Oidium, Jan – Fire & Steel II

Jan Oidium ist freier Werbezeichner, den es nach einem abgebrochenen Studium in Graphikdesign im Jahr 2000 nach Berlin verschlagen hat, wo er heute eine eigene Verlagsgesellschaft betreibt und nebenbei seinem Hobby Musik nachgeht; seine erste CD „Solist“ mit experimentellen Klavierstücken wurde vor Kurzem veröffentlicht. Zum Wacken Open Air 2003 erschien Ausgabe Zwei seines Comic „The Heavy Metal World Of Fire & Steel“ und wurde vorerst nur auf dem Festival vertrieben.

Oidium selbst störte an „Fire & Steel 1“, dass man seiner Meinung nach nicht richtig erkennen konnte, wohin die ganze Sache ging. Bei „Fire & Steel 2“ ist dies jedoch eindeutig zu erkennen. War das Vorgängerheft noch der Anfang einer Idee, so hat sich diese im zweiten Teil zu einer kompletten Geschichte entwickelt, die sich über fast das gesamte Heft erstreckt.

Der Wahnsinn beginnt mit einer Art Zeitungsnachricht, verfasst von Georg Weihrauch, die über einen heimtückischen Angriff auf das Leben des Zeichners durch die bösartigen Maulwurfsmenschen berichtet, dem er nur mit knapper Not und durch den beherzten Einsatz seines Schwertes entrinnt. Die zweite Seite gehört wieder einem Auszug aus dem „Buch der Macht“ und die folgende Doppelseite bietet eine Karte vom „Land der Welt“, bevor es nach einer Darstellung der Figuren mit der Geschichte losgeht.

Der mächtige Oitiontiser und sein Gehilfe Thunderforce erhalten eines Tages unliebsamen Besuch von einem Beamten des Einwohnermeldeamtes. Da der Oitiontiser nach eigenem Bekunden seit Anbeginn der Zeit in dem „Land der Welt“ lebt, sich jedoch niemals die Mühe einer Anmeldung machte oder Steuern abführte, schuldet er dem Fiskus nunmehr die auch für ihn nicht ganz unbeträchtliche Summe von 400 Millionen Tonnen Gold. Aufgrund einiger verschwenderischer Anschaffungen, wie zum Beispiel die 34 Kilometer lange, aus Edelmetall gegossene Schlittschuhbahn, auf der er mit seinen diamantenen Kufen durch die Kathedrale gleitet, ist seine Kasse jedoch bedenklich leer. Um den irrwitzigen Forderungen nachzukommen, beschließen die beiden, ein gewaltiges Konzert der Band PLANET KING zu veranstalten, um mit den Einnahmen der Besucher; immerhin wird nicht weniger als die gesamte Bevölkerung erwartet; die Schuld zu begleichen.

Dummerweise plant auch sein Widersacher, Dark Even McBaron, unterstützt von seinem Schergen Neroon, ein mächtiges Konzert seiner Black-Metal-Band ETERNAL WINTERFROST. Für die Konzerte ist natürlich nur ein Ort ‚true‘ genug, nämlich Wacken. Dort allerdings ist man gerade noch dabei, die Spuren des Open Air vom letzten Jahr zu beseitigen. Nur durch die Hilfe der „truen Tiere“ Drachenwurm und Iron Igel kann der Veranstaltungsort rechtzeitig für das Konzert vorbereitet werden und die beiden rivalisierenden Bands versuchen sich in einem irrwitzigen Showdown von den gegenüber liegenden Bühnen aus zu übertönen. Erst durch die Kopplung der Systeme von PLANET KING, MANOWAR und SPINAL TAP (deren Verstärker bekanntermaßen eine Skala bis 11 haben) kann der dunkle Feind endgültig vernichtet werden. Leider auf Kosten des gesamten Planeten, der durch die mächtige Soundgewalt in zwei Stücke gerissen wird.

„Fire & Steel 2“ hat von allem mehr als sein Vorgänger. Mehr Story, mehr Farben, mehr Figuren und vor allen Dingen mehr Blödsinn. Daran sind sicherlich die Gehilfen Thunderforce und Neroon nicht ganz unschuldig, im richtigen Leben Freunde Oidiums mit echtem Namen, nunja, eben Thunderforce und Neroon – um bei ihren Nicknames in einem Heavy-Metal-Forum zu bleiben – die Oidium durch Inspiration und Unsinn unterstützt haben.

Im Heft stellen die beiden Adjutanten jeweils eine Art von Intelligenz und Vernunft ihrer durchgeknallten Herrscher dar und verfügen über magische Kräfte: Neroon kann durch „roonen“ die Gedanken anderer manipulieren und Thunderforce kann alles und jeden mit Hilfe von „Force-Strahlen“ in Stücke „forcen“. Gerade Letzteres hat im Vorfeld der Veröffentlichung wieder einmal zu einer Internet-Anekdote geführt, nachdem Odium allen Ernstes das Wort „forcen“ samt plastischer Beschreibung zur Aufnahme in das Wörterbuch eines semi-professionellen Forums von Übersetzern beantragt hat und dann laut- und wortstark von einem guten Dutzend Metallern unterstützt wurde, die wie marodierende Heuschrecken über die bierernste Gruppe von Germanisten und Anglistikern hergefallen sind. Zu deren Ehrenrettung soll gesagt sein, dass es sich bei dem Forum um eine wirklich sinnvolle Einrichtung handelt und es durchaus nicht nur aus Vertretern der Anti-Spaß-Fraktion besteht, zumindest war für ein paar Tage dort aber mehr ‚Bewegung‘ als sonst das ganze Jahr über und hat ihnen sicherlich den längsten Thread ihrer Existenz verschafft.

„Fire & Steel 2“ hat noch mehr Detailfülle an wirklich vollkommen Unsinnigem, als das nach dem ersten Heft als vorstellbar erschienen wäre. Das fängt schon mit dem getürkten Zeitungsartikel über den Angriff der Maulswurfsmenschen samt Bildkollage an und geht über die kleingedruckten rechtlichen Hinweise weiter (in denen Oidium „auf ewig über alle Rechte herrscht“), bevor der Autor mit dem „Buch der Macht“ dann beweist, dass dem Schwachsinn in seinem Paralleluniversum wirklich keine Grenzen gesetzt sind. Dort huldigen die Bewohner des Planeten dem Oitiontiser kniend 27 Jahre lang, nachdem sie ihn zur Feier seines Sieges über die acht Plagen viermal um den ganzen Planeten getragen haben; Thunderforce forct ganze Schweineherden in Stücke, die von seinem Herrn in die Luft geschleudert werden, damit sie den acht Milliarden Gläubigen wie gebratene Tauben in den Mund fallen; Tausende von Schreibern sterben, weil sie es nicht wagen zu atmen und die Luft mit ihrem unreinen Atem zu verpesten, während der Oitiontiser über sein Diktat nachdenkt.

Die Karte zum „Land der Welt“ zeigt dann den geographischen Zusammenhang von Orten wie dem „Tower of Truth“, dem „Black Iceberg of Doom“, der „Kathedrale zu Oi“ oder dem „Berg der Macht“, die im folgenden Comic von Bedeutung sind und liefert auch gleich die offiziellen Umrechnungskurse der Zentralbank des Planet King zwischen Euro und der einheimischen Währung, bestehend aus Humpen, Krempen, Fobbel und Asser, teilweise unterteilt in Nominationen von Halb-, Unter- und Quatter (z.B. 1 Quatterfobbel = 25 Euro-Cent).

Während Oitiontiser und Thunderforce in satten Blau-, Braun- und Grautönen dargestellt werden, sind die dunklen Gestalten Dark Even McBaron und Neroon konsequent mit weißen Strichen auf schwarzem Hintergrund gezeichnet, und stolpern dann in ihrer selbstgewählten Dunkelheit auch gleich über ihre eigenen Merchandisingartikel und stechen sich an ihren Nieten, bevor Neroon dann ein Licht anbringen darf, natürlich ein besonders dunkles. Ein herrlich ironischer Seitenhieb ist die Antwort auf die Frage nach der Gestaltung eines Logos für die Black-Metal-Band: „Ach, mach es wie bei allen Black-Metal-Logos. Nimm einen Haufen Nacktschnecken, tunk sie in weiße Farbe und lass sie über einen schwarzen Untergrund kriechen. An strategisch günstigen Stellen haust du sie dann platt.“

Für mehr als nur einen Lacher sorgen auch wieder die ‚truen Tiere‘, die dem Konzertveranstalter H. (als Gaststar : Wacken-Organisator Holger Hübner) beim Aufräumen in Wacken helfen. Der Drachenwurm zieht es nämlich vor, sich mit den Resten der Bar zu besaufen und wird von H. versehentlich in einen Cocktail aus vierzigprozentigem Whisky und achtzigprozentigem Strohrum gemischt („macht 120 Prozent Alk-Anteil“) und verschluckt. In seiner Panik kachelt er dann mit seinem Motorroller und samt Drachenwurm in die noch im Weg stehenden Bühnenaufbauten und zerlegt diese in ihre Bestandteile, der Wurm hat seinen Job erledigt („Nur gut, dass ich keine Knochen habe, die ich mir brechen kann. All Hail To The Weichtiere“).

Und so reiht Oidium einen Schwachsinn an den nächsten, nicht zu vergessen das zweiseitige Special in der Heftmitte, bei dem die beiden truen Tiere Verstärkung von dem gehörnten Lungenfisch („fick mich“) und der wandelnden Alk-Blume („ich ficke nicht, ich werde bestäubt“) bekommen sowie dem „Power Pin-Up“, in dem der Iron Eagle von PRIMAL FEAR eine Kralle auf den Drachenwurm stellt („nimm den komischen Papagei von mir runter“) und der Iron Igel ihm dafür den ausgestreckten Mittelfinger zeigt.

Stilistisch gesehen, hat sich Oidium sichtlich weiterentwickelt, die Figuren wirken etwas flüssiger und stimmiger und zeigen auch deutlichere Gesichtsmimik, die Farben sind weitaus satter als das noch beim ersten Heft der Fall war. Darüberhinaus ist „Fire & Steel 2“ Schwachsinn in Reinkultur und übertrifft das erste Heft noch bei weitem. Man darf gespannt auf das nächste Heft warten und auf die Beantwortung der Frage, ob Oidium das alles noch einmal übertreffen kann.

Restexemplare können im Powermetal.de-Online-Shop, über http://www.metaltix.de oder über die Homepage von Jan bezogen werden: http://www.oidium-comics.de , auf der auch andere Illustrationen (u.a. Poster von GAMMA RAY und IRON MAIDEN sowie einige seiner Auftragswerke) zu sehen sind.

Brown, Dan – Meteor

Große Freude: Der „Meteor“ ist eingeschlagen!
Nach Dan Browns Bestseller „Illuminati“ wurde nun auch „Deception Point“ ins Deutsche übersetzt. Der Vorgänger konnte mit einem Mix aus Rätseln, uralten Mythen und Glauben sowie den Gegensätzen zu moderner Forschung und Technik begeistern.
Nun lässt es Brown in der Arktis krachen – wird der „Meteor“ in der Eiswüste erneut Begeisterungsstürme entfachen? Die Erwartungshaltung der Fans legt nach „Illuminati“ die Messlatte sehr hoch …

Die NASA ist wie alle Regierungsbehörden nicht gerade ein Muster an Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Senator Sedgewick Sexton, im Aufwind befindlicher Präsidentschaftskandidat, nutzt sie als Thema seiner Wahlkampfkampagne: Der amtierende Präsident Herney ist bekannt als starker Befürworter der Weltraumforschung. Leider hat die NASA in letzter Zeit eine Serie von katastrophalen Fehlschlägen aufs Parkett gelegt, welche die öffentliche Meinung zu Gunsten Sextons und der hinter ihm stehenden Space Frontier Foundation beeinflusst haben. Diese möchte die staatliche Erforschung hinter kommerzielle Aspekte der Nutzung des Weltraums stellen – die staatlichen Gelder sollen stattdessen in Bildung und Erziehung sowie andere chronisch untersubventionierte Gebiete fließen.

Dem Präsidenten kommt der Zufall zur Hilfe: Die NASA entdeckt im Milne-Schelf der Arktis einen Meteoriten. Nichts Besonderes, wären da nicht die zahlreichen enthaltenen Fossilien… der Beweis für außerirdisches Leben! Eine Entdeckung von unschätzbarer Bedeutung.

Herney nutzt die Gunst der Stunde: Er ordnet Geheimhaltung an und lässt eine Filmdokumentation erstellen, die nach seiner Ansprache ausgestrahlt werden und Sexton vernichtend aus dem Rennen schlagen soll. Als besonderen Clou darf dessen Tochter Rachel, die für das National Reconnaissance Office arbeitet, als „neutrale“ Beobachterin ihrem Vater das politische Grab schaufeln …

So weit der Plan. Die Realität sieht anders aus: Etwas stinkt nach Verrat im ewigen Eis …
Noch bevor Rachel zum Fundort des Meteors gebracht wird, werfen Elitesoldaten der Delta Force einen kanadischen Geologen mitsamt seinen Huskies aus ihrem Hubschrauber in eine Gletscherspalte …

Die Bühne ist bereitet, die Show kann beginnen. Warum musste der Forscher sterben? In wessen Auftrag handelten die Soldaten? Viele Spuren, denen der Leser nachgehen kann. Erst hatte ich Sexton im Verdacht, dann den Präsidenten, dann wieder andere… Brown legt hier meisterlich Köder für den Leser aus.

Leider blieb mir der Fisch im Hals stecken: Bald lässt Brown technisches Gerät auffahren, das wohl sogar Bond’s Cheftüftler Q eine Spur zu futuristisch wäre. An Ian Fleming’s klassische Bondromane erinnert auch die Anwendung desselben durch die bösen Jungs – bald jagen sie Rachel und ihren neuen Freund, einen gutaussehenden Meeresbiologen, bis ins Eismeer und schaffen es einfach nicht, sie umzubringen.

Rachel wird übrigens von einer F-14 in die Arktis geflogen und auf einer Eisscholle treibend von einem U-Boot gerettet… die Delta Force bewegt sich mit einem ca. sechsfach überschallschnellen Jet zurück nach Washington und benutzt auch sonst selbst für jede Kleinigkeit High-Tech. Ein bisschen zu dick aufgetragen für meinen Geschmack.

Ms. Rachel Sexton wird uns detailliert als hübsch, modisch und nett vorgestellt, dasselbe gilt für ihren ansonsten total unwichtigen Lover, Präsident Herney wird als sympathischer Landesvater und Papa Sexton als fieser Opportunist und Populist dargestellt. Hier tragen die Bösewichte graue Mäntel und schwarze Hüte, sehr zuvorkommend, Mr. Brown!

Obwohl Politik nicht mein Genre ist, konnte der Roman hier punkten: Die einzige Figur mit einer gewissen Charakterentwicklung ist Sextons persönliche Referentin Gabrielle Ashe, die dieser natürlich bereits „clintonized“ hat. Sie soll ins Lager des Präsidenten wechseln, zweifelt aber und traut bald keiner Seite in diesem Spiel mehr.

Ansonsten bleiben alle Figuren eindimensional blass, der Roman lebt von seiner durchgehend spannend erzählten Story, die immer wieder überraschende Wendungen bietet, was einen guten Thriller auszeichnet. Brown demonstriert erneut, dass sein packender Erzählstil keine Eintagsfliege war.

Seine Recherche war aber diesmal nicht gerade hervorragend: Von der Flut genial kombinierter Fakten bei „Illuminati“ blieb nicht allzu viel übrig. Das Heer von Experten hätte sich einige Details um den Meteor sehr einfach erschließen können, mehr erzähle ich aber hier nicht dazu. Auch biegt Brown die Fakten der Realität diesmal wesentlich stärker, um sie in den Roman einzupassen – eben mit der Brechstange, wenn es sein muss.

Die Auflösung, wer der geheime Drahtzieher hinter den Aktionen der Delta Force ist, und warum diese im Gebiet des Meteors aktiv wird, enttäuscht leider ebenfalls, da sie nicht unbedingt nachvollziehbar konstruiert ist.

Fazit: Leider nicht der erhoffte Knaller, der Steinbrocken säuft im Eismeer ab. Spannung und einen sehr guten und flüssigen Erzählstil findet man wieder, überzeugen kann der Roman wegen seiner Schwarzweißmalerei und dem für einen Thriller viel zu simplifizierten Politschema dennoch nicht. Die unnötigen Technikspielereien und sonstige an Mr. Bond erinnernde Anleihen kommen leider ohne den augenzwinkernden Charme, der denselben auszeichnete, nicht gut rüber.

Dan Brown kann es besser: In „Sakrileg“ wird Robert Langdon aus „Illuminati“ reaktiviert und darf wieder in Kunst, Kultur, Geschichte und Wissenschaft Rätsel und Intrigen lösen. Sein Eintopf aus Tom Clancy (Politik/Militär), Ian Fleming (Bond) und Akte X (Aliens/Wissenschaft) hingegen ist zu unglaubwürdig und konstruiert, um wirklich zu begeistern. Den Charme von Robert und Vittoria konnten Rachel und Michael (Barbie und Ken?) auch nicht erreichen.

Ohne den Erfolg von „Illuminati“ würde wohl niemand diesem Roman mehr als Mittelmaß bescheinigen. Das soll nicht heißen, der Roman wäre schlecht: Es gibt nur zahlreiche bessere, und nur Browns gefälligem Schreibstil ist zu verdanken, dass er nicht vollends in der Masse untergeht.

Homepage des Autors: http://www.danbrown.com

Persona Non Grata e.V. – Persona Non Grata

Das Heft beginnt im Editorial mit einer Abhandlung über Ledertangas mit „Warlock“-Applikation für Männer, zum Beispiel als „Schutz vor den Zumutungen des Lebens“. Ja, das PERSONA NON GRATA-Heft ist anders als andere Hefte – und besser. Die Macher verzichten auf den Tunnelblick und schauen in die Breite, alles (Un-)Mögliche von Pop bis Metal tummelt sich auf den fast 150 Seiten, Hauptsache es ist abgedreht und hat eine nachvollziehbare musikalische Seele. Das aktuelle Heft bietet für abgedrehte Metal-Heads genau den richtigen Fokus: Es gibt lange und informative Specials über die Labels „Relapse“ und „Rage of Achilles“. Gerade der „Relapse“-Teil über fast 17 Seiten besticht durch ein Interview mit dem Label-Chef Matt Jacobson und die Vorstellung der wichtigsten „Relapse“-Bands wie NASUM, DISFEAR und BURNT BY THE SUN. Außerdem wird noch das Sublabel von „Relapse“, die Schmiede von „Release“-Records ausreichend gewürdigt. Zu „Rage Of Achilles“ stehen 14 Seiten im Heft, ähnlich informativ, ähnlich schön geschrieben.

PERSONA NON GRATA hebt sich wohltuend vom restlichen Magazin-Einerlei ab. Fast poetisch geschriebene Berichte aus der Pop- bis Metal-Schiene lesen sich ähnlich gut wie die im Heft enthaltenen Kurzgeschichten. Der Hit der aktuellen Ausgabe ist ein Erfahrungsbericht von 1990: Ein Typ besucht darin mit seinen Freunden das erste „DDR-Grind-und-Noisecore-Festival“ und erlebt traumatische Ereignisse in einem Inferno aus Alk, Schlamm und Grindcore-Freaks. Die Reviews sind ebenso genial geschrieben, der Mundwinkel verzerrt sich öfters zu einem Lächeln, besonders die Verisse bestechen durch Häme und Bosheit. Damit ist PERSONA NON GRATA eine intellektuellere Variante des „Cothurnus“-Magazins, leider jedoch ohne ganz dieses Niveau zu erreichen. Das liegt einmal am manchmal etwas unübersichtlichen Layout, oft auch an der verwendeten und nicht unbedingt lesefreundlichen Schriftart. Wer sich allerdings in den Stil des dicken Heftes hineingefuchst hat, wird es auch bis zum Ende lesen, zumal tolle Anatomie-Fotos auch die Medizin-Freaks unter den Lesern befriedigen. Der Preis für die reguläre neue Ausgabe beträgt drei Euro. Allerdings gibt es noch eine besondere Ausgabe mit zwei CDs, die das Wort „Preis-Leistung“ neu definiert. Die Bonus-Edition kostest sechs Euro, dafür ist auf den zwei beiliegenden CDs fast der komplette Back-Katalog (WAHNSINN!!!) von „Realpse“ und „Rage of Achilles“ vertreten. Zudem kommt die teurere Ausgabe in einem edlen silbergeprägten schwarzen Umschlag. Die Bezugsadresse: Die Netzseite von [Persona Non Grata]http://cms.png-online.de/ oder Sven Hartig, Arthur-Hoffmann-Str. 69, 04275 Leipzig.

CD 1:
KAPTAIN SUN – Golden Harvest
HATEPULSE – God Of Hypocrisy
FACEBRAKER – Beyond Redemption
OMNIUM GATHERUM – Amor Tonight
APOCRYPHAL VOICE – Choose Your Side
AXIS OF PERDITION – To Walk The Corridors Of Hell
THE ENTITY – Duality
SONATA NOCTURNA – Hatefull
FROST – Rest In Piss
DARKFLIGHT – Under The Shadow Of Fear
DER GERWELT – Into Mayhem

CD 2:
BURNT BY THE SUN – Forlani
MASTODON – March Of The Fire Ants
NOSTALGIA – Occulta Fama
DYSRHYTHMIA – And Just Go
BURST – Sculpt The Lives
NILE – Sacrophagus
NASUM – Scoop
HIGH ON FIRE – Hung, Drawn And Quartered
AGORAPHOBIC NOSEBLEED – Mosquito Holding Human Cattle Prod
ALCHEMIST – Alpha Capelle Nova Vega
MANDIBLE CHATTER – Tangle In Delirium
TODAY IS THE DAY – Crooked
ALABAMA THUNDERPUSSY – Motor-Ready
PIG DESTROYER – Piss Angel
DILLINGER ESCAPE PLAN – Clip The Apex … Accept Instruction
vidnaObmana – Spore
NEUROSIS – The Tide (Single Edit)
DISFEAR – The Horns
HALO – Meat

Stephen King – Wolfsmond (Der Dunkle Turm V)

Die surreale Jagd des Revolvermanns Roland von Gilead auf den Mann in Schwarz und seine Suche nach dem „Dunklen Turm“ durch die westernähnliche Mitt-Welt begann bereits im Jahre 1982.

Stephen King spukten die Ideen zu seinem selbsterklärten Lieblingswerk schon seit seiner Jugend im Kopf herum. Man kann an der Serie, die alle 5-6 Jahre fortgesetzt wurde, auch gut stilistische Veränderungen Kings erkennen. Verglichen mit dem noch unausgegorenen ersten Band, in dem mit Roland eine der eindrucksvollsten Romanfiguren Kings entstand, ist der 5. Band „Wolfsmond“ („Wolves of the Calla“) bereits ein Brilliant. Die abschließenden zwei Bände werden im Sommer bzw. Herbst 2004 erscheinen.

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Jan Oidium – The Heavy Metal World Of Fire & Steel

Jan Oidium ist freier Werbezeichner, den es nach einem abgebrochenen Studium in Graphikdesign im Jahr 2000 nach Berlin verschlagen hat, wo er heute eine eigene Agentur betreibt und nebenbei seinem Hobby Musik nachgeht; seine erste CD „Solist“ mit experimentellen Klavierstücken wurde vor kurzem veröffentlicht. Anlässlich des Wacken Open Air 2002 erschien sein erstes Comic „The Heavy Metal World Of Fire & Steel“ und wurde in einer Auflage von zunächst 4.000 Stück ausschließlich auf dem Festival vertrieben.

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Erskine, Barbara – Herrin von Hay, Die

Reinkarnation – Gab es ein Leben vor dem Leben? Die eine Gruppe von Wissenschaftlern legt Beweise dafür vor, die andere Gruppe widerlegt sie. Die Meinung darüber ist geteilt. In vielen Religionen bildet die Reinkarnation einen wichtigen Bestandteil des Glaubens.

In Barbara Erskines Debüt „Die Herrin von Hay“ lässt sich eine junge Jounalistin für einen Artikel durch Hypnose in die Vergangenheit zurückversetzen, genau wie viele Ärzte das heute mit ihren Patienten machen, um die Ursachen von Psychosen und anderen Krankheiten aufdecken und heilen zu können. Dabei ist es vorgekommen, dass die Hypnotisierten von einer Zeit vor ihrer Geburt erzählen, fremde Sprachen perfekt beherrschen, die sie vorher noch nicht konnten. Alles Humbug? Wie auch immer, „Die Herrin von Hay“ macht sich diese Berichte zunutze, um eine gelungene Story rund um die Seelenwiedergeburt zu erzählen.

Erskine, 1944 geboren, hat ihren Abschluss in mittelalterlicher schottischer Geschichte an der Universität von Edinburgh gemacht und schrieb mittlerweile Bestseller wie „Die Tochter des Phönix“, „Der Fluch von Belheddon Hall“ und recht neu „Das Lied der alten Steine“.

Joanna Clifford ist 19 Jahre alt, als sie sich im Rahmen klinischer Therapieversuche einer Regressionshypnose unterzieht und sie erfolgreich in die Vergangenheit zurückgeführt wird. Doch schon nach kurzer Zeit setzt ihre Atmung aus, denn ein furchtbares Erlebnis bewirkt einen Schock und der Arzt Dr. Sam Franklyn sowie der Wissenschaftler Professor Cohen können sie nur mühsam wieder zurückholen. Vorsichtshalber löschen sie bei der jungen Frau die Erinnerung an dieses Erlebnis.

26 Jahre später ist Jo eine knallharte, bissige Journalistin, mit Sam Franklyn immer noch befreundet, von dessen Bruder Nick frisch getrennt und davon überzeugt, Hypnose funktioniere nicht bei ihr. Aus dem Grund nimmt sie ihren neuen Auftrag auch gerne an: Reinkarnationstherapie. Sie will beweisen, dass alles ein Schwindel ist. Als Nick davon erfährt, verständigt er seinen Bruder und versucht sie davon abzuhalten, was nur dazu führt, dass Jo sich schließlich selbst hypnotisieren lässt und sich als Matilda de Braose im Wales des Jahres 1174 wiederfindet.

Matilda, eine selbstbewusste, schöne, junge Frau, wird in ihrem Leben zum Spielball von drei ihr nahestehenden Männern: Zuerst ihr grausamer Ehemann, der Baron William, dann der schöne, junge Earl Richard von Clare, dem ihr Herz gehört, und zuletzt der Königssohn und spätere König John Plantagenet, der aus zurückgewiesener Liebe zu ihrem größten Feind wird. Von ihrem Mann im Stich gelassen und vom König als Verräterin dem Hungertod ausgeliefert, kann auch Richard ihr nicht helfen.

Jo glaubt zunächst, dass das Erlebte pure Suggestion war, doch als sich Nicks Verhalten drastisch ändert und er ihr gegenüber aggressiver wird, beginnt sie zu forschen und immer öfter in Matildas Welt einzutauchen, bis ihr Leben mit dieser leidenschaftlichen Frau fast unauflösbar verbunden ist. Und auch Sam benimmt sich sonderbar und scheint einen grausamen Plan zu haben. Langsam wird klar, dass nicht nur Matildas Seele die Jahre überbrückt hat, sondern dass sich der Kampf zwischen den drei Männern im 20. Jahrhundert entscheiden wird.

Alle Achtung! Erskine ist gleich mit ihrem Debüt ein rasanter Paukenschlag gelungen. Das Tempo der Geschichte ist wirklich enorm und lässt den Leser stellenweise sogar das Atmen vergessen. Das Spiel mit den zwei zeitlich getrennten Spannungsbögen, die wiederum durch einen einrahmenden dritten massiv verstärkt werden, ist schon ein kleiner Geniestreich, den die Autorin meisterhaft beherrscht.

Ein flüssiger Schreibstil, bildhafte Ausdruckskraft und eine in sich schlüssige Geschichte runden das Ganze zu einem eindrucksvollen Lesevergnügen ab. Hinzu kommen glänzend ausgearbeitete Charaktere, die sich ineinander verstricken, miteinander spielen und dann wieder in zerstörerischer Wut aufeinanderprallen. Selbst Nebencharaktere gewinnen in ihren kurzen Auftritten an ungeheurer Aufmerksamkeit des Lesers, schwer, sich ihrer Lebendigkeit und Persönlichkeit zu entziehen.

Das Wales des 12. Jahrhundert hat die Autorin geschichtlich natürlich korrekt und enorm anschaulich beschrieben. Mit viel Detailtreue schildert sie das Leben auf Burgen, die schwierige Beziehung der Krone zu den walisischen Fürsten und natürlich das Schicksal der Frauen – machtlos, hilflos und abhängig von der Gnade oder eben Ungnade ihrer Ehemänner. Gerade die Figur der Matilda, die sich von einer energischen, leidenschaftlichen Frau zu einer auf die Knie gezwungenen, bemitleidenswerten Bittstellerin entwickelt, ist hervorragend beschrieben. Mit einer angefügten Zeittabelle und einer Erklärung zu den historischen Charakteren wird dem neugierigen Leser gleich mit auf dem Weg gegeben, welche Ereignisse dokumentarisch belegt sind und welche nur auf Vermutungen beruhen. Sehr schön!

Natürlich beantwortet der Roman die Frage nach der Existenz von Reinkarnationen nicht, aber wer bereit ist, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, verspürt vielleicht ja selbst die Neugierde, so eine Regressionshypnose mal auszuprobieren. Bildet euch eine Meinung, wie ihr wollt, aber lest dieses Buch, es lohnt sich einfach!

Cobb, James – Überfall auf hoher See

|Originaltitel: „Target Lock“|

James Cobb ist einer der Newcomer im High-Tech- bzw. Militärthrillergenre und legt mit „Überfall auf hoher See“ bereits sein viertes Buch in kurzer Folge vor. Er entstammt einer traditionsreichen Marine-Familie und hat lange Zeit auf verschiedenen Kriegsschiffen der U.S. Navy gedient.

Als INDASAT 06, ein unbemannter Forschungssatellit, bei seiner planmäßigen Landung in der Arufarasee vor Indonesien von der Besatzung der STARCATCHER aufgenommen wird, wird diese kurz darauf von einer organisierten Piratenbande überfallen und versenkt. Der wertvolle Satellit mit seinen Forschungsergebnissen über Materialbearbeitung in der Schwerelosigkeit wird an einen unbekannten Ort entführt. Schnell wird klar, dass mit konventionellen Mitteln wenig zur Wiederbeschaffung beizutragen ist und die indonesische Regierung entweder korrupt ist oder zumindest vor dem seit Jahren wieder aufkeimenden Piratenproblem die Augen verschließt.

Captain Amanda Lee wird mit ihrer „Seafighter Task Force“ aus dem Mittelmeer abgezogen und läuft durch den Suez-Kanal, um vor Ort Ermittlungen anzustellen und sich dabei den Anschein eines Höflichkeitsbesuches zur Verbesserung der politischen Beziehungen zu geben. Die „Seafighter Task Force“ ist eine kleine High-Tech-Einheit der neu gegründeten „NAVSPECFORCE“ (Naval Special Forces) und besteht aus dem schlagkräftigen Stealth-Kreuzer „U.S.S. Cunningham“, dessen Kapitän sie zuvor selbst war, sowie der hochgerüsteten „LSP“ (Landing Ship Platform) „U.S.S. Evans F. Carlson“ mit mehreren bis an die Zähne bewaffneten Hovercraft-Fahrzeugen, umgerüsteten Kampfhubschraubern und einer kleinen Einheit „U.S. Marines“ und „Marine Reconnaissance Units“.

Unterstützt von einem einheimischen Polizeioffizier kommt sie bald dem charismatischen und anziehenden Makara Harconan auf die Spur, der hinter der Fassade des weltmännischen Geschäftsmanns die Sippen der uralten Bugi-Stämme mit Geld, Waffen und Logistik unterstützt und damit einen perfiden Plan zur Zerschlagung des Vielvölkerstaats Indonesien in einzelne Inselreiche verfolgt.

Nach einigen Seegefechten und Scharmützeln wird Garrett von Harconan, der zwischenzeitlich sowohl ihr erbittertster Feind, aber auch ihr leidenschaftlicher Liebhaber geworden ist, entführt und es kommt zur alles entscheidenden Schlacht um dessen letzte Festung und die Sicherheit des freien Seeverkehrs in Südostasien.

Mit seinem vierten Buch um die ebenso erfolgreiche wie unkonventionelle und sympathische Kämpferin Amanda Lee Garrett trägt Cobb extrem dick auf. Während Garrett in den ersten beiden Romanen noch Kapitän der „Cunningham“ war, dann die Leitung der experimentellen Hovercraft-Einheit „Seafighter“ übertragen bekommen und vom Polarkreis über China und Westafrika eine Spur der Vernichtung hinterlassen hat, ist sie mittlerweile der verantwortliche Offizier für die an Schlag- und Feuerkraft ständig wachsende „Task Force“. Dabei setzt sie sich, mit Wissen und Billigung ihres Vorgesetzten, reihenweise über geltendes Recht souveräner Staaten hinweg und überzieht jeglichen Widersacher mit dem, was neuerdings als „Shock and Awe Tactic“ oder „Overwhelming Force“ bezeichnet wird.

„Überfall auf hoher See“ trieft zwar nicht unbedingt vor amerikanischem Nationalstolz, mystifiziert und glorifiziert aber die Feuerkraft und Stärke der U.S. Navy in kaum erträglichem Maß. Während die in Zahl weit überlegenen, aber in Technologie meilenweit hinterherhinkenden und maximal mit ein paar schweren Maschinengewehren und veralteten Haubitzen bewaffneten ‚Bugi‘ durch High-Tech-Lenkwaffen aller Arten geradezu niedergemetzelt werden und jeder Abschuss zelebriert wird, werden eigene, zu vernachlässigende Verluste beiläufig in einem Nebensatz erwähnt. Die Darstellung von Treffern, Verletzungen und Schäden der Gegenseite werden explizit beschrieben, Verwundete in den eigenen Reihen rappeln sich meist nach kurzer Zeit wieder auf, um heldenhaft weiterzukämpfen.

Für die Zielgruppe ist „Überfall auf hoher See“ auf jeden Fall ein lesenswertes Buch. Wer grundsätzlich etwas mit SMADS (Ship Area Denial Systems), Präzisionslenkmunition für 155-mm-VGAS (Vertical Gun Advanced Ships), ATACMS (Army Tactical Missiles) und Dutzenden anderen Begriffen für Lenkwaffen, Aufklärungsdrohnen und sonstiges Kriegsgerät anfangen kann, wird hier voll auf seine Kosten kommen. Cobb ist zweifelsohne ein Fachmann auf dem Gebiet der Seekriegsführung und -ausrüstung und alle seine fiktiven Waffensysteme sind weiterentwickelte Versionen heute tatsächlich bestehenden Kriegsgerätes, das fundiert, aber verständlich beschrieben wird. Lobenswert ist auch die geglückte Übersetzung vieler militärischer und seemännischer Fachbegriffe. Dazu liest sich das gesamte Buch in einem Rutsch spannend durch und ist jederzeit fesselnd, wenn auch, für Kenner der Materie, nicht wirklich überraschend.

Ken Follett – Das zweite Gedächtnis. Thriller

Ken Follett ist als Autor spannender Agententhriller bekannt geworden. „Das zweite Gedächtnis“ stammt aus demselben Genre und bedient sich recht freizügig bei Robert Ludlum’s Klassiker „The Bourne Identity“: Wie Jason Bourne kennt auch der Raketenforscher Dr. Lucas nicht einmal mehr seinen eigenen Namen, als er im Jahre 1958 kurz vor dem geplanten Start des ersten amerikanischen Satelliten in einer Bahnhofstoilette aufwacht und von einem Penner als „Luke“ angesprochen wird… Er leidet unter einer totalen Amnesie.

Bald bemerkt er jedoch, dass er nicht ist, was er zu sein scheint: Er ist nicht alkoholkrank, er wird offensichtlich von mehreren Männern beschattet und… bemerkt recht schnell, dass er sich zwar nicht an seine Freunde, Bekannten oder seine eigene Identität erinnern kann, aber dafür in Mathematik, Physik und vor allem auf dem Gebiet des Raketenbaus eine echte Kapazität zu sein scheint. Luke schaltet nach und nach seine Verfolger aus, und bringt immer mehr Licht in das Dunkel seiner Vergangenheit… Zu seinem Entsetzen stellt er fest, dass er von seinem Freund Anthony, der für die CIA arbeitet, gejagt wird – ist er gar ein kommunistischer Spion?

Bei seiner Jugendliebe Billie und seinem alten Freund Bern findet er Unterstützung – doch warum jagt Anthony ihn, was für ein Spiel treibt Lukes Frau Elspeth? Luke findet heraus, wer er ist, und was er in der jüngsten Vergangenheit getan hat – und verliebt sich nebenher erneut in Billie. Warum auch immer Anthony Luke jagt – er ist sich sicher, es hat mit dem Start der Jupiter-C-Rakete und des Satelliten „Explorer“ zu tun…

Mein Eindruck

Gleich zu Beginn hatte ich ein Déjà-vu – der Agent oder hier eben hochkarätige Wissenschaftler, der einsam und alleine erwacht und ganz auf sich selbst gestellt ist, das kennt man, wie oben erwähnt, schon – entweder aus dem Kino, „The Bourne Identity“ wurde mit Matt Damon und Franka Potente kürzlich zum zweiten Mal verfilmt, oder aus dem Originalbuch von Robert Ludlum. Follett führt den Part, wie sich Luke langsam erinnert, ähnlich aus, aber handelt ihn zügiger ab, um eigene Wege zu gehen. An dieser Stelle schwand langsam der ständig in meinem Hinterkopf herumspukende Plagiatsgedanke dahin… Es war durchaus spannend zu lesen, warum Luke das alles eigentlich angetan wurde.

Leider kommt Follett nicht an Ludlum heran – auch die Follett-typische Lovestory und ein diesmal überzogenes Beziehungsgewirr der vier Freunde von Luke untereinander geben der Story nicht mehr Würze: Im Gegenteil, Anthonys Motive enttäuschten mich nicht nur, so simpel und konstruiert waren sie, hier hat Follett auch die Gelegenheit verspielt, seiner Story einen über das Triviale hinausgehenden Reiz zu geben.

Wie bei Follett kaum anders zu erwarten, ist das Buch sehr flüssig und angenehm zu lesen, die Aufmachung des Hardcovers weiß auch zu gefallen. Zu der Übersetzung nur ein Wort: Perfekt. Sie liest sich, als ob es die Originalfassung wäre. Nebenbei wird dem Leser zu Beginn eines jeden Kapitels ein wenig die Raketentechnik der 50-er Jahre angenehm und leicht verdaulich näher gebracht. Gelegentliche Rückblenden in die Jugendjahre Lukes und seiner Freunde verleiten den Leser zum Spekulieren und sorgen für Abwechslung.

Dennoch ist „Das zweite Gedächtnis“ nicht das geworden, was es hätte sein können: Der Konflikt zwischen Lukes Frau Elspeth und seiner alten Flamme Billie, die er nach der Amnesie ihr vorzieht, vor allem aber die Verschwörung hinter der Amnesie – all das wird meist nur oberflächlich angerissen und nicht genügend ausgeführt, um dem Thriller etwas mehr eigenen Charakter zu geben.

Unterm Strich

Spannend ist das Buch, ebenso unterhaltsam. Leider enttäuscht der Schluss mit einer einfallslosen und konstruierten Auflösung der vielen Zusammenhänge. Ebenso Lukes Freunde: Die Ex-Geliebte ist zufällig Expertin auf dem Gebiet der totalen Amnesie, Anthony arbeitet beim CIA, Elspeth und Bern… Ich will ja nicht alles verraten. Ein sehr künstliches und nicht sehr überzeugendes soziales Umfeld.

Es bleibt der Eindruck, Follett habe hier die „light“-Version von Ludlums Original-Coke „The Bourne Identity“ abgeliefert. So empfand ich „Das Zweite Gedächtnis“, welches im Original den treffenderen und klangvolleren Titel „Code to Zero“ hat, zwar als spannendes und durchaus unterhaltsames, aber stark vereinfachtes Plagiat von Ludlums anspruchsvollerer Vorlage.

Ken Follett’s Homepage: http://www.ken-follett.com/

Taschenbuch: 448 Seiten
O-Titel: Code to Zero
ISBN-13: 978-3785720592

www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Brown, Dale – Feuerflug

|Originaltitel: „Wings of Fire“|

Der hochdekorierte ehemalige U.S. Air Force Captain Dale Brown, Navigator und Bombenschütze in B-52- und FB-111A-Bombern, führt seit seinem ersten Buch „Höllenfracht“ („Flight of the Old Dog“) regelmäßig die amerikanischen Bestsellerlisten an und gilt mit seinen Aufsehen erregenden Technologie- und Militärthrillern als einer der Besten seines Fachs.

Der zwangspensionierte Air-Force-General Patrick McLanahan, nunmehr leitender Angestellter bei Skymasters Inc., führt über der lybischen Wüste nicht genehmigte, selbstmörderische Tests mit einem umgebauten B-52-Bomber aus. Dabei provoziert er absichtlich Angriffe mit SAM-Raketen (Surface-To-Air-Missiles) gegen sein Flugzeug, um die Funktionsfähigkeit des von Skymasters entwickelten Abwehrlasers zu testen. Zeitgleich schmiedet der betrügerische Präsident des Vereinigten Königreichs Libyen, Jadallah Salem Zuwayy, mit dem zwielichtigen russischen Öl-und Waffenhändler Kasakow und willfährigen Gefolgsleuten in der ägyptischen Regierung eine Verschwörung, um reichhaltige Ölfelder an der libysch-ägyptischen Grenze zu besetzen.

Nach einem tödlichen Attentat auf den ägyptischen Präsidenten bittet dessen Frau Susan Bailey Salaam, eine Amerikanerin und ehemalige Air-Force-Angestellte, die USA um Unterstützung bei der Verteidigung Ägyptens, wird jedoch rüde abgewiesen, da die USA keinerlei amerikanische Interessen bedroht sehen. Und dies, obwohl Libyen nachweislich im Besitz von alten, russischen SS-12-Mittelstreckenraketen mit nuklearen und biologischen Gefechtsköpfen ist. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an Patrick McLanahan, der mit einer Gruppe von Gleichgesinnten unter dem Namen „Night Stalkers“ eine hochtechnisch ausgerüstete Privatarmee führt, die gegen Bezahlung moralisch einwandfreie militärische Interessen von Kleinstaaten vertritt.

Die Night Stalkers, die wiederum inoffiziell und streng geheim mit dem amerikanischen Präsidenten in Verbindung stehen, um dessen politisch nicht opportune ‚Schmutzarbeit‘ zu erledigen, werden zwar nicht direkt für Susan Bailey tätig, aber über andere Verbindungen in den Regionalkonflikt hineingezogen und liefern sich erbitterte Luft- und Bodenschlachten über und auf libyschem Territorium. Dabei werden McLanahans Frau Wendy und weitere Night Stalkers in Gefangenschaft genommen und bei dem spektakulären Showdown kommt es zu einigen Überraschungen, auch was die wahren Absichten einiger Akteure anbelangt.

Dale Brown ist dann am besten, wenn er wie in „Feuerflug“ am dicksten aufträgt. Nachdem er bei seinen letzten Veröffentlichungen mit „Mann gegen Mann“ und „Stählerne Jäger“ doch etwas schwächere Romane abgeliefert hat, die allerdings zur Vorgeschichte von „Feuerflug“ wichtige Hintergründe bieten, kommt hier wieder seine wirkliche Stärke zum Vorschein: Luftkampf; einzelne, hochgerüstete strategische Bomber auf geheimen Einsätzen gegen strategische Ziele, bei massiver Luftabwehr durch Bodenstellungen und Abfangjäger. Dabei mischt er, genretypisch, aber geschickt, Fakten und Fiktion.

Über die von ihm seit seinem ersten Buch favorisierte ‚Tuning‘-Version der B-52 Stratofortress, bei ihm zur „Megafortress“ mit Stealth-Eigenschaften und wirkungsvollen Selbstschutzeinrichtungen sowie zum massiven Einsatz von nichtnuklearen Präzisionswaffen mutiert, ist in der einschlägigen Fachliteratur nichts bekannt. Naheliegend wäre eine derartige Aufrüstung allerdings schon. Von den seit 1952 insgesamt 744 ausgelieferten B-52 sind heute noch 85 Stück der letzten Version „H“ im aktiven Dienst – die jüngste davon ist Baujahr 1962 – und diese stellen nach wie vor das Rückgrat der strategischen Bomberflotte der USA dar und sollen bis über das Jahr 2040 hinaus im Dienst bleiben. Demgegenüber stehen nur 21 der hochmodernen B-2 „Spirit“, die ausschließlich auf der Whiteman AFB in Missouri stationiert sind, sowie 60 der Überschallbomber B-1B „Lancer“, deren Produktion allerdings bereits eingestellt wurde. Beide verfügen zwar über Stealth-Eigenschaften und eine weit höhere Geschwindigkeit als die betagte „B.U.F.F.“ („Big Ugly Fat Fucker“), haben aufgrund ihrer geringeren Reichweite und Nutzlast jedoch ein anders gelagertes Einsatzprofil und verursachen mit ca. 300 Mio $ für eine B-1B bzw. 1,2 Mrd. $ für |eine| B-2 natürlich enorm höhere Kosten als die Überbleibsel des Kalten Krieges.

Ebenfalls keine reine Fiktion ist die „Rail Gun“ der Night Stalkers, die mittels elektromagnetischer Kräfte ein Projektil auf ca. 3000-4000 Meter/Sekunde beschleunigen soll, oder das „Exo-Skelett“ aus Verbundfaserstoff, das über dem Kampfanzug getragen dem „Future Warrior“ der U.S. Army ab 2025 fast schon übermenschliche physische Kräfte verleihen und ihn gegen Beschuss bis hin zu leichten Infanteriegeschützen sowie Strahlung schützen soll. Auch der von Skymasters entwickelte bordgestützte Laser zur Abwehr von Raketen gehört durchaus nicht in das Reich der Science-Fiction, das ALS („Airborne Laser System“) ist sogar schon in einem relativ späten Entwicklungsstadium, allerdings mit über 80 Tonnen Gewicht und einer noch mangelhaften Energieproduktion sicherlich noch lange nicht einsatzbereit.

Insofern bietet „Feuerflug“ wieder einmal alles, was das Herz des Freundes von hochkarätigen Technologie-/Militärthrillern sich wünscht: detailgetreu und fachmännisch geschilderter Luftkampf in Hülle und Fülle, inwieweit realistisch, wissen wohl nur Kampfpiloten zu beurteilen, aber immer nervenaufreibend spannend. Dazu intelligent gestrickte geopolitische Vorgänge, ebenfalls mit einer gesunden Mischung aus Fakten und Fiktionen, sowie lebendig geschilderte Akteure (bei denen man sich manches Mal allerdings eine etwas weniger stereotype Darstellung wünschen würde).

Stören kann man sich an dem fast schon kühlen, technokratischen Stil, mit dem Brown den Einsatz der schlimmsten Massenvernichtungswaffen der Menschheit schildert. Von VX-Nervengas über schmutzige Bomben aus wieder aufbereitetem Uran bis hin zu thermonuklearen Mittelstreckenraketen wird alles eingesetzt, was verfügbar ist und möglichst großen Schaden anrichtet. Wer sich daraus nichts macht und beim Lesen nicht über ideologische Probleme grübeln muss, der hat ein paar ausnehmend spannende und actionreiche Lesestunden vor sich. Schlussfolgernd also ein „Knaller“, im wahrsten Sinn des Wortes, für die Zielgruppe, aber wenig geeignet für den Genrefremden.

Homepage des Autors: http://www.megafortress.com

Coonts, Stephen – Jagt die \’America\‘

Beim Start einer Trägerrakete mit dem neuen Raketenabwehr-Satelliten |SuperÄgide| kommt es zu einer gewaltigen Panne und die dritte Brennstufe stürzt aus ungeklärten Ursachen mitsamt dem milliardenteuren Satelliten über offenem Meer ab. Noch Monate später sind die USA auf der Suche, als es erneut zu einer Panne kommt. Das hochmoderne U-Boot |America|, ausgestattet mit revolutionärer Sonartechnik, einem zusätzlichen Mini-U-Boot für Spezialeinsätze und voll bewaffnet, wird von einer kleinen Gruppe Saboteuren beim Auslaufen zum ersten Manöver entführt. Die Täter gehen mit äußerster Brutalität vor, erschießen mehrere Seeleute noch während der Kaperung und verschwinden mit dem Boot im Atlantik, bevor die politische Führung den Mut fasst, einem nur wenige Meilen entfernten Zerstörer den Befehl zur Versenkung zu geben.

Admiral Jake Grafton wird als Verbindungsoffizier zwischen Navy sowie ausländischen und amerikanischen Geheimdiensten mit der Aufklärung und Wiederauffindung des U-Bootes betraut. Die Entführer brauchen nicht lange, um von den Waffensystemen der |America| Gebrauch zu machen und schießen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk, ausgestattet mit einem neuem Gefechtskopf namens |Flashlight|, auf Washington ab. |Flashlight| erzeugt einen elektromagnetischen Impuls, ähnlich dem einer Nuklearexplosion, und legt in Sekunden das öffentliche und wirtschaftliche Leben in der amerikanischen Hauptstadt lahm. Flugzeugabstürze führen zu Hunderten Toten und die Regierungsgeschäfte sind empfindlich beeinträchtigt.

Während die |America| zunächst der amerikanischen Flotte, die sie mit dem Befehl zur sofortigen Versenkung jagt, entkommen kann und weitere |Flashlights| auf New York City abschießt, kommt Grafton langsam einer groß angelegten Verschwörung auf die Spur und tastet sich an die Hintermänner der Entführung heran, die auch beim Absturz des Satelliten ihre Finger im Spiel hatten.

„Jagt die America“ hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Dass Stephen Coonts ein Fachmann für Militärtechnologie ist, wird auch in diesem Roman wieder klar. Wie seine Genrekollegen mischt er aktuelle Technologie und bekannte Fakten über Weiterentwicklungspläne mit Visionen und ein bisschen Phantasie. Ob es in absehbarer Zeit zu einem U-Boot der |America|-Klasse kommen wird, ist mehr als zweifelhaft. Die |Los Angeles|-Boote der ‚vorletzten‘ Generation (ab 1976) werden reihenweise stillgelegt (19 von 62 Stück zwischen 1995 und 2008) und bei den verbleibendenden Booten wird davon ausgegangen, dass ihre aktive Dienstzeit von 30 auf bis zu 50 Jahre verlängert wird. Vom derzeit modernsten U-Boot der neuen |Seawolf|-Klasse, das bereits moderner Kriegsführung Rechnung trägt und für den Transport und Einsatz von amphibischen Spezialeinheiten ausgerüstet ist, wird erst 2004 das erste volltaugliche Boot in Dienst gestellt. So detailgetreu Coonts die Ortungsversuche der |P3-Orion|-U-Bootjäger und den Unterwasserkampf der |America| mit der real existierenden |La Jolla| der |Los Angeles|-Klasse schildert, so vage bleibt er bei der Beschreibung des revolutionären Sonarsystems |Enthüllung| (dessen Bezeichnung vielleicht besser nicht übersetzt worden wäre).

Geradezu einfach macht Coonts es sich, wenn es um die Beschreibungen der Computermanipulationen geht, die den Satelliten zum Absturz bringen. Hier wird nur von ‚eindringen‘, ‚hacken‘ und ‚einklinken‘ gesprochen, ohne auch nur die Spur eines wissenschaftlichen Hintergrunds zu vermitteln. Noch banaler ist der Plot um den milliardenschweren Börsenspekulanten, der die einbrechende amerikanische Wirtschaft nutzt, um mit Valutenspekulationen das große Geld zu verdienen. Als bestenfalls verwirrend und unnötig muss man die Begleitstory um die geheimdienstlichen Hintergründe bezeichnen, die die Entführung der |America| überhaupt erst möglich gemacht haben. Aber fast schon lachhaft wirkt der krampfhafte Showdown, bei dem eine Handvoll Militärs mit ihren Ehefrauen versucht, sämtliche Bösewichte, deren es (zu) viele gibt, auf einen Streich zwischen Abendessen und Drinks an der Bar eines Luxus-Kreuzfahrtschiffes zu erledigen, nachdem diese bereits identifiziert und lokalisiert waren.

Genrefreunde werden ob der sicherlich vorhandenen Spannung zwar wohl wie gewohnt auf ihre Kosten kommen, sich aber dennoch einen reinrassigen U-Boot-High-Tech-Thriller wünschen, wie sie derzeit Patrick Robinson am besten schreibt. Der Versuch, Militärtechnologie und -taktik, globale wirtschaftliche und politische Vorgänge, Computerkriminalität und hochkarätige Geheimdienstaktivitäten in einen Thriller zu packen, ging bei „Jagt die Amerika“ leider daneben und Coonts hat sich in der Vielzahl der Personen und Handlungen leider selbst verstrickt. Weniger wäre, wie so oft, auch hier eindeutig mehr gewesen.

Stephen Coonts war einige Jahre Pilot einer A-6 Intruder bei der U.S. Navy und flog vom Flugzeugträger |Enterprise| aus Einsätze in Vietnam. 1977 schied er aus dem aktiven Dienst aus und wurde Rechtsanwalt in einer Ölfirma. Sein erster Roman „Flug durch die Hölle“ (Flight Of The Intruder) erschien 1986 und wurde erfolgreich verfilmt; seitdem haben es 13 seiner Werke in die Bestsellerlisten der New York Times geschafft.

Homepage des Autors: http://www.stephencoonts.com/

Fosar, Grazyna / Bludorf, Franz – Fehler in der Matrix

Der 1982 verstorbene visionäre Autor [Philip K. Dick]http://www.philipkdick.de war die Inspirationsquelle für etliche der wegweisenden Science-Fiction-Filme unserer Zeit, wie zum Beispiel „Blade Runner“, „Minority Report“, „Total Recall“, „eXistenZ“, „The Thirteenth Floor“, „Vanilla Sky“, demnächst „Paycheck“ (von John Woo) – und auch für die bahnbrechende „Matrix“-Reihe. Die Philosophie und beeindruckende Umsetzung von „The Matrix“ hat auch außerhalb der Kinosäle so einiges bewegt, und dies tatsächlich trotz aller Action im Comic-Stil auch in den Köpfen des Publikums. Der – zeitlebens rebellische, mit dem Gesetz konfliktierende und Drogen konsumierende – Autor hat sich stets mit Fragen nach staatlicher Kontroll-Allmacht, dem freien Willen oder der Existenz Gottes befasst und diese Grundmotive immer wieder in seine zahlreichen Schriften einfließen lassen. Wesentlich war die Frage nach der wahren Struktur der Realität und der Manipulation der alltäglichen Wirklichkeit, die er – als studierter Philosoph und Germanist – bis hinein ins Metaphysische trieb. Und keine andere Grundidee hat sich wohl so stark ausgewirkt wie die in „The Matrix“ umgesetzte virtuelle Realität, gesteuert von einer gewaltigen Matrix, die Scheinwelten in die Köpfe der versklavten Menschheit projiziert. Die Matrix-Erschaffer haben nur zwei Probleme, die sich nicht beheben lassen: den freien Willen und die verräterischen „Fehler in der Matrix“.

Dieses Konzeptes haben sich die Wissenschaftsautoren Grazyna Fosar und Franz Bludorf angenommen, über die es in meiner Buchbesprechung zu [Vernetzte Intelligenz]http://www.powermetal.de/book/anzeigen.php?id_book=56 mehr zu lesen gibt (und Kollegin Bianca hatte sich im September des Buches „Spektrum der Nacht“ angenommen). Kommen wir direkt zum Inhalt ihres aktuellen populärwissenschaftlich abgefassten Buches. Der Matrix-Begriff wird hier in mehrerer Hinsicht verwendet: zum einen natürlich aus aktuellem Anlass im Rahmen der „Matrix“-Euphorie und auch mehrfach unter Bezug auf die Filmdialoge und -grundideen, dann als vernetzende Metapher für einige Aspekte ihrer Betrachtungen, aber letztlich als konkret angewandte mathematisch-physikalische Struktur für Abbildungen oder Projektionsvorgänge. Denn so wie es sich darstellt, lässt sich unsere, für uns scheinbar vierdimensionale, Wirklichkeit sowohl als Fraktalstruktur (eine selbstbezügliche Abbildungsform) als auch als Projektion aus der höherdimensionalen Realität auffassen.

Wer hier abwinken möchte, weil die Erwähnung von „höheren Dimensionen“ ihm – oh schrecklich – nach Esoterik klingt, dem sei gesagt, dass nach den derzeit aktuellsten Theorien (String-, Bran- oder M-Theorien und Vergleichbares) unser Universum mindestens elfdimensional beschaffen sein muss, möglicherweise mehr, damit die entsprechenden Gleichungen korrekte Lösungsmengen liefern. Auch der Bezug zu Fraktalen ist an einem kleinen, durchaus bekannten, Beispiel zu veranschaulichen: Will man die Küste Englands vermessen, so stellt man fest, dass die Länge vom verwendeten Maßstab und der Genauigkeit der Messung abhängt. Werden die Messbedingungen immer präziser, so nehmen die Struktur und damit der Umfang der beobachteten Oberfläche der Küsten“line“ beständig zu, bis hinein in die atomaren Bindungen usw., so dass man in mathematischer Entwicklung guten Gewissens sagen kann, diese Küste sei tatsächlich unendlich lang. Das ist eigentlich auch gar nicht so unerwartet, denn man verwendet schon lange Zeit Fraktale, um natürliche Formen wie Landschaften oder Pflanzen zu berechnen und zum Beispiel in Computerspielen darzustellen. Eine weitere Besonderheit der Fraktale ist, dass sie aus dem immer wieder gleichen Grundmuster aufgebaut sind, nur die Abbildungsvorschrift selbst bestimmt die endgültige Form des Objektes, so dass man zum Aufbau fraktaler Welten wenn nötig nur eine einzige Basisform benötigen würde. Wichtiger ist eben das „Programm“, das diese Form anschließend anordnet und aufbaut – Ähnlichkeiten zur DNA, die, immer wieder gleich, doch komplexen Organismen wie uns Form und Funktion gibt, sind hierbei wohl nicht ganz zufällig.

Was die Dimensionsprojektion angeht, so stellt euch einen Ball vor, der von einer Lampe angestrahlt wird. Dies produziert ein Schattenbild – eine zweidimensionale Bild-Projektion des für uns dreidimensionalen Gegenstandes, wobei zusätzliche Informationen durch diesen Vorgang verloren sind. Diese Überlegung kann man nun auf unsere Wirklichkeit anwenden und unseren vierdimensionalen Alltag als Projektion aus dem mehrdimensionalen Hyperraum betrachten (Platon lässt grüßen?). Auch dabei ginge natürlich vorher vorhandene Information für uns verloren – Information allerdings, die nach wie vor existent ist und sich auf die anderen Dimensionen auswirkt, für uns aber ebenso wenig erfahrbar ist wie die dreidimensionale Realität des Balles für einen zweidimensionalen Menschen in einer flachen Welt.

Diese Projektionsvorgänge und Fraktalerschaffungen der uns umgebenden Struktur funktionieren nun nicht streng deterministisch, linear oder vorhersehbar. Die moderne Physik schlägt sich bereits seit einiger Zeit mit zahlreichen Unbestimmtheiten herum, die es schlicht unmöglich machen, exakte Wissenschaft zu betreiben und statt dessen komplizierte Methoden aus der Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung benötigen, um überhaupt noch irgendwie in mathematische Sprache gefasst werden zu können. Diese Unbestimmtheiten, das beständige Wabern und Wogen des „Quantenschaums“, der uns umgibt und durchdringt, die beständige Selbsterschaffung der Vakuumstruktur mit ihren Fluktuationen und Unbeständigkeiten machen auch die Wirklichkeit, in der wir leben, zu einer Welt, die nicht immer so präzise funktioniert, wie sie den Gewohnheiten in unseren Köpfen entsprechen sollte. Die höheren Realitäten und Projektionsvorgänge machen sich also durch Fehler bemerkbar – und erst diese sind es, die es uns ermöglichen, das „Mehr“ zu erkennen, aus dem heraus unsere Lebenswelt erschaffen wird.

Und so berichten Fosar und Bludorf von verschiedenen Störungen und Anomalien, die auf diese Zusammenhänge hinweisen und zur Hinterfragung einer stabilen (Schein-)Wirklichkeit Anlass geben. Parapsychologische Phänomene, Gravitations- und Zeitanomalien, veränderte Bewusstseinszustände, Doppelgängerphänomene, Genetikforschung, Nanotechnologie und militärische Forschungsprojekte, Chaosforschung, Kosmologie, die neue Quantenphysik und allerlei manipulative Eingriffsversuche in die Beschaffenheit der Wirklichkeit zeigen in einem vernetzenden Zusammenhang als Gesamtbild, dass die Matrix nicht perfekt ist und Fehler hat, durch die sie sich uns zu erkennen gibt. Dabei greifen sie neben ihren früheren Werken auf aktuelle akademische Veröffentlichungen zurück sowie auf exotisch wirkende Theorieansätze, wie die Vielweltenhypothese oder die Transaktionale Interpretation der Quantenphysik. Wissenschaftler wie Hugh Everett und John Wheeler, Edward Witten, Stephen Hawking, Fritz-Albert Popp, Richard Feynman, Jack Scarfatti, Hartmut Müller, Fred Alan Wolf, John G. Cramer oder Dean Radin gehören mit ihren Theorien zu den wichtigen und bekannteren Größen, deren Arbeiten in diesem Werk Verwendung finden. Hinzu kommen aber vielfach weniger bekannte akademische Arbeiten und Experimentalergebnisse, zum Teil wieder aus dem russischen Raum, Asien oder Australien, aber auch von den Autoren selbst durchgeführte Untersuchungen, mit deren Hilfe verschiedene, höchst ungewöhnliche Beobachtungen und Theorien mit- und zueinander in Relation gesetzt werden können und in der Summe ein erstaunliches Konzept mit so manchem Aha-Effekt offenbaren.

Gelegentlich setzen die Autoren die Kenntnis ihrer früheren Schriften voraus, zumindest dort, wo Theorien und Feststellungen eher knapp angemerkt und herangezogen werden, die dem darüber noch nicht informierten Leser einige Fragezeichen bescheren dürften. Wenn man diese Passagen aber für den Faktenaufbau zunächst einfach hinnimmt, ist es kein Problem, den Ausführungen weiterhin zu folgen, aber für ein intensiveres Verständnis der Zusammenhänge kann ich die zusätzliche Lektüre vor allem von „Vernetzte Intelligenz“ wirklich empfehlen. Allgemein ist der Schreibstil wieder sehr gut zugänglich, das Buch liest sich streckenweise so spannend wie ein Wissenschafts-Thriller. Und wem die Faktenfülle noch nicht ausreicht, für den haben die Autoren in das Buch zusätzliche Hintergrundtexte in Boxen mit der Überschrift „Was Einstein noch fragen würde…“ eingebaut, die es fachlich zum Teil ziemlich in sich haben und ebenso wie zahlreiche Erwähnungen des Schaffens anderer Wissenschaftler zum ausgiebigen Stöbern in der Buchhandlung einladen, um die Lektüre zu vertiefen. Zahlreiche Quellenangaben sowie eine ausgiebige Literaturliste sorgen für die gebotene wissenschaftliche Sorgfalt (wenngleich das Buch selbst nicht wissenschaftlichen Standards genügen kann und sich eben in populärwissenschaftlicher Darstellung zum Glück einem breiteren Leserpublikum zuwendet), ein Glossar sorgt für den begrifflichen Überblick, zahlreiche Grafiken sowie 44 Farbabbildungen im Fototeil ergänzen die visuelle Verständnisebene und das Register macht „Fehler in der Matrix“ auch als Nachschlagewerk tauglich.

Hiermit ist Fosar und Bludorf ein weiterer begeisternder Geniestreich gelungen, der Weltbilder zu bewegen weiß und zumindest bei mir für zahlreiche Assoziationen und Synchronizitäten sorgte und das Verständnis einiger Zusammenhänge und Theorieansätze sehr erleichterte, die ich bislang in dieser Form nie weiter durchdacht hatte. Wer mit offenem Geist, aber mit geboten kritischer (in doppelseitiger Bedeutung) Sichtweise an die Lektüre geht und bereit ist, festgefahrene Wege zu verlassen, um neue Pfade zu beschreiten und eigene Spuren im Sand der Zeit zu hinterlassen, findet hier eine wirkliche Bereicherung für die eigene Weltsicht und eine wichtige Ergänzung für ein grundlegendes Verständnis vom Zusammenhang der Dinge, die unsere Wirklichkeit erschaffen. Fosar und Bludorf haben sich spätestens mit ihren letzten beiden Veröffentlichung jedenfalls an die Spitze meiner persönlichen Favoriten für grenzwissenschaftliche Literatur katapultiert.

Homepage der Autoren: http://www.fosar-bludorf.com

Ambrose, David – EX

Joanna Cross recherchiert als Journalistin verdeckt im „Camp Starburst“, um die dortigen Machenschaffen der Esoterik- und Spiritisten-Maffia auffliegen zu lassen. Dies gelingt ihr auch, und neben dem Hass der Hauptakteure Eleanor „Ellie“ und Murray Ray zieht sie damit die Medienaufmerksamkeit auf sich, landet unter anderem in einer Talkshow zu diesem Thema. Einer der Gäste der Gesprächsrunde ist Mr. Towne. Dr. Sam Towne ist Psychologe an der Manhattan University und leitet dort mit Hilfe von Physikern, Technikern, Statistikern und anderen Psychologen das Parapsychologische Institut, das sich anomalen Phänomenen wie Telepathie, Präkognition, Psychokinese oder Hellsichtigkeit befasst. In Gesprächen nach den Fernsehaufnahmen weckt Sam das Interesse von Joanna an der Parapsychologie, diese wiederum kann ihren Herausgeber für das Thema erwärmen und gemeinsam vereinbaren sie ein ganz besonderes Experiment, das abseits von Signifikanzen und Statistiken für die Eingeweihten auch genug handfestes Material zu bieten hat, um als Aufhänger für einen Zeitschriftenartikel dienlich zu sein. Dabei soll versucht werden, mittels Gruppendynamik einen Egregor, ein energetisches Geistwesen zu erschaffen, das sich real manifestiert und allerlei ungewöhnliche Effekte mit sich führt. Diese Zielrichtung ist deshalb bereits zu Beginn so klar umrissen, weil es nicht das erste Mal ist, dass dieses Experiment durchgeführt wird; es gab bereits einige frühere Versuche anderer Gruppierungen mit ähnlichen Auswirkungen. Das Experiment gelingt in der Tat, doch sind die Auswirkungen für die Teilnehmergruppe alles andere als erfreulich, denn der erschaffene Geist „Adam Wyatt“ zeigt so gar keine Bereitschaft, das Experiment enden zu lassen und wieder in die Tiefen der Psyche seiner Erschaffer zu verschwinden. Viel lieber scheint es ihm, dass jene an seiner Statt diese Realitätsebene verlassen. Realität und Illusion, Materie und Geist beginnen sich zu durchdringen, die Wirklichkeit verändert sich und ein Mystery-Thriller der Königsklasse beginnt sich zu entfalten…

David Ambrose war bereits vor „EX“ mit „Der 8. Tag“ ein Bestseller gelungen, der es in sich hatte. „EX“, im Original von 1997 „Superstition“ betitelt, basiert auf einem Experiment, das Anfang der Siebzigerjahre tatsächlich stattgefunden hatte und in der Fachliteratur ausführlich behandelt wird. Hilfe bekam er dabei durch Berichte von Teilnehmern, er studierte insbesondere die Werke „Conjuring Up Philip – An Adventure in Psychokinesis“ von Iris M. Owen und Margaret Sparrow, „Margins of Reality“ von Robert G. Jahn, „Parapsychology – A Concise History“ von John Beloff, zudem Werke von Kit Pedlar, Stan Gooch, Michael Harrison, Alan Gaud und A. D. Cornell. Unterstützt wurde er in seinen Recherchen vom PEAR (Princeton Engineering Anomalies Research Program), von der Eileen-J.-Garrett-Bibliothek der Parapsychology Foundation Inc. New York sowie von Michaeleen C. Mather aus New York, die sich in ihren Arbeiten mit paranormalen Phänomenen beschäftigt und von deren hohem wissenschaftlichem Standard Ambrose sich sehr beeindruckt zeigte.

Wie man sieht, steckt hinter der Arbeit an diesem Thriller ein solides Interesse und einiges an Fachkundigkeit in der Thematik. Für grenzwissenschaftlich Interessierte und Mystery-Liebhaber gibt es einiges an fachkundigen Ausführungen sowie theoretischen Ansätzen zu entdecken, aber auch philosophische Gedankengänge lassen sich finden. Davon ab gehört „EX“ eindeutig zu den spannendsten Thrillern, die mir bislang untergekommen sind. Dementsprechend zügig und mit gebannter Aufmerksamkeit habe ich mir den Buchinhalt dann einverleibt. Allein die finalen Wendungen sind geradezu erstaunlich. Auch an der Charakterzeichnung gibt es nichts zu bemängeln, und die emotionale Ebene kommt ebenfalls nicht zu kurz, wenngleich beides keine Schwerpunkte bildet und vornehmlich den beiden Hauptprotagonisten vorbehalten bleibt. Etwas mehr lebensnahe und zwischenmenschliche Ausgestaltungen und Nebenhandlungen hätten das Werk zwar perfektioniert, tun in der vorliegenden Form der Gewichtung und Erzählung selbst jedoch keinen Abbruch. Das inhaltliche Material, die Geschichte selbst sowie die Art der Darstellung gäben auch einen ausgezeichneten Psycho-Thriller auf der Leinwand ab, ich wüsste allerdings gerade nicht, ob das Buch tatsächlich schon verfilmt wurde. Wenn nicht: Zeit wird’s, aber die wissenschaftlichen Grundlagen dabei nicht vergessen.

Ambrose beginnt seine Darstellung übrigens fast am Ende der Erzählung, was beim neugierigen Leser Fragen aufwirft, die für Spannung sorgen und im Verlauf der Geschichte eigentlich erst zum Ende hin klarer werden. Nach dem Prolog geht es dann in die Vergangenheit, die Charaktere und Hintergründe werden aufgebaut, aber nichts davon ist irgendwie für die Hauptgeschichte unwesentlich. Alles hat seine Bedeutung, jede handelnde Person bekommt im Verlauf ihre Rolle zugewiesen, die ganze Geschichte ist sehr sorgsam konstruiert und sorgt für allerlei Aha-Effekte und staunende Momente. Und wer auf ein Happy End hofft – nun, lasst euch überraschen und von diesem Meisterstück gefangen nehmen.

Wer übrigens herausgefunden hat, warum das Buch im Deutschen „EX“ heißt, möge sich bei mir melden.

Geza von Nemenyi – Heilige Runen

Bei den Runen handelt es sich um die Schriftzeichen unserer germanischen Vorfahren, die für magische Zwecke und schriftliche Mitteilungen benutzt wurden. Eine Rune bezeichnet immer gleichzeitig einen Laut sowie einen bestimmten Begiff – so steht beispielsweise die Rune *Berkanan einerseits für den Laut b und andererseits für die Birke einschließlich ihrer symbolisch-mythologischen Bedeutung. Die Runen sind in wissenschaftlichen und esoterischen Kreisen in Bezug auf Alter, Herkunft und Deutung heftig umstritten, wobei die Diskussionsbeiträge fast immer vom weltanschaulichen Hintergrund des jeweiligen Protagonisten geprägt sind. Die Germanen selbst betrachteten – wie die Edda-Überlieferung und einige Runeninschriften übereinstimmend berichten – diese Zeichen als „reginnkunum“, d.h. götterentstammt. In der Edda wird der Ekstase-, Sieg- und Weisheitsgott Odin als Schöpfer der Runen dargestellt. Der bislang älteste anerkannte Runenfund ist die Fibel von Meldorf, die in das Jahr 50 n.Zw. datiert wird. In der Wikingerzeit wurde das ältere Futhark (Runenreihe) von 24 Runen auf 16 Runen verringert – ein Rätsel, weil der Lautstand sich eigentlich erhöht hatte.

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Akron – Dantes Inferno

Mit der „Göttlichen Komödie“ schuf Dante Alighieri ein bild- und wortgewaltiges Epos, einen umfassenden Spiegel seiner Zeit, der theologische, weltliche und unbewusst seelische Dimensionen mit Titanenschritten durchmaß, zugleich seine Gegenwart wie auch Vergangenheit manifestierte und ein spirituelles Kulturgemälde schuf, das sich auflehnend rebellisch präsentierte, doch stets befangen blieb in den Grenzen, den die kirchlichen Machthaber seiner Zeit setzten: Eine Hölle, die Mittel zum Machtzweck war, nicht allegorisches Instrument der Selbsterkenntnis innerer Seelenräume, wenngleich Dante selbst es ist, der an der Seite seines Seelenführers Vergil die infernalen Unendlichkeiten durchmisst. Dante gelang es zwar, einen Zwischenweg zu finden, blieb jedoch auf die instrumentalisierten Höllenvorstellungen seiner Zeit beschränkt, die bereits tausend Jahre zuvor erste Beschreibungen erhielten, und diente somit letztlich und weniger gewollt den Zwecken der Machtobrigkeit, indem die Schrecken der christlichen Hölle visualisiert wurden, in einem epochalen Meisterwerk, das die kulturellen Wandlungen überdauerte und spätere Zeiten ebenso prägte, wie es selbst von früheren Zeiten geprägt war.

Charles F. Frey alias Akron stellt die Frage, inwiefern eine solche Darstellung aber heutigentags noch bedeutsam und glaubwürdig sein kann, über eine rein kulturhistorische Betrachtung hinaus; in einer Zeit, die spirituelle Umbrüche mit sich brachte, die durch das theologische Bild von Sünde, Hölle, Sühne und Bestrafung nicht mehr in ihrem Innersten erreicht werden können. Während Dante noch im weitesten Sinne die Hölle im Äußeren fand und beschrieb und dabei die inneren Dimensionen eher sekundär streifte (wenngleich man ihn als den christlich-theologisch orientierten Freud seiner Epoche betrachten mag), wendet sich Akron, der im Gegensatz zu Dante auf den Arbeiten von Freud, mehr noch Jung oder Strauß-Klöbe und ihrer Nachfolger aufbauen kann, explizit den inneren Höllenräumen zu. Die inneren Ängste vor Teilen unserer Lebens- und Erfahrungswelt erschaffen die Höllenqualen, die uns peinigen; und Verdrängungsmechanismen sowie die verschämte Hinwendung zu den lichten Vorhöfen unserer Schattenwelten sind nicht der Schlüssel, die Türen zu diesen im Dunkeln verborgenen Räumen zu öffnen, um uns der eigenen Hölle zu stellen und sie als Teil der Ganzheit menschlicher Gedankengebäude zu erfassen, zu integrieren und mit ihnen zu arbeiten; um eine holistische Persönlichkeit ausformen zu können, den dämonischen Bildern ihren Schrecken zu nehmen, der Hölle entrinnen zu können, die uns in uns selbst einkerkert.

Um sich bei dieser inneren Betrachtung nicht in sich selbst zu verlieren, bedient sich Charles F. Frey gleichsam Dantes Vergil eines inneren Führers, in diesem Falle seines alter ego „Akron“, der zugleich künstlerisches Pseudonym ist. Unter diesem Namen gelangte der Autor zu einiger Bedeutung, als er gemeinsam mit H. R. Giger „Baphomet“ erschuf, das Tarot der Unterwelt, das auch die Aufmerksamkeit der Sittenwächter auf sich zog, denn wer Giger kennt, weiß, dass sich diese Kunstdarstellungen stets und bewusst am Rande zur Pornographie bewegen. Gleichsam wird der Leser auch in „Dantes Inferno“ und seinen Illustrationen fündig werden, doch dazu später mehr. Akron brachte außerdem „Das Astrologie-Handbuch“, „Partnerschafts-Astrologie“ und gemeinsam mit Hajo Banzhaf „Der Crowley-Tarot“ heraus. Der schweizerische Schriftsteller, Essayist, Schattenarbeiter und Magier-Philosoph verwendet sein profundes astrologisches Wissen, um daran seine persönliche Darstellung von Dantes Inferno auszurichten und dem Werk Struktur zu geben, an dem sich auch der Leser besser orientieren kann, um sich selbst in seinem Lesen zu erkennen. Dabei ist es nicht nötig, selbst Kenntnisse in Astrologie zu haben, diese dient nur als Orientierungsmuster und bietet dem Eingeweihten zusätzliche Erkenntnismöglichkeiten. Wechselseitige Befruchtungen zwischen Tiefenpsychologie, Astrologie oder I Ging sind übrigens nicht unüblich.

Diese Ansätze für Akrons Werk sind es noch nicht, die „Dantes Inferno“ so bedeutsam und ungewöhnlich machen. Die tiefenpsychologischen Inhalte zeugen von erstaunlich intuitiver Kenntnis der inneren Welten und sind eine enorme Erkenntniserweiterung auch für den Leser. Doch die wirkliche Tiefe des Werkes liegt in der Beschreibungsweise selbst. Charles F. Frey schreibt ein Buch, in dem er selbst ein Buch schreibt, während er mittels seines alter ego in innerem Dialog steht und zugleich die multiplen Persönlichkeitsmuster durchwandert, sich selbst aus vielfacher Perspektive erlebt, mit den verschiedensten Aspekten seiner Psyche kommuniziert, um sich dann wiederum über die erlebten Bilder und ihre Betrachtung (und die Betrachtungsweise) mit sich selbst bzw. Akron auszutauschen, nur um durch die, sagen wir einmal, betrachtende Betrachtung der Betrachtung durch sich selbst zu fallen, die beschränkenden Muster dualer Denkwirklichkeiten zu durchbrechen und ihre Sinn heuchelnden Gaukeleien zu entblößen. Klingt verwirrend? Ist es auch. Und wie. Akron verwirrt unsere linearen Lesegewohnheiten und er verwirrt unsere vergeblichen Versuche, klare Strukturen und zweiwertige Betrachtungslogiken aufbauen zu wollen. Dies gelingt bildgewaltig und mit erlesen wohlgesetzten Worten, allerdings auf einer archetypischen Komplexitätsebene, die gezwungen ist, unsere gewohnten Denkmuster zu verlassen, um nicht am surrealen und unbewusst wirksamen Charakter dieser Schriftschöpfung zu zerschellen. Bilder in Bildern, Handlungen in Handlungen, Betrachtungen in Betrachtungen und Metaebenen der Analyse, die letztlich doch nur wieder in sich selbst und in den untersten Schichten des Begreifens enden.

Und so gibt es mannigfaltige Wege, dieses Buch zu lesen und verstehen zu wollen. Man kann versuchen, alle Handlungsfäden nachzuvollziehen und die komplexen, oftmals paradoxen und an Zen-Koans gemahnenden Satzmuster logisch zu analysieren. Dafür muss man das Buch definitiv regelrecht studieren, die Teile und das Ganze mehrfach lesen und während des Lesens zahlreiche Verständnis- und Betrachtungsebenen betreten. Man kann das Buch auch zunächst im Stück durchlesen und sich darauf beschränken, die perspektivisch wechselnden Bilder auf sich (und das Unterbewusste) wirken zu lassen. Oder man kann sich auf die Illustrationen von Voenix konzentrieren und diese für sich deuten. Oder alles zugleich oder nacheinander. In jedem Falle ist die Lektüre alles andere als leicht zugänglich, und man sollte sich, obwohl eine phantasievolle Erzählhandlung geboten wird, darüber klar sein, dass bis hin zu den Reaktionen, Emotionen und Dialogsätzen zwischen Charles/Akron und seinen verschiedenen Persönlichkeitsanteilen alles konstruiert ist und auch konstruiert und überdimensional (im mehrdeutigen Sinne) wirkt; ein wenig wie die alt-philosophischen (inneren) Dialoge (bzw. abwechselnden Monologe) mit einem Mentor, deren Konzepte auch in „Sophies Welt“ Anwendung fanden.

Zu Voenix und seiner visuellen Umsetzung sollte ich noch einige Worte anmerken. Allein die visionäre Kraft der zahlreichen Bilder (70 teils ganzseitige, teils farbige Illustrationen) des charismatischen Künstlers (der als Autor durch „Magie der Runen“, „Weltenesche – Eschenwelten“, „Im Liebeshain der Freyia“ oder „Tolkiens Wurzeln“ Anerkennung fand) ist eine Erlebensebene für sich. Symbolbehaftet und ausdrucksstark umgesetzt, unterstützen Voenix‘ Werke den Leser auf seiner Reise in die Unterwelt des Untergründigen. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass Voenix und Akron gemeinsam eine hochwertige Comic-Serie herausbringen, die auf „Dantes Inferno“ basiert und ebenso betitelt wurde. Eine brillante Arbeit, die ihr euch unbedingt ansehen solltet. Ebenso wie das Buch „Dantes Inferno“ natürlich, Akrons bedeutsamstes Werk, wie er es selbst sieht. Eine ungewöhnliche Erfahrung auf 400 gebundenen Seiten, darauf ausgerichtet, die gewöhnliche und gewohnte Alltagslogik zu zersetzen und zu unterwandern, das rationale Verstandesdenken an seine Grenzen zu führen, um innere Barrieren aufzulösen und Horizonte zu öffnen. Wir lesen uns wieder bei „Inferno II: Das Auge der Hölle“.

Homepage von Akron: http://www.akron.ch
Homepage von Voenix: http://www.voenix.de
[Vorwort von Akron]http://www.akron.ch/verlag/vorwort.htm (Die Rechtschreibfehler der Netzversion sind in der Druckversion nicht vorhanden.)
[Akron’s Biografie]http://www.newaeon.de/newaeon/index.php?act=view__location&location__id=6505
[Templum Baphomae in New Aeon City]http://www.newaeon.de/newaeon/index.php?act=view__location&location__id=5037

Philipp, Günter – Klavierspiel und Improvisation

Die erste Version dieses Buches, das damals noch den Namen „Klavier – Klavierspiel – Improvisation“ trug, wurde von Günter Philipp im Alter von 57 Jahren veröffentlicht.

Schon zu dieser Zeit konnte er mehr als nur einige Erfahrungen in der Musikwelt vorweisen: So studierte er an der Leipziger Hochschule sowohl Grafik und Buchkunst als auch Musik und übernahm auch bald an derselben Schule einen Lehrauftrag als Dozent. 1972 verließ er dann die Leipziger Uni und wandte sich der Dresdener Uni zu, an der er Dozent für Klavierspiel und Improvisation wurde. Aber natürlich lehrte er die Musik nicht nur, sondern machte auch selbst eine ganze Menge davon: So zum Beispiel über 450 Rundfunk- und Schallplattenproduktionen sowie zahlreiche Auftritte und Aufführungen. Auch die wissenschaftlichen Studien ließ er nicht zu kurz kommen und so hatte er eine ideale Grundlage, um sein Wissen und seine Erfahrungen niederschreiben zu können.

Leider hatte er dabei nicht die Freiheiten, die ein Autor heute genießt, denn er hielt sich ja zur Zeit der DDR im Osten auf. Deshalb musste seine erste Veröffentlichung einige Zensuren erleiden oder enthielt einige aufgezwungene Aussagen, wie zum Beispiel Zitate des Chefideologen Kurt Hager. Doch das wurde natürlich bei der ersten Gelegenheit nach der politischen Wende 1989 wieder umgeändert, so dass sich in der mir vorliegenden neuen Auflage vom Jahr 2003 keine Spuren der Kontrollen in der damaligen DDR mehr entdecken lassen.

Das Buch ist mit seinen an die 800 Seiten in Din-A4-Größe aber sicher kein Buch, das man einfach mal so durchlesen kann – sondern eher ein Nachschlagewerk, das sich hervorragend dafür eignet, wenn man seine Kenntnisse in den verschiedenen Bereichen, die mit Musik und vor allem mit dem Klavierspiel zu tun haben, auffrischen möchte. Vor allem das beigefügte ausführliche Stichwortverzeichnis hilft dem Leser sehr, sich in der Fülle der Informationen zurechtzufinden, wenn man Antwort auf bestimmte Fragen sucht. Und wenn man dann doch vorhat, diesen Brocken Papier längere Zeit am Stück in den Händen zu halten, sollte man für die zweieinhalb Kilo vielleicht noch ein paar Muckis mitbringen und keine schwächlichen Ärmchen haben wie bei meinereiner.

Auch für Leute, die einfach nur ein wenig Interesse an Musik haben und eine einfache Lektüre über ihr Hobby erwarten, ist dieses Buch mit Vorsicht zu genießen. Denn eigentlich wurde es hauptsächlich für Musikstudenten, Musiklehrer und Pianisten geschrieben, die sich für Interpretations- , Unterrichts- und Improvisationsfragen interessieren. Deshalb ist man auch in manchen Kapiteln ohne ein Fremdwörterlexikon verloren, wenn man kein Experte in diesem Gebiet ist. Vor allem das Kapitel über Interpretationen zu lesen ist nicht gerade entspannend, wenn man ständig über „agogische Freiheiten“, „Semantik“ oder „immanente konstruktive und expressive Tendenzen“ stolpert.
Thematiken, wie ‚Psychologische Grundlagen der Instrumentalpädagogik‘ oder ‚Grundbegriffe des Einzelunterrichts‘ sind da schon wesentlich einfacher zu lesen und auch für rein pädagogisch Interessierte sicherlich interessant.

Auch besteht das Buch nicht nur aus knochentrockenen wissenschaftlichen Abhandlungen, sondern enthält auch zur Auflockerung und zum besseren Verständnis immer wieder anschauliche Fallbeispiele. Natürlich muss man hier auch die erklärenden Zeichnungen und Bilder, sowie die über 400 Notenauszüge erwähnen, die Günter Philipp für dieses Buch ausgesucht hat.

Sogar ein recht ausführliches Kapitel über die Methodik des elementaren und auch des fortgeschrittenen Unterrichts ist in diesem Buch enthalten. Hier geht es zum Beispiel um die Unterrichtsgestaltung für Anfänger, bis hin zu Fingerübungen und Anweisungen über die richtige Handhaltung oder den Einsatz der Pedale.

Ja, sogar Hygiene spielt bei dem Musiker eine Rolle, sodass diese hier extra aufgeführt wird, obwohl hier nun eher Gesundheitserhaltung durch „Schlaf, Ernährung und aktive Erholung“ gemeint ist und weniger die Reinlichkeit des Musikers im Mittelpunkt steht. Aber auch von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, zum Beispiel durch Stress, Lampenfieber oder andere Faktoren, ist die Rede. Dabei handelt Günter Philipp aber nicht nur die Aspekte solcher Einwirkungen ab, sondern versucht auch immer einige Tipps zur Problemlösung zu geben.

Da man ja aber doch nicht immer alleine musiziert, wurden auch Themen wie Spielen mit gesanglicher Begleitung oder im Ensemble in diesem Buch bedacht. Auch die anderen Kapitel, in denen es zum Beispiel um ‚Improvisation‘ (wie ja schon der Titel vermuten lässt) , um ‚Akustik‘, ‚Mikrofontechnik‘, oder das ‚Spiel im Studio‘ sowie um den Aufbau und die Eigenschaften des Klaviers geht, dürfen natürlich in so einem Werk nicht fehlen und finden sicher auch bei einigen Leser regen Anklang.

Fazit: Wie oben schon angesprochen, ist dieses Buch sicher für Leute – wie zum Beispiel Studenten, oder Lehrer – die sich in der gehobeneren und komplizierteren Musikwelt zurechtfinden, ein sehr gutes und ausführliches Nachschlagewerk, während ein Ottonormalmusikliebhaber wahrscheinlich so seine Probleme mit diesem Schinken haben könnte.

J. R. R. Tolkien – Der Hobbit

In „Der Hobbit“ erzählt J. R. R. Tolkien die Geschichte des Hobbits Bilbo Beutlin. Hobbits sind nur etwa halb so groß wie Menschen und noch kleiner als Zwerge. Es ist gar nichts von Zauberei an ihnen, außer die alltägliche Gabe, rasch und lautlos zu verschwinden.

Eines Morgens bekommt Bilbo Beutlin überraschenden Besuch von Gandalf, dem Zauberer, und dreizehn Zwergen. Die dreizehn Zwerge, unter der Führung von Thorin Eichenschild, wollen versuchen, dem Drachen Smaug den Schatz wieder abzunehmen, den dieser dem Großvater von Thorin, dem König unter dem Berge, vor langer Zeit geraubt hatte. Zu diesem Zweck benötigen die Zwerge jedoch einen erfahrenen Meisterdieb, der sie unterstützen soll. Obwohl Bilbo gar keine Erfahrung als Meisterdieb und eigentlich auch überhaupt keine Lust auf ein Abenteuer hat, erklärt er sich bereit, die Zwerge auf ihrer Queste zu begleiten.

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Autorenkollektiv – Karfunkel Nr. 48

Kaum zwei Tag lang ist es her, da bracht bei Dämmerung des Morgens der Bote eilenden Fußes die frisch von Schreibern aufgesetzte Nummero 48 der Zeitenschrift KARFUNKEL an meine Wohnstatt, mir zu gefallen und Verzücken wachzurufen. Und so nehm‘ ich dies nun als Gelegenheit zupass, Euch ein weit’res meiner bevorzugten Magazine vorzustellen, denn diese Ausgabe hat es wieder kräftig in sich, da konnte ich schlicht nicht widerstehen, den Federkiel zu zücken und Euch folgend Worte kund zu tun.

Die KARFUNKEL ist nun seit mehr als zehn Jahren im Bereich von Mittelalter, „erlebbarer Geschichte“ und Reenactment-Bewegung unterwegs und für die Fans dieser Bereiche mit Schweiß und Herzblut bei der Sache. Und spätestens seit der Jubiläumsausgabe diesen Jahres ist die Qualität, aber durchaus auch die Quantität des gebotenen Materials, allein schon in der wundervollen und makellosen Aufmachung, so überragend, dass ich ruhigen Gewissens behaupten kann, kein wirklich vergleichbares Magazin benennen zu können. In hervorragendem Druck, liebevoll gestaltetem Layout und einer schon erschlagenden Bilderfülle präsentiert die KARFUNKEL allerlei aus vergangenen und heutigen Tagen.

Geschichtliche Essays und Biografien, Handwerkskünste, Kampf- und Kriegshandwerk, Veranstaltungsberichte und -hinweise (In Sachen Veranstaltungskalender ist die Zeitschrift unangefochten Informationsträger Nummer Eins.), Notenblätter, Rezensionen, Interviews, Traditionen und Kultur der Alten Zeit, Kräuterkunde und Rezepte und dergleichen noch viel mehr werden alle zwei Monate in zunehmender Güte auf mittlerweile 122 Seiten präsentiert. Und zur Kurzweyl darf natürlich auch ein Preisrätsel für Kenner nicht fehlen, das es allerdings meist wirklich in sich hat.

Außerdem betätigt sich die Redaktion mit ihren Partnern seit geraumer Zeit als Verlag für allerlei ausgezeichnete Bücher, Infomaterialien, Info-ROMs, Kalender, Veranstaltungsführer usw. und betreibt über ihre Homepage einen mittelalterlich orientierten Web-Radiosender. Zusammen mit ihrer Netzpräsenz ist die KARFUNKEL so mit den Jahren zu dem zentralen Forum für die mittelalterlich interessierte Gemeinde im deutschsprachigen Raum schlechthin avanciert. Mit einer Auflage von inzwischen satten 24.000 Exemplaren bei über 6.000 Abonnenten macht sich das Magazin präsent und ist inzwischen für schlappe 4,60 Euro auch in den meisten größeren Zeitschriftenläden zu erstehen. Zwischenzeitlich gab es auch die erste prall gefüllte CODEX-Sonderausgabe zum Thema „Wikinger“, die ich demnächst hier näher vorstellen möchte.

Und weil das alles noch nicht programmfüllend genug ist, wurde der aktuellen Ausgabe ohne Aufschlag die erste CD der Zeitschrift, „Abmorgenland“, beigefügt, mit über 77 Minuten Mittelaltermusik, gespielt von einem Dutzend Bands auf einundzwanzig Stücken. Entstanden ist diese Neuerung in Kooperation mit Dattelschlepper und Furunkulus Bladilo sowie dem Engagement der beteiligten Bands. Der Schwerpunkt liegt hier bei authentischer Mittelaltermusik, zumeist mit orientalischem Einschlag (dem Konzept von Dattelschlepper und dem Sampler-Titel entsprechend), aber auch einige der beliebten und gut tanzbaren Spielmannslieder sind vertreten und so manch namhafte Truppe fand den Weg auf diesen Silberling, den man auch separat erwerben kann. Einige Lieder wurden eigens für dieses Projekt geschrieben, andere Stücke wurden von den Bands konzeptionell umgestaltet. Eine echte Respektarbeit jedenfalls und allemal ungewöhnlich, zumal die CD keine Auswirkung auf den Zeitschriftenpreis hatte, niemand dafür Gage verlangte und die derzeitige Auflage von 25.000 frisch gedattelten Silberscheiben in Eigenregie aufgezogen und produziert wurde. Details zur CD-Belegschaft findet ihr [hier]http://www.powermetal.de/cdreview/review-3092.html bei uns.

Doch nun zunächst genug des enthusiastischen Lobgesangs von mir und im Detail zum Inhalt dieser Ausgabe:

* Frauen auf Kreuzzügen – Streiterinnen Christi auf dem Weg nach Jerusalem?
* Gratis-CD: Abmorgenland – Dattelschlepper Vol. 1 (21 Mittelalter-Titel)
* Kundt und Wissen: Anne de Bretagne
* Kirchliche Feste im Mittelalter – Allerheiligen, Allerseelen und St. Martin
* Schinderhannes – Ein raubender Held?
* WaffG für living history – Das neue Waffengesetz
* Gesten • Zeichen • Rituale – Die verschlüsselte Sprache der öffentlichen Inszenierung im Mittelalter
* Die Kleider von Alpirsbach – Ihre Geschichte und Reproduktion & Schnittmuster: Alpirsbacher Hemd
* Die Vandalen – Ausstellung in Schloss Bevern
* Hexenverfolgung – Teil 1: Eine geheimnisvolle Hexensekte – Theologen und ihre Phantasien
* Noten: Mir ist das Herz so wunt
* Kraut und Wurz – Minze
* Der Mont Saint-Michel – Wo der Himmel die Erde berührt
* Religion und Kult der Römer
* Terminübersicht 2003
* Spürnasen für alte Rezepte – Schiffswracks und Weißkohlsuppe
* Selbermachen: Mittelalterliche Langzinkenkämme
* Lesepult
* Hörbar
* Von Begebenheyten
* Anno Domini (Veranstaltungsberichte)
* Preisrätsel

Homepage der KARFUNKEL: http://www.karfunkel.de

Autorenkollektiv – Aufklärungsarbeit Nr. 12

Unsere Gesellschaft befindet sich in einer kritischen Umbruchsphase, die nahezu alle Lebensbereiche betrifft und derzeit insbesondere durch die politischen Entwicklungen allen Grund zu skeptischer Reflektion gibt, zumal Zweifel an der Wirklichkeit demokratischer Grundsätze mehr als angebracht sind. Es ist wichtig, dass in dieser Zeit – die von gesteuerten Massenmedien zentral beherrscht wird, welche absichtsvoll die öffentliche Meinung lenken, die Bildungsinhalte bestimmen sowie Denken und Moral in nutzbringende Richtungen bewegen – unabhängige Meinungsorgane gibt, die alternative Sichtweisen und Hintergrundinformationen verfügbar machen. Nur so ist es möglich, sich ein differenziertes Gesamtbild zu verschaffen und eine Einsicht zu bewirken, die nicht bereits einseitig vorbestimmt ist, da es ohne verschiedene Sichtweisen und Faktenquellen keine Alternativen und Wahlmöglichkeiten (auch im Sinne demokratischer Informationsbildung) gibt. Eines dieser Medien, die sich der unkonventionell nicht-angepassten Meinungsbildung verschrieben haben, ist das Magazin [Aufklärungsarbeit]http://www.aufklaerungsarbeit.de , das seit März 2003 auch am Kiosk zu erwerben ist und inzwischen mit hoher Auflage an die deutschsprachige Bevölkerung herantritt.

Ein zentraler Punkt der kritischen Berichte, Kommentare und Essays dieser Zeitschrift ist die politische Information über Missstände und Bedenklichkeiten, die sich aus den globalen Entwicklungen in neuerer Zeit ergeben haben, im Schwerpunkt natürlich rund um alles, was mit 9/11 und den Folgekriegen zu tun hat. So wird über Zensur (die es ja natürlich offiziell gar nicht gibt, ebenso wie die Meinungs- und Religionsfreiheit so schön idealistisch im Grundgesetz zu finden ist – und leider auch nur dort auf dem Papier) informiert, über Begebenheiten und Hintergründe, die aus den Mainstream-Medien gezielt herausgehalten werden, über Kontrollversuche der Machthaber, über alternative Medizin und Spiritualität, über Militärprojekte, Vernebelungsversuche von Big Brother und über alternative Geschichtsdarstellungen, wie sie von den Siegern und Gewinnern des globalen Machtwettstreites nicht gern erwähnt gefunden werden, über Grenzwissenschaften bis hin zu Paläo-SETI und UFO-Forschung. Wer das alles ohnehin für spinnerten Verschwörungsquatsch hält, kann sich jetzt natürlich den restlichen Text ersparen und sich wieder vor den Fernseher klemmen für seine tägliche Dosis Hirnbrei – Big-Brother-Konzepte als unterhaltsames Medienspektakel für die gelangweilte Masse, perfider geht’s kaum noch.

Als Autoren konnte die „Aufklärungsarbeit“, die ihrem Namen alle Ehre macht, treffend das Motto „Information statt Desinformation“ gewählt hat und monatlich erscheint, so illustre Personen – zumeist Buchautoren – gewinnen wie Jo Conrad, Jan Udo und Johannes Holey, Andreas von Rétyi, Wolfgang Eggert, Jürgen Elsässer, Armin Risi, Hans Tolzin oder Dieter Rüggeberg. Wer sich eingehender mit alternativer und unabhängiger Wahrheitsfindung befasst hat, wird mit diesen Namen bereits vertraut sein.
Seit kurzer Zeit gibt es über die Webseite auch einen [Buchversand]http://aufklaerungsarbeit.pilt.de/ mit vielfältigen Veröffentlichungen zu diesen Bereichen und teils wenig bekannten Schriftwerken.

In dieser Ausgabe Nummer 12 vom Juli 2003, die diesmal einen deutlich spirituellen Schwerpunkt hat, findet ihr folgende Artikel:

_Virus in der Matrix_
G8-Gipfel in Evian
Die Programmierer der Neuen Weltordnung suchen den Fehler ihres Systems.
Ein politischer Kommentar von Jürgen Elsässer.

_Das Inschallah-Phänomen_
oder: „Wer denkt denn da?“
Gedanken zu Determinismus und Freiem Willen von Raphaela Nießen.

_Placebo-Effekt und die Wirklichkeit_
Ein interessanter Bericht über Forschungsergebnisse, die Erstaunliches über die Fähigkeit der Menschen offen legen, was Selbstheilung und die Erschaffung der eigenen Realität anbelangt. Von Jo Conrad.

_Jesus – Sie wollten einen anderen Messias_
Teil 2 eines langen Essays über eine alternative Darstellung des historischen Jesus, über Interpretationen der Bibel, Übersetzungsprobleme und theologische Konsequenzen. Von Johannes Holey.

_Jesus – Der erstgeborene Sohn Gottes_
Jesu Identität aus vedischer Sicht – ein theologischer und religionswissenschaftlicher Vergleich von Armin Risi.

_Kurzmeldungen_
… zu aktuellen Geschehnissen und politischen Entwicklungen.

_ Die Soldaten haben Angst, nachts nach draußen zu gehen_
Ein Erlebnisbericht aus dem besetzten Irak und Hintergrundinformationen von Robert Fisk.

_ Verschollen in der Sahara_
Spuren, die uns offiziell nicht gezeigt werden.
Eine skeptische und sorgfältig recherchierte Betrachtung zum Entführungsdrama in Algerien von Udo Schulze.

Körperausdruck und Persönlichkeit oder: _Erkenne dich selbst_
Teil 1 einer Persönlichkeitsanalyse fünfer Arche-Typen von Barbara Thielmann.

_M wie … Möllemann_
Eine Analyse der Hintergründe des Todes von Jürgen W. Möllemann. Von Barbara Thielmann.

Homepage des Magazins: http://www.aufklaerungsarbeit.de
Zur Bestellseite der Aufklärungsarbeit geht es [hier]http://www.aufklaerungsarbeit.de/kontaktabo.php entlang.

Huff, Tanya – Blutzoll

„Blutzoll“ beginnt mit einem grauenhaften Mord in der U-Bahn von Toronto. Vicki Nelson, ein früheres Mitglied der Mordkomission und jetzt Privatdetektivin, wird durch einen Hilfeschrei des Opfers alamiert. Sie kommt aber zu spät, denn der Mörder ist bereits fort und seinem Opfer, einem jungen Mann, ist nicht mehr zu helfen.

Der Mord in der U-Bahn ist der Auftakt zu einer schrecklichen Mordserie, die in den nächsten Tagen die Stadt erschüttert. Weitere Menschen fallen dem Mörder zum Opfer und werden alle mit herausgerissener Kehle und völlig blutleer zurückgelassen. Die Morde werden zwischen zwölf und ein Uhr nachts verübt und am Tatort gibt es keinerlei Spuren, die auf den Täter schließen lassen. Außerdem gibt es keine Augenzeugen und eine Verbindung zwischen den Opfern ist nicht erkennbar. Die Polizei steht vor einem Rätsel, doch für die Presse ist schnell klar: „Vampir sucht Stadt heim!“

Dabei ahnt niemand, dass tatsächlich ein Vampir in Toronto lebt. Henry Fitzroy, ein fast 500 Jahre alter Vampir, ist aber in keiner Weise für die Morde verantwortlich, sondern bemüht sich, ein völlig unauffälliges „Leben“ als Schriftsteller zu führen. Er glaubt, dass ein wahnsinniger Vampir in sein Revier eingedrungen ist und die Morde verübt. Besorgt, dass die Aufmerksamkeit der Menschen auf ihn gelenkt werden könnte, beschließt er den Schuldigen zu finden und zu vernichten.

Auch Vicki Nelson, die Privatdetektivin, versucht den Mörder im Auftrag der Verlobten des ersten Opfers zu finden.
Weder der Vampir noch die Privatdetektivin können ahnen, dass noch etwas viel grauenhafteres als ein wahnsinniger Vampir die Morde verübt und dass sie ihre Kräfte vereinigen müssen, um die Stadt vor dem Untergang zu bewahren.

Tanya Huff ist mit „Blutzoll“ ein Vampir-Roman der Extraklasse gelungen. Anders als in den Büchern von Anne Rice steht jedoch nicht der Vampir im Mittelpunkt. Die Hauptfigur des Romans ist ohne Zweifel Vicki Nelson, ehemals die beste Ermittlerin der Mordkomission, die jedoch durch eine Krankheit, die sie langsam erblinden lässt, gezwungen wurde, ihren Job aufzugeben und nun als Privatdetektivin arbeitet. Dabei bleibt der Vampir Henry Fitzroy aber keine schemenhafte Nebenfigur, sondern wird genauso lebendig charakterisiert wie Vicki. Die Autorin stützt sich bei seiner Darstellung teilweise auf den von Bram Stoker aufgestellten Vampirmythos, hat aber auch eigene sehr originelle Ideen.
Spannung, ein intelligenter Plot, glaubwürdige Charaktere, eine geradlinige Story und eine gehörige Portion Humor machen „Blutzoll“ zu einem schauerhaft-schönen Mix aus Krimi und Horror-Roman.

„Blutzoll“ bildet den Auftakt einer fünfteiligen Serie um die Privatdetektivin Vicki Nelson und den Vampir Henry Fitzroy. Bisher sind drei Teile davon auf deutsch erschienen: „Blutzoll“, „Blutspur“ und „Blutlinien“. Der vierte Teil „Blutpakt“ erscheint im November, ebenfalls beim Feder & Schwert Verlag. Mit 12,95 Euro sind die Bücher ziemlich teuer, bieten aber eine wirklich gute Aufmachung: große Schrift, festes weißes Papier und ein tolles Cover-Bild.

Tanya Huff wurde 1957 in Halifax geboren und ging als eine der ersten Frauen Kanadas zur Canadian Naval Reserve, der kanadischen Marine. Sie lebt heute irgendwo im Nirgendwo Kanadas in der Nähe von Toronto mit ihrer Gefährtin Fiona Patton, einer Menge Katzen und einem Chihuahua.

Homepage der Autorin: http://www.meishamerlin.com/TanyaHuff.html

Iles, Greg – Infernal

Die Kriegsfotografin Jordan Glass stößt auf eine bizarre Gemäldeserie. Eine der im todesähnlichem Schlaf dargestellten Frauen ist ihre verschwundene Schwester Jane. Zusammen mit dem FBI stößt Jordan auf vier Verdächtige in New Orleans: Alle sind Kunstmaler. Wissen sie, ob Jane bereits tot ist? Lebt sie wieder Erwarten noch? Plötzlich wird Jordan selbst zum Ziel des Serienmörders.

Greg Iles wurde in Deutschland geboren und verbrachte seine Jugend in Natchez am Mississippi. 1983 beendete er sein Studium an der University des Staates Mississippi, seither widmet er sich dem Schreiben. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seit seinem Roman „@E.R.O.S.“ finden sich seine Werke in den Bestsellerlisten. Zu dem Film „24 Stunden in seiner Gewalt“ mit Kevin Bacon und Courtney Love schrieb Iles das Drehbuch, das auf seinem Roman beruht.

Als die Fotografin Jordan Glass für Buchrecherchen ein Museum in Hongkong besucht, erleidet sie den Schock ihres Lebens: Die aktuelle Gemäldeausstellung des Kunstmuseums zeigt eine Serie von nackten Frauen, die zu schlafen scheinen. Doch sie sind so blass, dass sie genauso gut tot sein könnten. Und das Gesicht einer dieser Frauen ist ihr eigenes: das ihres eineiigen Zwillings Jane. Auch die anderen Besucher des Museum erleiden einen Schock: Da hängen Bilder von nackten, möglicherweise toten Frauen an der Wand, und plötzlich spaziert eine der Totgeglaubten mitten unter ihnen umher… Als Jordan aus dem Chaos, das ihr Erscheinen verursacht hat, entkommen kann, schnappt sie sich den erstbesten Flieger, der sie in die Staaten bringt und ruft das FBI an.
Ihre Schwester Jane ist bereits über ein Jahr verschwunden – entführt, wie man glaubt. Und nun könnte das in Hongkong entdeckte Gemälde der endgültige Beweis sein, dass sie tot ist. Schon lange arbeitet daher Jordan mit Stellen des FBI in Quantico zusammen. Jordans Schreck sitzt tief, doch sie kann ihn bezähmen: Als Kriegsfotografin hat sie schon so ziemlich jede Horrorszene erlebt, die man sich vorstellen kann; auch am eigenen Leib…

Sofort fliegt sie nach New York City, um den Händler zu treffen, der dem japanischen Besitzer der Museumsbilder die Gemälde verkauft hatte: Christopher Wingate. Doch kaum ist sie mit ihren hartnäckigen Reporterfragen ein Stück weit in die Vorgeschichte der Gemälde eingedrungen, als in der Galerie Feuer gelegt wird. Sie entkommt mit knapper Not dem Inferno, doch Wingate schafft es nicht. Ein Besuch bei einem von Wingates Kunden, dem Exilfranzosen Marcel de Becque, verläuft ziemlich ergebnislos: Er hatte die ersten fünf Bilder gekauft, doch nicht auch jenes bekommen, das Jane zeigt.

Die Spur der in Hongkong sichergestellten Bilder führt über extrem seltene Pinselhaare direkt an die Universität von New Orleans, die Tulane University. In dieser Stadt hatte Jane mit ihrer Familie gelebt, hier hatte Jordan mal bei einer Tageszeitung gearbeitet. (Und hier kennt sich der in Mississippi aufgewachsene Autor hervorragend aus.) Zusammen mit FBI-Leuten, dem Special Agent John Kaiser und dem Psychologen Dr. Arthur Lenz, darf Jordan an den Verhören von vier Verdächtigen teilnehmen, darunter einem weltbekannten Kunstmaler namens Wheaton. Ist Jane noch am Leben? Als Jordan bereits glaubt, ihre Nachforschungen würden ergebnislos verlaufen, verschwindet eine der Verdächtigen direkt vor den Augen ihrer FBI-Beschatter. Wenig später wird ein perfekt organisierter Angriff auf Jordan und ihre FBI-Beschützerin ausgeführt. Nur gut, dass auch John Kaiser in der Nähe ist…

Ich habe seit einiger Zeit keinen derart spannenden Thriller mehr gelesen. Nach dem furiosen Auftakt, der zur Hauptsache aus der erschütternden Entdeckung von Janes Bild und dem Brand in Wingates Galerie besteht, gerät die Handlung erst einmal in ruhigeres Fahrwasser. Die Befürchtung, die Verhöre der vier Verdächtigen könnten sich als falsche Fährte erweisen, die der Autor ausgelegt hat, um uns irrezuführen, bewahrheitet sich nicht: Hier sind wir schon genau richtig. Die Lage spitzt sich bereits nach 250 bis 300 Seiten einigermaßen zu, als Jordan brutal angegriffen wird, wobei ihre Beschützerin ihr Leben opfert. Von da an überschlagen sich die Informationen und Ereignisse, bis zu einer langen und beklemmenden Passage, in der sich Jordan hilflos in den Gewalt des Mörders wiederfindet und erfährt, wie alles begann. Nach dem obligatorischen Showdown findet eine doppelte Wiederauferstehung statt. Mehr darf ich nicht verraten.

Menschlich anrührend ist der Roman in sehr vielen Szenen, ganz gleich, ob es sich um die Ich-Erzählerin Jordan Glass geht oder um die gewaltsam verwaiste Familie ihrer Schwester. Hilfe und Beistand findet die 40-jährige Jordan, die sich in ihrer Arbeit verloren hat, bei Special Agent John Kaiser. Nach einigen zaghaften Annäherungsversuchen, die immer wieder von dienstlichen Anrufen unterbrochen werden, finden die beiden schließlich zueinander, um gemeinsam einen Neuanfang zu wagen. Ungewöhnlich an der mittlerweile gewohnten Plottidee des psychisch abnormalen Serienmörders ist das Milieu, in dem der Täter zu suchen ist. Die Kunstmalerei war bislang nicht besonders dafür bekannt, Schauplatz blutiger Morde oder anderer Kapitalverbrechen zu sein. Prompt kommt auch hier der Verweis auf Oscar Wildes berühmte Novelle „Das Bildnis des Dorian Gray“, in dem der „Titelheld“ einen Mord begeht und sich danach ewige Jugend verschafft – zumindest vorerst. Greg Iles verrät große Detailkenntnisse, für die er sich bei den konsultierten Sachverständigen am Schluss des Buches artig bedankt.

Oftmals das Sorgenkind bei Romanen mit solch spezialisierten Fachbereichen, wie sie hier auftreten, ist die Übersetzung diesmal ausgezeichnet gelungen. Anders als bei Tom Clancys letztem Buch hat auch das Lektorat keine Fehler übersehen. Obwohl ich den Übersetzer Axel Merz nicht gerade als den Allerbesten seines Fachs kennengelernt habe – er übertrug den kompletten Armageddon-Zyklus von Peter F. Hamilton ins Deutsche -, so hat diesmal die möglicherweise bessere Bezahlung als beim Taschenbuch für einwandfreie Arbeitsergebnisse gesorgt. Schon lange habe ich den Eindruck, dass Hardcover-Übersetzungen eine höhere Qualität besitzen als Taschenbücher. Ausnahmen wie Clancy bestätigen die Regel.

„Infernal“ ist ein kompetent gebauter und sehr spannend erzählter Thriller, der mit ähnlichen Elementen umgeht wie etwa „Sieben“ oder „Das Schweigen der Lämmer“ und damit Erfolg hat. Nur dass seine Figurenzeichnungen außer bei der Hauptfigur nicht besonders tiefgründig sind. Jordan und ihre Familie erhalten eine eigene Historie, die psychologisch untermauert wird und für eine subtile Spannung sorgt. Daher versteht man auch, warum Jordan so sehr bemüht ist, die Wahrheit über Janes Schicksal herauszufinden: Sie muss sich selbst retten, bevor sie zusammenbricht. Nun könnte man noch meinen, die Morde an den „Schlafenden Frauen“ wären sinnlos, weil sie von einem psychisch Gestörten begangen werden. Dem ist keineswegs so – die Botschaft, die Iles geschickt verpackt hat, lautet wie folgt: Je höhere Preise Gemälde mit bestimmten Motiven erzielen können, desto mehr wird das entsprechende Angebot zunehmen: das Gesetz von Nachfrage und Angebot. Schlecht für die Opfer: Erst als die nackten Frauen realistisch so dargestellt werden, als befänden sie sich im Todesschlaf, steigen die Preise rasant in die Höhe: Das letzte Gemälde bringt fast zwei Millionen Dollar! Kunst killt.

Ich habe den Roman in nur drei Tagen gelesen, wobei ich in der letzten Sitzung die restlichen 300 Seiten einfach am Stück lesen musste. Das Buch ist zu spannend, um es einfach zwischendurch mal weglegen zu können. Die Mühe hat sich gelohnt. Ich bin rundum zufrieden mit dem Buch.

Homepage des Autors: http://www.gregiles.com

_Michael Matzer_ (c) 2003ff
(lektoriell editiert)