Spinnen angeht, nicht gerade aus. Auch sind längst nicht alle Arten einer Rasse verzeichnet, sondern nur ausgewählte. Informationen zur Haltung und eventuell – falls überhaupt angegeben – Eignung für Anfänger oder über den Charakter finden sich nicht tabellarisch, sondern müssen aus dem Volltext entnommen werden. Das finde ich persönlich etwas unpraktisch und hätte in Form eines (kleinen) Steckbriefs für jedes Tier für mehr Übersicht auch (und gerade) unter interessierten Anfängern gesorgt.

Apropos Übersicht: Da Klaas (und Schmidt) für eine Vielzahl von Umbenennungen in letzter Zeit verantwortlich sind, ist es aber lobenswert, dass die alten Synonyme und Handelsbezeichnungen bei den aufgeführten Arten ebenfalls genannt werden, ansonsten würde heilloses Durcheinander zwischen alter und neuer Ordnung entstehen, denn vielerorts (hauptsächlich im Ausland, doch auch hierzulande) werden häufig noch die alten Bezeichnungen verwendet. Verwirrend genug, dass mehrmals bei einigen Arten auf Klaas‘ erstes Buch verwiesen wird, wo zum Teil noch die alten Namen verwendet werden. Die alphabetische Sortierung von A(scanthoscurria) bis X(enestis) ist in Ordnung – jedenfalls solange man weiß, wie die gesuchte Spinne wissenschaftlich heißt. Wem nur der Handelsname bekannt ist, der hat ein kleines Problem mit dem Finden. Es ist dafür aber sehr hilfreich, dass neben dem Namen auch die Herleitung des selbigen – meist aus dem Lateinischen oder Griechischen entlehnt – aufgeschlüsselt wird. So wird schon mal klar, warum eine Spinne mit ihrem wissenschaftlichen Namen eben genau so heißt.

Nun erhebt das Buch auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist keine Pflegeanleitung jeder existenten Vogelspinnenart, doch ist man (vor allem als Newbie) für einen einigermaßen breiten Überblick beinahe gezwungen, sich auch noch das erste Buch zuzulegen, was – man ahnt es – ebenfalls knapp 40 Euro kostet, bei nahezu identischem Umfang. Mein Vorschlag wäre, beide Bücher zu kombinieren, vernünftig zu lektorieren und dann als erschwinglichen Taschenbuch-Ratgeber herauszugeben. Dass so etwas geht und dabei auch mehr Übersichtlichkeit durchaus machbar ist, beweist der bei |Mergus| erscheinende, mehrbändige „Aquarien-Atlas“, bei ähnlich gelagerter Thematik. Auch hier befinden sich nicht alle Fischarten in einem Band (geht bei diesem Umfang auch gar nicht), doch sieht hier zum Beispiel – anhand eines Steckbriefs – auch der Neuling schon auf einen Blick die wichtigsten Informationen.

Schon kurz nach der Ersterscheinung 2003 ging das aktuelle Buch in die zweite, komplett überarbeite Auflage. Dennoch ist der Ausgabe ein ganzes DIN-A4-Blatt mit Errata beigelegt, die man zunächst – trotz der Überarbeitung – erst nach Drucklegung entdeckt hat. Hierbei handelt es sich großteils um falsche Bilder/Bildlegenden und kleinere Macken im Text. Leider hat der Lektor auch mit dem Einleger immer noch nicht alle Missgriffe ausgemerzt (oder gar neue produziert?): Es befinden sich weiterhin eine ganze Reihe Rechtschreibfehler darin, die ziemlich augenfällig und vollkommen unnötig sind. Kein Ruhmesblatt für die „komplett überarbeitete Ausgabe“ eines relativ anspruchsvollen Sachbuchs, das mit den wenigen Seiten und einem Preis von 39.90 Euro immerhin ordentlich teuer ist.

_Das Fazit_
Die Aufmachung des Buches ist recht gelungen, die Bebilderung sehr schön, doch muss man als Erstes dem Verlag Schludrigkeit nachsagen, denn in einer überarbeiteten Ausgabe gleich eine ganze lose Seite mit Korrekturen beizulegen und dann immer noch nicht alle Fehler beseitigt zu haben, ist definitiv schlampig. Preislich inakzeptabel ist es sowieso. Vom Inhaltlichen her gibt’s auch ein bisschen was zu bekritteln, was nicht in der Sachlichkeit der Informationen liegt, sondern in der leicht drögen und unübersichtlichen Präsentation in zweispaltigem Volltextformat, ein paar mehr und aussagekräftigere Eckdaten in Tabellenform zu jeder Rasse wären durchaus wünschenswert gewesen. Das, was drin steht, ist aber kompetent dargestellt und hat Hand und Fuß. Das gilt sowohl für den allgemeinen Teil als auch für die beschriebenen Arten, allerdings fehlen eine Menge bei Terrarianern beliebter und bekannter Spinnen schlichtweg. Conclusio: Leider nur bedingt empfehlenswert.