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Gabel, Claudia – Dein Blut auf meinen Lippen

„Dein Blut auf meinen Lippen“ klingt irgendwie nach einem süßlichen Liebesroman für die Hausfrau fortgeschrittenen Alters, die sich in ihrer Freizeit gern in die Arme eines gutgebauten (und doch romantisch veranlagten) Mannes träumt. Tatsächlich kommt man dem Kern der Sache näher, wenn man sich den amerikanischen Originaltitel ansieht, der ziemlich eindeutig benennt, worum es in dem Roman von Claudia Gabel geht: „Romeo & Juliet & Vampires“. Und damit ist eigentlich auch schon alles Wichtige gesagt. Erwähnenswert ist vielleicht außerdem, dass es sich um ein Jugendbuch handelt – erwachsene Leser sollten also keine tiefschürfenden Erkenntnisse erwarten, weder zu „Romeo und Julia“ noch zu Vampiren.

„Dein Blut auf meinen Lippen“ lässt sich dem gerade boomenden Genre des Mashups zuordnen. Die zugrundeliegende Idee ist, dass ein Autor sich einen existierenden Text vornimmt (in diesem Fall Shakespeares „Romeo und Julia“) und ihm ein neues (in der Regel fantastisches) Element hinzufügt – hier sind es Vampire. Dadurch erhält der eventuell angestaubte, da gemeinfreie, Text frischen Pepp und wird unter neuen Gesichtspunkten und mit anderen Schwerpunkten durch den Autor uminterpretiert. Das wohl bekannteste Beispiel für ein Mashup ist Seth Grahame-Smiths „Stolz und Vorurteil und Zombies“. Und ja, oftmals sind die Titel tatsächlich so einfallslos, wohl damit der geneigte Leser sofort erkennen kann, womit er es zu tun hat.

„Dein Blut auf meinen Lippen“ folgt also mehr oder weniger der Handlung von Shakespeares großer Tragödie, allerdings mit einigen tiefgreifenden Veränderungen. Zunächst einmal wird die Handlung nach Transsilvanien verlegt, was ziemlich seltsam wirkt, da trotzdem alle Personen italienische Namen tragen. Julia Capulet ist die Tochter einer ruchlosen und einflussreichen Vampirdynastie. In den vergangenen Jahren haben die Capulets mit Freude die transsilvanische Landbevölkerung buchstäblich ausgesagt, geduldet vom walachischen Landesfürsten Vlad. Dieser wurde nun jedoch gestürzt und sein Bruder Radu möchte für Frieden im Land sorgen. Deshalb verbietet er den Capulets, Menschen auszusaugen. Er verbietet ihnen auch bei Todesstrafe, mit ihren Erzfeinden, den Montagues, aneinanderzugeraten. Diese sind – kaum überraschend – Vampirjäger.

Die Capulets versuchen nun mit allen Mitteln, ihren Einfluss zu sichern. Dazu geben sie einen großen Ball, um Graf Paris zu umschwärmen und ihm ihre Tochter anzubiedern. Denn Paris genießt bei Radu großes Ansehen und könnte so die Interessen der Capulets vertreten. Doch Julia will von Paris nichts wissen. Sie ist ohnehin von ihrer Familie und deren fehlender Moral genervt. Zu ihrem sechszehnten Geburtstag wird sie sich in einen vollwertigen Vampir verwandeln, doch sie hadert mit ihrem Schicksal – schließlich will sie keineswegs Menschen töten! Die Situation spitzt sich zu, als sie auf dem Ball Romeo kennenlernt – einen Menschen und Vampirjäger. Die beiden verlieben sich sofort unsterblich und heiraten praktisch sofort. Doch kann eine Liebe zwischen Vampir und Vampirjäger Bestand haben? Kann Romeo akzeptieren, was aus Julia wird? Kann sie es selbst?

Keine Sorge, „Dein Blut auf meinen Lippen“ beantwortet all diese Fragen wohlwollend und in klarer Übereinstimmung mit den aktuellen Trends in der Vampirliteratur. Dass Claudia Gabel am Ende drastisch von Shakespeares Auflösung der Geschichte abweicht, ist vermutlich der größte Fauxpas, den sie sich leistet. Jugendliche Leser werden sicher begrüßen, dass Romeo und Julia schlussendlich nicht ihr Leben für die Versöhnung ihrer Familien aushauchen. Shakespeare-Fans werden wohl aufgrund solch schändlicher Abweichung vom großen Barden das Buch mit einem bitteren Nachgeschmack zuklappen.

Ansonsten kommt „Dein Blut auf meinen Lippen“ recht geradlinig daher: Alle wichtigen Handlungspunkte von Shakespeares Drama werden abgearbeitet: Das Fest, die Balkonszene, die Hochzeit, das Duell, Julias scheinbarer Tod. Abgearbeitet ist hierbei ein wichtiges Stichwort, denn oft hat man als Leser den Eindruck, vieles würde schnell und mit einigem Desinteresse abgehandelt. Dass sich Claudia Gabel entschlossen hat, ein Drama in einen Prosatext umzuschreiben, ist eine große Chance, die sie leider viel zu oft ungenutzt verstreichen lässt. Emotionen und Motive werden kaum ergründet, stattdessen dümpelt der Roman an der Oberfläche jugendlicher Liebe, ohne je wirklich tiefes Gefühl vermitteln zu können. Das liegt sicher auch an der sehr einfachen Sprache des Textes, der oftmals wie eine Schreibübung ohne einen Funken Inspiration klingt. So erscheint „Dein Blut auf meinen Lippen“ irgendwie unentschlossen: Auf der einen Seite verfährt der Roman mit der überlebensgroßen Vorlage lieblos und ohne rechte Sympathie. Andererseits gibt es zu wenige wirklich zündende Ideen der Autorin, die dem Stoff eine neue Richtung geben würden. Dadurch kann man sich nie ganz des Eindrucks erwehren, dass man auch einfach das Original hätte lesen können.

_“Dein Blut auf meinen Lippen“_ eignet sich sicherlich für jugendliche Leser, denen man Shakespeare schmackhaft machen will – Baz Luhrmanns farbenprächtige Verfilmung des Stoffes erzielt allerdings sicherlich denselben Effekt und vermittelt außerdem noch die Einzigartikeit des Shakespeare’schen Sprache – etwas, das Gabels Buch (bis auf wenige Zitate) komplett vermissen lässt. Für erwachsene Leser bietet der Roman wenig Spektakuläres und eignet sich höchstens für einen verregneten Nachmittag.

|Taschenbuch: 240 Seiten
Originaltitel: Romeo & Juliet & Vampires
ISBN-13: 978-3499257032|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de

Johnson. Alaya – Moonshine – Stadt der Dunkelheit

_Moonshine_:
Band 1: _Stadt der Dunkelheit_

Heutzutage müssen Vampirromane ganz bestimmte Lesererwartungen erfüllen: Sie müssen in der Alten Welt spielen oder zumindest in New Orleans. Die vampirischen Protagonisten müssen gutaussehend und moralisch sein, während sie mit ihrem Schicksal hadern und nur auf die richtige, wenn auch etwas tapsige, Frau warten, die ihnen ewiges Glück bescheren wird. So gesehen ist Alaya Johnsons Debutroman „Moonshine – Stadt der Dunkelheit“ wirklich erfrischend, denn er hält sich an keines dieser gängigen Klischees.

_Als Setting wählt_ Johnson das New York der 1920er Jahre – mit einigen pikanten Details. Es gibt alles, was man von dieser Periode der amerikanischen Geschichte erwarten würde: Prohibition und Flüsterkneipen, korrupte Politiker und schier endlose Wellen von Einwanderern, Jazz und natürlich auch Charleston. Doch darüber hinaus gibt es in New York haufenweise Vampire und sonstige nicht ganz menschliche Mitbewohner, die kurz unter Andere zusammengefasst werden. Diese sehen sich Vorurteilen und restriktiver Gesetzgebung ausgesetzt, sie werden schlechter bezahlt als Menschen und müssen schlechtere Arbeitsbedingungen hinnehmen. Kurzum, Vampire und Andere sind die klassische Minderheit, die von der herrschenden Klasse unterdrückt und ausgebeutet wird. Und da kommt Zephyr Hollis ins Spiel, ihres Zeichens singende Vampirrechtlerin – ja, wirklich! Zephyr ist ein Gutmensch, wie er im sprichwörtlichen Buche steht. Aufgewachsen in einer Familie von Dämonenjägern hat sie sich irgendwann von diesem blutigem Zeitvertreib abgewandt und sich auf die Seite der Entrechteten geschlagen. Nun fährt sie mit dem Fahrrad kreuz und quer durch New York, unterrichtet Einwanderer in Etiquette und Englisch, arbeitet für den Bürgerrat, fährt für Vampire Blut aus, engagiert sich in über dreißig Wohltätigkeitsorganisationen und schiebt ihr Geld so lange bettelnden Vampiren zu, bis ihre eigenen Taschen leer sind und sie ihre Miete nicht mehr zahlen kann. Das kommt dem Dschinn Amir wiederum gelegen, der ihr Geld bietet, damit sie für ihn Rinaldo ausfindig macht, den mafiösesten Vampirboss der Stadt, von dem allerdings niemand weiß, wo er sich aufhält. Und so macht sich Zephyr mehr schlecht als recht an die Turn Boys, Rinaldos Bande, heran und findet darüber hinaus immer mehr Gefallen am geheimnisvollen Amir.

_Johnson verknüpft also_ einen Krimiplot mit einer Liebesgeschichte, das verspricht gute Unterhaltung und für jeden Geschmack etwas. Was könnte also schief gehen? Abgesehen von der passablen Milieuschilderung leider so einiges. Alaya Johnson bekommt das New York der 20er Jahren durchaus anschaulich hin, wenn sie auch Längen hinter der Atmosphäre von P. N. Elrods [„Vampirdetektiv Jack Fleming“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=432 zurückbleibt (das zehn Jahre später spielt). Das Elend der Einwanderer wird greifbar geschildert – die prekären Jobs und billigen Mietshäuser spielen im Verlauf der Handlung eine durchaus wichtige Rolle. Demgegenüber stehen die schillernden Partys der Upper Class, die sich den illegal importieren Champagner literweise in den Rachen schütten während auf den Straßen Armut und Hunger herrschen. Und das ist auch schon das erste Problem von Alaya Johnsons Roman: Ihre Heldin Zephyr Hollis. Denn anstatt auf ihre Schreibkunst zu vertrauen und den Leser selbst darauf kommen zu lassen, dass die gesellschaftlichen und politischen Zustände in New York unhaltbar sind, benutzt Johnson ständig ihre moralingesäuerte Heldin, um dem Leser unter die Nase zu reiben, dass es schlecht ist, zu tanzen, während andere hungern. Dass es schlecht ist, sich ein Kleid zu kaufen, während zehnköpfige Familien in Einzimmer-Apartments leben. Dass es unverzeihlich ist, im Waldorf Astoria ein Gurkensandwich zu essen (und womöglich auch noch zu genießen) während es auf dieser Welt noch irgendwo Unrecht gibt.

Zephyr ist Sufragette, Gutmensch, Vampirrechtlerin und sogar Vegetarierin – alles in einem. Sie ist der Alptraum eines jeden Genussmenschen – und ist nicht jeder Leser irgendwie auch ein Genussmensch? Dann aber einer Protagonistin folgen zu müssen, die aber auch immer ein Haar in der Suppe findet und in den unpassendsten Augenblicken Slogans aus ihren Flugblättern unter die Leute bringt, das ist schon wirklich anstrengend. Dass es innerhalb der Handlung auch bedeutet, dass man sich als Leser den ständig gleichen Handlungselementen ausgesetzt sieht – Zephyr fährt mit dem Rand durchs schneebedeckte New York, um einen Abendkus zu geben – ist da nur noch die Krönung der Langeweile.

Ebenfalls problematisch ist die Tatsache, dass Alaya Johnson vom Prinzip der Exposition noch nicht wirklich etwas gehört zu haben scheint, denn viele grundsätzliche Fragen zu dem von ihr geschaffenen Universum bleiben offen. Warum beispielsweise gibt es in New York Vampire und Andere? Was ist geschehen, dass sie sich als Bürger frei bewegen dürfen, wann sind sie aus dem Geheimen sozusagen ins Licht der Öffentlichkeit getreten? Was hat den Bruch zwischen Zephyr und ihrer Dämonen jagenden Familie verursacht? Warum schlägt sie sich jetzt auf die Seite der Vampire und das, obwohl es in dem ganzen Buch nicht einen halbwegs netten Vampir gibt? Wofür sich für jemanden einsetzen, der einem hauptsächlich an die Kehle will? Was sind Amirs Motive? Warum hält er sich in der menschlichen Welt auf? Warum besucht er Zephyrs Kurse? Und warum setzt er sie auf Rinaldo an, nur um dann den Rest des Romans damit zu verbringen, sie davon wieder abbringen zu wollen, weil es zu gefährlich ist? „Moonshine“ durchziehen einfach zu viele Ungereimtheiten, als dass man sich wirklich in die Lektüre fallen lassen könnte.

_Man legt das Buch_ mit einer gewissen Ungerührtheit zur Seite, denn obwohl es alle Zutaten für einen spannenden Unterhaltungsroman mitbringt, berühren die Schauplätze, die Charaktere und deren Probleme nie wirklich. Der Krimiplot ist zumeist banal und Johnson muss haarsträubende Zufälle bemühen, um ihn überhaupt voranzutreiben. Die Liebesgeschichte plätschert ebenfalls vor sich hin, da man mit den handelnden Personen kaum warm wird. Und alle Nebencharaktere sind ohnehin so austauschbar, dass man sie kaum auseinanderhalten kann. Damit wird “Moonshine” leider nicht zum Lesevergnügen.

|Broschiert: 425 Seiten
Originaltitel: |Moonshine|
Deutsch von Christiane Meyer
ISBN-13: 978-3426507162|
[www.knaur.de]http://www.knaur.de

Meydan, Lena – Clan der Vampire

Lena Meydan – das klingt wie eines dieser Fantasy-Pseudonyme, unter denen amerikanische Autorinnen ihre Vampirromanzen unters lesende Volk bringen. Und tatsächlich ist Lena Meydan – entgegen der Tatsache, dass es eine Webseite mit Kurzbio und Steckbrief gibt – ein Pseudonym, hinter dem sich die drei russischen Schriftsteller Alexey Pehov, Elena Bitschkowa und Natalja Turtschaninowa verbergen. Eigentlich ein unnötiger Schachzug, genießt russische Fantasy hierzulande doch spätestens seit der Wächter-Trilogie einen durchaus guten Ruf. Außerdem heißt es über Lena Meydans Roman „Clan der Vampire“, er sei für den internationalen Markt umgeschrieben worden. Man dachte wohl, sich auf dem internationalen Parkett dem momentan gängigen niedrigen Niveau wenigstens annähern zu müssen. Glücklicherweise ist das nicht gelungen. Denn auch wenn der englische Titel „Twilight Forever Rising“ das Buch mit Gewalt in die Meyer-Ecke drängen will und auch der deutsche Klappentext versucht, das Gewicht auf die Liebesgeschichte zu legen, so handelt es sich bei „Clan der Vampire“ doch keineswegs um eine rührselige Vampirschmonzette. Wer also aufgrund des Marketings die Finger von diesem Roman lässt, verpasst unter Umständen ein gutes Buch.

Tatsächlich hat „Clan der Vampire“ (der russische Originaltitel ist „Kindret“) dafür einiges mit dem Rollenspiel „Vampire – The Masquerade“ zu tun. Diese geistige Verwandtschaft tragen die drei Autoren als Banner offensichtlich auf dem Buchdeckel: „Kindred“ (bzw. deutsch „Clan der Vampire“ – dafür ein Bonuspunkt für die korrekte deutsche Übersetzung) war eine kurzlebige Serie, die auf dem Rollenspiel fußte. Dass Vampire sich in Clans, also bestimmte Familien, unterteilen, die verschiedene Eigenschaften besitzen und sich in menschliche Politik und Wirtschaft einmischen, ist der gedankliche Grundpfeiler des Romans. Protagonist ist Darrel Dachanawar, ein Telepath, der für seinen Clan andere Vampire, aber gern auch menschliche Geschäftspartner aushorcht. Während die Moskauer Vampire – oder Blutsbrüder, wie sie sich selbst nennen – menschliche Emotionen und Handlungsmuster kaum noch nachvollziehen können, hält sich Darrel gern in der Welt der Menschen auf. Dabei begegnet ihm Lorraine, mit der ihn bald eine zarte Romanze verbindet. Doch eine Verbindung zwischen einem Menschenmädchen und einem Vampir kann nicht lange gut gehen. Schon gar nicht, wenn die Balance der verschiedenen Familien ohnehin gestört ist und jeder mit geschickt eingefädelten Intrigen versucht, die Oberhand zu gewinnen.

Doch „Clan der Vampire“ handelt nicht nur von Darrel. Seine Geschichte ist zwar der rote Faden, der sich durch den Roman zieht. Doch daneben erfährt der Leser noch ganz viel über andere Vampirfamilien und deren Oberhäupter. Die Erzählperspektive wechselt häufig. Mal folgt man Miklosch Balsa, dem Oberhaupt der Tschornis, mal Paula, einer Feriartos. Zusammen ergeben all diese Geschichten dann ein großes Mosaik. Das heißt aber auch, dass sich die Handlung nur langsam entschlüsselt. Als Leser muss man Geduld mitbringen. Nicht nur braucht es eine Weile, bis man all die verschiedenen Familien und ihre wichtigsten Figuren auseinanderhalten kann, auch spielen sich viele Handlungsstränge parallel ab und ergeben erst am Ende des Buches Sinn. Wer diese Geduld aufbringt wird allerdings belohnt: „Clan der Vampire“ ist – trotz der abgekupferten Grundidee – ein originelles und vor allem spannendes Buch. Und gerade die zahlreichen Erzählperspektiven stellen sicher, dass jeder Leser einen Charakter findet, der ihn persönlich anspricht.

So gibt es zwar durchaus eine Liebesgeschichte zwischen Darrel und Lorraine, doch diese ist eben nur ein kleines Mosaiksteinchen im großen Ganzen – „Clan der Vampire“ ist keineswegs ein Liebesroman. Mancher Leser interessiert sich vielleicht eher für Miklosch, das schmale, blonde Oberhaupt der Tschornis, der gern komponiert und einen Hygienetick hat, aber gleichzeitig unglaublich brutal sein kann und sich eine ganze Armee von Söldnern hält. Oder vielleicht doch lieber Christoph, der französische Ritter, der in einer Wohnung lebt, die er alle drei Monate komplett umräumt und der Leichen wiederwecken kann. Jede Figur wird mit der gleichen Liebe zum Detail dargestellt – niemand ist einfach nur gut oder böse, einfach nur schwarz oder weiß. Und es ist genau diese differenzierte Darstellung, die „Clan der Vampire“ so lesenswert macht.

Was ein wenig zu kurz kommt – gerade für einen deutschen Leser – ist das Setting. „Clan der Vampire“ spielt in einem fast kontemporären Moskau (die russische Originalausgabe gibt über jedem Kapitel einen Tag im Jahr 2004 an, in der deutschen Ausgabe wurde diese genaue zeitliche Verortung weggelassen). Leider jedoch spielt Moskau als Ort der Handlung kaum eine Rolle und wäre, wenn nicht einige bekannte Gebäude oder Straßen erwähnt würden, sogar vollkommen austauschbar. Stattdessen entführen die Autoren in Clubs und Restaurants, die so hipp und beliebig sind, dass sie sich auch in jeder anderen Großstadt dieser Welt befinden könnten. Das ist ein bisschen schade, würde ein gut beschriebener Handlungsort doch ungemein zur Atmosphäre des Romans beitragen. Vampire in einem finsteren Moskau? Wer kann da widerstehen?

Natürlich muss auch dazu gesagt werden, dass dieser Roman der Auftakt zu einer Tetralogie ist. Deshalb endet „Clan der Vampire“ mit einem ordentlichen Cliffhanger. Das Autorentrio hat sich viel Zeit genommen, eine Romanwelt aufzubauen und zu gestalten. Wie im Schachspiel werden die verschiedenen Figuren platziert und zueinander in verschiedenen Beziehungen gestellt. Im Verlauf des Romans gibt es erste Schachzüge, doch wird sich erst in den Fortsetzungen zeigen, in welche Richtung das Spiel sich entwickelt. Die Familien stehen am Beginn eines Kriegs um die Vorherrschaft. Wer daraus als Sieger hervorgeht, wird sicher erst der vierte Band zeigen. Hoffen wir, dass der deutschsprachige Markt nicht zu lange auf die Fortsetzungen warten muss. Es passiert heutzutage schließlich nicht mehr allzu häufig, dass originelle, düstere und unterhaltsame Vampirliteratur veröffentlicht wird. Ein echter Pageturner!

|Taschenbuch: 560 Seiten
Originaltitel: Kindret, Krownye bratja
ISBN-13: 978-3453266902|
[www.randomhouse.de/heyne]http://www.randomhouse.de/heyne

Minte-König, Bianka – Amanda – Deine Seele so wild (Die Dunkle Chronik der Vanderborgs 2)

_|Die dunkle Chronik der Vanderborgs|:_

Band 1: [„Estelle – Dein Blut so rot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6693
Band 2: _“Amanda – Deine Seele so wild“_
Band 3: „Louisa – Mein Herz so schwer“ (September 2011)

In „Estelle – Dein Blut so rot“ beschrieb Bianka Minte-König eine große vampirische Romanze zwischen ihrer Titelheldin Estelle und deren Liebhaber Amadeus. Aus dieser Beziehung ging eine Tochter hervor, Amanda, und um diese entspinnt Minte-König im zweiten Teil der „Dunklen Chronik der Vanderborgs“ eine neue Geschichte um Liebe, Identität und deutsche Geschichte.

Amanda wächst zunächst behütet auf dem Gut Blankensee unweit von Berlin auf. Ihre Mutter jedoch verfällt nach dem Tod ihres Geliebten in Depressionen und verschwindet schließlich sogar. Als mit vierzehn Jahren Amandas vampirisches Erbe hervorbricht und sie ihr Dienstmädchen in den Hals beißt, steckt sie ihr Onkel in die Nervenheilanstalt. So ist er das verrückte Kind los und kann sich dessen Erbe unter den Nagel reißen. Amanda wird derweil von Professor Müller-Wagner einer revolutionären Therapie unterzogen – man malträtiert sie mit Elektroschocks, in der Hoffnung, ihr Hirn wieder richtig zu polen. Erst nach drei Jahren entkommt sie dieser Hölle, als sich ein Freudianer, der junge Conrad Lenz, in der Anstalt einfindet und sich der mittlerweile katatonischen jungen Frau annimmt. Mit Hilfe der Psychoanalyse versucht er zu Amanda durchzudringen, die aufgrund der brutalen Elektroschockbehandlung unter Amnesie leidet.

So vergeht der erste Teil des Romans damit, dass Amanda ihre Vergangenheit langsam wieder zusammensetzt, bevor sich eine zarte Liebe zwischen ihr und Conrad entspinnt. Als dann überraschend ein Brief ihrer Mutter eintrifft, macht es Amanda sich zur Aufgabe, Estelle aus den Fängen ihres Ehemanns Karolus Utz zu befreien, der sie auf der karpatischen Familienburg gefangen hält. Zu diesem Zweck reisen Amanda, Conrad und der alte Vanderborg zurück in die polnischen Karpaten, wo sie auch tatsächlich Estelle – aber eben leider auch Utz vorfinden. In einer dramatischen Flucht von der Burg kommen sie gerade so mit dem Leben davon. Zurück in Berlin wird das Glück, dass Conrad und Amanda miteinander empfinden durch Kinder gekrönt. Allerdings werden die gesellschaftlichen und politischen Umstände bald wieder prekär und als Hitler an die Macht kommt, ist den beiden klar, dass ein neuer Krieg am Horizont heraufzieht.

_Bianka Minte-König ist_ dem Konzept, das sie für „Estelle“ entwickelt hatte, auch in dieser Fortsetzung treu geblieben. Die Handlungsschauplätze pendeln zwischen Berlin, Blankensee und den Karpaten und auch die Liebesgeschichte zwischen Amanda und Conrad verläuft in durchaus erwartbaren Bahnen. Aus dieser Richtung sind also kaum Überraschungen zu erwarten. Am besten gelungen ist Minte-König wohl der Beginn des Romans: Der Handlungsschauplatz der Nervenheilanstalt ist mit kalter Präzision beschrieben und Amandas Grauen angesichts dieser modernen Folterkammer kommt ungefiltert beim Leser an. Ebenso interessant lesen sich die Passagen zum Thema Psychoanalyse und Freud, die in krassem Gegensatz zu Müller-Wagners mittelalterlich anmutender Schocktherapie steht. Dass Amanda zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung hat, dass sie ein Vampir ist, macht die ganze Sache nur noch spannender, denn so können Therapeut und Patientin über ihr dunkles Es spekulieren, ohne zu realisieren, dass es eben nicht Amandas Unbewusstes ist, dass ihr solche Probleme bereitet, sondern ihr ganz realer Blutdurst. Eine psychoanalytische Interpretation des Vampirthemas ist nicht neu und drängt sich in diesem Sujet geradezu auf. Trotzdem gehen diese Passagen kaum in die Tiefe und kratzen nur küchenpsychologisch an Amandas „so wilder Seele“. Immerhin, einen Vampir in eine Nervenheilanstalt zu stecken ist eine durchaus originelle Idee, gerade weil hier sowohl Vampir als auch Therapeut im Dunkeln tappen.

Leider versteht es Minte-König nicht, die moralische Problematik des Vampirismus wirklich auszuloten, stattdessen lässt sie ihre Heldin im Angesicht ihres Blutdursts mal mitfühlend, mal kaltherzig reagieren – gerade wie es die Handlung im Moment verlangt. So pendelt Amanda stets zwischen Gutmenschentum und geradezu lästerlicher Menschenverachtung. Im einen Moment noch lamentiert sie darüber, dass das Töten von Menschen ihr moralisch zu schaffen macht und im nächsten erörtert sie, dass es geradezu ein Gnadenakt sei, Arbeitslose und Kriegsversehrte per Vampirbiss von ihrem tristen irdischen Dasein zu befreien. Minte-König lässt diese zweifelhaften Gedankengänge unkommentiert im Text stehen. Nie erlaubt sie ihrer Protagonistin eine wirklich ernsthafte Auseinandersetzung mit diesen Problemen und so schleicht sich die Schizophrenie, die Conrad Lenz zu Beginn noch heilen wollten, durch die Hintertür dann doch wieder in Amandas Psyche.

Grundsätzlich scheint Bianka Minte-König nach dem Motto „Drama, Baby!“ zu arbeiten, denn an jeder Weggabelung in Amandas Leben wählt die Autorin den Pfad, der ihrer Heroine den meisten Herzschmerz bereiten wird. Amanda verliert ihre Mutter. Amanda kommt in die geschlossene Anstalt. Amanda erringt die Freiheit, hat aber keine Bürgerrechte mehr. Amanda findet ihre Mutter wieder, nur um sie sofort wieder zu verlieren. Amanda verliebt sich in Conrad, den aber auch ein düsteres Schicksal ereilt. Amanda bekommt Zwillinge, doch ein Kind stirbt tragisch … und so weiter. Amandas Leben verläuft damit auf dermaßen hohem dramatischem Level, dass dem Leser von Zeit zu Zeit die Puste auszugehen droht. So viel Pech kann doch eine einzelne Romanfigur gar nicht haben, oder? Und wenn Minte-König dann nicht nur das Level, sondern auch noch das Tempo des Dramas anhebt, dann bleibt der Leser vollends auf der Strecke. So krankt leider der gesamte Handlungsstrang in den Karpaten daran, von allem einfach zu viel vorzuweisen – zur völligen Aufgabe jeglicher Plausibilität. Da präsentiert Minte-König ausgestorbene Dörfer, Mädchenleichen, die auf Misthaufen entsorgt werden, ein mittelalterliches Bankett, Blutsklavinnen, eine brennende Burg, eine Flucht über unwegsame Bergpässe und natürlich heulende Wolfsrudel. Damit allein hätte sich ein ganzer Roman füllen lassen – Minte-König stopft all diese Handlungselemente jedoch in 100 Seiten, die den Leser reichlich atemlos und verwirrt zurücklassen.

Etwas beschaulicher geht es im letzten Teil des Romans zu, wo sich Minte-König wieder darauf beschränkt, ihre Figuren als exemplarische Vertreter ihrer Zeit in ein sprudelndes Berlin zu stellen. Da geht es um politische und gesellschaftliche Umbrüche, den Aufstieg des Nationalsozialismus, Amandas Arbeit in der Gewerkschaft und es gibt – wie auch schon in „Estelle“ – viele gut gelungene Szenen über das Berliner Leben, komplett mit Kleinkunst, Kabarett und Berliner Schnauze. Darüber gerät Minte-König manchmal ins referieren und vergisst ihre eigentliche Handlung, doch das ist nach dem völlig unüberschaubaren Karpatenplot geradezu erholsam.

_“Amanda – Deine Seele so wild“_ ist eine etwas unausgegorene Fortsetzung, die vielversprechend beginnt und nach einer chaotischen Mitte eher bedächtig ausklingt. Doch wie im Liebesroman üblich, ist auch hier alles besonders groß: Die Liebe, das Drama und der Herzschmerz. Darüber hinaus punktet die Autorin auch hier wieder mit einem detailliert recherchierten Setting, das der eigentlichen Vampirstory fast die Schau stielt. Wer sich also bei der Lektüre in ganz große Gefühle fallen lassen will, der ist bei Bianka Minte-König richtig. Realisten sind hier eher fehl am Platze.

|Taschenbuch: 424 Seiten
ISBN-13: 978-3800095346|
[www.otherworld-verlag.com]http://www.otherworld-verlag.com/index.php?set__language=de&cccpage=bucher__toptitel

Davies, J. D. – goldene Berg, Der (Matthew Quinton 2)

_|Matthew Quinton|:_

Band 1: „Kapitän Seiner Majestät“
Band 2: _“Der goldene Berg“_

_Matthew Quinton ist Captain_ eines englischen Kriegsschiffs. Kein besonders guter Captain, wie er nicht müde wird zu betonen, aber er gibt sich Mühe dazuzulernen und hofft, so einen Fauxpas wie bei seinem ersten Kommando nicht noch einmal hinzulegen – da hat er nämlich aus Versehen das Schiff samt Mannschaft versenkt. Im Moment laufen die Dinge besser. Nicht nur ist sein jetziges Schiff noch nicht untergegangen und er beginnt zu hoffen, dass sie ohne weitere Probleme in den englischen Heimathafen einlaufen können. Darüber hinaus gelingt es ihm nämlich, eine Galeere aufzubringen, doch damit gehen die Probleme erst richtig los.

Der Araber, der die Galeere befehligt, stellt sich nämlich bald als waschechter Ire heraus (rothaarig sogar), der in der geistigen Tradition eines Jack Sparrow steht: Er redet sich um Kopf und Kragen und dreht die Nase immer in den Wind, sodass man nie weiß, wann er lügt und wann er ausnahmsweise die Wahrheit sagt. Um seinen Kopf aus der buchstäblichen Schlinge zu ziehen, faselt er etwas von einem Berg aus Gold, der sich im afrikanischen Busch befinden soll. Quinton hält das für eine glatte Lüge, um dem Henker noch einmal von der Schippe zu springen, doch das Schicksal ist dem Iren O’Dwyer hold – der englische König Charles II. schenkt ihm Glauben und so wird eine Expedition nach Afrika vorbereitet, um diesen ominösen Berg zu finden. Und natürlich kann nur einer diese Expedition führen, nämlich Matthew Quinton! Dieser ist von der Aussicht wenig begeistert. Zunächst einmal ist es nämlich nicht empfehlenswert, im Winter von England aus loszuschippern. Viel schwerer wiegt allerdings, dass der arme Quinton mit einer ausgewachsenen Familienintrige zu kämpfen hat. Sein Bruder nämlich (schwul, wie wiederholt angedeutet wird), soll eine Frau von zweifelhafter Herkunft ehelichen, da Quinton eigene Kinder bisher verwehrt blieben. Seine Mutter besteht aber auf einem Erben, der den Namen der Familie weiterführen kann. Doch niemand außer Mutti findet Positives an dieser Verbindung und so versuchen Quinton und seine Frau mit fast geheimdienstlerischen Methoden, das dunkle Geheimnis der zukünftigen Braut zu ergründen.

_Wer nun aber denkt_, dass „Der goldene Berg“ sich hauptsächlich um Selbigen dreht, der irrt. Der englische Autor J.D. Davies hat an den Ränkespielen des royalen Hofs mindestens genauso viel Spaß wie an der Beschreibung nautischer Details. Er beweist damit, dass er ein unglaublich vielseitiger Schriftsteller ist, etwas, das von jemandem, der bisher Sachbücher zur englischen Marinegeschichte geschrieben hat, ja nicht unbedingt zu erwarten ist. Den Sprung zur schönen Literatur gelingt ihm mit fast schlafwandlerischer Leichtigkeit, vor allem, weil er es schafft, sein Fachwissen gekonnt an den Leser zu bringen, ohne schulmeisterhaft zu wirken. Der Leser lernt sehr viel über die Seefahrt im Allgemeinen und die Periode des 17. Jahrhunderts im Besonderen. Dabei treten unter anderem auch historisch verbürgte Persönlichkeiten auf (unter anderem Samuel Pepys in einer charmant-nerdigen Nebenrolle), die der Geschichte eine gewisse Würze verleihen. Allerdings ist Davies kein großer Kriegsberichterstatter, noch nicht einmal ein Fan blutiger Schlachten. Pro forma fügt er gegen Ende noch ein klitzekleines Gefecht ein, wohl nur, damit Quintons hübsches Schiff all seine Kanonen auch einmal benutzen darf. Viel lieber wirft er sich dagegen in die verworrenen Beziehungskisten am Hof und erklärt dem Leser subtil, wie das königliche Leben damals so vor sich ging.

Nicht viel anders als heute übrigens, wie der Leser bei der Lektüre bald feststellen wird. Denn auch damals lief vieles über Beziehungen und Ränkespiele und auch damals mochte man seine Verwandtschaft nicht. Quintons genauer und scharfsinniger Blick auf seine eigene verschrobene Mischpoke liest sich dabei genauso spannend wie der in Afrika spielende Abenteuerplot. Das ist auch gut so, denn Familiengeschichte und Seefahrergeschichte halten sich im Buch die Waage – bis zur Mitte ist Quinton ja noch nicht mal aus dem Hafen ausgelaufen! Und hier liegt auch der einzige Kritikpunkt: Davies ist voller Ideen, doch scheint er sich für „Der goldene Berg“ ein bisschen viel vorgenommen zu haben. Die Expedition nach Afrika findet ein relativ unspektakuläres Ende (da fehlte definitiv ein Höhepunkt, um diesen Handlungsfaden mit einem Knalleffekt zu beenden) und auch die Familiensituation im heimischen England wird nicht befriedigend gelöst – weder für Quinton noch für den Leser. Bis man aber erstmal zum Schluss gelangt, hat man schon 400 Seiten hinter sich, vollgepackt mit wirklich toller Prosa, interessanten Charakteren und spannender Handlung. Grund zu meckern gibt es also nicht wirklich.

Das liegt – vor allem, aber nicht nur – an Davies‘ Held Matthew Quinton. Er fungiert hier als Ich-Erzähler, der als alter Mann in einem Tagebuch Rückschau auf sein Leben hält. Somit kann er teilweise durchaus ironisch auf seine eigene Vergangenheit blicken und reichlich abgeklärt sowohl seine eigenen Taten als auch die Politik dieser Zeit kommentieren. Dieser Kunstgriff des Autors gepaart mit seiner schriftstellerischen Meisterschaft beschert dem Leser einen echten Lesegenuss. Quinton ist unterhaltsam, spitzfindig, selbstkritisch und vor allem ein genauer Beobachter. Ein wenig erinnert er an Diana Gabaldons [„Lord John Grey“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=87, der es ebenso versteht, seine eigenen Abenteuer mit echtem englischen Humor zu kommentieren – trocken und pointiert. Dass sich das gut liest, versteht sich von selbst.

Und so bleibt zu hoffen, dass J. D. Davies auch weiterhin über Matthew Quintons Abenteuer zur See Romane schreiben wird. Das kann er nämlich wirklich gut!

|Taschenbuch: 448 Seiten
Originaltitel: The Mountain of Gold
ISBN-13: 978-3499252303|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de

Harris, Charlaine – Vor Vampiren wird gewarnt (Sookie Stackhouse 10)

_|Sookie Stackhouse|_:

Band 1: [„Vorübergehend tot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=788
Band 2: [„Untot in Dallas“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=939
Band 3: [„Club Dead“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1238
Band 4: [„Der Vampir, der mich liebte“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2033
Band 5: [„Vampire bevorzugt“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3157
Band 6: [„Ball der Vampire“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4870
Band 7: [„Vampire schlafen fest“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5450
Band 8: [„Ein Vampir für alle Fälle“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6161
Band 9: [„Vampirgeflüster“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6593
Band 10: [„Vor Vampiren wird gewarnt“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7208
Band 11: „Dead Reckoning“ (noch ohne dt. Titel)

Charlaine Harris‘ Roman „Vor Vampiren wird gewarnt“ – der immerhin zehnte Teil ihrer Sookie-Stackhouse-Reihe – ist ein Paradebeispiel dafür, wie die Dollarzeichen in den Augen von Verlag (und Autorin) einer ehemals spritzigen, unterhaltsamen und originellen Urban-Fantasy-Serie den Garaus machen können. Im Jahresrhythmus entspringt der Harris’schen Buchproduktion ein neuer Teil. Nun kommt „Vor Vampiren wird gewarnt“ zwar mit griffigen und übersichtlichen 370 Seiten daher, doch wenn man bedenkt, dass die Sookie-Bücher lange nicht alle Eisen sind, die Harris im Feuer hat, dann wird schnell klar, welchen Output diese Frau produzieren muss, weil sie vertraglich dazu verpflichtet ist.

Das kann nicht gutgehen. Schon seit einiger Zeit schwächelt die Serie – auch, wenn sich Harris im letzten Teil „Vampirgeflüster“ kurzfristig gefangen hatte. Doch bei der Lektüre von „Vor Vampiren wird gewarnt“ wird relativ schnell klar, dass der Autorin eine Deadline im Nacken saß. Vermutlich hat sie verzweifelt in den Schubladen ihres Schreibtischs nach Notizzetteln mit möglichen Plots für einen zehnten Band gekramt. Etwas Brauchbares hat sie dabei jedoch nicht zutage gefördert. Und so liest sich das Buch mindestens so zäh und schmerzhaft, wie der Prozess des Schreibens für Charlaine Harris gewesen sein mag. Autor und Leser bilden hier also eine unfreiwillige Leidensgemeinschaft.

Dabei kann man dem Roman nicht vorwerfen, dass nichts passieren würde. Ganz im Gegenteil, da ist einiges los! Sookie laboriert an den Spätfolgen ihrer Elfenfolter (ihr tun die Handgelenke weh und mit dem Orgasmus klappts auch nicht mehr). Bill ist durch die Silbervergiftung nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Vergiftung will einfach nicht abheilen, bis Sookie die Sache in die Hand nimmt. Eric ist von seinem Vampirvorgesetzten Victor genervt und würde ihn am liebsten ins Jenseits befördern. Im Parlament wird gerade ein Gesetz diskutiert, nach dem sich alle Werwölfe registrieren lassen müssten (siehe „X-Men“). Auf Sookies Grundstück findet sich eine Leiche. Ihr Elfencousin Claude zieht bei ihr ein. Ihr Neffe übernachtet bei ihr. Eric bekommt Besuch von seinem Schöpfer. Und so weiter.

Klingt nach viel Stoff, oder? Das wäre es auch, würden all diese Handlungselemente irgendwohin führen. Stattdessen lässt „Vor Vampiren wird gewarnt“ einen zentralen Konflikt vermissen. Es gibt keine zielführende Handlung oder Entwicklung, die von A nach B führen würde. Da ist kein zentraler Punkt, um den die Handlung kreist und schlussendlich nichts, was die Aufmerksamkeit des Lesers nachhaltig fesseln würde. Das heißt nicht einmal, dass die Einzelgeschichten nicht interessant wären. Es gibt durchaus schöne Passagen, z. B. wenn Bill am Sterbebett der Grande Dame von Bon Temps erklärt, ihr Ururgroßvater zu sein. Oder wenn Sookie zu ihrem Neffen Hunter eine Beziehung aufbaut (hier wirkt natürlich der Kinderbonus). Doch kaum hat man sich als Leser auf eine Richtung eingestellt, geht es ganz woanders lang. Und so fährt man ständig im Kreis, ohne jemals irgendwo anzukommen. Es scheint, Harris habe Ideen, die sie für Sookie-Kurzgeschichten hatte, in diesen Roman gepackt. Und für sich genommen würden sie vermutlich auch funktionieren. Doch lieblos in einem Roman aneinandergereiht? Teilweise unaufgelöst? Das macht auf Dauer keinen Spaß.

Denn Tatsache ist auch, dass Harris manche dieser Handlungsstränge eben nicht bis zum Ende verfolgt, sodass der Leser den Eindruck bekommt, einer Seifenoper zu folgen: Die Handlung läuft zwar im Schneckentempo ab, gelöst wird aber trotzdem nichts. Um mehr zu erfahren, muss man in einem Jahr wieder einschalten. Das ist bei manchen Subplots ärgerlicher als bei anderen. So ist es zum Beispiel verzeihlich, dass das Werwolf-Gesetz als Idee zwar eingeführt wird. So etwas lässt sich gut über mehrere Bücher ziehen, zum Beispiel als verbindendes Element zwischen mehreren Büchern. Doch dass Sookie und Pam zwei von Victors Leuten umbringen, ohne dass darauf irgendeine Reaktion erfolgt, das ist einfach schlechter Autorenstil. Und so geht es vielen Ereignissen in diesem Buch: Sie stehen isoliert und in keinem größerem Zusammenhang und führen im schlimmsten Fall nirgendwohin.

Am eklatantesten ist die Schaffenskrise der Autorin aber wohl an der Charakterzeichnung abzulesen. Denn pfiffige, abwegige und interessante Charaktere waren schon immer Harris‘ starke Seite. Hier jedoch hat sie schon Schwierigkeiten, ihren Charakteren überhaupt treu zu bleiben: Eric, der markante Wikinger, der sich von nichts und niemandem einschüchtern lässt, nennt Sookie jetzt Schatz und hat mit ihr (wiederholten) Blümchensex in seiner Vorortvilla. Bill schleicht zweimal durchs Bild und leidet (immerhin das ist charakterkonform). Alle anderen Männer in Sookies Leben kommen entweder überhaupt nicht vor (Quinn) oder mutieren zum bloßen Stichwortgeber (Sam, Alcide). Am schlimmsten trifft es Sookie selbst, die von einer frechen und neugierigen (wenn auch nicht sonderlich gebildeten) Göre zu einer Karikatur ihrer selbst geworden ist: eine überzeichnete und egozentrische Zicke, um die das Romanuniversum zu jeder Tages- und Nachtzeit kreist. Egal, wie uninteressant Sookies Leben auch sein mag. Und so bekommt der Leser auch hier wieder Banalitäten aus dem Hause Stackhouse serviert: Sookie wäscht ab, jätet den Garten und macht Gymnastik. Der Höhepunkt (oder Tiefpunkt) ist wohl erreicht, wenn Sookie dem Leser auseinandersetzt, wie sie aufwacht und aufs Klo muss. Und wenn Charlaine Harris dann gar nichts mehr einfällt, dann refereriert sie nicht nur Ereignisse aus vorangegangenen Büchern, sondern wiederholt sich innerhalb des aktuellen Romans, um dem Leser immer und immer wieder zu erzählen, dass Sookie ja in der Vergangenheit so viele Geldprobleme hatte (diese Passage kommt fast wortgleich mindestens drei Mal vor). Wenn sich schon die Autorin solche Füllsel nicht verkneifen kann, dann hätte wenigstens der Lektor mal den Rotstift zücken können. Dafür ist er schließlich da.

Man möchte Charlaine Harris wünschen, dass sie ihre Muse wiederfindet oder dass sie zwischen der ganzen Auftragsschreiberei auch ein wenig Zeit für anderes findet – irgendwo müssen Romanideen ja schließlich herkommen, meist entstehen diese nämlich nicht spontan, während man auf ein leeres Blatt Papier starrt. Ansonsten ist von den verbleibenden drei Romanen der Reihe, die zu schreiben sie vertraglich verpflichtet ist, kein großes Lesevergnügen zu erwarten.

|Taschenbuch: 384 Seiten
Originaltitel: Dead in the Familiy
ISBN-13: 978-3423212830|
[www.dtv.de]http://www.dtv.de

_Charlaine Harris bei |Buchwurm.info|:_

|Harper Connelly|:
Band 1: [„Grabesstimmen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4704
Band 2: [„Falsches Grab“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5608
Band 3: [„Ein eiskaltes Grab“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6318
Band 4: [„Grabeshauch“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7031

Cornwell, Bernard – Stonehenge

Bernard Cornwell kennt und schätzt man als Autor von historischen Romanen. Doch dass er sich so weit in die Vergangenheit vorwagt, so tief in die Geheimnisse der frühen Menschheitsgeschichte eintaucht, das kennt man auch von ihm nicht. Denn wie schon der Titel seines Romans „Stonehenge“ vermuten lässt, befasst er sich hier mit einem der beeindruckendsten Beispiele frühester Baukunst. Wie ist dieser Steinkreis entstanden? Und vor allem warum? Wirklich abschließende Antworten wird es auf diese brennenden Fragen wohl nie geben. Allerdings wird eines immer wahr bleiben: Der Anblick von Stonehenge beflügelt die Fantasie. Und wer sollte mehr davon profitieren als ein Schriftsteller?

So ist natürlich klar, dass in diesem Roman alle handelnden Figuren (inklusive der sie treibenden Motive) frei erfunden sind und Cornwell ein Spiel im Sinne „Was wäre, wenn …“ betreibt. Trotzdem hat er natürlich – wie immer – fleißig recherchiert, gerade was Theorien zu Stonehenges Sinn und Zweck und eventuelle Baumethoden angeht. Das ist nur logisch, schließlich braucht er dieses Wissen, um seine fiktive Stonehenge-Theorie aufzustellen.

_Im Zentrum der Geschichte_ stehen drei Brüder: Lengar soll sich als brutaler und diktatorischer Kriegsherr herausstellen, der seinen Vater tötet, um Stammesführer zu werden und der fortan ständig Raubzüge in die umliegende Gegend unternimmt und mit Vorliebe den Erzfeind, die Siedlung Cathallo, überfällt. Saban hingegen gerät nach seinem Vater – ein realistischer, zupackender Mann, der eigentlich nichts anderes will als sein Leben in Frieden zu leben. Am liebsten natürlich mit einer schönen Frau an seiner Seite und einem ganzen Haufen Kinder. Und zu guter Letzt wäre da noch Camaban, der als Kind aus dem Stamm verstoßen wurde, weil er missgestaltet war. Doch so leicht gibt Camaban nicht auf: Er versteckt sich im alten Tempel und diese frühe Zwiesprache mit den Göttern legt den Grundstein für seine steile Karriere als Zauberer. Er geht bei der bekanntesten Zauberin der Gegend in die Lehre, die ihm seinen Klumpfuß richtet (halbwegs). Er reist, um auch die letzten Geheimnisse der Welt zu ergründen und es ist seine Vision, auf der Stonehenge fußt.

Dabei muss diese Vision – wie die Hängenden Steine selbst – von Grandeur geprägt sein. Tatsächlich liegt ihr eine durchaus genau beobachtete astronomische Theorie zugrunde. So hat Camaban durch genaue Himmelsbeobachtung herausgefunden, dass Mond- und Sonnenjahr nicht gleichlang sind. Was sie aber sein sollten, denn Sonne (Slaol) und Mond (Lahanna) sind die wichtigsten Götter der damaligen Menschen. Es geht die Legende, dass Lahanna eigentlich mit Slaol vermählt werden sollte. Doch sie widersetzte sich und darin liegen Krankheit und Tod begründet. Aus seinen Beobachtungen schließt Camaban nun, dass Slaol sich immer weiter von der Erde wegbewegt. Könnte man ihn aber mit einem riesigen, beeindruckenden Tempel zurücklocken – ihn also in seine ursprüngliche Bahn zurückbringen, so kämen Lahanna und Slaol wieder zusammen. Die Welt würde wieder ins Gleichgewicht gelangen und es würde weder Winter noch Tod geben. Eine durchaus detallierte Theorie, die Camaban durch Charisma durchsetzen und mit Sabans Hilfe in die Tat umsetzen kann.

_Es ist interessant_, dass Cornwell sich nicht auf ein zyklisches Zeitverständnis einlässt. Für seine Charaktere sind die ewig wiederkehrenden Dichotomien von Leben und Tod, Werden und Vergehen, Sommer und Winter offensichtlich keine gottgegebenen Regeln. Oder vielleicht ist es auch Camabans fortschreitender Wahnsinn (und Größenwahn), der ihn dazu treibt, diese grundlegenden Gesetze der Welt anzuzweifeln. Faszinierend ist dabei vor allem Cornwells Beschreibung des Gottesglaubens. Denn die Götter sind überall – in Sonne und Mond, im Fluss, im Wald und im Himmel. Alles, was von der Norm abweicht, kann ein Omen sein: Ein aufsteigender Vogel kann Gutes bedeuten, eine Wolke, die sich vor die Sonne schiebt dagegen Unheil verkünden. Um dieses Omen zu interpretieren, gibt es natürlich Priester – oder wie in Camabans Fall Zauberer. Wenn sie glaubwürdig vermitteln können, dass sie in direktem Kontakt mit den Göttern stehen, so winkt ihnen absolute Macht.

Dabei begeht Cornwell nie den Fehler, diese Götter wirklich manifest werden zu lassen. Es sind letztlich eben doch nur Sonne, Mond, Fluss und Wald. Doch die Art, wie Cornwells Charaktere die sie umgebende Natur interpretieren und sie als lebendig und eben auch göttlich auffassen – das ist dem Autor wunderbar und überzeugend gelungen.

Trotzdem wird man mit den Figuren und ihren Motiven nicht so recht warm. Vielleicht liegt es wirklich einfach daran, dass 2500 v. Chr. so enorm lange her ist, dass uns mit den damaligen Lebenswelten wenig verbindet. So ist es zwar beeindruckend zu sehen, wie frühe Menschen aus reinem Glauben ein die Zeit überdauerndes Bauwerk erschaffen, dass uns noch heute fasziniert. Und doch steht dem wirklichen Zauber immer auch die modernde, abgeklärte Draufsicht entgehen, die fragen will: „Ehrlich? Ihr glaubt wirklich, die Sonne ihre Bahn verändern wird, weil ihr Steine aufeinanderschichtet?“

_“Stonehenge“ funktioniert daher_ wunderbar als abstrakte „Was wäre, wenn …“-Studie, aber es funktioniert nicht so gut als Roman, da die Figuren ihre Distanz zum Leser nie ganz aufgeben. Man schaut eben fasziniert wie in einem Museum auf diese Relikte einer lange vergangenen Zeit, aber wirkliches Verständnis, ein echtes Einfühlen, ist fast unmöglich. Somit ist „Stonehenge“ kein ganz großer Wurf, doch für alle, die sich mit der Entstehung der Hängenden Steine beschäftigen wollen, ohne ein Sachbuch zu lesen, gibt es trotzdem eine Leseempfehlung.

|Taschenbuch: 672 Seiten
Originaltitel: Stonehenge
ISBN-13: 978-3499253645|
[www.rowohlt.de]http://www.rowohlt.de

_Bernard Cornwell auf |Buchwurm.info|:_
[„Stonehenge“ 113
[„Die Galgenfrist“ 277
[„Der Bogenschütze“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 1) 3606
[„Der Wanderer“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3617
[„Der Erzfeind“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 3) 3619
[„Das Zeichen des Sieges“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6223
[„Das brennende Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6656

|Sharpe|:
01 [„Sharpes Feuerprobe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5208
02 [„Sharpes Sieg“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5829
03 [„Sharpes Festung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7099
04 [„Sharpes Trafalgar“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7111

Grahame-Smith, Seth – Abraham Lincoln – Vampirjäger

„Never judge a book by its cover“, heißt es in einem englischen Sprichwort. Eigentlich soll das bedeuten, dass auch eine unansehnliche Verpackung einen wertvollen Inhalt verbergen kann. Doch dass das Sprichwort auch in die umgekehrte Richtung funktioniert, beweist Seth Grahame-Smith in seinem Roman „Abraham Lincoln – Vampirjäger“. Denn hier sieht die Verpackung ungemein viel versprechend aus. Es ist jedoch der Inhalt, der nicht restlos überzeugen kann.

Seth Grahame-Smith, das ist der mit „Stolz und Vorurteil und Zombies“. Die Idee, einen Klassiker mit Horrorelementen zu versetzen hat sich wohl als gewinnbringend herausgestellt und so widmet er sich in „Abraham Lincoln – Vampirjäger“ ein weiteres Mal diesem literarischen Genre. Das erscheint zunächst so abwegig wie faszinierend und hält man das Buch zum ersten Mal in den Händen, möchte man sich auch sofort in die Lektüre stürzen, denn Autor und Verlag haben sich viel Mühe gegeben, der ganzen Sache einen pseudorealistischen Anstrich zu geben. Da wäre zunächst das Cover, auf dem ein Ganzkörperpotrait Lincolns zu sehen ist. Sicher, die reichlich auffällig verteilten Blutspritzer lassen erahnen, worum es gehen wird – doch die Axt, die Lincoln geradezu subtil hinter dem Rücken versteckt, die ist wohl dem Augenzwinkern des Autors zu verdanken. Auch ein erstes Blättern zeigt Erfreuliches, denn der Roman ist nicht nur eine Textwüste. Er gibt sich den Anstrich einer seriösen Biographie und so finden sich auch zahlreiche Abbildungen darin, die ebenso wie der Text Vampirisches in Lincolns Leben einfließen lassen. Zu guter Letzt wären da noch die Werbeseiten am Ende des Buches, die auf Neuerscheinungen wie „Ich bin Legendär“ (Obama jagt allerlei monströses Ungetier) und „Die neuen Leichen des jungen W.“ (Edgar will das Politbüro der SED abknallen) hinweisen. Einfach herrlich!

Doch was ist nun mit dem Roman selbst? Der dümpelt leider durchgehend im Mittelmäßigen und will nie so recht an Fahrt gewinnen, obwohl die Grundidee ja eigentlich genügend Stoff für ein abstruses und unterhaltsames Handlungsgeschehen liefern sollte. Es geht los im Hier und Heute, als ein mysteriöser Fremder (dessen Identität sich erst im Laufe des Romans enthüllt) dem Autor die geheimen Tagebücher von keinem geringerem als Abraham Lincoln anvertraut mit der Bitte, sie öffentlich zu machen. Die Tagebücher enthalten Erstaunliches! Nicht nur rekapitulieren sie Lincolns Leben mit allen hinlänglich bekannten Fakten. Vielmehr fördern sie zutage, dass Lincoln der wohl größte Vampirjäger seiner Zeit war. Nicht nur das, auch der Bürgerkrieg war eigentlich ein Krieg gegen die vampirische Invasion auf amerikanischem Boden!

Der junge Abe wächst in ärmlichen Verhältnissen auf. Vampire treten erst in sein Leben, als seine Mutter überraschend stirbt – ein Vampir hatte sie mit seinem Blut vergiftet. Fortan schwört er Rache. Er übt sich im Kampf und lernt alles, was über Vampire in Erfahrung zu bringen ist. Doch wirklich erfolgreich ist er erst, als ein (netter) Vampir ihn aufspürt, ihm einige Tricks und Kniffe beibringt und ihn dann über Jahre mit den Namen und Adressen derer versorgt, die Abe ins Jenseits befördern soll. Das könnte ewig so weitergehen, doch bald wird enthüllt, dass die Vampire sich vor allem in den Südstaaten ansiedeln. Durch die Sklaverei steht ihnen ein schier unerschöpflicher Menschenstrom zur Verfügung, ohne dass jemandem auffallen würde, wenn ein paar Sklaven ausgesaugt werden. Und so machen die Vampire und die Sklavenhalter gemeinsame Sache – für beide Seiten ein vorteilhaftes Geschäft. Abe erkennt also, dass die Sklaverei unbedingt unterbunden werden muss, um den „Bluthahn“ der Vampire abzudrehen.

Dieser Gedanke bestimmt ihn fortan und ist der vordringendste Grund für sein Handeln. Letztendlich ist es eben auch dieses Wissen, das den Bürgerkrieg bestimmt. Denn die Vampire (vor langer Zeit aus Europa vertrieben) wollen die USA, eine junge Nation, unterjochen und nach ihrem Gutdünken umgestalten. Das gilt es unbedingt zu unterbinden.

Grahame-Smith liefert ein Paradebeispiel dafür ab, wie eine eigentlich gute Idee im Wust des Durchschnittlichen verkümmert. Nie schafft er es, beim Leser wirkliche Sympathie für Abe hervorzurufen. Sämtliche Charaktere bleiben fremd und beliebig und selbst Abe, dessen Tagebucheinträge oft zitiert werden, bekommt man als Leser nie wirklich zu fassen. Diese Distanz zwischen Roman und Leser schmälert das Lesevergnügen ungemein, denn nie berührt wirklich, was auf den Seiten passiert. Da passiert durchaus einiges – und auch tragisches -, doch macht es Grahame-Smith dem Leser unglaublich schwer, mit den Figuren zu fühlen.

Dies ist zu einem Großteil der absolut nichtssagenden Prosa geschuldet. Literarisch ist „Abraham Lincoln – Vampirjäger“ eine Nullnummer, ein ziemlich uninspiriert heruntergeschriebener Schinken, der offensichtlich nur vorgefertigte Handlungspunkte abarbeiten will, ohne sich großartig für Zwischentöne zu interessieren. Dabei kann sich Grahame-Smith nie richtig für eine Fahrtrichtung entscheiden. Über große Strecken versucht er sich als distanzierter (und objektiver) Biograph, eine Taktik, in der wohl die Ursache für die oben beschrieben Autor-Leser-Distanz zu suchen ist. Dann wieder, als würde der Autor aus einer Trance erwachen, schlüpft er plötzlich in den Kopf eines Charakters und schwenkt um zum personalen Erzähler. Diese Passagen stechen dann jedoch unschön gefühlig aus der restlichen Wüstenlandschaft heraus, wobei nie klar wird, was der Autor nun damit bezwecken wollte oder ob er überhaupt bemerkt hat, dass er die Erzählperspektive gewechselt hat.

Anderen Charakteristika der Biographie ergeht es ähnlich. Grahame-Smith zitiert viel – sehr viel! – aus den fiktiven Tagebüchern Lincolns. Eine typische Seite seines Romans ziert mindestens ein Tagebuchzitat. Manchmal sind es mehr, manchmal sie die Zitate einfach nur länger. Grundsätzlich jedoch liegt der Verdacht nahe, dass sich Zitate und Erzählung im Roman die Waage halten. Da Grahame-Smith als Schriftsteller jedoch keine Leuchte ist, klingen Zitate und Erzählung absolut gleich und so hat man als Leser irgendwann Schwierigkeiten überhaupt noch festzustellen, auf welcher Erzählebene man sich nun eigentlich befindet. Auch hier ist ungeklärt, was das eigentlich soll. In der Rahmenhandlung wird schließlich erläutert, dass das Buch auf der Quelle der fiktiven Tagebücher fußt, kein Grund also, sie alle Nase lang zu zitieren. Das zerstückelt den Lesefluss äußerst unschön, bringt ansonsten aber keinen Mehrwert, da die Zitate die Handlung eben nicht erläutern (wie das sonst bei Zitaten der Fall ist), sondern einfach die Handlung fortführen. Dazu kommen noch die absolut unnötigen Fußnoten, die der „Biographie“ einen wissenschaftlichen Anstrich geben sollen und prompt weiß man nicht mehr, wo man zuerst hinschauen soll: Text? Zitat? Oder doch lieber die Fußnote, die unnötigerweise erklärt, was eine Kartätsche ist.

Der Roman liest sich trotzdem flott weg. Allerdings wird man den Eindruck nicht los, dass es sich bei „Abraham Lincoln – Vampirjäger“ um eine grandiose Idee handelt, die ziemlich dilletantisch ausgeführt wurde. Mal sehen, ob Tim Burton dem Stoff mehr abgewinnen kann. Es heißt, er habe die Filmrechte erworben.

|Taschenbuch: 496 Seiten
Originaltitel: Abraham Lincoln – Vampire Hunter
ISBN-13: 978-3453528321|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

_Seth Grahame-Smith bei |Buchwurm.info|:_
[„Das große Porno-Buch“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3650

Cornwell, Bernard – Sharpes Trafalgar. Richard Sharpe und die Schlacht von Trafalgar, 21. Oktober 1805 (Sharpe 4)

_|Sharpe|:_
01 [„Sharpes Feuerprobe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5208
02 [„Sharpes Sieg“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5829
03 [„Sharpes Festung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7099
04 _“Sharpes Trafalgar“_
05 „Sharpes Beute“
06 „Sharpes Aufstieg“
07 „Sharpes Mission“
08 „Sharpes Trophäe“
09 „Sharpes Gold“
10 „Sharpe’s Escape“ (noch ohne dt. Titel)
11 „Sharpe’s Fury“ (noch ohne dt. Titel)
12 „Sharpe’s Battle“ (noch ohne dt. Titel)
13 „Sharpes Rivalen“
14 „Sharpes Degen“
15 „Sharpe’s Skirmish“ (noch ohne dt. Titel)
16 „Sharpes Feind“
17 „Sharpes Ehre“
18 „Sharpes Geheimnis“
19 „Sharpe’s Christmas“ (noch ohne dt. Titel)
20 „Sharpes Triumph“
21 „Sharpes Rache“
22 „Sharpes Waterloo“
23 „Sharpe’s Ransom“ (noch ohne dt. Titel)
24 „Sharpe’s Devil“ (noch ohne dt. Titel)

Als wir Richard Sharpe am Ende von [„Sharpes Festung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7099 zurückließen, hatte er gerade sein letztes Abenteuer auf indischem Boden bestanden. Drei Romane lang schlug er sich also in Indien durch, nahm an mehreren Schlachten teil (ruhmreich natürlich) und wurde in den Offiziersstand befördert – im 19. Jahrhundert kein unbedingt leichtes Unterfangen für einen einfachen Soldaten. Doch nun wird es für Sharpe langsam Zeit, Indien den Rücken zu kehren und sich nach England einzuschiffen, um sich dort seinem neuem Regiment anzuschließen. Natürlich ist das einfacher gesagt als getan, denn eine Schiffspassage geht bei Richard Sharpe nicht ohne Abenteuer vonstatten. Und ohne Schlacht von historischen Ausmaßen schon gar nicht. Man bedenke, wir schreiben das Jahr 1805 …

Das Abenteuer geht schon los, bevor Sharpe überhaupt den Fuß aufs Schiff, die „Calliope“, gesetzt hat. Denn als er Möbel und Truhen für die Passage kauft, sitzt er einem Betrüger auf. Bei seinem Versuch, sein Geld wiederzuergaunern, macht er die Bekanntschaft von Captain Joel Chase. Die beiden sind sich sofort sympatisch, doch ist die aufblühende Männerfreundschaft nur von kurzer Dauer, da Chases Schiff die „Pucelle“ ist und ein anderes Ziel anläuft. So findet sich Sharpe also auf der „Calliope“ unter dem biestigen Captain Cromwell wieder. Die Tage sind lang und das Essen mies.

Glücklicherweise befindet sich jedoch auch eine wunderschöne Frau an Bord, die von ihrem Mann – einem verknöcherten und langweiligen Lord – angeödet ist. Sharpe und Lady Grace beginnen eine Affäre, aus der sich tatsächlich so etwas wie Liebe entspinnt. Doch was, wenn die beiden entdeckt werden? Kann man auf einem Schiff überhaupt ein Geheimnis bewahren?

Noch dazu wird die „Calliope“ von einem französischen Schiff aufgebracht. Sie kann allerdings von Chase und seiner „Pucelle“ zurückerobert werden und so kommt Sharpe doch noch in den Genuss, mit dem Captain zu segeln – was eine ungemeine Verbesserung zu der bisherigen Reise mit Cromwell darstellt. Und da sie geradewegs auf die Seeschlacht von Trafalgar zusteuern, ist es wohl auch besser mit einer Mannschaft zu segeln, die ihrem Captain treu ergeben ist.

Bernard Cornwell hat sich hier einmal aufs Wasser gewagt: |Sharpe goes Hornblower| sozusagen. Und ja, „Sharpes Trafalgar“ bietet genau das, was Titel und Cover versprechen: Die Schlacht von Trafalgar nimmt ungefähr ein Viertel des Romans ein – wird also mehr als ausgiebig geschildert. Dabei lebt der Roman im Ganzen fast ausschließlich vom ungewohnten (zumindest im „Sharpe“-Universum) Setting. Genüsslich schildert Cornwell das eintönige und wenig glamouröse Leben an Bord und bringt interessante und realistische Details. Zum Beispiel das stetig schlechter werdende Essen an Bord je länger ein Schiff unterwegs ist. Oder auch die Tatsache, dass offensichtlich jedes Schiff zahlreiche Lecks hat, was für eine Landratte kein wirklich beruhigender Gedanke ist.

Auch die Schlacht von Trafalgar entbehrt dabei jeglicher verklärender Romantik. Schon Cornwells Hinarbeiten auf den Moment der ersten Kanonenschüsse ist eine nervenaufreibende Geschichte. Bisher waren in Seeschlachten die teilnehmenden Parteien immer in Linien aufeinander zu gesegelt, um sich dann paarweise ineinander zu verhaken. Nelson jedoch wählt eine andere Taktik: Während der Feind eine Linie bildet, greift die englische Flotte als Keil an. Das bedeutet einerseits, dass das Schiff an vorderster Front eine Weile allein dem Feind ausgeliefert ist. Es bedeutet aber auch, dass die Engländer eine halbe Stunde lang auf den Feind zusegeln und sich beschießen lassen müssen. Diese kaltblütige Taktik führte schließlich zum Erfolg, doch wie verlustreich sie ist, schildert Cornwell ausgiebig. Als die „Pucelle“ endlich ins Geschehen eingreifen kann, ist sie kaum mehr als eine schwimmende Nuss – die Aufbauten sind stark beschädigt und auch die Mannschaft dezimiert. Das Nervenaufreibende daran ist vor allem die unglaubliche Langsamkeit. Auf einem Schiff geht es eben nicht zu wie bei „Fluch der Karibik“, wo man den Zuschauer gern glauben machen möchte, dass sich Schiffe bewegen wie gepimpte Autos beim Tokyo Drift. Stattdessen bekommt man hier eher den Eindruck eines behäbigen Elefantenrennens: „Alles geschah so langsam. Sharpe fand das schwer zu ertragen. Es war nicht wie bei einer Schlacht an Land, wo die Kavallerie über das Feld preschte und die Artillerie das Schlachtfeld beschoss. Diese Seeschlacht fand in lethargischem Tempo statt und es gab einen sonderbaren Kontrast zwischen der stattlichen, bedächtigen Schönheit der aufgetakelten Schiffe und dem Lärm ihrer Geschütze.“ Was nichts anderes heißt, als dass bei einem Elefantenrennen eben doch einiges zu Bruch gehen kann.

Vieles ist Cornwell in diesem „Sharpe“-Abenteuer gelungen: Das Setting auf See bringt neuen Schwung in die Reihe und Cornwell versteht es hier wieder, überzeugende Nebencharaktere auftreten zu lassen. Allen voran wäre da Captain Chase zu nennen, der nicht nur dem Leser sofort sympatisch ist, sondern der offensichtlich auch einen großen Eindruck auf Sharpe macht. Seine Art, Männer zu führen – mit Freundlichkeit und Lob anstatt mit der Peitsche -, ist etwas, dem Sharpe in seiner neuen Funktion als Offizier nacheifern möchte. Und so beobachtet er Chase, wann immer er kann, um von ihm zu lernen: „Sharpe beobachtete Chase, denn er nahm an, dass er noch viel über die Feinheiten der Menschenführung lernen konnte. Er bemerkte, dass der Captain seine Autorität nicht unterstrich, indem er auf Strafen zurückgriff, sondern dass er hohe Leistungen erwartete und sie belohnte.“ Vieles, was Chase hier vorlebt, wird Sharpe später kopieren. Mit ähnlichem Erfolg.

Doch was wird nun aus der heißen Affäre zwischen Lady Grace und Ensign Sharpe? Das wird natürlich nicht verraten. Es sei nur so viel gesagt: Dieses Mal hat er ausnahmsweise ein Quäntchen mehr Glück ins Liebesdingen als in vorangegangenen Büchern. Aber zu viel nun auch wieder nicht, er soll der Armee schließlich treu bleiben!

|Taschenbuch: 414 Seiten
Originaltitel: Sharpe’s Trafalgar
ISBN-13: 978-3404163694|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

_Bernard Cornwell auf |Buchwurm.info|:_
[„Stonehenge“ 113
[„Die Galgenfrist“ 277
[„Der Bogenschütze“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 1) 3606
[„Der Wanderer“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3617
[„Der Erzfeind“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 3) 3619
[„Das Zeichen des Sieges“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6223
[„Das brennende Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6656

Lumley, Brian – Necroscope 5 – Totenwache

_Necroscope:_

Band 1: [„Erwachen“ 779
Band 2: [„Vampirblut“ 843
Band 3: [„Kreaturen der Nacht“ 2371
Band 4: [„Untot“ 2963
Band 5: [„Totenwache“ 3000
Band 6: [„Das Dämonentor“ 4368
Band 7: [„Blutlust“ 4459
Band 8: [„Höllenbrut“ 4610

Nachdem in den vergangenen zwei Bänden von Brian Lumleys „Necroscope“-Reihe hauptsächlich Historisches referiert wurde und der Leser (bzw. Hörer) ganz viel über die Vampire Thibor und Fetor erfahren durfte, zieht die Handlung in Band 5, „Totenwache“, deutlich an. Lumley nimmt die Zügel auf, schnalzt mit der Zunge und bringt in diesem durchaus dicht konstruierten Teil einige Handlungsstränge zu Ende, die über die vergangenen Bände mitgeschleift wurden. Das hat Vor- und Nachteile …

Doch zunächst zur Handlung: Nachdem es in der Vergangenheit so aussah, als könnte die Zusammenarbeit zwischen englischem und russischem Geheimdienst tatsächlich von Erfolg gekrönt sein, reißt Lumley nun das Ruder merklich herum. Denn während der Chef der Russen zusammen mit den Engländern in Rumänien versucht, Thibors Grab (und alles, was sich noch darinnen befinden könnte) endgültig auszuräuchern, plant seine Vertretung im heimischen Bronitzi heimlich den Aufstand: Ivan Girenko hält nämlich gar nichts von dieser neu erwachten Völkerfreundschaft und hält Krakowitsch für einen Verräter. Drum hintergeht er dessen Pläne, entführt Alec Kyle und lässt diesem durch eine Mischung aus Drogen und Telepathie all seine Geheimnisse entlocken.

Währenddessen versuchen die Agenten an der englischen Heimatfront endlich Yulian Bodescus habhaft zu werden. Zu diesem Zweck starten sie einen großangelegten Angriff auf dessen Elternhaus. Doch Yulian wäre wohl kein ordentlicher Vampir, wenn er nicht irgendwie entkommen könnte. Bis die Engländer seine Spur wieder aufnehmen können, ist es allerdings schon fast zu spät: Denn Yulian hat es auf den Sohn von Harry Keogh abgesehen und überfällt die Wohnung von dessen Mutter. Die dort platzierten Agenten werden praktisch überrannt und die Lage scheint aussichtslos. Doch Klein Harry hat auch ein paar Talente. Und obwohl er noch ein Baby ist, gelingt es ihm, sich selbst und seine Mutter zu retten. Den Rest darf dann der Papa übernehmen, der mit den eilig herbeigerufenen Toten Klarschiff macht.

„Klarschiff machen“ könnte fast der Untertitel dieses Hörbuchs sein, denn viele Handlungsstränge, die Lumley in den vergangenen Teilen aufgebaut hat, werden nun zu einem Höhepunkt – und dann eben einem Ende geführt. Sicherlich lässt er sich auch das ein oder andere Schlupfloch, denn schließlich ist hier ja noch lange nicht das Finale von „Necroscope“ erreicht. Und dennoch hat man das Gefühl, nun eine erste Etappe abgeschlossen zu haben. Was jedoch etwas irritiert, ist die Tatsache, dass Lumley das Wort „Ende“ wohl immer wörtlich nimmt. Der Abschluss eines Handlungsstrangs bedeutet bei ihm in der Regel, den Großteil des Personals umzubringen. Das geschieht zwar immer mit einem großen Knall, viel Action und literweise Blut. Trotzdem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier teilweise das Potenzial von Charakteren verschenkt wird. Denn diese werden durchaus lange vorbereitet und eingeführt, um dann nie wirklich mehr zu werden als ein kurzes Zwischenspiel für eine Actionszene. Da darf die Frage schon gestattet sein, warum Charaktere so detailverliebt eingeführt werden, wenn sie dann nie eine tragende Rolle spielen dürfen. Das grenzt an Verschwendung und ist außerdem ein sehr abruptes Ende für die bisher aufgebaute Spannung.

Ebenfalls zu bemängeln ist Lumleys dilletantischer Umgang mit weiblichen Charakteren. Für ihn (und für seine Figuren) scheinen Frauen nur für zwei Dinge gut zu sein: entweder, um sie zu vergewaltigen oder um sie vor der Schlechtigkeit der Welt zu bewahren. Letzteres impliziert, das sie eben nicht selbst mit der bösen Realität umgehen können und möglichst im Unklaren gelassen werden müssen, was tatsächlich vor sich geht. Schlimmer noch: Lumleys Frauen haben in der Regel auch gar kein Interesse, irgendwie gestaltend in die Handlung einzugreifen. Das ist besonders bei Brenda, Klein Harrys Mutter, ärgerlich. Nun muss es nicht immer gleich Sarah Connor sein – die Übermutter, die ihren kriegswichtigen Sohn vor kampfeslustigen Terminatoren beschützt. Aber ein bisschen Einsatz wäre schon von Vorteil. Was könnte man aus Brenda nichts alles machen?! Aus der naiven, jung verheirateten Frau, die plötzlich Witwe wird und mit einem kleinen Sohn allein da sitzt. Die feststellt, dass dieser Sohn seltsame Fähigkeiten hat. Die schließlich selbst beim Geheimdienst aktiv wird. Stattdessen erfährt man nichts, aber auch gar nichts über Brenda. Sie ist eine langweiliger, nichtssagender Charakter, damit auch ja nicht die Gefahr besteht, der Fokus könne für einen Moment auf jemand anderen als die heldenhaften russischen und englischen Geheimagenten fallen. (Wobei diese nicht immer wirklich heldenhaft sind, sondern sich meist mit abstrusen Plänen selbst in Gefahr bringen, doch das nur nebenbei.) Wohl gemerkt: „Necroscope“ darf ruhig Männerliteratur bleiben – mit viel Blut und Gemetzel. Doch eine etwas realistischere Charaktergestaltung ist auch kein zu hoch gegriffener Wunsch.

Bleibt zu sagen, dass Lutz Riedel wieder eine reife Leistung abliefert. Seine Stimme ist tief und markant – wie gemacht für einen Stoff wie „Necroscope“, der hart und gnadenlos rüberkommen muss. Darüber hinaus ist die Tatsache, dass es diesmal schlicht mehr Handlung gibt, natürlich ein Pluspunkt. Besonders die beiden großen Actionszenen – einmal der Angriff auf Yulians Haus und dann Yulians Eindringen in Brendas Wohnung – bieten Spannungsliteratur pur. Dass Lumley außerdem so viele losen Enden zu einem abschließenden Ende bringt, stimmt natürlich auch den Leser versöhnlich. So kann man neugierig in den nächsten Band einsteigen und gespannt sein, in welche Richtung Lumley das Ruder nun drehen wird. Im Moment jedenfalls ist alles offen.

|313 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3785732069|
http://www.lpl.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.festa-verlag.de
http://www.andymatern.de/

_Brian Lumley auf |Buchwurm.info|:_
|Titus Crow|
Band 1: [„Sie lauern in der Tiefe“ 893

Lumley, Brian – Necroscope 4 – Untot (Lesung)

In Band 3 von Brian Lumleys Endlossaga „Necroscope“ breitete der Autor die Lebensgeschichte von Thibor Ferenczy vor dem geneigten Leser aus und erläuterte ausführlich, wie dieser vor tausend Jahren zum Vampir wurde. Wer jetzt allerdings glaubt, dass damit in Band 4 nun die Geschichte um Harry und das E-Dezernat weitergehen kann, der irrt. Denn Lumley hält noch mehr Backstory für den Leser bereit.

Zwar ist Thibor mittlerweile ein Vampir, doch war er noch nie der Typ, der sich leicht unterordnen kann. Und so begehrt er sofort gegen seinen „Meister“ Fetor auf, der ihn daraufhin in den Kerker wirft und durch ein wenig Hungerfolter zur Vernunft bringen will. Doch so leicht ist Thibor natürlich nicht einzuschüchtern. Er harrt aus und wartet auf seine Chance, bis es ihm gelingt auszubrechen und Fetor zu überwältigen. Doch ist er Fetor tatsächlich für immer los? Und was ist eigentlich Fetors Geschichte?

Wie gut, dass Harry mit den Toten kommunizieren kann, denn so ist es ihm ein Leichtes, Fetor zu finden und auch seine Version der Geschichte zu hören. Und nachdem Brian Lumley dann en detail alles über walachische Untote erzählt hat, was der Leser jemals wissen wollte (oder eben auch nicht), darf es auch wieder zurück ins Jahr 1977 gehen.

Denn das englische E-Dezernat fürchtet immer noch eine vampirische Bedrohung. Und so wird ein geheimes Treffen mit dem russischen Pendant arrangiert, um herauszufinden, was die jeweiligen Abteilungen wissen und ob der Gefahr nicht irgendwie beizukommen ist. Man bedenke: Wir befinden uns mitten im Kalten Krieg, da ist es schon beachtlich, dass Ost und West so zusammenarbeiten. Doch scheinbar gehen beide Seiten von der Maxime „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ aus und erkennen in den Vampiren das größere Übel. Trotzdem ist dieses Treffen natürlich mehr als geheim. Es wird beschlossen, gemeinsam nach Rumänien zu fahren, um an der Quelle zu forschen.

Laut Harry geht die Gefahr aber nicht nur von Thibor und Fetor aus. Denn auch Yulian, mit Thibors Blut infiziert, fällt im heimischen Devon immer mehr dem Wahnsinn anheim. Im elterlichen Keller stellt er blutige Experimente an und übernimmt bald eine Gewaltherrschaft über den Haushalt. Zwar wird er vom Geheimdienst überwacht, doch sobald er dies bemerkt, hetzt er dem armen Agenten seinen Bluthund Vlad auf den Hals. Und so wird bald klar: Yulian ist abgrundtief böse. Allerdings hat diese Bosheit bisher kein wirkliches Ventil, kein Ziel. Er verletzt und tötet aus einer Art kindlichen Neugier, doch vermutlich braucht es noch die Kontaktaufnahme durch Thibor, um Yulians Niederträchtigkeit eine Richtung zu geben. Doch wehe, wenn er losgelassen …

_Wieder passiert nicht viel_ in diesem Teil der Serie. Es gibt die drei beschriebenen Handlungsstränge: Das Treffen der russischen und englischen Geheimdienste, Yulians beginnender Blutdurst und Thibors bzw. Fetors Geschichte. Letztere bilden den Hauptteil von „Untot“ und auch wenn der Showdown zwischen Thibor und Fetor auf dessen Burg durchaus spannend daherkommt, so möchte man doch Lumley irgendwann zurufen, mit diesen historischen Einschüben endlich fertig zu werden. Zwar ist es durchaus interessant, mehr über Thibor zu erfahren, doch treten nach insgesamt 8 CDs mit Thibor’schem Größenwahn beim Hörer dann doch Ermüdungserscheinungen auf. Irgendwann wirkt dieser Handlungsstrang schier endlos und man wünscht das Ende herbei.. Dass Lumley trotzdem nicht davon lassen mag, immer und immer wieder auf Fetors Burg zurückzukehren, nimmt das Tempo aus der Erzählung und den Fokus weg von der eigentlichen Handlung, die im Jahr 1977 spielt. Diese Zeitebene tritt zunehmend in den Hintergrund, was schade ist, da mit Yulian ein viel versprechender Bösewicht in den Startlöchern sitzt, der aber einfach nicht zum Zug kommen darf. Ein echtes Manko.

In dieser Unausgewogenheit und dem Fehlen eines zentralen Konflikts äußert sich dann auch die Tatsache, dass „Untot“ zusammen mit „Kreaturen der Nacht“ und „Totenwache“ eigentlich einen Band bildet (nämlich „Wamphyri!“). Die Geschichte künstlich auseinanderzureißen, hat dem Roman (bzw. den Romanen) nicht gut getan.

Auch für Harry Keogh wird sich Lumley wohl demnächst etwas einfallen lassen. Eine Figur, die jeden Toten befragen kann – und dadurch praktisch alles weiß – ist natürlich für einen Autor verlockend, doch birgt sie auch die Gefahr, jedes Problem des Plots einfach lösen zu können. Und das ist irgendwann für den Leser nicht mehr zufriedenstellend, weil zu einfach. Doch vielleicht wird Harry gar nicht mehr lange in seiner momentanen Form erhalten bleiben. Er ist an seinen Sohn gebunden, doch in dem Maße, wie dessen kognitive Fähigkeiten wachsen, verdrängt er Harry. Überhaupt der Sohn: Welche Fähigkeiten wird er wohl von seinem Vater geerbt haben? Wird auch er ein Necroscope sein? Oder werden Vater und Sohn miteinander verschmelzen? Fragen und über Fragen und damit genug Stoff für weitere Bände.

Lutz Riedels Interpretation des Stoffes ist ein absoluter Ohrenschmaus. Zwar überzeugt sein russischer Akzent nicht ganz, doch das ist auch schon der einzige Kritikpunkt, der dem Hörbuch anzulasten ist. Riedels tiefe, fast kratzige Stimme verleiht der Handlung die Ecken und Kanten, die sie braucht. Er ruft mit Leichtigkeit Grauen beim Leser hervor. Kurzum: Seine Stimme eignet sich hervorragend fürs Horrorgenre. Bitte mehr davon!

_Abschließend lässt sich sagen_, dass Thibor und Fetor nun hoffentlich endlich abgehakt sind. Wir haben genug Geschichte über uns ergehen lassen. Jetzt wird es Zeit, dass es im nächsten Band mal wieder etwas Action gibt!

|306 Minuten auf 4 CDs
Aus dem Englischen übersetzt von Hans Gerwien
ISBN-13: 978-3785732052|
http://www.lpl.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.festa-verlag.de
http://www.andymatern.de/

_Brian Lumley auf |Buchwurm.info|:_

|Necroscope|

Band 1: [Erwachen 779
Band 2: [Vampirblut 843
Band 3: [Kreaturen der Nacht 2371
Band 4: [Untot 2963
Band 5: [Totenwache 3000
Band 6: [Das Dämonentor 4368
Band 7: [Blutlust 4459
Band 8: [Höllenbrut 4610

|Titus Crow|

Band 1: [Sie lauern in der Tiefe 893

Cornwell, Bernard – Sharpes Festung

_|Sharpe|:_
01 [„Sharpes Feuerprobe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5208
02 [„Sharpes Sieg“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5829
03 _“Sharpes Festung“_
04 „Sharpes Trafalgar“
05 „Sharpes Beute“
06 „Sharpes Aufstieg“
07 „Sharpes Mission“
08 „Sharpes Trophäe“
09 „Sharpes Gold“
10 „Sharpe’s Escape“ (noch ohne dt. Titel)
11 „Sharpe’s Fury“ (noch ohne dt. Titel)
12 „Sharpe’s Battle“ (noch ohne dt. Titel)
13 „Sharpes Rivalen“
14 „Sharpes Degen“
15 „Sharpe’s Skirmish“ (noch ohne dt. Titel)
16 „Sharpes Feind“
17 „Sharpes Ehre“
18 „Sharpes Geheimnis“
19 „Sharpe’s Christmas“ (noch ohne dt. Titel)
20 „Sharpes Triumph“
21 „Sharpes Rache“
22 „Sharpes Waterloo“
23 „Sharpe’s Ransom“ (noch ohne dt. Titel)
24 „Sharpe’s Devil“ (noch ohne dt. Titel)

_Da hatte Richard Sharpe_ so verbissen darauf hingearbeitet, Offizier zu werden und nun das: Er ist mit seiner neu gewonnenen Position als Ensign (Fähnrich) unglücklich. Nicht nur, dass es sich dabei um den niedrigsten Offiziersstand handelt, dem eigentlich nur viel jüngere Männer angehören. Nein, Sharpe wird nun sowohl von den Mannschaften als auch von den Offizieren mit Argwohn betrachtet. Die einfachen Soldaten begegnen ihm mit Missgunst und Neid, während die Offiziere viel lieber unter ihresgleichen bleiben würden und es geradezu als Affront betrachten, mit einem ehemals einfachen Soldaten die Offiziersmesse teilen zu müssen. Man will ihn loswerden. Und da die Briten generell alles in formvollendetem Stil tun – selbst, wenn es sich um einen Rausschmiss handelt -, komplimentiert ihn sein Vorgesetzter überaus höflich aus der Kompanie und legt ihm nahe, sich dem neugegründeten 95. Scharfschützenregiment anzuschließen. Ein Vorschlag, den Sharpe nicht sonderlich verlockend findet – die Männer vom 95. tragen noch nicht mal rote Röcke! Was für Soldaten können das schon sein?

Doch bevor Sharpe sich seinem neuen Regiment in England anschließen wird, muss er noch ein letztes Abenteuer auf indischem Boden bestehen. Und das dreht sich um die Festung Gawilgarh. Dorthin nämlich ziehen sich die Marathen unter ihrem Commander Manu Bappu zurück. Ebenfalls mit von der Partie ist auch William Dodd, der englische Deserteur, der Manu Bappu als Berater dient. Als er sich jedoch erst einen Überblick von der beeindruckenden und praktisch uneinnehmbaren Festung Gawilgarh gemacht hat, fängt er an, eigene Pläne zu schmieden: Er ist sicher, die innere Festung bis zum Sankt Nimmerleinstag verteidigen zu können. Würde er es also schaffen, Manu Bappu in der äußeren Festung versauern zu lassen, so wäre Gawilgarh sein.

_Die Handlung pendelt_ hin und her zwischen den Vorbereitungen auf der Festung und den Angriffsvorbereitungen der Engländer. Während die Inder sich ganz auf die Lage ihrer Festung auf einem steilen Felsen verlassen und dem englischen Angriff hauptsächlich gelassen entgegensehen, so finden die Engländer keineswegs, dass es sich um eine aussichtslose Kampagne handelt. Sir Arthur Wellesley, von vergangenen Siegen geradezu beflügelt, ist sich sicher, auch hier siegen zu können und ignoriert dafür auch, dass ihm ein praktischer Plan fehlt, wie die innere Festung einzunehmen sei. Und so branden zunächst auch englische Truppen erfolglos gegen die Festungsmauern, wo sie von den Verteidigern nur noch erschossen zu werden brauchen. Es droht ein Blutbad. Doch glücklicherweise gibt es ja noch Richard Sharpe, der sich (mit Fäusten) gegen einen ranghöheren Offizier durchsetzt, weil er meint, einen Weg gefunden zu haben, die steilen Felsen zu erklettern. Und tatsächlich gelingt es einer kleinen Gruppe, die Festung sozusagen von hinten einzunehmen und das Festungstor von innen für die englischen Truppen zu öffnen. Gawilgarh ist gefallen …

Sharpe darf also wie immer heldenmütig und tough sein. Zwar hat er wiederholt und kurzzeitig Angst vor einer eigenen Courage, doch diese Gefühlsregungen halten nie lange an. Er ist eben ein Draufgänger, der zwar viel riskiert, aber in der Regel seinen Einsatz auch wieder einspielt – mit Zinsen. So muss er sich auch hier wieder mit seinem Erzfeind Obadiah Hakeswill herumschlagen, der es auf Sharpes Leben abgesehen hat. Und Dodd möchte Sharpe auch erwischen; dieser hat schließlich McCandless auf dem Gewissen: ein Mord, den Sharpe keineswegs ungesühnt lassen will. Ungleich weniger erfolgreich ist Sharpe, wenns ums schöne Geschlecht geht. Sein sonst so untrügliches Urteilsvermögen lässt ihn hier wiederholt im Stich – ein Verhaltensmuster, das langsam etwas ermüdend auf den Leser wirkt.

Auch die Nebencharaktere sind wieder gut ausgearbeitet. Vor allem Dodd und Manu Bappu wird viel Raum gewährt. Natürlich hat man auch wieder reichlich Gelegenheit, Hakeswills kruden Gedankengängen zu folgen. Er entwickelt sich mehr und mehr zum dümmsten Bösewicht in der Literaturgeschichte, was aber eben nicht heißt, dass ihm leicht beizukommen sei. Denn auch wenn ihm einige Hirnzellen abhandengekommen sind, so hat er doch einen unleugbaren Lebenswillen und ein beunruhigendes Geschick dafür, andere in die Pfanne zu hauen. Er ist ein Schleimer, dessen Fortkommen immer auf Kosten anderer geschieht. In Abstufungen kennt wohl jeder solche Personen. Doch weil Hakeswill so gnadenlos überzeichnet ist, wird es dem Leser leichtgemacht, ihn zu hassen und ihm den Tod zu wünschen. Dass das in nächster Zeit passiert, damit ist jedoch nicht zu rechnen.

Noch ein Wort zur Übersetzung: Sie wurde von Joachim Honnef bestellt und glänzt nicht gerade mit literarischem Anspruch. Im Gegenteil, sie schwankt irgendwo zwischen geradlinig (positiv ausgedrückt) und fade (negativ ausgedrückt) und bietet darüber hinaus noch einen ganzen Katalog Fehler grammatikalischer Natur. Wenn Subjekte in der Einzahl mit Prädikaten in der Mehrzahl zusammenkommen oder Relativsätze mit den falschen Artikeln eingeleitet werden, dann sind das zwar Flüchtigkeitsfehler. Ein aufmerksames Lektorat hätte diese jedoch ausmerzen müssen. Dem Lesefluss hätte es gutgetan.

Abschließend sei zu sagen, dass nach drei Romanen der „Sharpe“-Reihe langsam eine Art Gewöhnungseffekt einsetzt, da alle nach demselben Muster aufgebaut sind: kleine Schlacht am Anfang, Sharpes persönliche Vendetta, Zwischenspiel mit Frau, große Schlacht, in der Sharpe glänzen kann. Auch in „Sharpes Festung“ läuft das nicht anders. Man darf daher darauf gespannt sein, wie und ob Cornwell dieses Muster variiert, wenn er Sharpe im nächsten Band auf die Rückreise nach England schickt.

|Taschenbuch: 448 Seiten
Originaltitel: Sharpe’s Fortress
ISBN-13: 978-3404163106|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

_Bernard Cornwell auf |Buchwurm.info|:_
[„Stonehenge“ 113
[„Die Galgenfrist“ 277
[„Der Bogenschütze“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 1) 3606
[„Der Wanderer“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3617
[„Der Erzfeind“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 3) 3619
[„Das Zeichen des Sieges“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6223
[„Das brennende Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6656

Petrovic, Goran – Villa am Rande der Zeit, Die

In seinem Heimatland Serbien ist er ein bekannter und viel gelesener Autor: Goran Petrović. In Deutschland jedoch muss dieser Autor jedoch erst noch entdeckt werden – dtv hat mit der Veröffentlichung von „Die Villa am Rande der Zeit“ den Anfang gemacht und lädt büchernärrische Leser ein, Petrović auf seine Reise ins Buch-im-Buch zu folgen.

_Es geht zunächst_ um Adam, einen Studenten der Literatur. Dementsprechend arm ist Adam – er haust in einer Wohnung, die zwangsläufig an Spitzweg denken lässt, und verdingt sich als Korrektor für eine (offensichtlich dilletantische fabrizierte) Natur- und Wanderzeitschrift. Da er also knapp bei Kasse ist, ist er zunächst Feuer und Flamme, als er von einem Ehepaar den Auftrag erhält, ein Buch umzuarbeiten. Wohl gemerkt: Einen fertigen Roman, kein Manuskript! Adam ist verdutzt, doch das Geld kommt ihm gelegen und so sagt er zu. „Mein Vermächtnis“ heißt der zu bearbeitende Roman von Anastas Branica. Eine erste Lektüre zeigt Adam, dass das Buch weder eine Handlung noch Personen enthält. Der Text ist zwar durchaus gekonnt zusammengefügt, nur „war da nichts, absolut nichts anderes zu finden als die Beschreibung des Gartens“. Zu diesem Garten gehört zwar noch eine im italienischen Stil gehaltene Villa, doch auch hier gibt es keinerlei Konflikt – und eben auch keine Handlung. Adam ist allerdings des „vollständigen Lesens“ fähig, das heißt, er kann bei der Lektüre buchstäblich ins Buch eintauchen. Und so erlebt er hautnah den arkadischen Park mit der darin liegenden Villa. Die Zustände sind paradiesisch, warum also etwas ändern?

Adam ist neugierig geworden und fängt an zu recherchieren, wer dieser unbekannte Branica gewesen ist. Bald stellt sich heraus, dass dieser Park und Villa ursprünglich als Ort erschuf, an dem er sich – bei der gleichzeitigen Lektüre – mit seiner Angebeten Nathalie treffen konnte. In unzähligen Briefen und mit unermüdlichem Einsatz von Geld und Zeit hat er dieses literarische Kleinod geschaffen, um mit Nathalie zusammensein zu können. Auf die Idee, sich tatsächlich – also in der Realität – mit seiner Flamme zu treffen, scheint er nie ernsthaft zu kommen. Und als der Zufall sie schließlich zusammenführt, erkennt Nathalie den Liebhaber in der wirklichen Welt nicht. Als sie dann auch noch einen Heiratsantrag erhält (und zwar von einem anderen Mann), zusagt und kurzentschlossen aus Branicas Leben verschwindet, bricht für diesen eine Welt zusammen. Vermutlich aus nostalgischen Gründen arbeitet er seine Briefe um und veröffentlicht sie als „Mein Vermächtnis“. Als das Buch von einem Kritiker verrissen wird, stürzt sich Branica in die Donau und findet so ein tragisches Ende. Damit könnte auch die Geschichte von “Mein Vermächtnis” enden, doch dem ist nicht so. Denn Branica seinerseits wurde von der jungen Intellektuellen Natalija unerwidert geliebt, die das Buch über die Zeit rettet. Die wenigen existierenden Exemplare dienen fortan vollständigen Lesern dazu, der Realität zu entfliehen und in Branicas Park und Villa eine Zuflucht zu finden.

_Betrachtet man nur_ die Oberfläche von „Die Villa am Rande der Zeit“, so geht es um die Geschichte eines Buches, dessen Autor und Leser. Untrennbar mit diesem Buch verwoben sind drei Liebesgeschichten – zwei davon tragisch. Anastas Branica entflammt für die ferne Nathalie, die ihn – ganz als verbinde die beiden tatsächlich nur eine romanhafte Romanze – verlässt als ein Mann aus Fleisch und Blut um sie wirbt. Dann ist da noch Natalija, die Branica heimlich liebt. Er erfährt nie etwas von ihrer Leidenschaft, doch Natalija ist es zu verdanken, dass Branicas Andenken die Zeit überdauert. Erst Adam, der sich in Natalijas Gesellschafterin Jelena verliebt, kann den Kreis der unglücklichen Leidenschaften durchbrechen. Diese beiden finden im „Vermächtnis“ endlich die Liebe, die den anderen Charakteren des Buches versagt blieb. Doch geht es nicht nur um glücklose Lieben, denn die Charaktere agieren vor einem breiten Panorama serbischer Geschichte, das dem unbedarften deutschen Leser unglaublich farbenreich – ja gerade zu exotisch erscheinen muss. Auch Belgrad als Kulisse der Handlung wirkt sehr lebendig. Sicher war es nicht Petrovićs Anliegen, deutsche Leser neugierig auf seine Heimat zu machen. Es gelingt ihm dennoch mit Leichtigkeit. Wo serbische Leser Details wiedererkennen und historische Veränderungen zuordnen können, da sind deutsche Leser schier sprachlos ob der Detailfülle von Petrovićs Serbien.

Doch das ist, wie gesagt, nur die Oberfläche. Betrachtet man nur diese Ebene, so funktioniert der Roman durchaus, vor allem auch wegen der wunderbaren und so klischeefernen Sprache des Autors, die meisterhaft von Susanne Böhm-Milosavljevic ins Deutsche übertragen worden ist. Wirkliche Begeisterung tritt aber erst ein, wenn man in „Die Villa am Rande der Zeit“ eintaucht – den Roman als vollständig liest, nämlich mit der Begabung, die auch Anastas, Adam und all die anderen besitzen. Denn natürlich geht es nicht nur im Liebschaften vor der Kulisse Serbiens im 20. Jahrhundert. Vielmehr geht es um das Verhältnis von Realität und Literatur und die Frage, wie und ob die Wirklichkeit überhaupt abgebildet werden kann. Schnell wird klar, dass für Petrović der lebensferne Künstler durchaus ein Ideal ist. Anastas zum Beispiel, geht ganz in seiner Fantasiewelt auf: „Er lehnte es rundweg ab, sich mit der Wirklichkeit zu befassen, und sei es auch nur für einen Augenblick.“ Wenn sie dann in sein Leben drängt, dann zerbricht der sensible Anastas an ihr. Die grell leuchtende Realität, die er nicht durch ein paar sorgfältig gewählte Worte beeinflussen kann, muss ihm wie ein Feind erscheinen und so wählt er schließlich den Freitod.

Eigentlich geht es allen handelnden Personen ähnlich wie Anastas. „Mein Vermächtnis“ gibt ihnen die Möglichkeit, in ein konfliktloses Arkadien zu entfliehen – für Stunden oder Tage am Stück. Welcher Leser kann das nicht nachvollziehen? Dabei geht es nicht unbedingt um eine Realitätsflucht, die Probleme des modernen Lebens ausblenden möchte. Der Fluchtpunkt im „Vermächtnis“ ist weder Mittelerde noch Hogwarts, also eben kein Fantasy-Gebilde. Villa und Park sind so realistisch wie möglich gestaltet. Tatsächlich wurde die Villa von einem Architekten entworfen und Anastas hat sie – sozusagen – literarisch übersetzt. Ähnlich ist sein Vorgehen bei der Beschreibung des Parks: Für viel Geld lässt er von einem Künstler die Statue seiner Angebetenen anfertigen, nur damit er sie für sein Buch niederschreiben kann. Der tatsächlichen Statue widmet er danach keinen weiteren Blick. In der Literatur ist sie für alle Ewigkeit in ihrer Perfektion festgehalten, wozu also noch in der Wirklichkeit verweilen? Wunderbar gestaltet sind die Passagen, in denen Petrović diese Verquickung von literarischer Arbeit und gestalterischem Wirken sprachlich sichtbar macht. Wenn Adam in dem Buch herumstreicht und Dinge ändert, dann tut er dies gleichzeitig in der Wirklichkeit und im Text. Ein Beispiel zeigt Adam bei dem Versuch, eine zerschlissene Gardine in der Villa aufzuarbeiten: „Stunde um Stunde verbrachte der junge Mann damit, Wörter aufzuspüren, die zart genug waren, um mit ihnen die beschädigte Stelle ausbessern zu können. Als er gerade zu hoffen begann, dass er die erforderliche Feinheit erreicht hatte, zeigte sich, dass er den Farbton nicht getroffen hatte.“ Und so funktioniert „Die Villa am Rande der Zeit“ immer auf zwei Erzählebenen – der realistischen, in der Adam am Schreibtisch sitzt und den Roman umschreibt und den metaliterarischen, in dem er sich in der Villa befindet und tatsächlich Hand anlegt. Denn das Schreiben ist hier buchstäblich Handwerk und Sprache ist das Werkzeug, das es zu beherrschen gilt. Eine so alte, wie treffende Allegorie!

_“Die Villa am Rande der Zeit“_ bietet das größte Lesevergnügen, wenn man bereit ist, sich auf beide Leseebenen einzulassen. Hat man keinen Spaß am literarischen Spiel und an metaliterarischen Abenteuern, dann ist Petrovics wunderbare Erzählung nur mäßig unterhaltsam. Es seien ihm also zahlreiche „vollständige Leser“ gewünscht!

|Taschenbuch: 400 Seiten
Originaltitel: Sitnicarnica ‚kod srecne ruke‘
ISBN-13: 978-3423248242|
[www.dtv.de]http://www.dtv.de

Christopher, Nicholas – verlorene Bestiarium, Das

Wenn man „Das verlorene Bestiarium“ aufschlägt, um das Autorenporträt zu betrachten, dann hört man förmlich Schlachtenlärm und Säbelrasseln. Denn irgendwie schafft es Autor Nicholas Christopher, auf diesem Foto auszusehen, wie aus der Zeit gefallen: Wie ein in die Neuzeit verirrter Seeräuber vielleicht. Oder zumindest wie ein Statist aus einem Erol-Flynn-Film. Das ist immerhin ein viel versprechender Anfang für ein Buch, das als Abenteuerroman beworben wird. Und Christopher enttäuscht nicht – wenn es in seinem „Bestiarium“ auch viel leiser zugeht, als der Klappentext vermuten lässt.

Die Geschichte entspinnt sich folgendermaßen: Xeno Atlas (was für ein großartiger – sprechender – Name für einen Protagonisten) wächst im New York der 50er Jahre auf. Seine Mutter starb bei seiner Geburt, ein Drama, das ihn offensichtlich von seinem Vater entfremdet. Dieser ist Seefahrer und soll für Xeno zeitlebens ein Enigma bleiben. Meist ist er als Heizer auf See und bei seinen kurzen Landgängen begegnen sich Vater und Sohn wie Fremde. Bezugspersonen sind stattdessen die angestellte Haushälterin und vor allem Xenos Großmutter mütterlicherseits, die aus einer italienischen Auswandererfamilie stammt und Xenos trüber Kindheit mit fantastischen Geschichten über seltsame Tierwesen Farbigkeit verleiht. Und tatsächlich spielen Fabelwesen schon früh eine Rolle in seinem Leben. Da scheinen plötzlich die Wasserspeier auf dem Kirchdach lebendig zu werden und die tätowierte Seeschlange auf dem Rücken seines Vaters windet sich furchteinflößend. Doch sind die Erscheinungen real oder eben nur der Einbildungskraft eines vereinsamten Jungen zuzuschreiben?

Als Xenos Großmutter stirbt, steckt ihn sein Vater kurzerhand in ein Internat und dort macht er auch zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem Karawanenbuch. In der Bibliothek der Schule entdeckt er das literarische Genre des Bestiariums – Bücher, die existierende und imaginierte Tiere beschreiben. Das Karawanenbuch stellt sich bald allerdings als die Königin der Bestiarien heraus. Es heißt, in dem Buch finden sich Illustrationen der Tiere, denen der Zugang zur Arche verwehrt wurde und die demnach durch die Sintflut ausgerottet wurden. Und nicht nur das: Denn es geht die Legende, dass das Karawanenbuch eigentlich mit der Bibel ein Ganzes bilden sollte. Zusammen bilden sie eine „universelle Geschichte, die in Wirklichkeit die einzig wahre Geschichte der Welt darstellte“. Natürlich ist das Karawanenbuch verschollen – es gilt gar als vernichtet. Xenos Interesse ist geweckt. Er will dieses Buch unbedingt finden!

Geht nun hier das literarische Abenteuer los? Ja und nein. Denn mehr noch als das angepriesene Abenteuerbuch oder die Schatzsuche à la Indiana Jones ist „Das verlorene Bestiarium“ ein Entwicklungsroman. Es geht Christopher nicht darum, seinen Protagonisten in eine bunte Welt zu werfen und ihn ein Buch finden zu lassen. Vielmehr stellt er dem Leser diesen Xeno Atlas vor und zeichnet für den Leser ein breites Panorama dessen Lebens. Und da spielt das Karawanenbuch wieder eine Rolle. Natürlich hat auch Xeno ein Leben neben der Büchersuche und so lösen sich Abschnitte über das Karawanenbuch ab mit langen Passagen, die Xeno im Vietnamkrieg zeigen oder bei den großen Antikriegsdemonstrationen in Washington. Die Patina der amerikanischen Geschichte legt sich dabei angenehm auf jede Buchseite, denn Christopher schildert die Handlung mit Liebe zum Detail – und mit Liebe zu seinen Charakteren. So kann man als Leser kaum verhindern, dass man in diese farbenprächtige, magisch angehauchte Welt hineingezogen wird, die trotzdem immer in unserer Realität verankert bleibt.

Dabei ist die Idee des Karawanenbuchs nicht nur ein netter literarischer Kniff, ein Plot Device, um die Handlung am Laufen zu halten. Stattdessen scheint Nicholas Christopher – wie sein Held – ernsthaft in die Welt der Tiere einzutauchen. Und zwar jenseits allen Kitsches. Hier gibt es keine Hunde mit Spängchen in den Haaren und auch keine Perserkatzen, die an pinkfarbenen Leinen spazierengeführt werden. Vielmehr sieht Christopher die Geschichte der Menschheit eng mit der der Tiere verknüpft. Ganz so wie das Karawanenbuch und die Bibel eigentlich ein Ganzes bilden, so sollten auch Tier und Mensch eine Einheit sein. Ihr friedliches Zusammenleben ist demnach schlicht göttliches Gesetz. Dass dieses Gesetz immer wieder gebrochen wird, verdeutlich Christopher dem Leser durch Xenos Freund Bruno, der als Wissenschaftler dem Artensterben entgegenwirken will. Dass die Poster von aussterbenden Arten, die er regelmäßig an seine Bürotür pinnt, nur eine neue Art des Karawanenbuchs sind, wird sicher keinem Leser entgehen. Und dass Xeno eine ganze Schiffsladung dieser Tiere auf dem vom Vater geerbten Schiff in ein sicheres Reservat schippert, erinnert auch nur zu deutlich an eine moderne Arche. Somit schließt sich der Kreis.

Es ist also leicht, die Attitüde eines Umweltschützers in den Roman hineinzulesen, doch hütet sich Nicholas Christopher davor, dem Leser zu predigen. Artenschutz ist ein Motiv im Roman, doch es wird elegant mit der Handlung verwoben und so hat man keinen Moment den Eindruck, Erbauungsliteratur zu lesen. Das hat Christopher nicht nötig, denn er weiß genau, wo seine Stärken liegen: Er konzentriert sich darauf, die Reise eines Menschen zu sich selbst literarisch auszuarbeiten, der die Krücke des Karawanenbuchs als den Fixstern seiner Träume irgendwann nicht mehr braucht. Xeno begibt sich auf eine Reise – eine innere wie eine äußere. Und Nicholas Christopher lädt den Leser ein, ihm auf dieser Reise zu folgen. Eine Einladung, die man keineswegs ausschlagen sollte.

|Taschenbuch: 380 Seiten
Originaltitel: The Bestiary
ISBN-13: 978-3423248297|
[www.dtv.de]http://www.dtv.de

_Nicholas Christopher bei |Buchwurm.info|:_
[„Franklyn Flyer“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=588

del Toro, Guillermo / Hogan, Chuck – Blut, Das (Lesung)

_Die |The Strain|-Trilogie:_

Band 1: [„Die Saat“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5905
Band 2: [„Das Blut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6691
Band 3: „Eternal Night“ (noch ohne dt. Titel)

„Das Blut“, der zweite Teil von Guillermo del Toros und Chuck Hogans Vampirtrilogie, kommt in vielerlei Hinsicht etwas schlanker daher als der Erstling [„Die Saat“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5905 – und das bezieht sich nicht nur auf die Seitenzahl. Es gibt weniger Charaktere, weniger Nebensächliches und dafür mehr Fokussierung auf die eigentliche Gefahr und wie man sie denn beseitigen könnte.

Dabei sieht es zu Beginn des Romans eigentlich so aus, als sei die letzte Schlacht schon längst verloren. New York gleicht einer Geisterstadt. Ganze Straßenzüge sind ausgestorben, die Infrastruktur zusammengebrochen. Eigentlich ginge es nun nur noch darum, zu verhindern, dass das vampirische Virus von New York auf den Rest des Landes überspringt. Doch dazu müssten die Behörden Maßnahmen ergreifen. Diese weigern sich allerdings, die Gefahr überhaupt anzuerkennen. Also liegt es weiterhin in den Händen von Ephraim, Setrakian, Nora und dem Kammer- jetzt Vampirjäger Vasiliy, die Menschheit zu retten. Bald jedoch können sie mit Hilfe von unerwarteter Seite rechnen: Nicht nur haben die Alten, eine Gruppe Meistervampire, einen eigenen Vampirjäger angeheuert, der die Seuche in New York eindämmen soll und sich bald mit Ephs Mannen zusammenschließt. Darüber hinaus treten die Alten schließlich selbst an Setrakian heran, der bei Christie’s ein mysteriöses Buch ersteigern will, dem aber naturgemäß das benötigte Kleingeld fehlt.

_Grundsätzlich passiert_ in „Das Blut“ also mehr als in „Die Saat“, denn es wird an mehreren Fronten gleichzeitig gekämpft. Andererseits beleuchtet das Autorenduo ein weiteres Mal die geschichtlichen Hintergründe und folgt Setrakian in dessen Vergangenheit, die von dem fast schon fanatischen Kampf gegen die Blutsauger bestimmt wird. Besonderes Augenmerk wird hier wieder auf die Nazi-Zeit und alte Schergen (Setrakians Gegenspieler ist diesmal nicht der Vampir Sardu selbst, sondern ein alter KZ-Aufseher) gelegt. Das mag auf manchen Leser ermüdend wirken, schließlich ist der Nazi-Bösewicht nicht wirklich eine neue und originelle Erfindung. Andererseits ist diese Zeit schon immer ein wichtiges Thema im Schaffen del Toros gewesen und es ist daher nur logisch, dass er sie auch hier zumindest anschneidet.

Weniger verzeihlich ist da schon die Tatsache, dass auch in „Das Blut“ die Charaktere größtenteils eindimensional sind und kaum eine charakterliche Entwicklung durchmachen. Deren geistiges Innenleben interessiert die beiden Autoren wenig, viel mehr geht es ihnen um die Beschreibung der äußerlichen Katastrophe. Um das nicht allzu deutlich werden zu lassen, wird eine recht uninspirierte Liebesgeschichte zwischen Eph und Nora (der einzigen weiblichen Protagonistin in diesem testosterongeschwängerten Hörbuch) angedeutet und von Zeit zu Zeit darf Eph seinem fürchterlich lieben und verständnisvollen Sohn Zach seine väterliche Liebe gestehen. Gerade dieser Sohn ist ein Schwachpunkt der Geschichte, wohl auch, weil man von del Toro tiefer gehenderes gewohnt ist – man denke nur an Ofelia aus „Pans Labyrinth“, die interessant genug war, um einen ganzen Film zu tragen. Im Gegensatz dazu ist Zach nicht mehr als ein kindliches Abziehbild, das zwar kurzzeitig bocken darf, hauptsächlich jedoch unglaublich erwachsen daherkommt und als Beweis dafür dienen muss, was für ein toller Vater Eph denn doch ist, wenn er nicht gerade die Welt rettet.

Apropos Film: Wie auch schon in „Die Saat“, hat man bei „Das Blut“ den Eindruck, eigentlich einen Film zu sehen und man fragt sich zwangsläufig, warum del Toro sich für ein Buchprojekt anstatt (zum Beispiel) für eine Miniserie entschieden hat. Die szenische Darstellung der Handlung, die auf den größtmöglichen visuellen Effekt abzielt, ruft beim Leser im wahrsten Sinne des Wortes ein Kopfkino hervor (ein Effekt, der durch das Hörbuch noch verstärkt wird) und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, ein besonders umfassend ausformuliertes Drehbuch vor sich zu haben. Das ist auf der einen Seite positiv, da es die Handlung besonders plastisch werden lässt und man sich tatsächlich mittendrin befindet. Andererseits bleibt dabei natürlich für die Fantasie des Lesers kaum noch Spielraum.

Natürlich gibt es – wie im ersten Teil auch – wieder Anspielungen auf bekannte Größen des Genres. So erfährt der Leser beispielsweise, dass Setrakian verheiratet war und dass seine Frau als Vampir endete – in einer Szene, die stark an die weiße Dame aus Stokers [„Dracula“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=210 erinnert.
Und dass das mysteriöse Buch, in dem die Namen der vampirischen Alten verzeichnet sind, an Lovecrafts sagenumwobenes [„Necronomicon“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4521 erinnert, ist sicher auch kein Zufall.

Besonders interessant allerdings, gerade im Hinblick auf die momentanen Ereignisse in Japan, sind del Toros Ideen zum Thema Kernkraft, die hier als Beispiel für die Korrumpierbarkeit der Mächtigen dient. Denn Atomkraftwerke (unter anderem auch Tschernobyl) spielen im Verlauf des Romans eine immer wichtiger werdende Rolle. Nicht nur kann man mit der Explosion eines Atomreaktors einen der Alten erfolgreich ins Jenseits befördern. Viel wichtiger ist, überhaupt erst die Gewalt über ein Atomkraftwerk zu erlangen. Und hier zeigen del Toro und Hogan sehr anschaulich, dass es letztendlich der Mensch ist, der die Werkzeuge zu seiner eigenen Vernichtung in der Hand hält. Denn wie sicher auch immer gebaut wird und welche unwahrscheinlichen Risiken auch mit eingeplant werden, in del Toros Welt wird es immer korrupte Einzelpersonen geben, die den Tod Vieler in Kauf nehmen, wenn sie glauben, dass daraus für sie ein Vorteil erwächst. In dieser Hinsicht ist del Toros Welt natürlich auch unsere Welt. Nicht jeder ist eben so edel und gut wie Ephraim. Nicht jeder wirft sich für das Überleben der Menschheit mutig in die Bresche. Die große Mehrheit tut einfach gar nichts und lässt sich von den Medien (die die Seuche einfach totreden) einlullen. Und dann gibt es ein paar Einzelne, die sich auf die Seite des Siegers schlagen – in dem Fall auf die Seite der Vampire, weil sie sich davon Geld und Macht – und natürlich Unsterblichkeit – erhoffen. Insofern ist „Das Blut“ durchaus entlarvend und legt viele Mechanismen unserer heutigen Welt frei.

_Abschließend sei_ zur Hörbuchversion zu sagen, dass es natürlich zu begrüßen ist, dass man sich für eine ungekürzte Lesung mit einer Spielzeit von stolzen zwölf Stunden entschieden hat. Da die Handlung nun doch an Komplexität gewinnt, mag man sich nicht vorstellen, wo hier zu kürzen wäre. Und dass als Sprecher David Nathan gewonnen wurde, tut ein Übriges für das Hörvergnügen. Nathan ist ein unglaublich routinierter Sprecher (im besten Wortsinne), der den Hörer souverän durch die Handlung führt. Besonders gut gelingt ihm Setrakian, der alte Erzfeind der Vampire. Dass er eben auch ein ambivalenter Charakter ist (ebenso wie sein Vorbild van Helsing in „Dracula“) wird durch Nathans Interpretation noch deutlicher herausgearbeitet. Wen also das backsteinartige Format des Romans schreckt (oder wer eine lange Autofahrt vor sich hat), dem sei das Hörbuch als Alternative ans Herz gelegt.

|Ungekürzte Lesung: 12 Std. 3 Min.
Gelesen von David Nathan|
[www.audible.de]http://www.audible.de

auch erschienen als:

|Gekürzte Lesung: 7 Std.
Gelesen von David Nathan
ISBN 978-3-8371-0425-7|
[Random House Audio]http://www.randomhouse.de/randomhouseaudio/index.jsp

Harris, Charlaine – Grabeshauch (Harper Connelly 4)

_Die |Harper Connelly|-Reihe:_

Band 1: [„Grabesstimmen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4704
Band 2: [„Falsches Grab“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5608
Band 3: [„Ein eiskaltes Grab“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6318
Band 4: [„Grabeshauch“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7031

Wenn man Charlaine Harris Glauben schenken mag, dann ist „Grabeshauch“ nicht nur der vierte, sondern auch der letzte und abschließende Teil ihre Reihe um Harper Connelly, die die Gabe besitzt, Tote zu finden. Die Erwartungen sind also entsprechend hoch, wenn der geneigte Leser die erste Seite aufschlägt. Doch 300 Seiten später, nach einem ziemlich abstrusen Krimiplot und einer mehr als fragwürdigen und uninspirierten Auflösung, ist man enttäuscht, dass die Reihe nicht mit mehr Feuerwerk zu Ende geht.

Positiv anzumerken ist, dass sich Harris für diesen letzten Band vorgenommen hat, lose Enden zu verknoten und die dunklen Flecken in Harpers und Tollivers Vergangenheit zu beleuchten. Und so ist der vordergründige Fall, in dem Harper die Todesursache des texanischen Patriarchen Rich Joyce klärt und bei der Gelegenheit feststellt, dass seine Pflegerin im Kindbett und nicht an einem Blinddarmdurchbruch starb, eher eine Nebensache, die allerdings im Verlauf des Romans auf reichlich abenteuerliche (und extrem zufällige) Weise mit dem eigentlich zentralen Konflikt von „Grabeshauch“ verknüpft wird. Denn zurück in heimatlichen Gefilden nehmen Harper und Tolliver Kontakt zu ihren beiden Geschwistern auf, treffen sich mit Tollivers Bruder und stellen fest, dass dessen Vater Matthew aus dem Knast entlassen wurde und nun Buße tun will. Außerdem führen neue Erkenntnisse Harper und Tolliver auf die lange erkaltete Spur ihrer verschwundenen Schwester Cameron, die sie tatsächlich am Ende von „Grabeshauch“ finden werden. Doch wie das alles mit Matthew, der Familie Joyce und den Mordversuchen auf Harper zusammenhängt, wird zwar im Verlauf der Handlung deutlich. Besonders logisch ist diese Auflösung allerdings nicht.

_Klingt nach viel_ Stoff für einen so schmalen Roman? Das könnte es auch sein, wenn sich Charlaine Harris auf die zentralen Punkte ihres Plots konzentrieren würde. Das scheint ihr jedoch ausgesprochen schwer zu fallen. Stattdessen ergeht sie sich in Nebensächlichkeiten und Banalitäten, sodass im ersten Drittel des Romans praktisch gar nichts passiert. Viel lieber erklärt sie dem Leser noch einmal haargenau, wie grauenhaft Harpers und Tollivers Kindheit war, wie drogensüchtig deren Eltern, wie aussichtslos die Situation der Kinder. Das hat sie bereits in den vergangenen drei Bänden mit genüsslicher Detailverliebtheit vor dem Leser ausgebreitet – der einzige Mehrwert, der sich in „Grabeshauch“ noch bietet, ist die Tatsache, dass sie nun die ganze Geschichte noch einmal geballt wiedergibt. Gleiches gilt für die Rekapitulation der Ereignisse um den Blitzschlag, der Harper ihre ungewöhnliche Gabe verliehen hat. In bisher jedem Band der Reihe hat sie dem Leser diese Zeilen zur Erklärung an die Seite gestellt und langsam wird es wirklich öde. Sicher sind diese Wiederholungen auch der Tatsache geschuldet, dass ein unbedarfter Leser die Reihe vielleicht nicht in der richtigen Reihenfolge – oder aus dem Zusammenhang gerissen liest. Charlaine Harris verpackt ihre Expositionen allerdings so idiotensicher, dass man wirklich die ersten drei Bände nicht gelesen haben muss, um den vierten zu verstehen. Das ist für neue Leser vielleicht praktisch, für Fans der Serie ist es extrem langweilig und enttäuschend. Man fragt sich zwangsläufig, welchen Mehrwert die älteren Bände denn bieten, wenn man immer wieder dieselben Erklärungen lesen muss und die Autorin immer wieder beim Urschleim beginnt, bevor sie überhaupt so etwas wie Handlung oder Konflikte entwickelt.

Schreibt Harris nicht gerade über Dinge, die der Leser schon weiß, dann schreibt sie über unglaublich Banales: Sie erklärt dem geneigten Leser, dass Harper zur Polizeistation geht und den Schirm aufspannt, weil es anfängt zu regnen. Sie räumt jeder Mahlzeit ihrer Heldin ausreichend Platz ein (hauptsächlich isst sie Salat und Suppe), sie erwähnt wirklich jeden Anruf beim Zimmerservice und beschreibt sogar, wie Harper in den Waschsalon geht. Nichts davon hat irgendeine Relevanz für die eigentliche Handlung. Es dient einzig als Füllsel, wahrscheinlich, um beim Leser so etwas wie Realitätstreue hervorzurufen. Charlaine Harris allerdings, und da sollte sie ehrlich mit sich sein, ist eine Autorin von Unterhaltungsliteratur und besitzt daher nicht die schriftstellerische Größe, um Banalem eine Tiefe zu verleihen, die für den Leser interessant sein könnte. In ihren Romanen bleibt sie oberflächlich und so weisen all die Alltagsbeschreibungen eben nicht über sich hinaus, sondern füllen einfach nur Seiten mit nebensächlichen Szenen. Dass Harper auch mal was essen muss, setzt man eigentlich voraus – das muss nicht ständig aufs Genaueste beschrieben werden. Anstatt sich en detail für Harpers Alltag zu interessieren, wäre es wohl sinnvoller gewesen, die Auflösung um das große Geheimnis von Camerons Verschwinden besser zu durchdenken und logischer zu präsentieren. Vor allem wäre es nötig gewesen, dem Bösewicht genügend Platz einzuräumen, anstatt ihn unter ferner liefen abzuhandeln. Denn das einer routinierten Autorin wie Charlaine Harris nichts Besseres einfällt, als den Bösewicht erzählen zu lassen, warum er so böse ist, während die White Hats andächtig lauschen, das ist dann eine billige und – gelinde gesagt – faule Auflösung. Dass selbiger Bösewicht sich dann netterweise gleich selbst erschießt, damit auch niemand irgendwelche Probleme mit ihm hat, das mutet dann sehr nach Seifenoper an und ist einer Charlaine Harris einfach nicht würdig.

Schade ist vor allem, dass eine Autorin, die ein immenses Talent dafür hat, interessante und außergewöhnliche Charaktere zu schreiben, von dieser Gabe in „Grabeshauch“ kaum Gebrauch macht. Die Charaktere stehen auf der Stelle, es gibt keine Entwicklung mehr und auch der konfliktgeladenen Beziehung zwischen Harper und Tolliver gewinnt sie keine neuen Seiten ab – stattdessen driftet sie ins Süßliche ab, sodass deren Liebe nur noch dadurch transportiert wird, dass sie sich regelmäßig „Schatz“ nennen und in gesellschaftlich akzeptablen Abständen miteinander Sex haben.

_Man kann sich_ des Eindrucks nicht erwehren, dass Charlaine Harris keine rechte Lust mehr auf Harper hatte. Zumindest lässt der uninspirierte und in Teilen abstruse Abschlussband dies vermuten. Dass auch die Prosa überaus simpel und schnell dahingeschrieben daherkommt, passt ins Bild, erhöht aber in keinem Fall das Lesevergnügen. „Grabeshauch“ ist leider kein würdiger Abschluss für die Abenteuer um Harper und Tolliver. Es ist der schlechteste Band der Reihe und nach der Lektüre ist man fast froh, es hinter sich zu haben.

|Taschenbuch: 317 Seiten
Originaltitel: Grave Secret
Deutsch von Christinane Burkhardt
ISBN-13: 978-3423212687|
[www.dtv.de]http://www.dtv.de

_Charlaine Harris bei |Buchwurm.info|:_

|Sookie Stackhouse|:
Band 1: [„Vorübergehend tot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=788
Band 2: [„Untot in Dallas“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=939
Band 3: [„Club Dead“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1238
Band 4: [„Der Vampir, der mich liebte“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2033
Band 5: [„Vampire bevorzugt“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3157
Band 6: [„Ball der Vampire“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4870
Band 7: [„Vampire schlafen fest“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5450
Band 8: [„Ein Vampir für alle Fälle“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6161
Band 9: [„Vampirgeflüster“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6593

Cossé, Laurence – Zauber der ersten Seite, Der

Man stelle sich vor: Eine Buchhandlung, in der es nur gute Romane gibt. Kein Schund, keine Massenware, keine gehypten Bestseller. Betritt man diese Buchhandlung, kann man ein beliebiges Buch kaufen und wird bei der Lektüre begeistert sein. Ist das nicht der Traum eines jeden Büchernarren? Laurence Cossé, französische Schriftstellerin, hat diesen Traum in ihrem Roman „Der Zauber der ersten Seiten“ geträumt und auf 500 Seiten ausformuliert. Leider nur mit durchwachsenem Erfolg.

Dabei geht es spannend – wenn auch verwirrend – los. Cossé wirft den Leser mitten in die Handlung und präsentiert ihm drei Personen, die Opfer von Anschlägen oder sogar Mordversuchen werden. Es stellt sich heraus, dass alle drei Schriftsteller sind und dem geheimen Komitee des Guten Romans angehören, eines Buchladens, der – wie der Name schon sagt – nur gute Romane führt. Die Liste der vorrätigen Bücher wurde von eben diesem Komitee erstellt, und zwar im Geheimen, um Beeinflussung zu verhindern. Doch scheinbar passt die Idee des Guten Romans nicht jedem und so sind weitere tätliche Angriffe zu befürchten. Also treten Ivan und Francesca, die Besitzer des Guten Romans, die Flucht nach vorn an und schalten einen Ermittler ein, der herausfinden soll, wer hinter den Anschlägen steckt.

Doch natürlich muss der Ermittler zunächst in die Geschichte und Wirkweise der Buchhandlung eingeführt werden. Und so erfährt auch der Leser in einer Rückschau wie Ivan und die reiche Mäzenin Fancesca einander kennengelernten. Wie sie sofort feststellen, dass sie die Leidenschaft fürs Lesen teilen und wie Francesca Ivan beichtet, dass sie davon träumt, einen Buchladen zu eröffnen, der nur Gutes führt. Francesca besitzt das nötige Kleingeld für das Unterfangen und Ivan ist langjähriger Buchhändler – perfekte Voraussetzungen also für die Durchführung des Projekts. Und so schildert Cossé ausführlich die Planung, die Zusammensetzung des Komitees, die Eröffnung und den überraschenden Erfolg. Doch dann kippt die Stimmung. Es hagelt Kritik, die Presse schießt sich auf den elitären Grundgedanken der Buchhandlung ein, heimliche Leserbriefe sprühen Gift und Galle. Schlussendlich wird sogar in Francescas und Ivans Vergangenheit gegraben, um sie zu diskreditieren. Die Anschläge auf die drei Mitglieder des Komitees sind der bisherige Gipfel der Tätlichkeiten.

„Der Zauber der ersten Seite“ präsentiert sich zunächst als literarischer Kriminalfall. Wer hat die Anschläge verübt? Wie? Wer hat ein Motiv? Die üblichen Fragen eben, die sich in solchen Fällen stellen. Und da die Anschläge auch auf durchaus originelle Weise verübt worden sind (um sie notfalls wie Unfälle aussehen zu lassen), fragt man sich schon, wer so viel Energie darauf verwenden wollte, eine Buchhandlung in den Ruin zu treiben. Ivan vermutet eine organisiert agierende Gruppe. Geld scheint auch im Spiel zu sein, denn als ultimativen Coup eröffnen die Gegner des Guten Romans drei weitere Buchhandlungen in derselben Straße, offensichtlich nur, um Ivan und Francesca eins auszuwischen.

Die Krimihandlung interessiert Cossé jedoch nur marginal, allerdings braucht der Leser eine Weile, um zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Schließlich ist es legitim, einen Roman mit einem Knall zu beginnen, um dann in einem Flashback die Vorgeschichte zu liefern, damit man schließlich zur Lösung des Kriminalfalls kommt. Doch was man als Leser zunächst für die Vorgeschichte hält, ist die Haupthandlung – der Kriminalfall stellt sich schließlich als bloße Rahmenhandlung heraus, die Cossé einen überzeugenden Einstieg in ihren Roman bietet, an dem sie jedoch schnell jedes Interesse zu verlieren scheint. Denn „Der Zauber der ersten Seite“ geht zu Ende, bevor man erfahren kann, wer nun hinter den Anschlägen steckt oder wer die Konkurrenzbuchhandlungen eröffnet hat. Sicher, ein Verdächtiger wird präsentiert, aber das war es auch schon. Ist er tatsächlich verantwortlich? Und vor allem, warum werden keine Gegenmaßnahmen ergriffen? Cossé lässt ihr Buch enden, ohne diesen Erzählstrang zu einem befriedigenden Ende zu führen. Stattdessen verläuft er im Sande, so als wäre Cossé einfach irgendwann die Puste ausgegangen.

Das gilt zumindest für die Haupthandlung. Denn die Liebesgeschichte (ja, die gibt es natürlich auch) wird nach vielem Hin und Her tatsächlich zu einem guten Ende geführt. Ivan ist nämlich für die spröde Studentin Anis entflammt, die auch an ihm interessiert scheint, ihn jedoch trotzdem immer auf Abstand hält. Letztendlich kann er aber doch ihr Herz gewinnen, allerdings lässt das den Leser ziemlich kalt. Die Liebesgeschichte ist banal und langweilig, gerade auch, weil Anis so eine verkrachte Existenz ist, von der man eigentlich nicht mehr wissen möchte als unbedingt nötig. Viel interessanter ist da schon die immer nur angedeutete und nie wirklich ausgesprochene Schwärmerei Francescas für Ivan. Diese beiden begegnen sich auf Augenhöhe und haben sich tatsächlich etwas zu sagen. Francesca und Ivan sind zwei von der Autorin voll entwickelte Charaktere, wohingegen Anis immer schemenhaft bleibt, nicht mehr als eine Chimäre, die beweisen soll, dass der lebensfremde Büchernarr Ivan doch so etwas wie eine männliche Libido hat.

Buchliebhaber werden dennoch viel Lesenswertes finden, gerade in den Abschnitten, die sich mit der Planung der Buchhandlung befassen, auch wenn diese im Ganzen zu weit ausgedehnt sind und sich zu lange hinziehen. Es macht Spaß, Francesca und Ivan bei ihren Schwärmereien zuzuhören, zu erfahren, was sie über bestimmte Bücher oder Autoren denken und wie sie sich ihre Buchhandlung erträumen. Hier hat Laurence Cossé ein Playdoyer für das Lesen verfasst, eine Liebeserklärung an das gedruckte Wort aus den Mündern zweier fiktiver Charaktere. Diesen Buchgesprächen zu lauschen ist fast so interessant, wie selbst die Gelegenheit zu bekommen, mit anderen Liebhabern über Romane zu sprechen. Und als Zugabe fallen natürlich immer Titel und Namen, die sich Büchernarren sicherlich sofort notieren wollen. Das ist jedoch nicht nötig, denn die Autorin hat eine Bibliographie angehängt, die zwar (naturgemäß) sehr viel Französisches aufweist, aber immerhin auch einige internationale Namen bieten kann.

Letztendlich gelingt Laurence Cossé leider kein völlig überzeugender Roman. Eigentlich ist “Der Zauber der ersten Seite“ ein als Roman getarnter Essay, der die Philosophie der perfekten Buchhandlung erläutert und darum eine manchmal recht dünne Handlung entspinnt. Die Grundidee ist faszinierend. Wer möchte nicht in einem Buchladen einkaufen, in dem jeder Schuss ein Treffer ist? Doch so attraktiv dieser Romankern auch ist, er trägt nicht über 500 Seiten und Laurence Cossé liefert schlicht nicht genügend Füllstoff (nennen wir es Handlung), um den Leser bei Laune zu halten.

|Gebundene Ausgabe: 464 Seiten
Originaltitel: Au bon roman (2009)
Aus dem Französischen von Doris Heinemann
ISBN-13: 978-3809025900|
[www.randomhouse.de/limes]http://www.randomhouse.de/limes

Gray, Claudia – Evernight

_Die „Evernight“-Reihe:_

Band 1: _“Evernight“_
Band 2: [„Evernight – Tochter der Dämmerung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6478
Band 3: „Hourglass“ (noch ohne dt. Titel)
Band 4: „Afterlife“ (noch ohne dt. Titel)

Ganz zu Beginn von Claudia Grays Jugendbuch „Evernight“ ist Bianca dabei, wegzulaufen. Eigentlich nicht wirklich, um wegzulaufen, sondern eher, um ihren Eltern eine Lektion zu erteilen. Diese haben sich nämlich erdreistet, die arme Bianca ins illustre Internat Evernight zu „verschleppen“, weil sie fortan dort als Lehrer arbeiten werden. Und Bianca tut dieser Tapetenwechsel auch ganz gut, finden besagte Eltern, denn in ihrem Heimatkaff hatte sie kaum drei Freundinnen und das ist für ein ordentliches Sozialleben einfach zu wenig.

Wie gut, dass Bianca im Wald auf Lucas trifft, der sie nicht umbringen will (wie sie zunächst annimmt), sondern nur auf dem Weg ins Internat ist. Zwischen den beiden entspinnt sich ein Gespräch. Bianca glaubt, endlich doch einen Verbündeten gefunden zu haben und darf nun hoffen, dass ihre Zeit in Evernight vielleicht doch nicht so schrecklich werden wird, wie zunächst befürchtet.

Nun ja, bis sich Bianca tatsächlich einlebt, verstreicht dann doch einige Zeit. Die anderen Schüler sind nämlich hauptsächlich arrogante Schnösel, während sich Bianca linkisch und unzulänglich findet. Lucas scheint sie anfangs zu ignorieren, nur um sie später gegen ihre Eltern aufzubringen. Doch natürlich können die beiden letztendlich nicht voneinander lassen. Bianca ist total in Lucas verknallt und stellt sich in ihrer Freizeit gern vor, was sie gern alles mit ihm anstellen möchte. Auch Lucas ist natürlich nicht abgeneigt, doch als sich in „Evernight“ dann doch noch so etwas wie ein Plot entspinnt, stellt sich heraus, dass Bianca ein Vampir und Lucas ein Vampirjäger ist und die beiden somit unterschiedlichen Lagern angehören. Romeo und Julia lassen grüßen.

_Vampir? Vampirjäger?_ Ja, denn tatsächlich bedient sich Gray beim Genre des Vampirromans und vermischt diesen mit ihrem Jugendbuchsujet, das irgendwie an eine Mischung aus „Der Trotzkopf“ und „Harry Potter“ erinnert. Das Problem dabei ist, dass Claudia Gray das Handwerk und die Regeln des Schreibens nicht wirklich ernst nimmt und in der Mitte des Romans einen Plot Twist aus dem Hut zaubert, der die Leserschaft wohl nicht nur überrascht, sondern auch erzürnt. Während die erste Hälfte von „Evernight“ so dahindümpelt und außer den bekannten Widrigkeiten des Internatslebens nichts Besonderes passiert, fällt Claudia Gray nach 150 Seiten plötzlich ein, dass sie einen Vampirroman schreiben wollte. Also eröffnet die Ich-Erzählerin Bianca dem reichlich verdutzten Leser, dass sie die Tochter von Vampiren ist und schon ihr Leben lang zu den Mahlzeiten einen Schoppen Blut zu sich nimmt. Einen so fundamentalen Fakt hätte man dem Leser schon früher präsentieren müssen, vor allem, da sich Bianca in der zweiten Hälfte des Romans praktisch ständig über ihr Vampirerbe, Blutmahlzeiten und die Geschichte der Untoten ergeht. Grays Vorhaben, Biancas wahre Identität in einem entscheidenden Moment zu enthüllen, hätte nur funktionieren können, wenn sie eine andere Erzählperspektive gewählt hätte (Lucas würde sich hier anbieten). Dann ließe sich der Roman jedoch lange nicht so gut als Mädchenlektüre vermarken, was vermutlich der einzige Grund ist, warum sich Gray gegen diese Taktik entschieden hat. Dann muss sie im Gegenzug aber auch mit einem deutlichen Punktabzug in der technischen Note leben.

Wieso nun Vampire auf ein Internat gehen? Das ist eigentlich eine ganz interessante Idee – wohl, weil der Ansatz nicht von Claudia Gray, sondern eigentlich von Anne Rice stammt. Denn wenn man ein jahrhundertealter Vampir ist, dann kann man schonmal den Anschluss an die sich immer schneller drehende Welt verlieren. Da hat man sich gerade an Automobile gewöhnt und plötzlich fliegen die Leute mit Überschall durch die Luft. Evernight soll also ein Refugium für Vampire sein, die sich in einer sicheren Umgebung mit dem Fortschritt in der Welt auseinandersetzen wollen. Und so gibt es dann auch Unterrichtsfächer wie „Moderne Technologien“, in denen die Schüler lernen sollen, wie man einen iPod mit Musik befüllt. Claudia Gray führt den Gedanken des Verharrens in einer vergangenen Zeit jedoch weiter und schließlich ad absurdum. Denn auch wenn die Idee natürlich verlockend ist, Vampiren eine Möglichkeit zu geben, Anschluss an die Zeit zu finden, so ist es reichlich hanebüchen, das wie in einer wirklichen Schule zu tun: Nicht nur müssen die – unter Umständen Jahrhunderte alten – Vampire Klassenarbeiten schreiben und Prüfungen bestehen, sondern sie haben auch nächtliche Ausgangssperren und leben, brav nach Männlein und Weiblein getrennt, in unterschiedlichen Bereichen des Internats. Wie seltsam …

Doch die Vampirebene wurde ohnehin nur eingefügt, um dem Ganzen eine gewisse Exotik zu verleihen und natürlich, um den Roman in einem momentan boomenden Genre platzieren zu können. Darüber hinaus bietet Claudia Gray weder Neues noch Überraschendes und noch nicht mal Interessantes. Denn im Kern dreht sich die Geschichte natürlich um Bianca und Lucas, die sich wollen, kriegen und dann vom bösen Schicksal wieder auseinandergerissen werden. Das ist, was die pubertierende Zielgruppe lesen will und da ist es auch ziemlich einerlei, dass die Liebesgeschichte nach Schema F verläuft und gefühlsmäßig immer nur an der Oberfläche kratzt. Immerhin gesteht Claudia Gray ihrer Protagonistin Hormone zu, und so darf sich Bianca wiederholt und im Detail vorstellen, was so abgehen würde, wenn sie und Lucas – naja, man kann sich das bildlich ausmalen. Dass das Ganze dann von seifenoperreifen Dialogen begleitet wird, liegt leider in der Natur der Sache.

_“Evernight“ ist Meterware_ ohne besonderes Alleinstellungsmerkmal. Es eignet sich daher für Leser, die ihre Lektüre ausschließlich nach dem „ist ungefähr wie Buch XYZ“-Kriterium auswählen. Das war auch dem Verlag klar, weswegen er die Leseempfehlung „Twilight-Fans aufgepasst“ in großen Lettern auf das Buch gepappt hat. Dass die „Twilight“-Welle, je mehr Bücher sie auf den Markt schwappen lässt, immer nur mehr literarischen Müll produziert, versteht sich dabei von selbst. „Evernight“ ist zumindest keine Mogelpackung. Es ist tatsächlich erste Wahl für „Twilight“-Fans, die das gleiche Buch und die praktisch gleichen Charaktere immer und immer wieder lesen möchten. Ob das so wirklich erstrebenswert ist, muss eben jeder für sich selbst entscheiden.

|Taschenbuch: 400 Seiten
Originaltitel: Evernight
ISBN-13: 978-3442375783|
[www.randomhouse.de/blanvalet]http://www.randomhouse.de/blanvalet

Mayo, Stephfordy – Bis(s) zum Abwinken. Die blutleere Parodie.

Wer heutzutage nicht wenigstens eine vage Ahnung davon hat, worum es in Stephenie Meyers backsteindicker [Twilight-Saga]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4600 geht, der hat in den letzten Jahren unter einem Stein gelebt. Unter einem ziemlich großen und schweren Stein. Der Erfolg der Reihe lässt sich nicht nur daran ablesen, dass tausende (meist jugendliche) Leserinnen an jedem Wort der Autorn hängen. Der Erfolg zeigt sich auch dadurch, dass die Reihe verfilmt wird – und dass sie Parodien hervorbringt, von der Stephfordy Mayos „Biss zum Abwinken“ tatsächlich nur eine ist. Dafür aber eine durchaus lesenswerte.

_Hella Wahn_ (der Name ist Programm) war mal ein Kinderstar in Büchern mit so bezeichnenden Titeln wie „Hella kriegt, was sie will“ und „Hella will noch mehr“. Doch dann ist es still um sie geworden – irgendwie hat sie wohl den Absprung vom Kinderbuchstar zum erwachsenen Charakter nicht so recht geschafft. Doch das soll jetzt anders werden. Deswegen zieht sie zu ihrem Dad nach Spachtel, da sich dort die „Spachtel Akademie für fiktionale Höchstleistungen“ befindet. Mit dieser fundierten Ausbildung, da ist sich Hella sicher, wird sie endlich den Sprung ins ernste Fach schaffen und an alte Erfolge anknüpfen.

Natürlich ist sie etwas vom Lehrstoff abgelenkt, als sie Teddy Kelledy kennen lernt. Die beiden sind Seelenverwandte, das erkennt sie sofort. Und natürlich ist auch Teddy ihr gleich ergeben – bis er sich mal einen Tag nicht blicken lässt und damit Hella in tiefste Depressionen stürzt: Selbstmordgedanken nicht ausgeschlossen. Als Teddy dann auch noch beschließt, für zwei Wochen nach Rumänien zu fahren und Hella ihn schlussendlich retten muss, da er kurz davor steht, einen Pornofilm zu drehen, wird die Handlung schon reichlich konfus. Und als dann auch noch die große UMGESTALTUNG eintritt und alle möglichen Horrorcharaktere sich treffen, um festzulegen, wer für die nächsten Jahre die Oberherrschaft im Film-, Serien- und Buchgeschäft haben wird, da weiß dann auch der letzte Leser – ernst ist anders!

_“Biss zum Abwinken“_ ist wirklich kurzweilige Unterhaltung, durchaus komisch und von einer Autorin geschrieben, die offensichtlich ein sehr gutes Auge für die Untiefen von Meyers erzählerischer Inkompetenz hat. Ein großer Teil der Komik erwächst aus der Tatsache, dass Mayo die Erzählstrategien Meyers gnadenlos bloßlegt und so der Lächerlichkeit preisgibt. Hella und Teddy, Mayos Versionen von Meyers reichlich unrealistischen Charakteren Bella und Edward, sind dafür ein gutes Beispiel. Hella, siebzehn, sieht sich ständig damit konfrontiert, dass sie für jünger gehalten wird, weil sie sich so kindisch benimmt. Auch ist sie eine egozentrische, eingebildete Ziege, die (ganz im Sinne der Pubertät) noch nicht begriffen hat, dass das Universum sich eben nicht um sie dreht. Was daran komisch sein soll? Dass Hella selbst sich als Bella sieht – schüchtern, hilfsbereit und unverstanden -, ihre Handlungen aber genau das Gegenteil implizieren. Der Gegensatz, wie ein Charakter erzählt wird und wie er tatsächlich beim Leser ankommt, ist eine der zentralen Strategien Mayos, um Komik zu erzeugen. Und natürlich kann diese Strategie nur erfolgreich sein, wenn man sie aus Meyers Prosa wiedererkennt.

Der Roman arbeitet einige der wichtigsten Handlungspunkte von Meyers Serie ab, schafft es aber – Gott sei Dank – in viel weniger Seiten zum fast selben Ergebnis zu kommen. Was das über Meyers Erzählerqualitäten aussagt, kann sich jeder selbst ausmalen. Stephfordy Mayo glänzt mit vielen literarischen Bezügen und kleineren artverwandten Gags (so werden beispielsweise den Verlierern bei der UMGESTALTUNG Nebenrollen bei „Supernatural“ versprochen), man könnte also durchaus von einer teilweise metaliterarischen Behandlung des Meyerschen Stoffes sprechen. Schließlich kann eine Parodie nur gut sein, wenn sie die Mechanismen des Originals durchschaut und es dann schafft, sie auf komische Weise sichtbar zu machen.

Das gelingt Mayo auch bei vielen anderen Kleinigkeiten, so zum Beispiel bei der unterdrückten Erotik der Twilight-Bücher. So zeigen sich auch Hella und Teddy reichlich ahnungslos, obwohl die sexuelle Komponente immer mitschwingt. So passiert zum Beispiel folgendes, als Hella intensiv über Teddy nachdenkt: „Warum fühlte sich mein Schritt nur so nass und klebrig an, wenn ich nur an ihn dachte?“ Der Leser kann es sich denken, doch dann kommt die 180-Grad-Drehung: „Ach so, das war ja nur meine verschüttete Limo.“

_“Biss zum Abwinken“_ ist eine wirklich gelungene Parodie. Es bleibt zu hoffen, dass sie nicht am eigentlichen Publikum (nämlich den Fans der Twilight-Reihe) vorbeigeschrieben ist. Denn wie meint Hella so schön: „Jede Geschichte mit mir im Mittelpunkt hat eine Ironie-freie Zone zu sein.“ Wünschen wir also den Fans eine große Dosis Ironie, damit sie über sich und ihr Lieblingsbuch mal herzlich lachen können!

|Broschiert: 254 Seiten
ISBN-13: 978-3492259262
Originaltitel: |New Moan. The Twishite Saga|
Deutsch von Henriette Zeltner|

Kührer, Florian – Vampire – Monster. Mythos. Medienstar

Vampire boomen – immer noch. Im gut sortierten Bahnhofsbuchhandel findet sich unter Umständen sogar ein ganzer Tisch, der unter dem schieren Gewicht der Veröffentlichungen (Marke: triviale Massenware) zusammen zu brechen droht. Doch natürlich ist der Vampir mehr als der momentane Trend und das unbedingte Bedürfnis der Verlage, so viel Blutsauger auf den Markt zu werfen wie dieser nur irgendwie verkraften kann. „Das Thema Vampir, sein Wesen, sein Motiv, ist alles andere als trivial,“ sagt Florian Kührer, Autor des vor kurzem erschienenen Sachbuchs „Vampire. Monster, Mythos, Medienstar“. Recht hat er.

Nun gibt es auch an wissenschaftlicher Literatur keinen Mangel, auch wenn eines der Standardwerke zum Thema, „Von denen Vampiren und Menschensaugern“ von Sturm und Völker, schon seit Jahren vergriffen ist. Wer sich über den historischen, den literarischen, den filmischen Vampir informieren will oder wer an den Gender- bzw. Rassenaspekten interessiert ist, dem stehen eine Fülle an Veröffentlichungen zu Verfügung. Wer jedoch alles in einem gut lesbaren und vor allem aktuellen Buch lesen möchte, dem sei Kührers Rundumschlag ans Herz gelegt.

Leser, die Vorwissen mitbringen, werden schnell den roten Faden erkennen, an dem Florian Kührer sich durch Geschichte und Kunst vorarbeitet. Der Aufbau seines Buchs ist demnach ausgesprochen logisch – man bekommt bei der Lektüre fast den Eindruck, die Geschichte des Vampirs konnte nur so und nicht anders verlaufen, weil Kührer so anschaulich zeigt, wie bestimmte Entwicklungen aufeinander aufbauen. Natürlich startet auch er beim Volksglauben in Ost- und Mitteleuropa und rekapituliert die berühmten Vampirfälle des 18. Jahrhunderts, die – gut dokumentiert von eifrigen Beamten und Ärzten – in die Geschichte eingingen und zu ihrer Zeit den Siegeszug des Vampirs im Westen markierten. In Form von Zeitungs- und Magazinartikeln, die die Vampirseuche beschrieben, wurde die Idee des Vampirs schon damals zum Medienstar. Interessant sind hierbei die Trennlinien, die Kührer zieht. Als Romanist bringt er einen differenzierten Blick mit für die Wechselwirkungen zwischen Ost und West, Fremdartigkeit und Vorurteil. Denn was die damaligen (westlichen) Medien aus dem Wiedergänger der osteuropäischen Nachbarn gemacht haben, hat seiner Meinung nach wenig mit den tatsächlichen Gegebenheiten zu tun. Zum einen saugt der osteuropäische Vampir kein Blut (stattdessen beraubt er – in der Regel seine Familie – der Lebensenergie, bis diese ihm ins Grab folgt) und zum anderen ist auch der Begriff „Vampir“ einer, der dem Wesen vom Westen übergestülpt wurde. In Rumänien zumindest, dem Land, das wir gemeinhin als Ursprungsland der Vampire ausmachen, gibt es das Wort gar nicht. Es wurde später sozusagen reimportiert, als das Land feststellte, dass alle Welt annahm, dort auf den Spuren Draculas wandeln zu können.

Die Geschichte geht bei Kührer fast fließend in die Literatur über. In einer Passage, die selbst schon literarisch anmutet, beschreibt er sehr bildlich, wie der Vampir den Sprung zum Medienstar schaffte: “Bevor die Wissenschaft den erst wenige Jahre zuvor als Bündel von Phänomenen entdeckten Vampir endgültig aus ihrem Repertoire der gelehrten Abhandlungen verweisen konnte, zog dieser sich in die Ecken der Bibliotheken zurück, um die Zeit bis zu seiner Neukreation als Text-Monster in den Enzyklopädien und Dictionnaires zu überdauern. Die Literaten des 19. Jahrhunderts sollten ihn wenige Jahrzehnte später finden, die Konstruktion des vermeintlich historischen Vampirs vernichten und aus den vor allem in sprachlichen Metaphern erhaltenen Versatzstücken ein völlig neues Wesen schaffen, das geeignet war, einen Siegeszug als Medienstar anzutreten.” So schön und bildlich wurde der Übergang vom untoten schmutzverkrusteten Wiedergänger aus Südosteuropa zum attraktiv-gefährlichen Vampir wohl noch nie beschrieben. (Außer vielleicht in Anne Rices Roman [„Interview mit einem Vampir“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=68 , doch sie braucht dafür viel mehr Worte.)

Was Kührer hier klar zu machen versucht, ist entscheidend: Dass nämlich der Vampir, wie wir ihn heute kennen, kaum etwas mit dem historischen Volksglauben gemein hat. Trotzdem fußt er in gewisser Weise auf diesem. Ohne diese erste Welle von Artikeln und wissenschaftlichen Abhandlungen zur Existenz von Vampiren hätten die Künstler Westeuropas vielleicht einem ganz anderen Mythos auf den Zahn gefühlt. Und dass der Vampir damals en vogue war, beweist die Liste illustrer Autoren, die sich literarisch mit ihm auseinandersetzten: von Geothe über Tolstoi bis E.T.A Hoffmann ist alles dabei. Allerdings beginnt die literarische Zeitrechnung mit dem ansonsten unbekannten John William Polidori und seiner 1819 veröffentlichten Erzählung [„Der Vampyr“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=5426 . Hier schlägt für den Vampir die Stunde Null, denn hier findet seine Reinkarnation von der puren belebten Leiche zum fühlenden – wenn auch grausamen – Byronic Hero statt. Auch heute noch kann man diesen Vampirtypus in zahlreichen Publikationen finden, man denke nur an den hedonistischen Lestat aus der „Chronik der Vampire“.

Florian Kührer arbeitet alle üblichen Verdächtigen ab. So geht er sowohl auf Le Fanu als auch auf Byron ein und natürlich ist Bram Stoker ein besonderer Platz reserviert. An Aktualität gewinnen Kührers Ausführungen dadurch, dass er auch auf neuere Strömungen eingeht, so zum Beispiel auf die heute allgegenwärtige „Twilight“-Serie. Der Vampir kann heute für alles herhalten: „Er ist Teenie-Schwarm und Werbeträger, Antisemit und Massenmörder – ‚allen ist er alles geworden‘. Läuft der Vampir Gefahr, sich durch seine ausufernde Präsenz selbst zu trivialisieren?“ Kührer beantwortet seine Frage an späterer Stelle mit etwas Wehmut selbst: „Besonders Puristen werden sich angesichts der jüngsten Vampirgeschichten wünschen, dass endlich auch ein Gegentrend zur erzählerischen Trivialisierung und vor allem zur völligen Entgrenzung des Stoffes einsetzt.“ Damit trifft er den Nagel auf den Kopf, denn der Vampir muss heute in der Unterhaltungsindustrie für so ziemlich alles herhalten. Der Staubsauger namens „Vampyr“ ist da noch die harmlose Variante – Florian Kührer hat auch zu diesem Themenkomplex einiges zu berichten.

Natürlich wird auch die Filmkarriere des Vampirs beleuchtet. Dazu kommen Genderaspekte (z.B. zu [„Carmilla“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=993 als der ersten weiblichen Vampirin) und die Beleuchtung der Metapher des Blutes. Alles in allem bietet Kührer einen gut gelungenen – und vor allem fundierten – Rundumschlag, der auch neuere Erkenntnisse der Forschung aufgreift und zum Beispiel ältere Publikationen kritisch untersucht. Besonders genannt seien hier Montague Summers Kuriositätenkabinett “The Vampire in Lore and Legend” und die Veröffentlichungen der beiden Wissenschaftler McNally und Fiorescu, die den historischen Vlad Tepes mit dem literarischen Dracula untrennbar verbanden.

Zu Hochform läuft Florian Kührer auf, wenn er das Spannungsfeld zwischen Ost- und Westeuropa anhand des Vampirs unter die Lupe nimmt. Wie der ursprüngliche Volksglauben in die westlichen Gazetten und von dort zwischen Buchdeckel kam, um schließlich erst im 20. Jahrhundert wieder in Rumänien tatsächlich als „Vampir“ anzukommen – das ist eine faszinierende Geschichte, die einer noch umfassenderen Untersuchung harrt. Vielleicht Stoff für ein nächstes Buch?

|Gebundene Ausgabe: 295 Seiten
ISBN-13: 978-3766613967|