Archiv der Kategorie: Rezensionen

Helten, Volker (Hrsg.) – Zeitsprünge – Die Geschichte Knechtstedens

_Inhalt_

Die Zeitschrift „Zeitsprünge“ wird vom Geschichtsverein Dormagen e. V. herausgegeben und befasst sich allgemein mit der Geschichte des Dormagener Umlandes.

In der nunmehr sechsten Ausgabe werden das Kloster Knechtsteden und dessen geschichtliche Verflechtungen genau unter die Lupe genommen. Und in der Zeit von 1130 bis heute ist dem Kloster so einiges Interessantes widerfahren. Zum Einstieg gibt es einen Text über den heiligen Norbert, der den Orden der Prämonstratenser gründete, die dann wiederum Knechtsteden gründeten. Zum besseren Verständnis wird darauf auch gleich der Orden an sich genauer durchleuchtet. Dass in der Region um Knechtsteden im Mittelalter so einiges los war, dürfte eigentlich jedem klar sein, denn Köln und sein Dom sind ja quasi in Sichtweite. Daher werden auch die verschiedenen wichtigen Personen des Spätmittelalters, und hier besonders die Feldherren und Erzbischöfe, genau durchleuchtet.

Darauf folgt ein Sprung in die frühe Neuzeit, genauer gesagt in die Französische Revolution und die Zeit des Napoléon Bonaparte, die für Knechtsteden keine gute war, was auch das Ende der Prämonstratenser in Knechtsteden mit sich führte.
Nach diesen kamen dann die Spiritaner, die das Kloster zu einer Missionsschule machten, die bis heute, wenn auch in veränderter Form, besteht. Zum Abschluss folgen noch zwei sehr interessante Texte über die architektonischen Besonderheiten Knechtstedens und die Wand- und Deckenfresken des Klosters.

_Mein Eindruck_

Wie auch der [Vorgängerband 2071 glänzt „Zeitsprünge – Die Geschichte Knechtstedens“ wieder mit einer großen Anzahl an hervorragenden Fotos und Illustrationen. Alleine sie lohnen sicherlich schon eine Anschaffung. Ebenso sind das Cover und das gesamte Layout sehr gelungen. Aber auch die Schreibweise ist sehr ausgewogen, denn sie ist einerseits anspruchsvoll genug, um auch Leser gut zu unterhalten, die in der Materie bewandert sind, andererseits werden die verschiedenen Termini so gut erklärt, dass sich auch Laien daranwagen können. Die Geschichte Knechtstedens ist es wirklich wert, genauer beleuchtet zu werden, denn dieses Kloster und dessen Umgebung waren schon einige Male der Schauplatz von sehr interessanten Ereignissen. So macht es wirklich Spaß, beim Lesen die Geschichte vom Mittelalter bis in die heutige Zeit mitzuverfolgen. Besonders hat es mir der Artikel ‚Von der Missionsschule zur Norbert-Akademie‘ angetan. Den Weg der Schule vom Ende des 19. Jahrhunderts durch die beiden Weltkriege bis heute zu verfolgen, hat mich wirklich fasziniert. Die Auswahl der Artikel ist zudem sehr gelungen, weil sie ein sehr breites Spektrum abdecken. Neben den Geschichtsinteressierten, für die die Zeit vom Mittelalter bis heute fast vollkommen abgedeckt wird, werden sowohl Freunde der Kunsthistorie als auch Freunde der Architektur auf ihre Kosten kommen.

_Fazit:_

Ich finde es schade, dass es solche Zeitschriften nicht in der Region gibt, in der ich wohne. Ehrlich gesagt habe ich von der Lektüre richtig Lust bekommen, mir Knechtsteden einmal genauer anzuschauen. Gut, manche mögen sagen, 6 €uro für eine Zeitschrift mit gerade einmal knapp 60 Seiten mögen viel Geld sein, aber „Zeitsprünge“ ist jeden Cent davon wert. Alleine die Fotos und die Illustrationen sind dies bereits, und die Artikel brauchen sich dahinter qualitativ sicher nicht zu verstecken.

Wer sich noch genauer über Knechtsteden informieren möchte, kann hier einmal vorbeischauen:

http://www.spiritaner.de/knechtsteden/index.html
http://www.geschichtsverein-dormagen.de/

Otomo, Katsuhiro – Akira Band 1

_Handlung:_

Am 06. Dezember 1992 bricht durch die Explosion einer Superbombe in Tokio der dritte Weltkrieg aus, der mehrere größere Städte vernichtet. 38 Jahre später befindet sich die Motorradgang um den jungen Kaneda auf dem Weg zum Krater dieser Bombe, auf dessen Rückweg ein mysteriöser Unfall mit verheerenden Folgen passiert. Tetsuo, ein guter Freund Kanedas, wird dabei schwer verletzt und in ein Krankenhaus gesteckt, woraufhin er unauffindbar ist. Wenige Tage später entdecken die Jungs den Verursacher des Unfalls: ein kleiner Junge mit einem greisenartigen Gesicht. Was genau der Junge mit Akira zu tun hat, und warum Tetsuo verschwunden ist, diese Frage bildet den Auftakt zu einem wirklich gewaltigen Manga.

_Comic:_

Das letzte Mal, als ich in das |Guiness| „Buch der Rekorde“ nachgeschaut habe, war „Akira“ noch der dickste Manga der Welt. Klar, in Einzelbänder verpackt, gibt es vielleicht länger laufende Serien, aber durch das Telefonbuchformat der Bände sowie eine durchgängige Story auf über 2170 Seiten in DIN-A4 kommt es einem tatsächlich gigantisch vor, da die Geschichte auch nicht durch Kapitel oder sonstiges unterbrochen, sondern wirklich am Stück erzählt wird.

Dass der Manga aber nicht nur durch seine schiere Größe glänzt, macht der erste Band bereits eindrucksvoll klar. Bereits zu Anfang stellen sich viele Fragen, wobei die nach Akira besonders drängend ist, und was er überhaupt mit den ganzen Vorfällen zu tun hat. Auch die Darstellung der sozialen Unterschicht, in der Kaneda und seine Jungs leben, ist sehr gut gelungen und bringt eine gewisse Endzeitstimmung mit sich, die von einer allmächtigen Regierung noch ziemlich gut unterstützt wird. Die Story befindet sich fast ausschließlich im Vollgaszustand, was durchaus angenehm ist, denn mit einer leichten Prise Humor kommt der Mix aus Action und Storysequenzen ohne Langeweile oder künstliche Streckungen aus, wie man es sonst bei einem derart ambitionierten Werk eher nicht erwarten würde. Die Charaktere kommen zwar ohne größere Ecken und Kanten aus, wirken fast schon normal, aber eben nur so normal, wie ihr Umfeld das zulässt. Da sich das Ganze noch am Anfang befindet, ist klar, dass hier noch die eine oder andere Entwicklung stattfinden wird.

_Zeichenstil:_

Katsuhiro Otomo gilt als einer der ganz Großen seines Fachs, und das nicht umsonst. Mit Akira legte er 1984 einen Zeichenstandard vor, der auch heute trotz des großen Achtzigertouchs bei den Figuren noch sehr modern wirkt. So ist in seinen Gesichtern und Objekten eine große Liebe hinsichtlich der Wölbungen zu sehen, die durch gelungene, unauffällige Striche dargestellt werden und dem Ganzen eine gewisse Dreidimensionalität geben, die das Geschehen sehr interessant und modern gestaltet, da sehr viele Manga-Autoren die Dreidimensionalität ihrer Figuren normalerweise nur durch das Spiel von Licht und Schatten entstehen lassen. Auch sind die einzelnen Bilder mit viel Liebe zum Detail gezeichnet worden, nur selten gibt es Bilder, denen es an Hintergrund oder einem gut ausgearbeiteten Gesicht fehlt. Auch die Animation der Actionsequenzen ist unheimlich flüssig und nachvollziehbar, so etwa die Verfolgungsjagd auf Seite 70. Auch hierbei hält der Autor das Tempo angenehm hoch, ohne das Geschehen mit zu viel erläuternden Bildern zu verlängern.

_Fazit:_

Mit dem ersten Band ist Katsuhiro Otomo ein wirkliches Meisterwerk gelungen, das Lust auf mehr macht und auch in den späteren Bänden nicht an Qualität verliert. Die Faszination, den längsten Manga der Welt zu lesen, reicht schon aus, doch die Spannung der Story sowie der hervorragende Zeichenstil tun ihr Übriges dazu.

http://www.carlsencomics.de

Ostertag, Helge / Ostertag, Anselm – Guru

_Die Welt der Sekten und Gurus_

Im frisch aufgelegten Kartenspiel der beiden Ostertag-Brüder Helge und Anselm tauchen die Spieler in die dubiose Welt geheimnisvoller Sekten ein. Jeder Spieler schlüpft hierzu in die Rolle eines Gurus und versucht, möglichst viele Mitglieder für seine Glaubensgemeinschaft anzuwerben. Mit Hilfe einiger einflussreicher Prediger versammeln sie die Passanten vor ihrer Bühne und versuchen, diese von ihrer Sekte zu überzeugen. Jedoch sind die anderen Gurus auf der Hut, denn schließlich empfinden sie ihre Sekte als die einzig wahre. Also arbeitet man inkognito, versteckt seine Prediger und versucht mit allen Mitteln, sie vor der Entlarvung zu bewahren. Stattdessen entlarvt man lieber die Gurus der Konkurrenz, denn dafür gibt’s satte Prämien – und natürlich bessere Aussichten für den Zuwachs im eigenen Lager.

_Spielmaterial_

• 125 Sektenanhängerkarten
• Jeweils 15 Predigerkarten in deutscher und englischer Sprache
• 80 Geldscheine im Wert von einer Million
• 5 Karten mit Aktionstabellen
• 1 Spielregel

„Guru“ ist ein internationales Spiel, darauf haben Helge und Anselm Ostertag sehr großen Wert gelegt und auch extra Zusatzmaterial zur Verfügung gestellt. Da es sich bei „Guru“ um kein Spiel mit wichtigen Textinhalten handelt, war es den Brüdern auch ein Leichtes, das Spiel für ein breit gefächertes Publikum auch über die Landesgrenzen hinaus zu konzipieren. Die einzige Hürde, die es zu überwinden galt, war das Verfassen einer englischsprachigen Spielanleitung sowie der Erläuterung der einzelnen Begrifflichkeiten auf den Predigerkarten. Gesagt, getan. Die Spielanleitung ist in zwei Sprachen verfasst und dennoch sehr ausführlich ausgearbeitet, und für den internationalen Markt hat man sogar noch einmal ein Zusatzpaket mit 15 weiteren Predigerkarten beigefügt, so dass die Tugenden, Farben, und Völkernamen für jedermann verständlich sind. Sehr gut gelöst.

Des Weiteren ist das Kartenmaterial ziemlich witzig animiert und trägt sehr schön zur Spielatmosphäre bei. Der einzige Nachteil besteht darin, dass sich die Spielfarben und Symbole, anhand derer man die Karten unterscheiden soll, teilweise sehr ähneln und die Farben nicht ganz so klug gewählt wurden. Gerade bei den etwas kleiner dargestellten Details wie den farblich markierten Kartenrändern muss man oft zwei- oder dreimal nachschauen, bis man sich nun sicher ist, um welche Farbe es sich handelt. Gerade zu Beginn, wo man noch nicht so recht mit dem Spiel vertraut ist, stellt sich dies als Hindernis heraus und hemmt den Spielfluss ein wenig. Zu späterer Stunde, also mit ein wenig Erfahrung hat man aber Gott sei Dank den Dreh heraus und kann dieses kleine Manko selber aushebeln.

_Spielziel_

Das Ziel des Spiels ist im Grunde genommen recht einfach definiert: Es geht darum, so viele Passanten wie nur eben möglich für seine Sekte zu gewinnen und dabei darauf zu achten, dass die eigenen Prediger nicht entlarvt werden. Am Ende des Spiels wird nämlich Geld für die erfolgreich angeworbenen, neuen Mitglieder ausgezahlt, doch erhält man dies nur, wenn auch noch der entsprechende Prediger im Spiel ist. Der Spieler, der letztendlich das meiste Geld eingestrichen hat, hat das Spiel gewonnen.

_Die 15 Prediger_

Zu Beginn eines Spiels werden jedem Spieler drei Prediger ausgehändigt, die er verdeckt vor sich ablegt. Weil das Spiel insgesamt für maximal fünf Spieler geeignet ist, sind genau 15 Prediger im Spiel, die sich in drei untergeordnete Kategorien aufteilen. So unterscheidet man einmal die Farbe der Erleuchtung, vertreten durch Prediger wie Günther Grün, Oronsho (orange), Panthero (schwarz), Rosiella (rosa) und Violetta v. Fliederbach (lila), dann das auserwählte Volk mit Mitgliedern wie ‚Big Mama‘ von den Meloniern, ‚Eduard Egghead‘ von den Konesen, ‚Gerd Geimer‘ von den Geimen, ‚Knut Klitschko‘ von den Kanten und ‚O’ Rangutan‘ von den Schimapniern, und zu guter Letzt die Vertreter der höchsten Tugenden, nämlich ‚Centology Tom‘ (Geld), ‚Horst Hurtig‘ (Hast), ‚Manga Armab Yogi‘ (Askese), ‚Rastaman‘ (Relaxen) und ‚Smai Li‘ (Lachen).

_Die Sektenanhänger_

Jeder Sektenanhänger ist ebenfalls gekennzeichnet durch eine Farbe, ein Merkmal der auserwählten Völker sowie eine Tugend. Diese Kennzeichen sind auf den einzelnen Karten noch einmal konkreter abgebildet und durch Hintergrund, Gesichtsfarbe und Körperhaltung symbolisiert. Genauer gesagt handelt es sich hierbei also um jeweils ein Merkmal jeder Predigerkategorie.

_Spielvorbereitung_

Vor jedem Spiel werden die Karten der 15 Prediger und der 125 Sektenanhänger unabhängig voneinander durchgemischt. Die Sektenanhänger werden in vier gleich große offene Nachziehstapel gegliedert und in die Mitte des Tisches gelegt. Die Prediger werden unter den Spielern aufgeteilt; jeder erhält genau drei Predigerkarten, prägt sich ihr Merkmal ein und legt sie verdeckt vor sich ab. Die übrigen Prediger werden in dieser Partie nicht mehr gebraucht. Als Letztes bekommt jeder Spieler noch ein Vermögen von 12 Millionen der hiesigen Währung ausgehändigt.

_Spielablauf – worum es geht, worauf es ankommt_

Ein Spielzug setzt sich aus insgesamt drei verschiedenen Aktionen zusammen, deren Ablauf, Reihenfolge und Vorkommen man aus insgesamt sechs verschiedenen beliebig wählen darf. Es ist also theoretisch möglich (abgesehen von der Aktion ‚Entlarven‘), jeden Spielzug gleich dreimal durchzuführen. Ziel eines Zuges sollte es dabei sein, Passanten aufzuspüren, die in irgendeiner Weise mit den eigenen Predigern in Verbindung stehen, sei es nun aufgrund von Tugend, Farbe oder Völkerzugehörigkeit. Sobald auch nur eine der drei Gegebenheiten zwischen Passant und einem der drei Prediger übereinstimmt, kann man diese Figur in einem späteren Spielzug in seine Sekte aufnehmen und möglicherweise dafür am Ende des Spiels mächtig abkassieren. Allerdings muss man auch ständig auf der Hut sein und auch schon mal bluffen, denn man steht in „Guru“ unter der ständigen Beobachtung seiner Mitspieler, die natürlich nicht erraten dürfen, welche Prediger man steuert.

In einem Spielzug stehen dem Spieler folgende sechs Möglichkeiten zur Verfügung:

|1.) den Passanten predigen|

Man kann in dieser Phase einen der offen ausliegenden Sektenanhänger (Passanten) aufnehmen und vor sich auslegen (vor die sogenannte Bühne). Es gibt dabei keine Begrenzung, wie viele Sektenanhänger in der eigenen Auslage liegen dürfen. Da man sie in einem späteren Spielzug jedoch nur dann für seine Sekte bekehren kann, wenn alle Passanten vor der Bühne eine Übereinstimmung mit einem der Prediger haben, sollte die Zahl der Interessenten nicht zu groß werden.

|2.) kritische Zuhörer verscheuchen|

In dieser Aktion ist es möglich, einen überflüssigen Sektenanhänger vor der Bühne zu entfernen und ihn auf den Skeptikerstapel (Ablage) zu legen. Empfehlenswert ist in diesem Zug auch manchmal, eine eigentlich benötigte Karte auszuspielen, denn so kann man seine Mitspieler täuschen und ihnen das Entlarven der eigenen Sektenmitglieder erschweren.

|3.) Zuhörer abwerben|

Glaubt man, dass ein Zuhörer vor der Bühne eines anderen Gurus besser dem eigenen Prediger lauschen sollte, kann man einen beliebigen Zuhörer der eigenen Auslage mit einem Zuhörer eines anderen Gurus tauschen.

|4.) Zuhörer bekehren|

Sobald alle Zuhörer vor der eigenen Bühne mindestens eine Eigenschaft mit den verdeckten Predigern gemeinsam haben, können sie bekehrt und ebenfalls verdeckt ins eigene Sektenzentrum gelegt werden. Allerdings kostet dieser Schritt jedes Mal wieder eine Million, weshalb man nicht für jede Übereinstimmung bekehren sollte. Der Unkostenbetrag wird zur eigenen Prämie vor die Bühne gelegt; dies ist nicht der Stapel mit dem Vermögen, von dem diese Unkosten bezahlt werden.

|5.) Anklage|

In diesem Schritt darf man einen anderen Guru beschuldigen, einen der rätselhaften Prediger eingestellt zu haben. Nun gilt es nachzuweisen, ob der vorab bestimmte Prediger auch tatsächlich aktiv für den angeklagten Guru arbeitet. Der Spieler, der den Verdacht äußert, nennt den Namen des gesuchten Predigers und fragt den Guru, ob dies der Wahrheit entspricht. Sollte sich der Verdacht bestätigen, wird der Prediger offen abgelegt und ist nicht mehr aktiv. Ebenfalls wird er auch für die Schlusswertung nicht mehr in Betracht gezogen. Weiterhin kassiert der Kläger die gesamte Prämie des verurteilten Gurus.

Bei einem falschen Verdacht muss der andere Spieler indes jeweils eine Million zum Vermögen und zur Prämie des Beschuldigten beisteuern und ihn so wieder besänftigen. Weil ihm dies aber als Entschuldigung noch nicht ausreicht, müssen auch noch drei der ausliegenden Sektenmitglieder dran glauben und werden abgeworfen. Deswegen ist es auch erforderlich, dass man vor einer Anklage mindestens zwei Millionen Gesamtvermögen besitzt. Zudem muss man noch wenigstens drei Leute vor der Bühne auszuliegen haben.

|6.) Untertauchen|

Hat man selber den Verdacht, dass die Mitspieler kurz davor sind, einen der eigenen Prediger zu entlarven, besteht die Möglichkeit, mit ihm für den Rest des Spiels unterzutauchen und somit zumindest die bisher bekehrten Sektenmitglieder in der Endabrechnung zu berücksichtigen. Für einen Unkostenbeitrag von zwei Millionen, der in die eigene Prämie gezahlt wird, kann man nun einen Prediger verdeckt ins Sektenzentrum ablegen. Die bis dato bekehrten Sektenmitglieder hat man somit sicher!

_Spielende und Wertung_

Das Spiel ist sofort zu Ende, wenn noch genauso viele aktive Prediger im Spiel sind wie die Anzahl der Spieler beträgt. Bei fünf Spielern ist also genau dann Schluss, wenn noch fünf Prediger um die Gunst der Passanten buhlen. Dabei ist es egal, wie diese Prediger aufgeteilt sind. Es ist durchaus möglich, dass ein Spieler noch alle drei Prediger besitzt.

Bei der folgenden Schlusswertung nimmt man nun Karte für Karte aus dem Sektenzentrum und wertet all diejenigen Sektenanhänger, die noch mit den aktiven Predigern Übereinstimmungen vorweisen. Prediger, die aus dem Spiel genommen wurden, werden nicht mehr zum Vergleich herangezogen; die Bedeutung der zugehörigen Karten mit Sektenanhängern verfällt. Für jede treffende Übereinstimmung erhält man zum Schluss zwei Millionen zum eigenen Vermögen; untergetauchte Prediger werden erst dann mit einbezogen, wenn sie vom Sektenzentrumsstapel aufgedeckt werden. Der Spieler, der am Ende über das größte Vermögen (Prämien zählen hier nicht mit) verfügt, hat das Spiel gewonnen.

_Meine Meinung_

„Guru“ ist ein Deduktionsspiel mit hohem Unterhaltungswert, einem sehr dynamischen Spielaufbau und leicht verständlichen Regeln. Eigentlich ja schon fast der Idealfall für ein Kartenspiel eines vergleichsweise kleineren Verlags. Allerdings bringt die Messeneuheit aus dem |Pfifficus|-Verlag ein winziges Hindernis mit sich, und das ist die etwas undeutliche Zusammenstellung des Spielmaterials. Es hätte eigentlich schon gereicht, wenn die Farbgestaltung der einzelnen Völker und Personen etwas deutlicher voneinander abgewichen wäre, dann wäre gar nicht diese Verwirrung entstanden, die besonders die erste Partie zu einer stockenden Angelegenheit geraten lässt. Es gilt erst einmal, sich umfassend mit dem Kartenmaterial vertraut zu machen, dabei ist dieses ja im Grunde genommen auch recht simpel aufgebaut. Das Problem besteht lediglich darin, dass einzelne Details mit den sehr ähnlichen Farben verschwimmen und man so schon mal auf den Holzweg gerät, weil man einer optischen Täuschung unterliegt.

Hat man diese Hürde umschifft, entwickelt sich das Spiel zu einem kommunikativen, sehr abwechslungsreichen Spielvergnügen. Dabei ist keine der einzelnen Handlungsmöglichkeiten zu unterschätzen, selbst nicht die Aktion, die erst einmal nicht so sinnig scheint, nämlich unnütze Karten zu ziehen, um die Kontrahenten auf eine falsche Fährte zu locken, nur um sie später wieder abzuwerfen oder gegen wertvollere, stimmige Karten einzutauschen. Besonders empfehlenswert ist das Spiel bei maximaler Spielerzahl. Binnen kürzester Zeit entsteht in dieser Variante eine ziemlich rasante Partie, in welcher der Faktor Taktik sogar noch stärker zur Geltung kommt. Schließlich gilt es immer abzuwägen, ob man lieber die eigene Sekte verstärkt oder doch lieber die anderen Gurus ärgert, sie täuscht, verwirrt und mit ihnen ein Katz- und Maus-Spiel betreibt, dem sie nach einiger Zeit kaum noch folgen können – was jedoch ein ziemlich positiver Aspekt ist, weil er noch einmal ganz deutlich offenbart, dass man bei geschicktem Spiel stets undurchschaubar bleibt und im Gegenzug mit einer guten bis brillanten Auffassungsgabe die besten Voraussetzungen hat, um den oder die Gegner bzw. ihre Prediger zu entlarven, was wiederum gerade bei mehreren Spielern sehr schwierig ist. Sich nämlich zu merken, wer was wann abwirft, und gleichzeitig zu durchschauen, ob es sich um einen gemeinen Bluff handelt, ist wirklich nur Profis vorbehalten, wobei der Ehrgeiz, sich zu einem solchen zu entwickeln, einfach nicht abreißen will.

Die äußeren Defizite können letztendlich also ganz klar von der Spielidee und ihrer Umsetzung verdrängt werden, so dass am Ende ausschließlich positive Eindrücke zurückbleiben. Fassen wir es also kurz: „Guru“ ist ein tolles, teils auch ziemlich witzig illustriertes Strategiekartenspiel, das einen nach mehreren Eingewöhnungsrunden ähnlich wie die Hauptdarsteller des Spiels, die Sektengurus, in seinen Bann zieht.

http://www.pfifficus-spiele.de/

Walker, Hugh – Magira – Die Stadt der Götter

Band 1: [„Die Welt des Spielers“ 2141
Band 2: [„Die Macht der Finsternis“ 2219

Thorich ist es tatsächlich gelungen, zusammen mit TayaSar, der Schwester des Fürsten von Sambun, nach Blassnig zu entkommen, der Stadt der Götter. Nach Thorichs bisherigen Erfahrungen mit Magiras Götterwelt stellt sich allerdings die berechtigte Frage, ob man die Ankunft in einer solchen Stadt tatsächlich als Entkommen werten kann, und prompt ist es so, dass die beiden Flüchtlinge vom Regen in die Traufe geraten. Und wieder einmal wird Thorich der Vorschlag gemacht, das eigene Leben zu erkaufen: Er soll das Lager der Hazzoni aufsuchen, die mit einer kleinen Streitmacht nur wenige Meilen entfernt von der Stadt lagern und auf Verstärkung warten. Mit der Verstärkung wird auch der Bruder des Heerführers im Lager eintreffen. Thorichs Aufgabe besteht darin, diesen Bruder zu entführen und nach Blassnig zu bringen.

Wohl oder übel macht Thorich sich auf den Weg. Doch innerhalb kürzester Zeit geht so ziemlich alles schief, was nur schiefgehen kann …

Genau genommen bietet all dies dem Leser nicht unbedingt etwas Neues. Die einzige Ausnahme dürfte die Tatsache darstellen, dass Thorich sich überraschend etwas zu sehr verliebt hat. Aber wie der Autor schon selbst sagte: Es war eine Motivation nötig, um all den Verwicklungen nicht einfach den Rücken zu kehren.

Auch die neu aufgetauchten Charaktere geben nicht wirklich viel her: Die Priester sind wie überall in Magira mehr oder weniger fanatisch und machtgierig und außerdem recht schnell von der Bildfläche verschwunden. Das gilt auch für das mythanische Halbblut, das dem Stadthalter von Klanang als Berater dient. Nicht einmal Thorichs Gefährten erhalten irgendwelches Profil. Sie alle sind nur Statisten. Die eigentlichen Hauptpersonen sind Laudmann und Hugh, der Autor.

Je weiter die Dinge sich entwickeln, desto mehr verlagert sich der Blickwinkel weg von den Charakteren der Welt Magira hin zu Laudmann und Hugh. Ihr philosophischer Disput über die Existenz der Finsternis und Laudmanns Fähigkeiten wird immer mehr zu einem ernsthaften Konkurrenzkampf, ihr Gerangel darüber, wie die Handlung der Geschichten sich entwickeln soll, immer mehr zu einem zähen Ringen um die Oberherrschaft über Magira. Das führt so weit, dass plötzlich nicht nur Laudmann in Magira auftaucht, sondern auch Hugh, wenn auch nicht in einem eigenen Körper, und dass Laudmann an der Schreibmaschine sitzt, und nicht der Autor!

Der Effekt ist ein ganz eigenartiger. Während in anderen Fantasybüchern die Geschichte meist aus Sicht der Figuren erzählt wird, oft in einer Form, die gegen Ende hin die Einsicht derselben immer mehr weitet, bis auch die weltlenkenden Götter mit einbezogen sind und manchmal am Ende sogar die Gründe für ihr Tun und Wirken erläutern, ist es hier so, dass man die Geschichte aus der Sicht der Götter miterlebt. Nicht aus Sicht von Äope oder Beliol, sondern aus Sicht derjenigen, die tatsächlich die Ereignisse dieser speziellen Welt lenken. In den ersten beiden Bänden wird das nicht so deutlich spürbar, aber spätestens ab Band drei wird dem Leser klar, dass er hier über einen Krieg der Götter liest, und zwar aus Sicht der Götter, während diejenigen, die die Abenteuer eigentlich erleben, fast an den Rand gedrängt werden. Dass der so mächtig gewordene Gegenspieler des Autors nicht in die Realität gehört, setzt der ganzen Sache die Krone auf!

Eigentlich hätte ich schon früher darauf kommen müssen, denn bereits das schwarze Sechseck im Wohnzimmer des Autors war ein klares Indiz dafür, dass das auf der Ebene der Realität geschilderte Geschehen nicht unbedingt immer real ist. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion waren von Anfang an unklar, die zusätzliche Fiktion auf der sogenannten Ebene der Realität macht es nicht gerade einfacher. Aber viel interessanter!

Der Autor trägt seinen Gegner mit sich herum. Jemanden, dem er nicht traut, der aber offenbar immer mehr die Oberhand gewinnt. Es ist, als hätte er ein kleines Teufelchen im Nacken, das ihn immer und immer wieder und immer mehr zu einer Art von Unfug anstachelt, mit der der Autor zwar einerseits aus Neugierde liebäugelt, die er aber ohne dieses Teufelchen niemals anfassen würde! Letztlich lässt er sich verführen. Und jetzt muss er den Kampf im Herrschaftsgebiet seines Herausforderers aufnehmen! Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen …

Wie zu erwarten, waren die Szenen, die im Reich der Finsternis und auf der Waage der Welt spielen, wieder am schwierigsten zu lesen. Der rasche Wechsel von unwirklichen und zusammenhanglosen Bildern erzeugt trotz aller Konzentration ein gehöriges Maß an Verwirrung, sodass ich am Ende Thorichs Erleichterung darüber, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, nur teilen konnte.

Ich fand das Buch nicht unbedingt spannend. Spannungsbogen und Charakterzeichnung bleiben zugunsten der ausufernden Rivalitäten zwischen Laudmann und dem Autor auf der Strecke. Angesichts dessen, wie sich das Verhältnis der beiden Hauptakteure zueinander entwickelt, habe ich allerdings weder Spannung noch intensive Charakterzeichnung sonderlich vermisst. Der philosophische Aspekt sowie die Frage nach Laudmanns tatsächlicher Identität füllen das Buch zur Genüge aus.

Nach diesem dritten Band bin ich wirklich neugierig, wie die Geschichte ausgehen wird. Seit es den Autor in seine Phantasiewelt verschlagen hat, gibt es nahezu keine Trennung mehr zwischen den Handlungssträngen auf Magira und in der Realität, die Ereignisse auf beiden Ebenen wurden zu einer einzigen Geschichte. Und weit mehr als all die kleinen Abenteuerchen Thuons und seiner Gefährten interessiert es mich, wer letztlich die Oberhand behält, Laudmann oder der Autor, und wie er die Entwicklung zu seinen Gunsten hinbiegen wird.

http://www.hughwalker.de
http://www.mythor.de
http://www.follow.de

Frank Cho – Marvel Graphic Novels 9: Shanna

_Story_

Bei der Zwischenlandung auf einer einsamen Insel entdeckt eine Abteilung des Militärs ein seltsames Laboratorium, welches dem Anschein nach vor einiger Zeit im Besitz der Nazis war. Dort entdeckt das Team eine junge Frau, die in einer unbekannten Flüssigkeit konserviert und künstlich am Leben gehalten wird, und befreit das barbusige Wesen: Shanna. Schon bald erweist sich die Befreiung der Dame als Glücksgriff, denn mit ihren Bärenkräften kann sie die Soldaten vor der zweiten seltsamen Entdeckung auf dieser Insel bewahren. In nahezu jedem Winkel wimmelt es nämlich nur so vor Dinosauriern, die auf ihrer Suche nach Frischfleisch in der menschlichen Truppe eine willkommene Beute erkannt haben. Nun liegt es an Shanna, ihre neuen Verbündeten zu beschützen. Doch kann sie es tatsächlich mit dieser Masse an übermenschlich großen Wesen aufnehmen?

_Meine Meinung_

„Shanna – The She-Devil“ – die Titelheldin gehört bereits seit einer halben Ewigkeit zu den Kultfiguren des |Marvel|-Universums und wird in der aktuellen Ausgabe der „Marvel Graphic Novels“ endlich auch einmal mit einer neu aufgelegten Story bedacht. Allerdings hat Autor Frank Cho die Rolle der verrohten Dschungellady für die Neuauflage der Mini-Serie ein wenig modifiziert. So entstammt das üppig gebaute Superhelden-Luder in der jüngst erschienenen Fassung nicht etwa dem Urwald, sondern ist das Resultat eines Forschungsexperiments der Nazis, was den Inhalt natürlich ein ganzes Stück brisanter macht.

Cho jedoch hat sich bei der Darstellung extremer Inhalte weitestgehend zurückgehalten. Das verpönte Hakenkreuz wurde hier aus Sicherheitsgründen mal wieder entschärft. Lediglich die vielen Kämpfe spiegeln die tatsächliche Brutalität der Story adäquat wieder, so dass man hier und dort auch mal ein paar Blutspritzer sieht.

Effekthascherei war beim Autor anscheinend jedoch sowieso erwünscht. Die Zeichnungen sind zwar recht basisch gehalten, betonen aber in wirklich überzogenem Maße die körperliche ‚Ausstattung‘ der Hauptdarstellerin, die hier äußerst leicht bekleidet durch das gefährliche Abenteuer zieht und mit ihren enormen Kurven mehr als nur einmal von der Handlung ablenkt. Daran wird sich das Publikum vielleicht nicht sonderlich stören, doch dass Cho sich hier eines beliebten, effektiven Hilfsmittels bedient und es damit auch geschafft hat, Teile der Geschichte zur Nebensache zu degradieren, ist sehr auffällig und verdient eine gesonderte Erwähnung. Ansonsten sind die Zeichnungen sehr elementar und simpel gehalten und in Sachen Authentizität sehr darauf ausgelegt, das Original nicht zu weit aus den Augen zu verlieren.

Vom äußeren Erscheinungsbild zum Inhalt: Eines muss man sich von Anfang an klarmachen, nämlich dass „Shanna“ kein besonders anspruchsvoller Comic ist. Vielmehr geht es hier darum, eine lange Zeit vergessene Heldin wieder ins Gedächtnis der |Marvel|-Fangemeinde zu rufen und all ihre Reize zu betonen. Im Grunde genommen ist die hier erzählte Geschichte sogar nur auf klassischem B-Movie-Niveau, hinsichtlich der Action allerdings ein wahres Prachtstück unter den bisher veröffentlichten Graphic Novels. Quasi „Jurassic Park“ ohne dessen zwischenzeitliche Horror-Elemente, dafür aber mit einer Superheldin, deren markante Kurven und deren kompromissloses Auftreten einem noch lange in Erinnerung bleiben werden. Effekte eben, die man bei einer Figur wie Shanna wunderbar ausspielen kann und die zudem für die Cleverness des Autors und Zeichners sprechen.

Frank Cho hat sich insgesamt also sehr geschickt aus der Affäre gezogen. Eine leicht verdauliche Action-Handlung, gepaart mit weiblichen Rundungen und einer zunächst unscheinbaren, dann aber sehr ausdrucksstarken Hauptfigur – das erwartet einen im neunten Teil der „Marvel Graphic Novels“. „Shanna – The She-Devil“ zehrt in erster Linie von den eigenwilligen Auftritten der gentechnisch veränderten Titeldame und bietet Anhängern simpler, klassischer Action-Kost ein willkommenes Kontrastprogramm zu den überladenen, komplexen Geschichten von heute. Chos Neuinterpretation trifft dabei trotz der genannten Kritikpunkte voll ins Schwarze und erreicht sein Ziel mit leichtesten Mitteln. Dieses besteht nämlich darin, „Shanna“ auf die |Marvel|-Landkarte zurückzubringen – und genau das ist dem namhaften Comic-Autor mit der Neuauflage dieser kultigen Mini-Serie recht eindrucksvoll gelungen.

Hardcover
172 Seiten
Erscheinungsdatum: 02.11.2006
http://www.paninicomics.de

Die Toten Hosen – Toten Hosen, Die – Das alte und das neue Testament

Nach ziemlich genau 25 Jahren, einigen Fläschchen eisgekühlten Bommerlunders und natürlich auch zahlreichen Broten mit Schinken und Ei reichen |Die Toten Hosen| nun ihr Testament ein – aber natürlich nur im übertragenen Sinne. Der sogenannte Letzte Wille besteht nämlich in diesem Fall aus einem kleinen schmucken Songbook, welches auf insgesamt 296 Seiten sämtliche offiziell veröffentlichten Songs der Düsseldorfer Kultkapelle vereint und erstmals in der Geschichte der Band das Gesamtwerk so kurz und bündig zusammenfasst.

In „Das alte und das neue Testament“ findet man sie alle wieder, Punkrock-Hymnen wie ‚Carnival In Rio‘ und ‚Hier kommt Alex‘, Klassiker wie ‚Opel-Gang‘ und ‚Wünsch dir was‘ und natürlich Chartbreaker wie ‚Zehn kleine Jägermeister‘ und das umstrittene ‚Bayern‘, mit dem sich die Hosen ebenso viele Freunde wie Feinde gemacht haben. Jedoch sind hier nicht nur die Texte des umfassenden Backkatalogs enthalten, sondern auch die entsprechenden Akkordsymbole und eine Grifftabelle, in der noch einmal sämtliche Einzelheiten in Mini-Tabulaturen aufgeführt sind. Insofern ist „Das alte und das neue Testament“ also nicht nur zum Mitsingen bestens geeignet, sondern auch zur Begleitung mit der Gitarre. Wenn man mal bedenkt, zu welchem Preis allein die Begleitbücher zu einem Album mitsamt Tabulaturen und Noten heutzutage veräußert werden, bekommt man hier also ein echtes Schnäppchen geboten.

Vergessen wurde in der Aufführung dieser Retrospektive indes absolut gar nichts. Selbst die übelsten Sauflieder wurden mit aufgenommen, dazu gesellschaftskritische Songs wie ‚Verflucht, verdammt, gebrandmarkt‘, verschiedene Fremdinterpretationen, wichtige Projekte wie etwa ‚Pushed Again‘ im Verbund mit den Punk-Großvätern von |Bad Religion| und etwas besonnenere Klänge, wie man sie von Campino und Co. in den letzten Jahren schon mal öfter zu hören bekommen hat. Interessant dabei ist, dass manche Songs auch doppelt aufgeführt wurden, weil sich die Arrangements in der Unplugged-Version ein wenig vom Original unterschieden haben. Das Buch ist aber nicht nur komplett, sondern dazu auch wirklich toll aufgemacht. Das Design orientiert sich zum Beispiel an einem typischen Gesangsbuch aus der Kirche und kommt sogar mit PVC-Einband in die Läden – womit auch die letzten Parallelen der von den Hosen schon mehrfach zitierten göttlichen Obrigkeit abgedeckt wären.

Fans der erfolgreichen Rockband erhalten hier für einen recht günstigen Unkostenbeitrag wahrhaftig eine kleine Hosen-Bibel und dürfen den Titel daher auch völlig ernst nehmen. Es handelt sich nämlich natürlich nicht wie eingangs angedeutet um das vorgezogene Testament, sondern um ein richtig feines, herrlich kompaktes und lückenloses Vermächtnis einer der wichtigsten Erscheinungen im Bereich der nationalen populären Musik überhaupt. Aus diesem Grunde wäre alles andere als eine Empfehlung für die treue Anhängerschaft auch inakzeptabel.

http://www.bosworth.de

Brocken, Arous – Katze unter Bären (Classic BattleTech 11: Bear-Zyklus 01)

_Story_

3053: Seit der Schlacht von Tukayyid herrscht Waffenstillstand, doch allerorts rüsten die Clans mächtig auf. Für junge MechKrieger scheint die richtige Zeit gekommen, ihr Talent in Kämpfen und Schlachten zu beweisen, doch die Ausbildung zum Krieger ist hart und die Auswahlkriterien sind gnadenlos. Dies bekommt auch der junge George zu spüren, der als einer der letzten Kadetten der Novakatzen kurz vorm entscheidenden Positionstest steht. Doch die Prüfung endet in einem Debakel; im Trainingslabyrinth stößt die Truppe der Novakatzen unerwartet auf einige übermächtige, feindliche Mechs und erleidet im Duell eine bittere Niederlage. George gelingt es dennoch, einen der riesigen Gegner aus nächster Nähe mit einem Überraschungsmanöver zu vernichten, was bei den Feinden, dem Clan der Geisterbären, nicht ungeachtet bleibt.

Kurzerhand nimmt man den besiegten Katzenkrieger vor Ort gefangen und macht ihn zum Leibeigenen. Seine Ausbildung zum Krieger kann er trotzdem fortsetzen, auch wenn er innerhalb des Clans der Geisterbären von seinen neuen Gefährten sehr skeptisch beäugt wird. Gerade die Tatsache, dass Georges Aktionen nicht selten in einem Fiasko enden, stößt den anderen Kriegern bitter auf und wirft weitere Zweifel an seiner Loyalität auf. Dann jedoch gerät das Gebiet des Clans plötzlich unter Beschuss; für George die beste Bewährungsprobe, um all seinen Kritikern zu beweisen, dass er seinem neuen Clan treu ergeben ist …

_Meine Meinung_

Unter dem Pseudonym Arous Brocken gibt ein deutscher Autor mit „Katze und Bären“ sein Stelldichein in der „Classic BattleTech“-Romanreihe. Es ist das erste Buch einer neuen Trilogie, die unter dem Namen „Bear-Zyklus“ in die Läden kommt, und gleichzeitig eines der „BattleTech“-Bücher, in denen die technischen Komponenten der Mechs äußerst umschweifend beschrieben werden. Brocken geht von Beginn an sehr detailliert auf die verschiedenen Kampfroboter, ihre Waffen und vor allem die Unterschiede zwischen den einzelnen Gewichtsklassen ein und bestückt den Leser erst einmal mit Fakten, die gerade dann recht nützlich sein können, wenn man selber zum ersten Mal zu einem Buch dieser Reihe greift. Anhand des Protagonisten George, der zunächst als Kadett die verschiedensten Leichtgewichte unter den KampfMechs erprobt, lernt man auf den ersten 80 Seiten Schritt für Schritt die Maschinen kennen, die einen ständig in leicht variierter Form durchs Buch begleiten werden, und bekommt so auch einen recht umfassenden Überblick über die Hintergründe im BattleTech-Universum. Doch wo bitte bleibt die Story?

Nun, Brocken lässt sich wirklich sehr lange Zeit, bis er das Tempo der Handlung mal ein wenig verschärft. Umgangssprachlich könnte man sogar fast sagen, dass er bis zum Erbrechen die wichtigsten Informationen über die tonnenschwere Kampfgeräte herunterrasselt, ohne sie dabei zugleich irgendwie in den Plot zu integrieren. Zwar versucht er durch die vielen Rückschläge, die George in seiner alten (Novakatzen) und neuen Umgebung (Geisterbären) durchleben muss, ein wenig Zeit zu gewinnen, doch irgendwann (und leider auch ein kleines bisschen früher) hätte er einfach die Kurve bekommen und der Geschichte ihren erforderlichen Raum zugestehen müssen.

Gott sei Dank geschieht dies dann auch nach knapp der Hälfte der Zeit, denn sobald George sich einmal vor seinen Kollegen und in einer Prüfung bewährt und den Zweiflern bewiesen hat, dass er durchaus das Zeug dazu hat, sich als MechKrieger zu behaupten, beginnt auch endlich die Phase, in der man sich mit dem Hauptdarsteller und der Erzählung im Allgemeinen anfreundet. Von diesem Moment an ist die Geschichte auch nicht mehr einzig und allein auf George und all die verschiedenen Unterarten der Mechs fixiert, sondern gewährt sich selber auch ein paar dringend notwendige Freiräume, um die anfangs ganz klar nicht existente Spannung herzustellen. Es sind solche Situationen wie die Entführung von George oder überhaupt die vielen plötzlichen Kampfsituationen, die von Brocken nicht adäquat aufgegriffen werden und so die Spannungskurve auch nicht zu steigern vermögen. Er bleibt lediglich bei den Fakten, spinnt dabei immer wieder den Faden zu den Kampfmaschinen und hat erhebliche Schwierigkeiten dabei, die Story als solche aufzubauen.

Im zweiten Abschnitt des Romans hingegen durchläuft die Geschichte einige rasante Entwicklungen. George etabliert sich immer mehr als tragende Figur und Identifikationsperson, sein gesamtes Umfeld gewinnt ebenfalls an Bedeutung und die massiv ausgetretene technische Komponente des Romaninhalts wird zugunsten einer sich in Sachen Komplexität bedächtig steigernden Handlung stetig in den Hintergrund gedrängt – bis das Buch dann plötzlich mit einigen Überraschungen endet und (zu Beginn hätte man das kaum für möglich gehalten) im Leser das Verlangen nach einer raschen Fortsetzung auslöst.

„Katze unter Bären“ ist einer derjenigen Romane, bei denen man eine Menge Geduld aufbringen muss, dafür aber am Ende nach längerer Durststrecke ganz ordentlich entlohnt wird. Nicht zuletzt wegen der sehr positiven inhaltlichen Entwicklung und der Behebung einiger zunächst begangener Schönheitsfehler ist der elfte Roman in der „Classic BattleTech“-Reihe dennoch lesenswert und zum Schluss auch auf dem bewährten Spannungslevel angesiedelt. Wegen der umfassenden Aufarbeitung technischer Details lohnt es sich gerade für Einsteiger ins BattleTech-Universum, hier zuzugreifen.

http://www.fanpro.com

Nicholls, David – Keine weiteren Fragen

|“Immer wenn ich Edith Piaf ‚Non, je ne regrette rien‘ singen höre – was häufiger geschieht, als mir lieb ist, jetzt, wo ich an der Uni bin -, denke ich unwillkürlich, wovon redet die eigentlich? Ich bereue so ungefähr ALLES. Mir ist bewusst, dass der Übergang zum Erwachsenwerden ein schwieriger und mitunter schmerzlicher Prozess ist. Mir sind die Abläufe von Durchgangsriten vertraut, ich weiß, was der literarische Begriff ‚Bildungsroman‘ bedeutet, und ich bin mir darüber im Klaren, dass ich auf Dinge, die in meiner Jugend geschehen sind, eines Tages zurückblicken und sie amüsiert und milde belächeln werde. Aber das erklärt noch lange nicht, warum ich mich für Dinge schäme, die vor dreißig Sekunden passiert sind.“| (S. 378)

Diese Bestandsaufnahme gibt schon recht deutlich die Situation von Brian Jackson, dem Protagonisten aus David Nicholls‘ Roman „Keine weiteren Fragen“, wieder. Dabei sollte doch mit dem Beginn des Studiums alles super werden: geistreiche Gespräche, tiefsinnige Bemerkungen, gewichtige Freundschaften, tagsüber Sex mit schönen Frauen und exotisches Essen – so in etwa stellt Brian Jackson sich seine Mannwerdung vor. Doch wie das Einstiegszitat eindrucksvoll demonstriert, gestaltet sich dieser Prozess schwieriger, als Brian erwartet hat.

Wir schreiben die 80er Jahre: Brian Jackson ist hochmotiviert, aknegeplagt und lebensunerfahren, als er sich in das Studium und das Leben stürzt. Das große Ziel ist nicht nur, endlich zum Mann zu werden, sondern wenn möglich auch einen Platz in der TV-Quizshow „University Challenge“ zu ergattern. Doch dabei verknallt Brian sich unsterblich in Teamkollegin Alice. Brian strengt sich redlich an, Alice möglichst beeindruckend zu umgarnen, doch da die beiden ohnehin in zwei gänzlich unterschiedlichen Ligen spielen, gestaltet sich dies außerordentlich schwierig. Brian hat eben mehr das Talent zum Außenseiter als zum unschlagbaren, mysteriösen Verführer.

Doch wenn Brian auch nicht unbedingt in vielen Dingen zu brillieren weiß, so kann er auf eine Fähigkeit dennoch voll und ganz bauen – sein Quizkandidatentalent. Und so will Brian Alice beim „University Challenge“ demonstrieren, was in ihm steckt, und mit dieser todsicheren Strategie schließlich ihr Herz gewinnen …

David Nicholls Debütroman ist in seiner englischen Heimat gleich nach der Veröffentlichung gewaltig eingeschlagen. Die Verfilmung kam bereits im Herbst 2006 in die englischen Kinos. Kritiker und Presse sparen nicht mit Lob und greifen dabei gar zu einem Vergleich mit Nick Hornby. Das lässt auf einiges hoffen.

Mit Brian Jackson hat Nicholls eine Figur geschaffen, die immer wieder Anlass zu Heiterkeit bietet. Die Geschichte spielt mitten in der Rezession und Brian schafft nur dank eines Stipendiums den Weg an die Uni, wo er Englische Literatur studiert. Während seine Kumpels zu Hause ihn mit dem Begriff Mittelschicht belegen und das als Schimpfwort meinen, geht er an der Uni höchstens als Unterschicht durch. Das macht ihn im Angesicht der reichen, gutaussehenden Unikollegen gleich zum Außenseiter.

Zu beobachten, wie Brian sich damit abplagt, trotz all dieser Widrigkeiten anerkannt zu werden, ist äußerst unterhaltsam. Sei es seine gewagte Tanzeinlage zu James Browns „Sex Machine“ bei der ersten Uniparty oder sein Kampf um Anerkennung im „University Challenge“-Team. Immer wieder schafft Brian es, sich beim Versuch, Eindruck zu hinterlassen, lächerlich zu machen. Besonders gut gelingt ihm dies selbstverständlich in der Gegenwart von Alice.

Brian hat sich den Beginn des Studiums als glorreichen Neuanfang ausgemalt, dabei aber vergessen, dass er aus seiner Haut nicht heraus kann. Und so verläuft Brians Start ins Studentenleben für ihn selbst eher ernüchternd und für den Leser dafür umso erheiternder. Brian ist ein liebenswerter Versager, den man gleich zu Beginn ins Herz schließt.

Die Typen, denen Brian im Laufe seines ersten Studienjahres an der Uni begegnet, sind teilweise grundverschieden, was die Lektüre um eine weitere unterhaltsame Facette ergänzt. Da wäre beispielsweise Rebecca, die meistens auf Krawall gebürstet ist und gerne die Konfrontation mit Brian sucht. Die beiden sind herrlich gegensätzlich und ergänzen sich so wunderbar zu einem durch und durch komischen Team.

Alice dagegen ist ein ganz anderer Typ. Sie ist weltgewandt, gutaussehend und beliebt und damit das komplette Gegenteil von Brian. Dass sie ihn überhaupt wahrnimmt, grenzt schon an ein Wunder. Das Hin und Her zwischen Alice und Brian ist von einem so ausgeprägten Ungleichgewicht bestimmt, dass man gleich vom ersten Augenblick ahnt, dass Brian hier eigentlich nur Energie verschwendet. Aber er kann es ja einfach nicht lassen …

Was „Keine weiteren Fragen“ zu einer so unterhaltsamen und komischen Geschichte macht, sind das Zusammentreffen dieser unterschiedlichen Persönlichkeiten und die Art, wie sie miteinander umgehen. Daraus ergibt sich im Verlauf des Romans so manche Pointe und auch Brians Ehrgeiz bei „University Challenge“ offenbart so manchen komischen Moment.

Dennoch schafft Nicholls einen Brückenschlag zwischen Komik und Tragik. „Keine weiteren Fragen“ enthält auch ernsthafte Momente – in erster Linie geht es dabei um vernachlässigte Freundschaften. Brian schafft es nicht nur in der Sache Alice, sich immer wieder zum Idioten zu machen, sondern lässt auch sonst so ziemlich keine Gelegenheit dazu aus. Darunter haben vor allem seine Freunde von früher zu leiden. Diese Verknüpfung von Humor und ernsthaften Aspekten der Geschichte macht die Figur des Brian umso greifbarer. Er ist nicht einfach nur der Depp, der sich in eine Frau verliebt, die drei Nummern zu groß für ihn ist, sondern bekommt auch eine zunehmend menschliche Seite.

Ein besonderes Lob verdient das Ende der Geschichte. Nicholls lässt die Sache stimmig enden. Er löst sie im Grunde auf die einzige wirklich sinnvolle Art auf (und auch das wieder mit einem sehr schönen Lacher) und sorgt so dafür, dass „Keine weiteren Fragen“ nicht so schnell wieder aus dem Gedächtnis verschwindet, wie es so manchem anderen Roman dieser Art vorbestimmt ist. Nicholls schafft es, Geschichte und Figuren glaubhaft weiterzuentwickeln, und das rundet den Gesamteindruck positiv ab.

Unterm Strich ist „Keine weiteren Fragen“ eine wirklich runde Sache – unterhaltsam und flott erzählt, mit witzigen, liebenswürdigen Figuren, die man schnell ins Herz schließt, und einem stimmigen Handlungsverlauf. Wer humorvolle, selbstironische Bücher mag, dem sei dringend zur Lektüre geraten. David Nicholls ist mit „Keine weiteren Fragen“ eine herrlich komische Geschichte geglückt, die aus der Masse vergleichbarer „Coming-of-Age-Romane“ wunderbar hervorsticht.

http://www.heyne.de

Koch, Boris – adressierte Junge, Der

|-Beinahe hatte ich den Willen verloren, doch jetzt werde ich es tun, und morgen schon bin ich kein Sterblicher mehr, sondern fast ein Gott, der unbemerkt unter euch Menschen lebt.-|

_Inhalt_

Ein Okkultist versucht den Tod zu überlisten, indem er vorher Selbstmord begeht. Ein Griechenlandreisender entdeckt einen geheimen Ort, der ihn nicht wieder loslässt. Der Tod des Sohnes und das gleichzeitige Erscheinen einer geheimnisvollen Madonna zerreißen eine Familie.

| 5 Kurzgeschichten von Boris Koch:|

Todestag
Der adressierte Junge
Poteideia
Aus den Reisenotizen des Jonathan Mommsen
Die Mutter der Tränen

_Rezension_

Nun ist „Der adressierte Junge“ zugegebenermaßen nicht mehr der frischste, bedenkt mein sein Erscheinungsjahr, aber man sollte dennoch nicht versäumen, auch 2007 noch einmal auf diesen Band hinzuweisen. Denn wieder einmal überrascht Boris Koch durch Einfallsreichtum und Abwechslung. Langweilig wird es bei ihm wirklich nie.

Die fünf Kurzgeschichten könnten von den Plots her nicht unterschiedlicher sein. Nun mögen Niggelsköpfe vielleicht anmerken, dass der Band einen roten Faden vermissen lasse, eine Linie, die die Storys verbindet – für mich macht gerade |das| die Besonderheit des dünnen Büchleins aus, bei dessen Lesen mir schwer nach mindestens doppelt so vielen Erzählungen des „lebendigen Berliners“ war. Gerade als ich wieder voll an der Koch-Nadel hing, war ich bereits am Ende angelangt und es setzten, bevor ich das Buch zuklappte, Entzugserscheinungen ein.

Vor allem, weil die letzte Geschichte mich besonders zu fesseln vermochte. Sie zeigt einmal mehr das enorme Einfühlungsvermögen von Boris Koch und seine gesellschaftliche Beobachtungsgabe. Er legt verbal den Finger in die Wunden, die wir uns gegenseitig schlagen, zeigt menschliche Abgründe, aber auch psychische Grenzen auf, ohne allzu überspitzt daherzukommen oder gar zu dick aufzutragen. Das ist die wahre Kunst – deutliches Aufzeigen ohne Holzhammermethode oder reißerisches Vokabular. Man möge mir verzeihen, aber ich gerate wieder einmal ins Schwärmen.

Kommen wir also zu meinem Favoriten, der letzten Geschichte: In |Die Mutter der Tränen| leiden wir mit den Eltern, die ihren Sohn durch ein brutales Verbrechen verlieren und jeder auf seine Art – in sich zurückgezogen – damit umzugehen versucht. Während die Mutter hinter einer Mauer aus Aggression Schutz sucht, findet der Vater seinen ganz besonderen „Trost“ in einer madonnenhaften Erscheinung, die aber nur seiner Phantasie entsprungen scheint.

Ebenso unter die Haut gehend ist die Titelstory |Der adressierte Junge|, die ein perfektes Spiegelbild mancher Familienverhältnisse ist – barbarisch und fesselnd. Gesehen durch die Kinderaugen des Jungen, dessen Vater ihm eine kanadische Adresse auf die Stirn ritzt, mit der Drohung, ihn bei Ungehorsam dorthin zu schicken.

|Todestag| erzählt grandios von einem Kriegsflüchtling, der eine mystische Maschine baut, mit deren Hilfe er dem Tod ein Schnippchen schlagen will.

Mehr sei über den Inhalt des Titels nicht verraten – es wäre eine Schande, dem Leser zu viel vorwegzunehmen. Außer dass es wirklich längst an der Zeit – nein überfällig ist, dass die großen Verlage auf Boris Koch aufmerksam werden. Er hat das Zeug dazu, ein Großer zu werden. Nein, er ist es bereits – die breite Leserschaft muss ihn nur endlich entdecken und wird dann ebenso schnell erkennen, welches Potenzial in ihm steckt!

Kommen wir noch zum Handwerklichen des Bandes: Das Papier ist einwandfrei, das Lektorat korrekt (was auch daran liegen mag, dass drei der fünf Geschichten bereits veröffentlicht waren), und das Covermotiv stimmig, wenngleich es nicht die Brillanz der Texte widerspiegelt. Leider ist es auch nicht folienkaschiert, und ich vermisse die Vita des Autors (für die Leser immer von Interesse). Aber das kann man mit einigem Wohlwollen in die Kategorie „Geschmacksache“ einordnen.

Ich gebe es zu, ich habe extreme Bedenken, einen 102-Seiten-Band von stolzen 10 € zu empfehlen, aber ein Autor wie Boris Koch ist das allemal wert. Daher: Wer alle Koch-Werke sein Eigen nennen möchte, greife zu, solange es den Band noch gibt – textlich ist da jeder gut beraten!

http://www.eloyed.com/
[Interview mit Boris Koch, Christian von Aster & Markolf Hoffmann]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=73 im |StirnHirnHinterzimmer|

Perry-Rhodan-Team / Böhmert, Frank / Effenberger, S. A. / Sieper, Marc – Havarie auf Hayok (Perry Rhodan – Sternenozean 5)

Folge 1: [„Der Sternenbastard“ 3030
Folge 2: [„Die Mascantin“ 3031
Folge 3: [„Der Hyperschock“ 3035
Folge 4: [„Planet der Mythen“ 3058

_Story_

Auf ihrer Flucht vor dem Kopfgeldjäger Shallowain geraten Mal Detair und Kantiran in ein Raumbeben und werden gezwungen, im Hayok-Archipel notzulanden. Um den befürchteten Unannehmlichkeiten zu entgehen, tarnen sie ihr Schiff und schaffen es tatsächlich ohne Schwierigkeiten, in Hayok unterzutauchen. Doch Shallowain hat die Tarnung durchschaut und bereits einige Späher eingesetzt, die Kantiran und Mal Detair alsbald gefangen nehmen. Allerdings ist nicht nur der Killer des Imperators hinter den beiden her; auch Kantirans Mutter, Ascari da Vivo, sinnt nach Ranne, nachdem ihr zuletzt übel mitgespielt wurde. Denn wie Kantiran erschrocken feststellen muss, hat die Dame das Attentat überlebt und gibt nun alles dafür, den Verursachern an den Kragen zu gehen. Für Kantiran und Mal Detair wird die Luft immer dünner …

_Meine Meinung_

Nach dem eher bescheidenen, um nicht zu sagen langweiligen letzten Hörspiel aus der „Sternenozean“-Serie von Perry Rhodan, „Planet der Mythen“, hat sich die Story in „Havarie auf Hayok“ wieder gefangen und überzeugt nach diesem einmaligen Ausfall erneut mit einem sehr spannenden, rasant voranschreitenden Plot. Wo vor kurzem noch schleppende Handlungsfortschritte an der Tagesordnung waren, steht hier wieder das volle Maß an Science-Fiction-Action an, und dies gleich auf zwei Ebenen.

Nach dem kurzen Intermezzo mit Titelgeber Perry Rhodan steht nun Kantiran wieder im Mittelpunkt des Geschehens und vielleicht sogar vor seiner größten Herausforderung. Sowohl Shallowain als auch Ascari da Vivo sind ihm und seinem Gefährten Mal Detair dicht auf den Fersen und durchschauen schließlich auch ihre sicher geglaubte Tarnung. Inmitten des unplanmäßig aufgesuchten Sternenarchipels Hayok kommt es zu einer weiteren Auseinandersetzung der beiden Fronten, jedoch mit ungewissem Ausgang, denn hier setzt der etatmäßige Cliffhanger wieder an.

Auf der anderen Seite kämpft Kantiran auch unterschwellig mit seinem persönlichen Schicksal. Als Sohn des wohl berühmtesten Weltraumhelden Perry Rhodan lastet ein großer Druck auf ihm. Gleichzeitig belastet ihn seine Herkunft; seine Mutter steht auf der Gegenseite und plant sogar, ihn zu töten, ganz gleich, welche Verbindung eigentlich zwischen den beiden besteht. Doch nach dem Attentat an Thereme lassen ihn die Gefühle gegenüber seiner Mutter kalt und schlagen in Hass um. Ein offener Schlagabtausch war unvermeidlich und führte beinahe schon zum Tod von da Vivo. Aber diese Lady hatte schon mehr als einmal die Überraschungen auf ihrer Seite und kehrt nun zurück, um dem ebenfalls verhassten Sohn endgültig den Garaus zu machen.

Die fünfte Episode von „Sternenozean“ begeistert in erster Linie wegen der vielen überraschenden Wendepunkte der Handlung. Sowohl das plötzliche Auftauchen von Shallowain als auch die Rückkehr von Ascari da Vivo geben der Story eine entscheidende Wendung und halten die Spannung, nicht zuletzt wegen des offenes Ende, stets am Siedepunkt. Gleichzeitig steht die Frage im Raume, was aus Atlan und Rhodan geworden ist, die in dieser Folge erst gar nicht auftauchen. Haben sie sich selbständig vom fremden neuen Planeten im Sternenozean lösen können, oder ist ihnen doch etwas zugestoßen? Die Antworten hierauf gibt es später, gemeinsam mit denen zum Ausgang des Konflikts zwischen Kantiran und da Vivo, der im angesprochenen Cliffhanger seinen Höhepunkt erreicht und schon andeutet, wie „Sternenozean“ inhaltlich in der nächsten Episode „Das Blut der Varonis“ weitergeführt werden muss – nämlich mit einer Entscheidung auf Leben und Tod, die hier nach einer temporeichen Actionhandlung eröffnet wird und dringend eine Fortsetzung verlangt. Ebenso wie die Ereignisse um Rhodan und Atlan …

Das Zwischentief und die Phase der Langeweile sind also spielerisch überwunden. In „Havarie auf Hayok“ erreichen Sprecher und Story wieder das Anfangsniveau und und erkämpfen sich hier gemeinsam einen Spitzenplatz in den aktuellen Hörspiel-Charts. Rhodan- und Science-Fiction-Fans sollten sich nicht zweimal bitten lassen und am besten die gesamte Serie besorgen.

http://www.perryrhodan.org
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stil.name/
[Ausführlicher Überblick über diesen Zyklus der Heftromanserie]http://www.perrypedia.proc.org/Der__Sternenozean__%28Zyklus%29

Haubold, Frank W. (Hrsg.) – Jenseitsapotheke, Die (Jahresanthologie 2006)

„Die Jenseitsapotheke“ ist die Jahresanthologie 2006 und gleichzeitig die Jubiläumsausgabe 200 des Magazins |Fantasia|, das vom Ersten Deutschen Fantasy Club e. V. herausgegeben wird. 25 Geschichten von 25 Autoren aus allen Bereichen der Phantastik wurden hier von Frank W. Haubold zusammengestellt und von Gabriele Behrend mit zwölf ganzseitigen Schwarzweiß-Illustrationen versehen.

Nähere Informationen unter:
http://www.edfc.de
http://www.frank-haubold.de

|“Die Rückkehr“| (Michael Siefener): Mehr als zehn Jahre ist es her, dass der Ich-Erzähler seine Eltern zuletzt gesehen hat. Nie wieder wollte er den düsteren Waldturm seiner Kindheit betreten. Doch ein drängender Anruf seines Vaters bringt ihn dazu, nach Hause zurückzukehren. Seine Eltern liegen im Sterben, ein fremder Mann hält sich bei ihnen auf. Noch ehe der Sohn klären kann, um wen es sich bei dem Fremden handelt, sterben seine Eltern. Und der Fremde hat merkwürdige Vorstellungen von der Beerdigung …

|“Sturmreiter“| (Armin Rößler): Die Freunde Mercand, Bottrill und Dyn bilden ein eingeschworenes Team von Sturmreitern. Auf ihren Sagyen fliegen sie durch die Lüfte und machen Jagd auf Toncerleys. Bei einem ihrer Ritte taucht ein riesenhafter Vogel auf, der eine Katastrophe auslöst. Die Freundschaft der drei wird bald nie mehr so sein wie früher …

|“Eine Viertelstunde Sonne“| (Heidrun Jänchen): Die einsame Sanne hat eine Erscheinung im morgendlichen Sonnenlicht auf ihrem Balkon: Ein seltsames Wesen, das in allen möglichen Farben schillert, stattet ihr kurze Besuche ab. Sanne ist überzeugt davon, dass es sich um einen Engel handelt. Mit jedem weiteren Mal fasziniert sie das fremde Wesen mehr und Sanne möchte am liebsten, dass es sie nie mehr verlässt …

|“Die Chronistin von Chateauroux“| (Anke Laufer): Im Jahr 2121 reist die junge Chronistin Moira Mongulu mit einem zwanzigköpfigen Trupp als Beauftragte für die Neubelebung vergessener Güter im Namen des Revolutionsrates zum Schlosshotel Chateauroux. Die Welt hat sich stark verändert: Dank moderner Reproduktionstechnik sind Eltern überflüssig geworden, alternde Menschen gibt es nicht mehr und Moira ist mit ihren sechzehn Jahren bereits eine der ältesten der Truppe. Auf Chateauroux werden die Kinder mit unheimlichen Vorgängen konfrontiert …

|“Der Wolkentreiber“| (Dimitrij Makarow und Erik Simon): Es ist Sommer und alle von Tims Freunden sind mit ihren Eltern in den Urlaub gefahren. An einem Tag schlendert der Junge von zuhause los, ohne bestimmtes Ziel. Unterwegs trifft er auf einen alten Mann, der ihn in ein seltsames Gespräch verwickelt …

|“Jackson-Gate“| (Christian Schmitz): Leon Binzenberger tritt seinen neuen Job als Moral-Assistent beim ZDF an. Um Skandale bei Live-Sendungen zu vermeiden, werden alle Übertragungen mit zehnsekündiger Verspätung gezeigt, damit sie gegebenenfalls rechtzeitig unterbrochen werden können. Gleich an seinem ersten Arbeitstag gerät Leon in eine prekäre Lage während einer Debatte der beiden Kanzlerkandidaten …

|“Die Jenseitsapotheke“| (Hartmut Kasper): Ullrich wird als Kind von einem Auto angefahren und trägt schwere Verletzungen davon. Einige Wochen später erzählt er seinem Klassenkameraden von der Jenseitsapotheke. Eines Abends machen sich die beiden Jungen auf den Weg dorthin …

|“Der Schattenprinz“| (Jasmin Carow): Nach und nach zieht sich eine Frau aus der Öffentlichkeit zurück. Was bleibt, ist der Kontakt zu einem Internetfreund …

|“In der Dunkelheit Edens“| (Jennifer Schreiner): Kurz nach der Erschaffung des Paradieses und der ersten Menschen streiten sich die Engel über Jahves Schöpfung. Während die Erzengel Michael, Gabriel und Raffael die Menschen verteidigen, lehnt sich der gefallene Engel Samiel auf …

|“An der Großen Marina“| (Matthias Falke): Eine Gruppe von Freunden postiert sich vor der gewaltigen Festung eines Oberförsters, der Atomgranaten verschießt. Mit Rockmusik beschallen die Rebellen das Gebiet. Eines Tages schlagen ihre Gegner zurück. Nach vergeblicher Flucht werden die Freunde gefangen, in Zellen gesperrt und sehen einem ungewissen Schicksal entgegen …

|“Mein lieber Rene“| (Stephan Peters): Rene und Viktoria sind ein junges Pärchen, das erstmals eine räumliche Trennung erlebt. Während Viktoria in Wilhelmshaven ihr gebrochenes Bein pflegt, richtet Rene bei Oldenburg ihr zukünftiges gemeinsames Haus ein. Um die Sehnsucht erträglich zu machen, schreiben sich die beiden regelmäßige Briefe. Nach und nach kristallisiert sich bei Rene ein Trauma aus der Vergangenheit heraus, das sich in der Moorgegend noch weiter verstärkt …

|“Das Großvater-Parodoxon“| (Wilko Müller jr.): Da die Handlungen eines Zeitreisenden katastrophale Folgen haben könnten, ist der Bau von Zeitmaschinen verboten. Nicht zum ersten Mal hört Student Kevin in einer Vorlesung die Theorie vom Großvater-Paradoxon. Im Gegensatz zu seinem Dozenten glaubt Kevin allerdings, dass man das Paradoxon umgehen könnte. Nicht nur das: Er hat sich in den Kopf gesetzt, seinen Großvater per Zeitreise ausfindig zu machen …

|“Das Jesus-Attentat“| (Achim Stößer): Ben erhält überraschend Besuch von seinem alten Highschool-Freund Tony. Tony hat ein verrücktes Vorhaben: Er will in die Zeit zurückreisen, um die Ermordung Jesu Christi zu verhindern. Ben wird gezwungen, ihn zu begleiten. Die Folgen dieser Reise sind ganz anders als erwartet …

|“Erbsünden“| (Silke Rosenbüchler): Eine Selbsthilfegruppe von Jugendlichen bespricht ihre elterlichen Probleme, die sie mittels versteckter Kamera aufzeichnen und untereinander präsentieren. Studentin Marian erklärt ihnen die Verhaltensmuster ihrer Eltern. Zum Agressionsabbau dient die Stimulationskammer, in der sich die Teenager im Scheinkampf gegen ihre Eltern wehren können. Aufgrund einiger unglücklicher Vorfälle sind diese Kammern jedoch inzwischen offiziell verboten, sodass die Gruppe heimlich eine Testkammer nutzt …

|“Eva“| (Alexander Amberg): Ein Journalist kämpft mit seiner Alkoholsucht, mit beruflichen Problemen, mit kriminellen Verfolgern und mit dem Verlust seiner verstorbenen Frau. Doch auch wenn Eva tot ist, heißt das nicht, dass er sie nicht mehr sieht …

|“Die Stadt der Träume“| (Christel Scheja): Der kleine Tom ist ein Junge aus ärmsten Verhältnissen, der sich seinen Hungerlohn in den Kohlegruben verdient. In seinen Träumen flüchtet er sich in die märchenhafte Stadt Er’Ylin, von der ihm früher seine Großmutter erzählt hat. Dort sollen alle Menschen glücklich sein und in Wohlstand leben. Aber existiert die Stadt wirklich nur in seinem Traum …?

|“Eros hinter dem Vorhang“| (Natalia Andreeva): Emilia und German sind ein ungleiches Geschwisterpaar. Emilias Vater kommt kurz vor ihrer Geburt durch einen Unfall ums Leben, und kaum ist das Mädchen auf der Welt, verstirbt auch ihre Mutter. Emilia wächst bei ihrem deutlich älteren Bruder auf. Schon in jungen Jahren wird Emilia von Männern umschwärmt und der Eros bestimmt ihr Leben – was ihrem Bruder ganz und gar nicht gefällt …

|“Um Kopf und Kragen“| (Charlotte Engmann): Der Student Martin hat widerwillig einen Kater in Pflege genommen. Am Morgen überrascht ihn das Tier mit einem toten Papagei, den es gerissen hat. Kurz darauf findet Martin auch die Überreste von einem Fisch und Chinchillas, alles Haustiere aus der Nachbarschaft. Als der Kater auch noch ein Chaos in der Bibliothek anrichtet, ahnt Martin, dass er es mit keinem gewöhnlichen Tier zu tun hat …

|“Audio!“| (Volker Groß): Filmore Mayers arbeitete an einer Biographie über den genialen Arthur William Blown, den Meister des Obskuren. Obwohl seit einer Ewigkeit niemand Blown mehr zu Gesicht bekommen hat, ist Filmore überzeugt davon, dass der geheimnisvolle Mann noch lebt. Um seine Biographie zu vervollständigen, besucht er Blown in seinem verfallenen Haus und macht eine folgenschwere Entdeckung …

|“Der Tausendäugige“| (Frank W. Haubold): Ein Erkundungstrupp untersucht einen Raumsektor, der vor mehr als 200 Standardjahren gesperrt wurde. Offizielle Begründungen wurden nicht bekannt. Während Kommandant Nik Thornton die Expedition bedenkenlos einleitet, ahnt die Pilotin Liza Santini, dass ihnen ein Unheil droht. Je weiter die Gruppe in die verlassene Stadt vordringt, desto stärker werden Lizas Befürchtungen …

|“Das Fest der Einzelteile“| (Stefan Pfister): Die Transplantationsmedizin hat ihre Grenzen mittlerweile ausgeweitet. Nicht nur Organe, auch Körperteile werden verpflanzt. Die staatliche Kommission für Sterilität und Hygiene untersucht jedoch einige mysteriöse Vorfälle, bei denen die behandelten Patientin sich die Körperteile selbst entreißen und teils schwer verletzt überleben, teils dabei sterben. Ein rotes Auge erteilt angeblich die Befehle, gegen die die Betroffenen sich nicht wehren können …

|“Ein kurzer Zwischenbericht der Evolution“| (Wolfgang G. Fienhold): Das Neandertalervolk der Nandis sieht sich vom Stamm der Cro bedroht, die andere Denkweisen vertreten. Bei einer launigen Tavernensitzung diskutiert man mögliche Lösungsansätze …

|“Der Spielmann“| (Sabine Mehlhaff): Eine Rattenplage liegt über der Stadt und kein Mittel scheint zu helfen. Bis eines Tages ein Fremder mit einer Flöte vortritt und verspricht, innerhalb einer Nacht die Ratten zu verjagen. Als Lohn fordert er, dass er ein paar Kinder mit sich nehmen darf, um sie das Spielmannshandwerk zu lehren. Der Meister der Stadt willigt ein und tatsächlich ist die Stadt am nächsten Tag von der Plage befreit. Doch der Preis dafür ist hoch …

|“Verbrechen aus Leidenschaft“| (Malte S. Sembten): Ein Liebespaar plant in einer Vollmondnacht einen kaltblütigen Mord an jemandem, der zwischen ihnen steht – doch der Schein trügt …

|“Sternzerstörer“| (Niklas Peinecke): Irgendwann in einer hochmodernen Zukunft: Sinan erhält den Auftrag, eine spezielle Waffe zu besorgen. Gemeinsam mit zwei Kollegen lässt er sich auf ein gefährliches Unternehmen ein, um an die gewünschte Anti-Helikopter-Waffe zu kommen. Seine Auftraggeberin Nika hat damit einen besonderen Plan …

Die Jubiläumsausgabe 200 des Magazins |Fantasia| vereint 25 Geschichten aus dem Bereich der Phantastik, wobei die Untergebiete Horror, Fantasy und Science-Fiction quantitativ etwa zu gleichen Teilen bedacht werden. Diese bunte Mischung verspricht Abwechslung und hält mit Sicherheit für jeden Phantastik-Leser einen Favoriten parat.

Die Auftaktgeschichte „Die Rückkehr“ besinnt sich auf traditionelle Horrorelemente. Ein einsamer Turm am Meer, ein düsterer Wald, eine dunkle Vergangenheit und ein mysteriöser Fremder lassen ein typisch unheimliches Setting entstehen, das nicht nur den Protagonisten, sondern auch den Leser in einen geheimnisvollen Bann zieht. Die dichte, beklemmende Atmosphäre hält sich von Beginn bis Ende und dürfte vor allem den Freunden altmodischer Schauergeschichten im Stil von H. P. Lovecraft gefallen, auch wenn der Schluss etwas uninspiriert wirkt.

Armin Rößlers „Sturmreiter“-Geschichte spielt in einer fremden Welt mit fremden Wesen und überzeugt durch flüssigen Stil, eine spannende Handlung und einen leicht nachdenklich stimmenden Schluss. Auf wenigen Seiten gelingt es dem Autor, seinen Charakteren Lebendigkeit einzuhauchen und den Leser in ihr Schicksal einzufangen. Dabei ist lediglich schade, dass die fremdartigen Gestalten der Sagyen und Toncerleys zu blass bleiben und man gezwungen ist, sich eine sehr eigene Vorstellung von den Wesen zu erschaffen. Ein paar weitere kleine Hinweise über ihr Aussehen hätten dem Text gut getan, der nichtsdestotrotz zu den besten der Sammlung gehört.

Heidrun Jänchen bietet mit ihrer kleinen aber feinen Geschichte ein weiteres Highlight der Anthologie. „Eine Viertelstunde Sonne“ ist ein poetisches Kleinod, das auf nicht einmal sechs Seiten eine melancholisch-phantasievolle Atmosphäre verbreitet, die den Leser auf Anhieb berührt. In ruhigen Worten offenbart sich hier das Leben einer einsamen Frau, die Trost und Hoffnung in einer Engelsgestalt findet, die sie mit jeder Begegnung mehr in den Bann zieht. Einzig der vorhersehbare Verlauf der Geschichte trübt das Gesamtbild ein wenig – dennoch bleibt eine schöne Erzählung, die auch nach dem Lesen noch lange im Gedächtnis verweilt.

„Die Chronistin von Chateauroux“ braucht eine kleine Anlaufzeit, ehe man sich als Leser eingewöhnt und einen Überblick über die Ausgangslage gewonnen hat. Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist man jedoch gefesselt und verfolgt gespannt, wie sich die Ereignisse zuspitzen und die unheilvolle Stimmung auf den Höhepunkt zustrebt. Die Geschichte erhält gegen Ende einen leichten Horroreinschlag, der für eine intensive Nachwirkung sorgt. Insgesamt ist Anke Laufer hiermit eine bedrückende und überzeugende Erzählung über eine deprimierende Zukunft gelungen.

Melancholisch-nachdenklich ist auch der Tenor der Geschichte von Dimitrij Makarow und Erik Simon, die uns in die Zeit der Kindheit zurückversetzt. Erinnerungen werden wach an Sommertage, wie sie der Protagonist erlebt; stille Ferientage, die Freude im Urlaub, die Eltern auf der Arbeit, die Straßen leer und der Kopf voller seltsamer Gedanken. Es ist eine unspektakuläre, aber nachhaltige Begegnung, die der Junge mit dem „Wolkentreiber“ macht. Die Geschichte überzeugt durch die Atmosphäre, die sie transportiert, auch wenn die Handlung auf ein Minimum beschränkt ist.

Christian Schmitz entführt den Leser mit seiner Mediensatire „Jackson-Gate“ in eine ferne oder vielleicht doch nicht allzu ferne Zukunft, die ein unterhaltsames Lesevergnügen bietet. Allein die Namen der Kanzlerkandidaten, Oleg Müntefering und Monika Strauß-Berlusconi, laden zum Schmunzeln ein und es gelingt recht gut, sich mit dem Protagonisten und seinen Sorgen bezüglich des neuen Jobs zu identifizieren. Überraschende Wendungen garantieren, dass keine Langeweile aufkommt, und eine nette Pointe rundet den positiven Gesamteindruck ab. Negativ zu vermerken ist nur, dass der Protagonist sehr häufig mit sich selber spricht, was eine sehr unelegante Art ist, den Leser über seine Gedanken zu informieren.

Die Titelgeschichte von Hartmut Kasper reiht sich in die melancholisch orientierten Werke der Anthologie ein. Richtiger Horror will nicht aufkommen, dafür aber eine bizarre Atmosphäre mit kafkaesken Anleihen, die an einen fiebrigen Traum erinnern und für subtilen Grusel stehen.

Die Geschichte „Der Schattenprinz“ der leider bereits verstorbenen Autorin Jasmin Carow fällt in eine ähnliche Sparte wie Heidrun Jänchens „Eine Viertelstunde Sonne“. Der Text ist kurz gehalten und wird mit poetischen Worten erzählt. Der sanfte, schöne Stil entschädigt für die etwas dünn geratene Handlung, die man noch intensiver hätte gestalten können. Was bleibt, ist eine Erzählung mit wehmütiger Atmosphäre, die man gerne gelesen hat. Sehr schön ist das sehr persönlich gehaltene Nachwort, das sich ausführlich der Autorin widmet.

„In der Dunkelheit Edens“ schildert die Beziehung zwischen dem Engel Samiel und Adams erster Frau Lilith sowie seinen dämonischen Fall. Ohne religiöse und mythologische Vorkenntnisse sorgt die Geschichte vermutlich vor allem für Verwirrung. Mit der entsprechenden Kenntnis liest sie sich unterhaltsam, vor allem durch die recht menschliche Darstellung der Engel und ihrem Verhalten untereinander. Die uralte Thematik ist allerdings eher für Liebhaber von Engels- und Mythengeschichten geeignet und lässt für Nichteingeweihte ein gewisses Flair vermissen.

„An der Großen Marina“ gehört zu den actionlastigen Geschichten des Bandes. Nur wenige Atempausen gönnt Matthias Falke seinen Lesern und ebenso seinen Charakteren in einer expressionistisch-kafkaesk anmutenden Erzählung, die etwas mehr Geradlinigkeit verdient hätte.

Viel Licht und viel Schatten bietet die aus Briefen bestehende Geschichte „Mein lieber Rene“ von Stephan Peters. Der Beginn ist verheißungsvoll, die Charaktere der beiden Hauptfiguren erscheinen lebendig durch ihre eigenen Schreibstile. Ein junges Paar, das eine räumliche Trennung durchmacht und sich schon sehr aufs Wiedersehen freut, scheint der positive Ausgangspunkt zu sein – doch nach und nach zeigt sich, dass der idyllische Schein bloß ein Trugbild ist. Bis dahin überzeugt die Geschichte, aber leider nimmt die Handlung einen sehr vorhersehbaren Lauf, der sich früh abzeichnet. Zu allem Überfluss wird der Leser gegen Ende beständig durch einen detaillierten Monolog Viktorias informiert, der leider komplett konstruiert wirkt und glaubwürdiges Verhalten vermissen lässt.

Auch wer nicht zu den regelmäßigen Science-Fiction-Lesern gehört, dürfte dem Großvater-Paradoxon, mit dem sich Wilko Müllers gleichnamige Geschichte befasst, bereits begegnet sein. Weitere Vorkenntnisse sind nicht notwendig, um der Handlung zu folgen; auf Fachchinesisch wird angenehmerweise verzichtet und der Plot verläuft in einem kompakten Rahmen. Der Schluss bringt zwar keine große Überraschung mit sich, aber solide Unterhaltung ist garantiert.

Die zweite Zeitreisegeschichte in diesem Band bietet ein weiteres Highlight. Sehr vergnüglich und kurzweilig wird mit einem eigentlich altbekannten Thema umgegangen. Hin und wieder übertreibt es der Autor Achim Stößer mit den humorvollen Einlagen, sodass die Geschichte einen satirischen Unterton erhält, etwa wenn der Protagonist in jeder noch so prekären Lage einen flotten Spruch auf den Lippen hat. Dennoch überzeugt die Story im Ganzen und bietet dem Leser gute Unterhaltung, auch für Nicht-Kenner der Science-Fiction. Etwas unglücklich ist die direkte Anordnung von zwei Zeitreisegeschichten hintereinander.

„Erbsünden“ von Silke Rosenbüchler entwirft eine technisch ausgefeilte, aber emotional kalte Zukunftswelt. Nach verwirrendem Einstieg braucht es knapp zwei Seiten, bis der Leser sich über die Situation im Klaren ist. Inhaltlich wie stilistisch wird solide Unterhaltung geboten, die leider nicht wie erwartet mit einer überraschenden Pointe endet, sodass ein Rest Unzufriedenheit zurückbleibt.

In „Eva“ präsentiert Alexander Amberg das Bild eines zerrütteten Protagonisten, ein Journalist mit Konflikten in allen Lebensbereichen, der sich schon bald von gefährlichen Kriminellen verfolgt sieht. Für die Kürze des Textes ist die Handlung recht überladen und raubt dem Leser die Konzentration auf einen Schwerpunkt. Durch das rasante Tempo, das die Geschichte anschlägt, lässt sich die Story rasch lesen; unterm Strich hätte sie jedoch etwas mehr Stringenz und Klarheit vertragen können.

„Die Stadt der Träume“ entführt in das Reich der Fantasy. Die Geschichte besticht durch eine originelle Idee, die auf ein ungewisses Ende hinsteuert und den Leser dadurch bis zum Schluss fesselt. Anklänge an „Die unendliche Geschichte“ werden wach, wenn sich zwei Welten miteinander vermischen und ein kleiner Junge dabei eine große Rolle spielt. Während die Handlung überzeugt, sind vor allem die Stellen, die in der Stadt Er’Ylin spielen, übertrieben schwülstig geschrieben, sodass der Stil einer Eingewöhnung bedarf.

Der „Eros hinter dem Vorhang“ von Natalia Andreeva ist eine anspruchsvolle Geschichte über das außergewöhnliche und letztlich auch fatale Verhältnis einer Bruder-Schwester-Beziehung. Nach einer kurzen Orientierungsphase werden die grundverschiedenen Charaktere der beiden Geschwister vor den Augen des Lesers lebendig und man nimmt Anteil an der Gedankenwelt der Ich-Erzählerin und ihrem von Hassliebe geprägten Leben. Freunde von wortgewaltigen und poetischen Texten kommen dabei auf ihre Kosten, während der Rest sich von der Komplexität von Inhalt und Stil überladen fühlen könnte.

In Charlottes Engmanns Geschichte geht es im wahrsten Sinn „Um Kopf und Kragen“, denn was als skurrile Handlung beginnt, nimmt bald böse Formen an. Die Story besticht durch eine gelungene Mischung aus Humor und fieser Pointe, lässt sich leicht herunterlesen und setzt den vielen melancholisch gehaltenen Geschichten mal eine andere Grundstimmung entgegen.

Horrorfreunde werden in „Audio!“ gut unterhalten. Die unheilvolle Stimmung begleitet den Leser bis zum konsequenten Ende hin. Die Geschichte ist eine Mischung aus bewährten Gruselelementen und Wissenschaftshorror, dabei solide und flüssig geschrieben.

Mit „Der Tausendäugige“ von Herausgeber Frank W. Haubold, dem amerikanischen SF-Autor A. E. van Vogt gewidmet, hält eine Hard-Science-Fiction-Geschichte Einzug, die für unerfahrene Leser des Genres sicher keine leichte Kost ist. Dennoch lohnt es, sich auf den komplexen Text einzulassen, der von Beginn an ein unterschwellig bedrohliches Flair aufbaut, das sich für Charaktere ebenso wie für den Leser im weiteren Verlauf intensiviert. Kleine persönliche Spitzen zwischen Liza und Nik sorgen für subtile Auflockerungen, die die Erzählung davor bewahren, aufgrund der vielen wissenschaftlichen Details zu trocken zu geraten.

„Das Fest der Einzelteile“ von Stefan E. Pfister zeigt erneut eine hochtechnologisierte Zukunft, die von grausigen Hintergründen überschattet wird. Die morbiden Schilderungen geben der Geschichte ihren grotesken Charakter, der einerseits blutige Details enthält und andererseits satirisch überhöht ist. Der makabere Unterton versteht zu unterhalten, die Pointe allerdings hinterlässt einen eher blassen Eindruck.

Der „Kurze(r) Zwischenbericht zur Evolution“ von Wolfgang G. Fienhold entpuppt sich als prägnante und sehr humorvolle Geschichte über das Leben der Neandertaler, der man die routinierte Erfahrung ihres vielveröffentlichten Autors anmerkt. Die kurze Erzählung, die sich nicht zu ernst nimmt, ist mit viel Wortwitz gespickt, wenn auch die modern-satirischen Anklänge teilweise übertrieben werden und manche Zote zu bemüht wirkt. Eine nette Pointe rundet das kleine Werk ab, das den Leser auf amüsante Weise gut unterhält.

Malte S. Sempten liefert mit seiner zweiseitigen Vignette die kürzeste Geschichte des Bandes und zugleich eines seiner Frühwerke ab. Der Text wird flott erzählt, ist aber ganz auf die Pointe ausgerichtet, die zwar nicht schlecht ist, aber keinen bleibenden Eindruck hinterlässt. Aufgrund der Kürze erwartet der Leser allerdings wohl auch kaum ein nachhaltiges Machwerk, sodass man von einem kurzen, wenn auch nicht weiter beeindruckenden Zeitvertreib sprechen kann.

Sabine Mehlhaffs „Spielmann“ ist eine flüssig erzählte und atmosphärisch dichte Variante der bekannten Rattenfänger-Sage. Auch wenn der Grundplot altbekannt ist, liest sich die Erzählung unterhaltsam und bleibt bis zum Schluss spannend, da die Autorin es versteht, die berühmte Geschichte mit eigenen Elementen zu füllen.

Niklas Peineckes „Sternenzerstörer“ bildet den düsteren Abschluss der Anthologie und steht somit sinnbildlich für die beklemmende Stimmung, die den Großteil der Erzählungen ausmacht. Auch wenn die Charaktere etwas an Intensität vermissen lassen, besitzt der Inhalt viel Potenzial, um den Leser zu beschäftigen und nachdenklich werden zu lassen.

_Unterm Strich_ bietet die Anthologie ein enorm breites Spektrum der Phantastik, die wie alle Geschichtensammlungen Höhen und Tiefen bereithält, insgesamt aber für alle Freunde der phantastischen Literatur zu empfehlen ist. Die Mischung setzt sich aus jungen Talenten und erfahrenen Autoren zusammen, die verschiedene Thematiken und Stile aufbieten können. Eine wirklich schlechte Geschichte ist nicht vertreten, dafür aber einige Höhepunkte, die sich durch originelle Umsetzungen, ansprechenden Stil und intensive Atmosphäre auszeichnen. Von Humor bis zur Melancholie und purem Horror sind alle Stimmungen vertreten, sodass Abwechslung garantiert wird. Zwar sind in fast jeder Geschichte ein paar Tippfehler vorhanden, die sich aber lediglich auf Satzzeichen beziehen und daher beim Lesen so gut wie gar nicht auffallen. Erfreulicherweise setzen die Science-Fiction-lastigen Geschichten überwiegend keine große Sachkenntnis auf diesem Gebiet voraus, auch Einsteiger werden also ihre Freude daran haben. Die Schwarzweiß-Illustrationen von Gabriele Behrend erinnern durch ihren expressionistisch-surrealistisch anmutenden Stil meist an Traumsequenzen und unterstreichen den phantastischen Gehalt der Geschichten.

_Der Herausgeber_ Frank W. Haubold, Jahrgang 1955, studierte Informatik und Biophysik. Seit 1989 veröffentlicht er in unterschiedlichen Genres. 1997 erschien sein Episodenroman „Am Ufer der Nacht“. Weitere Werke sind u. a. die Geschichtensammlungen „Der Tag des silbernen Tieres“ (mit Eddie M. Angerhuber), „Das Tor der Träume“ und „Das Geschenk der Nacht“. Parallel dazu gab er mehrere Anthologien heraus.

Darbro, Jon / Dawson, Alain H. – Chez Geek 1 – Die Freak-WG

_Freitag Nacht in der WG_

Fernsehen, Bier, Schäferstündchen. In der WG von „Chez Geek“ werden die verpöntesten Tabus zum Leben erweckt und auch noch belohnt. Je fauler und lässiger die Grundeinstellung, umso besser, denn schließlich will man ja selber unter seinen Wohnungsgenossen den Titel des Slackerkönigs einheimsen. Slacker? Nun, hier geht es um den typischen, faul abhängenden Klischeestudenten, der sich hier möglicherweise sogar selber spielt. Und damit man in der WG auch zum besten Slacker wird, muss man erst einmal ein individuelles Slackziel haben. Wie viel Slack braucht man, um sein Leben genüsslich bestreiten zu können – und bei „Chez Geek“ als Gewinner hervorzugehen? Diese Frage wird in diesem erfolgreichen Kartenspiel, welches mittlerweile sogar schon ein zweites Mal aufgelegt wurde, geklärt. Und gelacht werden darf natürlich auch …

_Spielmaterial_

• 112 Spielkarten
• 1 sechsseitiger Würfel
• 1 Spielanleitung

Das Spielmaterial von „Chez Geek“ fällt sofort wegen seiner witzigen Aufmachung auf. Die Spielkarten warten nicht nur mit lustigen Illustrationen, sondern auch mit herrlich abgedrehten Kartentexten und seltsamen Dialogen auf. Im Prinzip eigentlich genau das, was man von |Pegasus| gewöhnt ist. Nur noch einmal eine Spur freakiger …

_Die Karten_

In „Chez Geek“ unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Kartenarten, nämlich Job- und Lebenskarten. Elementar ist hierbei die erste Kategorie, da sie quasi das Charakterprofil eines Spielers dokumentiert. Die Jobkarte gibt an, wie viel Einkommen man hat, welches man beim Shopping verprassen oder für Aktivitäten ausgeben kann. Außerdem ist dort ein Freizeitwert abgebildet, der angibt, wie viele Freizeitaktivitäten man während eines Spielzugs durchführen kann. Beide Werte können zweigeteilt sein, so dass man erst auswürfeln muss, welchen Wert man für die jeweilige Spielrunde verwenden muss. Der letzte Zahlenwert ist das Slackziel, das Informationen darüber gibt, welche Slackpunktzahl man erreichen muss, um das Spiel zu gewinnen. Die letzte Eigenschaft der Jobkarte ist entweder ein Vor- oder ein Nachteil und beschreibt spezielle Eigenheiten, die der Job mit sich bringt.

Die Lebenskarten sind die eigentlichen aktiven Spielkarten. Man unterscheidet zwischen Personen, Dingen, Aktivitäten und Jederzeit-Karten, deren Wert und Handlungsmöglichkeiten individuell aufgeführt sind. Wie man diese Karten ausspielt, ergibt sich im Laufe des Spiels wie von selbst.

_Spielvorbereitung_

„Chez Geek“ ist in der Grundausstattung für bis zu fünf Spieler konzipiert, wobei das Spiel erst richtig interessant wird, wenn mindestens drei Leute beteiligt sind. Für das Spiel zu zweit empfiehlt die Spielanleitung dabei eine spezielle Anordnung der Jobkarten. In der sonstigen Variante werden zu Beginn einer Partie die Jobkarten und die Lebenskarten separat gemischt und bilden jeweils einen verdeckten Stapel. Ein vorher bestimmter Geber verteilt an jeden Spieler eine Jobkarte und sechs Lebenskarten. Während Letztere auf der Hand gehalten und als aktives Spielmaterial genutzt werden, wird die Jobkarte offen vor einem abgelegt und offenbart nun für jeden ersichtlich die Voraussetzungen für einen jeden Spielzug.

_Eine Spielrunde_

Ein Spielzug besteht aus insgesamt fünf Spielphasen, die in einer bestimmten Reihenfolge durchgeführt werden. Konkret sieht dies wie folgt aus:

|1.) Ziehen|

Zu Beginn seines Zuges stehen dem Spieler sechs Handkarten zu. Dies ist auch gleichzeitig die Begrenzung des Handkontingents; mehr Karten sind nicht erlaubt. In diesem ersten Zug füllt man nun seine Kartenhand so weit auf, bis dieses Limit erreicht ist. In der ersten Runde entfällt dieser Zug natürlich.

|2.) Würfeln|

Manche Jobkarten verzeichnen variable Werte für Einkommen und Freizeit, die in dieser Phase dann ausgewürfelt werden. Bei einer Würfelsumme von 1-3 wählt man den niedrigeren Wert, für ein Resultat zwischen 4-6 Augen darf man mit der höheren Zahl spielen.

|3.) Personen anrufen|

Alleine in der WG ist es oft langweilig. Also bietet sich in dieser Phase die Möglichkeit, verschiedene kuriose Gestalten anzurufen, die einem das Leben in der Wohngemeinschaft versüßen – oder aber zur Hölle machen. In dieser Aktionsphase darf man ausschließlich Personenkarten ausspielen, davon aber so viele, wie man möchte. Unterschieden wird indes zwischen eingeladenen und unerwünschten Personen, deren Slackwert dementsprechend positiv oder negativ ist. Allerdings ist es nicht verpflichtend, Leute in die WG zu bitten; schließlich will man sich ja nicht mit Taugenichtsen und Kleingaunern umgeben.

Sollte man sich jedoch dafür entscheiden, eine Person einzuladen (dies geschieht natürlich auch nur, wenn man einen Nutzen davon hat), kündigt man den Besuch dieser Figur an und bestimmt dabei auch sofort, ob sie in das eigene Zimmer oder in das eines Mitbewohners kommt. Nun wird aber noch entschieden, ob der Person überhaupt Zutritt gewährt wird. Hierzu werden erneut die Würfel verwendet. Die Regeln sind jedoch etwas gemäßigter als beim Auswürfeln variabler Freizeit- und Einkommenswerte. Alle Würfelergebnisse im Wert von 3-6 ermöglichen einer Person, die WG zu betreten. In diesem Fall werden die Spezialfähigkeiten dieser Person ausgespielt und die daraus resultierenden Auswirkungen treten umgehend ein. Bekommt eine Person keine Einwanderungsgenehmigung in die WG, wird sie auf dem Ablagestapel abgelegt.

Unerwünschte Personen kann man später im Spiel auch wieder loswerden und ggf. einem anderen Mitspieler unterjubeln. Eine Sonderregelung besteht bei den Katzenkarten, die ebenfalls zur Kategorie Personen zählen. Diese müssen nicht extra angekündigt werden, sondern dürfen sofort offen ausgelegt werden.

|4.) Freizeit|

In der Phase Freizeit darf man nun verschiedene Aktivitäten durchführen bzw. sein Einkommen gegen Dinge oder als Bezahlung für besondere Aktivitäten eintauschen. Man darf allerdings nur so viele Freizeitaktivitäten durchführen, wie es die Jobkarte vorgibt. Für das Shopping gilt hierbei, dass auch die Anschaffung mehrerer Dinge zu einem einzigen Einkaufsbummel zählt und daher auch nur einmal abgerechnet wird. Natürlich darf man dabei aber nicht das Einkommenslimit überschreiten. Unter solche Dinge fallen vor allem typische Laster wie Zigaretten, Alkohol oder weitere Rauchwaren.

Aktivitäten müssen indes ähnlich wie Personen angekündigt werden. Gegebenenfalls muss man hierfür auch zahlen oder sogar einen variablen Slackwert auswürfeln. Egal welches Ergebnis dabei herumkommt (möglich sind auch Werte von null und tiefer), es wird auf jeden Fall eine der zur Verfügung stehenden Freizeiten verbraucht. Zu Aktivitäten gehören unter anderem Beschäftigungen wie Schäferstündchen, Schlafen oder im Netz surfen.

|5.) Ablegen und Sonstiges|

Wenn man am Ende eines Zuges immer noch mehr als fünf Handkarten hat, muss man Karten ablegen, bis man nur noch fünf Karten besitzt. Es ist dabei erlaubt, bis auf eine Handkarte alle abzulegen und sie im nächsten Spielzug in der ersten Aktionsphase wieder bis auf sechs Karten aufzufüllen.

Außerhalb dieses vorgegebenen Schemas stehen einem auch noch weitere Aktionen zur Verfügung. So kann man zum Beispiel zu jeder Spielphase, also jederzeit, die gleichnamigen Jederzeit-Karten ausspielen, um zum Beispiel einen Spielzug eines Gegners zu kontern oder aber einen eigenen Vorteil zu erlangen.

_Zusatzregeln_

Abseits vom Basisregelwerk gibt es noch eine ganze Reihe an zusätzlichen Regeln und Definitionen, die sich auf individuelle Spielsituationen bzw. auf die Verwendung spezieller Karten beziehen. So gibt es beispielsweise Karten, die eine gerade gespielte Aktion ungültig machen, Karten, die gleich zwei Kategorien abdecken, Karten, die den Slack eines Jobs erhöhen, und Karten, die einem dabei behilflich sind, unerwünschte Personen aus seinem Zimmer zu entfernen. Außerdem gibt es spezielle Regeln für die Personengruppen ‚Fressack‘, ‚Besoffener Tölpel‘ und ‚Superzecke‘, deren Effekt sich in jeder Runde niederschlägt und erst beendet ist, wenn eine bestimmte Kartenkategorie aus der Wohnung entfernt wurde – es sei denn, es gelingt dem Spieler, den ungebetenen Gast früher aus dem Zimmer zu verbannen.

Eine ganz witzige Regel gibt es noch für besonders erfolgreiche Schäferstündchen. Sollte man bei einer Liebelei tatsächlich einen Wert von mehr als fünf Slack erzielen, verlieren die rechten und linken Zimmernachbarn sofort eine Schlafen-Karte.

_Ende des Spiels_

Sobald ein Spieler sein Slackziel erreicht oder überschritten hat, endet das Spiel sofort. Der erfolgreichste Slacker hat das Spiel gewonnen. Für das nächste Spiel gilt nun die Regel, dass der Sieger sich seine Jobkarte aussuchen darf, bevor die Mitspieler eine solche ziehen.

_Meine Meinung_

In den Staaten ist „Chez Geek“ bereits seit 1999 absoluter Kult, weshalb es eigentlich kaum verwunderlich ist, dass ausgerechnet der |Pegasus|-Verlag die deutschsprachige Version herausgebracht und die WG-Freakshow hierzulande bekannt gemacht hat. Das Spiel passt wunderbar ins eigene Verlagsprogramm und zehrt natürlich in erster Linie von den witzigen Darstellungen und den noch witzigeren Spielmöglichkeiten. Punkte fürs Herumgammeln zu sammeln, ist an sich ja schon kultig, doch beim Herumgammeln noch derart erfinderisch zu sein, sich mit den anrüchigsten Waren zu versorgen und das Aktivitätenprogramm mit solch sinnfreien Beschäftigungen wie Schlafen oder Gartenarbeiten nach Mitternacht zu füllen, ist mal wieder die Spitze des Eisbergs und sorgt Runde für Runde für zahlreiche Lacher.

Andererseits lebt „Chez Geek“ aber sicherlich nicht bloß von der effektreichen Aufarbeitung des Spielmaterials. Sicher, der Spielspaß wäre definitiv ein anderer, wenn die ausgeflippten Illustrationen einem nicht sofort ins Auge springen würden, doch was grundlegend zählt, ist die Dynamik, die sich aus den einzelnen Zugmöglichkeiten ergibt und das Spiel zu einem recht vielseitigen und zu einem unerwartet hohen Anteil auch taktischen Vergnügen macht. Dabei kann es manchmal zu einer echten Tüftelei werden, sich für eine Aktivität zu entscheiden bzw. beim Shoppen die richtigen Utensilien anzuschaffen, denn man muss stets damit rechnen, dass die Mitbewohner bereits die passenden Karten auf der Hand haben, um Dinge zu entziehen oder das Freizeitleben zu beeinträchtigen. Die Vielzahl an Varianten und Kombinationen, die sich hieraus ergibt, garantiert letztendlich auch einen langfristigen, immer wieder begeisternden Spielspaß, der sich mittlerweile sogar mit einer Fortsetzung sowie dem von der Grundidee an dieses Original angelehnte „Chez Goth“ erweitern lässt. Für meinen Geschmack ist „Chez Geek“ eines der heitersten, witzigsten und schlussendlich auch besten Kartenspiele, die derzeit auf dem deutschen Markt erhältlich sind.

http://www.pegasus.de

Harrison, Kim – Blutspur

In den USA ist Kim Harrison mit ihrer Protagonistin Rachel Morgan längst Kult, in Deutschland ist man erst jetzt, knapp drei Jahre später, auf den Geschmack gekommen – auf den Geschmack von mysteriösen Kräutern und Blut!

Denn Rachel Morgan ist eine Hexe. Sie lebt in Cincinnati, das jedoch mit dem „realen“ Cincinnati nicht wirklich vergleichbar ist. Es gibt dort nämlich nicht nur Menschen, sondern auch so genannte Inderländer, Wesen wie Rachel, also Hexen, Vampire, Tiermenschen, Pixies, Faeries und Dämonen. Diese Wesen haben schon immer auf der Welt gelebt, aber erst eine weltumspannende Seuche, übertragen von genmanipulierten Tomaten, führte dazu, dass die Inderländer sich ins öffentliche Leben trauten, nachdem die Bevölkerung dezimiert wurde. Nun lebt man in mehr oder weniger friedlicher Eintracht, auch wenn sich natürlich Viertel wie die Hollows gebildet haben, wo nur Inderländer leben und sich die Menschen nicht hintrauen.

Rachel arbeitet als Runner für die I. S., die Inland Security, doch sie hat die Schnauze voll von ihrem mickrigen Job und der Art ihres blasierten Chefs Denon. Also kündigt sie ihren lebenslangen Vertrag, denn sie weiß, dass Denon sie gerne los wäre. Dass sie seine beste Runnerin, den lebenden Vampir Yvy (lebend bedeutet, dass sie zwar ein Vampir ist, aber noch kein richtiger. Das geschieht erst, wenn sie stirbt und eine Untote wird), mitnimmt und diese schließlich Agenturpartner werden, war nicht vorgesehen. Deshalb hat Rachel plötzlich ein Problem, denn Denon hat alles darangesetzt, um sie umzubringen. Sie sieht nur eine Möglichkeit, um ihr Leben zu retten: Sie muss Trent Kalamack, ein hohes Tier in der Politik, des Schmuggels mit der Droge Brimstone überführen. Er ist der I. S. schon lange ein Dorn im Auge, doch bis jetzt konnte man ihm nie etwas anhängen …

Liest man ein paar Seiten von „Blutspur“, steigen unweigerlich ein paar Assoziationen auf. Die Art der Protagonistin Rachel Morgan und der Schreibstil sowie das ganze Ambiente erinnern stark an die Sorte amerikanischer Romane, in deren Mittelpunkt eine junge, toughe, gut aussehende Frau in einem Männerberuf steht, die sich als Ermittlerin oder Ähnliches gegen die Schmähungen der Kollegen, ihre Vergangenheit, ihre Gefühle und fiese Verbrecher durchsetzen muss.

Ein solcher erster Eindruck ist natürlich nicht unbedingt der beste. Schließlich möchten wir keinen neunhundertsten Aufguss dieser Thriller lesen, sondern etwas Frisches. Leider hört Harrison nicht auf unsere Bitte. Auf weiten Strecken erinnert „Blutspur“ deshalb an die einschlägige Literatur und schwächelt gerade im Spannungsaufbau ein wenig. Zu vorhersehbar und zu gewöhnlich, möchte man sagen, wenn da nicht noch dieser kleine Touch Magie und Untote wäre.

Die Welt, welche die amerikanische Autorin entwirft, ist wunderbar komplex gestaltet und die mystischen Elemente von den Vampiren bis zur Hexenkunst sind gut an unsere Zeit angepasst. Magie kann man mittlerweile studieren und es gibt Leute, die sich bereitwillig von Vampiren aussaugen lassen, im Sinne von grenzwertigen Sexualpraktiken. Rachel verhext Menschen und sich selbst hauptsächlich, indem sie Amulette benutzt, und der kleine Pixie Jenks, ihr Partner mit der großen Familie, treibt entweder seine kleinen Späßchen mit ihr, wenn er nicht gerade in eine Clanfehde mit anderen Pixies oder Faeries verwickelt ist.

Wie man sieht, vermischt Kim Harrison viele verschiedene Elemente der Mystery sehr geschickt und lässt all diese unterschiedlichen Wesen wie Elfen, Hexen und Vampire nebeneinander existieren, ohne dass das Buch zu überfüllt wirkt. Im Gegenteil macht diese Masse einen gewissen Reiz aus, weil man beständig von Neuem überrascht wird.

Was ebenfalls für den Roman spricht, ist die sympathische Protagonistin, die aus der Ich-Perspektive schreibt. Auch wenn ihre mutige, aber ab und an selbstmörderische, freche Art leicht nach dem Thrillerfrauenprototyp schmeckt, können ihre Bodenständigkeit und ihr Humor sie davor retten, zu banal zu wirken.

Die anderen Personen in dem Buch sind ebenfalls sehr gut ausgearbeitet, wobei der Pixie Jenks und seine große Familie immer wieder für ein Grinsen sorgen. Besonders Jenks resolute Frau, unter deren Pantoffel er steht, bereitet Freude, genau wie ein ehemaliger Kollege von Rachel, der aber stellenweise vielleicht ein wenig zu sehr dem Klischee des speichelleckenden Arschlochs entspricht.

Der Schreibstil passt wunderbar zu den übrigen Bestandteilen des Buches – nur leider klingt er wirklich sehr „amerikanisch“. Frech und frisch, mit ein wenig Humor versetzt und immer für eine intensive Beschreibung der Actionszenen gut. Harrison unterscheidet sich dabei nicht wirklich von anderen Autoren, was schade ist. Sie setzt kaum Akzente durch eigentümliche Formulierungen oder die Wiederholung bestimmter rhetorischer Mittel mit Wiedererkennungswert.

Deshalb bleibt „Blutspur“ letztlich doch nur „ein weiteres“ Buch. Auf dem Buchrücken wird der Roman als „Kult-Bestseller“ betitelt und die richtigen Zutaten für einen Mainstreamkult weist er definitiv auf. Eine sympathische Protagonistin (weiblich, jung, ständig in Schwierigkeiten), eine Handlung, die mit einem Hauch Sex und recht viel Crime angereichert ist, und ein verständlicher, frecher Schreibstil. Kim Harrisons Debüt ist nichts für den großen Literaturliebhaber, aber doch ein gutes Exemplar für einen unterhaltsamen Nachmittag auf dem Sofa.

|Paperback, 576 Seiten, 13,5 x 20,6 cm|
http://www.heyne.de

Andreas Brandhorst – Feuervögel (Kantaki: Graken-Trilogie 1)

»Feuervögel« ist der erste Roman aus der zweiten Trilogie, die Andreas Brandhorst im Kantaki-Universum ansiedelt. Nach der Trilogie um Diamant, Valdorian und die Temporalen, die in einer umfassenden Neuordnung der Realität gipfelte, setzt der vorliegende Roman in einer Zeit an, die tausende von Jahren in der Zukunft des Zeitkriegs spielt.

Die Situation in der Milchstraße

Nach der zweiten Großen Lücke (einer einhundert Jahre umfassenden Zeit, über die es keinerlei historische Daten gibt) tauchten die Graken auf, unbeschreibliche Wesen, die mit ihren anscheinend symbiotisch lebenden Hilfsvölkern in die Galaxis eindrangen und eine Welt nach der anderen eroberten. Dabei ist das Vorgehen dieser Wesen, die Gedanken der Menschen und anderen Völker in ihre Träume einzugliedern und ihnen über diesen Weg das sogenannte Amarisk, die Lebensenergie und Seele, auszusaugen. Die Graken gelten als Seelenparasiten.

Um die weitere Ausbreitung zu verhindern, bleiben den Milchstraßenvölkern nur wenige Möglichkeiten. Den technisch weit überlegenen militärischen Hilfsvölkern der Graken haben sie nichts entgegenzusetzen. Die Graken, die sich auf Planeten festsetzen, beherrschen das Umfeld durch ihren Geist und ihre Träume, so dass sich »freie« Wesen nur unter speziellem Schutz (zum Beispiel dem Gegenträumer) nähern können, ohne in den Einfluss des Graken zu geraten. Hundertprozentigen Schutz bietet nur der Verzicht auf alle Gefühle durch einen operativen Eingriff ins Gehirn. Für wen das nicht in Frage kommt, der muss sich auf biotechnische Symbionten verlassen, die für die Zeit eines Einsatzes die Gefühle unterdrücken.

Jeder Graken lässt seine Brut heranreifen, um sie auf neue Systeme und Planeten loszulassen. Diese Brut ist der einzige bisher erfolgreiche Ansatzpunkt, nicht um die Graken zu besiegen, aber um sie an der weiteren Ausbreitung zu hindern.

Tako Karides ist Kommandant eines Trupps der galaktischen Streitkräfte, der auf eine Welt (Kabäa) vorstoßen soll, um die dortige Brut zu vernichten. Mit dabei ist eine Großmeisterin der Tal Telassi. Ihr geheimes Ziel ist, dem Graken einen »fatalen Traum« zu implantieren, der sich als Geschwür über möglichst viele Graken im Umfeld ausbreiten und sie vernichten soll.

Zwar wird die Brut vernichtet, aber auch die Großmeisterin kommt zu Tode und ihr fataler Traum zeigt keine Wirkung. Dafür entdeckt Tako Karides einen Jungen, der die einzigartige Gabe besitzt, in den Grakentraum einzudringen und dort frei zu bleiben, sogar, Wesen in seiner Umgebung vor der Grakenpräsenz zu schützen. Ihn rettet Karides vor dem Eintreffen von sieben weiteren Graken von Kabäa, bevor sie einen »Schwarm« bilden können.

Die Milchstraße muss immer stärkere Rückschläge hinnehmen, die Graken breiten sich dank der plötzlichen Schwarmbildung immer schneller aus. Bleibt die Hoffnung auf den Jungen Dominic, dessen Macht von den Tal Telassi geschult wird und dessen Schicksal es ist, die Grakenbedrohung zu bekämpfen.

Kritik

Es gibt wenig zu kritisieren, scheint mir. Die psychosoziale Seite der Protagonisten ist konsequent und nach einem erfolgversprechenden Schema erarbeitet. Tako Karides verlor Frau und Kind durch die Graken, das machte ihn zu ihrem erbittertsten Gegner und ermöglicht ihm, weitere Schicksalsschläge wie den Verlust großer Teile seines Körpers hinzunehmen und trotzdem mit unverminderter Härte gegen sich und andere an der Bekämpfung der Graken mitzuwirken. Durch seine Erfahrung und sein »Glück« – er ist regelmäßig an den Brennpunkten des Krieges – und trotz seiner wiederkehrenden sehr freien Auslegung von Befehlen erklimmt er die Rangleiter innerhalb der Streitkräfte. Vom einfachen »Keil« – einem Einsatzleiter – wird er zur »Lanze« mit hohen Befugnissen und erhält schließlich das Kommando über das letzte große Projekt, durch das die galaktischen Völker gerettet werden sollen. Unter seiner Leitung wird die zweihundertjährige Vorbereitung des galaktischen Exodus geplant und mit ihrer Umsetzung begonnen. Denn in Andromeda nebenan wurden bislang keine Graken gesichtet. Hauptziel seiner persönlichen Bemühungen ist aber Dominic, den Karides vor den Graken rettet und damit etwas vollbringt, was ihm beim eigenen Sohn nicht gelang. Er sieht in Dominic einen Sohnersatz und kämpft darum, bei ihm bleiben zu können.

Dominic ist der unwissende Schüler mit den überragenden Fähigkeiten, was ihn zu einem leicht formbaren Werkzeug der Tal Telassi macht. Aber entgegen ihrer Maxime verzichtet er nicht auf seine Gefühle und lernt im Zuge seiner Ausbildung ein Mädchen kennen, in das er sich verliebt. Das wirft die vorhersehbaren Probleme auf, bestärkt ihn aber in der Richtigkeit seiner Handlungen. Schneller, als die Lehrerinnen es erwarten und bemerken, entwickelt er seine Fähigkeiten weiter und kann dem Gefängnis der strengen Ausbildung entkommen. Im Endeffekt lastet auf ihm die gesamte Verantwortung, denn |nur er| kann – mit Hilfe der Tal Telassi und seines Freundes Tako Karides – der Gefahr der Graken Herr werden. Er muss seine Liebe in tragischer Weise aufgeben und erkennt schließlich, dass er die Wiedergeburt der mächtigsten Tal Telassi ist, die es bisher gab.

Auf Seiten der Tal Telassi gibt es die Großmeisterin Norene, die einen sehr konservativen Weg beschreitet und Dominic für diesen Zweck einspannen will. Sie übernimmt seine Ausbildung und zeigt sich als kalte, emotionslose Lehrerin, allerdings ohne die hintergründige Anteilnahme und Zuneigung des klischeehaften Lehrers. Schließlich unterliegt sie Dominics Geist, der in seiner Inkarnation und seinem Einblick in das Wesen des Seins den einzig gangbaren Weg gefunden hat – natürlich konträr zu Norenes Absichten.

So erleben wir das klassische Spiel vom Soldaten, der alles verlor und plötzlich eine neue Aufgabe erkennt, dem Jungen mit der verlorenen Liebe und der ausweglosen Zukunft und dem mächtigen Gegner in den eigenen Reihen, der wie stets von seiner Mission überzeugt ist und eigentlich nur einen anderen Weg gegen die Bedrohung beschreitet.

Trotz dieses im ersten Moment simpel und althergebracht erscheinenden Aufbaus enthält der Roman Spannung und Unterhaltung und Kreativität und Faszination von hohem Anspruch. Es ist vorhersehbar, dass am Ende ein Erfolg stehen würde. Aber die Komplexität der Geschichte und ihre Rätsel – und nicht zuletzt der atemberaubende Hintergrund – verbergen gekonnt den Weg zu diesem Erfolg und die damit verbundenen Konsequenzen. Außerdem führt doch die Mehrzahl aller Romane zu einem Erfolg.

Lange Zeit ist man enttäuscht, dass die Kantaki keine Rolle spielen, wo sie doch in der ersten Trilogie das faszinierendste Volk darstellten. Ein großes Rätsel dieses Zyklus ist das Verbleiben der »Großen K«, wie sie heute in Legenden genannt werden. Wer die Trilogie um den Zeitkrieg kennt, wird erstaunt sein, Schiffe der Kantaki im Zentrum der Grakenträume zu finden. Es bleibt noch ein Rätsel, wie sich aus den Kantakipiloten die Tal Telassi entwickelten. Auf den wichtigen Welten der Tal Telassi gibt es Mausoleen, in denen Kantakipiloten begraben liegen und ihr Andenken gewahrt wird. Auf diesem Weg stoßen wir auch auf unsere Bekannten: Diamant und Esmeralda. Was wurde aus Valdorian?

Und wem Olkin der Spieler noch ein Begriff ist: Auch er hat seinen kurzen Auftritt, auch wenn er sich mit Dominic konfrontiert sieht, der seine »Spiele« gar nicht lustig findet.

Es ist erstaunlich, dass schon der erste Roman eine Geschichte zum Ende bringt, nämlich den Krieg gegen die Graken. Doch die vielen Zusammenhänge bedürfen noch der Verknüpfung, und so bleibt die Spannung auf die beiden Folgebände auf einem hohen Niveau. Andreas Brandhorst kann erzählen!

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (2 Stimmen, Durchschnitt: 4,00 von 5)


 

Kirstein, Rosemary – Sprache der Macht, Die (Die Expedition der Steuerfrau 4)

Band 1: [„Das magische Juwel“ 2183
Band 2: [„Das Geheimnis des Saumländers“ 2200
Band 3: [„Der verschwiegene Steuermann“ 2492

|Entwicklungen und Charaktere|

Nach den Ereignissen in Alemeth ist Rowan nach Donner zurückgekehrt, jene Stadt, in der sie beinahe einmal dem Anschlag einer Drachenhorde erlegen wäre. Sie will herausfinden, was es mit den Ereignissen auf sich hatte, die eine Steuerfrau namens Latitia in ihrem Logbuch vermerkt hat, nämlich mit dem Tod von Kieran, dem Vorgänger des jetzigen Magus von Donner namens Jannik.

Obwohl es zunächst scheint, als bestünde keine allzu große Gefahr, da Jannik nicht in der Stadt weilt, ist sie extrem vorsichtig. Und schon bald stellt sich heraus, dass diese Vorsicht nicht unbegründet war. Denn zwei von drei verdächtigen Personen stellen sich als Spione heraus. Einer allerdings entpuppt sich zu Bels und Rowans Verblüffung als Willam, jener junge Bursche, den sie als Lehrling von Corvus, dem Magus von Wulfshafen, zurückgelassen hatten. Und er hat einen geradezu abenteuerlichen Plan, um herauszufinden, warum der Leitstern abgestürzt ist: Er will nach unterschlagenen Aufzeichnungen aus jener Zeit suchen – in Janniks Haus!

Willam hat sich seit seinem letzten Auftauchen ziemlich entwickelt, was kein Wunder ist, denn es sind seither nicht nur mehrere Jahre vergangen, er hat auch eine Menge gelernt. Er ist selbstsicherer geworden in dem Sinne, dass er seine eigenen Fähigkeiten sehr genau kennt, und im Zusammenhang damit auch selbstständiger, fähig, auch unter Druck eigene Entscheidungen zu fällen und das Vorgenommene durchzuziehen. Was ihm allerdings geblieben ist, sind sein Dickschädel und seine eigene Art, die Dinge zu betrachten. Bels Befürchtung, er könnte zu einem skrupellosen Handlanger der Magi werden, hat sich nicht bestätigt.

Rowan stößt in Willams Gegenwart zum ersten Mal an ihre Grenzen. Als Steuerfrau ist sie natürlich wissbegierig, die Magie ist ihr jedoch so fremd, dass sie Willams Erklärungen nur mit Mühe folgen kann, obwohl er sichtlich bemüht ist, die Vorgänge auf einfache Weise zu beschreiben und verständliche Begriffe zu benutzen. Aber Rowan wäre keine Steuerfrau, wenn sie sich dadurch entmutigen ließe, und schließlich gelingt es ihr, Gemeinsamkeiten zu ihrer eigenen Denkweise zu erschließen.

Bel dagegen hat sich kein bisschen verändert. Das Erste, was ihr zu Willams Vorhaben, bei Jannik einzubrechen, einfällt, ist, ob dort auch herauszufinden sei, wo Slado seine Domäne hat, damit sie hingehen und ihn umbringen kann. Sie hat das Grauen, das der Leitstern bei ihrem letzten Aufenthalt im Saumland über die Menschen dort gebracht hat, noch nicht vergessen. Für ihre unkomplizierte Art ist ein unerwarteter Überfall auf Slados Person nicht nur die direkteste Art, Rache zu üben, sondern auch die einfachste Methode, die gesamte Angelegenheit endgültig zu beenden.

Aber natürlich ist die ganze Sache nicht so einfach, wie Bel sie gerne hätte, und das nicht nur, weil niemand Slados Aufenthaltsort kennt.
Zum einen findet Rowan bei ihren Nachforschungen heraus, dass Kierans Lehrling Slado hieß, außerdem stößt sie auf merkwürdige Ungereimtheiten, die letztlich zu der Erkenntnis führen, dass der Magus offenbar von einem Tag auf den anderen zu einem völlig anderen Menschen wurde, ohne dass jemand dafür einen Grund nennen kann.

Zum anderen ist Jannik unerwartet früh nach Hause zurückgekehrt. Und es ist nicht gerade einfach, in das Haus eines Magus einzubrechen, alles nach den gewünschten Informationen zu durchsuchen und wieder spurlos zu verschwinden, wenn man lediglich drei Stunden Zeit hat und nicht sicher sein kann, ob das Ablenkungsmanöver lange genug wirkt …

|Eindrücke und Betrachtungen|

In diesem vierten Band von Kirsteins Steuerfrau-Zyklus kommt die Magie zu Wort, und das massiv. Nachdem im ersten und zweiten Band lediglich einige Andeutungen gemacht wurden und der dritte sich mit den Dämonen als Hauptthema fast völlig auf die Fantasy-Seite stützte, geht es diesmal fast ausschließlich um die Magi, vornehmlich Kieran, Slado und Jannik. Das hat einige höchst angenehme Auswirkungen.

So hat der Leser endlich wieder einmal das Gefühl, dass sich bei der Lösung des Geheimnisses etwas bewegt. Nicht, dass die Autorin tatsächlich etwas verraten hätte! Denn keiner der Beteiligten kann mit den ergatterten Informationen etwas anfangen. Aber immerhin wurden Informationen ergattert. Und dabei kamen Protagonisten und auch der Leser gehörig ins Schwitzen! Nach dem etwas beschaulicheren Anfang, der sich hauptsächlich der Erforschung von Kierans Verhaltensänderungen widmete, kam die Handlung mit der Einleitung des Ablenkungsmanövers allmählich in Fahrt. Kaum haben die Protagonisten die Sache mit den Drachen hinter sich, finden sie sich in einer brenzligen Situation Jannik gegenüber, nur um kurz darauf beim Einbruch in Janniks Haus in Todesgefahr zu geraten …

Auch fand ich die Beschäftigung mit dem, was in Kirsteins Welt die Magie darstellt, weit angenehmer als die mit den Dämonen. Wer es bisher noch bezweifelte, sieht sich spätestens in diesem Band der Tatsache gegenüber, dass es sich bei dem, was Rowan als Magie bezeichnet, schlicht um Technik handelt. Der Leser hat in den vorhergehenden Bänden bereits die flüchtige Bekanntschaft von Sprengstoffen und Kabeln sowie mechanischen Spieluhren gemacht. Diesmal bekommt er es mit Hightech zu tun. Das, was Willam da an Janniks Schreibtisch tut, ist schlicht und ergreifend Hacking. Dass die Fenster sich hier nicht innerhalb eines Bildschirms öffnen, sondern einfach als Lichtquadrat in der freien Luft, verleiht der Darstellung schon fast einen Touch von Science-Fiction.

Ein wenig seltsam erschien mir, dass Willam in der Lage war, auf das Netzwerk zuzugreifen, obwohl gerade ein neues Update eingespielt wurde, aber da ich von Computern nicht wirklich Ahnung habe, bin ich nicht sicher, ob das wirklich einen logischen Bruch darstellt. Ich muss auch ehrlich gestehen, dass mich das in diesem Moment nur wenig kümmerte! Die Spannungskurve hat an dieser Stelle ihren Höhepunkt erreicht. Der Kniff, dass dem Helden bei seinem Tun die Zeit davonläuft, ist ja nicht neu. Der Autorin ist es aber gelungen, den Leser durch die zunehmende Konzentration des Blickwinkels auf Willam gewissermaßen in Rowans Rolle hineinzuziehen und ihn damit sozusagen direkt ins Geschehen zu holen. Es war fast eine Erlösung, als Willam endlich Hals über Kopf mit Rowan aus dem Haus stürzte, ohne auch nur zu versuchen, die Spuren seines Eindringens zu verwischen!

|Insgesamt|

Bleibt zu sagen, dass der vierte Teil des Zyklus am Ende der Lektüre ein weit zufriedeneres Gefühl hinterließ als seine Vorgänger. Die Charakterzeichnung blieb bei allen Personen außer den drei Hauptfiguren skizzenhaft, was aber nicht störte, da sie im Grunde nur als Informationsquellen von Bedeutung waren und ansonsten keine Rolle spielten. Dafür bot dieser Band eine allmählich aber ständig steigende Spannung und ein paar neue Puzzleteile zum Knobeln. Zwar blickt der Leser bei weitem noch nicht durch, wie all die Schnipsel zusammengehören mögen, aber einige Antworten darauf dürften im nächsten Band zu finden sein. Zum ersten Mal, seit ich an diesem Zyklus lese, bin ich wirklich gespannt auf die Fortsetzung.

|Die Autorin|

Rosemary Kirstein ist Amerikanerin und hat schon in den unterschiedlichsten Berufen gearbeitet. Außerdem ist sie in der Folk-Szene aktiv, spielt Gitarre und singt. Die einzelnen Bände ihres Zyklus |Die Expedition der Steuerfrau| sind mit teilweise erstaunlichem zeitlichem Abstand entstanden. Leider waren keine Informationen zu einem fünften Band zu finden, und im Hinblick auf die Zeiträume zwischen den bisherigen Veröffentlichungen könnte das auch noch eine Weile dauern.

http://www.bastei-luebbe.de

Hagiwara, Kazushi – Bastard!! – Band 1: Angriff auf Metallicana

_Handlung:_

Vor 15 Jahren wandelte der Magier Dark Schneider über die Fantasywelt, um mit seinen vier Reitern der Apokalypse für Tod und Verderben zu sorgen, sowie, ganz uneigennützig, die Weltherrschaft für sich selbst zu beanspruchen. Doch er wurde in einem Kampf vom dem Oberpriester Tio Noto Soto vernichtet und im Körper eines kleinen Jungen versiegelt. Nun sind seine Gefährten auf dem Weg, das Werk Dark Schneiders fortzusetzen, und noch mehr. Sie wollen die mächtige Anthrax erwecken. Doch im Königreich von Metallicana erwartet sie Widerstand von Dark Schneider persönlich.

_Comic:_

Als „Bastard!!“ 1987 anfing, war er noch ein recht einfacher Fantasy-Manga mit einem leichten Hang zum Hentai, der nicht wirklich viel Wert auf eine Story legte. Doch der Comic hatte etwas, das faszinierte: den unglaublich egomanischen und sexistischen Charakter von Dark Schneider. Als sein Bann in der Stadt Metallicana von der Tochter Tio Noto Sotos, Tia Noto Yoko, geöffnet wird, fällt es ihm gar nicht ein, den Angriff der heranrückenden Armee aufzuhalten. Da Dark Schneider allerdings in den Körper des Adoptivbruders von Tio Noto Yokos verbannt wurde, Luzi Renren, behandelt sie ihn immer noch wie einen kleinen Bruder, ist also die Einzige, die ihn kontrollieren kann. Dieser Egoismus von Dark Schneider und das Temperament von Yoko ergeben ein gutes Paar, das wirklich amüsant zu lesen ist. Auch haben auch die kleinen Hentai-Einflüsse der ersten Bände etwas Amüsantes für sich; so ist das Siegel von Dark Schneider nur mit dem Kuss einer Jungfrau zu brechen. Dass der Kerl dann gleich nackt erscheint, kann natürlich auch niemand ahnen. Geschweige den die Ausmaße des „Auftritts“. Das andere Vergnügen sämtlicher Bände ist die Suche nach Heavy-Metal-Bands in den Namen der Charaktere und Ortschaften. Klar, was Metallicana und die Anthrax sind, des Weiteren gibt es die Zaubersprüche Venom, Damned, Golem und Striper (hier mit i geschrieben), weitere Königreiche heißen zum Beispiel White Snake oder Judas. Und das ist nur ein kleiner Teil. Wer sich die Zeit nimmt, die einzelnen Textzeilen zu übertragen, findet sicher auch weitere Bands.

_Zeichenstil:_

Der Anfang der Serie ist noch recht einfach und nicht so eigenständig wie später, weist aber bereits erste Ansätze zur Originalität auf. Wunderbare Beispiele hierfür sind ein zweiseitiges Bild, ausschließlich gefüllt mit Dark Schneiders Kopf, sowie das zweite Bild des Angreifers Osborne (huch, noch so was mit Metal) auf einem um die Ecke preschenden Pferd. Der Arbeit merkt man deutlich an, dass ein größeres Team daran arbeitet, und das nicht in einem wöchentlichen Rhythmus. Sowohl Figuren und Hintergründe legen großen Wert auf Details, was manchmal zu etwas komplexeren Bildern kommen kann, aber im Verlauf der Serie noch weitaus schlimmer wird. Kleine Details wie der Kopf des Golems, der verdächtig nach dem Maskottchen von Motörhead aussieht, sind bis ins letzte Detail ausgearbeitet, und wer bereits im Anfangsstadium des Mangas zeichnerisch versucht mitzukommen, wird überrascht sein, wie schwer es sein kann, diese Bilder zum Beispiel abzuzeichnen.

_Fazit:_

Auch wenn der Zeichenstil für Leseanfänger doch etwas schwer sein kann, so entschädigt die Story dafür hundertfach. Der schräge Charakter des Dark Schneider sowie die überall versteckten Andeutungen auf den Heavy Metal machen den Manga sehr liebenswert, und auch wenn er sich später extrem weiterentwickelt, sollte man einen Blick darauf riskieren.

http://www.carlsen-comics.de

Sabine Dardenne – Ihm in die Augen sehen

Sie, Sabine Dardenne, ist vermutlich die im Jahr 2004 bekannteste junge Europäerin, ohne ein Schlagerstar zu sein, weil sie ihrem Peiniger und Vergewaltiger beim Prozess im Frühjahr 2004 hoch erhobenen Hauptes ins Gesicht schaute.

Die junge Belgierin, deren Bilder bei ihrer Befreiung im Jahr 1996 um die Welt gingen, jene junge Belgierin, die acht Jahre später ihrem Peiniger im Gerichtssaal aufrecht ins Gesicht schaute und mit „crapule“ das Wort der Verachtung sagte, dass jeder Belgier aus ihrem Munde erhoffte. Und sie sagte es ohne zitternde Stimme … „Crapule“ – „Schurke“!

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Sylvain, Dominique – Schöne der Nacht

Endlich hat |List| die junge französische Autorin Dominique Sylvain für sich entdeckt, sodass der bibliophile Leser nun auch in den großartigen Genuss der Lola-Jost-Reihe kommt. Der Verlag selbst macht Werbung für das vorliegende Buch mit den Worten „die Krimientdeckung aus Paris“ und trifft damit ins Schwarze, denn genau das ist es, eine wunderbare Entdeckung, die jedem Krimifreund das Herz höher schlagen lässt! Aber genug der Lobesworte vorweg, beschäftigen wir uns zunächst mit dem Inhalt:

Zu Beginn lernen wir Jean-Luc und die beiden unzertrennlichen „siamesischen Zwillinge“ Farid und Noah kennen, die gemeinsam den Coup ihres Lebens planen. Am frühen Morgen rammen sie mit ihrem Geländewagen eine Wechselstube und rauben diese gründlich aus. Die Beute bei diesem Raubzug ist enorm, insgesamt anderthalb Millionen Euro haben die Räuber eingesackt. Doch Farid hat Erstaunliches mit seinem Anteil vor, er nimmt die 500.000 € und macht sich damit zu seiner Exfreundin Vanessa auf, um diese noch einmal umzustimmen. Besonders Jean-Luc ist schockiert von dieser Wendung, doch kann er noch nicht ahnen, welchen Rattenschwanz an Ereignissen Farids Entscheidung nach sich ziehen wird.

Denn am nächsten Morgen wird Vanessa ermordet aufgefunden. Jemand hat sie erwürgt und ihr fein säuberlich mit einem Beil die Füße abgetrennt. Farid ist apathisch und muss mit vereinten Kräften aus seiner Wohnung gerettet werden. Aber ausgerechnet Vanessas Mitbewohnerinnen Khadidja, die zufälligerweise Farids Schwester ist, und die psychisch labile Chloé finden ihre ermordete Freundin und auch Farids Geld, das in einer Sporttasche neben der Toten liegt. Als die Polizei am Tatort eintrifft, haben die beiden jungen Mädchen das Geld bereits an die Seite geschafft. Jean-Pascal Grousset soll die Ermittlungen im Fall Vanessa Ringer leiten, das wiederum gefällt seinem Mitarbeiter Jérôme Barthélemy überhaupt nicht, da er seinen Vorgesetzten, den er wenig schmeichelhaft den Gartenzwerg nennt, nicht ausstehen kann. Da seine ehemalige Chefin Lola Jost in der Nähe des Tatorts wohnt, eilt er sogleich zu ihr, um ihr von dem Leichenfund zu berichten.

Zunächst ist die pensionierte Lola Jost viel mehr an ihrem 5000-teiligen Puzzle als an dem Mordfall interessiert, als jedoch Maxime Duchamp ins Zielfeuer der Ermittlungen gerät und zum Hauptverdächtigen avanciert, wird Lola auf den Plan gerufen, denn Maxime ist der Küchenchef in ihrem Stammrestaurant und damit für sie unentbehrlich. Aber Lola Jost ist nicht die Einzige, die auf Maxime nicht verzichten kann; auch die blonde Bohnenstange Ingrid Diesel, die Maxime leidenschaftlich gerne massiert und gerne noch viel mehr mit ihm anstellen würde, möchte ihren Angebeteten vor der Justiz retten, da sie fest an seine Unschuld glaubt. So macht sich schließlich dieses unvergleichliche Duo an die Ermittlungen und ist der Polizei stets mindestens einen Schritt voraus …

Zugegeben, das klingt zunächst nach einem ganz alltäglichen Kriminalfall, der sich auch nicht sonderlich von anderen Spannungsromanen abhebt. Doch weit gefehlt; Dominique Sylvain gelingt etwas ganz Seltenes, nämlich die Erschaffung eines Ermittlerduos, das vom ersten Moment an süchtig macht. Während Ingrid Diesels erster Auftritt als verliebte Masseuse noch eher gewöhnungsbedürftig ist, sammelt sie als Partnerin von Lola Jost viele Sympathien. Diese beiden Damen, die ein wenig an Pat und Patachon erinnern mögen, sind es, die mit viel Engagement den Restaurantbesitzer Maxime Duchamp aus den Fängen der Polizei retten wollen. Als Duo sind die beiden Frauen so ungewöhnlich und so sympathisch, dass der Kriminalfall fast ein wenig in den Hintergrund treten mag, wenn die beiden sich vorzugsweise nachts auf die Tätersuche machen und dabei trotz zahnhygienischer Unannehmlichkeiten einige Nächte im Auto schlafen müssen, um dann allerdings am Ende natürlich triumphieren zu können.

Die übergewichtige grauhaarige und bereits pensionierte Ex-Polizistin Lola Jost, die eigentlich ja Marie-Thérèse heißt, entwickelt von ihrem ersten Auftritt an Kultstatus. Forsch, energisch und mit einer gewissen Portion Rücksichtslosigkeit entreißt sie ihrem Nachfolger seinen Fall und spielt ihn dabei an die Wand. Während der Ermittlungen wagt sie sich sogar todesmutig zu ihrem übermotivierten Friseur, der sie schließlich mit einer Volierenfrisur aus seinem Laden entlässt, die aber glücklicherweise dem schlechten Wetter auf den stürmischen und regnerischen Straßen von Paris nicht lange standhalten kann. Doch ist dies für Lola nebensächlich, solange sie durch den Friseurbesuch doch an gewünschte Informationen kommen kann.

Aber auch Ingrid Diesel hat es faustdick hinter den Ohren. Nicht ganz unauffällig schwärmt sie für den gutaussehenden Maxime Duchamp, der leider bereits mit der schönen Khadidja liiert ist, auf die Ingrid schrecklich eifersüchtig ist. Doch was Maxime noch nicht weiß, ist, dass Ingrid als Schöne der Nacht sehr erfolgreich in einer Stripteasebar auftritt, in der sie ihm schließlich auch den Kopf verdrehen kann. Lola und Ingrid ergänzen sich hervorragend zu einem unvergleichlichen Duo, das gemeinsam alle Schwierigkeiten zu meistern weiß und auch dem äußerst verwickelten Mordfall auf den Grund kommen wird.

Und das muss man Dominique Sylvain ebenfalls lassen: Sie schafft nicht nur eine geniale Figurenzeichnung, sie versetzt ihre beiden Krimiheldinnen auch in einen ziemlich gut durchkonstruierten Kriminalfall, in den alle beteiligten Figuren irgendwie verwickelt sind. Beim Lesen mag man zwischendurch zwar etwas den Durchblick verlieren, aber genau das wünscht man sich bei einem guten Krimi ja, sofern am Ende alles aufgeklärt wird. Hier bleiben einfach keine Wünsche offen: Sylvain führt uns auf die eine oder andere falsche Fährte, sie lockt uns mit Informationen, die mehr verheimlichen als offenbaren und die uns dadurch nur umso neugieriger machen. Schon früh wird klar, dass Chloé eine schreckliche Begegnung mit Farid hinter sich haben muss, die sie schließlich psychisch aus dem Gleichgewicht gebracht hat. Denn seitdem sucht sie regelmäßig einen Psychiater auf, der natürlich ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. So fügt sich am Ende alles stimmig ineinander und der Leser bleibt staunend und außerordentlich zufrieden zurück.

Aber hier sind wir noch nicht am Ende der Lobeshymne angekommen, denn „Schöne der Nacht“ ist darüber hinaus einfach wunderbar geschrieben. Dominique Sylvain versetzt uns gekonnt in ein verregnetes Paris, in dem etliche Rätsel zu lösen sind. Man fühlt sich dort einfach wohl, hinzu kommt ein äußert feiner Humor, der dem Leser immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Am amüsantesten mutet wohl die Ergreifung eines Übeltäters mittels Schnellkochtopf und Cello an, die zu Gehirnerschütterung und Nierenverletzung, aber auch zu einer erfolgreichen Festnahme geführt hat. An diesen Stellen beweist Sylvain viel Sprachgefühl und auch einen Wortwitz, der den vorliegenden Kriminalfall zu einem absoluten Lesevergnügen macht.

So bleibt am Schluss nur festzuhalten, dass „Schöne der Nacht“ für mich in der Tat die angekündigte Krimientdeckung war. Schon jetzt warte ich ungeduldig auf den nächsten Lola-Jost-Fall, den sie hoffentlich wieder gemeinsam mit Ingrid Diesel lösen wird. Dominique Sylvain punktet insbesondere mit ihrer äußerst sympathischen Figurenzeichnung und ihrem wunderbaren Ermittlerinnenduo, das mich immer wieder köstlich amüsiert hat. Aber auch der zu lösende Kriminalfall hat es in sich; hier geht es einige Jahre in die Vergangenheit, viele Rätsel müssen gelöst und sämtliche Figuren in die Handlung einsortiert werden. „Schöne der Nacht“ ist ein Spannungsroman, der das Herz jedes bibliophilen Krimifreundes höher schlagen lässt!

Haensel, Hubert / Lukas, Leo / Kneifel, Hans / Böhmert, Frank / Borsch, Frank / Anton, Uwe – PERRY RHODAN: Odyssee

_Trailer_

|Durch eine mysteriöse Kraft werden Perry Rhodan und seine Freunde eine Milliarde Jahre in die Zukunft gerissen, in eine Epoche, in der das Leben im Universum im Schwinden begriffen ist. Doch die Völker der Milchstraße haben eine gigantische Apparatur entworfen, um dem Verfall entgegenzuwirken – eine Apparatur, an der auch das finstere Imperium der Nodronen interessiert ist.

Schon bald findet sich Perry Rhodan im Zentrum des letzten großen Kampfes der Galaxis wieder. Die Odyssee beginnt … |

_Inhalt_

Hubert Haensel
|Die Kolonisten der Zukunft|

In der Metropole Mantagir werden die Terraner mit der neuen Zeit konfrontiert. In dieser haben sich die barbarischen Nodronen über weite Teile der Milchstraße ausgebreitet und bedrohen die letzten friedlichen Zivilisationen.

Leo Lukas
|Der geheime Krieg|

Ausgerechnet die von Amphibien abstammenden Quochten scheinen die Einzigen zu sein, die in dieser düsteren Zukunft den Nodronen standhalten können. In den Kavernen ihrer Heimatwelt stößt Rhodan auf die Imperiale Königin dieses Volkes.

Hans Kneifel
|Das Energie-Riff|

Als Gefangener der Nodronen wird Perry Rhodan auf die höllische Insel Tapasand verbannt. Niemand, so heißt es, hat die unmenschlichen Bedingungen auf der Insel bisher länger als einige Wochen überlebt.

Frank Böhmert
|Die Traumkapseln|

Nach vielen Mühen schafft es Rhodan, den Kontakt zu den Rebellen herzustellen, die gegen die Herrschaft der Nodronen agieren. Sie leben in den Traumkapseln, gigantischen Habitaten, abgeschirmt vom Rest des Universums.

Frank Borsch
|Das strahlende Imperium|

Um die friedliebenden Zivilisationen der Zukunft zu retten, muss Perry Rhodan zur zentralen Welt der Nodronen vorstoßen. Dort residieren die geheimnisvollen Zwillingsfürsten, die den Krieg in die Galaxis getragen haben.

Uwe Anton
|Die Lebensboten|

In ferner Zukunft ist der Mars die Zentralwelt eines kosmischen Gebildes – ein Schwarm aus Tausenden von Sonnensystemen und Planeten, die als Lebensboten neue Kulturen entstehen lassen.

_Rezension_

|Während eines Rundflugs über den Mars geschieht das Unfassbare: Perry Rhodan, sein bester Freund Reginald Bull und etliche andere Passagiere werden von einem mysteriösen Energiewirbel erfasst und eine Milliarde Jahre in die Zukunft gerissen … Der in sich abgeschlossene „Perry-Rhodan-Odyssee“-Zyklus erstmals in einem Band – ein Science-Fiction-Abenteuer im Breitwandformat, ein Ereignis nicht nur für die zahllosen Perry-Rhodan-Fans, sondern auch für alle anderen SF-Leser.|

Erstmals erscheint hier also der ODYSSEE-Zyklus in einem Band und nun war ich gespannt auf das angekündigte „SF-Abenteuer im Breitwandformat“. Doch Hubert Haensel, Autor des ersten „Kapitels“, vermochte es nicht, einen rasanten Start hinzulegen. Bei dem schleppenden Einstieg dachte ich wieder an die mahnenden Worte meiner Professorin, dass die ersten Sätze/Seiten darüber entscheiden, ob man einen Leser an ein Buch fesselt oder nicht. Bei diesem ist es eindeutig nicht so.

Auf den Inhalt explizit einzugehen, würde bei einem solch dicken Wälzer den Umfang einer Rezension sprengen, man kann und sollte es aber auf die Autoren. Von den sechs Autoren dieses Zyklus gefällt mir persönlich Leo Lukas mit Abstand am besten, weil er sich durch seinen Stil abhebt und auch der Humor bei ihm nicht zu kurz kommt. Daher wirkt sein Text lebendiger und unterhaltsamer als die anderen. Besonders im Vergleich zu Hans Kneifels Part, der teilweise recht emotionslos, unbeholfen und arg „dünn“ wirkt. Etwas, das Frank Böhmert wiederum zu vermeiden weiß; er widmet sich mehr den Charakteren und ihren Emotionen und inneren Dialogen, was ihm vortrefflich gelingt, wodurch er auf Platz zwei des Sechserautorengespanns rückt. Aber auch Frank Borsch überzeugt in diesem Punkt.

So erzielt man eine Fifty-fifty-Mixtur, durch die wohl dem Gros der SF-Leser bekömmlich sein dürfte. PR-Fans wird der Band eh überzeugen und auch eher einen Sammlerwert darstellen, da die Einzelbände jedem eingefleischten Fan bekannt sein dürften. Reine SF-Fans kommen hier auch auf ihre Kosten, wenn man keine ausgereiften und zeitgemäßen Handlungsstränge erwartet.

Der Zyklus endet mit einem wahren Spruch: |“Beides benötigt das Universum so dringend wie nie zuvor: Leben, das es mit Vielfalt erfüllt, und Intelligenz, damit dieses Leben friedlich miteinander auskommen, trotz aller Unterschiede kooperieren und sich gegenseitig wertschätzen kann.“| Besonders Letzterem kann ich nur beipflichten.

Zur Aufmachung des Bandes: Der 1152 Seiten starke Titel liegt schon wie ein schwerer Klotz in der Hand, zumal er auch ein größeres Format hat (ähnlich dem des |Piper|-Verlages). Covermotiv und Coverartwork sind sehr ansprechend. Gemessen an dem Preis bekommt der Leser also wirklich etwas geboten.

http://www.perry-rhodan.net / http://www.perryrhodan.org/
http://www.heyne.de
http://www.perrypedia.proc.org

Lewis, Clive Staples – silberne Sessel, Der (Die Chroniken von Narnia 6)

[Das Wunder von Narnia 1858
[Das Wunder von Narnia – Hörbuch 1991
[Der König von Narnia 1758
[Der König von Narnia – Hörbuch 356
[Der Ritt nach Narnia 1933
[Der Ritt nach Narnia – Hörbuch 1984
[Prinz Kaspian von Narnia 2081
[Prinz Kaspian von Narnia – Hörbuch 2725
[Die Reise auf der Morgenröte 2543

_Story_

Seit Eustachius‘ Auflug in die Abenteuerwelt Narnia ist mittlerweile ein Jahr ins Land gezogen. Doch nach seiner Rückkehr kam ihm das Leben wieder trist und langweilig vor. Eines Tages begeistert er die gleichaltrige Jill für seine Erzählungen aus dieser Welt, und tatsächlich gelingt den beiden Außenseitern auf ihrer Flucht vor einer Gruppe ihrer Mitschüler ein erneuter Sprung nach Narnia.

Dort angekommen, treffen sie alsbald auf den Löwen Aslan, der ihnen aufträgt, den verschollenen Sohn von König Kaspian, Prinz Rilian, zu finden. Und damit startet für die beiden ein neues Abenteuer, welches sie durch bislang nicht mal im Traum erdachte Gefahren führt. Gemeinsam mit einem Moorwackler treten sie in die Unterwelt von Narnia ein, treffen auf menschenfressende Riesen, entdecken den stark gealterten Kaspian wieder und versuchen mit aller Macht, den bösen Zauber der Hexe zu brechen, die aus ihren finsteren Gefilden Unheil über Narnia hereinbrechen lässt. Lediglich ihre Tollpatschigkeit und ihre ewigen Streitgelüste steht den beiden dabei mehr als nur einmal im Weg …

_Meine Meinung_

„Der silberne Sessel“ ist der erste Roman aus der Fabelwelt Narnia, der mir zu Beginn ernsthafte Schwierigkeiten bereitete. Irgendwie kommt die Story nämlich nur schleppend voran, weil die Handlung inhaltlich zunächst alles andere als abenteuerlich ist. Der Weg von Eustachius und Jill ist nicht nur hart und beschwerlich, sondern wird beim Lesen auch so empfunden, weil die beiden Kinder sich ziemlich naiv anstellen und sich auch ständig wegen irgendwelcher unsinnigen Kleinigkeiten in die Wolle bekommen, was nach einiger Zeit gehörig nervt. Weiterhin wird dadurch auch nicht gerade die Sympathie für die beiden tragenden Charaktere gefördert, was ja anfangs auf Eustachius bereits im letzten Buch „Die Reise auf der Morgenröte“ zutraf.

Das Fernbleiben der einstigen Könige und Königinnen des goldenen Narnia-Zeitalters bekommt dem Buch also vorerst nicht ganz so gut; abgesehen von Aslan und dem später auftauchenden Kaspian fehlen einem echte Idenitifikationsfiguren und vor allem Helden, die das Zepter an sich reißen. Eustachius kann in diese Rolle zwar mit der Zeit bedingt hineinwachsen, doch ein wirklicher Sympathieträger wird er aufgrund einer irgendwie nicht näher definierbaren Blockade nicht.

Dennoch findet in „Der silberne Sessel“ nach gut der Hälfte des Buchs eine entscheidende Wende und damit auch eine sehr positive Entwicklung statt. Unter anderem durch das Aufeinandertreffen mit dem Moorwackler Puddleglum, der das Duo auf der weiteren Reise begleitet, bekommt die behäbige Story endlich etwas mehr Schwung und erhält bereits wenige Seiten später die bis dato fehlende Abenteuer-Atmosphäre, die später im Schloss des Riesen wieder auf echtem Narnia-Niveau angesiedelt ist.

Andererseits beweist Clive Staples Lewis im sechsten Buch der Chroniken mal wieder ein außerordentliches Geschick bei der Einführung neuer Charaktere, so zum Beispiel den sympathischen Moorwackler, der einem im Gegensatz zu Jill und Eustachius sofort ans Herz wächst. Aber auch die seltsamen Riesen, von deren barbarischen Ritualen die Kinder beinahe zu spät erfahren, erzielen trotz ihrer unehrbaren Motive einen stillen Applaus, weil sie von Lewis mal so ganz anders dargestellt werden, als man es von Gestalten wie Riesen eigentlich gewohnt ist. Um dies zu begreifen, muss man das Buch allerdings auch gelesen haben – und das kann ich trotz aller anfänglicher Bedenken schlussendlich doch noch empfehlen.

Lewis hat sich beim Spagat aus moralischen Inhalten und Abenteuerhandlung zwar diesmal ungewohnt schwer getan, aber dennoch einen würdigen Vertreter der „Chroniken von Narnia“ in die Serie integriert – leider auch schon den vorletzten. Enttäuscht sein wird man lediglich, wenn man die Serie besonders wegen ihrer Parallelen zu Gleichnissen des christlichen Glaubens schätzte. Davon ist „Der silberne Sessel“ nämlich nur spärlich gesäumt.

http://www.narnia-welt.de
http://www.brendow.de