Allen, Robert – große IQ-Trainingsbuch, Das

Die schicken – und in ihren Erkenntnissen eigentlich überhaupt nicht neuen – Statistiken der PISA-Studien sind vielleicht ihrem Aussagegehalt nach von zweifelhaftem Nutzwert, aber eines zumindest haben sie auf jeden Fall an positiver Entwicklung eingebracht: geradezu einen Massenansturm auf alles, was mit Bildung und Denksport zu tun hat, bevorzugt in Quiz-Form. Wissen.de ist als Europas größtes Bildungsportal natürlich auf dieses Zugpferd mit aufgesprungen und hat das 1995 von Robert Allen und MENSA herausgegebene Werk „MENSA presents the ultimate mental challenge“ unter dem etwas blassen Titel „Das große IQ-Trainingsbuch“ aufgelegt.

Der Originaltitel trifft es dabei besser, denn auf den weit über 300 großformatigen Seiten dieses hart gebundenen Schwergewichtes wird nicht nur mengenmäßig viel geboten, sondern auch qualitativ und dies im Anspruch nicht gerade zurückhaltend gewählt. Damit zeigt sich schon der erste Knackpunkt, der die Güte des Inhaltes in meinen Augen allerdings nicht schmälert, sondern umso interessanter macht: Das Buch ist nur eingeschränkt als Trainingsbuch für Anfänger geeignet, setzt eher bereits einige Erfahrung im Umgang mit derlei Denksportknobeleien voraus und lässt es bereits auf Seite 1 von Level 1 ordentlich knacken. Der Schwierigkeitsgrad ist zwar recht variabel und zudem sinnigerweise in drei Schwierigkeitsebenen aufgeschlüsselt, aber seichte Minirätsel, die man in zehn Sekunden durchschaut hat, wird man hier kaum finden. Um wirklich in diesen Bereich einzusteigen und mit Testaufgaben verschiedenen Typs warm zu werden, eignet sich eher ein in der Erwartung zurückhaltender aufgebautes Buch wie z.B. jenes zum „RTL IQ-Test“ (kein Wunder, dass bei solchen Schmunzelaufgaben nach der Sendung jeder Zweite in Deutschland freudig erregt nackt durch die Straßen tanzte und verkündete, sein IQ läge über 120).

Wie auch immer – da sich hartnäckig das Gerücht hält, selbst Metaller und anderweitig gitarrenbegeistertes Volk könnten zusammenhängende Gedankengänge nachvollziehen, sogar selbst konstruieren und hätten zudem Freude an Hirnakrobatik, soll mich nichts davon abhalten, euch das „IQ-Trainingsbuch“ noch etwas näher vorzustellen.

Die Aufgaben sind ziemlich abwechslungsreich gestaltet und sprechen die verschiedensten Denkbereiche an. Dabei gibt es neben Aufgaben, wie sie auch in Bewerbungs- oder IQ-Tests üblich sind, viele, die sich an Knobelbegeisterte wenden – und in Zeit- und Logikaufwand entsprechend anspruchsvoll gehalten sind und den Wert gegenüber anderen Veröffentlichungen dieser Form anheben. Wie schon erwähnt, werden diese Hauptaufgaben in drei „Levels“ unterteilt, wobei jedem Level ausführliche Lösungen mit Begründung folgen sowie etwas leerer Raum für persönliche Notizen im Buch.
Zwei besondere Passagen sind zwischen den Levels zu finden: Zum einen das Spiel „Gargantua“, zum andren ein Block von Labyrinthen. Bei „Gargantua“ handelt es sich um einen Zentralrechner, der samt seinem Erfinder durch einen elektrischen Schlag außer Kontrolle geraten ist und nun wieder in den Griff bekommen werden soll. Dazu muss man sich durch ein vom Erfinder angelegtes Sicherheitssystem hangeln, das aus komplizierten Denkaufgaben besteht, wobei jede erreichte Lösung zur Gesamtlösung und der nächsten Hürde beiträgt. Dieses knackige Spiel dürfte so manchen Knoten in die Hirnwindungen jener schrauben, die sich daran wagen, den Code zu knacken. Die erwähnten Labyrinthe sind ebenfalls recht abwechslungsreich gestaltet und bieten auch für Erfahrene noch genug Anreiz.
Wer damit immer noch nicht ausgelastet ist, darf sich zusätzlich zum Ende des Buches einem Test zur Allgemeinbildung und einem IQ-Test samt Auswertung widmen – und gleich antesten, ob das Durcharbeiten dieses ausgesprochen empfehlenswerten Wälzers seinem IQ tatsächlich durch Training auf die Sprünge geholfen hat.

Eine einschränkende Bemerkung noch zum Schluss: An einigen wenigen Stellen hat sich der Druckteufel eingeschlichen (bzw. der Lektor gepennt) und beim Testknobeln fiel uns bislang eine durch Druckfehler nicht mehr lösbare Aufgabe auf (was ein vergessenes Haar an einem Strichmännchengesicht so alles ausmachen kann). Etwas mehr Sorgfalt wäre hier geboten gewesen. Ansonsten ist das „IQ-Trainingsbuch“ eine absolut solide Sache geworden, die zu einem sehr fairen Preis ordentlich etwas zu bieten hat und für lange, lange Zeit jede Menge Knobelspaß bereitet.

Lawhead, Stephen – Sohn des Kreuzfahrers, Der (The Celtic Crusades)

1899, Schottland: Ein Mitglied eines religiösen Geheimbundes wird einer Aufgabe unterzogen, in deren Verlauf er die Entstehungsgeschichte des Ordens entdecken kann:

Im Jahre 1096 n. Chr. ruft Papst Urban II. alle Gläubigen auf, ins Heilige Land zu ziehen und Jerusalem vom Joch der Ungläubigen zu befreien.
Ranulf, der Herr zu Hrafnbú in Dyrness auf den Orkney-Inseln, und zwei seiner Söhne folgen dem Ruf.

Der jüngste Sohn Murdo und seine Mutter Niamh bleiben zurück, um das Anwesen in deren Abwesenheit zu verwalten. Während die beiden das Osterfest bei Freunden verbringen, wird Hrafnbú von einem Edelmann besetzt, der danach ebenfalls das Kreuz nimmt und das Anwesen unter den Schutz der Kirche stellt.

Ein Gang zum Abt bringt schnell ans Tageslicht, dass die habgierigen Kirchenmänner die Besetzung der Grundstücke initiiert haben, um so in deren Besitz zu gelangen. Unfähig etwas dagegen zu tun, beschließt Murdo seinem Vater nachzureisen, damit dieser Hrafnbú aus den Klauen der Kirche rettet.

Er findet Platz auf dem Schiff eines Nordmannes, der König Magnus von Norwegen hinterher segelt, um ebenfalls an der Befreiung von Jerusalem teilzunehmen. An Bord befinden sich drei Mönche, und trotz seiner Feindschaft gegenüber Kirchenmännern ist Murdo von ihnen und ihrer Einstellung zum Leben und zu Gott fasziniert. Gespannt lauscht er ihren Erzählungen über ihre Heimat und über das Heilige Licht und den Wahren Weg.

Parallel dazu müssen die Pilger auf ihrem Weg nach Jerusalem verschiedene Hürden nehmen. So verlangt Alexios Komnenos, Kaiser der gesamten Christenheit, von den Edelmännern bei ihrer Ankunft in Konstantinopel ein Treuegelöbnis und die Anerkennung seines Besitzanspruches zurückeroberter Städte.

Überall lauern Hinterhalte der Ungläubigen; Hungersnöte, die Pest und die unerträgliche Hitze begleiten die Pilger auf ihrer dreijährigen Reise. Als Murdo in Jerusalem eintrifft, ist die Stadt bereits befreit – und zerstört. Blutströme ergießen sich durch die Straßen der Stadt und sinnloses, brutales Morden ist der Hauptzeitvertreib der Pilger. In all dem Gewirr begibt sich Murdo auf die Suche nach seinem Vater.

So spannend das Buch auch begann, so sehr musste ich mich zusammennehmen, um es überhaupt zu Ende zu lesen. Immer wieder ein Gähnen unterdrückend quälte ich mich durch die umfangreiche, langatmige Schilderung des Kreuzzugs, während ich mich ständig fragte, ob der Autor zwangsverpflichtet war, 716 Seiten abzuliefern … Auch der ständige Wechsel zwischen den Zeiten (zwischendurch finden wir uns gelegentlich im Jahre 1899 wieder), Schauplätzen und Personen hat nur die Verwirrung des Lesers zur Folge, aber keine zusätzliche Spannung wie es vermutlich beabsichtigt war.

Dem größten Teil der handelnden Personen fehlt es an der nötigen Ausstrahlung, um eine gewisse Neugier auf deren Tun und Lassen entwickeln zu können. Die Beschreibung der Schauplätze ist einfach glanzlos, und überhaupt ist der Schreibstil ermüdend. Seitenlanges Warten auf den Fortgang der Story brachte mich dann endgültig zur traurigen Erkenntnis, dass ich tatsächlich einen Fehlkauf getätigt hatte und bei meiner Wunschliste hätte bleiben sollen. Doch vielleicht können ja eingefleischte Mittelalter-Fans mit besonderer Affinität zu den Kreuzzügen diesem Roman einiges abringen, was mir versagt geblieben ist.

Hinweis: „Der Sohn des Kreuzfahrers“ ist die Taschenbuchausgabe des gebundenen „Das Kreuz und die Lanze“, nicht die Fortsetzung davon! Deren Titel lautet „Der Gast des Kalifen“, und das Buch ist bereits im Handel erhältlich.

Stephen Lawhead wurde 1950 in den USA geboren und studierte Kunst und Englisch am Kearney State College. Er machte seinen Magister in Theologie nach zwei Jahren am Northern Baptist Theological Seminary. Lawhead lebt heute mit seiner Familie in Oxford. Sein erstes Werk „In der Halle des Drachenkönigs“ eröffnete die Drachenkönig-Triologie, gefolgt von vielen weiteren Romanen, wie z. B. der Empyrion-Duologie, der Pentragon-Saga sowie „Das Lied von Albion“ (3 Bände).

http://www.bastei-luebbe.de

Detlef Wienecke-Janz (Hrsg.) – Lexikon der Zauberwelten

Wissen.de, das größte europäische Netzportal für lexikalisches Wissen und Bildung (zur Bertelsmanngruppe gehörend), hat eine Reihe eigener Bücher herausgebracht, bei denen es sich um Lexika oder Denksport-Bände handelt und die durch ihre Darstellungsform ebenso wie die Webseite gerade für die jüngere Leserschaft sehr reizvoll sind. „Lexikon der Zauberwelten – Gandalf & Co.“ widmet sich dem Bereich der Phantasie und Mythologie in einer modernen, optisch wie inhaltlich sehr ansprechenden Form und bereichert Buchsammlung wie Rundumbildung jedes Liebhabers von Fantasy, Science-Fiction oder Mythen.

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Case, John F. – erste der sieben Siegel, Das

Stellt Euch vor, es gäbe eine Sekte, die die Erde von der Überbevölkerung und allen Sündern befreien möchte – und zwar mit Hilfe eines Influenzavirus‘, das Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts unter dem Namen „Die spanische Dame“ zahlreiche Opfer fand und nun durch Manipulation zur perfekten Vernichtungswaffe gezüchtet wurde.
In John F. Cases „Das erste der sieben Siegel“ wird diese Vision grausige Wirklichkeit.

In New York wird ein Ehepaar ermordet. In Nordkorea wird ein kleines Dorf mit Bomben ausgelöscht. Ein Bewohner, dem die Flucht in die entmilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea gelingt, berichtet, dass im Dorf vor der Auslöschung die „spanische Dame“ ausgebrochen sei. Das Virus galt bis dahin als ausgestorben und auch in den Forschungslabors als nicht vorrätig.

Dr. Kicklighter und seine Schülerin Annie Adair bekommen daraufhin ihren bereits abgelehnt gewesenen Finanzierungsantrag für ein Forschungsprojekt bewilligt. Sie wollen in Norwegen Leichen von Bergarbeitern ausgraben, die seit ihrem Tod 1918 im Dauerfrost begraben und höchstwahrscheinlich an dem besagten Virus gestorben sind.
Doch als sie dort ankommen, sind die Gräber bereits leer.

Der Journalist Frank Daly – der eigentlich über die Ausgrabung berichten sollte, aber den Eisbrecher verpaßt hatte – wittert durch die Verschwiegenheit der beiden Wissenschaftler nach deren Rückkehr und der Anwesenheit des CIA eine heiße Story und beginnt nachzuforschen, wo die Leichen geblieben sind.
Diese wurden unter amerikanischen Namen eingeführt, und ein Name davon ist Leonard Bergmann, der Sohn des ermordeten Ehepaares und Mitglied beim „Tempel des Lichts“.
Daly nimmt die Sekte genauer unter die Lupe, währenddessen deren Mitglieder eine schwächere Version des Virus in verschiedenen Städten auf die beste Verteilungsmöglichkeit und die Ansteckungsrate testen.

Adair bricht schließlich ihr Schweigen und hilft dem Reporter.
Als seine Recherchen den grausigen Plan langsam aufdecken und er sich ans FBI wendet, gerät er in Lebensgefahr. Zuerst wird er überfallen, und als er dennoch weitermacht, wird er unter starke Drogen gesetzt – die letzte Warnung des Tempels.
Kurz darauf wird Adair von Sektenmitgliedern gekidnappt.
Daly, der noch angeschlagen zur Annies Rettung eilt, gerät ebenfalls in Gefangenschaft und lernt auf diese Weise Solange, den Anführer der Sekte kennen. Solange hält sich für den ersten der vier Apokalyptischen Reiter aus der Offenbarung des Johannes und ist bereit, alle zu vernichten, die nicht seinem Tempel angehören.

„Das erste der sieben Siegel“ ist ein brilliant geschriebener Thriller, der es mir unmöglich machte, ihn aus der Hand zu legen. Wie wir an geklonten Babys und Massensuiziden bei Sekten sehen können, ist das Thema nicht weit hergeholt, und gerade der Gedanke, dass es wirklich passieren könnte, macht das Buch noch spannender.
Allerdings muss sich der Leser auf den ersten Seiten durch zahlreiche Institutionen und deren Abkürzungen durchwühlen, was ich persönlich recht anstrengend fand. Doch wenn man das überstanden hat, bietet Case Lesevergnügen pur.
Kurzum: „Das erste der sieben Siegel“ kann ich nur wärmstens empfehlen!

Zum Autor muss gesagt werden, dass John F. Case (1942 geboren) ein Pseudonym ist für einen preisgekrönten Enthüllungsjournalisten und Gründer einer Firma, die sich auf internationale Recherchen für Anwaltskanzleien und Gewerkschaften spezialisiert hat. Er lebt mit seiner Frau in Afton, Virginia, und schrieb bereits „Der Schatten des Herrn“. Aktuell im Buchhandel erhältlich ist sein neuer Thriller „Gefälschtes Gedächtnis“.

Wild, Hermann – vergessene Energie, Die

Der schweizerische Physiker Dr. Hermann Wild, Jahrgang 1930, gehört zu jenem noch kleinen, doch zunehmend wachsenden Kreis wissenschaftlicher Pioniere, vornehmlich Ingenieure und praxisorientierte Physiker, die sich in den letzten Jahren daran gemacht haben, energetische Anomalien zu untersuchen und alternative Energiemodelle aufzubauen, die in der Lage sind, diese Anomalien und von der Wissenschaft bislang abgewiesenen energetischen Quellen besser verstehen und erkennen zu können. Dieser Themenkreis gehört in das Umfeld der so gern belächelten Suche nach der „Freien Energie“, deren Ansätze bislang entweder mit Resonanzeffekten oder noch nicht näher untersuchten Feldquellen wie Trägheits- und Vakuumfeldern arbeiten. In seinem Buch „Die vergessene Energie“ widmet sich Wild zudem einem besonders schwierigen Problem: Der Kopplung von physischer und psychischer Energie. Schwierig deshalb, weil die Physik bislang als Wissenschaft von der „unbelebten“ Materie verstanden wird und beobachterunabhängig ohne jeden psychischen Einfluss auskommen „muss“.

Das Buch beginnt mit Betrachtungen einer interessanten alternativen Welt- und Dimensionsvorstellung – in den Wissenschaften in dieser Form hinreichend bekannt, aber der Allgemeinheit weniger vertraut – und formt im Vorfeld eine neue, erweiternde Bereichseinteilung physikalischer Wissenschaft, die aus bislang unerklärbaren Kenntnissen heraus notwendig geworden ist und interdisziplinärer arbeiten muss – eine Entwicklung, die erfreulicherweise im Wissenschaftsbetrieb allmählich Fuß fasst und sich zunehmend ausformt.
Auf der Suche nach Beschreibungsmöglichkeiten und Eigenschaften der ihn interessierenden Energiebetrachtungen begibt sich Wild zunächst in die Antike und berichtet von Überlieferungen und baulichen Errungenschaften alter Völker, vornehmlich der Hopi-Indianer, Ägypter und Inder, wobei er sich sowohl auf noch existierende Bauten als auch auf Mythenbeschreibungen und im Volkstum erhaltene Ansichten bezieht, um nach Ähnlichkeiten und Überschneidungen zu suchen.
Sodann begibt er sich in die Neuzeit und beschreibt die erstaunlichen und bislang unerklärbaren Versuche und Maschinen von Keely, Moray, Wilhelm Reich und Peschka, die entweder noch immer nachweisbar sind oder zumindest durch alte Aufzeichnungen und vertrauenswürdige Zeitzeugenberichte bestätigt werden können. Dabei zeigen sich Parallelen zu den vorherigen Betrachtungen, insbesondere die Art der Energieumwandlung und als zentrales Element eine offenbare psychische Komponente, die auch die Ursache für die Nichterklärbarkeit durch die Wissenschaft sein dürfte, da in diesem Bereich keine Nachweis- und Messmöglichkeit besteht und sie somit außerhalb „physikalischer Realität“ liegt. Da Resonanzkopplung eine wesentliche Rolle zu spielen scheint, wundert es mich etwas, dass von den Erfindungen und Ansichten des erstaunlichsten und wesentlich unterbewerteten praktischen Physikers der Neuzeit, Nikolas Tesla, nichts erwähnt wird; vielleicht fällt hier allerdings die psychische Komponente in den Hintergrund und wäre somit für das Kernthema nicht weiter Gewinn bringend.
Es folgt eine Darstellung der bislang postulierten Erdstrahlungen, scheinbar verschiedener Art, aber durchaus miteinander verflochten. Dabei begibt sich Wild auch in den Bereich der Radäesthesie, also der Grenzwissenschaft vom Rutengehen oder Auspendeln zur Auffindung und Wahrnehmung von Energie- und Strahlungsfeldern.
Nach der Untersuchung technischer Eigentümlichkeiten und besonderer Strahlungsformen, die mit diesen durchaus in Verbindung gebracht werden können, wendet der Autor sich einer Kernthese seiner Darstellung zu: Der Einbeziehung der Psyche in die Wechselwirkung mit diesen Energiefeldern. Ein Bereich dessen befasst sich mit der PSI-Forschung, hier im Wesentlichen der Tele- oder Psychokinese, also der materiellen Beeinflussung durch psychische Kräfte, womit sich eine weitere Verbindung in der Geist-Körper-Interaktion ergibt. Einige der hier erwähnten Fälle waren mir bislang auch aus themenverwandten Publikationen nicht vertraut, so dass sich auch für den interessierten und vorgebildeten Laien Neues entdecken lassen dürfte.
Vor der eigentlichen Synthese der Untersuchungen bringt Wild verschiedene Feldtheorien ins Spiel, unter anderem die von Sheldrake postulierten morphologischen oder morphogenetischen Felder, die sich wiederum mit Jungs Archetypen- und Synchronizitätstheorie verbinden ließen, womit man einen weiteren Brückenschlag zur psychischen Komponente aufbauen könnte; leider wird diese Verbindung in Wilds Buch nicht betrachtet.

In einer abschließenden Synthese-Betrachtung und Themenzusammenführung werden die Strahlungs- und Feldtypen noch einmal unter neuem Blickwinkel besehen und formuliert, Vergleiche gezogen und insbesondere die psychisch-physischen Zusammenhänge anhand von Gemeinsamkeiten und Verschiedenheiten analysiert. Zu einer in sich geschlossenen, erklärenden Theorie des hypothetischen neuen Feldes, das hier herausgearbeitet werden soll, kommt es letztlich nicht, aber die wesentlichen Ansätze sind gelungen und bieten Raum für weitere Forschung in diesem Bereich – so der Enthusiasmus solch engagierter und alternativ orientierter Wissenschaftler nicht wie so oft auf verschiedenen Bahnen durch das Etablissement ausgebremst wird. Es wären allerdings mehr fundierte empirische Daten notwendig; Wild verlässt sich in einigen Betrachtungen gelegentlich zu sehr auf „Hörensagen“ und Überliefertes, was natürlich durchaus fehlerträchtig ist und bei der Suche nach Überschneidungen und einer Reduktion des Problems durch Fehlerdaten die Synthese erschwert. Es gibt in diesem Bereich einfach zu wenig Forschungswillen und -Gelder, Aufzeichnungen und Daten; und dass hierfür ein gänzlich anderer Stil von Wissenschaftlichkeit aufgebaut werden muss, führt Dr. Wild ja selbst in seinem Buch aus.

Der Schreibstil ist im übrigen allgemein verständlich gehalten, bis auf einige Passagen, die sich auf genauere Messdaten beziehen und nicht sonderlich gut zu lesen, aber an einigen Stellen leider notwendig sind. Ansonsten verzichtet Wild größtenteils auf allzu fachspezifisches Vokabular; der Überblickscharakter vieler Passagen erfordert hingegen durchaus etwas Vorbildung.
Ergänzt wird der Band durch zahl- und hilfreiche Abbildungen und Tabellen (in denen oft wesentliche Stichworte für einen Überblick vergleichend gesammelt werden) sowie ein Stichwortregister.

Grobeinteilung aus dem Inhaltsverzeichnis:

• Einleitung
• Die andere Wirklichkeit
• Energien im Altertum
• … und in der jüngsten Vergangenheit
• Strahlungen der Erde
• Die Psyche als Empfänger von Strahlung
• Die Psyche löst Kräfte aus
• Informationsfelder
• Die Suche nach einer Synthese
• Verzeichnis der Abbildungen
• Stichwortverzeichnis

Erhältlich über den [Ancient-Mail-Verlag]http://www.ancientmail.de

Patterson, James – Wiege des Bösen, Die

„Die Wiege des Bösen“ ist bereits nach „Wenn die Mäuse Katzen jagen“ das zweite Buch, das ich von James Patterson in die Hand genommen habe. Patterson, 1949 geboren, lebt heute mit seiner Familie in Palm Beach City, Florida. Er ist Autor mehrerer Psychothriller, die mittlerweile in 27 Sprachen übersetzt wurden und weltweit eine Gesamtauflage von über 25 Millionen Exemplaren erreichten.
Für sein Erstlingswerk „Die Toten aber wissen gar nichts“ erhielt er 1976, also im zarten Alter von 27 Jahren, den begehrten Edgar Allan Poe Award.

Doch schauen wir nun mal ins Innere der „Wiege des Bösen“.

In Boston und Los Angeles wütet das Polio-Virus, die Kinderlähmung, in einer stärkeren Variante als jemals zuvor. Die Krankenhäuser sind überfüllt, und Kinder stecken sich trotz Schutzimpfung in rasender Geschwindigkeit an und sterben. Die Ärzte stehen der Seuche machtlos gegenüber.

Kathleen Beavier ist gerade mal 16 Jahre alt, schwanger und nach eigener Aussage Jungfrau. Jeden sexuellen Kontakt zu einem Jungen streitet sie ab.
Nach einem gescheiterten Abtreibungsversuch, da ihre Ärztin erhängt wurde, und einem ebenfalls missglückten Selbstmordversuch, leiten ihre Eltern ärztliche Untersuchungen ein, die die unglaubliche Tatsache bestätigen. Kathleen ist Jungfrau und schwanger. Ihre Eltern verständigen daraufhin die Kirche.

Der Bostoner Kardinal John Rooney engagiert, trotz eines offiziellen Ermittlers direkt aus Rom, die ehemalige Nonne Anne Fitzgerald, die ihren Magister in Psychologie gemacht und mehrere Jahre für die Bostoner Polizei gearbeitet hatte, um die Ursache der Epidemien herauszufinden und den Fall der Beavier zu untersuchen.

Fitzgerald, freundet sich zwar mit Kathleen an, steht deren Unschuld aber skeptisch gegenüber. Trotzdem sie Zeuge ärztlicher Untersuchungen wird, glaubt sie nicht an das Wunder der Geburt des Erlösers. Nach und nach gewinnt sie das Vertrauen des Mädchens und findet heraus, dass Kathleen sich in der Zeugungsnacht mit einem Jungen getroffen hat, sie sich jedoch nicht erinnern kann, was da passiert ist. Auch die Befragung des Jungen führt zu keinen Erkenntnissen, jedoch stirbt dieser kurz danach bei einem Autounfall. Zufall?
Die Psychologin glaubt es nicht. Selber noch Jungfrau und wegen ihrer Liebe zu dem Pastor Justin O’Carroll an ihrem Glauben zweifelnd, wehrt sie sich gegen den Gedanken an jungfräulicher Befruchtung.
Als O’Carroll in Boston auftaucht, geraten ihr Glauben und ihre Gefühlswelt erneut ins Wanken.

In der Zwischenzeit reist der römische Ermittler Nicholas Rosetti nach Maam Cross, einem kleinen Dorf in Irland. Während der Fall Kathleen Beavier in ganz Amerika durch die Presse geht – und dort einen wahren Auflauf von neuen Gläubigern produziert -, kennt keiner die 14-jährige Colleen Deirdre Calahar.
Sie ist die zweite schwangere Jungfrau.
Nur der Papst und Rosetti kennen das Geheimnis der beiden Mädchen, denn vor über achtzig Jahren wurde prophezeit, dass eine der zwei Jungfrauen den Erlöser zu Welt bringen würde, der die Seuchen und Krankheiten besiegen soll, und die andere das Kind Satans. Er soll herausfinden, welche wen gebären wird und das Böse dann vernichten.
Doch Rosetti wird von Stimmen geplagt, Stimmen der Legionen, die ihn immer mehr schwächen und ins Dunkle hinabziehen…

„Die Wiege des Bösen“ reicht meiner Meinung nach nicht an die Spannung von „Wenn die Mäuse Katzen jagen“ heran, ist aber als leichte Unterhaltung zum Abspannen durchaus zu empfehlen. Die Charaktere bleiben sich durchgängig treu, und deren Gedanken und Gefühle sind verständlich. Immer wieder mit mysteriösen Ereignissen glänzend, ist die Story in sich schlüssig und flüssig geschrieben.

_James Patterson auf |Buchwurm.info|:_

[„Das Pandora-Projekt“ 3905 (Maximum Ride 1)
[„Der Zerberus-Faktor“ 4026 (Maximum Ride 2)
[„Das Ikarus-Gen“ 2389
[„Honeymoon“ 3919
[„Ave Maria“ 2398
[„Wer hat Angst vorm Schattenmann“ 1683
[„Mauer des Schweigens“ 1394
[„Stunde der Rache“ 1392
[„Wenn er fällt, dann stirbt er“ 1391
[„Wer sich umdreht oder lacht“ 1390
[„Die Rache des Kreuzfahrers“ 1149
[„Vor aller Augen“ 1087
[„Tagebuch für Nikolas“ 854
[„Sonne, Mord und Sterne“ 537
[„Rosenrot Mausetot“ 429
[„Die Wiege des Bösen“ 47
[„Der 1. Mord“ 1361
[„Die 2. Chance“ 1362
[„Der 3. Grad“ 1370
[„4th of July“ 1565
[„Die 5. Plage“ 3915

Conroy, Pat – Herren der Insel, Die

Erzählt wird die Geschichte einer Familie, die von Liebe und Hass, von Zärtlichkeit und Gewalt zerstört und zusammengehalten wird. Als die Dichterin Savannah Wingo nach einem erneuten Selbstmordversuch in einer psychiatrischen Klinik von der Therapeutin Susan Lowenstein behandelt wird, macht diese sich auf die Suche nach der Vergangenheit ihrer berühmten Patientin und holt deren Zwillingsbruder Tom nach New York. Tom Wingo übernimmt die Aufgabe, die er seit jeher unfreiwillig inne hat – er ist das Gedächtnis von Savannah. Mit Widerwillen und in Erinnerung an Schweigegelöbnisse seiner Mutter gegenüber, beginnt er die Lebens- und Leidensgeschichte der Wingokinder zu erzählen.

Aufwachsend auf Melrose Island, einer kleinen Insel vor South Carolina, lernen sie das Handwerk des Krabbenfischens von ihrem Vater Henry Wingo, einem einfachen, zur Gewalttätigkeit neigenden Mann, und den Sinn für die Natur von ihrer Mutter Lila, einer ehrgeizig aufstrebenden Frau. Zwischen den Eltern tobt ein immerwährender, mal schwacher, mal heftiger Krieg. Luke, Savannah und Tom entwickeln jeder für sich unterschiedliche Verhaltensmuster, um die nicht vorhersehbaren elterlichen Schlachten, in die sie mit hineingezogen werden, zu verarbeiten. Der Älteste, Luke, ist der Tatkräftige unter den Dreien. Er lenkt die Gewalttätigkeit des Vaters auf sich, um seine Geschwister zu schützen, er greift zum Gewehr, um gegen ihn zu kämpfen, während Tom die Leichtigkeit des Vergessens anstrebt, unterstützt von den Worten seiner Mutter, die alle Kinder zum Schweigen verdammt. Sein Ziel ist es, ein normaler Durchschnittsbürger zu werden, was ihm leider nicht gut gelingt. Savannah hingegen driftet in bedrohliche Wahnvorstellungen ab, hat massive Gedächtnislücken und verwandelt mit Toms Hilfe die traumatischen Erlebnisse in poetische Verse, die sie zwar zu einer erfolgreichen Dichterin machen, aber ihre zerbrochene Seele nicht heilen können, so dass sie in kurzer Zeit mehrere, immer ernster werdende Selbstmordversuche unternimmt. Über allem schwebt das Wort „Callenwolde“, das der Schlüssel zu Savannahs Heilung zu sein scheint, dessen Geschichte jedoch in Tom fest eingeschlossen ist.

Aber auch in der Gegenwart sieht es nicht besser aus: Henry Wingo, unfähig seiner Frau das zu geben, was sie will, zerbricht an der Scheidung, während Lila ihren Aufstieg in die gehobenere Schicht nach langer Planung geschafft hat. Luke wurde als Amokläufer bei polizeilicher Gegenwehr erschossen. Toms Frau hat einen Liebhaber und will sich von ihm trennen, er selbst ist arbeitslos und unzufrieden mit sich. Zynisch und verbittert kämpft er gegen sich selbst, gegen seine eigene Familie und auch gegen die Therapeutin. Savannah liegt im lebensbedrohlichen Zustand in der Klinik und ist wieder einmal auf die Hilfe ihres Bruders angewiesen. Selbst die Therapeutin Susan Lowenstein hat private Probleme, die sie nicht bewältigen kann.

Nach und nach dringt Dr. Lowenstein in die Schreckensgeschichte der Wingos ein, macht sich an die schwere Aufgabe, das Siegel der Verschwiegenheit zu durchbrechen und die Heilung mittlerweile nicht nur von Savannah in Angriff zu nehmen, sondern auch von Tom und nicht zuletzt von sich selbst.

Pat Conroy, aus South Carolina stammend und zur Zeit in Rom lebend, schuf ein Buch, das herzzerreißender und denkanregender kaum sein kann. Lebhaft erzählt er in einem ständigen Wechsel von wunderschönen, verträumten und kalten, selbstzerstörerischen Bildern die Geschichte einer psychoanalytischen Selbstfindung, die den Leser unwillkürlich dazu bringt, auch mal in sich selbst hineinzuhorchen, um vielleicht eine schnelle Analyse seiner eigenen Lebenssituation zu vollziehen.

Erfolgreich verfilmt wurde das Buch unter dem Titel „Der Herr der Gezeiten“ von und mit Barbra Streisand, die die Therapeutin Susan Lowenstein spielt, mit Nick Nolte an ihrer Seite als Tom Wingo.

_Leseprobe:_

|“Ich wünschte, es gäbe keine Geschichte, über die hier zu berichten wäre. Lange Zeit habe ich so getan, als hätte meine Kindheit nicht stattgefunden. Ich hielt sie tief in meiner Brust verschlossen. Nein, ich konnte sie nicht herauslassen, ich folgte dem fragwürdigen Beispiel meiner Mutter. Gedächtnis ist auch eine Sache des Willens, und ich entschied mich gegen mein Gedächtnis. Da ich die Liebe zu meiner Mutter und meinem Vater brauchte, trotz all ihrer menschlichen Schwächen und Gebrechen, konnte ich es mir nicht leisten, sie unverblümt auf die schweren Vergehen anzusprechen, die sie an uns Kindern begangen hatten. Ich konnte sie nicht verantwortlich machen oder ihnen die Schuld an schweren Fehlern geben, die sie nicht hatten verhindern können. Sie hatten ihre eigene Geschichte, eine Geschichte, an die ich mich nur mit Zärtlichkeit und Schmerz zugleich erinnere und die mich all ihre Vergehen an den eigenen Kindern verzeihen ließ. In Familien gibt es kein Verbrechen, das nicht vergeben werden könnte.

Nach Savannahs zweiten Selbstmordversuch besuchte ich sie in New York in einer psychiatrischen Klinik. Ich beugte mich zu ihr hinab, um sie in europäischer Manier auf beide Wangen zu küssen. Nachdem ich tief in ihre erschöpften Augen geblickt hatte, stellte ich ihr eine Reihe von Fragen – wie stets, wenn wir uns nach langer Trennung wiedersahen.

‚Wie war dein Familienleben, Savannah?‘ erkundigte ich mich im Tonfall eines Interviewers.

‚Hiroshima‘, flüsterte sie.

‚Und wie war dein Leben, seit du den sicheren, warmen Schoß deiner fürsorglichen, einträchtigen Familie verlassen hast?‘

‚Nagasaki‘, antwortete sie mit einem bitteren Lächeln um den Mund.“|

Robert A. Heinlein – Fremder in einer fremden Welt

Dieser Roman erschien 1961 das erste Mal in den USA und löste eine Welle verschiedenster Reaktionen aus – die ganze Palette von emphatischer Zustimmung bis hin zu empörter Ablehnung. „Stranger in a strange world“ war einer der programmatischen Romane der Sechzigerjahre. Vor allem die Hippie-Bewegung las Heinleins Worte mit Begeisterung und Charles Manson fühlte sich durch den Roman inspiriert.
Dabei gilt Heinlein allgemein als „Rechter“, als eine Mischung aus Aristokrat, Militarist, Anarchist und typisch amerikanischer Selfmade-Man-Attitüde. Irgendwie scheint es da kein Wunder, dass ein Kater im Roman Friedrich Wilhelm Nietzsche heißt.

Robert A. Heinlein – Fremder in einer fremden Welt weiterlesen

Klaus Bemmann – Die Religion der Germanen

Dem Phaidon-Verlag verdanken wir einige Bücher zum Thema Germanentum, insbesondere die Herausgabe von Quellentexten in deutscher Übersetzung (so die Simrock-Übersetzungen der „Edda“ und des „Nibelungenliedes“) und die Wiederveröffentlichung von Autoren des 19. Jahrhunderts, unter denen der bekannteste wohl Felix Dahn ist. Hier nun liegt ein neueres Werk vor. Es handelt sich um eine leicht verständlich geschriebene Einführung in die Religion unserer Vorfahren von Dr. Klaus Bemmann. Mit einem reichen und hervorragend ausgewählten Bildteil versehen, hat das Buch alle Chancen, zu einem Standardwerk für alle an den Germanen Interessierten zu werden. Bei der liebevollen Herangehensweise an seinen Gegenstand dürfte Bemmann zudem noch sämtliche Neuheiden und Anhänger der „Naturreligionen“ für seine Darstellung begeistern. Trotzdem hinterlässt das Werk einen zwiespältigen Eindruck.

Bemmann ist es hoch anzurechnen, dass er in erfrischend klarer Weise die Kontinuiität zwischen den Germanen und den Deutschen erläutert – das Frankenreich fasste in seinem östlichen Teil die germanischen Stämme der Burgunder, Alemannen, Thüringer, Bayern, Langobarden, Friesen und Sachsen zusammen, während es in seinem westlichen Teil die romanische Bevölkerung beherbergte. Im östlichen Teil wurde althochdeutsch gesprochen, im westlichen Teil „welsch“, d.h. altfranzösisch. Aus dem östlichen Teil ist nun aber Deutschland entstanden – wir sind also die direkten Nachfahren der Germanen. Der erste König dieses Ostreiches Ludwig wurde denn auch von den zeitgenössischen Chronisten als „Rex Germanorum“, König der Germanen, bezeichnet. Diese einfachen Tatsachen folgerichtig darzustellen, ist leider nicht die übliche Gepflogenheit in der modernen Germanenliteratur.

Ebenso deutlich verkündigt Bemmann mit einem Zitat das Programm seiner Herangehensweise an die Quellen über die germanische Religion: „Kritisch sein ist das Wesen der Wissenschaft, aber Hyperkritik ist eine Krankheit. Die Beweispflicht geht immer zu Lasten desjenigen, der die Quellen als unzuverlässig ansieht.“ Im Folgenden finden sich dann eine Darstellung der germanischen Sitten und Bräuche, der germanischen Götter, des Kultes und schließlich einige von Bemmann nacherzählte Göttersagen. Wie der Untertitel des Buches schon erahnen lässt, liegt der Schwerpunkt dabei auf den Südgermanen, wobei selbstverständlich die nordischen Quellen allesamt auch einbezogen werden.

So weit, so gut… Leider muss man ein großes Aber anfügen: Bemmann zeichnet letztlich ein verzerrtes Bild der germanischen Religion. Einmal hält er sich nicht an die von ihm postulierte Behandlung der Quellen. Ohne Angabe von Gründen bezeichnet er den „Fulltrui“-Glauben als Späterscheinung; am Anfang wären alle Götter gleich verehrt worden. Fulltrui ist der göttliche Treufreund – wie die isländischen Sagas schildern, verehrten Einzelne immer wieder einen Gott ganz besonders (z.B. Odin, Thor oder Frey), sie konnten aber auch in Feindschaft zu einem Gott stehen. Es handelt sich um eine der wichtigsten Charakteristika der germanischen Religion. Im Weiteren wird klar, warum Bemmann den „Fulltrui“-Glauben so herunterspielt. Seiner Meinung nach brachten die Germanen ihre Opfer in Demut den Göttern dar, die allmächtig und allein frei in ihren Entscheidungen waren, die der Mensch eben akzeptieren musste. Das ist Christentum, aber keine germanische Religion. Es ist einfach falsch. Sicherlich spielt die Ehrfurcht, der „heilige Schauer“ auch hier eine große Rolle – der von Tacitus geschilderte Fesselhain der Semnonen wird von Bemmann zu Recht in diesem Zusammenhang erwähnt. Doch der Germane blieb frei in seinen Entscheidungen gegenüber seinem Gott, auch wenn er die Orakelsprüche der Götter befolgte – es war seine Wahl. Dem Schicksal gegenüber galt diese Haltung in genau der gleichen Weise. Der Germane nahm das meist tragische Schicksal an und macht es ganz bewusst zu seinem Willen. Aber von dem für das Germanische so wichtigen Schicksalsglauben hören wir fast nichts in Bemmanns Buch, obwohl die hervorragende Abhandlung dazu von Dr. Walter Gehl in der Bibliographie auftaucht. Ein Buch über germanische Religion ohne den germanischen Schicksalsglauben? Selbst die Götter sind dem Schicksal unterworfen und genau wie die Menschen der Heldensage meistern sie es.

In dem Buch finden sich viele Stellen, an denen man mit Bemmann streiten will: so bezeichnet er die Germanen als „leidenschaftliche Demokraten“, was nach dem heutigen Begriff von Demokratie so nicht stimmt. Die Germanen liebten die Freiheit, waren aber von der Ungleichheit des Menschen überzeugt. Auf dem Thing galt die Meinung des einen möglicherweise fast nichts, die eines anderen sehr viel. Witzigerweise bringt Bemmann selbst mit seinem Kapitel über das Leben und Denken der Germanen den Gegenbeweis. Wahrscheinlich möchte er mit solchen Aussagen das Germanentum salonfähig machen, nachdem es lange Zeit mit dem NS assoziiert wurde.

Was bleibt, ist ein Buch, das spannend geschrieben ist und viele wertvolle Kenntnisse bringt, aber letztlich nur unvollständig und bisweilen auch verzerrt über die Religion unserer Ahnen informiert. Man sollte dieses Buch gelesen haben, aber gleichzeitig auch andere Darstellungen. Bemmanns Buch beweist, dass gerade über solche heiß umstrittenen Themen wie das Germanentum nur die Kenntnis vieler Standpunkte zu einem vollständigen Bild führen kann.

Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 233 Seiten
Phaidon Verlag

King, Stephen – Duddits – Dreamcatcher

Stephen King ist ein Phänomen – zum Autor und seiner Bedeutung für die moderne Belletristik muss an dieser Stelle wohl kaum noch ein Wort verloren werden. Phänomenal allerdings finde ich – neben seinen eindrucksvollen, packenden Werken an sich – seine schriftstellerische Entwicklung und die stilistische Experimentierfreudigkeit, die er gerade im letzten Jahrzehnt an den Tag legte. So versucht er sich auch gern in Bereichen, die jenseits dessen liegen, was ihn zum „King of Horror“ machte und verliert sich dadurch nicht in allmählich langweilender inhaltlicher wie formaler Beliebigkeit, so wie dies leider beispielsweise beim deutschen „Pendant“ Wolfgang Hohlbein zu bemängeln ist.

Doch nun zu „Duddits“. Ein zunächst irritierender Titel – zumal die deutsche Übersetzung des Originaltitels „Dreamcatcher“ eigentlich auch niemandem weh getan hätte –, wenn man nicht weiß, dass dies der Spitzname des zentralen Charakters in Kings Meisterwerk aus dem Jahre 2001 ist. Duddits ist ein vom Down-Syndrom benachteiligter Sonderling, so aufgeweckt wie ein Knäckebrot, aber äußerst liebenswert und menschlich. Im Großteil des Buches scheint er eher eine Nebenrolle zu spielen, entwickelt sich aber alsbald zum Zentrum der Geschichte und eines Geflechtes, das durch den die Handlung tragenden Freundeskreis gebildet wird. Diese Freunde sind – als Erwachsene: Der ziemlich abgerissene, vor sich hinvegetierende Biber; Pete, der Autoverkäufer mit einer hellsichtigen Begabung, deren Herkunft und Bedeutung sich im späteren Verlauf noch erklären wird; Henry, seines Zeichens Psychoanalytiker mit einer ähnlichen mentalen Fähigkeit, die ihm nicht immer nur nützlich in seinem Beruf ist; und schließlich ist da noch Jonesy, ein Geschichtsprofessor, mit dem es das Schicksal gar nicht gut zu meinen scheint. Und auch er teilt die jeweils etwas verschieden ausgeprägten speziellen Geistesgaben seiner Kindheitsfreunde. Als Erwachsene bleibt ihnen von ihren gemeinsam verbrachten Jahren und Verbundenheit nur noch ein alljährlicher, geradezu ritueller Jagd-Ausflug in die Berge, der sich diesmal als höchst schicksalsträchtig erweisen soll. Der Kontakt zu Duddits ist mit dem Älterwerden abgerissen, aber auch dies hat seine Gründe, die erst im späteren Verlauf klar werden sollen. Und als Duddits wieder ins Blickfeld des Geschehens rückt, erwachen längst vergessene Erinnerungen und Fähigkeiten bei den Freunden, die Vergangenheit fließt mit der Gegenwart zusammen und Freunde, ebenso wie einzelne, scheinbar unwichtige Details im Erzählverlauf bilden wieder eine Einheit. Im Zentrum des Traumfänger-Netzes sitzt – ein passiver Spielball der Mächte und dennoch der Schlüssel zu allem – der von der Restwelt bemitleidete und belächelte Duddits.

Über den weiteren Verlauf der Geschichte will ich nicht zu viele Worte verlieren, sondern nur als Stichwortgeber anreißen, dass der Trip in die Wälder nach der Begegnung mit dem seltsamen Jäger McCarthy, einer eigentümlichen Infektion und der Quarantäne des gesamten Landstriches durch das Militär – die Charakterzeichnung des Befehlshabers allein ist eine wahre Wonne und Genuss – zu einer stürmischen, atemberaubenden Achterbahnfahrt mutiert, die nicht nur für die Freunde alles verändern wird.

Wie von King gewohnt, widmet sich der Prolog – der auf ein paar neugierig machende und Themen weisende Nachrichtenauszüge von 1947 bis 2000 folgt – der Formgebung der Hauptfiguren; für King ist dieser einführende Part allerdings ungewöhnlich kurz geraten, denn sofort mit Teil 1 des eigentlichen Buches geht es direkt in die Vollen und der Spannungs- und Handlungsbogen setzt ohne weitere Vorwarnung ein, packt den zu diesem Zeitpunkt bereits reichlich neugierig gewordenen Leser und schleift ihn förmlich durch ein Nerven zerfetzendes Abenteuer, das eine Mischung aus Akte-X-Material, Science-Fiction, Actionfilm, Psychothriller und Horror ist, wobei Elemente einfließen, die King bereits bei Werken wie „The Stand“, „Tommyknockers“ und „The Green Mile“ einsetzte, die hier aber zu ganz neuen Höhen aufgefahren, erweitert und perfektioniert werden und keineswegs zu einer unnötigen Wiederaufwärmungskur geraten.

Besonderen Applaus hat sich King für die plastische Charakterformung der tragenden Figuren verdient; die psychologische Komponente des Romans ist erstaunlich und erschreckend zugleich. Der Spannungsbogen sowohl der Handlung als auch der stückweisen Informationsfreigabe reißt keinen Augenblick ab, verliert sich nie in nutzlosen Beschreibungen und selbstverliebter Schriftstellerei – obwohl das schreiberische Niveau des Romans in King-typischem Wälzerformat hoch angelegt ist – und weiß zu überraschen, zu packen und zu begeistern. Es fällt schwer, das Buch wieder aus der Hand zu legen, wenn die Geschichte den Leser einmal in sich aufgesogen hat; man sollte sich also auf schlaflos durchlesene Nächte einstellen und Beruhigungsmittel für die Nerven bereit halten – denn die wird man dringend benötigen. Das ungewöhnlicherweise gänzlich von Hand vorgeschriebene und vielleicht gerade deshalb so ungekünstelt-authentisch und schriftstellerisch überzeugende „Duddits – Dreamcatcher“ kann es als potenzieller Genre-Klassiker in jedem Fall mit dem Format von „Es“ aufnehmen und ist ein Meilenstein in Kings Schaffenswerk geworden.

Homepage des Autors: http://www.stephenking.com

Grace, Celia L. – Heilerin von Canterbury sucht das Auge Gottes, Die

_Historischer Kriminalroman_

Ein neuer Fall für Kathryn Swinbrooke, die Ärztin und Apothekerin aus Canterbury. Die Detektivin im Nebenberuf erhält diesmal gemeinsam mit ihrem Freund Column den Auftrag, einen kostbaren Saphir – das Auge Gottes genannt – wiederzufinden, der in den Wirren des Rosenkrieges verloren gegangen ist. Die Angelegenheit wird kompliziert, als sich erweist, dass Columns Leben in Gefahr ist, weil Feinde aus seiner Heimat – die schon lange seine Ermordung geplant haben – ihrem Ziel nun bedenklich nahe gekommen zu sein scheinen.

Spannung ist also bis zur letzten Seite garantiert. Die Story ist – wie schon bei Kathryns erstem Fall – in Bezug auf die historischen Details gut recherchiert. Besonders der Konflikt zwischen den Ärzten der Stadt und der Apothekerin und Ärztin Kathryn spiegelt die Situation des Umbruchs in den heilenden Berufen wider. Eine (ent)spannende Lektüre!

Rezension von _Barbara Stühlmeyer_ aus Karfunkel Nr. 18, Seite 58
Abdruck auf dieser Seite (powermetal.de) mit freundlicher Genehmigung des _Karfunkel-Verlages_

[Karfunkel – Zeitschrift für erlebbare Geschichte]http://www.karfunkel.de

Elisabeth Gössmann – Hildegard von Bingen – Versuche einer Annäherung

Elisabeth Gössmann gehört zu den ganz Großen in der Hildegard-Forschung. Mit unermüdlicher und nüchterner Leidenschaft arbeitet sie seit Jahrzehnten mit ihren theologisch-philosophischen Werken. Wir verdanken ihrer Arbeit wesentliche Erkenntnisse in Bezug auf Hildegards Selbstbild und ihre höchst eigenständigen theologischen Ansätze. Gössmann hat, um nur ein Beispiel zu nennen, die double voice theory auf ihre Werke angewandt und so herausgearbeitet, dass Hildegard, wenn sie beispielsweise frauenfeindliche Thesen in ihren Werken nennt, diesen keineswegs zustimmt, sondern sie gleichsam kontrapunktisch bearbeitet und in der Gegenstimme ihre eigene Theologie zu Wort kommen läßt.

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Cowell, Stephanie – Ballade des Falken, Die

Was für ein Mensch war eigentlich William Shakespeare? Wie hat er gelebt? Wie sah er aus? Was tat er, wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, einen seiner zahlreichen Knüller der Weltliteratur zu schreiben, die noch heute unzählige Schüler im Englischunterricht je nach Einstellung in Schrecken oder Begeisterung versetzen?

Um es gleich vorweg zu nehmen: Die „Ballade des Falken“ ist keine Shakespeare-Biographie. Eigentlich geht es auch gar nicht so sehr um den berühmten Dichter, sondern um den Heranwachsenden Nicholas Cooke, den natürlich niemand kennt. Wie könnte man auch, denn Nicholas ist eine fiktive Person.

Die ersten Jahre seines Lebens verbringt Nicholas Tomkins – so heißt er eigentlich – in Canterbury, wo er als Fünfjähriger mit ansehen muss, wie sein Vater als Dieb hingerichtet wird. Seine Mutter sinkt in die Prostitution ab. Nick selber ist äußerst wissbegierig und träumt von einem Theologiestudium. Dieses wird ihm jedoch verwehrt, sodass ihm nichts anderes übrig bleibt, als bei einem unsympathischen Stellmacher in die Lehre zu gehen. Lange arbeitet Nick allerdings nicht bei ihm, denn bei einem Streit verletzt er seinen Meister so schwer, dass er glaubt, er habe ihn getötet. Daraufhin flüchtet der Junge aus der Stadt. Seine Mutter ist bei der Geburt eines Kindes gestorben.

Nicholas verschlägt es nach London. Dort findet er schließlich Zugang zu Schauspieler- und Dichterkreisen. Mit Kit Morley (Christopher Marlowe) geht er eine stürmische Beziehung ein. Der von ihm hochverehrte Dichter wird jedoch ermordet. Nicks ausgesprochenes Talent für das Theater bleibt nicht unverborgen, und so geht der Junge bei dem Schauspieler John Heminges in die Lehre. Über John lernt Nick Shagspere (Shakespeare) kennen und schätzen, der seine innere Zerrissenheit und Einsamkeit versteht und ihn liebevoll „mein Falke“ – daher der Titel des Romans – nennt.

Der rastlose Nick findet keine Ruhe. Sein teilweise extrem egozentrisches Handeln erweckt beim Leser bisweilen alles andere als Sympathie. Zwar verabscheute Nick seinerzeit die Tätigkeit seiner Mutter, was ihn aber nicht davon abhält, sich nun immer wieder mit Prostituierten einzulassen. John Heminges, in dessen Haus Nick lebt, ist ihm sehr wohlgesonnen und ständig bereit, Nick sein nicht immer vorbildliches Verhalten zu verzeihen. Der Junge selber hat ein eher gespaltenes Verhältnis zu Heminges. Dessen Frau bringt er jedoch ganz andere Gefühle entgegen. Die Beziehung scheitert aber am Pflichtgefühl von Rebecca Heminges.

Um am Krieg in Irland teilnehmen zu können, lässt Nick die Schauspieltruppe im Stich. Das verzeiht ihm John jedoch nach Nicks Rückkehr und gibt ihm sogar seine Tochter Susan zur Frau. Die Ehe geht aber dank Nicks unbeständigem Wesen in die Brüche. Mit John versöhnt sich Nick erst viel später wieder, als er seinen Kindheitstraum erfüllen kann, Priester wird und so seinen inneren Frieden findet.

Der in der Ich-Perspektive geschriebene Roman gibt einen ausführlichen Einblick in das England der Renaissance. Vor dem Hintergrund der politischen Auseinandersetzungen erhält der Leser Zugang zu der Welt des Theaters jener Zeit, insbesondere dem bekannten Globe Theatre. Die Personen, die Nick umgeben, sind fast alle historisch. Hier ist der dem Roman beigefügte Anhang positiv hervorzuheben, in dem diese Personen und die sozialen Umstände, die sie umgaben, kurz charakterisiert werden.

Der Roman ist gut zu lesen, bisweilen allerdings ein wenig zähflüssig. Rückblickende historische Gegebenheiten und Umstände wirken manchmal etwas steif und gekünstelt. Im Ganzen zeichnet sich die Erzählweise aber durch eine lebendige und anschauliche Sprache aus.
Das Ende ist für einen modernen Roman ein wenig ungewöhnlich und erinnert eher an eine mittelalterliche Erzählung, was den Reiz dieses Werkes eigentlich erhöht, es sei denn, man erwartet den „Standardschluß“, demzufolge der Held und seine Geliebte sich glücklich in die Arme sinken. Schön, dass es nicht immer so ausgehen muss.

Rezension von _Sabina Schult_ aus Karfunkel Nr. 18, Seite 58
Abdruck auf dieser Seite (powermetal.de) mit freundlicher Genehmigung des _Karfunkel-Verlages_

[Karfunkel – Zeitschrift für erlebbare Geschichte]http://www.karfunkel.de

Cross, Donna W. – Päpstin, Die

Um es gleich vorwegzunehmen: Dieses Buch ist uneingeschränkt lesenswert. Es ist spannend geschrieben, und es handelt von einer Frau, die ihren Wunsch nach Bildung und selbstbestimmtem Berufsleben gegen alle Widerstände verwirklicht.

Aufgewachsen als missachtete Tochter des Dorfpriesters von Ingelheim und seiner ihrem Heidentum im Geheimen gegen alle Indoktrination anhängenden sächsischen Frau, lernt Johanna zunächst heimlich mit ihrem älteren Bruder. Später wird sie von einem Lehrer der Domschule in Dorstadt, der ihre Begabung erkennt, in Lesen und Schreiben, Latein und Griechisch, vor allem aber im Gebrauch ihres für die Logik so begabten Verstandes unterrichtet. Schlimm wird es, als dieser Lehrer wegen der Freiheit seines Denkens durch einen klassischen Kleingeist abgelöst wird. Ein Jahr lang hat Johanna keinen Unterricht und verliert beinahe jede Hoffnung, dass sie jemals ihre Ausbildung fortsetzen kann. Dass sie nach einigen Wirren dennoch als Schülerin der Domschule akzeptiert wird, grenzt an ein Wunder.

Doch die Schwierigkeiten werden nicht weniger. Es scheint unmöglich, als Frau ungehindert Bildung zu erlangen, zu lernen und zu lehren. Und so ergreift Johanna die Gelegenheit, als sie nach einem Überfall der Normannen als einzige der Anwesenden aus Dorstadt überlebt: Sie verkleidet sich als Mann und geht ins Kloster nach Fulda. Dort findet plötzlich alles Achtung und Anerkennung, was ihr zuvor Kritik eingebracht hat: ihre wissenschaftliche Qualifikation, ihre Fähigkeit zu logischem Denken und zum gelehrten Disput, sie wird zum Gelehrten und Heiler, dessen Fähigkeiten schier unermesslich scheinen. Beim Ausbruch der Pest jedoch, an der auch sie erkrankt, muss sie mit einer sie enttarnenden Untersuchung rechnen, und so flieht sie aus Fulda und gelangt auf Umwegen nach Rom, wo sie ihre Karriere zielsicher fortsetzt – bis hin zur Ausübung des Papstamtes.
Dies allein wäre schon spannend genug, doch man ahnt schon, es fehlt noch etwas. Denn da sind Gerold, ein Markgraf aus Dorstadt, bei dem Johanna als Domschülerin lebte, und die Liebe der beiden…

Bleibt die Frage: Gab es sie wirklich, die Päpstin? Donna W. Cross ist davon überzeugt und legt dies anhand einer Reihe von Argumenten dar. Wer sich näher für die Forschungsgeschichte über dieses Thema interessiert, dem sei der Band von Elisabeth Gössmann mit dem Titel „Mulier Papa – der Skandal eines weiblichen Papstes. Zur Rezeptionsgeschichte der Gestalt der Päpstin Johanna“ empfohlen. Er erschien 1994 als Band 5 der Reihe “Archiv für philosophie- und theologiegeschichtliche Frauenforschung“ im iudicium Verlag München.

Rezension von _Barbara Stühlmeyer_ aus Karfunkel Nr. 17, Seite 58
Abdruck auf dieser Seite (powermetal.de) mit freundlicher Genehmigung des _Karfunkel-Verlages_

[Karfunkel – Zeitschrift für erlebbare Geschichte]http://www.karfunkel.de

Busson, Paul – Seelenwanderer, Der – Die Wiedergeburt des Melchior Dronte

Paul Bussons bekanntester Roman, der 1921 erstmals erschien, ist jetzt in 3. Auflage erhältlich, nachdem er lange vergriffen war. Die Erzählung des Sennon Vorauf um das Leben seiner vorherigen Geburt als Melchior Dronte wird von einem Rahmen umfasst. Eröffnet wird sie mit dem Hinweis, dass dieses Buch die Unsterblichkeit der Seele bekennen soll und dieses Bekenntnis in anderen erwecken möge.

Retrospektiv beginnt Vorauf die Geschichte seines Lebens, beginnend mit dem fünften Lebensjahr, zu erzählen. Dem Leser wird klar, dass es sich um einen Entwicklungsroman handelt, eine spirituelle Entwicklung. Diese vollzieht sich zur Zeit der Französischen Revolution, einer Zeit, die gezeichnet ist von Krieg, Gewalt und Zerfall der Aristokratie. Demgemäß ist die Sprache nicht nur der Situation angemessen – neben poetischen Landschaftsbeschreibungen stehen brutale Kriegsszenarien – sondern auch den Personen. Neben Dialektformen des einfachen Menschen spricht der Adel seine hochgestochene Sprache, der Magister sein Kanzleideutsch und der Pöbel die Sprache der Gosse.
Melchior verweilt selbst in verschiedenen Milieus, ist Student, Soldat, Bürger und Adeliger, entwickelt sich vom Rohling zum Ewli, einem, der ‚wiederkommt‘.

Der Tod begegnet dem Leser in verschiedenen Formen. Vom sanften ‚Entschlafen‘ über den grausamen Tod auf dem Schlachtfeld bis zum personifizierten Tod mit dem bezeichnenden Namen ‚Fangerle‘. Ebenso variationsreich ist der Reinkarnationsgedanke, denn die Seelen treten gefangen in Tierkörpern auf, wie dem allwissenden Papagei Appolonius, kehren ohne Wissen um eine Inkarnation in Körper ein, oder wie im Falle des Dronte auch bewusst.
So geschehen, nachdem er in den Revolutionswirren seinen Kopf durch die „Maschine des Guillotin“ verliert. Doch hier endet der Roman überraschenderweise nicht, sondern schildert den Weg der Seele in den nächsten Körper, den des Sennon Vorauf, aus dessen Leben einige Details erzählt werden. Geschlossen wird die Erzählung von seinem Freund Kaspar Hodrich, der die Funktion des Ich-Erzählers übernimmt und vom Verschwinden Sennons im Albanien des ersten Weltkrieges erzählt. Er bekommt auch die Erzählung, innerhalb der fiktiven Geschichte, zugesandt.

„Aber – was in diesem Werk ist Fiktion, Phantasie, Geschichte – was erlebt und was aus einem tieferen, verborgenen Wissen gespeist“ (S. 295), um den Herausgeber Jürgen Grasmück, selbst erfolgreicher Autor zahlreicher phantastischer Romane (u.a. unter dem Pseudonym Dan Shocker die Heftromanserien Macabros, Larry Brent und Ron Kelly) aus seinem Nachwort zu zitieren.

Das Vorwort verfasste übrigens Penny Mc Lean, die schreibt: „dieses Buch wird zum Hinweis- und Zeichenlieferant in Ihrem Leben“. Dem mag sich der Rezensent nicht ganz anschließen, kann aber gehobene Unterhaltung versprechen, wie auch Anregungen zur Reflexion über wesentliche Aspekte des Lebens und natürlich des Todes.
Ungewöhnlich ist der für das Buch gewählte Schriftsatz. Auf Blocksatz wurde verzichtet und die Schrift linksbündig gesetzt (zumindest in der mir vorliegenden 1. Auflage) was den Lesefluss aber in keiner Weise beeinträchtigt. Zahlreiche Illustrationen von Maria Anna Schmitt, die schlicht aber schön sind, schmücken dieses Buch.

_Martin Dembowsky_
für die [AHA-Zeitschrift]http://www.aha-zeitschrift.de

Gierdahl, Knut – Goldene Equinox, Der

In Anlehnung an die zwischen 1909 und 1913 von der „Großen Weißen Bruderschaft“ zu den Tag- und Nachtgleichen im Frühling und Herbst (Äquinoxe) herausgegebenen Bände des Äquinox (insgesamt 11 Bände), nennt der Autor Knut Gierdahl, Redakteur des legendären Okkultmagazins AHA, seinen Band „Der Goldene Equinox“. Ebenso setzt er sich mit der Wahl des Titels von den in der Schweiz, vom Verlag Psychosophische Gesellschaft (in limitierter und nummerierter Auflage, ohne Jahr) herausgegebenen Äquinoxen ab, bei denen es sich jedoch nicht um Übersetzungen der englischen Ausgaben handelt, sondern um die Herausgabe einzelner Werke von Aleister Crowley (z.B. „Das Herz des Meisters“, „Kleine Aufsätze die zur Wahrheit führen“, etc.).

Sieht Gierdahl die Schwerpunkte der damaligen Äquinoxe in der Klärung der Eckpunkte und Wurzeln von Thelema in der Sprache der Magie, so soll sein Goldener Equinox dem Leser Anregung und Hilfe sein, „Magick als Set von Methoden [zu] verstehen, um ihren Wahren Willen zu erschaffen und zu leben“ (Vorwort, S. 6). Dazu wählt er, gemäß dem damaligen Motto des Äquinox: „Die Methode der Wissenschaft – Das Ziel der Religion“, die wissenschaftliche Sprache, „um Thelema als sinnstiftende Lebensform weiter zu entwickeln“ (ebd. S.7).
In 13 Abhandlungen, eine in Zusammenarbeit mit Michael D. Eschner, geht der Autor auf vielseitige Themen wie Gnostizismus, Logik, Liber Al, Schuld und Verantwortung, Kult der Sonne etc. ein und bringt sie in Zusammenhang mit Thelema. Neben den Artikeln befindet sich in diesem Band auch eine Kurzgeschichte, „Der Grasgrünfärber“, die an einen Zen-Koan erinnert, sowie eine praktische Anleitung zur Ausübung der yogischen Sonnengrüße mit photographischen Abbildungen der einzelnen Stellungen im Anhang, nebst Einführung in das System des Yoga mit Bedeutung von Atem, Tipps zur Vorbereitung und dergleichen mehr. Allgemein wird immer wieder Theorie mit Praxis verbunden und auf die Umsetzung in den Alltag hingewiesen. So gibt auch das Kapitel über „Willenstraining“ eindeutige Handlungsanweisungen.

Die einzelnen Artikel lassen einen roten Faden erkennen, beginnend mit den Wurzeln Thelemas im Gnostizismus – Gnosis als Erkenntnis, die nicht vermittelt, sondern erlebt wird – und der Bedeutung vom Kult der Sonne bei Ägyptern, Indianern und Hindus, bis hin zu Thelema als „Designer-Religion“ des Neuen Äons mit verschiedenen, individuellen Entwicklungswegen und -modi. Dabei werden zentrale Themen wie Ideologie, Weltanschauung und Logik angesprochen (wie z.B. in „Open-Source-Kultur und die schenkende Tugend“ oder „Fuzzylogik und die Tattwas“).
Knut Gierdahl wählt einen lockeren, den Leser ansprechenden Stil mit humorvollen Ansätzen. Stets erläutert er seine Aussagen mit konkreten Beispielen aus Alltag, Geschichte oder Technik, fügt Zitate ein oder nennt Literaturstellen zur Weiterführung.
Negativ fallen der Drucksatz und oberflächliches Lektorat ins Auge. So werden mal einzelne Worte oder Absätze wiederholt oder der Drucksatz wechselt von Block- in Flattersatz. Ebenso hätten bei den zitierten Quellen nähere Angaben (z.B. Erscheinungsjahr, Band- /Seriennummer) erwähnt werden können.
Insgesamt wird Knut Gierdahl seinem Anspruch mehr als gerecht und der Goldene Equinox ist für jeden an Magie, Thelema und/oder Entwicklung Interessierten mit Gewinn zu lesen.
Eine Fortsetzung, wie als „Open-Source-Projekt“ geplant, wäre ebenso wünschenswert wie eine thematische Ausweitung über Thelema relevante Themen hinaus.

_Martin Dembowsky_
für die [AHA-Zeitschrift]http://www.aha-zeitschrift.de

Ergänzung des Lektors: Zum Bereich Thelema hat K. Gierdahl bzw. die Zeitschrift „AHA“ ein umfangreiches Sonderheft für 9 € herausgebracht, das man auf der Homepage bestellen kann. Dies könnte man als Fortsetzung des hier beschriebenen Bandes betrachten, wenngleich die Artikel hier von verschiedenen Autoren stammen – umso interessanter.

Kiefl, Walter – Betz, Werner – Strüber, Gudrun – Halink, Charlotte – Gottesgen, Das

Die Schulmeinung über Herkunft, Alter und Frühgeschichte der Menschheit gerät seit einiger Zeit beständig ins Schwanken – zumeist aufgrund allerlei seltsamer Funde, die sich partout nicht in eines der Aktenzimmer des eckigen Baukastensystemgebäudes ihrer Theorie einsortieren lassen wollen. Dabei findet immer wieder etwas Anpassungsarbeit statt, aber es gibt auch völlig andere Ansätze, die das gesamte Gebäude praktisch niederzureißen imstande sind und aufgrund ihrer ernsthaft erwägbaren Überlegungen eine überdenkenswerte Beachtung verdient haben.

So hat sich beispielsweise in „Das Gottesgen“ eine Autoreninitiative angeschickt, ihre Beobachtungen und Gedanken aus dem Bereich der Paläo-SETI vorzustellen, also der Möglichkeit menschlichen Ursprungs durch außerirdischen oder frühen hochkulturellen Einfluss. Dabei wählt man in diesem Falle einen Ansatz, der in den Mythen der Menschheit begründet liegt und mit der in Wissenschaftskreisen durchaus diskutierten These ansetzt, dass Mythen – wie die Bibel und andere „Heilige Bücher“ wie Mahabharata (Indien), Popul Vuh (Mayas), Sohar (jüdisch), Koran (Islam) oder Gilgamesch-Epos (mesopotamisch) – durchaus nicht nur gleichnishaft formuliert sind, sondern oftmals reale Geschehnisse wiedergeben, die nur eine bildhafte und sprachlich angepasste Transformation erfahren haben und nun von uns „entschlüsselt“ werden müssen. Eine solche Vermutung des Realcharakters liegt bereits aufgrund einer frappierenden Übereinstimmung der Grundzüge der Bücher nahe. Diesen Schriften widmen sich die Autoren in vier gut verständlichen Aufsätzen, wobei einzelne Textpassagen unter obiger Prämisse unter die Lupe genommen werden.

Die Schöpfungsmythen werden als genetische Züchtungsakte verstanden, Chimären – Mischkreaturen – aus den Mythen finden Eingang in die Überlegungen, auch Traditionen der Ehebindung und Sexualverbote und –gebote werden im Hinblick auf Zuchtauswahlerhalten analysiert. Wichtig ist dabei, dass innerhalb von Vorwort, den Artikeln selbst und insbesondere in „Wege zur Interpretation von Mythen“ von Dr. Walter Kiefl auf mögliche Kritikpunkte dieses Ansatzes eingegangen wird und eine fundierte Begründungsfindung und Berechtigungsgrundlage für diese unkonventionelle Herangehensweise angestrebt wird, auch wenn es etwas mühselig ist, sich stets vor den Schulwissenschaften behaupten zu müssen, die ihre Vormachtstellung lediglich aus einer Traditionsentwicklung und nicht etwa einem Wahrheitsanspruch heraus ableiten können.

Die genauen Thesen und Analyseinhalte möchte ich an dieser Stelle nicht ausführen, um dem Leser die Neugierde zu erhalten. Es sei lediglich gesagt, dass das gesamte Buch eine Lesefaszination ist, viele Aha-Effekte in sich birgt und ein staunenswertes Gesamtbild modelliert, das zu weiterer Lektüre in diesem Themenbereich reizt. Lediglich der – ansonsten vielfach gut durchdachte – Text „Das Gottesgen“ von Charlotte Halink, der zum Teil auf eine ungewöhnliche, aber dadurch sehr faszinierende Neuübersetzung des Alten Testamentes von Dieter Vogl zurückgreift, für meinen Geschmack in seinen Schlüssen aber etwas zu weit ausholt und in der zeitlichen Abfolge schwer nachvollziehbar ist, könnte durchaus noch einmal auf Stichhaltigkeit geprüft werden; hier beschränke ich mich auf die dargestellten Einzelfakten und folge in den Schlüssen lieber „Göttliche Experimente“ von Werner Betz und „Jungfrauen für die Götter“ von Gudrun Strüber.

Neben zahlreichen Quellenangaben im Text ist dem Buch ein Literaturverzeichnis beigefügt, das zum Schmökern einlädt, außerdem werden die Autoren in einer Kurzdarstellung vorgestellt. In der Summe ein sehr empfehlenswertes Taschenbuch für alle, die neue Horizonte des Denkens zu öffnen willens sind.

Inhalt:

• Vorwort
• Das Gottesgen – Eine Neuinterpretation des Alten Testamentes (von Charlotte Halink)
• Göttliche Experimente – Merkwürdige Wesen überall (von Werner Betz)
• Jungfrauen für die Götter (von Gudrun Strüber)
• Wege zur Interpretation von Mythen (von Dr. Walter Kiefl)
• Literaturverzeichnis
• Zu den Autoren

Bestellmöglichkeit über [Ancient Mail]http://www.ancientmail.de

Bertin, Joanne – letzte Drachenlord, Der

Die Drachenlords sind Menschen, die nur mit einer halben Seele geboren wurden. Den frei bleibenden Teil besetzt die ebenfalls halbe Seele eines Drachen. Die so entstandenen Werdrachen können mehrere tausend Jahre alt werden und sind sehr mächtig, da sie über die Fähigkeit verfügen sich zu verwandeln und in Drachengestalt zu fliegen. Sie können telepathisch miteinander kommunizieren und mittels ihres Drachenfeuers heilen. Als unparteiische Schutzherren der Menschheit werden sie bei Konflikten als Vermittler und oberste Richter um Hilfe gebeten.
Als im Land Cassori der Herrscher plötzlich verstirbt, werden die drei Drachenlords Linden, Kief und Tarlna gerufen, um die Streitigkeiten bei der Thronfolge zu schlichten. Linden ist mit seinen 600 Jahren der jüngste aller Drachenlords und seit vielen Jahren auf der Suche nach seiner Seelengefährtin, einer Frau, die mit der anderen Hälfte seiner Seele geboren wurde und ebenfalls die Fähigkeit besitzt, sich in einen Drachen zu verwandeln.
In Casna, der Hauptstadt Cassoris, trifft Linden auf die Seefahrerin Mauryanna, die er als seine Seelengefährtin erkennt. Die beiden verlieben sich ineinander, doch da Mauryanna ihre erste Verwandlung in einen Drachen noch nicht erlebt hat, wird sie durch die Anwesenheit der Drachenlords gefährdet. Sollte einer der Drachenlords sich in ihrer Gegenwart in einen Drachen verwandeln müssen, könnte der Drache in ihr zu früh erweckt werden, was ihren Tod bedeuten könnte.
Als die Bruderschaft – böse Magier, die alle Drachenlords vernichten wollen – einen Anschlag auf Linden verübt, spitzt sich die Lage zu.

Ein sehr schöner Drachenroman, der sich vor den Pern-Büchern von Anne McCaffrey nicht zu verstecken braucht. Die Autorin richtet ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die gefahrvolle Liebesgeschichte zwischen dem letzten Drachenlord und seiner Seelengefährtin. Jedoch wird auch das tödliche Intrigenspiel am Hofe Casnas eindringlich geschildert und die Spannung durch die bedrohliche Bruderschaft aufrechterhalten.

Joanne Bertin wurde 1953 in New York geboren und lebt heute in Connecticut, wo sie in einer Bücherei arbeitet. Der letzte Drachenlord ist ihr erster veröffentlichter Fantasy-Roman.

Homepage der Autorin: http://www.weredragon.com

Michaela Diers (Hrsg.) – Mystik

Ein Lesebuch für Nachdenkliche

Mystik ist in unserer Zeit ein schwer fassbarer Begriff, der nur allzu oft mit abgehobenen Phantastereien und Wundern einer transzendierten, weltscheuen Esoterikelite in einen Kontext gebracht wird. Dass hier ein deutliches Missverständnis durch Unkenntnis der eigentlichen Materie vorliegt, macht Michaela Diers, Herausgeberin des Buches „Mystik“, in ihrer stimmungsvollen Einleitung deutlich, mit der die Problembereiche und das Fundamentale des Mystikbegriffes mit klaren, wohlgesetzten Worten zum Punkt gebracht werden und welche den Leser wunderbar auf das Nachfolgende einzustimmen vermag.

Michaela Diers (Hrsg.) – Mystik weiterlesen

Michels, Ulrich – dtv-Atlas Musik Band 1

_Band 1: Systematischer Teil / Musikgeschichte von den Anfängen bis zur Renaissance_

Aus der Reihe der beliebten dtv-Atlanten zählt das zweibändige Werk „Musik“ nun bereits seit 25 Jahren zu den festen Größen der musiktheoretischen Veröffentlichungen (Band 1 seit 1977, Band 2 seit 1985; in 14 Sprachen erschienen). Auf insgesamt 600 klein gedruckten Seiten in vom dtv gewohnter ausgezeichneter Papier- und Druckqualität wird ein zwar komprimierter und knapp gefasster, aber gerade dadurch sehr umfassender Rundumschlag mit Überblicken zum systematischen / musiktheoretischen und musikgeschichtlichen Wissen geboten. Jede Themenseite gliedert sich in den eigentlichen, stets gut lesbar strukturierten Sachtext zur rechten und durchgehend mehrfarbige begleitende und gut veranschaulichende Grafiken – mit viel Sorgfalt erstellt und von hohem didaktischen Nutzwert – zur linken Buchseite.

Zwar können die beiden Bände dank eines sehr detaillierten Personen- und Sachregisters als Nachschlagewerk verwendet werden, lassen sich vom eigentlichen Aufbau her aber besonders gut durchgehend lesen, da sie nicht lexikalisch, sondern thematisch aufbauend gegliedert und nicht in Stichpunkten, sondern als zusammenhängende Texte abgefasst wurden. Der systematische Teil im ersten Band umfasst dabei alles Grundsätzliche zur Musik, angefangen bei Akustik, Gehör- und Stimmphysiologie, Hörpsychologie (also physikalischen, biologischen und psychologischen Voraussetzungen) über Instrumentenkunde (die von simplen Schlaginstrumenten alter Zeit bis hin zu elektronischen Klangerzeugern der Neuzeit reicht) und die besonders wesentliche Musiklehre bis hin zu einer Darstellung klassischer Gattungen und Formen der Musik. Aufgrund der Komprimierung ist dieser nicht immer einfache Teil natürlich vor allem für einen Überblick oder zur Auffrischung und Vertiefung durch den musikalisch bereits Vorgebildeten geeignet und kann den interessierten Laien nicht so gut in die Thematik einführen wie ein ausführlicherer Text zur Sache.
Der musikhistorische Teil beginnt in Band 1 bereits mit der Altsteinzeit, geht dann über die antiken Hochkulturen und das Mittelalter zur Renaissance. In Band 2 wird dies dann von Barock bis zur heutigen Zeit noch ausführlicher dargelegt, da natürlich mehr Informationen zur Verfügung stehen. Dabei wird die Musik immer im gesellschaftlichen Kontext analysiert und Einflüsse von Weltanschauung, Spiritualität, Riten, Kultur übergreifender gegenseitiger ‚Befruchtung’ betrachtet. Man beschränkt sich hierbei allerdings nicht auf eine rein geschichtliche Darstellung, sondern bleibt parallel dazu in einem systematischen Kontext, der die besonderen Strukturen, Instrumente, Gattungen der Musik innerhalb der jeweiligen Entwicklungsepoche beachtet. Durch diese dialektische Herangehensweise, zusammen mit der Möglichkeit, Details im vorhergehenden systematischen Teil nachzuschlagen, lässt sich der musikhistorische Part sehr gut lesen und hat einiges Interessantes zu bieten.

Ein kritischer Punkt sei jedoch bei aller Güte der Arbeit erwähnt: Inzwischen wäre es an der Zeit, die Reihe um einen dritten Band zu erweitern, der sich eingehender mit der Moderne befasst, zumindest mit Jazz, Blues und Rock und ihren Variationen und Entwicklungen. Zwar werden beispielsweise dem Jazz und der elektronischen Musik Raum zugestanden, aber die Ausführlichkeit lässt trotz des knappen Grundaufbaus noch zu wünschen übrig, und modernere Entwicklungen (es sei hier nur der neoklassische und progressive Rockbereich erwähnt) fehlen gänzlich, obwohl das 20. Jahrhundert sicherlich ausreichend Ansatzpunkte für theoretische und historische Betrachtungen bietet und das Interesse seitens der Leserschaft an einer solchen Erweiterung gegeben sein dürfte.

Ob man nun gezielt bestimmte Themen nachlesen möchte, die Bände als Nachschlagewerk Verwendung finden oder man sich die Muße nimmt, das gesamte Buch aus Interessenneigung und Gründen der Weiterbildung in Gänze zu lesen – die beiden dtv-Atlanten zur Musik kann ich jedem fachlich musikalisch Interessierten nur zur Aufnahme in die eigenen Buchbestände empfehlen.