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McCaughrean, Geraldine – Peter Pan und der rote Pirat

Peter Pan gehört zu den absoluten Klassikern der Kinderliteratur. Die Geschichte von dem Jungen, der nicht erwachsen werden wollte und jeden Tag in Nimmerland die tollsten Abenteuer erlebt, beflügelt immer wieder aufs Neue die Phantasie von Kindern und Erwachsenen.

Die Stiftung des Kinderkrankenhauses Great Ormond Street Hospital Children’s Charity, dem Sir James Matthiew Barrie die Rechte an Peter Pan vermacht hat, hat anlässlich des 70. Todestages von Sir Barrie einen Wettbewerb für eine Fortsetzung ausgerufen. Unter 200 Autoren wurde Geraldine McCaughrean ausgewählt, diese Fortsetzung zu schreiben. Das Ergebnis war „Peter Pan in Scarlett“, das im Oktober letzten Jahres in 31 Länder gleichzeitig erschien, in Deutschland unter dem Titel „Peter Pan und der Rote Pirat“.

_Zur Autorin:_

Geraldine McCaughrean wurde 1951 in Enfield geboren und wuchs in London auf. Nach einem Lehramtsstudium arbeitete sie zunächst als Redakteurin für einen Zeitschriftenverlag, ehe sie sich als freiberufliche Autorin selbstständig machte. Seither hat sie mehr als hundert Bücher für Jugendliche und Erwachsene geschrieben und eine ganze Liste an Preisen erhalten, von denen mir die meisten unbekannt sind. Unter den internationalen Auszeichnungen fand ich dann den Deutschen Jugendliteraturpreis, den sie 2004 für „Der Drachenflieger“ erhielt.

_Zum Vorgänger:_

Die Figur des Peter Pan tauchte erstmals 1902 in dem Buch „The little white bird“ auf. Hier wird erzählt, wie Peter sein Zuhause verlässt, weil er nicht erwachsen werden will, und einige Zeit in Kensington Gardens bei den Feen lebt. 1904 folgte das Theaterstück „Peter Pan, or the boy who wouldn’t grow up“, das wir heute unter dem Titel „Peter Pan“ kennen.

Peter verlässt immer wieder seine Insel Nimmerland, um am Fenster der Darlings den Geschichten zu lauschen, die die Mutter ihren Kinder Wendy, John und Michael vor dem Einschlafen erzählt. Eines Abends wird er von der Neufundländerhündin Nana, die als Kindermädchen fungiert, erwischt und verscheucht. Dabei verliert er seinen Schatten. Als die Eltern eines Abends bei Nachbarn eingeladen sind, nutzt Peter die Gelegenheit, seinen Schatten zurückzubekommen, und nimmt auch gleich noch Wendy und ihre Brüder mit ins Nimmerland. Den Kindern gefällt es dort sehr, gleichzeitig merkt jedoch Wendy, dass sie anfangen, ihr Zuhause zu vergessen, obwohl sie den Jungen immer wieder davon erzählt. Deshalb kehren sie schließlich nach vielen Abenteuern nach Hause zurück, und auch die verlorenen Jungen bleiben bei den Darlings.

_Zur Fortsetzung:_

Jahre sind vergangen. Wendy ist verheiratet und hat eine Tochter namens Jane. John ist ebenfalls verheiratet und hat Kinder. Tootles ist inzwischen Richter und hat eine Tochter, Curly ist Arzt, Slightly hat eine Adlige geheiratet und lebt jetzt als Gentleman … Nicht, dass sie Nimmerland vergessen hätten. Aber das alles ist ja schon soooo lange her …

Eines Tages jedoch ist alles plötzlich wieder ganz nah! Alle fangen sie an zu träumen: Sie träumen vom Nimmerland, und wenn sie erwachen, finden sie entsprechende Hinterlassenschaften in ihren Betten: Seeräubersäbel, Köcher mit Pfeilen, Wecker und Seifenblasen. Eines Tages schließlich ist Tootles der Meinung, es müsse etwas geschehen, letztlich jedoch ist es Wendy, die der Sache auf den Grund geht und erklärt, was zu tun sei.

So machen die Herren sich auf höchst ungewöhnliche Art und Weise auf, nach Nimmerland zurückzukehren und dort nach dem Rechten zu sehen. Das scheint ziemlich notwendig, denn als sie dort ankommen, hat Nimmerland sich stark verändert. Und nicht nur das: Peter ist offenbar überhaupt nicht begeistert, dass sie wieder da sind. Und dann ist da noch dieser eigenartige Ribello, der nur aus einem Haufen zerflusender Wolle zu bestehen scheint und lauter wilde Tiere um sich hat, die er im Zirkus auftreten lässt.

Als die Kinder beim Spielen an der Lagune von einem Feuer eingeschlossen werden, kommt gerade Hooks alte Jolly Roger in die Bucht getrieben. Die Kinder nutzen die Gelegenheit und flüchten vor dem Feuer hinaus aufs Meer. Bei der Erforschung des Schiffes findet Peter eine Schatzkarte, und sofort ist klar: es wird auf Schatzsuche gegangen. – Allerdings: eine Schatzsuche der üblichen Art scheint das nicht zu werden …

_Mein Eindruck:_

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich konnte mich mit dieser Fortsetzung nicht wirklich anfreunden.

James Barries Nimmerland ist ein Land der Kinderträume, wo sie all die Abenteuer erleben können, die es in ihrer eigenen Welt nicht gibt, und wo sie all das dürfen, was zu Hause nicht erlaubt ist. Das schließt natürlich Gegenspieler ein wie die Piraten und zunächst auch die Indianer, die erst nach Tigerlilis Rettung zu Freunden werden. Es ist aber gleichzeitig auch ein Ort der Unverdorbenheit und Schönheit. Obwohl Kinder an die Schönheit der Natur normalerweise keinen bewussten Gedanken verschwenden, würde sich keines eine hässliche oder finstere Insel für seine Abenteuer ausdenken.

Barries Peter Pan ist die verkörperte Kindheit, überschwänglich, unbeschwert und gedankenlos, ohne jedes Verständnis für Gefahr oder Leid. Denn da er ein ewiges Kind ist, ist ihm so etwas wie Erfahrung völlig fremd. Er lebt vollständig im Jetzt, was in der Vergangenheit war, vergisst er bald wieder. Gleichzeitig ist er auch ein ziemlicher Angeber, hat im Grunde aber ein gutes Herz.

McCaughreans Nimmerland fehlt dieses Flair des Unverdorbenen vollkommen. Dass es im ewig sommerlichen Nimmerland plötzlich Herbst ist, stört nicht besonders. Aber die Lagune ist ein schmieriger, dunkler Pfuhl, gesäumt von Gerippen toter Nixen. Ein Sturm reißt den Baum um, auf dem seit Wendys Heimkehr ihr Häuschen steht. Die ganze Insel atmet Verfall und Siechtum.

Auch Peter ist nicht mehr der alte. Er ist schnippisch und unfreundlich, gibt zum Beispiel den zurückgekehrten Freunden die Schuld daran, dass sein Haus abgestürzt ist, und bezeichnet die alte Wohnung unter der Erde, in der sie früher alle zusammen gewohnt haben, als „sein Haus“. Kurz, er ist richtig miesepetrig! Er, die Identifikationsfigur aller Kinder, die sich bisher hauptsächlich durch Freude, Mut und Fantasie ausgezeichnet hat!

Barries Nimmerland spiegelt ein kindliches Paradies wider, McCaughreans Nimmerland den Trend der modernen Fantasy, immer eine finstere Bedrohung zur Basis des Geschehens zu machen. Ein Ausdruck der Überreizung, der mir auch bei einem Kommentar zu den „Kindern aus Bullerbü“ begegnet ist, die jemand als langweilig bezeichnete, weil die heile Welt ja gar nicht bedroht sei und deshalb ja eigentlich gar nichts abginge. Im Zeitalter der Superlative genügen einfache Piraten nicht mehr für den gewünschten Kick.

Abgesehen davon ist es auch in diesem Fall einer Fortsetzung nicht gelungen, nahtlos an das Original anzuschließen. Mir scheint, diesen Punkt nehmen die meisten Autoren, die solche Fortsetzungen von Klassikern schreiben, etwas zu leicht.

Das fängt schon damit an, dass ein Ersatz für Hook gefunden werden musste, damit Peter Pan wieder einen Gegenspieler hat. Dieser Part wurde mit Ribello besetzt. Nur: Wie ist er als Erwachsener ins Nimmerland gekommen? Die Begründung, Indianer und Piraten wären ja auch Erwachsene und trotzdem in Nimmerland, zieht nicht. Im Original wird ganz deutlich, dass Wendy und ihre Brüder bei der Ankunft in Nimmerland Plätze wiedererkennen, die sie sich in ihren Spielen vorgestellt haben. Die Piraten und Indianer sind da, weil sie zum Spiel gehörten.

Das Gesetz, dass Erwachsene nicht nach Nimmerland kommen können, wurde auch noch an anderer Stelle aufgeweicht. So besagt Hooks Lebensgeschichte – die im Grunde zu Barries Andeutungen über den Kapitän recht gut passt – Hook sei von zu Hause ausgerissen und nach Nimmerland gekommen, weil seine Mutter ihn am Tag der Sportwettkämpfe aus Eton weggeholt habe. Wer in Eton zur Schule geht, ist mindestens dreizehn Jahre alt, also eigentlich schon zu groß, um Nimmerland zu erreichen. Und dann erst all die erwachsenen Frauen, die im Labyrinth der Reue nach ihren verlorenen Kindern suchen …

Trotzdem hat die Autorin letztlich dafür gesorgt, dass die Frage um Ribellos Anwesenheit sich anderweitig erklärt. Dass sie dafür einen Toten quasi wiederbeleben beziehungsweise auf Umwegen eine Erklärung für sein Nicht-Tot-Sein konstruieren musste, hat sie offenbar nicht gestört.

Umständlich auch die Sache mit Peters Verwandlung, nachdem er Hooks Piratenrock angezogen hat. Im Grunde wurde das alles gut beschrieben, gewundert hat mich nur, dass Peter sozusagen als Wünschelrute benutzt wurde. Indem er immer mehr Hook ähnlich wurde, führte er Ribello zu Hooks Schatz. Dabei hätte Ribello doch nur den Rock selbst überstreifen müssen …

Des Weiteren schneidet Ribello den Kindern beim Ersteigen der Nimmerspitze die Schatten ab. Später wird er zugeben, er habe das getan, um sie am Fliegen zu hindern, denn ohne Schatten könnten sie trotz Feenstaub und schöner Gedanken nicht fliegen. – Ich frage mich nur, wie Peter es dann im Original geschafft hat, zu Wendy ins Zimmer zu fliegen, um seinen verlorenen Schatten zurückzuholen!

Am auffälligsten war aber auch hier wieder die Veränderung an Peter, und zwar die Veränderungen, die bereits vor seinem ersten Anprobieren von Hooks Rock vorhanden waren: Er, der laut Original bereits innerhalb eines Jahres nach Wendys Heimkehr sowohl Hook als auch Tinkerbell vergessen hatte, erinnert sich bei der Ankunft der „Alten Jungs“ in seinem Baumhaus an Tinkerbell und Nana! An Wendy erinnert er sich dafür nicht, obwohl er laut Original erst ihre Tochter Jane und später ihre Enkelin Margaret als seine Mutter ins Nimmerland holte. Seine Manieren sind nicht mehr vorhanden, weil er laut diesem Buch ja keine Mutter hatte, um welche zu erlernen, während er im Original durchaus Manieren hatte, abgeschaut von den Feen.

Sehr schön fand ich dagegen die Bilder zwischen den einzelnen Kapiteln in Form von Scherenschnitten. Auch das Lektorat war angenehm fehlerfrei.

_Resümee:_

Mit der Wahl von Geraldine McCaughrean als Autorin der Fortsetzung zu Peter Pan wurde – zumindest laut Klappentext – der Anspruch der Stiftung deutlich, „ein anspruchsvolles literarisches Werk zu schaffen, das selbst einmal zum Klassiker avancieren wird.“ Also, nach meinem Dafürhalten wird das Buch diesem Anspruch nicht gerecht. Entgegen der Aussage des Klappentextes habe ich im Gegenteil den ursprünglichen Zauber Nimmerlands ziemlich vermisst. Der Fortsetzung fehlt jegliche Leichtigkeit und Fröhlichkeit, die Barries Geschichte auszeichnet, stattdessen wirkt sie düster und muffelig.

Dabei waren die Ideen nicht unbedingt alle schlecht. Vor allem die Idee des „Kleider machen Leute“, nach der jeder sich zu demjenigen verändert, dessen Kleider er trägt, hat mir im Grunde gut gefallen, und das nicht nur, weil sich daraus so witzige Details ergaben wie jenes, dass Tootles plötzlich ein Mädchen ist. Sie waren nur nicht konsequent durchdacht. So hätten zum Beispiel die Jungs, die ebenfalls in Piratensachen geschlüpft waren, zu den jeweiligen Piraten werden müssen.

Was ebenfalls fehlt, ist das Happy-End, das eigentlich unbedingt zu einem Abenteuer kindlicher Fantasie gehört. Obwohl Peter Pan am Ende wieder er selbst ist – mit den genannten Einschränkungen außerhalb vom Einfluss des Rocks -, und das Nimmerland sich am Ende wieder regeneriert – auf welche Weise eigentlich? – kann man nicht sagen, dass die Kinder die Schlacht wirklich gewonnen hätten. Nicht nur, weil Ribello entgegen Wendys Erwartung nicht gestorben ist. Es fehlt der triumphale Abschluss, wie er im Original dadurch gegeben war, dass Hook letztlich vom Krokodil gefressen wurde.

Im Übrigen stellt sich mir auch hier wieder die Frage, ob es wirklich dieser Fortsetzung bedurft hätte. Wie in fast allen Fällen hat sich auch hier die Hoffnung nicht erfüllt, etwas Besonderes zu wiederholen. Wenn das so einfach wäre, wären diese besonderen Dinge ja nicht so besonders. Manches lässt sich einfach nicht wiederholen, und es trotzdem zu versuchen, trübt nur den Zauber, den das Besondere bis dahin durch seine Einzigartigkeit besessen hat. Ich glaube nicht, dass die Stiftung Sir Barrie mit dieser Fortsetzung einen Gefallen getan hat. Zumal er selbst seine Geschichte eigentlich endgültig beendet hat, nicht nur mit Hooks Tod, sondern auch mit einem eigenen Ausblick in die Zukunft: |“Wenn Margaret erwachsen ist, wird sie auch eine Tochter haben, die dann wieder Peters Mutter wird, und so wird es immer und immer weitergehen, solange Kinder fröhlich, unschuldig und herzlos sind.“|

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[Verlagsspezial]http://www.randomhouse.de/specialskids/peter__pan_2/

Walker, Hugh – Magira – Die Ufer der Wirklichkeit

Band 1: [„Die Welt des Spielers“ 2141
Band 2: [„Die Macht der Finsternis“ 2219
Band 3: [„Die Stadt der Götter“ 3267

|Handlungsabriss|

Bereits am Ende des ersten Bandes wurde die Gruppe, die sich im Laufe der Handlung um die Priesterin Ilara und ihren Entführer Thuon zusammengefunden hatte, wieder auseinandergerissen. Thuon, der Zwerg Thauremach und Frankari waren danach erst einmal in der Versenkung verschwunden.

Während Thorich sich vor dem drohenden Krieg nach Kanzanien davongemacht und dort seine eigenen Abenteuer zu bestehen hat, ist Thuon mit dem in einer Spielfigur eingeschlossenen Frankari und dem Syrinx spielenden Zwerg nach Magramor zurückgekehrt, wo sich die Armeen Wolsans auf den Krieg vorbereiten. Frankari will versuchen, über Pele, Bruss‘ Vater, an Mythan d’Sorc heranzukommen. Tatsächlich lädt Pele die drei zu einem Mahl ein, zu dem auch der Mythane geladen ist. Dieser erklärt sich bereit, Frankari seine Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen, gegen einen Blick in Frankaris Gedanken, denn er spürt, dass Frankari nicht aus Magira stammt. Frankari ist das nicht sonderlich recht, er sträubt sich. Doch sein Versuch, sich mittels Magie zu wehren, hat ungeahnte Folgen …

Thorich ist derweil wieder einmal auf der Flucht, diesmal vor den Reitern der Finsternis. Er hat in der „Realität“ eine Spielfigur vom Brett geklaut, die, in der seine geliebte SayaTar verschwunden ist. Thorich hofft, sie so vor dem Tod bewahren zu können. Doch mit seiner Tat hat er eine Variable ins Spiel gebracht, und sofort findet sich auch jemand, der sich dies zu Nutze machen will. Als der Autor sich mit seinen Freunden ans Spielbrett setzt und zu würfeln beginnt, muss Thorich bald erkennen, dass er mit seinem Diebstahl weder TayaSar, noch sich selbst, noch seinem „Gott“ einen Gefallen getan hat …

|Charakterwege|

Etwas zur Charakterzeichnung zu sagen, kann ich mir diesmal getrost schenken, denn es kommt nur eine einzige neue Figur vor, die über die Funktion eines Statisten hinausgeht, und das ist der Mythane des kanzanischen Königs namens Elmuciron. Da er aber in jeder Hinsicht der typische Mythane ist, gibt es eigentlich nichts weiter über die Person als solche zu erzählen.

Mit der Funktion des Charakters sieht es schon ein wenig anders aus: Eine Zeit lang dachte ich, er sei eine neue Verkörperung von Laudmann. Gewundert hätte mich das nicht. Sowohl Thuon als auch Thorich waren mehr als einmal tot und kamen doch wieder zurück; Frankari hat sich sogar in zwei Persönlichkeiten gespalten, was wiederum relativ ist, wenn man bedenkt, dass Laudmann alias Frankari auch nur eine Facette des Autors ist; da wäre es auf eine wundersame Befreiung Laudmanns aus seiner vom Autor aufgezwungenen Verbannung auch nicht mehr angekommen.

Im Verlauf des Spiels zeigte sich jedoch, dass ich Unrecht hatte, was nicht heißen soll, dass die tatsächliche Entwicklung der Geschichte weniger wundersam wäre als ein erneutes Auftauchen Laudmanns. Die Züge des Falken sind Laudmann ziemlich ähnlich. Vielleicht ist der Unterschied ja auch rein definierender Natur, denn was sich im Zusammenhang mit Elmuricon und dem Falken abspielt, gehört ebenso in den Bereich der Phantasie wie Laudmann. Fast scheint es, als wäre Hugh das Spiel ohne einen adäquaten Gegenspieler, wie Laudmann ihn darstellte, zu langweilig.

|Verwirrungen|

Wir befinden uns also immer noch in einem Duell, diesmal zwischen Hugh, der als König von Wolsan den Löwen verkörpert, und dem Falken, dem Spieler, dessen Volk die Kanzanier sind. Im Grunde ist dieses Duell ebenso wie das gegen Laudmann lediglich eines, das im Kopf des Autors stattfindet, sozusagen Entwürfe von Szenen, zu denen ihn das reale Spiel inspiriert, und die er später als Teil der Geschichte niederschreiben könnte. Tatsächlich macht sich der Autor während des Spiels sogar Notizen dazu. Der Leser muss allerdings selbst herausfinden, welches Spiel das reale ist und welches das erfundene! Indiz ist auch diesmal wieder das schwarze Hexagon auf dem Wohnzimmerteppich. Und nicht nur, dass der Leser zwischen realem und erfundenem Spiel unterscheiden muss, es scheint auch, dass der Autor sich selbst ebenfalls noch einmal geteilt hat, so wie es mit Frankari geschah. Jetzt haben wir nicht nur den Autor namens Hugh, sondern auch noch ein Ich!
Ehrlich gestanden wurde es mir an diesem Punkt doch etwas zu unübersichtlich!

Das betraf nicht nur die Fülle an Personen, die eigentlich nur bestimmte Teile einer einzigen Person waren, sondern auch die Handlung.
Allmählich verging mir die Lust, den häufigen und extrem sprunghaften Wechseln in Ort und Geschehen zu folgen. Das mag auch an dem etwas unzusammenhängenden Erzählstil liegen. Walker hält sich nicht mit Erklärungen auf. Es wird hauptsächlich berichtet, was geschieht. Warum etwas geschieht, dafür muss der Leser selbst plausible Gründe finden. Dabei wäre die Geschichte auch ohne diese zusätzlichen Unklarheiten schon irritierend genug. So fragte ich mich zum Beispiel, warum die Reiter der Finsternis – deren Aufgabe unter anderem die Trennung von Realität und Phantasie ist – zwar dafür sorgten, dass Frankari aus Magira verschwand, Hugh aber dort ließen. Schließlich hatte der dort eigentlich auch nichts zu suchen!

Fast scheint es, als hätte die Verwirrung auch vor Walker nicht ganz Halt gemacht. Vielleicht ging es ihm tatsächlich so, wie er es Hugh in den Mund gelegt hat, dem seine Figuren langsam ziemlich auf die Nerven gingen, und er hat sich deshalb am Ende zu einem solch radikalen Rundumschlag hinreißen lassen. Mir war es nicht unrecht. Eine noch weiter fortschreitende Vermischung von Fiktion und Wirklichkeit hätte wahrscheinlich dazu geführt, dass die Geschichte völlig chaotisch und unverständlich geworden wäre. Und die Protagonisten waren mangels charakterlicher Entwicklung allmählich auch ziemlich abgenutzt. Da die bisherige Handlung ausschließlich in den Ländern von Löwe und Falke spielte, hätten die Länder der übrigen Spieler – Adler, Wolf und Einhorn – wohl noch Stoff für weitere Geschichten hergegeben. Aber ohne die Faszination, die aus dem Verwischen der Grenzen zwischen Realität und Phantasie entstand, kämen vermutlich nur ein paar weitere kleine Abenteuerchen heraus, wie Thorich sie in Kanzanien erlebt hat, ehe er durch das geöffnete Tor auf die Waage der Welt gelangte. Insofern war es eine gute Idee, den Zyklus hier enden zu lassen.

_Insgesamt betrachtet_ fand ich |Magira| interessant und lesenswert, was vor allem am philosophischen Aspekt lag, ohne den die diversen Abenteuer der Helden eher etwas flach gewirkt hätten. Ich kann allerdings nicht sagen, dass es Spaß gemacht hätte, den Zyklus zu lesen, dafür war er vor allem gegen Ende einfach zu anstrengend. Interessenten würde ich auch empfehlen, keine zu großen Pausen zwischen den einzelnen Bänden einzulegen. Größere Abstände, in denen man womöglich wichtige Details des Gelesenen vergisst, machen den ohnehin unübersichtlichen Handlungsverlauf noch verwirrender.

Was die Arbeit von |Bastei Lübbe| angeht, so muss ich sagen: Das Lektorat hätte besser sein können. Da steckt noch Verbesserungspotenzial drin. Auch waren bei den letzten beiden Bänden zwischen den Seiten feine Papierfitzel verstreut, die offenbar beim Schneiden des Papiers abgefallen und an den Blättern hängen geblieben sind, sodass ich immer wieder pusten oder wischen musste. Vielleicht braucht die Schneidemaschine mal eine neue Klinge.

_Hugh Walker_ heißt eigentlich Hubert Straßl und ist gebürtiger Österreicher. Beim Aufstieg der Fantasy zum populären Literatur-Genre war er von Anfang an dabei, nicht nur als einer der Erfinder des „ewigen Spiels“, sondern auch als Herausgeber eines Fan-Magazines und Gründer des ersten deutschen Fantasy-Klubs, sowie als Autor eigener Romane und Herausgeber der Taschenbuch-Serie „Terra Fantasy“. Sein |Magira|-Zyklus ist in der hier rezensierten Ausgabe von |Bastei Lübbe| nach dreißig Jahren erstmals vollständig erschienen.

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Walker, Hugh – Magira – Die Stadt der Götter

Band 1: [„Die Welt des Spielers“ 2141
Band 2: [„Die Macht der Finsternis“ 2219

Thorich ist es tatsächlich gelungen, zusammen mit TayaSar, der Schwester des Fürsten von Sambun, nach Blassnig zu entkommen, der Stadt der Götter. Nach Thorichs bisherigen Erfahrungen mit Magiras Götterwelt stellt sich allerdings die berechtigte Frage, ob man die Ankunft in einer solchen Stadt tatsächlich als Entkommen werten kann, und prompt ist es so, dass die beiden Flüchtlinge vom Regen in die Traufe geraten. Und wieder einmal wird Thorich der Vorschlag gemacht, das eigene Leben zu erkaufen: Er soll das Lager der Hazzoni aufsuchen, die mit einer kleinen Streitmacht nur wenige Meilen entfernt von der Stadt lagern und auf Verstärkung warten. Mit der Verstärkung wird auch der Bruder des Heerführers im Lager eintreffen. Thorichs Aufgabe besteht darin, diesen Bruder zu entführen und nach Blassnig zu bringen.

Wohl oder übel macht Thorich sich auf den Weg. Doch innerhalb kürzester Zeit geht so ziemlich alles schief, was nur schiefgehen kann …

Genau genommen bietet all dies dem Leser nicht unbedingt etwas Neues. Die einzige Ausnahme dürfte die Tatsache darstellen, dass Thorich sich überraschend etwas zu sehr verliebt hat. Aber wie der Autor schon selbst sagte: Es war eine Motivation nötig, um all den Verwicklungen nicht einfach den Rücken zu kehren.

Auch die neu aufgetauchten Charaktere geben nicht wirklich viel her: Die Priester sind wie überall in Magira mehr oder weniger fanatisch und machtgierig und außerdem recht schnell von der Bildfläche verschwunden. Das gilt auch für das mythanische Halbblut, das dem Stadthalter von Klanang als Berater dient. Nicht einmal Thorichs Gefährten erhalten irgendwelches Profil. Sie alle sind nur Statisten. Die eigentlichen Hauptpersonen sind Laudmann und Hugh, der Autor.

Je weiter die Dinge sich entwickeln, desto mehr verlagert sich der Blickwinkel weg von den Charakteren der Welt Magira hin zu Laudmann und Hugh. Ihr philosophischer Disput über die Existenz der Finsternis und Laudmanns Fähigkeiten wird immer mehr zu einem ernsthaften Konkurrenzkampf, ihr Gerangel darüber, wie die Handlung der Geschichten sich entwickeln soll, immer mehr zu einem zähen Ringen um die Oberherrschaft über Magira. Das führt so weit, dass plötzlich nicht nur Laudmann in Magira auftaucht, sondern auch Hugh, wenn auch nicht in einem eigenen Körper, und dass Laudmann an der Schreibmaschine sitzt, und nicht der Autor!

Der Effekt ist ein ganz eigenartiger. Während in anderen Fantasybüchern die Geschichte meist aus Sicht der Figuren erzählt wird, oft in einer Form, die gegen Ende hin die Einsicht derselben immer mehr weitet, bis auch die weltlenkenden Götter mit einbezogen sind und manchmal am Ende sogar die Gründe für ihr Tun und Wirken erläutern, ist es hier so, dass man die Geschichte aus der Sicht der Götter miterlebt. Nicht aus Sicht von Äope oder Beliol, sondern aus Sicht derjenigen, die tatsächlich die Ereignisse dieser speziellen Welt lenken. In den ersten beiden Bänden wird das nicht so deutlich spürbar, aber spätestens ab Band drei wird dem Leser klar, dass er hier über einen Krieg der Götter liest, und zwar aus Sicht der Götter, während diejenigen, die die Abenteuer eigentlich erleben, fast an den Rand gedrängt werden. Dass der so mächtig gewordene Gegenspieler des Autors nicht in die Realität gehört, setzt der ganzen Sache die Krone auf!

Eigentlich hätte ich schon früher darauf kommen müssen, denn bereits das schwarze Sechseck im Wohnzimmer des Autors war ein klares Indiz dafür, dass das auf der Ebene der Realität geschilderte Geschehen nicht unbedingt immer real ist. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion waren von Anfang an unklar, die zusätzliche Fiktion auf der sogenannten Ebene der Realität macht es nicht gerade einfacher. Aber viel interessanter!

Der Autor trägt seinen Gegner mit sich herum. Jemanden, dem er nicht traut, der aber offenbar immer mehr die Oberhand gewinnt. Es ist, als hätte er ein kleines Teufelchen im Nacken, das ihn immer und immer wieder und immer mehr zu einer Art von Unfug anstachelt, mit der der Autor zwar einerseits aus Neugierde liebäugelt, die er aber ohne dieses Teufelchen niemals anfassen würde! Letztlich lässt er sich verführen. Und jetzt muss er den Kampf im Herrschaftsgebiet seines Herausforderers aufnehmen! Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen …

Wie zu erwarten, waren die Szenen, die im Reich der Finsternis und auf der Waage der Welt spielen, wieder am schwierigsten zu lesen. Der rasche Wechsel von unwirklichen und zusammenhanglosen Bildern erzeugt trotz aller Konzentration ein gehöriges Maß an Verwirrung, sodass ich am Ende Thorichs Erleichterung darüber, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, nur teilen konnte.

Ich fand das Buch nicht unbedingt spannend. Spannungsbogen und Charakterzeichnung bleiben zugunsten der ausufernden Rivalitäten zwischen Laudmann und dem Autor auf der Strecke. Angesichts dessen, wie sich das Verhältnis der beiden Hauptakteure zueinander entwickelt, habe ich allerdings weder Spannung noch intensive Charakterzeichnung sonderlich vermisst. Der philosophische Aspekt sowie die Frage nach Laudmanns tatsächlicher Identität füllen das Buch zur Genüge aus.

Nach diesem dritten Band bin ich wirklich neugierig, wie die Geschichte ausgehen wird. Seit es den Autor in seine Phantasiewelt verschlagen hat, gibt es nahezu keine Trennung mehr zwischen den Handlungssträngen auf Magira und in der Realität, die Ereignisse auf beiden Ebenen wurden zu einer einzigen Geschichte. Und weit mehr als all die kleinen Abenteuerchen Thuons und seiner Gefährten interessiert es mich, wer letztlich die Oberhand behält, Laudmann oder der Autor, und wie er die Entwicklung zu seinen Gunsten hinbiegen wird.

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Kirstein, Rosemary – Sprache der Macht, Die (Die Expedition der Steuerfrau 4)

Band 1: [„Das magische Juwel“ 2183
Band 2: [„Das Geheimnis des Saumländers“ 2200
Band 3: [„Der verschwiegene Steuermann“ 2492

|Entwicklungen und Charaktere|

Nach den Ereignissen in Alemeth ist Rowan nach Donner zurückgekehrt, jene Stadt, in der sie beinahe einmal dem Anschlag einer Drachenhorde erlegen wäre. Sie will herausfinden, was es mit den Ereignissen auf sich hatte, die eine Steuerfrau namens Latitia in ihrem Logbuch vermerkt hat, nämlich mit dem Tod von Kieran, dem Vorgänger des jetzigen Magus von Donner namens Jannik.

Obwohl es zunächst scheint, als bestünde keine allzu große Gefahr, da Jannik nicht in der Stadt weilt, ist sie extrem vorsichtig. Und schon bald stellt sich heraus, dass diese Vorsicht nicht unbegründet war. Denn zwei von drei verdächtigen Personen stellen sich als Spione heraus. Einer allerdings entpuppt sich zu Bels und Rowans Verblüffung als Willam, jener junge Bursche, den sie als Lehrling von Corvus, dem Magus von Wulfshafen, zurückgelassen hatten. Und er hat einen geradezu abenteuerlichen Plan, um herauszufinden, warum der Leitstern abgestürzt ist: Er will nach unterschlagenen Aufzeichnungen aus jener Zeit suchen – in Janniks Haus!

Willam hat sich seit seinem letzten Auftauchen ziemlich entwickelt, was kein Wunder ist, denn es sind seither nicht nur mehrere Jahre vergangen, er hat auch eine Menge gelernt. Er ist selbstsicherer geworden in dem Sinne, dass er seine eigenen Fähigkeiten sehr genau kennt, und im Zusammenhang damit auch selbstständiger, fähig, auch unter Druck eigene Entscheidungen zu fällen und das Vorgenommene durchzuziehen. Was ihm allerdings geblieben ist, sind sein Dickschädel und seine eigene Art, die Dinge zu betrachten. Bels Befürchtung, er könnte zu einem skrupellosen Handlanger der Magi werden, hat sich nicht bestätigt.

Rowan stößt in Willams Gegenwart zum ersten Mal an ihre Grenzen. Als Steuerfrau ist sie natürlich wissbegierig, die Magie ist ihr jedoch so fremd, dass sie Willams Erklärungen nur mit Mühe folgen kann, obwohl er sichtlich bemüht ist, die Vorgänge auf einfache Weise zu beschreiben und verständliche Begriffe zu benutzen. Aber Rowan wäre keine Steuerfrau, wenn sie sich dadurch entmutigen ließe, und schließlich gelingt es ihr, Gemeinsamkeiten zu ihrer eigenen Denkweise zu erschließen.

Bel dagegen hat sich kein bisschen verändert. Das Erste, was ihr zu Willams Vorhaben, bei Jannik einzubrechen, einfällt, ist, ob dort auch herauszufinden sei, wo Slado seine Domäne hat, damit sie hingehen und ihn umbringen kann. Sie hat das Grauen, das der Leitstern bei ihrem letzten Aufenthalt im Saumland über die Menschen dort gebracht hat, noch nicht vergessen. Für ihre unkomplizierte Art ist ein unerwarteter Überfall auf Slados Person nicht nur die direkteste Art, Rache zu üben, sondern auch die einfachste Methode, die gesamte Angelegenheit endgültig zu beenden.

Aber natürlich ist die ganze Sache nicht so einfach, wie Bel sie gerne hätte, und das nicht nur, weil niemand Slados Aufenthaltsort kennt.
Zum einen findet Rowan bei ihren Nachforschungen heraus, dass Kierans Lehrling Slado hieß, außerdem stößt sie auf merkwürdige Ungereimtheiten, die letztlich zu der Erkenntnis führen, dass der Magus offenbar von einem Tag auf den anderen zu einem völlig anderen Menschen wurde, ohne dass jemand dafür einen Grund nennen kann.

Zum anderen ist Jannik unerwartet früh nach Hause zurückgekehrt. Und es ist nicht gerade einfach, in das Haus eines Magus einzubrechen, alles nach den gewünschten Informationen zu durchsuchen und wieder spurlos zu verschwinden, wenn man lediglich drei Stunden Zeit hat und nicht sicher sein kann, ob das Ablenkungsmanöver lange genug wirkt …

|Eindrücke und Betrachtungen|

In diesem vierten Band von Kirsteins Steuerfrau-Zyklus kommt die Magie zu Wort, und das massiv. Nachdem im ersten und zweiten Band lediglich einige Andeutungen gemacht wurden und der dritte sich mit den Dämonen als Hauptthema fast völlig auf die Fantasy-Seite stützte, geht es diesmal fast ausschließlich um die Magi, vornehmlich Kieran, Slado und Jannik. Das hat einige höchst angenehme Auswirkungen.

So hat der Leser endlich wieder einmal das Gefühl, dass sich bei der Lösung des Geheimnisses etwas bewegt. Nicht, dass die Autorin tatsächlich etwas verraten hätte! Denn keiner der Beteiligten kann mit den ergatterten Informationen etwas anfangen. Aber immerhin wurden Informationen ergattert. Und dabei kamen Protagonisten und auch der Leser gehörig ins Schwitzen! Nach dem etwas beschaulicheren Anfang, der sich hauptsächlich der Erforschung von Kierans Verhaltensänderungen widmete, kam die Handlung mit der Einleitung des Ablenkungsmanövers allmählich in Fahrt. Kaum haben die Protagonisten die Sache mit den Drachen hinter sich, finden sie sich in einer brenzligen Situation Jannik gegenüber, nur um kurz darauf beim Einbruch in Janniks Haus in Todesgefahr zu geraten …

Auch fand ich die Beschäftigung mit dem, was in Kirsteins Welt die Magie darstellt, weit angenehmer als die mit den Dämonen. Wer es bisher noch bezweifelte, sieht sich spätestens in diesem Band der Tatsache gegenüber, dass es sich bei dem, was Rowan als Magie bezeichnet, schlicht um Technik handelt. Der Leser hat in den vorhergehenden Bänden bereits die flüchtige Bekanntschaft von Sprengstoffen und Kabeln sowie mechanischen Spieluhren gemacht. Diesmal bekommt er es mit Hightech zu tun. Das, was Willam da an Janniks Schreibtisch tut, ist schlicht und ergreifend Hacking. Dass die Fenster sich hier nicht innerhalb eines Bildschirms öffnen, sondern einfach als Lichtquadrat in der freien Luft, verleiht der Darstellung schon fast einen Touch von Science-Fiction.

Ein wenig seltsam erschien mir, dass Willam in der Lage war, auf das Netzwerk zuzugreifen, obwohl gerade ein neues Update eingespielt wurde, aber da ich von Computern nicht wirklich Ahnung habe, bin ich nicht sicher, ob das wirklich einen logischen Bruch darstellt. Ich muss auch ehrlich gestehen, dass mich das in diesem Moment nur wenig kümmerte! Die Spannungskurve hat an dieser Stelle ihren Höhepunkt erreicht. Der Kniff, dass dem Helden bei seinem Tun die Zeit davonläuft, ist ja nicht neu. Der Autorin ist es aber gelungen, den Leser durch die zunehmende Konzentration des Blickwinkels auf Willam gewissermaßen in Rowans Rolle hineinzuziehen und ihn damit sozusagen direkt ins Geschehen zu holen. Es war fast eine Erlösung, als Willam endlich Hals über Kopf mit Rowan aus dem Haus stürzte, ohne auch nur zu versuchen, die Spuren seines Eindringens zu verwischen!

|Insgesamt|

Bleibt zu sagen, dass der vierte Teil des Zyklus am Ende der Lektüre ein weit zufriedeneres Gefühl hinterließ als seine Vorgänger. Die Charakterzeichnung blieb bei allen Personen außer den drei Hauptfiguren skizzenhaft, was aber nicht störte, da sie im Grunde nur als Informationsquellen von Bedeutung waren und ansonsten keine Rolle spielten. Dafür bot dieser Band eine allmählich aber ständig steigende Spannung und ein paar neue Puzzleteile zum Knobeln. Zwar blickt der Leser bei weitem noch nicht durch, wie all die Schnipsel zusammengehören mögen, aber einige Antworten darauf dürften im nächsten Band zu finden sein. Zum ersten Mal, seit ich an diesem Zyklus lese, bin ich wirklich gespannt auf die Fortsetzung.

|Die Autorin|

Rosemary Kirstein ist Amerikanerin und hat schon in den unterschiedlichsten Berufen gearbeitet. Außerdem ist sie in der Folk-Szene aktiv, spielt Gitarre und singt. Die einzelnen Bände ihres Zyklus |Die Expedition der Steuerfrau| sind mit teilweise erstaunlichem zeitlichem Abstand entstanden. Leider waren keine Informationen zu einem fünften Band zu finden, und im Hinblick auf die Zeiträume zwischen den bisherigen Veröffentlichungen könnte das auch noch eine Weile dauern.

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Trugenberger, Luca – magische Dorn, Der (Die Wege des Drachen 1)

Wenn die Einwohner von Waelton nicht seit langem schon wüssten, dass Kinder mit roten Haaren grundsätzlich ein wenig seltsam sind, dann hätten sie es spätestens im Zusammenhang mit Damlo Rindgren herausgefunden. Damlo scheint sogar noch eine ganze Portion seltsamer zu sein! Denn im Gegensatz zu allen anderen Rothaarigen in Waelton hat er den ersten Krampfanfall, den diese Kinder mit spätestens sieben oder acht Jahren bekommen, überlebt. Inzwischen ist er fast vierzehn, beinahe erwachsen, und treibt seine Tante Neila mit seiner chronischen Unpünktlichkeit und seinen Träumereien schier in die Verzweiflung.

Damlo selbst erhofft sich von seinem vierzehnten Geburtstag, dem Tag, an dem er erwachsen wird, eine radikale Verbesserung seiner Lage. Er glaubt, die Legion – eine Bande gleichaltriger Jungs, die mit ihm zur Schule gehen und ihm ständig auflauern, um ihn zu verprügeln – wird ihn dann endlich als gleichberechtigt anerkennen, ihn sogar in ihre Reihen aufnehmen. Ein fataler Irrtum mit überraschenden Folgen! Denn als Damlo nach einer weiteren der immer wiederkehrenden Verfolgungen die Augen wieder öffnet, liegt er auf dem Karren zweier Fremder mit gefesselten Handgelenken und einem Verband um den Kopf …

Damlo ist der typische Provinzler, der unerwartet und gegen seinen Willen in ein Abenteuer stolpert. Trotzdem ist der Junge ein äußerst sympathischer Zeitgenosse, unter anderem deshalb, weil er offen zugibt, Angst zu haben. Damlo ist ein Feigling, daran führt kein Weg vorbei, und wenn er sich auch noch so sehr dafür schämt. Immer wieder stellt er fest, dass er in Augenblicken der Gefahr kläglich versagt, dass ihm die Knie weich werden, die Stimme streikt und ähnliche Peinlichkeiten. Umso verwunderlicher, dass ihn gelegentlich geradezu der Übermut reitet und er dann die erstaunlichsten Dinge zustande bringt. Schon bald ist dem Leser klar, dass Damlo noch weit seltsamer ist, als die Waeltoner sich träumen ließen. Doch Damlo ist sich seiner Fähigkeiten nicht bewusst. Bisher errang er all seine Siege nur in seiner geradezu überschäumenden Fantasie.

Immerhin zeigt sich, dass Damlo nicht dumm ist. Nachdem er auf seiner unfreiwilligen Reise die Bekanntschaft der Zwerge Clevas und Irgenas gemacht hat, fängt er an, seine Umgebung zu beobachten. Und er lernt schnell.

Clevas und Irgenas macht es offenbar Spaß, dem Jungen die Welt zu erklären. Auch wenn sie eigentlich äußerst ernste Angelegenheiten zu erledigen haben, bleibt ihnen immer Zeit für gutmütige Neckereien und Scherze. Der alte Clevas nutzt jeden noch so kleinen Anlass, um laut lamentierend den Beleidigten zu spielen, und Irgenas macht sich einen Spaß daraus, ihm regelmäßig solche Anlässe zu liefern. Was nicht heißen soll, dass die beiden harmlose Zeitgenossen wären. Immerhin sind sie Zwerge und als solche kampferprobt und zäh. In ihrer Begleitung nimmt Damlo den Kampf gegen Wolfsrudel und Räuberbanden auf, nicht ahnend, dass ihn bald noch weit größere Schwierigkeiten erwarten.

Denn über der Welt hängt ein Schatten, der die Zwerge mit ziemlicher Sorge erfüllt. Sie befürchten, der Fürst der Finsternis könnte einen neuen Ersten Diener gefunden haben und nun versuchen, im ewigen Kampf zwischen Gut und Böse erneut die Oberhand über die Welt zugewinnen. Und je weiter die Reisenden kommen, desto mehr erhärtet sich der Verdacht. Trolle und Orks scheinen unterwegs, geheimnisvolle Fremde mit schwarzen Degen tauchen auf und jemand will sogar einen Drachen gesehen haben, obgleich diese Tiere schon lange ausgestorben sind! Sollte sich der Verdacht der Zwerge bewahrheiten, gibt es nur eine Möglichkeit, das Unheil abzuwenden: Sie müssen den Ersten Diener finden und unschädlich machen!

Die Zutaten zu diesem ersten Band der Damlo-Saga scheinen vorerst alle dem Standard-Repertoire zu entstammen: Zwerge, Elfen, Trolle, Orks und Drachen sind der Fantasy-Leserschaft inzwischen so vertraut, dass diese sich wohl nicht einmal mehr wundern würde, wenn sie einem von ihnen auf der Straße begegnete. Es tauchen aber auch noch andere Wesen auf, die Damlo zunächst nur aus dem Augenwinkel verschwommen wahrnimmt und die er nur als unverständliches Raunen hören kann. Mit der Zeit werden diese Wahrnehmungen immer deutlicher. Man könnte die geheimnisvollen Geschöpfe als Naturgeister bezeichnen.

Trotz der gängigen Zutaten fand ich die Geschichte sehr gelungen. Die Charaktere besitzen trotz der engen Grenzen, die ihnen durch die Zugehörigkeit ihrer Rasse und ihre Rolle innerhalb der Handlung gesetzt sind, jeder ein persönliches Profil. Die Handlung wechselt gekonnt zwischen spannenden Momenten – wie im Kampf mit den Wölfen – und ruhigeren Passagen, die der Entwicklung von Damlos Persönlichkeit oder aber der Entstehung des Puzzles dienen. Denn wie so oft, ist es auch hier so, dass die alten Legenden, von deren Wahrheitsgehalt Damlo so überzeugt ist, von den Zwergen erst einmal ein wenig geradegerückt werden müssen. Der Spannungsbogen ist dadurch zwar nicht ununterbrochen straff gespannt, es wird aber auch niemals langweilig. Der augenzwinkernde Humor, der in den Neckereien der Zwerge, aber auch in der Dummheit der Räuber oder den Listen des Elfen Uwaen durchscheint, lockert das Geschehen auf.

Und in der Fortsetzung des Zyklus dürfte den Leser noch eine Menge Neues erwarten. Die Reisenden haben die Stadt erreicht, ein für Damlo vollkommen fremdes Pflaster. Abgesehen von den Schwierigkeiten, die allein damit einhergehen, tritt nun auch die Politik auf den Plan. Die Magie droht verstärkt eine Rolle zu spielen und das Rätsel um die schwarzen Degen muss gelöst werden. Jetzt fehlt nur noch ein hübsches Mädchen, das den armen Damlo vollends aus dem Konzept bringt!

Kurz und gut: ein liebenswertes und unterhaltsames Buch für Leser zwischen zwölf und neunundneunzig Jahren.

Luca Trugenberger lebt in Italien. Nach seinem Medizinstudium arbeitete er einige Zeit als Schauspieler, um dann doch wieder zur Medizin zurückzukehren. Heute ist er in Rom als Psychotherapeut tätig, doch die künstlerische Ader ist immer noch vorhanden. „Der magische Dorn“ ist sein erster Roman und war sofort erfolgreich. Der zweite Band der Damlo-Saga erscheint im Mai dieses Jahres unter dem Titel „Das Siegel des Schicksals“.

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Meyer, Kai – Buch von Eden, Das

Aelvin ist ein junger Novize und für seinen Stand ziemlich unternehmungslustig. Das sollte allerdings nicht heißen, dass er sich eine Reise in den Orient gewünscht hätte. Doch genau in eine solche Reise schlittert er hinein, als eines Tages ein Mann und ein Mädchen in seinem Kloster auftauchen. Der Mann ist der berühmte Albertus Magnus, das Mädchen eine junge Novizin namens Favola. Sie haben eine geheimnisvolle Pflanze bei sich, die Lumina. Sie soll aus dem Garten Eden stammen und die letzte ihrer Art sein. Albertus ist davon überzeugt: Sollte es gelingen, die Lumina an ihrem ursprünglichen Heimatort wieder einzupflanzen, würde das Paradies wieder neu erstehen und die Welt zu einem besseren Ort machen. Leider ist es so, dass der machtgierige Erzbischof von Köln das neu erstandene Paradies lieber in seinem Küchengarten hätte! Und schon wird aus der Reise in den Orient eine halsbrecherischen Flucht …

Sinaida ist eine Prinzessin. Ihre Schwester Doquz ist die Frau Hulagu Khans, des Bruders des Mongolenherrschers. Mit einem Heer von dreihunderttausend Mann belagern die Mongolen Alamut, die Burg der Nizari. Gegen diese Übermacht haben die Nizari, trotz ihrer ungewöhnlichen Fähigkeiten im Töten, keine Chance. Das wissen die Mongolen und auch die Nizari. Um sein Volk zu retten, bietet der Alte vom Berge dem Khan der Mongolen an, sich zu unterwerfen und die Mongolen die Kampftechniken der Nizari zu lehren. Eine politische Heirat zwischen dem Herrn der Assassinen und Sinaida soll den Pakt besiegeln.

Auf ihrem langen Weg von den mongolischen Steppen bis in die Elburzberge hat Sinaida genug Tod und Blutvergießen gesehen, und eine politische Heirat steht ihr ohnehin bevor. Also stimmt Sinaida zu, den Alten vom Berge zu heiraten. Zu ihrer eigenen Überraschung verlieben sich die beiden sogar in einander, und alles wäre in bester Ordnung. Gäbe es nicht Neid und Ehrgeiz und Verrat …

|Charakter-Reigen|

Es ist klar, dass es zwischen diesen beiden Handlungssträngen irgendwann einen Berührungspunkt geben muss. Doch Kai Meyer lässt sich Zeit damit. Erst im letzten Viertel des Buches treffen die Personen aus beiden Teilen aufeinander.

Die Gruppe, die aus den Eifelbergen Richtung Osten flieht, ist ziemlich seltsam zusammengesetzt:
ein alter Mönch, ein blinder Ritter, eine Taube, eine Wildkatze und ein Held, der davon nichts weiß. In Bagdad kommt noch eine Rachegöttin dazu.
Die Zusammensetzung als solche zieht ihre Absonderlichkeit hauptsächlich aus der Tatsache, dass ausgerechnet der Ritter blind ist, und ausgerechnet der Mönch der Anführer. Wobei man es vielleicht auch schon als Besonderheit ansehen kann, dass Albertus Magnus keinem der beiden sonst gern bemühten Klischees des mittelalterlichen Mönchs entspricht: er ist weder der fanatische Eiferer noch der väterliche Weise.

Abgesehen davon bleiben an Außergewöhnlichem hauptsächlich die Gaben der beiden Mädchen. Libuse kann das Erdlicht beschwören, eine magisches Licht aus Kraft und Wärme, das der Erde und den Bäume innewohnt. Favola hat – außer einer ungewöhnlichen Bindung zur Lumina – einen besonderen Sinn, der ihr bei Berührung anderer deren Tod zeigt. Zumindest glaubt sie das, aber davon später mehr. Im Übrigen zeichnen sich die Protagonisten eher durch Charakterschemata aus, die man bereits kennt und die durch die oben verwendete Typisierung bereits ausreichend beschrieben sind.

Weniger exotisch fallen die Gegner der Protagonisten aus:

Der eine ist ein Mann auf der Suche nach dem Garten Allahs. Außer dieser Suche scheint es in seinem Leben keine Leidenschaften zu geben. Aber für diese eine Sache ist er bereit, alles zu tun. Wobei man sagen muss, dass er sogar mehr tat als nötig. Zum Beispiel war es für die Erreichung seines Ziels völlig überflüssig, die Bibliothek in Bagdad zu zerstören. Von einem Mann, der gegen alles andere als seine große Leidenschaft so gleichgültig war wie dieser, hätte ich so viel Beachtung einer belanglosen Sache gar nicht erwartet.

Der nächste ist Gabriel, ein typischer Söldner. Sein einziger Ehrgeiz ist es offenbar, die Aufträge seines Herrn auszuführen und sich dessen Wohlwollen zu erhalten. Um sein Ziel zu erreichen, setzt er vor allem brutale Gewalt ein, um sich die Menschen gefügig zu machen. Und so ist es kein Wunder, dass er ausgerechnet denjenigen Mann am meisten fürchtet, dem er nicht mit Gewalt kommen kann: Oberon, den Nigromanten des Erzbischofs. Auch hierzu später mehr.

Außerdem gibt es am Rande noch einen Dritten. Aus Corax‘ Erzählung ist vor allem zu entnehmen, dass er einer von den Machtgierigen ist, zu hinterhältigen Methoden wie Erpressung und Bestechung neigend, und außerdem ein Lüstling. Sein Zusammentreffen mit Sinaida macht darüber hinaus eine ausgeprägte Eitelkeit deutlich, die sich in diesem Fall nicht auf Äußerlichkeiten bezieht, sondern auf Stellung und Ruf. Sinaidas Eindringen in den Palast bedeutet für ihn eine Blamage, deshalb lässt er die junge Frau im Haarem verschwinden und verschweigt ihre Warnung. Das hätte ihn selbst dann den Kopf gekostet, wenn er nicht so dumm gewesen wäre zu übersehen, dass seine größte Rivalin um die Macht, die Mutter des Kalifen, die Herrin über den Haarem ist! Denn die Mongolen hätten ihn in jedem Fall einen Kopf kürzer gemacht!

Diese Personenkonstellation zeigt schon ziemlich deutlich, dass hier keine allzu große Vielschichtigkeit gegeben ist. Von Anfang an ist klar, wer die Guten und die Bösen sind, und dabei bleibt es auch.

|Handlungsebenen|

Am meisten Bewegung bietet naturgemäß der Handlungsstrang um die Lumina, allein durch die Tatsache bedingt, dass Favola und ihre Gefährten unterwegs nach Osten sind. Die stetige Verfolgung durch die Schergen des Erzbischofs sowie die Bedrohung durch Räuberbanden sorgen dafür, dass die Reise turbulent bleibt. Die Erzählsicht wechselt unauffällig immer wieder mal, hauptsächlich zwischen Libuse und Aelwin, gelegentlich auch zu Favola. So werden die Gefühle aller Beteiligten sichtbar und plausibel, und die Entwicklung der Beziehungen zwischen den einzelnen Personen innerhalb der Gruppe bleibt objektiv.

Im zweiten Handlungsstrang um Sinaida geht es ruhiger zu, was auch daran liegt, dass der Gegner hier kein Wolf ist, sondern eine Spinne. Allerdings wechselt hier die Erzählsicht nicht. Von den Motiven und Absichten des Verräters erfährt man also nur aus Sinaidas Sicht. Das macht die Verfolgung des Komplotts einerseits ziemlich hautnah, man wird von der Entwicklung ähnlich überrascht wie die Protagonistin. Andererseits hinterlässt diese Vorgehensweise auch Lücken. So fragte ich mich zum Beispiel, wie der Verräter Hulagu davon überzeugen konnte, es seien Attentate auf ihn geplant gewesen, wenn er keinen Attentäter präsentieren konnte. Und wenn er einen präsentieren konnte, wo hat er ihn hergenommen? Wer von den Nizaris war wohl so verrückt, nach der Heirat ihres Herrschers mit der Mongolenprinzessin noch ein Attentat auf den Khan zu versuchen? Vielleicht hat der Autor diese Dinge bewusst im Dunkeln gelassen.

Was der Geschichte einen gewissen Pfiff verleiht, ist der Hauch von Fantasy, der sich gerade in Romanen über das Mittelalter sehr gut unterbringen lässt. Der Glaube der Menschen, der in vielen Dingen eher an Aberglaube grenzt als an Religiosität, bietet dafür die beste Grundlage.
Eine Legende über die Lumina habe ich bei meiner zugegebenermaßen kurzen Suche nicht gefunden. Dennoch bietet sie genau die Art Stoff, um die sich zu jener Zeit Wunder- und Aberglaube gerankt hätten!

Etwas weniger handfest als die Lumina ist die Schlange ausgefallen, die sich in Gabriel eingenistet hatte. Eine kurze Sequenz ziemlich weit hinten, als der Mann schon fast Bagdad erreicht hat, bietet einen ziemlich deutlichen Hinweis darauf, dass da jemand buchstäblich den Teufel im Leib hat, und zwar bereits in Regensburg. Oder ist der Kerl doch einfach nur wahnsinnig geworden? Denn wieso hätte die Schlange nach Gabriels Tod einfach verschwinden sollen? Das passt nicht ganz zu dem, was beim Kampf gegen die serbischen Räuber geschehen ist, wo es heißt, dass die Schlange ihre volle Präsenz nach Oberons Tod voll auf Gabriel übertragen hat. Wieso hat sie das nicht auch in Bagdad versucht? Fehlte ihr dafür ein Nigromant, wie Oberon einer war? Aber für ihren Wechsel von Oberon zu Gabriel hatte sie auch keinen, denn Oberon starb schließlich gerade! – Hier sind die Grenzen fließend und verwischt, und es bleibt dem Leser selbst überlassen, was er davon halten will.

Auch Favolas Todsicht, wie sie es nennt, bietet nichts, was man präzise benennen oder feststellen könnte. Das Problem mit dem Voraussehen der Zukunft und dem Eintritt der Voraussagen allein deshalb, weil sie bekannt waren, ist ein altbekanntes, vor dem auch Favola steht. Eine Antwort entzieht sich dadurch, dass das, was Favola über Aelvins Tod sieht, nicht eindeutig ist. Hat sie selbst sich durch ihre letzte Tat ihren Visionen entzogen, waren sie also doch nicht zwangsläufig? Oder war ihre Sicht von Aelvin einfach keine Todsicht, sondern etwas anderes? Aber warum etwas anderes, wenn es bei allen anderen eindeutig der Tod war, den sie gesehen hat?

Dieses Ausweichen in das Uneindeutige macht die Geschichte interessant. Hier geht es nicht um Fantasy, wo die Magie einen festen Bestandteil der Welt bildet und mehr oder weniger detailliert ausgebaut und plausibel erklärt wird. Hier geht es um Historie, und da wären Beweise und Plausibilität im Hinblick auf Magie eher ein Stilbruch. Insofern hat Kai Meyer genau die richtige Prise an Wundern erwischt, die der Geschichte zuträglich war und sie vor dem Austrocknen bewahrte, ohne sie damit zu überladen, wie [„Baudolino“ 776 damit überladen wurde.

Die sprachliche Gestaltung unterstützt diesen Hauch von Magie sehr gekonnt. Die Wortwahl ist nicht übermäßig poetisch, bringt aber – hauptsächlich in den ruhigeren Passagen – ein deutliches Bild mit viel Stimmung zustande.

|Unterm Strich| muss ich sagen, das Buch hat durchaus seine Momente. Die Spannung konnte sich trotz aller Turbulenzen allerdings nicht immer halten. Da die beiden so unterschiedlichen Handlungsstränge so lange getrennt bleiben, fragt sich der Leser irgendwann, was die beiden überhaupt miteinander zu tun haben. Es zieht sich ziemlich … Die Charaktere bleiben zwar menschlich – so hat Libuse trotz allen Zorns und aller Rachegelüste immer noch eine Heidenangst vor Gabriel, selbst als er gefesselt ist -, durch die starke Polarisation Gut-Böse verlieren sie jedoch an Tiefe und Echtheit. Und auch das Ende empfand ich als seltsam und etwas enttäuschend. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: Albertus wäre enttäuscht! Denn obwohl ihm Libuse und Aelvin berichteten, die Lumina sei gepflanzt und habe Blüten getrieben, ist das Paradies bis heute nicht wiedererstanden. Zumindest ist die Welt nicht besser geworden, wie Albertus es gehofft hat. Vielleicht wäre es im Hinblick darauf doch passender gewesen, die Lumina wäre nicht neu erblüht.

|Kai Meyer| hat mit vierundzwanzig Jahren seinen ersten Roman geschrieben. Seither hat er sowohl im Jugendbuchbereich als auch für Erwachsene zahlreiche Bücher veröffentlicht, unter anderem „Die fließende Königin“, die Wellenläufer-Trilogie und die Merle-Trilogie. Für [„Frostfeuer“ 2111 erhielt er den internationalen Buchpreis Corine. Sein neuestes Buch „Seide und Schwert“ ist der Auftakt zu einer neuen Trilogie, deren zweiter Band unter dem Titel „Lanze und Licht“ im Januar nächsten Jahres erscheinen soll. Zur Entstehung des „Buches von Eden“ hat der Autor eine Art Tagebuch geführt, das er auf seiner Homepage veröffentlicht hat.

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|Siehe ergänzend dazu auch unsere [Rezension 890 zur Hörbuchfassung.|

Trudi Canavan – Die Meisterin (Die Gilde der Schwarzen Magier 3)


The Empire of Stones

Band 1: Die Rebellin“
Band 2: Die Novizin“
Band 3: „Die Meisterin“

Sonea hat nach ihrem Zweikampf in der Arena tatsächlich Ruhe vor Regin. Dafür belasten sie andere Sorgen: Der Hohe Lord Akkarin gibt ihr Bücher über schwarze Magie zu lesen! Allein das wäre bereits ein Verbrechen, für das die Gilde sie ausstoßen könnte. Doch zu ihrer Überraschung erfährt Sonea bald darauf die Gründe für das Geheimnis des Hohen Lords. Das lässt nicht nur ihre Vorbehalten gegen ihn schwinden, sie besteht sogar darauf, ihn dabei zu unterstützen.

Doch die Gilde hat inzwischen Akkarins Geheimnis entdeckt. Sie werden nicht nur aus der Gilde ausgestoßen, sondern auch aus den Verbündeten Königreichen verbannt. Ihnen bleibt nur der Weg nach Sachaka, dem Land, von dem nicht nur Akkarin und Sonea die größte Gefahr droht, sondern auch der Gilde und den Verbündeten Königreichen. Als Akkarin und Sonea sich endlich zum Südpass durchgeschlagen haben und wieder kyralischen Boden betreten, um den König und die Gilde zu warnen, ist es bereits zu spät …

An neuen Charakteren kommen in diesem dritten Band nicht mehr viele dazu, und die meisten bleiben eine Randerscheinung.

Als Einzige nimmt Savara etwas mehr Raum ein. Sie ist eine Sachakanerin, die Cery Hilfe gegen die Mörder anbietet, die Imardin immer wieder von neuem unsicher machen. Warum sie das tut, oder wer genau sie ist, verrät sie nicht. Aber sie ist offensichtlich eine ausgebildete Magierin, und sie kann hervorragend kämpfen. Gleichzeitig besitzt sie durchaus einen gewissen Sinn für Humor, und nebenbei wickelt sie Cery gehörig um den Finger. Die Frage ist nur: Kann man ihr trauen?

Auch Cery nimmt durch Savaras Auftauchen wieder mehr Raum in der Geschichte ein. Er ist selbstbewusster geworden, gleichzeitig hat er sich weitgehend von seinen alten Gefühlen für Sonea gelöst, wenn er auch immer noch Freundschaft und Beschützerinstinkte besitzt.

Den größten Wandel im Charakter macht Regin durch. Nicht nur, dass er nach dem Duell geradezu zahm geworden ist; nachdem die mit Sonea verbündeten Diebe ihn vor den Sachakanern gerettet haben, entschuldigt er sich bei Sonea für sein früheres Verhalten. Mir kam es allerdings seltsam vor, dass er für Sonea plötzlich Mitleid empfand, nur weil sie monatelang sozusagen Akkarins Geisel war! Kann das allein all den Hass, den er zuvor ganz offensichtlich für Sonea hegte, einfach ausgelöscht haben? Immerhin hat er ihr nicht nur ein paar kleine, fiese Streiche gespielt, er hat sie richtig gequält, und zwar mit Inbrunst! Dieser Sinneswandel erschien mir dann doch etwas dick aufgetragen …

Die Handlung ist diesmal nicht mehr so deutlich zweigeteilt wie bisher. Zwar ist Dannyl auch diesmal wieder in Elyne unterwegs, doch das Ausheben einer kleinen Rebellengruppe erscheint im Vergleich zur Handlung um Sonea und Akkarin eher nebensächlich. Dafür teilt sich die Handlung nach der Verbannung des Hohen Lords und seiner Schülerin gleich in mehrere Stränge, die letztlich alle auf den „Showdown“ in Imardin zulaufen. Das gibt ein ziemliches Um-einander-herum-Gewusel oberhalb und unterhalb der Straßen Imardins, und natürlich bleibt es nicht aus, dass im Kampf gegen die Sachakaner immer wieder einer der Beteiligten in brenzlige Situationen gerät. In der Regel werden diese Bedrohungen jedoch rasch aufgelöst, was nicht heißen soll, dass alle mit heiler Haut davonkommen. Im Gegenteil hat die Autorin keine Skrupel, einige ihrer Sympathieträger zu opfern, was dafür sorgt, dass die Spannung der verschiedenen Scharmützel nicht einfach verpufft. Was ich allerdings nicht verstehen konnte: Warum wollte Akkarin die Schutzmagie der Arenakuppel nicht benutzen? In einem Kampf, der so auf Messers Schneide stand, sollte man doch erwarten, dass die Beteiligten jede Kraftquelle nutzen würden, derer sie habhaft werden konnten!

Wie dem auch sei: Der dritte Band ist der komplexeste und auch der spannendste der drei. Dass Sonea und Akkarin sich letztlich ineinander verlieben würden, war wohl unausweichlich, immerhin war er der geheimnisvollste und faszinierendste Charakter unter den Männern und sie aufgrund ihrer Herkunft und überdurchschnittlichen Kraft ebenfalls etwas Besonderes. Andererseits hat uns die Autorin dabei zu jeder Zeit jeglichen Kitsch erspart, insofern wirkte dieses Detail nicht störend.

Dafür ist mir ein anderer Knacks deutlich aufgefallen: Als Sonea ihre Tante und ihren Onkel besucht, erfährt sie zum ersten Mal von den Morden in der Stadt. Das wunderte mich doch ein wenig, da Sonea ja erst vor zwei Jahren in die Gilde eingetreten ist. Die Morde begannen aber laut Akkarin kurz nach seiner Ernennung zum Hohen Lord, und das war bereits fünf Jahre her. Für die innere Logik des Handlungsverlaufs ist das jedoch nicht weiter von Belang, insofern sei darüber hinweggesehen.

Das Lektorat war angenehm fehlerfrei. Warum Bertelsmann allerdings zwei verschiedene Ausgaben für Erwachsene und Jugendliche herausgebracht hat, ist mir nicht ganz klar, denn Unterschiede gibt es offenbar nur in der äußeren Gestaltung, und die sind nicht besonders gravierend. Befürchtet der Verlag, Erwachsene würden die Jugendausgabe nicht lesen, wenn |cbt| draufsteht? Dann wären die potenziellen Käufer eigentlich selber schuld.

Für den Gesamtzyklus lässt sich sagen, dass er vielleicht nicht das Mitreißendste oder Fantasievollste war, was ich in letzter Zeit gelesen habe. Dafür waren die meisten Figuren und Ereignisse doch ein wenig zu schablonenhaft und der Spannungsbogen hätte gelegentlich etwas mehr Straffung vertragen. Das hat sich zum Ende hin aber durchaus gesteigert, die Personen lösten sich ein wenig aus ihren Schienen, der Spannungsbogen zog tatsächlich an. Dafür musste die Autorin nicht einmal Ströme von Blut bemühen, im Gegenteil. Sowohl die beschriebenen Morde als auch der Guerillakampf in den Straßen von Imardin kommen ganz ohne rote Pfützen aus.

Alles in allem war Die Gilde der schwarzen Magier angenehme und leichte Unterhaltung. Ich würde sagen, Trudi Canavan kann problemlos vorne im großen Mittelfeld der Fantasy mithalten. Und vielleicht steigert sie sich ja auch noch. Im Hinblick auf die geplante Fortsetzung wäre Savara eine Figur mit einer Menge Potenzial …

Trudy Canavan stammt aus Australien, wo sie nach einem Studium am Melbourne College of Decoration als Designerin, Illustratorin und Kartenzeichnerin für verschiedene Verlage tätig war, ehe sie zu schreiben begann. 1999 gewann sie mit ihrer Kurzgeschichte „Whispers of the Mist Children“ den |Aurealis Award for Best Fantasy Short Story|. 2001 erschien dann ihr erster Roman, der erste Band der Trilogie |Die Gilde der schwarzen Magier|. Inzwischen hat sie mit |Age of Five| eine weitere Trilogie geschrieben, die aber bisher nur im englischsprachigen Raum erschienen ist. Derzeit arbeitet sie an „The Magician’s Apprentice“, einem Prequel zur Magiertrilogie. Auch ein Sequel soll folgen.

Taschenbuch 700 Seiten
Originaltitel: The High Lord
Deutsch von Michaela Link
ISBN-13: 978-3-570-30330-6

http://www.trudicanavan.com/
http://www.randomhouse.de/cbj/

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 4,00 von 5)

Trudi Canavan – Die Novizin (Die Gilde der Schwarzen Magier 2)

Die Gilde der schwarzen Magier

Band 1: Die Rebellin“
Band 2: „Die Novizin“

Am Ende des ersten Bandes der Trilogie hat Sonea sich dafür entschieden, als Novizin in die Gilde einzutreten. Keine Frage, dass das einer Menge Leute gar nicht gefällt. Schon bald zeichnet sich ab, dass einer sie ganz besonders hasst: Regin, ein sehr begabter Junge, der mit ihr in die Klasse geht. Von Anfang an macht er ihr das Leben schwer. Unter anderem sorgt er dafür, dass Sonea Rothens Wohnung verlassen und in die Unterkunft der Novizen umziehen muss.

Richtig übel wird es allerdings erst, als der Hohe Lord herausfindet, dass jemand hinter sein Geheimnis gekommen ist! Er besteht darauf, zu Soneas Mentor ernannt zu werden. Nicht nur, dass Sonea nun in die Residenz umziehen und regelmäßig mit dem Hohen Lord zu Abend essen muss, sie ist nun auch noch verstärkt den neidischen Attacken Regins ausgesetzt …

Dannyl ist derweil als Botschafter nach Elyne geschickt worden. Außerdem hat Administrator Lorlen ihn inoffiziell darum gebeten, die Reise des Hohen Lords nachzuvollziehen. Er will herausfinden, was genau Akkarin in den fünf Jahren getan hat, die er fern von Imardin verbracht hat. Dabei ist nicht klar, was er sich mehr erhofft: etwas, das ihm gegen Akkarin helfen könnte, oder etwas, das Akkarin entlastet.

Ohne zu wissen, wie heikel seine Tätigkeit ist, findet Dannyl tatsächlich schon bald eine heiße Spur …

Im Vergleich zum Vorgängerband hat sich die Personenkonstellation um einiges verschoben. So tauchen Fergun überhaupt nicht mehr und Cery nur einmal kurz auf, ohne tatsächlich eine Rolle zu spielen.

Fergun als unmittelbarer Gegner Soneas wurde durch Regin ersetzt. Und ich muss sagen, Regin legt tatsächlich einiges mehr an Rafinesse und Gemeinheit an den Tag als sein erwachsener Vorgänger! Vielleicht liegt es auch nur daran, dass Fergun nicht so leicht an Sonea herankam wie Regin. Jedenfalls ist Regin einer von der besonders falschen, hinterhältigen Sorte und gleichzeitig von Hass und Neid regelrecht zerfressen.

Der Ersatz für Cery heißt Dorrien und ist Rothens Sohn, ein Heiler, der sich in den Bergen um eine kleine Gemeinde von Hirten kümmert. Zwar bestimmt er die Handlung nicht so sehr wie Cery im ersten Band, dafür verbringt er zu wenig Zeit in Imardin. Trotzdem nimmt er Cerys Stelle als Kumpel ein, er bringt Sonea zum Lachen, unternimmt etwas mit ihr, macht ihr Mut und steht ihr indirekt gegen Regin bei.

Ansonsten beansprucht, wie erwartet, Akkarin einigen zusätzlichen Raum in der Handlung. Aber trotz seines dunklen Geheimnisses und seiner ziemlich drastischen, ja groben Maßnahmen, es zu wahren, konnte ich mich nicht dazu durchringen, in ihm einen wirklichen Bösewicht zu sehen. Cerys Rettung im ersten Teil passt einfach nicht dazu! Denn läge es wirklich in der Absicht des Hohen Lords, an Soneas Kräfte zu kommen, dann hätte er Cery im Keller verrotten lassen und in aller Ruhe abgewartet, bis Ferguns Plan aufgegangen wäre und die Gilde Sonea hinausgeworfen hätte. Stattdessen hat er erst die Voraussetzungen geschaffen, dass sie bleiben konnte, und so selbst dafür gesorgt, dass er nicht mehr an sie herankommen kann, ohne Aufsehen zu erregen! Auch andere Indizien sprechen dafür, dass es einen besonderen Grund für Akkarins Verhalten geben muss, der aber natürlich noch nicht verraten wurde …

Charakterliche Entwicklung gibt es eigentlich nur bei Sonea und überraschenderweise bei Dannyl. Sonea leidet sehr unter der Ausgrenzung und natürlich unter Regins Schikanen. Letztlich stellt sich aber heraus, dass Regin das Gegenteil von dem erreicht, was er erreichen will. Anstatt Sonea zu demoralisieren, sorgt er dafür, dass sie lernt, sich zu wehren. Außerdem macht ihr die Nähe zu Akkarin zu schaffen, obwohl sie ihn nicht oft und lange sieht. Doch die Drohungen gegen sie und Rothen waren auch nicht dazu geeignet, ihr den Wechsel ihres Mentors zu erleichtern. Während sie ihr Problem mit Regin allmählich in den Griff bekommt, wird ihre Angst vor Akkarin eher immer größer. Dannyl dagegen genießt seine Reisen, zumal er in Elyne einen Reisegefährten gewonnen hat, der eine echte Bereicherung darstellt, und das nicht nur für die Aufgabe, die Lorlen ihm gestellt hat. Schon bald steht Dannyl vor einer Situation, die ihn zwingt, Stellung zu beziehen, vor allem sich selbst gegenüber. Und Dannyl trifft eine erstaunliche Entscheidung …

Die Handlung teilt sich grob gesagt in zwei Stränge, den um Dannyls Reise und den um die Ereignisse in der Gilde, wobei Letzterer sich ebenfalls noch einmal unterteilt. Den Löwenanteil nimmt dabei natürlich Soneas Konflikt mit Regin ein sowie die „öffentliche Meinung“, das heißt, die Ansichten diverser Magier über Sonea. Außer Rothen scheint nur Yikmo, ihr Lehrer in den Kriegskünsten, ihr freundlich gesinnt zu sein. Außerdem hat Sonea sich die Sympathien von Lady Tya erworben, weil sie ihr bei der Arbeit hilft. Die Ansichten der übrigen Magier wechseln je nach Ereignis von skeptischer Duldung zu offener Ablehnung.

Ein weiterer, größerer Teil widmet sich Lorlen und seinem Gewissenkonflikt sowie seinem gestörten Verhältnis zu Akkarin. Lorlens Vertrauen in seinen besten Freund ist durch Soneas Entdeckung zutiefst erschüttert, und er weiß nicht, wie er sich ihm gegenüber verhalten soll. Er macht sich Vorwürfe, weil er nichts unternimmt, weiß aber gleichzeitig, dass ihm die Hände gebunden sind.

Rothen taucht nach Soneas Umzug in die Residenz nur noch am Rande auf, und dann eher im Zusammenhang mit Dannyl und Dorrien, da er Sonea nicht mehr sehen darf.

Das ständige Geplänkel mit Regin bringt die Handlung natürlich nicht unbedingt weiter. Abgesehen davon, dass der Leser eher früher als später beginnt, Regin abgrundtief zu verabscheuen, schwebt ständig eine leise Drohung von Überdruss über den Ereignissen. Die werden immer wieder durch kleine Kniffe ausbalanciert, und als auch das nicht mehr hilft und der Leser den Eindruck gewinnt, dass sich an der Situation nichts ändern wird, ganz gleich, was Sonea tut, holt die Autorin endlich zum Schlag aus. Ob es ein Befreiungsschlag wird, werden wir allerdings erst im dritten Band erfahren. Immerhin sorgt dieser Schlag zumindest gegen Ende für einen Anstieg der Spannungskurve.

Eher geeignet, so etwas wie Spannung aufzubauen, ist die seltsame Mordserie, die die Garde in Atem hält. Zwar geschehen diese Morde alle in Imardin, trotzdem stehen sie eher in Zusammenhang mit Dannyls Nachforschungen, und damit mit Akkarin, als mit Sonea. Und zumindest Dannyl sorgt für etwas Fortschritt. Die Entdeckung des Symbols der Hand mit dem Mond und die Verbindung zwischen König Charkan und der alten Magie, die letztlich nach Sachaka weist, sind immerhin Schritte hin zu einer möglichen Lösung des Rätsels um Akkarin.

Auch vom zweiten Band der Gilde der schwarzen Magier kann man nicht behaupten, dass er aus der Masse der übrigen Fantasy herausragt. Immerhin sorgen die interessante Figur Akkarins sowie Dannyls Entdeckungen, aber auch der seltsame Schrank im Lager der Magierbibliothek dafür, dass es dem Leser nicht langweilig wird und er im wiederkehrenden Auf und Ab zwischen Regin und Sonea etwas hat, worüber er nachdenken kann. Und ich kann nicht behaupten, dass ich auf die endgültige Lösung im dritten Band nicht neugierig wäre.

Trudy Canavan stammt aus Australien, wo sie nach einem Studium am Melbourne College of Decoration als Designerin, Illustratorin und Kartenzeichnerin für verschiedene Verlage tätig war, ehe sie zu schreiben begann. 1999 gewann sie mit ihrer Kurzgeschichte „Whispers of the Mist Children“ den |Aurealis Award for Best Fantasy Short Story|. 2001 erschien dann ihr erster Roman, der erste Band der Trilogie |Die Gilde der schwarzen Magier|. Inzwischen hat sie mit |Age of Five| eine weitere Trilogie geschrieben, die aber bisher nur im englischsprachigen Raum erschienen ist. Derzeit arbeitet sie an „The Magician’s Apprentice“, einem Prequel zur Magiertrilogie. Auch ein Sequel soll folgen.

Taschenbuch 608 Seiten
Originaltitel: The Novice
Deutsch von Michaela Link
ISBN-13: 978-3-570-30329-0

http://www.trudicanavan.com/
http://www.randomhouse.de/cbj/

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Diana Wynne Jones – Die Merlin-Verschwörung

Roddy lebt im königlichen Troß, mit dem sie ununterbrochen durch ganz Blest unterwegs ist. Das ist notwendig, denn die Aufgabe des Königs ist es, das Reich auf diese Weise gesund zu erhalten. Eigentlich hat Rhoddy mit ihrem Vagabundendasein kein Problem, wenn nur nicht die Familie ihres besten Freundes Grundo so fürchterlich wäre! Kein Wunder, daß Sybils Mann vor ihr geflüchtet ist!
Im Augenblick ist der königliche Hof auf dem Weg zu einem offenbar recht kitzligen Treffen mit dem schottischen König. Alles wurde akribisch vorbereitet, alles scheint perfekt. Bis der Merlin bei der Begrüßung unerwarteter Weise sterbend zusammenbricht. Eine Zeit lang geht alles drunter und drüber, und die Lage beruhigt sich erst, als Maxwell Hyde, Rhoddys Großvater väterlicherseits und ein mächtiger Magide, mit einem Nachfolger für den Merlin auftaucht. Dieser Merlin scheint jedoch irgendwie seltsam, und schon bald sind Rhoddy und Grundo einer riesigen Verschwörung auf der Spur. Aber niemand, dem sie davon erzählen, will ihnen glauben…

Derweil begleitet Nick seinen Vater auf einen Schriftstellerkonferenz nach London. Eigentlich findet er das alles furchtbar langweilig, aber nur, bis er sich plötzlich unvermittelt auf einem Flugplatz wiederfindet. Von ein paar Männern in Wildlederanzügen wird er in ein fremdartiges Fluggerät verfrachtet und nach Marseille geflogen, wo er erfährt, daß er für die Sicherheit in einem Krickettspiel sorgen soll, bei dem der Thronfolger mitspielt! Noch fremdartiger wird es, als er sich in einem Tunnel unter dem Stadion einfach auf den Boden setzt, weil er keine Ahnung hat, was er eigentlich tun soll. Kaum hat er sich niedergelassen, findet er sich in einem fremdartigen Wald wieder, wo er eine der bemerkenswertesten Begegnungen seines Lebens hat. Und plötzlich steckt er mitten in einem gefährlichen Abenteuer…

Wer aufgrund des Buchtitels irgendeinen entfernten Handlungsfaden im Zusammenhang mit der Artus-Sage vermutet, liegt also völlig daneben. Oder sagen wir, ziemlich daneben, denn Bezüge dazu gibt es durchaus, zum Beispiel im Hinblick auf den weißen und den roten Drachen oder Rhoddys Großvater mütterlicherseits.
Abgesehen davon jedoch ist die Geschichte eigenständig.
Diana Wynne-Jones arbeitet mit diversen Parallelwelten. Insgesamt sind es vier, wenn man Romanows Insel nicht mitzählt.
Eine davon ist unsere Realität, in der Nicks Dad lebt. Natürlich nicht ganz, denn immerhin stammt Nick, der ebenfalls dort lebt, aus einer anderen Parallelwelt. Da unsere Realität aber nur zu Beginn kurz auftaucht, ist das nicht weiter von Belang.
Die Hauptwelt, in der sich der größte Teil der Handlung, vor allem das Komplott, abspielt, ist Rhoddys Welt, genannt Blest. Zunächst wirkt diese Welt ein wenig irritierend. Hier existieren Magie und Technik in schönster Eintracht. Roddys Dad zaubert mithilfe von Magie für den König mal eben den Regen weg und läßt die Sonne scheinen, während ihre Mutter an ihrem Laptop arbeitet. Übliche Fortbewegungsmittel sind ganz normale Busse und Autos, telefoniert wird dagegen auf magische Weise. Nebenbei hat die Autorin in diese Welt den stärksten mythischen Anteil einfließen lassen, von Hexenmagie über das Kleine Volk bis hin zum walisischen Totengott.
Die Welt der Plantagenets, in der Nick seinen seltsamen Wachdienst im Krikettstadion schiebt, führt ebenfalls eher ein Randdasein. Sie bleibt von der Ausgestaltung her ziemlich blaß, was auch daran liegen mag, daß Nick sich hauptsächlich unterm Stadion aufhält und mit den beteiligten Leuten nur wenig spricht. Allein die Schilder in den Fenstern der Restaurants bringen ein wenig Farbe in diese Stelle, wahrscheinlich ein augenzwinkernder Seitenhieb auf französische Aussprache. Im übrigen dient diese Welt hauptsächlich der Vorbereitung auf die Figur Romanows.
Zuletzt wäre da noch Loggia, so benannt nach ihrem balkonartigen Aufbau innerhalb einer Schlucht. Obwohl Nick sich dort nicht länger aufhält als in der Welt Plantagenet, ist Loggia etwas ausführlicher und lebendiger beschrieben. Dennoch erhält der Leser auch hier nur einen Überblick, ins Detail geht die Autorin nicht.

Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Handlung. Und die ist leider etwas wirr geraten.
Das liegt nicht unbedingt daran, daß wir es hier mit verschiedenen Welten zu tun haben, sondern eher daran, daß die Autorin mit ihren Erklärungen äußerst sparsam umgeht. So steht der Leser zunächst mal etwas irritiert vor einer Handlung, die mit englischen Ortsbegriffen gespickt ist, aber ganz deutlich in keinem irgendwie bekannten England spielt! Der Mix aus Technik und Magie und das Umherziehen des Königs tragen ebenfalls ihr Teil dazu bei. Es dauert ein wenig, bis man sich eingelesen hat.
Auch als mit Nicks Auftauchen klar wird, daß es sich um Parallelwelten handelt, bleibt die Sache etwas konfus. So bin ich mir zum Beispiel nicht wirklich sicher, ob Nicks Dad ebenfalls von diesen Parallelwelten weiß, oder ob er nur deshalb Maxwell Hyde mit der Suche nach seinem Sohn beauftragt hat, weil der gerade neben ihm stand, als sein Sohn verschwand.
Damit sind wir schon beim nächsten Punkt. Die Autorin macht sich nicht die Mühe zu erklären, was ein Magide ist oder was er tut. Das wird dem Leser erst mit fortschreitender Lektüre klar, als Maxwell Hyde immer häufiger auftaucht. Auch erfährt der Leser nicht, um was für Geschöpfe es sich eigentlich bei den durchsichtigen Wesen handelt, die Rhoddy das erste Mal im Haus ihrer Großmutter auf ihrem Bett sitzen sieht.
Die Ortswechsel von Nick sind ebenfalls sehr unpräzise dargestellt. Einerseits sagt Nick, er könnte nicht allein von einer Welt in die andere wechseln, andererseits erzählt er nur wenige Absätze später, sein erster Wechsel zwischen den Welten sei ihm in einem Hotel gelungen! Falls die Autorin damit meinte, daß Nick einen solchen Wechsel nur unbewußt zustande bringt, dann hätte sie dies vielleicht erwähnen sollen.

Ein Knackpunkt ist auch Romanows Insel. Die Männer, mit denen Nick das Stadion bewacht hat, erwähnten, er hätte sich die Insel aus verschiedenen Welten und Zeiten zusammengebastelt und sich dort versteckt, damit ihn niemand finden könnte, vor allem nicht seine Ex-Frau. Nick findet ihn aber ohne größere Schwierigkeiten, nachdem er auf den Wegen zwischen den Welten drei Hilfesuchenden weitergeholfen hat. Nun mag man einwenden, daß Romanow bei ihrem Gespräch im Stadion Nick ja sozusagen eingeladen habe, der Trick also nur bei Feinden wirke. Dann frage ich mich aber, wie der Gebetsmeister aus Loggia es dorthin geschafft hat, noch dazu mit einem Fluggerät! Und wenn der es geschafft hat, warum hat Romanows Ex-Frau es dann nicht geschafft?
Und dann ist da auch noch das Problem mit der Zeit: Romanows Insel befindet sich im Verhältnis zu den anderen Welten zehn Jahre in der Vergangenheit. Als Nick in Loggia zum ersten Mal auf Joel und Japheth trifft, sind sie noch Kinder, kleiner als er. Beim Showdown sind sie bereits erwachsen. Nick ist dagegen immer noch vierzehn. – Nun hat Nick ja, nachdem Joel und Japheth von Romanows Insel verschwunden sind, noch einige Zeit dort verbracht. Und wenn man davon ausgeht, daß die Zeit an diesem besonderen Ort womöglich anders verläuft als anderswo, dann wäre es ja möglich, daß er nicht so sehr gealtert ist wie die beiden anderen Jungen. Seltsamerweise aber ist Grundos Schwester Alicia zum Zeitpunkt des Showdowns ebenfalls noch ein Kind!
Da fallen Unwahrscheinlichkeiten – zum Beispiel, daß der walisische Totengott mit einer Menschenfrau verheiratet war und eine Tochter und eine Enkelin hat – kaum noch ins Gewicht!

Das Erstaunliche an alledem ist, daß das Buch trotzdem unterhaltsam war. Nachdem sich zumindest ein Teil der Wirrnisse durch geduldiges Weiterlesen geklärt hatte, kam die Geschichte in Fahrt und gewann an Farbe. Dazu trugen nicht nur eigenwillige Tiere wie Helga, die Ziege, und Mini, die Elefantendame, bei, sondern auch die teilweise recht schrägen Charaktere, zum Beispiel Rhoddys Großmutter, ihre Zwillingscousinen oder ihre Tante Dora. Auch Maxwell Hyde gibt Anlaß zum Schmunzeln, wenn er sturzbetrunken zwischen den Welten unterwegs ist. Die übrigen Personen wirken eher etwas klischeehaft: Romanow ist der starke Mann, Sibyl die unerträgliche Schreckschraube, Nick der unfreiwillige Held und Rhoddy die weltrettende Kratzbürste. Das macht sie aber nicht weniger sympatisch. Wenn Nick wieder einmal frisch aufgewacht ist und sich bis zu seinem Kaffee wie eine totale Tranfunzel benimmt, hat er garantiert sämtliche Morgenmuffel auf seiner Seite!

Mit der „Merlin Verschwörung“ hat die Autorin ein Buch geschrieben, das durchaus interessante Ideen und eine vielversprechende Handlung vorweisen kann, die kurzweilig erzählt ist und gegen Ende zunehmend spannend wird. Nur die Ausführung hätte an einigen Stellen noch etwas präziser und detaillierter sein können. Das hätte sowohl den Einstieg erleichtert als auch einige Knackpunkte zutage gebracht, die so vielleicht vermieden worden wären.
Andererseits ist das Buch für eine Leserschaft von zwölf bis vierzehn Jahren geschrieben, und ich bin mir nicht sicher, ob für so junge Leser die Zeitproblematik überhaupt eine ist.
Wie auch immer man es dreht und wendet, das Buch hat ein wenig von seinem Potential verschenkt. Der Dalemark-Zyklus war besser durchdacht und sauberer aufgebaut.

Diana Wynne Jones lebt mit ihrer Familie in Bristol und gilt als die bedeutendste Jugendbuchautorin Groß-Britanniens. Viele ihrer Bücher erhielten angesehene Preise, u.a. den World Fantasy Award und den Guardian Award, wurden aber nicht alle ins Deutsche übersetzt. Außer dem Dalemark-Zyklus schrieb sie „Eine Frage der Balance“, „Einmal Zaubern – Touristenklasse“, und den Kinderbuch-Zyklus Die Welt des Crestomanci.

Taschenbuch 576 Seiten
Originaltitel: The Merlin-Conspiracy
Deutsch von Gabriele Haefs
ISBN-13: 978-3-404-20442-7

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Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Trudi Canavan- Die Rebellin (Die Gilde der Schwarzen Magier 1)

Es ist der Tag der Säuberung, der alljährlichen Vertreibung der armen Bevölkerungsschichten aus der Stadt Imardin.

Eigentlich wollte Sonea lediglich ihre alten Freunde aus Harrins Bande vor einer Falle warnen, doch ehe sie sich’s versieht, steckt sie mittendrin in dem Aufruhr, mit dem sich die jungen Leute aus den Hüttenvierteln gegen die königliche Garde und die Magier zu Wehr setzen. Natürlich wissen sie alle, dass die Steine, die sie auf die Magier werfen, an der magischen Barriere wirkungslos abprallen werden. Umso erstaunter und entsetzter ist Sonea, als einer ihrer Steine die Barriere durchdringt und einen der Magier an der Schläfe trifft!

Von jetzt an ist Sonea auf der Flucht. Denn die Magier drehen in den Hüttenvierteln außerhalb der Stadt jeden Stein um, um sie zu finden. Nur mit Hilfe ihres Freundes Cery, der ständig neue Verstecke für sie findet, gelingt es ihr, dem Zugriff der Magier zu entgehen. Bis selbst Cery so in die Enge getrieben wird, dass er keinen anderen Weg mehr weiß, als die Diebe um Hilfe zu bitten …

Den Magiern der Gilde dagegen läuft die Zeit davon: Wenn es ihnen nicht gelingt, das Mädchen mit der natürlich erwachten Gabe rechtzeitig zu finden, wird seine Magie außer Kontrolle geraten und nicht nur das Mädchen selbst zerstören, sondern auch Imardin! Und wenn sie das Mädchen gefunden haben, was dann? Rothen, der die Suche leitet, will sie in die Gilde aufnehmen, während manch anderer Magier allein von der Vorstellung entsetzt ist, jemand aus dem Hüttenvolk könnte die Magie erlernen! Und was ist mit Fergun, dem Magier, den Soneas Stein getroffen hat? Kann einer, der das Hüttenvolk so sehr verachtet wie er, wirklich Wert darauf legen, zum Mentor des Mädchens bestimmt zu werden?

Sonea legt keinerlei Wert auf magische Fähigkeiten: Die Magier sind der Säuberungen wegen in den Hüttenvierteln außerhalb der Stadt sowohl gefürchtet als auch verhasst. Eine von ihnen zu sein, empfände sie als Verrat an den Menschen, denen sie sich zugehörig fühlt, und Verrat ist etwas, das ihr zutiefst zuwider ist. Andererseits gefällt ihr der Gedanke, mit ihrer Magie den Hüttenleuten helfen zu können. Ihre Treue zu ihren Freunden und ihr tief verwurzeltes Misstrauen gegen die Gilde überwinden selbst ihre Abneigung, sich an die Diebe zu wenden.

Dabei kann man nicht sagen, dass Faren, der Dieb, bei dem Cery Sonea unterbringt, ein schlechter Kerl wäre. Natürlich gefällt ihm der Gedanke, mit Hilfe Soneas über Magie zu verfügen. Und auch Cerys Leistungen sagen ihm sehr zu. Das könnte den Gedanken begünstigen, dass er die beiden benutzt. Andererseits bietet er Sonea Schutz, was ihn einigen Aufwand kostet. Was Cery angeht, so kann man ihm immerhin nicht vorwerfen, er wäre falsch oder unfair ihm gegenüber. Der typische Gauner mit Ehrenkodex eben, dementsprechend auch nicht unsympatisch.

Cery, Soneas Jugendfreund, ist nur ein kleiner Straßengauner, obwohl er mit den Dieben durchaus ein wenig liebäugelt. Er ist nicht nur flink mit dem Dietrich und dem Dolch, er ist auch ein helles Köpfchen, behände, wendig und sehr neugierig. Vielleicht hätte er sich irgendwann auf jeden Fall mit den Dieben eingelassen, auch ohne Soneas Flucht, aber das wäre auch nicht weiter beunruhigend gewesen. Weit beunruhigender ist der lose Pakt, den er mit Akkarin, dem Hohen Lord der Gilde geschlossen hat …

Akkarin ist der undurchsichtigste Charakter des Buches. Dass mit ihm etwas nicht stimmt, erfährt der Leser recht bald. Warum er allerdings Cery befreit hat, bleibt vorerst noch ein Rätsel. Auch sonst ist ihm nichts von seinen Absichten anzumerken. Sonea scheint er kaum zu beachten, obwohl sie die gesamte Gilde wochenlang in Aufruhr versetzt hat und ihr magisches Potenzial höher ist als das so manch fertig ausgebildeten Magiers!

Rothen ist der väterliche Freund Soneas, ein älterer Mann, der bereits einen erwachsenen Sohn hat. Er liebt Bücher, gutes Essen und guten Wein, die Gesellschaft seiner Freunde, aber vor allem liebt er es zu lehren. Sonea ist für ihn eine Herausforderung, nicht nur, weil sie über so große Magie verfügt, sondern vor allem wegen ihrer massiven Vorbehalte gegen die Gilde, die er zunächst überwinden muss. Und er tut alles, um sie zum Bleiben zu bewegen …

Fergun dagegen ist der schmierige, hinterhältige Fiesling, der es liebt, auf anderen herumzuhacken, mit Vorliebe auf Rothens jungem Freund Darryl. Von Anfang an ist klar, dass er nicht aus Sorge um Sonea beantragt hat, ihr Mentor werden zu dürfen! Die Frage ist nur: Was genau heckt er aus und was bezweckt er damit?

Zugegeben, das alles klingt ein wenig nach Schema F. Trotzdem wirken Trudi Canavans Figuren erfrischend lebendig und plastisch, es ist leicht, sich mit ihnen zu identifizieren und mitzufiebern.

Die Handlung unterstützt dieses Mitfiebern nach Kräften. Der erste Teil des Buches ist ein wildes Katz-und-Maus-Spiel durch die Hüttenviertel, durch zahllose Geheimgänge, schmale Gassen und über die Dächer. Immer wieder entgeht Sonea den Häschern nur um Haaresbreite, während ihre Magie sich bei der geringsten Gefühlsregung immer öfter ungewollt bemerkbar macht. Als die Magier Sonea schließlich stellen, hat der Leser schon die Apokalypse vor Augen!

Der zweite Teil wiederum baut seinen eigenen Spannungsbogen auf, der nicht ganz so straff gespannt ist, da er hauptsächlich von Rothens Bemühungen um Sonea erzählt. Erst als Fergun bei Sonea auftaucht, tut sich allmählich etwas, richtig spannend wird es aber erst, als Cery versucht, noch rechtzeitig in die Anhörung zu gelangen.

Dafür baut die Autorin im Verlauf der Handlung ganz unauffällig und beiläufig bereits die Voraussetzungen für den weiteren Verlauf in den Folgebänden auf, was im Trubel der zügig erzählten Verfolgungsjagd durch die Stadt beinahe untergeht. Erst am Ende des Bandes zeigt sich, dass genau dieser dünne Faden wahrscheinlich das bestimmende Element für den Rest der Trilogie sein wird. Dadurch stellt sich unwillkürlich die Frage, welche Rolle in diesem Fall wohl Fergun noch zu spielen haben wird, da er ganz offensichtlich nicht der Hauptbösewicht ist, abgesehen davon natürlich, dass der Leser sich fragt, wie die Gilde der Magier wohl der Bedrohung begegnen wird, die sich am Ende des ersten Bandes offenbart hat.

Ich muss gestehen, dass ich trotz der gängigen Schablonen, innerhalb derer sich Trudi Canavan bewegt, das Buch gern gelesen habe. Es liest sich leicht und flüssig, die Charaktere sind sympathisch und bieten viel Identifikationspotenzial, die Handlung ist sehr bewegt, abwechslungsreich und macht neugierig auf mehr. Aus den bisherigen Andeutungen über schwarze Magie lässt sich noch eine Menge machen, und ich bezweifle nicht, dass Trudi Canavan auch diese Ansätze auf interessante, lesenswerte Weise ausbauen wird, selbst wenn auch sie innerhalb gängiger Fantasy-Schienen bleiben sollten.

Trudy Canavan stammt aus Australien, wo sie nach einem Studium am Melbourne College of Decoration als Designerin, Illustratorin und Kartenzeichnerin für verschiedene Verlage tätig war, ehe sie zu schreiben begann. 1999 gewann sie mit ihrer Kurzgeschichte „Whispers of the Mist Children“ den Aurealis Award for Best Fantasy Short Story. 2001 erschien dann ihr erster Roman, der erste Band der Trilogie Die Gilde der schwarzen Magier. Inzwischen hat sie mit Age of Five eine weitere Trilogie geschrieben, die aber bisher nur im englischsprachigen Raum erschienen ist. Derzeit arbeitet sie an „The Magician’s Apprentice“, einem Prequel zur Magiertrilogie. Auch ein Sequel soll folgen.

Taschenbuch 544 Seiten
Originaltitel: The Magician’s Guild
Deutsch von Michaela Link
ISBN-13: 978-3-570-30328-3

http://www.trudicanavan.com/
http://www.randomhouse.de/cbj/

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 4,00 von 5)

Isau, Ralf – Wasser von Silmao, Das (Die Chroniken von Mirad 3)

Band 1: „Das gespiegelte Herz“
Band 2: „Der König im König“
Band 3: „Das Wasser von Silmao“

Zwar ist es den Sirilim-Zwillingen in „Der König im König“ gelungen, Múrias früheren Verlobten Jazzar-fajim aus der Gefangenschaft des Gottes Magos zu befreien und den Gott selbst aus Mirad zu vertreiben, doch die Gemeinschaft des Lichts hat einen hohen Preis dafür bezahlt! Im Kampf gegen die Waggs hat sie Falgon verloren. Und Ergil seinen Bruder Twikus.

Dabei scheint es nicht einmal ein wirklicher Sieg zu sein: Kaguan hat sich mit dem erneut zerbrochenen Schwert Schmerz davongemacht, und die ungewöhnliche Kälte, die Soodland im Griff hält, ist ungebrochen. Das Land steht vor einer erneuten Missernte und damit vor einer Hungersnot, und die Könige von Pandorien und Ostrich, Entrin und Godebar, wetzen bereits die Klingen, um sich das geschwächte Soodland einzuverleiben und einen neuen Mann auf den Thron des Großkönigs zu setzen, vorzugsweise jeweils sich selbst!

Trotz dieser bedrohlichen Situation entschließt sich Ergil, den Spuren des großen Entdeckers Harkon Hakennase zu folgen. Denn er hat herausgefunden, dass seine Mutter von Wikander nicht erstochen, sondern vergiftet wurde, sich aber in eine Nebenfalte der Welt retten konnte und dort auf ein Gegengift wartet. Sollte sie sterben, wird die große Kälte, die Soodland heimsucht, ganz Mirad überziehen und alle Menschen und Sirilim vernichten. Doch das einzige Gegenmittel gegen das Gift ist das Wasser von Silmao, und die letzte Flasche dieser kostbaren Flüssigkeit hat Popi dazu verwendet, nach dem Kampf mit Magos Ergils Leben zu retten! Dem jungen König bleibt nichts anderes übrig, als erstens einen noch fruchtbaren Ginkgo-Baum und zweitens die unbekannte weitere Zutat des Wundermittels aufzutreiben, und zwar, ehe seine Mutter der Wirkung des Giftes erliegt.

Als wäre die Reise über die Grenzen der bekannten Welt hinaus nicht schon gefährlich genug, trägt Ergil eine ganz besondere Bedrohung in sich: kleine schwarz-rote Raupen, Zornissen genannt, die Kaguan ihm angehängt hat, und die alle dunklen und negativen Gefühle verstärken, um sich davon zu ernähren. Die Befallenen sterben entweder irgendwann oder werden zu Dienern des Bösen, es sei denn, es gelingt ihnen, ihre Schattenseiten völlig zu beherrschen, entweder durch Meditation oder durch vollkommene Liebe …

Im letzten Band der Chroniken von Mirad wurde der Handlungsverlauf im Vergleich zu den Vorgängerbänden richtig aufwändig. Vier verschiedene Handlungsstränge laufen diesmal parallel:

Zunächst natürlich der um Ergil. Zusammen mit Kira, dem Netzling Nisrah, Popi, Tusan, Jazzar-fajim, dem jungen Schmied Tiko und dem ehemaligen Flusspiraten Bombo als Kapitän will er auf der Silberginkgo, einem Sirilimschiff, um den Weltenbruch herumsegeln. Er muss allerdings schon bald feststellen, dass seine Reise ihn noch viel weiter führen wird!

Múria und Herzog Borst von Bolk führen in Ergils Abwesenheit die Regierungsgeschäfte, was letztlich bedeutet, dass sie die Sooderburg nicht nur gegen die vereinigten Heere von Entrin und Godebar verteidigen müssen, sondern auch gegen einen Verräter in den eigenen Reihen!

Denn Kaguan, der im Kerker der Sooderburg sitzt, hat seine Raupen auch noch einem anderen Mann einverleibt, den er jetzt für seine eigenen Zwecke benutzt, um das Schwert Schmerz ein weiteres Mal zusammenzufügen und seinen Herrn, den Gott Magos, nach Mirad zurückzuholen.

Gondo, den Räuberhauptmann, der einst auf Kaguans Geheiß die Gemeinschaft des Lichts im Wald der Zungen überfallen hat, hat es derweil in König Entrins Heer verschlagen, seine Hoffnungen auf Belohnung oder Beute wurden allerdings mit schöner Regelmäßigkeit enttäuscht. Jetzt sitzt er höchst missmutig unter den Belagerern vor der Sooderburg und hat nur ein einziges Ziel: Er will endlich etwas vom großen Kuchen abhaben!

Das zeigt schon, dass es diesmal etwas verwickelter zugeht. Der äufwändigste und ausführlichste Teil der Handlung dreht sich natürlich um Ergil. Hier tauchen auch die meisten neuen Ideen auf. Die harmonie“süchtigen“ Bäume Floraniens wirken zwar nicht ganz so neu, dafür erinnern sie doch ein wenig zu sehr an die Ents, aber vielleicht war das auch Absicht. Es wäre nicht die erste Hommage an Tolkien, der der Leser bei Isau begegnet. Interessanter fand ich die Samenwolke oder die fliegende Rennqualle, vor allem aber das bisher nur auf der Landkarte verzeichnete Land Xk mit seinen Bewohnern. Die extreme Fremdartigkeit dieser Kultur führt zu einigen durchaus sehr schrägen Situationen.

Während Ergil für die Queste und die Lösung eines Rätsels zuständig ist, sorgt der Rest der Handlung dafür, dass die Zeit knapp wird. Nicht nur, weil Ergils Mutter Vania nur noch wenige Tage zu leben hat, ist Eile geboten, sondern auch, weil sowohl Kaguan als auch die Angreifer vor den Mauern der Sooderburg kurz davor sind, den letzten Schlag zu führen!

Dass Vania letztlich gerettet wird, stand im Grunde außer Frage, wie aber genau der Kampf gegen Kaguan und die Belagerer ausgehen würde, war bis zuletzt unklar. So zog die Spannung in der zweiten Hälfte des Buches immer weiter an und blieb bis zum Ende erhalten. Dem tat auch die unblutige Art und Weise, in der die Schlacht um die Burg geschildert wurde, keinen Abbruch.

An Personenentwicklung findet in diesem dritten Band nicht mehr allzu viel statt. Den größten Anteil daran hatten naturgemäß die Zwillinge. Aber Twikus ist tot, und Ergil hat inzwischen eine Menge durchgemacht, ist ziemlich erwachsen und auch viel selbstsicherer geworden. Allein Prinzessin Nishigo gelingt es noch, ihn aus der Fassung zu bringen, doch nur so lange, bis er sich endlich eingestanden hat, dass nicht nur Twikus in die kleine Susanerin verliebt war. Die Entwicklung der Beziehung zwischen Nishigo und Ergil nimmt einiges mehr an Raum ein als zuvor die zwischen Nishigo und Twikus, bleibt aber trotzdem wohltuend kitschfrei.

Etwas konstruiert empfand ich die Rettung von Harkon Hakennase durch Selbstaustrocknung, um dem Tod durch Erfrieren zu entgehen. Der Eindruck schwächte sich später, als die Gefährten Xk erreichten, etwas ab, da diese Methode dort zur Kultur gehört und dadurch etwas vom Eindruck des Höchstunwahrscheinlichen verliert. Trotzdem: Wäre Hakennase irgendwann von allein wieder aufgetaut, wie wäre er wohl ganz ohne Mannschaft mit seinem Schiff zurück an Land gelangt? Was für ein Glück auch, dass die Gefährten zufällig die einzig richtige Methode erwischten, den Forscher wiederzubeleben! Überhaupt hat der Autor in diesem Zyklus einen ausgeprägten Drang, Leute wiederzubeleben, mit denen eigentlich nicht mehr zu rechnen war: Jazzar-fajim, Hakennase, Vania … Aber gut, für die Gemeinschaft war der kauzige Alte immerhin ein echter Gewinn, nicht nur wegen seiner Kenntnisse der Xkischen Kultur.

Eine offensichtliche Panne findet sich in der Diskussion zwischen Ergil und Múria über Hakennases letzte Expedition. Irgendwie hat da jemand ein paarmal Ost und West durcheinandergeworfen. Ansonsten war das Lektorat angenehm fehlerfrei.

Betrachtet man die Trilogie insgesamt, so bleibt zu sagen, dass der dritte Band zwar an den zweiten nicht ganz heranreichte – dafür verlief manches doch ein wenig zu glatt, wie zum Beispiel die Rettung vom Frauenturm in Ostgard -, dass er aber trotzdem besser war als der erste. Die Chroniken von Mirad kommen vielleicht etwas langsamer in Gang als andere Zyklen, aber es lohnt sich, sich davon nicht abschrecken zu lassen und trotzdem weiterzulesen.

Ralf Isau, gebürtiger Berliner, war nach seinem Abitur und einer kaufmännischen Ausbildung zunächst als Programmierer tätig, ehe er 1988 zu schreiben anfing. Aus seiner Feder stammen außer der Neschan-Trilogie und dem Kreis der Dämmerung unter anderem „Der Herr der Unruhe“, „Der silberne Sinn“, „Das Netz der Schattenspiele“ und „Das Museum der gestohlenen Erinnerungen“. In der Reihe Die Legenden von Phantásien ist von ihm „Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz“ erschienen. Und das nächste Buch ist auch schon wieder in Arbeit: Das Erscheinen von „Die Farbenlauscher“ ist für September 2007 vorgesehen.

Gebundene Ausgabe: 576 Seiten
ISBN-13: 978-3-522-17747-4

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http://www.isau.de/index.html

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Nuyen, Jenny-Mai – Nijura – Das Erbe der Elfenkrone

Scapa ist ein Dieb. Zugegeben, ein sehr geschickter, findiger Dieb, trotzdem ist das Leben in den engen Gassen der Kesselstadt für einen gerade mal dreizehnjährigen Gassenjungen nicht einfach, schon gar nicht, wenn man von einem übermächtigen Unterweltboß ausgebeutet wird. Trotzdem wäre Scapa womöglich nie auf die Idee gekommen, sich gegen Vio Torren aufzulehnen, wäre da nicht seine Freundin Arane. Die ist unter keinen Umständen bereit, sich irgendjemandem zu beugen! Wenn es nach ihr ginge, wären sie und Scapa die Herrscher über Kesselstadt, und kein Rückschlag kann sie von ihrem festen Ziel abbringen: die Eroberung von Vio Torrens Fuchsbau …

Einige Tagesreisen von Kesselstadt entfernt in den dunklen Wäldern lebt in einem Hykaden-Dorf das Mädchen Nill. Als Halbelfe ist sie eine Außenseiterin und erfährt von den Menschen ringsum hauptsächlich Ablehnung und Spott. Am wohlsten fühlt sie sich draußen im Wald, zwischen Bäumen, Moos und Farn. Dort findet sie eines Tages in einer hohlen Birke einen schwarzen, steinernen Dorn und nimmt ihn mit. Doch mit dem ungewöhnlichen Stück hat es eine besondere Bewandtnis, und schon bald findet Nill sich zu ihrer Überraschung auf einer Queste wieder.

Eine äußerst gefährliche Fahrt, wie sich bald herausstellt. Denn ein Usurpator hat die Krone der Moorelfen an sich gerissen, und er will Krieg …

Scapa, Arane und Nill sind die Hauptcharaktere des Buches.

Auf den ersten Blick mag es so aussehen, als sei Scapa der Anführer. Er ist derjenige, der spricht, sowohl mit den Hehlern, denen sie ihre Beute verkaufen, als auch mit den anderen Straßenkindern, deren Unterstützung für ihren Angriff auf Torren sie suchen. Die treibende Kraft in seinem Leben jedoch ist Arane! Ganz gleich, was er auch tut, er tut es immer für sie. Scapa ist ein Kind der Extreme. Nachdem er sich Arane verschrieben hat, gibt es nichts anderes mehr für ihn, ohne sie ist er wie eine leere Hülle. Ein trauernder Scapa, der seinen Weg ohne Arane weitergeht, ist unvorstellbar. Entweder ein Leben mit ihr, oder gar keines!

Arane dagegen wirkt nicht so, als könnte sie ohne Scapa nicht leben. Was nicht heißen soll, dass sie nicht an ihm hängt. Aber sie hat mehr als nur das eine Ziel, Scapa glücklich zu machen. Arane ist ehrgeizig, ja geradezu machthungrig. Und als sie von Scapa getrennt wird, geht sie ihren Weg ebenso zielstrebig weiter wie zuvor. Ihr Antrieb ist Zorn: Zorn auf alle, die ihr nichts zutrauen! Weil sie arm ist, nur ein Kind und noch dazu ein Mädchen! Sie will es ihnen allen zeigen!

Nill ist im Vergleich zu Arane außerordentlich bescheiden. Alles, was sie sich wünscht, ist Zuneigung. Doch die Liebe ist launisch, und so verliert sie ihr Herz ausgerechnet an Scapa, hinter dessen finsterem Gesicht und abweisender Art sie eine tief verletzte Seele vorfindet …

Die Zeichnung ihrer Charaktere ist Jenny-Mai Nuyen hervorragend gelungen. Das gilt nicht nur für die drei Hauptprotagonisten, sondern für alle ihre Figuren, von den vier Elfenkriegern, die Nill begleiten, bis hin zu den kleinen Nebenrollen wie dem verstoßenen Nachtelf Maferis. Dabei ist es nicht mit Glaubwürdigkeit und Nachvollziehbarkeit getan – keine der Figuren ist ausschließlich gut oder böse -, sondern jeder einzelne von ihnen ist so plastisch beschrieben, dass man ihn fast anfassen kann. Außer bei Juliet Marillier ist mir so etwas noch nicht begegnet.

Dieselbe Intensität findet sich auch bei den Beschreibungen des Dunklen Waldes, der Kesselstadt oder der Marschen. Die Autorin schreibt in einer sehr poetischen Sprache, die mit wenigen Worten Bilder und Stimmungen wachzurufen weiß. Wer sich darauf einlässt, auf den wartet eine Welt, die vielleicht in ihrem Entwurf nicht absolut neu ist, aber ungeheuer lebendig und hautnah!

Die Handlung mag ebenfalls nicht unbedingt neu sein. Eine Gruppe von Gefährten, die sich aufmachen, einen Tyrannen zu stürzen, ist uns schon oft genug begegnet. Doch einige überraschende Wendungen sorgen dafür, dass das Schema „Held folgt seiner Bestimmung in die Höhle des Löwen und ficht dort den Kampf zur Befreiung der Welt aus“ auf dieses Buch nicht anwendbar ist. Abgesehen davon wird die Geschichte größtenteils von den Charakteren getragen, deren eindringliche Schilderung dem Geschehen seine Dramatik verleiht.

Das soll nicht heißen, dass im Grunde außer Gerede nicht viel passiert. Die Gefährten werden verfolgt, nicht nur von Schergen des Usurpators, sondern auch von Lebewesen der Sümpfe, eine Verfolgungsjagd durch die Gassen Kesselstadts findet sich ebenso wie Verrat und Krieg. Die Autorin hält geschickt die Balance zwischen der Entwicklung der Charaktere, dem Fortlauf der Geschichte und den gelegentlich eingestreuten Rückblenden, die Erklärungen für die Ausgangssituation der Erzählung liefern. So kommt bei der Lektüre zu keiner Zeit Langeweile auf.

Es lässt sich allerdings nicht leugnen, dass ich auch bei diesem Buch an ein paar Kleinigkeiten hängen geblieben bin.

Zum Beispiel hat es mich doch sehr überrascht, dass die Elfen und ihr Wildschwein so problemlos dicke Kerkermauern durchbrechen konnten. Außerdem fragte ich mich, wie Fesco es so ganz ohne Proviant zurück bis nach Kesselstadt geschafft hat. Am erstaunlichsten fand ich, dass nicht Ifredes das Weiße Kind war, obwohl er eigentlich alle Voraussetzungen dafür erfüllt hätte … Im Hinblick auf die Gesamtheit des Buches jedoch sind das nur Kleinigkeiten.

Um es kurz zu machen: Jenny-Mai Nuyen hat vielleicht nicht die Fantasy neu erfunden, aber sie hat einen faszinierenden und beeindruckenden Beitrag dazu abgeliefert! Ihre Charakterzeichnung und die Darstellung ihrer Welt beweisen viel Gespür und Einfühlungsvermögen, ihre Geschichte zeigen deutlich Geschick und Einfallsreichtum. Ein neuerlicher Beweis dafür, dass für das Verfassen lesenswerter Bücher nicht unbedingt die Lebenserfahrung eines Erwachsenen nötig ist! „Nijura“ ist ein Roman, den ich guten Gewissens nicht nur Jugendlichen, sondern auch Erwachsenen empfehlen kann. Er hat mir so ausnehmend gut gefallen, dass ich bestimmt auch ihren nächsten Roman lesen werde.

Jenny-Mai Nuyen stammt aus München und schrieb ihre erste Geschichte mit fünf Jahren. Mit dreizehn wusste sie, dass sie Schriftstellerin werden wollte. „Nijura“ begann sie im Alter von sechzehn Jahren. Inzwischen ist sie achtzehn, studiert Film an der New York University und arbeitet an ihrem nächsten Roman.

Gebundene Ausgabe 512 Seiten
ISBN-13: 978-3-570-13058-2

www.jenny-mai-nuyen.de/
www.randomhouse.de/cbjugendbuch/index.jsp

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Herbie Brennan – Der Elfenpakt (Faerie Wars 3)

Band 1: „Das Elfenportal“
Band 2: „Der Purpurkaiser“

Wieder einmal haben Henry, Pyrgus und Holly Blue Lord Hairstreak einen Strich durch die Rechnung gemacht, als Pyrgus zu Blues Gunsten abgedankt hat. Aber selbstverständlich ist Lord Hairstreak deshalb keineswegs bereit aufzugeben! Immerhin ist die neue Kaiserin nur ein Kind … Leider hat er seit neuestem das Problem, dass seine bisherigen Verbündeten auf einmal alle mit den Lichtelfen über einen Nichtangriffspakt verhandeln wollen!

Herbie Brennan – Der Elfenpakt (Faerie Wars 3) weiterlesen

Sara Douglass – Wächter der Zeiten, Die (Im Zeichen der Sterne 2)

Band 1: [„Die sterblichen Götter Tencendors“ 2653

Nachdem es den Dämonen gelungen ist, nach Tencendor zu gelangen, sitzen Caelum und seine Armee erst einmal im Wald der schweigenden Frau fest. Denn mehrmals am Tag verteilen die Dämonen ihren grauen Brodem über das Land, um sich an den Seelen aller Lebewesen in ihrer Reichweite gütlich zu tun. Wer in diesen Brodem gerät, ganz gleich, ob Mensch oder Tier, verfällt völlig dem Wahnsinn. Nur der Schatten schützt vor dieser Macht. Auf dem Rückweg nach Karlon muss Zared seine Armee alle paar Stunden mühsam unter geflochtenen Matten verstecken! Aber das ist nicht sein einziges Problem. Er hat einen Verräter in seiner Mitte …

Während Zared nach Karlon zurückkehrt, sind die Dämonen aufgebrochen, um die einzelnen Teile, in die der Feind einst den Dämon Qeteb gespalten hat, im Körper von Sternenfreundes untotem Sohn wieder zusammenzufügen. Ihr erstes Ziel ist der Kesselsee. Und nicht nur die Dämonen sind dorthin unterwegs. Auch Wolfstern will den Kesselsee erreichen, in seinen Armen trägt er das tote Kind, das Zenit bei ihrem Kampf gegen Niah aus ihrem Leib gezwungen hat …

Axis, Aschure und Caelum sind unterdessen auf dem Weg zum Sternenfinger, der früher Krallenturm hieß. Sie hoffen, dass die Weisheit von Jahrhunderten, die sich dort angesammelt hat, ihnen helfen wird, ein Mittel gegen die Dämonen zu finden. Doch auch sie werden verfolgt …

Drago hingegen ist auf dem Weg nach Gorken, und wie einst sein Vater hadert er unterwegs mit seinem Schicksal, das Noah, der Wächter, ihm offenbart hat. Faraday begleitet ihn, denn sie hat Noah versprochen, Drago eine Freundin zu sein. Allerdings zeigt sich schon bald, dass das, was sich zwischen den beiden zu entwickeln scheint, weit über Freundschaft hinausgeht. Je mehr Drago sich, wenn auch widerwillig, an den Gedanken seiner Aufgabe gewöhnt, desto mehr wehrt sich Faraday gegen die Entwicklung.

Im zweiten Band des Sternenzyklus sieht der Leser zu, wie Tencendor unweigerlich in den Untergang schlittert! Zumindest erscheint es am Anfang so.

Caelum ist immer noch von seinen Ängsten zerrissen und nahezu handlungsunfähig. Insofern war die Reise zum Sternenfinger das beste, was Axis und Aschure mit ihm tun konnten. Die Angst und der Schrecken, durch die der Weg nach Norden ihn führen, wirken wie ein Katalysator für einige tiefgreifende Erkenntnisse, die Caelum bisher fehlten. Der Mann, der schließlich auf einer Bahre zum Gipfel des Turms getragen wird, ist ein anderer als jener, der im Wald der schweigenden Frau seinen Bruder mit Vorwürfen überhäuft hat.

Aschure scheint im Verlauf dieses Weges und der Ereignisse im Zusammenhang mit Katie ebenfalls endlich ein paar Einsichten zu gewinnen. Axis dagegen bleibt stur. Sein Hass auf Drago übertrifft selbst seinen Zorn auf Zared. Wieder einmal hatte ich den heftigen Wunsch, ihm ein paar Ohrfeigen zu verpassen, damit er endlich die Augen aufmacht! Und nicht nur ihm!

Auch Isfrael benimmt sich auf eine Weise, die mich des Öfteren an seinem Verstand zweifeln ließ. Die Vorwürfe gegen seine Mutter sind völlig lächerlich und klingen wie die eines verwöhnten Kindes, das sich immer beschwert, ganz gleich, wie seine Mutter sich entscheidet. Gleichzeitig bringt er mit seinem Egoismus sein ganzes Volk in Gefahr. Auf seine Weise ist Isfrael ein noch schlechterer Herrscher als Caelum.

Kurz gesagt: Das Ganze klingt eine Zeitlang wie ein Kindergarten.

Parallel dazu versinkt Tencendor immer tiefer in Zerstörung und Wahnsinn. Vor den Mauern Karlons sammeln sich ganze Scharen von rasenden Tieren und Menschen, die eine Möglichkeit suchen, die Stadt zu überrennen. Die Schiffe, die Zared aussendet, um zwanzigtausend Menschen zu retten, die sich im Norden des Landes in alten Bergwerksstollen verkrochen haben, werden von Meeresdrachen zerstört. Und die Dämonen vernichten einen magischen See nach dem anderen. An einigen Stellen wurden die Darstellungen regelrecht grausam; recht ungewohnt bei dieser Autorin.

Die Wende kommt an dem Punkt, an dem sowohl Caelum als auch Drago beginnen, ihr Schicksal zu akzeptieren. Da es sich um eine allmähliche Entwicklung handelt, ist der Punkt nicht genau festzumachen. Am ehesten könnte man den Zeitpunkt ihrer Versöhnung als Wende bezeichnen. Von da an geht es allmählich aufwärts, eine seltsame Feststellung angesichts der Tatsache, dass am Ende des Buches Qeteb wiedererweckt, Karlon in Schutt und Asche gelegt und die Wälder der Awaren völlig zerstört sind. Der Schlüssel zu dieser eigenartigen Entwicklung lautet Wiedergeburt.

Eng damit verknüpft ist die Person des kleinen Mädchens Katie. Das Kind, das in den Kellern des Sternenfingers gefunden wurde mit einem Liederbuch im Arm, spielt eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Dämonen. Wie genau diese Rolle aussehen wird, ist eines der Rätsel, die sich die Autorin für den dritten Band aufgehoben hat, ebenso wie jenes um das geheimnisvolle Liederbuch, das Caelum zwar in die Lage versetzt hat, ein Falkenkind zu töten, aber gegen Qeteb offenbar nicht im geringsten gewirkt hat!

Nachdem der deprimierende und – der ständig zankenden Personen wegen – ärgerliche Anfang also überwunden ist, entwickelt das Buch all das, was man vom Weltenbaumzyklus kennt: Spannung, Faszination, Neugierde. Noah und Urbeth, die alte Eisbärin, haben einige Zusammehänge offengelegt, die einen völlig neuen Blick auf die Magie in Tencendor werfen und gleichzeitig zu ein paar neuen Fragen führen, an denen der Leser herumknobeln kann; die Irrungen und Wirrungen zwischen Zenit und Sternenströmer sowie Drago und Farraday halten nach Dragos und Caelums Versöhnung den Handlungsstrang des Zwischenmenschlichen in Bewegung; und die vielen Verschachtelungen der Handlungsstränge sorgen immer wieder für Überraschungen. So war ich eigentlich ziemlich sicher, dass Wolfstern Dragos Zwillingsschwester Flußstern umgebracht hat. Fehlanzeige!

Was ich nicht ganz nachvollziehen konnte, war die Wandlung von Wolfsterns Gefühlen gegenüber Niah. War er am Ende des ersten Bandes noch untröstlich über ihren Verlust, scheint er sich am Beginn des zweiten hauptsächlich über sie zu ärgern. Hier fehlen ein paar detailliertere Gedankengänge, um diese Veränderung plausibel zu machen. Vielleicht kommt da ja noch was nach.

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaum|-Zyklus stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem Weltenbaumzyklus und „Tresholder“ schrieb sie diverse Romane und Kurzgeschichten. Wann der dritte Teil des Sternenzyklus auf Deutsch erscheinen wird, war nicht herauszufinden. Der erste Band des neuen Zyklus |Darkglass Mountain| ist für Mai nächsten Jahres angekündigt.

My Сreative


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_Sara Douglass bei |Buchwurm.info|:_
[Die Sternenbraut 577 (Unter dem Weltenbaum 1)
[Sternenströmers Lied 580 (Unter dem Weltenbaum 2)
[Tanz der Sterne 585 (Unter dem Weltenbaum 3)
[Der Sternenhüter 590 (Unter dem Weltenbaum 4)
[Das Vermächtnis der Sternenbraut 599 (Unter dem Weltenbaum 5)
[Die Göttin des Sternentanzes 604 (Unter dem Weltenbaum 6)
[Der Herr des Traumreichs 1037
[Die Glaszauberin 1811 (Die Macht der Pyramide 1)
[Der Steinwandler 2639 (Die Macht der Pyramide 2)
[Die sterblichen Götter Tencendors 2653 (Im Zeichen der Sterne 1)

Clemens, James – Hinterland (Die Chroniken von Myrillia 2)

Nach den Ereignissen in [„Schattenritter“ 1794 ist Tylar zwar rehabilitiert, das heißt aber nicht, dass er deshalb keinen Ärger mehr hätte! Als Rogger von seinem letzten „Spionagegang“ zurückkehrt, hat er einen Schädelknochen dabei, der offenbar an mehreren Stellen Begehrlichkeiten weckt. Um das Ding untersuchen zu lassen, schickt Tylar Rogger damit nach Tashijan. Er selbst folgt auf seinem Luftschiff, gerät aber in einen Schneesturm, dem er nur knapp entkommt. Schon bald zeigt sich, dass dieser Schneesturm kein natürliches Phänomen ist. Er belagert die Festung! Und als wäre das noch nicht genug, stellt sich heraus, dass die ehemalige Kastellanin Mirra kurz davor steht, ihre finsteren Kreaturen aus der Tiefe der Festung zum Angriff zu führen …

Was die Charaktere angeht, hat sich in „Hinterland“ nicht viel Neues getan. Die Hauptprotagonisten sind lauter alte Bekannte: Rogger, Tylar, Kathryn, Garrod, Argent, Delia …

Neu dazu kommen lediglich Brant, Malhumalbaen und Liannora. Liannora und Malhumalbaen bleiben eher Randerscheinungen. Letzterer ist ein Erdriese, der sich vor allem durch seine Treue zu Brant auszeichnet. Erstere ist ein richtiges Biest, und es ist fast schade, dass sie nur eine Nebenrolle spielt, denn sie besitzt genug Potenzial, um eine Größe unter den Bösewichten zu werden. Aber was nicht ist, kann in diesem Fall ja noch werden. Das Hauptaugenmerk liegt in diesem Band jedoch hauptsächlich auf Brant. Der dunkelhäutige Junge aus dem Dschungel von Saysh Mal ist ein Jäger, erzogen nach einem Ehrenkodex, der auf Fairness und Respekt basiert. Er ist geschickt, zäh und intelligent, aber auch traurig. Denn seine Göttin hat ihn verbannt, und er weiß nicht mal, warum. Alles, was er weiß, ist, dass das irgendwie mit der brennenden Gestalt zu tun haben muss, die ihm einst mit ihrem letzten Atemzug einen schwarzen Stein vor die Füße warf. Ein Stein, der massiv auf den geheimnisvollen Schädel reagiert, den Rogger gefunden hat …

Die Götter, die diesmal auftauchen, sind allerdings andere: Brants Göttin, die Jägerin, ist offenbar während seiner Abwesenheit dem Wahnsinn verfallen, und ein Teil ihres Volkes konnte nur überleben, weil die Göttin Takaminara ihn beschützte. Gott Ulf aus dem Eisland ist derweil damit beschäftigt, Tashijan einzufrieren und bis auf die Grundmauern niederzureißen. Er will das Böse in der Tiefe der Festung ausmerzen. Und er will den Gottesmörder!

Was Mirra eigentlich genau will, erfährt man nicht. Mirra tauchte schon im ersten Band nicht allzu häufig auf, weil sie irgendwann einfach verschwand. Als sie im zweiten Band wieder auftaucht, ist sie eine Hexe. Da der Handlungsstrang, der sich mit der Hexe beschäftigt, aus Sicht von Kathryns Verbündeten erzählt wird und Mirra selbst kein Wort über ihre Absichten und Motive verliert, bleibt diese Frau vorerst ein ungelöstes Rätsel. Und sie ist nicht das einzige: Was ist zum Beispiel mit Wyrherr Bennifren, dessen Leute außerhalb aller Interessen stehen und doch überall ihre Finger mit drin haben?

Letztlich hat der Leser jedoch nicht allzu viel Zeit, um sich mit diesen Fragen herumzuschlagen. Dafür passiert einfach zu viel. Tashijan ist zwischen zwei Bedrohungen geraten wie ein Eisen zwischen Hammer und Amboß. Unter dem extremen Druck raufen sich die zerstrittenen Parteien unter Kathryn und Argent tatsächlich wieder zusammen, um die Festung und die Menschen darin zu retten. Ganz allmählich verschiebt sich der Blickwinkel. Argent, ehrgeizig und bis zu einem gewissen Grad auch skrupellos, scheint doch nicht der eigentliche Feind zu sein. Wenn die Gefährten jetzt vom Verschwörerzirkel sprechen, meinen sie nicht mehr die Partei des flammenden Kreuzes. Wen sie stattdessen meinen, wissen sie allerdings selbst noch nicht. Vorerst sind sie damit beschäftigt, die unmittelbaren Bedrohungen abzuwenden, und damit sind sie wahrhaftig beschäftigt genug!

Clemens hetzt seine Protagonisten wieder mal von einem Kampf in den nächsten. Oder auch vom Regen in die Traufe, wie man es nimmt. Das Erzähltempo nimmt zum Ende hin dramatisch zu und lässt den Leser kaum noch zu Atem kommen. Und als endlich alles ausgestanden ist, kommt der Epilog, um die Erleichterung des Lesers sogleich wieder verpuffen zu lassen. Eine von Clemens‘ Spezialitäten … Auch fließen in diesem Band wieder Ströme von Blut, allerdings nicht mehr so harmlos wie im ersten Teil. Die Geschehnisse in Saysh Mal sind ziemlich starker Tobak! Außerdem ist Mirras Lieblingswaffe ein extrem unangenehmes Gift, und die Machenschaften der Wyr waren bereits im letzten Band ziemlich abstoßend.

Mit anderen Worten: Clemens ist sich in jeder Hinsicht treu geblieben. Der Plot ist ein gutes Stück verzwickter als in |Banned and the Bannished|, der wahre Feind geschickt versteckt hinter einer Wand von Bedrohungen, die zwar aus verschiedenen Richtungen kommen, aber immer mehr auf eine gemeinsame Wurzel hindeuten. Damit hat der Autor auch seiner Handlung einen Gefallen getan, es gibt viel mehr Möglichkeiten für unerwartete Wendungen. Die Geschichte ist gewohnt rasant und fesselnd erzählt. Wer Wert auf Action und Spannung legt, ist hier richtig, und auch Freunden von Rätseln und Geheimnissen wird diesmal einiges geboten. Wer allerdings einen schwachen Magen hat, sollte die Finger von dem Buch lassen!

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. Von 1998 bis 2003 erschien der Fünfteiler |Banned and the Banished|. Danach gönnte sich der Autor eine Pause, ehe er mit seinen |Chroniken von Myrillia| begann. Leider war auf der neu aufgebauten Homepage des Autors kein Hinweis auf den dritten Band zu finden. Aber allen Ungeduldigen sei gesagt, dass die deutsche Ausgabe von „Hinterland“ vor der englischen erschienen ist.

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McGarry, Terry – Zauberin des Lichts

Liath hat gerade ihre Prüfung bestanden und ihre [Triskele]http://de.wikipedia.org/wiki/Triskele erhalten. Als sie jedoch helfen soll, einen verletzten jungen Mann zu heilen, versagt sie kläglich. Zutiefst erschrocken über diese Blockade, macht Liath sich zusammen mit einem Boten der Ennead auf den Weg zur Feste. Sie hofft, dass die Ennead, die obersten Magier Eiden Myrs, ihr helfen können. Aber auch ihnen gelingt es nicht, die Blockade zu durchbrechen! Deshalb schicken sie Liath auf die Suche nach Torrin, dem Magier mit dem hellsten, mächtigsten Licht. Nur mit Hilfe seiner Macht, so sagen sie, kann Liath geheilt werden. Die Suche ist allerdings eine gefährliche Angelegenheit, denn Torrin ist ein Schwarzmagier und wird Liath nicht freiwillig in die Feste folgen. Dennoch macht Liath sich auf den Weg. Schon bald muss sie feststellen, dass die wirkliche Gefahr nicht dort lauert, wo sie diese erwartet …

Liath ist nicht unbedingt naiv. Aber aufgrund ihrer Erziehung zur Illuminatorin ist sie fest verankert in der Weltsicht und Lebensweise, die Eiden Myr seit Jahrhunderten prägen. Deshalb, und weil man sie vor der versilberten Zunge des Schwarzmagiers gewarnt hat, wehrt sie sich mit aller Macht dagegen, sich „umdrehen“ zu lassen. Dennoch geht ihre Wanderschaft nicht spurlos an ihr vorüber. Obwohl sie das Töten verabscheut, erlernt sie den Schwertkampf. Um zu überleben, lernt sie zu lügen. Am Ende des Buches, nach vielen Verlusten und grausamen Schmerzen, ist sie eine ernüchterte und vernarbte Frau.

Heff, ihr Wandergefährte, ist bereits vor ihr gezeichnet. Ein Brand hat ihn entstellt, er kann nicht mehr sprechen. Liath scheint die Einzige zu sein, die seine Gesten versteht. Heff beschließt, sie zu beschützen, und folgt ihr überall hin. Nur die Feste der Ennead betritt er nicht. Er ist ein schweigsamer, ernsthafter Mann mit einem tiefen Gespür für die Erde, auf der er geht, für Pflanzen und Tiere. Erdweisheit nennt Liath diese Fähigkeit.

Torrin dagegen ist ein zerissener Mann. Er beschäftigt sich mit Schriften, die nicht für Beschwörungen gebraucht werden und sich folglich nicht in der Magie auflösen, sondern dauerhaft sind! Er bringt Kindern das Lesen bei, ganz gleich, ob sie ein magisches Licht besitzen oder nicht, und das, obwohl diese Kunst den Wortschmieden vorbehalten ist! Aber er ist nicht von der Überzeugung abzubringen, dass er das Richtige tut. Man könnte ihn als Ketzer bezeichnen.

Das Buch bietet noch eine wahre Fülle weiterer Charaktere, die jedoch eher am Rande mitlaufen, als dass sie detailliert ausgearbeitet wären. Auch die Charakterzeichnung der drei Hauptpersonen geht nur bei Liath weiter in die Tiefe. Heff und Torrin bleiben eher blass. So erfährt man zum Beispiel nicht, warum Heff die Magie so sehr ablehnt, oder welche Erfahrungen und Geschehnisse dazu führten, dass Torrin sein Licht abschirmt. Die Autorin lässt ihre Protagonisten diese Themen zwar anschneiden, gibt aber niemals konkrete Antworten. Dadurch wirken viele Passagen diffus und nebelhaft, lassen sich nicht recht fassen. Auf der anderen Seite gelingt es ihr hervorragend, im Laufe der Zeit die Motive der einzelnen Ennead herauszuarbeiten.

Abgesehen von der diffusen Charakterzeichnung der Hauptakteure trägt auch die massive Anzahl an Personen, die im Grunde nicht wirklich wichtig sind, zu Verwirrung bei. Vor allem am Anfang wird der Leser mit einer regelrechten Flut an Namen und Begriffen überschwemmt. Im besten Fall wird im Zusammenhang mit einem Namen beiläufig der Beruf der Person erwähnt. Trotz meines guten Namensgedächtnisses hatte ich massive Schwierigkeiten, die Leute auseinander zu halten. Die Spezialbegriffe im Zusammenhang mit Magie und der Hierarchie der Magier in der Feste muss der Leser erst durch Geduld und Ausdauer im Laufe des Textes zuordnen. Es sei denn, er stößt zufällig auf das Glossar, das irgendwo ganz hinten im Buch, kurz vor der Werbung, versteckt ist …

Interessant fand ich die Art und Weise, wie hier Magie gewirkt wird. Einer schreibt die Worte nieder, einer illustriert das Pergament mit magischen Symbolen und kunstvollen Umrandungen, und einer summt die Melodie der Beschwörung. Die Magier sind stets zu dritt, eine Triade, denn Drei ist die Zahl des Gleichgewichts. Das schlägt sich auch in anderen Bereichen nieder: Die Enneade besteht aus drei Triaden. Entfernungen werden in Dreifuß gemessen, das Alter in Neunjahren.

Die Idee einer Insel, die vor dem Rest der Welt verborgen ist, ist allerdings nicht unbedingt neu, auch nicht die Tatsache, dass Torrin Schwarzmagier nicht das eigentliche Problem Eiden Myrs ist, was ziemlich früh absehbar ist.

Warum nach der Aufhebung von Galandras Schild die Magie in Eyden Myr erlöschen sollte, ist mir dagegen nicht ganz klar! Schließlich war Galandra nicht der Ursprung der Magie, sondern nur eine von vielen Magiern …

Die Verlauf der Handlung erinnert ein wenig an ein widerborstiges Maultier. An manchen Stellen hält die Autorin sich ertaunlich lange auf, zieht kurz darauf das Erzähltempo drastisch an, um dann plötzlich wieder langsamer zu werden. Im Grunde ist das nichts Besonderes, irritierend ist die Auswahl der Stellen, die sie getroffen hat.

So verwendet sie eine Menge Zeit auf die Szene im Wirtshaus an dem Abend, als Liath ihre Trikele erhält. Diese recht lange Sequenz ist gespickt mit Andeutungen, die der Leser erst sehr viel später verstehen kann, als einige Dinge aus Liaths Kindheit näher erklärt werden. Auch der Teil, den Liath bei den Berufenen, sozusagen den Magier-Azubis, verbringt, ehe sie die Ennead um Hilfe bittet, ist weit ausführlicher als nötig und trägt mit seinen Erklärungen über die verschiedenen Kleiderfarben der Festenbewohner eher zur Verwirrung bei als zur Erläuterung. Der Prolog ist von der eigentlichen Geschichte unabhängig und wird erst spät in den Kontext eingebunden. All das macht die Geschichte am Anfang ziemlich langatmig.

Auf Liaths Reise dagegen huscht die Handlung von einem Ziel zum nächsten. Manche werden lediglich erwähnt, andere etwas genauer ausgeführt, doch die Informationen innerhalb dieser Abschnitte sind für den eigentlichen Zusammenhang im Grunde unerheblich. Fast die gesamte Reise Liaths durch Eiden Myr ist gekennzeichnet durch kurze, schnappschussartige Eindrücke, als hätte McGarry versucht, einen kurzen Überblick über die verschiedenen Landstriche und die Eigenheiten ihrer Bewohner zu geben. Der Gesamteindruck ist aber eher bruchstückhaft. Einerseits verständlich, denn für mehr war einfach kein Platz, andererseits aber fehlt der Darstellung so die Intensität, um sie wirklich interessant zu machen. Es entsteht der Eindruck, als hätte die Autorin einmal mit weit ausholender Geste über die Landkarte gewischt.

Bei Liaths zweitem Besuch in der Feste hingegen überschlagen sich die Ereignisse regelrecht! Wie auf einer Achterbahn wechseln Gefangennahmen und Flucht mit Revolten und Befreiungen. Innerhalb dieser kurzen Zeit – grob gesehen, knapp ein Drittel des Buches – findet auch Liaths Verwandlung von der gläubigen Schülerin zur kritischen, selbstständig denkenden Frau statt. Nachdem die Handlung sich erst ziemlich hinzog, wird hier das Erzähltempo drastisch angezogen.

Der Schluss hingegen wirkte ein wenig konstruiert, vor allem die Sache mit Jonnula.

Eine recht durchwachsene Mischung, die Terry McGarry da geschrieben hat. Die Grundidee fand ich durchaus gelungen, wenn auch nicht alle Einzelheiten wirklich neu waren. Die Ausarbeitung war dagegen noch etwas unausgewogen. Ein wenig mehr Konzentration auf den eigentlichen Handlungsstrang und weniger Verzettelung in nebensächlichen Details käme der Spannung zugute. Rätsel und Andeutungen machen Geschichten durchaus interessanter, solange sie sich nicht auf so viele verschiedene Sachverhalte beziehen, dass der Leser den Überblick verliert.

Bleibt abzuwarten, in welche Richtung sich der Folgeband entwickelt. Eigentlich ist es kaum vorstellbar, dass die Magie im weiteren Verlauf keine Rolle mehr spielen sollte, immerhin handelt es sich immer noch um Fantasy.

Terry McGarry war nach dem College in den verschiedensten Berufen tätig und ist letztlich im Verlagswesen hängen geblieben. Sie schrieb schon seit längerem Kurzgeschichten, ehe sie „Zauberin des Lichts“ schrieb. Die Fortsetzungen zu diesem Roman, „The Binder’s Road“ und „Triade“, sind auf Deutsch noch nicht erschienen.

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Fallon, Jennifer – Erbin des Throns (Die Chroniken von Hythria 1)

Elezaar ist gerade knapp einem Massaker entronnen. Was nicht heißt, dass er in Sicherheit wäre! Zwar ist es ihm gelungen, das Haus des Sklavenhändlers Venira zu erreichen, doch so lange er nicht an eine neue Familie verkauft ist, hat er keinen Beschützer. Da kommt es ihm gerade recht, dass Großfürst Lernen Wulfskling just eine passende Heirat für seine Schwester Marla aushandelt. Nur dumm, dass Marla auf ihrer Suche nach einem geeigneten Court’esa ausgerechnet Alija Aarspeer dabeihat …

Marla Wulfskling legt keinerlei Wert auf den Kauf eines Court’esa, denn der Mann, den ihr Bruder für sie ausgewählt hat, ist leider nicht der, in den sie sich gerade frisch verliebt hat. Dennoch – oder vielleicht gerade deshalb – weckt Elezaar ihr Interesse, denn er hat offenbar mehr zu bieten als die üblichen Schönlinge, die nur fürs Bett gut sind. Zu Alijas Entsetzen entscheidet sie sich für den Zwerg …

Deshalb macht Alija ihrer naiven, dummen, romantischen, kleinen Nichte einfach den Court’esa Corin zum Geschenk. Sie braucht dringend einen Spion in Marlas Umgebung. Da von Marlas Bruder kein Nachwuchs zu erwarten ist, wird Marlas Erstgeborener der Erbe des Großfürsten sein. Wenn es nach Alija geht, wird Marla keinen Sohn haben, denn nur dann hat ihr eigener Mann Barnardo Aussichten, sich selbst den Thron zu sichern. Zu dumm, dass der Großmeister der Magiergilde von dieser Aussicht überhaupt nicht begeistert ist und mit allen Mitteln gegen sie arbeitet …

Kagan Palenovar ist zwar von der Aussicht, Marla mit dem König von Fardohnja zu verheiraten, keineswegs erbaut, doch ist ihm bisher kein besserer Gedanken gekommen, um den unfähigen Lernen auf dem Thron zu halten. Das aber will er unbedingt, denn die Alternative für Hythrias Thron wäre ein schwacher Dummkopf mit einer ehrgeizigen Zauberin an seiner Seite, und das erscheint ihm als das größere Übel …

Da stirbt Glenadal Ravenspik, der Kriegsherr der Provinz Morgenlicht, und setzt zu aller Überraschung seinen Stiefsohn Laran, den Kriegsherrn von Krakandar, zu seinem Erben ein. Plötzlich gibt es eine hythrische Alternative zu Hablet von Fardohnja! Doch die Partei Alijas weigert sich, einer solchen Machtkonzentration zuzustimmen …

Auch Larans Familie macht Schwierigkeiten. Seine selbstsüchtige Halbschwester Darilyn und sein Halbbruder Mahkas fühlen sich durch Glenadal Rabenspiks Entscheidung übergangen und zurückgesetzt. Um auf irgendeine Weise zu Geld zu kommen, liefern sie ihre jüngste Schwester Riika, die Marla Wulfskling ähnlich sieht, gegen Lösegeld an Fardohnja aus. Allerdings erkennt der Obereunuch Hablets auf den ersten Blick, dass die Ausgelieferte nicht Marla ist. Da er nicht weiß, daß sie statt dessen Larans Schwester ist, lässt er sie kurzerhand töten! Als Mahkas von Riikas Tod erfährt, ist ihm sofort klar, dass, wenn er am Leben bleiben will, Laran keinesfalls von dem Verrat seiner Geschwister erfahren darf. Doch Darilyn verliert die Nerven …

|Themen und Charaktere|

In „Erbin des Throns“ geht es um dieselben Themen wie in der Dämonenkind-Trilogie: Macht, Intrigen, Mord. Nur der Kampf gegen einen übermächtigen Gott fehlt diesmal, die Bedrohung durch Xaphista ist lediglich eine Randerscheinung, was ich nicht unbedingt als Manko empfand. Auch spielt die Geschichte fast ausschließlich in Hythria, während R’shiel hauptsächlich in Medalon unterwegs war. Karien wird lediglich mal erwähnt … Das macht aber überhaupt nichts! Hythria allein bietet genug Stoff für Ränke und Verwicklungen!

Elezaars einziges Ziel ist, sich seiner Herrin so unentbehrlich zu machen, dass sie ihn keinesfalls irgendwann verkauft, denn das wäre sein Todesurteil. Alija will unbedingt ihren Mann auf dem Thron sehen und dann an seiner Statt herrschen. Kagan will auf jeden Fall Alija vom Thron fernhalten, gleichzeitig aber irgendwie erreichen, dass der Thronerbe aus Hythria stammt. Laran will einfach nur das Beste für Hythria. Mahkas will nicht immer nur Larans Gefolgsmann sein, sondern eine eigene Aufgabe. Darilyn will ein eigenes Vermögen. Und Marla will zunächst einfach nur den Mann heiraten, den sie liebt, und mit ihm bis an ihr Ende glücklich sein. Völlig klar, dass das alles nicht unter einen Hut zu bringen ist!

Am meisten hat Marla unter all den Machtkämpfen zu leiden. Kaum hat sie sich in Naschan Falkschwert verliebt, erfährt sie, dass sie Hablet von Fardohnja heiraten soll. Damit will und kann sie sich nicht abfinden. Als Nasch auf der Burg ihrer Tante auftaucht, wo Marla sich aufhält, flammt neue Hoffnung in ihr auf, doch einziges Ergebnis ist, dass sie nun auf einmal Laran heiraten soll! Der Ärger darüber, dass sie von den Männern lediglich als politisches Mittel benutzt wird, ärgert sie maßlos und macht sie zugänglich für Elezaars politische Lehren. Von ihm lernt sie, die geringen Möglichkeiten zu nutzen, die ihr in einer patriarchalischen Gesellschaft zur Verfügung stehen. Aus dem naiven, romantischen Kind wird eine erwachsene Frau. Natürlich kann Elezaar nicht verhindern, dass seine Herrin hartes Lehrgeld zu zahlen hat. Doch Marla, angetrieben von dem Wunsch, ihr Schicksal künftig selbst zu entscheiden und vor allem ihre Kinder zu beschützen, geht gestärkt aus diesen Kämpfen hervor und wird zu einem echten Machtfaktor in Hythria.

Ihre Gegenspielerin Alija zeichnet sich vor allem durch Machtgier und Skrupellosigkeit aus. Ursprünglich mit Laran Krakenschild verbandelt, hat sie ihm den Laufpass gegeben, weil sie glaubte, eine Ehe mit Barnardo Aarspeer böte ihr mehr Möglichkeiten, an die Macht zu gelangen. Neben ihrem Mann, den sie lediglich benutzt, hat sie noch eine Menge Liebhaber, die sie genauso benutzt. Überhaupt ist ihr jedes Mittel recht. Spionage, Lüge und Hinterlist sind dabei noch die harmlosen Varianten. Abgesehen davon liest sie Gedanken und manipuliert den Willen anderer, ihre Mordmethoden reichen von bezahlten Killern über Gift bis hin zur Magie.

Kagan Palenovar wirkt gegen Alija ziemlich fad. Da er auf der Seite der „Guten“ ist, darf er natürlich keine krummen Touren drehen. Aber obwohl er politisch hochaktiv ist und zwangsläufig auch Personen für seine Zwecke benutzt – zum Beispiel Marla und Laran -, wirkt er ansonsten fast ein wenig verschlafen. Sein Lehrling Wrayan hat mehr Zugriff auf die Macht der Götter als jeder andere in der Magiergilde, doch Kagan macht sich nicht die Mühe, ihn auch nur ansatzweise im Gebrauch seiner Fähigkeiten auszubilden. Seinen Aufgaben als Gildenmeister kommt er nur widerwillig nach. Fast scheint es, als würden ihn die Belange der Götter und Harshini langweilen.

Mahkas dagegen wirkt fast aktivistisch. Einerseits neigt er zur Oberflächlichkeit, andererseits ist er ziemlich ehrgeizig und durchaus nicht unfähig. Hätte er einen Kriegsherrn zum Vater gehabt, hätten sich seine Charaktermängel womöglich gar nicht ausgewirkt. Irgendwann hätte er seine eigene Provinz geerbt und alles wäre in Butter gewesen. So, wie die Dinge liegen, macht er allerdings eine eher klägliche Figur: ein Mann mit dem Willen zur Macht, aber zu wenig kaltschnäutzig, um zu den Bösen zu gehören, und zu schwach, um zu den Guten zu gehören, geplagt von Gewissensbissen und einer rasenden Angst vor Entdeckung. Stellenweise tat er mir regelrecht leid.

|Gesamteindruck|

Die Charakterzeichnung gefiel mir in diesem Band besser als in der Dämonentrilogie. R’shiel war in ihrem Zorn manchmal regelrecht blindwütig, und sie war fast ständig zornig. Auch Marla hat so manchen Grund, zornig zu sein, aber sie ist beherrschter als R’shiel, überlegter und damit wahrscheinlich gefährlicher, obwohl sie nicht über Magie verfügt. Alija kann mit Frohinia durchaus mithalten, auch wenn ihre Mittel gelegentlich etwas plumper sind als die der ehemaligen Ersten Schwester. Und während in der Dämonentrilogie Frohinia zu meinem großen Bedauern bereits am Ende des ersten Bandes außer Gefecht gesetzt wurde, bleibt Alija dem Leser noch erhalten, zumindest vorerst.

Auch der Handlungsverlauf lag mir mehr. Zwar scheinen die ständigen Enttäuschungen, die Marla nacheinander mit den verschiedenen Männern erlebt, sich auch irgendwann zu wiederholen, jedoch nicht so auffällig und nicht so oft wie es in „Kind der Magie“ der Fall war. Die Harshini tauchen nur in äußerst geringem Maß auf, was ich allerdings auch nicht sonderlich vermisste. Da sie nicht nur unfähig sind, Gewalt anzuwenden, sondern offenbar auch sonst in keinerweise Einfluss auf irgendetwas nehmen außer dadurch, dass sie mit jemandem ins Bett steigen, bleiben sie ziemlich farblos und eindimensional.

Was ich allerdings immer noch vermisse, ist ein stärkerer Ausbau der Magie. Alija wendet sie an, Brakandaran und Wrayan wenden sie an, R’shiel wandte sie an, aber der Leser weiß immer noch nicht, was genau in einem solchen Fall passiert. Jennifer Fallon kommt in diesem Punkt einfach nicht über Andeutungen hinaus. Sie erklärt nicht einmal, was genau ein Angeborener ist.

|Unterm Strich|

Alles in allem hat die Autorin in diesem Fall einen besseren Start gehabt als bei ihrer Dämonentrilogie. Marla hat sich zu einer willenstarken, klugen und mutigen Frau entwickelt, was ein interessantes Duell mit Alija verspricht. Auch Wrayan ist ein interessanter Charakter: Der von Kagan hauptsächlich in Diplomatie und Politik geschulte junge Mann hat offenbar von seinem Aufenthalt bei den Harshini etwas über Magie gelernt – wenn auch mit keinem Wort erwähnt wird, von wem und wie! – und durch seine Rückkehr auf die Straße noch zusätzlich an Potenzial gewonnen. Und auch Mahkas dürfte noch für einigen Wirbel sorgen, und sei es nur durch die Entdeckung seiner Schandtaten. Keine schlechte Ausgangsposition für die Fortsetzung „Retter des Throns“, die im Februar nächsten Jahres erscheinen soll.

Jennifer Fallon stammt aus einer großen Familie mit zwölf Geschwistern. Sie hat in den verschiedensten Jobs gearbeitet, unter anderem als Kaufhausdetektivin, Sporttrainerin und in der Jugendarbeit. Letzteres scheint ihr immer noch nachzuhängen, unter ihrem Dach leben außer drei eigenen Kindern einige obdachlose Jugendliche als Pflegekinder. Schreiben tut sie nebenher. Die Trilogie |DemonChild| war ihre erste Veröffentlichung. Außerdem stammt die Trilogie |Second Sons| aus ihrer Feder.

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_Jennifer Fallon bei |Buchwurm.info|:_

[„Kind der Magie“ 1328 (DemonChild Band 1)
[„Kind der Götter“ 1332 (DemonChild Band 2)
[„Kind des Schicksals“ 1985 (DemonChild Band 3)
[„Ritter des Throns“ 3327 (Die Chroniken von Hythria 2)

Russell, Sean – Sturmvogel (Das verlorene Königreich 3)

Band 1: [„Nachtvogel“ 2673
Band 2: [„Goldvogel“ 2678

Wider erwarten ist es am Ende des zweiten Bandes sämtlichen Protagonisten gelungen, die stillen Wasser zu verlassen. Leider auch Eremon. Ja sogar Beldor ist entkommen, wenn auch auf ungewöhnliche Weise: Der Schatten, der ihn aus der Gruppe der Kämpfenden herausgerissen hat, hat ihn zur Pforte des Todes gebracht, wo ihm der Tod höchstpersönlich sein Leben gegen einen Dienst anbietet: Er soll ein Päckchen zu Eremon bringen. Beldor hat solche Angst vor dem, was ihn hinter der Pforte erwartet, dass er gehorcht. Kaum hat Eremon das Päckchen erhalten, lässt er Kilydd entführen, damit dieser ihm den Weg zur Insel des Wartens und zum Mondspiegel weist, einem geheimen Ort, an dem der Körper Wyrrs ruht. Zusammen mit Beldor, Kilydd und einigen seiner Leibwächter macht Eremon sich auf den Weg, und auch Carls Vater nimmt er mit. Niemand weiß, was genau Eremon vorhat, doch A’denné weiß, dass seine Chancen auf Überleben gering sind. Aber sinnlos sterben will er nicht …

Alaan, die Seetaler und Cynndl haben das Lager der Fáel erreicht, wo sie bereits erwartet wurden, denn Llya, Ebers kleiner Sohn, wusste vom Fluss, dass sie dorthin unterwegs waren. Die Fáel sind höchst beunruhigt, nicht nur durch die seltsamen Fähigkeiten des kleinen Jungen, sondern vor allem auch von einem Bild, das eine ihrer Gesichtestickerinnen hergestellt hat. Es zeigt einen Seelenfresser! Alaan ist entsetzt, denn dass die hellsichtige Frau dieses Bild gestickt hat, kann nur bedeuten, dass Eremon vorhat, ein solches Geschöpf zu erschaffen. Das muss unbedingt verhindert werden! Noch am selben Abend machen sich die Gefährten auf ins verborgene Land, um Eremon abzufangen …

Elise Willt und Gilbert A’brgail sind im Norden wieder aufgetaucht, in der Nähe der Heimat der Fáel! Zunächst werden sie gefangen genommen, und Elise droht die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Erst als die Fáel sicher sind, dass Sianon nicht die Oberhand über den gemeinsamen Körper gewinnen wird, lassen sie die beiden laufen. Auch sie erfahren von der Bedrohung durch den Seelenfresser. Doch Alaan ist bereits fort und Kilydd entführt. Da erklärt zu aller Erstaunen der kleine Llya, er werde sie zur Insel des Wartens führen. Auch diese Gruppe bricht sofort auf.

Carl A’denné musste auf seiner Flucht feststellen, dass Herzog Vast, ein Verbündeter der Rennés, ein Verräter ist! Mit Mühe hat er es von der Schlachteninsel bis zum Schloss an der Westrych geschafft. Nun soll er zusammen mit Jamm und Samul Renné, dem eigentlich das Schaffott droht, Michael, den Prinzen von Innes, zu seinen Soldaten zurückbringen. Michaels Vater ist von Eremon ermordet worden, und nach Eremons Abreise zur Insel des Wartens hat Menwyn Willt sich das Kommando über die gesamten Truppen unter den Nagel gerissen. Michael will sein Heer zurück und sich mit den Rennés verbünden, allerdings weniger gegen Menwyn als gegen Eremon! Schon bald sind die Vier wieder auf heimlichen Schleichwegen zwischen Scharen von Suchtrupps unterwegs.

_Showdown_

Das Pozedere ist vom zweiten Band bereits bekannt: Sämtliche Gefährten brechen in neuer Zusammenstellung zum wiederholten Male auf, um Eremon das Handwerk zu legen, beziehungsweise um auf irgendeine Weise Krieg zu führen. Der Handlungsstränge sind es diesmal nicht ganz so viele, dennoch ist die Übersicht noch schlechter als im zweiten Band! Das liegt daran, dass der Erzähler innerhalb der verschiedenen Fäden aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt; im Falle der Gruppe um Eremon heißt das, es wird mal aus Beldors, mal aus A’dennés, mal aus Kilydds Sicht berichtet. Dasselbe gilt für die anderen Gruppen. Carl und Jamm werden kurzzeitig von Samul und Michael getrennt, erhalten aber gleichzeitig Zuwachs, sodass sich auch hier die Perspektive oft ändert. Inzwischen wechselt die Handlung auch innerhalb von Kapiteln von einem Strang zum andern! Das machte die Lektüre schon fast mühselig. Erst als die Erzählung sich auf die Ereignisse am Mondspiegel konzentriert, wo drei der verschiedenen Gruppen zusammentreffen, um sich – natürlich! – neu zu formieren, wird das besser. Danach lösen sich die Verwicklungen der Geschehnisse, die mit der verborgenen Welt und den Sagen aus der Vergangenheit zu tun haben, relativ rasch auf, und der Rest des Buches konzentriert sich auf den Showdown in der menschlichen Welt.

Auch diesmal passiert zunächst nicht wirklich viel. Das Buch füllt seine Seiten schlicht durch die Masse der parallel verlaufenden Fäden, die für sich betrachtet erstaunlich knapp wirken. Eremon befährt den Fluss, gefolgt von Sianon, die er mit Feuer aufzuhalten versucht, was ihm natürlich nicht gelingt. Alaan ist zu Pferd unterwegs und muss sich gegen Wesen aus dem Schattenreich zur Wehr setzen. Und Michael und sein Gefolge sind damit beschäftigt, wie zuvor schon Carl, durch Hecken und Wiesen zu kriechen, nur um am Ende verraten zu werden. Im Grunde also nichts wirklich Neues im Vergleich zu den Vorgängerbänden: eine Reise mit Hindernissen, die den Spannungsbogen aufrecht halten. Das gelingt im Großen und Ganzen auch, wirklich spannend wird es aber erst am Mondspiegel und dann noch einmal in der Schlacht zwischen Eremon, Alaan und Elise.

Der Tod, den Russell gegen Ende des zweiten Bandes als neues Element einbaute, hat die Seite der Sagenwelt noch einmal ein Stück erweitert. Die Auflösung dieser Bedrohung erfolgt allerdings erstaunlich unspektakulär und überzeugt weniger durch ihre Wucht als durch ihre Findigkeit. Vielleicht hätte ich den Kniff schon früher geahnt, wäre ich nicht so damit beschäftigt gewesen, die vielen Personen und die dazu gehörige Entwicklung der Ereignisse auseinander zu halten. Vielleicht war das ja Russells Absicht.

Die Erschaffung des Seelenfressers gehört zu den unappetitlicheren Szenen des Buches, und auch die Schilderung der Schlacht gegen Eremon war weit unangenehmer geschildert als der Kampf um die Schlachteninsel im zweiten Band. Für das Finale seiner Geschichte hat der Autor noch einmal schweres Geschütz aufgefahren. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob Details wie schreiende Totgeburten oder Scharen brennender Soldaten und Pferde die Sache wirklich spannender machen! Wie auch immer, offenbar ist die moderne Fantasy nicht ganz willens oder in der Lage, ohne solche Szenen auszukommen.

Auch vor kleinen Pannen ist dieser Zyklus nicht gefeit. So passiert es im Laufe der Geschichte, dass Theason, der sonst immer nur in der dritten Person von sich spricht, auf einmal „ich“ sagt. Außerdem habe ich den Verdacht, dass dem Verlag in der Beschreibung von Elises Kampf mit Eremon eine Panne mit der Kursivschrift passiert ist. Sianons Erinnerungen sind erst kursiv, dann normal, dann wieder kursiv gedruckt.

_Unterm Strich_

Insgesamt kann man sagen, dass Russell nicht unbedingt die Fantasy neu erfunden hat. Vieles, was in seinen Schilderungen auftaucht – die Verbindung zwischen den Nagar und den Elementen, das verborgene Land und seine geheimen Wege, die Machtgier von Menschen und Zauberern – hat man schon bei anderer Gelegenheit mal gelesen. Auch ein Großteil der Personen – Toren Renné, Menwyn Willt, Fürst Innes oder Beldor – entstammt dem üblichen Vorrat an Charakteren: Helden, Machtmenschen, sture Narren oder fanatische Neidhammel. Die Welt der Menschen, die Russell entwirft, besteht vor allem aus Hass und Verrat.

Weit interessanter waren die Personen, die mit dem verborgenen Land in Kontakt standen. Rabal Krähenherz, Orlem Leichthand, Kilydd und Theason, sowie Eber und sein kleiner Sohn waren diejenigen, die dem Buch seinen Zauber verliehen, zusammen mit den Sagen aus der alten Zeit und den wunderlichen Orten, die im verborgenen Land existieren, wie der sprechende Felsen, die Insel des Wartens und der steinerne Wald. Hier zeigen sich die eigenen Ideen des Autors, und sie können sich durchaus sehen lassen.

Was das Buch ausmacht, ist die Mischung aus beidem. Russell hat mit dem verlorenen Königreich eine spannende, aufwändige Trilogie mit vielen Wendungen, Wirren und Geheimnissen geschrieben. Wer sich also an komplizierten Handlungsverläufen, einer großen Anzahl an handelnden Personen und ständig wechselnden Gruppenzusammensetzungen nicht stört, der liegt hier nicht falsch. Einen einzelnen Band der Trilogie zu lesen, womöglich noch außerhalb der Reihenfolge, macht allerdings keinen Sinn, da alle drei Teile voll aufeinander aufbauen und die ersten beiden Bände am Ende völlig offen sind! Wer sich auf diese Trilogie einlässt, muss sie vom Anfang bis zum Ende durchstehen, oder er wird nicht viel davon haben.

Sean Russell lebt in Vancouver. Er hatte bereits als Kind eine Vorliebe für phantastische Erzählungen und begann schließlich selbst zu schreiben. 1991 erschien sein erstes Buch. Aus seiner Feder stammen „Das Reich unter den Hügeln“ und „Der Seelenkompass“, „Welt ohne Ende“ und „Meer ohne Ufer“ sowie die Barbaren-Trilogie. Nicht alle dieser Bücher sind auf Deutsch erhältlich.

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Russell, Sean – Goldvogel (Das verlorene Königreich 2)

Band 1: [„Nachtvogel“ 2673

Nach den turbulenten Ereignissen am Ende des ersten Bandes muss der Leser zu Beginn des zweiten erst einmal sämtliche Beteiligten wieder einsammeln:

Elise hat sich in ihrem verzweifelten Wunsch, Eremon zu entgehen, ins Wasser gestürzt und dort einen Pakt mit der Nagar Sianon geschlossen. Aber sie ist von dem Ergebnis keineswegs begeistert. An Sianons Erinnerungen kann sie die Grausamkeit und Skrupellosigkeit der ehemaligen Zauberin erkennen. Sie weiß, dass sich ein Monster in ihr eingenistet hat, und nun ist sie stets damit beschäftigt, die Oberhand über den fremden Geist zu behalten. Gleichzeitig weiß sie aber auch, dass sie nun erst recht zur Zielscheibe Eremons geworden ist. Denn auch er hat einen Pakt mit einem Nagar geschlossen, mit Sianons Bruder Caibre, der seine Schwester schon vor Urzeiten bis auf den Tod bekämpfte. Er wird sie auch jetzt wieder bekämpfen, aber Sianons Pakt ist noch neu, ihre Macht gering. Ihre einzige Chance ist es, Alaan zu erreichen. Doch Alaan ist mit seinem Versuch, Eremon ins verborgene Land zu locken, gescheitert. Außerdem ist es seinen Verfolgern gelungen, ihn zu verwunden. Er fiebert und ist nahezu hilflos. Mit Hilfe Kilydds, eines früheren Reisegefährten Alaans, machen sich Elise, die Seetaler und Cynndl auf den Weg, ihn zu suchen, verfolgt von Eremon …

Außer Eremon sind auch Toren Renné und sein Vetter Dease mit Verfolgung beschäftigt. Beldors Attentat ist fehlgeschlagen, statt Toren hat er seinen jüngeren Vetter Arden erschossen. Jetzt sind Beldor und sein Mitverschwörer Samul auf der Flucht. Unterwegs trifft Toren auf A’brgail und einige seiner Ritter, die sich ihrer Suche anschließen. Zu ihrem Leidwesen müssen sie feststellen, dass die Flüchtigen unterwegs auf Eremon gestoßen sind und sich ihm offenbar angeschlossen haben! Dennoch will Toren die Verfolgung nicht aufgeben. Doch nachdem er die stillen Wasser betreten hat, den Sumpf, in dem auch der verwundete Alaan liegt, bereut er seine Entscheidung nur zu bald. Denn die Gruppen um Eremon, Elise und Toren sind ganz offensichtlich nicht die einzigen, die in diesem Sumpf umherwandern …

Während die Zauberer im Sumpf des verborgenen Landes Versteck spielen, hat Elises Vater Carral Willt beschlossen, sich nicht länger hinter seiner Blindheit zu verstecken und den Rennés einen Vertrag angeboten: Er selbst fordert sein Recht als Oberhaupt der Willts ein, die Schlachteninsel wird von den Rennés an ihn zurückgegeben, und er wird dafür ein Bündnis mit den Rennés schließen. So hoffen er und Frau Beatrice, Torens Mutter, einen Krieg zu vermeiden. Doch von Carl A’denné erfahren sie, dass der Fürst von Innes und Menwyn Willt vorhaben, die Schlachteninsel einfach zu besetzen. Carl bietet sich als Spion an, teils aus Abscheu gegen Eremon, teils aus dem Wunsch heraus, seinen Besitz vor der Vereinnahmung durch Fürst Innes zu schützen. Es dauert nicht lange, und es herrscht Krieg …

_Die Saga geht weiter_

Sean Russel hat also seine Protagonisten in einer völlig veränderten Aufstellung auf die Reise geschickt. Aber das ist nicht alles. Die Zahl der Handlungsstränge hat massiv zugenommen. Allein im Sumpf agieren zur „besten“ Zeit allein fünf Gruppen, die sich ständig mehr oder weniger versteckt umeinander herumbewegen. Und auch die Anzahl der Gruppen, die in der normalen Welt die Ereignisse bestimmen, wurde erweitert, nicht nur durch Carl und seinen Begleiter Jamm, sondern auch durch Eber und seinen Sohn Llya, die ihre Insel im Fluß verlassen haben, um die Fáel aufzusuchen.

Der Großteil des Geschehens spielt sich jedoch im Sumpf ab. Das Erstaunliche dabei ist, dass eigentlich nicht wirklich viel passiert. Toren und A’brgail suchen nach Beldor und Samul in Eremons Gefolge, Eremon sucht nach Sianon, und Sianon sucht nach Alaan. Alaan selbst wird von Häschern Eremons gefangen genommen, wieder befreit, nochmal gefangen genommen, nochmal befreit, und schwebt die ganze Zeit am Rande des Todes.

Der Tod bringt dann auch frischen Wind in die ganze Angelegenheit. In den finsteren Schatten, die versuchen, nach dem sterbenden Alaan zu greifen, erhält er die erste Andeutung einer Gestalt. Die Sage um Aillyn und Wyrr, den Vater der verfeindeten Zauberergeschwister, bildet die Basis zu dem, was sich da allmählich zusammenbraut. Aber erst am Ende des Buches erfährt der Leser, womit er es wirklich zu tun hat.

_Leseerlebnis_

Das viele Hin und Her zwischen den Parteien ist nicht wirklich geeignet, den Spannungsbogen straff zu halten. Allein der Kampf gegen die Schatten bietet einen kleinen Höhepunkt zwischendurch, ehe es beim Verlassen des Sumpfes wieder ernsthaft zur Sache geht. So kommt es, dass der größere Teil der Spannung von der kleineren Hälfte des Buches, dem Kampf um die Schlachteninsel und Carls Flucht zu den Rennés, getragen wird, zumal am Ende der Hetzjagd noch eine Überraschung auf den Leser wartet.

Der zweite Band war um einiges anstrengender zu lesen als der erste. Durch die Vielzahl der Handlungsstränge wurden die Unterbrechungen vor allem der weniger wichtigen Fäden oft ziemlich lang, was das Zurückfinden in den besagten Faden erschwert. Dafür erhält der Leser durch weitere Geschichten aus der Vergangenheit einige Antworten auf Fragen, die im ersten Band noch unbeantwortet geblieben sind. Die Wendung am Ende des zweiten Bandes sorgt indes für eine Menge neuer Fragen, die das Interesse am weiteren Verlauf der Geschichte in den letzten Band der Trilogie hinübertragen. Mit dem ersten Band kann der zweite zwar nicht ganz mithalten, er bietet aber trotz ein paar kleiner Durchhänger und des anstrengenden Handlungsverlaufs einige interessante Ideen, welche die Lektüre lohnend machen: das Mondsteintor; der Stein, den Aillyns Herold mit der Bitte um Unterstützung zuerst Alaan, dann Eremon anbietet; der kleine Llya, der zwar stumm ist, aber dafür die Stimme des Flusses verstehen kann …

Sehr wohltuend empfand ich das nahezu fehlerfreie Lektorat. Heyne hat da ein Stück ordentlicher Arbeit abgeliefert. Auch das Cover der Bände gefällt mir, wenngleich ich sagen muß, daß mir der Zusammenhang zwischen den Abbildungen von Einhorn und Drache auf den ersten beiden Bänden und dem Inhalt der Erzählung bisher entgangen ist! Ähnliches gilt für den Titel: „Nachtvogel“ könnte man ja noch auf den Züst beziehen, der Alaan folgt. „Goldvogel“ paßt zu dem schwarzen, krähenähnlichen Vogel allerdings überhaupt nicht. Ob sich ein Bezug des Titels „Sturmvogel“ zum Buch herstellen läßt, wird sich noch zeigen.

Sean Russell lebt in Vancouver. Er hatte bereits als Kind eine Vorliebe für phantastische Erzählungen und begann schließlich selbst zu schreiben. 1991 erschien sein erstes Buch. Aus seiner Feder stammen „Das Reich unter den Hügeln“ und „Der Seelenkompass“, „Welt ohne Ende“ und „Meer ohne Ufer“ sowie die Barbaren-Trilogie. Nicht alle dieser Bücher sind auf Deutsch erhältlich.

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Russell, Sean – Nachtvogel (Das verlorene Königreich 1)

_Handlungsüberblick_

Tamlyn, sein Vetter Fynnol und dessen Vetter Baore sitzen in einer alten Turmruine, wo sie übernachten wollen. In der Umgebung des Turms haben sie drei Jahre lang nach Altertümern gegraben. Nun wollen sie den Fluss hinunterfahren, um ihre Funde im Unterland zu verkaufen. Vom Erlös wollen sie sich Pferde kaufen. Da taucht plötzlich ein Fremder auf.

Er nennt sich Alaan und bezeichnet sich selbst als Vaganten. Dass der Mann aber nicht nur irgendein einfacher Wanderer sein kann, erfahren die drei Burschen bald, als sie von einem Trupp Ritter angegriffen werden. Die drei können entkommen, weil der Fremde ihnen den Rücken freihält.

Trotzdem wollen sie den Fluss hinunterfahren, Fynnol vor allem. Kurz vorher schließt sich ihnen noch Cynndl an, ein Sagenfinder vom fahrenden Volk der Fáel. Sie sind allerdings nicht lang unterwegs, da müssen sie feststellen, dass die schwarzen Ritter sie noch immer verfolgen! Die Flussfahrt wird zu einer wahren Hetzjagd …

Elise hasst ihren Onkel Menwyn, vor allem, weil er ihren blinden Vater von seinem angestammten Platz als Oberhaupt der Familie Willt verdrängt hat. Jetzt will er sie unter allen Umständen mit dem Sohn des Fürsten von Innes verheiraten, denn der Fürst besitzt ein schlagkräftiges Heer, und eine Heirat würde die Willts in die Lage versetzen, erneut nach der Krone zu greifen, um die sie sich seit Jahrhunderten mit der Familie der Rennés streiten. Wer Elise aber vor allem Angst macht, ist der Berater des Fürsten von Innes, der sich Eremon nennt. Verglichen mit ihm ist ihr rücksichtsloser, machthungriger Onkel geradezu fürsorglich und bescheiden! Dennoch ist Elise entschlossen, sich den Heiratsplänen zu widersetzen. Da erhält sie überraschend Hilfe von einem Fremden …

Nicht nur bei den Willts gibt es Widerstand gegen einen neuen Krieg. Auch Toren, Oberhaupt der Rennés, versucht, den jahrhundertealten Konflikt endlich aus der Welt zu schaffen. Deshalb will er die Schlachteninsel an die Willts zurückgeben. Doch damit sind eine Menge anderer Familienmitglieder nicht einverstanden. Torens Vettern planen Verrat, allen voran sein eifersüchtiger Vetter Baldor …

_Charaktervielfalt_

Sean Russels Zyklus |Das verlorene Königreich| wartet mit einer vielschichtigen Handlung und einer Unmenge an Charakteren auf.

|Fynnol| ist übermütig und unbekümmert, für ihn ist die bevorstehende Flussfahrt ein interessantes Abenteuer und gleichzeitig ein Kinderspiel. An die wundersamen Geschichten, die sich um den Fluss ranken, glaubt er nicht. Sein Vetter |Baore| dagegen ist der stille, hühnenhafte Fels in der Brandung, wortkarg und zupackend, schlicht, aber tiefsinnig. Der wichtigste der Drei aber ist |Tamlyn|, genannt Tam, ein hervorragender Bogenschütze, zwar nicht so still wie Baore, aber ernsthafter als Fynnol, mit einem ausgeprägten Gespür für Stimmungen und einer guten Beobachtungsgabe.

|Cynndl| wirkt gegen diese Drei etwas blaß. Er ist freundlich und lächelt gern, geht aber ansonsten ein wenig unter in den verschiedenen Sagen und Geschichten, die er aufspürt und erzählt.

|Elise| ist ein sehr selbstbewusstes Mädchen. Zwar weiß sie kaum etwas von der Welt außerhalb ihres heimatlichen Tals, aber sie ist anpassungsfähig und zäh, und sie hat auf ihre Weise den sturen Dickschädel der Willts geerbt. Selbst als ihr Widerstand gegen Eremon aussichtslos erscheint, ist sie nicht bereit aufzugeben, selbst wenn sie dafür zum Äußersten greifen muss!

Dass |Eremon| nicht einfach irgendein Mensch ist, wird recht bald klar. Er muss irgendeine besondere Macht besitzen, denn kaum jemand wagt es, sich ihm zu widersetzen. Zwar glauben seine Verbündeten noch, dass er ihren Zielen dient, doch es ist offensichtlich, dass ein solcher Mann dabei nur seine eigenen Pläne verfolgen kann. Er versucht nicht einmal, seine Anmaßung zu verbergen! Seine Kälte und Gleichgültigkeit gegen den Rest der Welt stehen in seltsamem Kontrast zu seinem glühenden Hass auf Alaan.

|Alaan| dagegen ist von einnehmendem Wesen. Auch er verfolgt mit aller Kraft ein Ziel, nämlich, die Ziele Eremons zu vereiteln und ihn dabei auch noch ein wenig zu tratzen! Manchmal hat er etwas von einem Gaukler. Aber auch hier wird recht bald deutlich, dass die Mittel, derer er sich bedient, gelinde gesagt ungewöhnlich sind.

Im Laufe der Handlung treiben die Gruppen um Tam, Elise und Toren allmählich immer weiter aufeinander zu, um sich schließlich in Westrych zu treffen, wo die Gruppen einmal kräftig durcheinander gewirbelt werden.

_Gefahren auf dem Weg: zwei Welten_

Aber erst einmal haben Elise und Tams Gefährten einiges zu überstehen. Nicht nur, dass die eine wie die anderen verfolgt werden. Es stellt sich auch heraus, dass ein großer Teil ihres Weges durch eine Welt führt, die jenseits ihrer eigenen zu liegen scheint!

Der Strom, auf dem die Gefährten mit ihrem Boot unterwegs sind, hat nicht nur die üblichen Zuflüsse, die aus den verschiedenen Tälern an seinen Ufern herunterkommen, sondern auch noch viele geheime Arme, deren Zugänge verborgen sind und welche die meisten nur aus Versehen durchschreiten. Die Reisenden aus dem Seetal scheinen allerdings erstaunlich oft in diese heimlichen Wasserwege zu geraten, was ihnen immer wieder einen Strich durch die Rechnung macht.

Außerdem werden sie von einem geheimnisvollen Wasserwesen verfolgt, das ihnen nicht geheuer ist.
Und auch der Fremde, der Elise zu ihrer Flucht verhalf, ist ständig auf Wegen unterwegs, die völlig anders aussehen als alles, was sie von der Umgebung ihres Hauses kennt. Nur dass dieser Mann nicht aus Versehen auf diese Wege geraten ist.

Die Ursache dafür, dass da zwei Welten parallel nebeneinander existieren, verrät der Autor noch nicht. Auch in vielen anderen Bereichen hält er sich mit Informationen stark zurück. Viele Antworten liegen in der Historie des Landes verborgen, und nur bruchstückhaft erhält der Leser – meist aus Cynndls Sagen – Hinweise, aus denen er das Puzzle selbst zusammensetzen muss. So verwundert es nicht, dass der Leser am Ende des ersten Bandes noch immer nicht weiß, worin der Verrat der Ritter vom heiligen Eid denn nun bestand und warum die Kinder des Zauberers Wyrr einst anfingen, Krieg gegeneinander zu führen.

_Spannungskurve_

Natürlich will der Leser das alles unbedingt noch rausfinden. Aber auch ohne diese Neugierde wird wohl jeder, der den ersten Band gelesen hat, sofort nach dem nächsten greifen. Russel wechselt geschickt zwischen den ruhigeren Passagen, die dem Knobeln gewidmet sind, und den rasanten Stellen, welche die Spannung hochschrauben. Auch gibt es bei Russel kaum gelöste Konflikte. Wenn eine Gefahr überstanden ist, sieht der Leser bereits die nächste kommen, und gelegentlich kommen seine Helden auch vom Regen in die Traufe. Dabei hält er gekonnt die Balance zwischen Gelingen und Fehlschlag.

Auch sprachlich hat mir Russels Erzählung gut gefallen. Seine Beschreibungen entwickeln ihre Stimmung ganz ohne überladene Weitschweifigkeit. Allein die ungekennzeichneten Wechsel zwischen den vielen Handlungssträngen waren gelegentlich etwas anstrengend. Die Charakterzeichnung fiel nicht ganz so deutlich aus, was aber bei der Menge an Charakteren, die im Laufe der Geschichte immer weiter anschwillt, auch nicht möglich wäre. Dafür wird es dem Leser dank des zügigen Erzähltempos und der stark bewegten Handlung niemals langweilig, im Gegenteil. Es ist kaum möglich, zwischen den einzelnen Bänden längere Pausen einzulegen. Und im Hinblick darauf, dass der zweite Band nahtlos am Ende des ersten ansetzt, ist es für den inhaltlichen Zusammenhang auch besser, die Trilogie am Stück zu lesen.

Sean Russell lebt in Vancouver. Er hatte bereits als Kind eine Vorliebe für phantastische Erzählungen und begann schließlich selbst zu schreiben. 1991 erschien sein erstes Buch. Aus seiner Feder stammen „Das Reich unter den Hügeln“ und „Der Seelenkompass“, „Welt ohne Ende“ und „Meer ohne Ufer“ sowie die Barbaren-Trilogie. Nicht alle dieser Bücher sind auf Deutsch erhältlich.

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