Alle Beiträge von Björn Backes

Djian, J. B. / Legrand, Olivir / Etien, David – Vier von der Baker Street, Die – Band 2: Die Akte Raboukin

Band 1: [Das Geheimnis des Blauen Vorhangs]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7845

_Story:_

London ist erneut in Aufruhr, denn einstimmigen Berichte zufolge zieht zum wiederholten Male ein Frauenmörder durch die Gassen, der die Befürchtung aufkommen lässt, der legendäre Jack the Ripper sei zurückgekehrt. Die drei Junior-Detektive sind sich nicht einig, ob sie der Sache nachgehen sollen, bis sie schließlich selber Teil eines Komplotts werden, bei dem eine junge Russin fast mit ihrem Leben bezahlen soll. Katja Iwanowa gehört einer Gruppe Revolutionäre an, die im restlichen Europa ihr Exil gesucht haben und nun befürchten müssen, von der Elitepolizei des Herrschers beseitigt zu werden.

Ihr Bruder Viktor wurde inhaftiert, weil mehrere Indizien darauf hinweisen, dass er für die Morde verantwortlich ist. Doch Charlie, Tom und Billy sichern der Dame ihre Hilfe zu und bürgen mit ihren Diensten für Sherlock Holmes, der derzeit in Wien nach einer verschwundenen Geige sucht. Aber die Sache ist verzwickter und gefährlicher, als die jungen Helden befürchtet hatten. Der Zar und seine Helfershelfer agieren mit äußerster Brutalität, und als schließlich weitere Menschen ums Leben kommen, sehen sich die drei erstmals mit ihrem eigenen Tod konfrontiert. Ans Aufgeben denken sie aber dennoch nicht …

_Persönlicher Eindruck:_

War die erste Episode zu „Die Vier aus der Baker Street“ als Einführung noch eine leicht verdauliche Abenteuergeschichte, fährt das Autorenteam in „Die Akte Raboukin“ schon deutlich schwerere Geschütze auf. Die Geschichte hat deutlich mehr Tiefgang, das Setting ist wesentlich aggressiver ausgemalt als in der vorangegangenen Story, die Charaktere sind überdies ebenfalls entschlossener und brutaler in ihrem Vorgehen, und so wird der zweite Fall von Billy, Charlie, Tom und ihrem Kater Watson überraschenderweise zu einer sehr brisanten, teils auch ruppig inszenierten Comic-Erzählung, die vor allem in den Momenten punktet, wenn das Jugendroman-Niveau ausgehebelt wird und man sich dazu entschließt, die Härte des großen Vorbilds auszupacken. Denn diesbezüglich sind sich „Die Akte Raboukin“ und die etwas raueren Holmes-Geschichten am Ende näher, als man es nach dem ersten Band erwartet hätte.

Die Geschichte beginnt dabei noch recht simpel: Jack the Ripper aufzugreifen, erscheint als Wagnis, dem die Serie eigentlich nicht gewachsen scheint, da definitiv davon auszugehen ist, dass inhaltlich mit härteren Bandagen gekämpft wird. Doch den beiden Autoren gelingt der Schwenk in die eigentliche Geschichte sehr gut, da man bereits nach drei Seiten keinen Gedanken mehr an den legendären Killer aus dem Londoner East End verschwendet. Stattdessen befindet man sich sehr rasch in der eigentlichen Handlung, die sich aus einem folgenschweren Komplott, zahlreichen Intrigen, interessanten Charakteren und natürlich dem wagemutigen Vorgehen der drei ‚Superhelden‘ zusammensetzt. Des Weiteren stößt man auf ungeahnte Erzähltiefe, gerade wenn es um den Background der russischen Akteure geht oder aber auch im Bezug auf die ständig schwankende Hauptgeschichte, die am Ende immer wieder neue Überraschungen bereithält. Und auf solche Ereignisse war man nach dem eher strikten Vorgehen im Vorgänger sicherlich nicht vorbereitet.

Doch die zahlreichen Überraschungseffekte sind eine sehr angenehme Entwicklung, von der nicht nur die aktuelle Story als solche, sondern auch die ganze Atmosphäre ungemein profitiert. Die etwas ‚erwachsenere‘ Gestaltung wirkt sich auf das gesamte Setting sehr positiv aus, die kritischen Themen, die abgehandelt werden, weisen zudem einen ziemlich originellen Bezug zu den sozialen Ungereimtheiten des früheren Englands auf. Exilrussen, politische Verschwörungen, listige Gemeinheiten, intrigante Machenschaften im Bereich des höheren Adels – das ist zwar nicht wirklich neu, aber aufgrund der unerwarteten Einflechtungen sehr spannend und interessant in den Plot eingebettet. Lediglich das jüngere Publikum wird vielleicht ein wenig von der offensiven Gangart der zweiten Episode abgeschreckt sein, aber vermutlichen ebenso konstatieren, dass die hier begangene Entwicklung ein Schritt in die richtige Richtung ist. War „Das Geheimnis des Blauen Vorhangs“ mehr oder weniger die pflichtmäßige Einführung in den Stoff, so beginnt mit „Die Akte Raboukin“ nun eine eindrucksvolle Kür!

|55 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3868691740|
http://www.splitter-verlag.eu

Graham Bowley – Kein Weg zurück: Leben und sterben am K2

Das Szenario ist ein Altbekanntes: Eine Tragödie während einer Expedition mehrerer Extrembergsteiger lässt sich in den Medien immer gut vermarkten. Das Publikum ergötzt sich am Schicksal der Verunfallten, die Zweifel ob der dringenden Notwendigkeit bzw. des Sinns hinter einem solchen Unternehmen werden wieder lauter, und wenn das Ganze auch noch genutzt wird, um direkt ein Buch darüber zu schreiben, fragt man sich regelrecht, ob die betroffenen Autoren schon darauf warten, sich endlich auf die verkaufsträchtigen, erfolgversprechenden Skandale zu stürzen.

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Djian, J. B. (Autor) / Vincent (Zeichner) – Kapuzinerschule 1: Das vergiftete Dorf

_Kapuzinerschule:_

_Band 1: Das vergiftete Dorf“_
Band 2: „Der Erbe“

_Story:_

1852: Nach mehr als 20 Jahren kehrt Honoré Pencrec’h in seine Heimat Kerfilec zurück – eine Zeitreise, die ihn abrupt in seine Vergangenheit zurückbefördert. Einst lernte er an der Kapuzinerschule das junge Mädchen Emma kennen und schenkte ihr sein Herz. Doch eines Tages verschwand das Mädchen spurlos; die Vermutungen gehen dahin, dass es vor den Klippen der Insel Dourduff ertrunken ist, doch niemand weiß etwas Genaues.

Jahre später ist Honoré mit er zwielichtigen Carmille getraut, Emmas Nebenbuhlerin, die ihn bereits kurze Zeit später nach Paris verführt hat. Als sie nun gemeinsam an den Ort ihrer Kindheit zurückkehren, gerät das Dorf in Aufruhr. Niemand traut Carmille über den Weg, und es scheint so, als hätten gleich mehrere Bürger eine Sünde auf ihren Schultern zu tragen, die auch mit dem Verschwinden von Emma zusammenhängt. Als schließlich der jetzige Honoré seinem kindlichen Ebenbild begegnet und daran erinnert wird, dass sein Lebensweg nicht den Prinzipien gefolgt ist, die er als junger Mensch mit seinem Herzen festgelegt hatte, kommt der ältere Mann ins Grübeln. Schließlich ist es ein Attentat auf Carmille, das Bewegung in die Dinge bringt und so manchem Schuldigen den Angstschweiß auf die Stirn treibt …

_Persönlicher Eindruck:_

„Kapuzinerschule“ ist lediglich ein Zweiteiler, der in diesem vermeintlich knappen Umfang jedoch eine Erzähltiefe entwickelt, für die sich J.-B. Djian [(„Die Vier von der Baker Street“)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7845 einen kleinen Comic-Orden anheften darf. Alles beginnt unscheinbar und unspektakulär, als das vermählte Paar zurück in die Heimat reist und sich in vielen kleinen Episoden an die Erlebnisse aus der Kindheit erinnert. Doch schon bald offenbart sich, dass hier eine Menge faul ist, so dass „Das vergiftete Dorf“ sehr rasch in die Position eines richtig temporeichen Thrillers gerückt wird, dessen phantastische Inhalte schließlich den qualitativen Unterschied ausmachen.

Djian lässt seine Leser aber lediglich spekulieren, welches Geheimnis sich hinter der eigentlich verschlafenen Ortschaft Kelferic befindet. Auf wenigen Seiten entwickelt er ein Szenario, dessen Protagonisten auf sehr individuelle Weise Schuld auf sich geladen haben, dies jedoch aus den unterschiedlichsten Motiven. „Kapuzinerschule“ erzählt von einem entflohenen Sträfling, einem unglücklichen Ehemann, einer merkwürdigen Schulleiterin und vielen weiteren suspekten Persönlichkeiten, die alle ihren Teil zum sehr schwer durchschaubaren, inhaltlich aber jederzeit nachvollziehbaren Story-Gerüst beitragen. Jeder hat sein Laster zu tragen, das aus irgendwelchen Vorgängen aus der Vergangenheit rührt, deren wahren Sinngehalt der Autor jedoch konsequent verschweigt.

Binnen weniger Panels entsteht daher eine Art Mythos, etwas Undurchdringliches, irgendwie ein schon greifbares, aber eben noch nicht bestimmbares Arrangement, das viele Fragen aufwirft, aber zu keiner Zeit überfordernd ist. Man ahnt, welche Charaktere mehr zu verbergen haben, man bekommt ein Gespür dafür, was in Kelferic vor mehr als 20 Jahren geschehen ist, und durch die sehr emotionale Darbietung verschenkt man auch schnell Sympathiewerte für einige Beteiligte. Doch am Ende bleibt es bei diesen Vorahnungen, die bereits im ersten Band die Spannung zum Siedepunkt treiben und alle Hoffnung darin vereinen, dass in „Der Erbe“ eine kurze, aber absolut lesenswerte Geschichte ein Finale geschenkt bekommt, das dieses Auftakts würdig ist. Solch gute illustrierte Unterhaltung bekommt man trotz des Qualitätsbewusstseins beim |Splitter|-Verlag nämlich nicht alle Tage geboten!

Bewegend, tiefgängig, spannend, temporeich, sehr dynamisch – man kann viele Worte über „Das vergiftete Dorf“ verlieren, sich aber auch darauf beschränken, Djian den Start in ein Meisterwerk zu attestieren, das bei entsprechender Vollendung zum bedingungslosen Pflichtstoff erklärt werden muss.

|55 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3868692273|
http://www.splitter-verlag.eu

Cordurié, Sylvain (Autor) / Lapo, Alessio (Zeichner) – Herren von Cornwall, Die – Band 1: Das Blut von Lyonesse

_Die Herren von Cornwall::_

_Band 1: „Das Blut von Lyonesse“_
Band 2: „Das Petenkind der Feen“
Band 3: – noch unbekannt –
Band 4: – noch unbekannt –

_Story:_

Britannien befindet sich im Krieg, und alle Mächte scheinen sich dazu vereint zu haben, Arthur Pendragon zu bezwingen und die Krone von König Mark an sich an sich zu reißen. Das malerische Cornwall scheint daher genau der richtige Ort, um eine Invasion zu starten und auf einem Nebenkriegsschauplatz Erfolge zu feiern. König Duncan von Hibernia plant in einem bestialischen Schachzug, das Küstengebiet zu überfallen und Rivalen von Lyoness zu bezwingen. Und sein Vorhaben scheint von Erfolg gekrönt, denn der Weg zur Festung von Tintagel wird durch die Hibernianer von einer feurigen Blutspur gezeichnet. Doch Rivalen und seine kluge Magie scheinen gewappnet für den Kampf gegen die schier übermächtige Armee des hinterlistigen Königs.

Doch der Überfall auf Tintagel wird von einem Machtkomplott bei den Feen überschattet. Die spitzzüngige Gloredell entledigt sich ihrer Partnerinnen und drängt auf einen Pakt mit Duncan, um selber einen Teil der Macht zu erlangen. Auch die Druiden scheinen gegen die Macht der Fee hilflos und beugen sich schließlich ihren gewaltsamen Androhungen. Damit fehlt den Verbliebenen in Tintagel der Schutz, und als die Schlacht vor den Toren beginnt, ist nicht bloß das Volk selber, sondern auch die Familie von Rivalen schutzlos ausgeliefert …

_Persönlicher Eindruck:_

Die Artus-Sagen und ihre große Last: Wieder ist jemand gewillt, diese Bürde auf sich zu nehmen und sich am Rande der großen Legende mit einer Standalone-Story ein eigenes Gerüst zu erbauen, welches keinesfalls im Schatten der großen britischen Sage steht. Zwar gibt es in „Die Herren von Cornwall“ deutliche Verbindungen zu Arthur Pendragon und seinen Triumphzügen, jedoch sind Schauplatz, Protagonisten und vor allem der Plot selber sehr unabhängig gewählt und erhalten diese Parallele lediglich vor dem legendären Hintergrund.

Die Story an sich wirft all die Erwartungen, die ein solch natürlich berechtigter Vergleich mit sich bringt, allerdings sehr schnell über den Haufen. Selbstredend ist der Plot vom Schlachtengetümmel und den üblichen intriganten Machenschaften gekennzeichnet, und auch im Hinblick auf das allgemeine Setting – schließlich spielt das Ganze immer noch im Britannien des frühen Mittelalters – bietet sich die direkte Gegenüberstellung ganz klar an. Doch Sylvain Corduré, der sich unter anderem bereits mit seinem Fantasy-Epos „Acriborea“ auszeichnen konnte, stört sich daran lediglich in der Einleitung, in der die geschichtlichen Zusammenhänger erklärt werden. Fortan entwickelt er dann jedoch eine eigene Geschichte, malt sie teilweise sehr brutal, dafür aber auch allzu authentisch aus und bedient sich der berüchtigten Sagenwelt nur am Rande. Es gibt Feen, Druiden, Drachen, Magie, aber trotz allem wird der Autor vom Gedanken der Eigenständigkeit angetrieben und bereits zum Ende des ersten Bandes von „Die Herren von Cornwall“ mit reichlich Beifall belohnt.

Bis dahin wird zwar unverhältnismäßig viel Blut vergossen, gleichzeitig aber dafür gesorgt, dass die einzelnen Figuren ein ehrbares Format bekommen. Es ist nicht nur der ehrenwerte Rivalen von Lyoness, der hier eine sehr feine Charakterzeichnung erfährt, sondern auch seine Kinder, unter denen sich auch Tristan befindet, der offenkundig noch eine größere Rolle in der Erzählung zugesprochen bekommen wird. Aber auch den vermeintlichen Bösewichten wird ein stolzer Platz eingeräumt, was maßgeblich dazu beiträgt, dass die Story in jeder Passage glaubwürdig bleibt.

Am Ende der ersten Episode sind schließlich schon mehr Informationen aufgetischt worden, als es für ein Debüt einer solchen Serie üblich ist. Man ist auf Anhieb in der Handlung ‚drin‘, versteht die Motive, erkennt die Intrigen, sieht sich aber dennoch mit einem komplexen Hauptstrang konfrontiert, der für die Zukunft noch einige spannende Wendungen verspricht.

Oder anders gesagt: „Das Blut von Lyonesse“ ist ein richtig starker Auftakt einer Serie, von der man bereits frühzeitig nicht mehr denken muss, dass sie unter dem großen Schatten der Artus-Sage verschwindet. Dieser Verdienst ist im Übrigen nicht nur dem Texter, sondern auch seinem bislang eher unbekannten Sidekick Alessio Lapo geschuldet, der mit seinen (im wahrsten Sinne des Wortes) fabehlhaften Illustrationen maßgeblich zu diesem ersten Erfolg beiträgt!

|47 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3868692327|
http://www.splitter-verlag.eu

McDermid, Val – Alle Rache will Ewigkeit

_Story:_

Für Magda Newsam soll mit der Eheschließung endlich ein neuer, unabhängiger Lebensabschnitt beginnen. Doch noch vor der Hochzeitsnacht wird ihr Bräutigam Philip während der Feierlichkeiten ermordet und hinterlässt die junge Witwe ratlos. Die Spur führt direkt zu Philips Geschäftspartnern Paul Barker und Joanna Sanderson, die in der gleichen Nacht bei einer wilden Orgie ertappt werden und offenbar vertuschen wollten, dass sie im Hintergrund zwielichtige Geschäfte geführt haben, um in die eigene Tasche zu wirtschaften – und der Ermordete soll dies gewusst und mit Verrat gedroht haben.

Die Sache scheint auch den Richtern klar, die Joanna und Paul nun den Prozess machen. Doch ausgerechnet Magdas Mutter Corinna will nicht glauben, dass sich die Ereignisse so zugetragen haben. Schließlich beauftragt sie ihre ehemalige Studentin Charlotte Flint, die als Profilerin jüngst großen Schaden davongetragen hat. Mit einem Gutachten boxte sie einen offenkundig unschuldig angeklagten Mordverdächtigen aus der Patsche, musste später jedoch miterleben, wie der Klient vier Frauen umbrachte. Eine Rehabilitation wäre dringend vonnöten, um ihren Ruf wiederherzustellen – und gerade deshalb kommt Corinna Newsams Angebot auch zur richtigen Zeit.

Doch die Spurensuche erweist sich als äußerst schwierig, da Corinna bereits den Verdacht hegt, Magdas neue Liebhaberin Jay sei in die Sache verstrickt. Anhand eines mündlichen Dossiers erläutert sie ihrer einstigen Studentin am Oxford-College, dass die neue Partnerin eine Blutspur hinter sich herzieht und bereits mehrere Leichen auf ihre Kosten gehen. Charlie sieht die logischen Parallelen, will sich davon jedoch nicht blenden lassen und begibt sich schließlich auf die Suche.

Derweil nutzt sie die Gelegenheit, um ihre aufregende Internetbekanntschaft Lisa Kent aufzusuchen und zu sehen, inwiefern ihre Gefühle für Dr. Flint echt sind und ob es erstrebenswert ist, ihre treuherzige Partnerin Maria zu verlassen, um sich auf dieses Abenteuer einzulassen. Oft genug wird sie von diesen Gedanken angespornt, doch gleichzeitig kümmert sie sich um die heimlichen Ermittlungen, die immer weitere Skandale ans Licht bringen und die Autorin Jay Stewart zur einzig möglichen Verdächtigen für gleich mehrere Mordfälle machen.

Doch je weiter sich Flint in die Sache hineindenkt, desto widersprüchlicher scheinen die Argumente. Also muss sie ganz weit in die Vergangenheit reisen, auf ihr Glück vertrauen und schließlich mit absurden Mitteln den Fall lösen – allerdings wird genau dies zur größten Gefahr, der sich die Psychologin bis dato ausgesetzt hat …

_Persönlicher Eindruck:_

Standalone-Roman von Val McDermid sind immer eine recht eigenwillige Sache. Zu sehr hat man sich inzwischen an ihren Protagonisten Tony Hill gewöhnt, als dass man sich von dem Gedanken lösen könnte, der inzwischen Erfolg garantierende Hauptdarsteller könnte mit seiner Abstinenz genügend Spielraum für eine wirklich starke, unabhängige Story schaffen. In „Alle Rache will Ewigkeit“ hat die Bestseller-Autorin tatsächlich große Mühe, einen Spannungsbogen zu kreieren und ihre Figuren insofern sympathisch für den Leser zu machen, dass dieser hier auch ein paar Identifikationswerte erkennt, die ihn schließlich an die Story binden.

Gerade im ersten Drittel des Romans schleppt sich die Handlung zu uninspiriert vorwärts und enttäuscht mit einigen Längen, die zwar zu einem späteren Zeitpunkt eine logische Erklärung erfahren, den Genuss jedoch merklich trüben, weil man nie so recht sehen kann, was McDermid im Schilde führt und wie aus den geschaffenen Voraussetzungen eine wirklich gute Kriminalgeschichte entwachsen soll. Erst im Schlussabschnitt nimmt die Sache Fahrt auf, wirkt aber phasenweise wie ein alibimäßiges Plädoyer, um die teilweise übermäßig ausgedehnten Teilstränge als notwendig zu rechtfertigen. Doch gerade im Hinblick auf die eigentlich überflüssigen Beziehungsgeflechte der hauptsächlich lesbischen Hauptfiguren wäre eine Beschränkung auf die wesentlichen Punkte oftmals von Vorteil gewesen.

Zunächst versucht die Autorin jedoch, ihre Charaktere mit viel Liebe zum Detail aufzubauen. Im Fokus ist dabei Charlotte ‚Charlie‘ Flint, die seit einiger Zeit Mail-Kontakt zu einer Frau hat, von deren Art sie sich magisch angezogen fühlt. Der Zwiespalt, ob sie an ihrer treuen Beziehung festhalten oder doch lieber das riskante Abenteuer wagen soll, frisst sie auf. Gleichzeitig leidet sie sehr an ihrer jüngsten beruflichen Vergangenheit, da sie indirekt dazu beigetragen hat, dass ein unberechenbarer Psychopath vier Frauen um die Ecke bringen konnte.

All diese Gedanken spielen auch weiterhin eine Rolle, als sie eine verschlüsselte Nachricht enthält, die sie zu ihrer früheren Dozentin Corinna Newsam führt – und ihr in allerlei Hinsicht eine neue Chance bereitet. Nun kann sie offiziell die Nähe zu Lisa suchen, kann ihren Fauxpas ausgleichen, kann etwas Distanz zu Maria aufbauen, um sich ihrer Gefühle klar zu werden, gleichzeitig aber auch ihre persönlichen Interessen ausleben, da es ihr verlockend scheint, die polarisierende Jay Stewart ins Abseits zu drängen. All diese Motive kulminieren bei den Ermittlungen und sind grundsätzlich eine ausreichende Basis, um einen sehr emotionalen, spannenden Thriller zu kreieren.

Doch allzu oft vermasselt McDermid diese Gelegenheit, indem sie sich zu sehr in vermeintlich wichtige, aber schlussendlich fast belanglose Entwicklungen innerhalb der Story hineinsteigert. Die Techtelmechtel zwischen Charlie und Lisa verleihen der Erzählung keine Impulse, die Spannung, die zwischen beiden besteht, ist recht bald ein lästiger Nebeneffekt. Aber auch die übrigen homosexuellen Liebschaften vertiefen sich zu sehr in Klischees und scheinen zumeist lediglich dazu verwendet worden zu sein, die gleichgeschlechtliche Emanzipation voranzubringen. Doch dazu ist schon etwas mehr nötig, als hier und dort ein paar Pro-Statements abzugeben und sie einfach so stehenzulassen.

Die nächste interessante, später aber nicht mehr so gut umgesetzte Alternative, die McDermid für „Alle Rache will Ewigkeit“ gewählt hat, ist der Text im Text. Im steten Wechsel erfährt man aus der Autobiografie von Jay Stewart, welche Gedanken die Tatverdächtige plagen, wie sie ihre Kindheit verbracht hat, was sie aus ihrer Sicht während der Phasen der Mordkomplotte getan hat, usw. Dieses Element weckt zu Beginn noch Interesse, da die Geschichte auf zwei Ebenen gut funktioniert. Doch auch hier verliert die Autorin irgendwann den Pfaden und setzt nicht mehr die nötigen Akzente.

Die Rettung für Val McDermid besteht am Ende darin, dass sie mit der Kraft ihrer Worte noch eine Menge herausreißen kann und sich daher auch auf ihre stilistische Raffinesse verlassen darf. Trotz der inhaltlichen Schwächen ist der Roman sehr intelligent und einfach gut geschrieben, weshalb man auch problemlos bei der Stange bleibt und keine gezielte Abneigung entwickelt. Doch man hat an eine solch namhafte Schreiberin natürlich auch eine etwas höhere Erwartung, was die Story und vor allem die kriminalistischen Passagen betrifft. Und diesbezüglich ist „Alle Rache will Ewigkeit“ nicht auf dem Niveau angesiedelt wie so manch anderer Roman aus der Feder von Val McDermid!

|576 Seiten, broschiert
Originaltitel: Trick of the Dark
Übersetzung: Doris Styron
ISBN-13: 978-3426509937|
http://www.droemer-knaur.de
http://www.val-mcdermid.de

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_Val McDermid auf |Buchwurm.info|:_
[„Echo einer Winternacht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=703
[„Das Lied der Sirenen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1498
[„Schleichendes Gift“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5727
[„Nacht unter Tag“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6201
[„Das Moor des Vergessens“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6607
[„Die Erfinder des Todes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6608
[„Schlussblende“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6609
[„Ein kalter Strom“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6662
[„Tödliche Worte“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7781

Jodorowsky, Alejandro / Theo – schreckliche Papst, Der – Band 2: Julius II.

[Band 1: Giuliano Della Rovere]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7843

_Inhalt:_

Verzaubert von einem Liebestrank seines Liebhabers und Kumpanen Aldos, lässt sich Papst Julius II. auf eine intime Zweckgemeinschaft ein und kürt ihn zur Päpstin. Doch seine Wahl trifft in familiären Kreisen auf wenig Gegenliebe, so dass Aldos einer Intrige zum Opfer fällt und kurz darauf gemeuchelt wird. Der innerlich zerstörte Papst lässt daraufhin endgültig seinen Hass walten und nimmt auch auf Angehörige und einstige Verbündete keine Rücksicht mehr. In aller Eile bildet er seine Schweizer Garde zu einer widerstandsfähigen Armee aus und überfällt in seinem Wahn alle verbliebenen Herrscher und Adligen, die sich noch in irgendeiner Form der Kirche und seiner Macht zu widersetzen gedenken.

Gleichzeitig startet er eine Affäre mit dem bildenden Künstler Michelangelo, der jedoch ebenfalls nur die kalte Seite von Julius II. kennenlernt. Doch der Papst bleibt unberechenbar, und nicht nur Michelangelo soll eine zweite Chance bekommen, die Gunst des Kirchenoberhaupts zu erlangen …

_Persönlicher Eindruck:_

Im zweiten und vorerst letzten Band zu Jodorowskys Papst-Comics nimmt die Handlung ein paar unvorhergesehene Wendungen, die sich auf inhaltlicher Ebene durchaus auszahlen. Zwar ist sein Protagonist immer noch ein selbstsüchtiger, vom Hass getriebener Charakter, der vor nichts und niemandem Rücksicht nimmt, jedoch wird der Handlungskomplex fortan auf mehrere Stränge verteilt, was der Geschichte gerade zu Beginn noch einmal einen richtigen Schub verpasst.

Dabei sind es dieses Mal nicht einzig und alleine die skandalträchtigen Darstellungen des Autors und seines Zeichners Theo, die als Blickfang dienen. Es ist vor allem die neu gewonnene Vielschichtigkeit des Plots, der geradezu ruckartig den Hauptstrang verlässt und viele, sehr offensiv gestaltete frische Elemente einbringt, die überzeugen und auch nachhaltig begeistert. Julius II. tobt sich im wahrsten Sinne des Wortes auf allen erdenklichen Schlachtfeldern aus, macht seine Gefühlskälte zur Triebfeder, wirft die politische und religiöse Ordnung Italiens mehr als einmal über den Haufen, zeigt aber an den Stellen, an denen man es am wenigsten erwartet, auch menschliche Neigungen, welche die Charakterzeichnung des Hauptdarstellers gleich noch einmal viel interessanter machen.

Hinzu kommt, dass gleich mehrere neue Figuren Einzug in die Story halten und das Ganze nicht mehr einzig aus der Sicht des Papstes geschildert wird. Zwar stehen seine anrüchigen Machenschaften immer noch im Vordergrund, jedoch kommen diesmal auch einige Gegenspieler zu Wort und tragen ihren Teil dazu bei, dass „Der schreckliche Papst“ sich unverhofft doch noch zu einer etwas komplexeren Erzählung entwickelt.

Dementsprechend schade ist es, dass sich Jodorowsky nicht doch die Mühe gemacht hat, die ganze Sache auf drei oder vier Kapitel auszuweiten, da es zwischenzeitlich schon den Eindruck macht, als wären einzelnen Aspekte nur notdürftig ausgearbeitet worden, um der strengen Seitenvorgabe gerecht zu werden. Ging dies in „Giuliano Della Rovere“ noch in Ordnung, da hier auch die Story einen sehr raschen Verlauf nahm, so wird der Leser sich diesmal stellenweise wünschen, dass beispielsweise die kriegerischen Handlungen nicht von so vielen Zeitsprüngen durchsetzt wären. Und auch die Liebelei mit Michelangelo, das rasche Ableben von Aldos und die erneuten Wendungen zum Schluss der zweiten Episode könnten etwas mehr Detailliebe vertragen, um das Gesamtpaket treffend abzurunden.

Beschweren mag man sich aber dennoch nicht, zumal Jodorowsky auf der letzten Seite bereits eine Fortsetzung verspricht. Somit bleibt wenigstens nicht das ungute Gefühl, mitten in der Geschichte weggeschoben zu werden. Daher bleibt zu hoffen, dass „Der schreckliche Papst“ relativ bald einen weiteren Nachfolger erhält. Wenn nämlich die Klasse von „Julius II.“ aufrechterhalten bleibt, dann kann man diesbezüglich noch eine ganze Menge erwarten!

|53 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3868691627|
http://www.splitter-verlag.eu

Bec, Christophe / Marazano, Richard – Absolute Zero 1: Programm Sibirien

_Absolute Zero:_

_Band 1: „Programm Sibirien“_
Band 2: „A.S.O.R.3 Psycho“
Band 3: „Inkarnation“

_Story:_

Eine Routinemission auf dem Planeten Sibiria verlangt einem Marinekommando alles ab: Binnen 24 Stunden soll eine Raumstation untersucht werden, doch der ‚Code Red‘, der hinter der Sache steht, bereitet den Beteiligten Unbehagen. Vor Ort finden die Soldaten schließlich ein seltsames, verlassenes Lager vor, welches bereits seit Jahren nicht mehr besetzt zu sein scheint. Dennoch tun sich Abgründe auf, als bei deutlichen Minusgraden plötzlich mehrere Leichen auftauchen und ein seltsames Wesen einen der Marines aus nächster Distanz mit einer Kugel schwer verletzt.

Als er schließlich bei der Rückkehr zur Basis untersucht wird, stellt das Team fest, dass sein Körper übermäßig widerstandsfähig sein muss und trotz der Schäden an seinem Schutzanzug bei den unmenschlichen Außentemperaturen überlebt hat. Bevor weitere Schritte unternommen werden können, näher festzustellen, was mit ihm passiert ist, wird er in Notwehr erschossen. Doch was genau ist geschehen, dass er nicht schon vorher unter normalen Umständen den Tod gefunden hat?

_Persönlicher Eindruck:_

Christophe Bec ist derzeit wohl der fleißigste Comic-Autor im |Splitter|-Verlag. Mit „Absolute Zero“ stellt der französische Künstler bereits seine siebte verlagsinterne Serie vor – eine Entwicklung, die er sicherlich seinem gefestigten Status und seinem kontinuierlich angewachsenen Renommee zu verdanken hat. Doch genau dies macht „Absolute Zero“ keinesfalls zum Selbstläufer. Im Gegenteil: Die aktuelle Konzeption, die er gemeinsam mit Richard Marazano und Zeichner Homer Reyes erstellt hat, ist – zumindest was die Debüt-Episode betrifft – der erste echte Schandfleck in der Biografie des geschätzten Comic-Schreibers.

Es sind gleich mehrere Facetten, die den Dreiteiler von Beginn an zu einem sehr bedenklichen Unterfangen machen. Angefangen bei der verbrauchten Vorstellung einer mehr oder minder apokalyptischen Zukunft, in der ein Marine-Corps einen fremden Planeten infiltrieren soll, über die machohaften Unstimmigkeiten der einzelnen Teilhaber der Story bis hin zu den Horror-artigen Entwicklungen in der Handlung hat Bec derart viele Inhalte eines eher zweitklassigen Hollywood-Streifens rezitiert, dass man sich ernsthaft fragen muss, wo genau denn der tatsächlich kreative Input des Franzosen verborgen ist.

Diesen muss man letzten Endes wohl darin sehen, dass sich Bec mit verschiedenen Schnipseln genrefremder Comics rühmt, die er als lose Fragmente in die Story einstreut, ohne dass hierbei jedoch ein genauer Sinn zu erkennen ist. Selbst Goofy und Entenhausen bekommen einen kleinen Panel, was man einerseits vielleicht als aufheiternde Zwischensequenz betrachten kann, andererseits aber vor dem makaberen Hintergrund der eigentlichen Geschichte völlig deplatziert erscheint.

Doch auch sonst ist „Absolute Zero“ respektive „Programm Sibirien“ in seiner Ausmalung einfach nur schwach. Die gesamte Handlung wird von fast schon peinlichen Dialogen beschrieben, in denen sich die Soldaten größtenteils lediglich angiften und auf ihr typisch-banales Vokabular zurückgreifen. Das mag für ein oder zwei Seiten noch witzig sein, doch da die gesamte Erzählung hiervon betroffen ist und der inhaltliche Fortschritt durch diese Randerscheinungen stetig ausgebremst wird, kann man schon nach kurzer Zeit auf derlei sprachliche Zeitverschwendung verzichten.

Der letzte Versuch, das Ganze wenigstens spannend zu gestalten, scheitert bisweilen an den eher minderwertig ausgeprägten Horror-Szenarien, die sowohl inhaltlich als auch grafisch nicht überzeugen. Das Szenario in der Raumstation und auch der Zustand des angegriffenen Marines liefern genügend Stoff für einen interessanten Twist an der entscheidenden Stelle, doch aufgrund der angesprochenen Banalitäten bleiben die vielen sich bietenden Optionen durchgängig ungenutzt. Stattdessen regieren Schmalspur-Gespräche und eigensinnige Motive, die zwar den Vorteil bringen, dass der genaue Kern des Plots noch nicht durchschaubar ist, andererseits aber auch so mäßig ausstaffiert sind, dass man Klarheit diesem Kuddelmuddel vorziehen würde.

Eigentlich hätte man nicht geglaubt, dass man im Zusammenhang mit diesem Autor mal solche Worte verlieren würde; doch insgesamt ist die Eröffnung von „Absolute Zero“ ein Reinfall und dem Ruf eines Christophe Bec völlig unwürdig!

|45 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3868693249|
http://www.splitter-verlag.eu

Carré, Benjamin / Mariolle, Mathieu – Smoke City: Teil 1

_Story:_

Das Leben von Cole Valentine geht seit mehreren Jahren beständig den Bach hinunter. Einst als Teil einer Verbrecherbande geschätzt, hat er seinen ehemaligen Clan nach einem erfolgreichen Coup auflaufen lassen und sich dadurch bei seinen vorherigen Kumpanen gehörig in Misskredit gebracht. Doch das triste Leben, welches Cole am liebsten mit Alkohol ertränkt, erfährt ein jähes Ende, als eine gewisse Carmen auftaucht und ihn zu einem letzten Raub überreden möchte.

Die einzige Bedingung: Cole muss mit seinen ehemaligen Mitstreitern zusammenarbeiten, da die Aktion nur in dieser Konstellation durchgeführt werden kann. Valentine lässt sich schließlich überreden und unterstützt seine Auftraggeber dabei, die Kollegen von damals zu rekrutieren, was sich aus mangelnder Motivation als äußerst schwierig erweist. Doch letzten Endes findet die alte Gemeinschaft wieder zusammen, um eine wertvolle Mumie aus einem Museum zu stehlen. Doch auch diesmal scheint das Vertrauen der erprobten Gauner missbraucht zu werden …

_Persönlicher Eindruck:_

Ein enorm düsteres Szenario, viele zwielichtige Gestalten und ein Plot, der in erster Linie auf illegale kriminelle Machenschaften ausgelegt ist: Dass „Smoke City“ nicht nur aufgrund seines Titels Erinnerungen an Frank Millers Comic-Spektakel [„Sin City“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3272 weckt, ist offensichtlich. Und zumindest was die düstere Atmosphäre angeht, in der sich die Figuren von Benjamin Carré und Mathieu Mariolle bewegen, hat dieser Vergleich seine absolute Berechtigung. Hinsichtlich des Plots geht „Smoke City“ aber definitiv einen eigenen Weg, der inhaltlich auf den ersten Blick ausgetreten wirkt, bei genauerer Betrachtung aber zweifelsohne das Zeug hat, sich binnen kürzester Zeit zu einem weiteren Klassiker zu entwickeln. Und hierfür sind letzten Endes eigentlich nur winzige Details entscheidend …

Bereits der Auftakt ist sehr vielversprechend: Carré und Mariolle punkten mit eigenwilligen Gestalten und der faszinierenden Ausstrahlung des Handlungssettings und können sich dabei beruhigt auf dessen Wirkung verlassen. Dass die Geschichte mit der alten Gaunerbande, die sich erneut zusammenfinden soll, um einen letzten Coup zu landen, absolut nichts Neues mehr ist, muss das Autorenteam derweil gar nicht interessieren, weil der Weg zur Wiedervereinigung mit vielen erfrischenden Elementen gefüllt wird. Außerdem könnten die Figuren kaum gegensätzlicher sein, was den Überraschungseffekt manch späterer Wendung noch wachsen lässt. Denn bis zu einem gewissen Punkt kann man nur erahnen, wer sich hinter den einzelnen Namen verbirgt, nicht jedoch, aus welcher Motivation sie handeln und welchen Part sie in der Geschichte übernehmen werden – und daraus resultiert ein großer Teil der Spannung, die den ersten Teil von „Smoke City“ auszeichnet.

Die Geheimniskrämerei, die derweil betrieben wird, heizt das Ganze weiter an und macht die Handlung gewissermaßen undurchdringlich. Alles scheint möglich, nichts muss tatsächlich so sein, wie man es auf den ersten Blick wahrnimmt. Die beiden Franzosen entpuppen sich sehr schnell als Künstler mit der besonderen Gabe, wesentliche Dinge zu verschleiern, ohne dabei die weitere Entwicklung der Story zu gefährden. Gerade diese Eigenschaft treibt „Smoke City: Teil 1“ bis zur letzten Seite an und kennzeichnet den besonderen Reiz dieses Comics.

Schade ist lediglich, dass die erwähnte Verschleierungsstrategie so weit geht, dass man sich nicht wirklich mit dem Antlitz der Handelnden vertraut machen kann. Es regieren die Namen, doch ihre Gesichter kann man nur selten treffend zuordnen. Speziell bei der großen Zahl der Mitwirkenden ist dies ein entscheidender Faktor, der den Genuss der Sache ein wenig, wenn auch nicht entscheidend beeinträchtigt. Jedoch wird sich noch herausstellen, ob auch das nur ein Teil des Masterplans ist, den die Autoren verfolgen.

Der Eindruck der ersten Episode ist jedenfalls sehr gut, partiell sogar gewaltig. Wenn „Smoke City“ auf diesem Niveau fortgesetzt wird – und das deutet sich zum Schluss eigentlich schon an – wird der Klang dieses Titels jedenfalls schon sehr bald für Gänsehaut sorgen. Starkes Debüt-Kapitel, fraglos!

|48 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3868692891|
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Djian, Jean-Blaise / Legrand, Olivier / Etien, David – Vier von der Baker Street, Die – Band 1: Das Geheimnis des Blauen Vorhangs

Bei der bloßen Nennung der Baker Street sollte es nicht nur bei Krimiliebhabern auf Anhieb klingeln: Die Hausnummer 221b, in welcher der Legende nach einst Sherlock Holmes residierte, ist nicht nur in der Literatur ein bedeutsamer Ort. Auch das Kino hat jüngst erst wieder mit einer sehr gelungenen, modernen Interpretation des berüchtigten Detektivs auf sich aufmerksam gemacht und es tatsächlich geschafft, den Klassiker unbeschadet in die Neuzeit zu retten. Versuche hingegen, das Setting um Holmes und Watson mit ein paar Randgeschichten zu füllen, wurden offenbar nicht gestartet. Zu groß schien der Schatten von Sir Arthur Conan Doyle, zu immens der Respekt davor, sich an der großen Messlatte zu verkalkulieren. Insofern muss man den Machern von „Die Vier von der Baker Street“ sicherlich Anerkennung für ihren Mut schenken, es dennoch nicht unversucht zu lassen. Mit einer abenteuerlichen Comic-Geschichte beginnt ihre neue Serie – und überraschenderweise ist der angesprochene Schatten während der gesamten Geschichte kaum zu spüren.

_Inhalt:_

Billy, Charlie und Black Tom sind im Londoner East End längst keine Unbekannten mehr. Die drei Freunde leben auf der Straße und ernähren sich von Gelegenheitsjobs, haben dadurch aber auch schon reichlich Kontakte zur Unterwelt gepflegt. Seit geraumer Zeit nehmen sie jedoch auch Aufträge von Sherlock Holmes an und beschaffen dem Meisterdetektiv Informationen während seiner Ermittlungen. Doch derzeit beschäftigt das Team ein anderes Verbrechen: Black Toms heimliche Liebe Betty wurde entführt, und das vor den Augen des irischen Knaben. Die Drei nehmen die Verfolgung auf und stoßen auf einen Mann, der offenbar als Zuhälter arbeitet und auch im Menschenhandel aktiv ist. Allerdings hätten Billy, Charlie und Tom nicht erwartet, dass der Kerl mit harten Bandagen kämpft und auch nicht zögern würde, die Jünglinge auf mörderische Art und Weise aus dem Weg zu schaffen …

_Persönlicher Eindruck:_

Wie eingangs bereits erwähnt: Die Baker Street weckt Erwartungen und eröffnet Suggestionen in Richtung Kriminalliteratur, weshalb Djian und Legrand mit diesem Namen im Rücken schon vor der ersten Seite einen schweren Stand haben, ihre Geschichte bzw. die neue Serie auch durchzusetzen, ohne dass dabei unzählige kritische Augen auf die traditionelle Kriminalliteratur gerichtet sind. Wie also löst man sich aus dieser Erwartungshaltung und nimmt den Druck aus der Thematik? Eine schwierige Frage, wenn man genauer darüber nachdenkt. Doch die beiden Franzosen haben dies im Verbund mit ihrem Zeichner Etien bestens hinbekommen, direkt die Anspannung herausgenommen und letzten Endes einen sehr frechen, überdies ziemlich jugendlichen Comic entworfen, der sich eigentlich gar nicht auf seinem Titel stützen müsste. Selbst wenn Sherlock Holmes einen kurzen Gastauftritt hat, wäre das unnötig gewesen, weil „Die Vier von der Baker Street“ absolut für sich alleine stehen kann und die lose Verbindung zum Mythos eher hinderlich als hilfreich scheint. Aber diesbezüglich kann man natürlich geteilter Meinung sein.

Zum Inhalt: „Das Geheimnis des Blauen Vorhangs“ ist eine wirklich gute Abenteuerstory, deren Charaktere sehr viel Charme und Witz einbringen, die vielleicht manchmal nicht den Erfordernissen eines ‚Erwachsenen‘-Comics gerecht wird, aber vielleicht gerade deshalb so unverbraucht und anziehend wirkt. Die drei Protagonisten bekommen auf Anhieb Sympathiewerte entgegengebracht, einmal wegen ihres vorlauten Naturells, dann aber auch wieder im Blick auf ihre Vorgeschichte und ihre hitzigen Gemüter. Zwischenzeitlich fühlt man sich sogar an Huckleberry Finn erinnert, wenngleich die Geschichte um die Baker Street Boys – ja, so nennen sie sich tatsächlich – einen völlig anderen Background hat. Aber vor allem was den Charme betrifft, sind hier durchaus Parallelen zu ziehen.

Die Geschichte selbst ist derweil ziemlich flott inszeniert und wirkt über weite Strecken wie ein temporeicher illustrierter Jugendroman, der alles mitbringt, was die Story erfordert: drei tollkühne Helden, ein paar glaubwürdige Bösewichte und natürlich eine jugendliche Liebschaft, für die es einzustehen gilt. Darüber hinaus ist aber auch das Setting sehr gelungen gestaltet: Das London des 19. Jahrhunderts ist mit viel Liebe zum Detail gezeichnet worden, die Dialoge sind eine gesunde Mischung aus moderner und zeitgemäßer Sprache, die Randfiguren fügen sich zudem prima in das Ganze ein, und die Begegnung mit Holmes, auch wenn sie eben als nicht zwingend notwendig beschrieben wurde, ist schließlich das zunächst unverhoffte Salz in der Suppe.

Von daher ist die Investition in diese drei jungen Helden durchaus lohnenswert, sofern man keine komplexe Handlung oder eine durchweg spannend umgesetzte Kriminalgeschichte erwartet. Warum schließlich der Name „Die Vier von der Baker Street“ gewählt wurde? Das soll hier noch nicht verraten werden. Es jedoch herauszufinden, empfiehlt sich vor allem für die jüngere Leserschaft!

|55 Seiten 32 cm x 23 cm, gebunden
ISBN-13: 978-3868691733|
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Jodorowsky, Alejandro / Theo – schreckliche Papst, Der – Band 1: Giuliano Della Rovere

Das päpstliche Heiligtum scheint in letzter Zeit in keinem guten Licht mehr zu stehen. Zumindest in der Medienwelt ist die Lage für den Vatikan äußerst prekär, wenn man überdenkt, wie viele Serien sich in letzter Zeit mit den Machenschaften der päpstlichen Historie beschäftigen bzw. mit wie vielen blauen Augen die Kirche und ihr Oberhaupt bei den einschlägigen Produktionen weggekommen sind. Auch im Comic-Bereich scheint das Thema nicht minder interessant zu sein; der chilenische Autor Alejandro Jodorowsky hat sich der Sache in seiner Serie „Der schreckliche Papst“ gewidmet und geht dabei nicht weniger schonungslos mit dem Vatikan um als seine Vorreiter im TV.

_Inhalt:_

Nach dem Tod des jüngsten Papstes Alexander VI. ist der Vatikan dringlich darin bemüht, schnellstmöglich einen Nachfolger für den Verstorbenen zu finden. Aus aller Herren Länder reisen Anwärter nach Rom, um ihren Anspruch geltend zu machen, müssen aber mit anschauen, wie der zwielichtige Giuliano Della Rovere mit hinterlistigen Machenschaften und betrügerischen Maßnahmen selbst nach dem Thron greift.

Mit Arglist und seiner spitzen Zunge gelingt es ihm alsbald, das kirchliche Regime an sich zu reißen und seine neue Macht auszukosten. Doch der grausame Papst und seine Betrügereien bleiben nicht ungeahndet; der Widerstand gegen das päpstliche Mafia-Komplott wächst, allerdings versucht jede Instanz letzten Endes nur, ein Stück des großen Machtkuchens zu ergattern. Doch Giuliano Della Rovere kennt keine Gnade mit seinen Nebenbuhlern und beseitigt auf abschreckende Weise jeden einzelnen, der sich gegen ihn aufzulehnen wagt …

_Persönlicher Eindruck:_

„Der schreckliche Papst“ ist nicht die erste Abhandlung zum angesprochenen Thema, mit der sich Alejandro Jodorowsky in seiner Bibliografie beschäftigt. Bereits in „Borgia“ gönnte er sich einen Ausflug ins verruchte mittelalterliche Rom, und auch wenn es keine offizielle Überleitung gibt, so knüpft der renommierte Comic-Autor in seiner neuen Reihe konsequent dort an, wo er seinerzeit endete.

Allerdings wirkt in „Giulano Delle Rovere“ alles noch skrupelloser und straighter als das, was Jodorowsky im inoffiziellen Vorläufer schilderte: Inzestuöse Triebtaten wechseln sich mit brutalen Morden, tückischen Attentaten und erschreckend gefühlskalten Machtspielchen ab, und dies alles unter dem Vorwand, Gott und der Kirche zu dienen und alles zu tun, um Italien zu einen und die durchtriebenen Gegner des Regimes zu zerstören. Und der neue Past geht tatsächlich mit eiskalter Hand vor, verbündet ahnungslose Familienmitglieder im Bestreben, seinen Machtbereich auszuweiten, bringt einstige Würdenträger kurzerhand selber um die Ecke und findet selbst für jedes noch so schlimme Vergehen eine Rechtfertigung, die sich für die teils Nichtsahnenden verbündeten schlüssig anhört – Widerspruch ausgeschlossen.

Insofern ist die Handlung nicht nur bösartig und ruppig in ihrer Präsentation, sondern auch im widerwärtigen Tonfall des Hauptdarstellers und zumindest offiziell Auserwählten. Jodorwsky wählt ein sehr provokantes Setting, stattet es mit ebenso anrüchigen Gestalten aus und stellt die Kirche in ein Licht, wie es stellenweise makaberer kaum sein könnte. Dabei sucht er eine überspitzte Performance aus, die zwar manches Mal ein wenig an Glaubwürdigkeit verliert, dafür aber umso eindringlicher das beschreibt, was „Der schreckliche Papst“ am Ende ausmacht – nämlich die ekelhaftesten Charaktereigenschaften aufzuzeichnen, die der Machtwille in einer einzelnen Person auslösen kann. Und bei diesem Versuch landet der Chilene auf Anhieb Erfolg, selbst wenn einige Wendungen innerhalb der Story schon sehr abstoßend sind.

Folgerichtig ist „Giuliano Della Rovere“ auch kein sonderlich komplexer Comic, auch wenn sich auf den 56 Seiten mehrere Verstrickungen miteinander verweben und der Widerstand gegen das Oberhaupt aus verschiedenen Richtungen kommt. Die Geschichte ist sehr direkt, die Nebenstränge dulden keinen langen Aufschub, die Atmosphäre bzw. die Wirkung der einzelnen Akte erfährt dadurch aber einen deutlichen Zuwachs in Sachen Intensität.

Da die Serie lediglich auf zwei Bände ausgelegt ist, mag die inhaltliche Kompromisslosigkeit auch nicht großartig verwundern. Doch Jodorowsky beweist eben, dass es manchmal empfehlenswerter ist, direkt auf den Punkt zu kommen – ganz besonders, wenn es um ein solch immer noch brisantes Thema geht. Und dafür bzw. generell für den ersten Band von „Der schreckliche Papst“ gebührt dem Mann großer Respekt!

|53 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3868691610|
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Houdt, André – Siebengestirn 2: Angusalem

_Siebengestirn:_

Band 1: [„Die gelbe Zone“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7659
Band 2: „Angusalem“
Band 3: „Sektor Glypha“
Band 4: „Blindgänger“

_Die Story:_

Der Split der Karawane hat Chronover vor einen erheblichen Konflikt gestellt. Einerseits möchte er mehr über das Schaffen der mysteriösen Siebengestirn-Organisation in Erfahrung bringen, andererseits sind ihm seine Begleiter so sehr ans Herz gewachsen, dass eine Rettungsaktion für die verbliebenen Mitglieder der Wandernomaden unausweichlich scheint. Der hartnäckige Widerstandskämpfer reist nach Angusalem, um Araal und Jade aus der Gefangenschaft zu befreien, und ist bestens vorbereitet; denn bereits zuvor erfährt er, dass die Mitarbeiter des Krankenhaus-Komplexes einen Tausch anbieten und eigentlich ihr Hauptaugenmerk auf Chronover gelegt haben.

In der der Station kommt es jedoch zu einem Zwischenfall; Chronover rennt ins offene Messer, als er feststellt, dass es sich bei den Rädelsführern des Hospitals um skrupellose Organhändler handelt, die eng mit Siebengestirn zusammenarbeiten. Unter größter Anstrengung gelingt ihm die Flucht, doch die Schergen aus Angusalem bleiben ihm dicht auf den Fersen …

_Persönlicher Eindruck:_

Die zweite Episode des von André Houdt geschaffenen Vierteilers verlagert sich die Szenerie an einen weiteren neuen Schauplatz und unterstützt die Komplexität der Handlung dadurch zumindest oberflächlich maßgeblich. Neue entscheidende Figuren und Gegner schalten sich ein, und zwischenzeitlich bewahrt sich der Autor auch immer wieder seine wilde Phantasie bei der Gestaltung der einzelnen Kreaturen und der ziemlich abgedrehten Charaktere, die „Siebengestirn“ in der Comic-Wildnis schließlich auch einen eigenständigen Platz sichern. Allerdings bleibt es in „Angusalem“ bei diesen kreativen Außergewöhnlichkeiten; denn im Hinblick auf die Story kommt das traditionell gezeichnete, jedoch futuristisch angelegte Konzept nicht mehr so recht in die Gänge.

Natürlich darf man bei der Betrachtung des zweiten Bandes nicht vergessen, dass Houdt im Debütalbum bereits viele Weichen gestellt und das Niveau auf ein beträchtlich hohes Level gehievt hat. Die Geschichte hatte eine strikte Linie, erwies sich aber dennoch als vielschichtiger Plott mit einer Menge Potenzial für die drei verbleibenden Fortsetzungen. Davon ist „Angusalem“ leider nicht mehr ganz so viel zu spüren. Die Charaktere bleiben weitestgehend blass, die Handlung wirkt ein wenig steif, da sie sich zu sehr auf die Geschehnisse in Angusalem beschränkt, welche aber wiederum nur andeutungsweise Hinweise auf die Organisation Siebengestirn liefern. Und auch wenn Band zwei mit einem angenehmen, hoffnungsvollen Cliffhanger endet, ist all das, was bis hierhin passiert, eigentlich weniger spektakulär und lediglich in illustrativer Hinsicht wirklich interessant.

Hinzu kommt, dass der Autor sich gar nicht erst dazu hinreißen lässt, den Plot mit etwas Spannung zu versehen. Die grundlegenden Aspekte der Story scheinen vorgegeben und sind auch schnell durchschaut, und da es den Hauptfiguren auch nicht gelingt, durch glanzvolle Ereignisse Akzente zu setzen, hangelt man sich letzten Endes mit dem Gedanken durch, dass „Angusalem“ eigentlich nur ein Zwischenschritt ist, der für das große Ganze notwendig war. Doch ob dies wirklich der Fall ist, kann sich erst mit der Veröffentlichung der letzten beiden Comics bestätigen.

Für „Angusalem“ hätte man sich ein bisschen mehr von jener Komplexität und Vertracktheit gewünscht, die das Debüt fast schon überfrachtete. Was dort zu weit ausgeprägt war, wird hier dringend benötigt. Von daher darf man gespannt sein, ob der Autor beim nächsten Mal endlich ein angemessenes Gleichgewicht findet. In dieser zweiten Episode ist ihm dies nicht besonders gut gelungen!

|Graphic Novel, 47 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3868693287|
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Téhy / Guenet / J. M. Vee – Yiu – Die Apokalypse: Buch 7 – Das letzte Testament

Yiu – Die Apokalypse:

Band 1: „In der Hölle“
Band 2: „Das Versprechen, das ich dir gab“
Band 3: „Heilige Mörder“
Band 4: „Bete, dass es stirbt“
Band 5: „Der Fall des Evangelischen Imperiums“
Band 6: „Das Buch des Lichts“
Band 7: „Das letzte Testament“

Story:

Während Ji-A nach der schwierigen Operation genesen scheint und die komplizierte Ganzkörpertransplantation überlebt hat, steht Yiu kurz vor ihrem Ziel, endlich wieder mit ihrem Bruder vereint zu sein und ihrer Vergangenheit als Killermaschine abzuschwören. Doch bei ihrer Ankunft im Hospital von Jerusalem werden ihr weitere Steine in den Weg gelegt.

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Uschmann, Oliver – Überleben auf Festivals

Jeden Sommer kommt es in ganz Europa zu einer wohl einzigartigen Rudelbildung. Tausende Fans der härteren musikalischen Gangart treffen sich bei einer Vielzahl stilistisch genau definierter Festivals zum Party-Wochenende und genießen zu leider immer weiter steigenden Preisen Musik, Drinks und das alljährlich-einzigartige Treiben. Doch was genau veranlasst den Liebhaber über seine musikalischen Interessen hinaus, Teil eines solchen Events zu sein? Warum treibt er sich über drei und mehrere Tage dazu, auf verdreckten Campingplätzen, in beengten Zelten und bei bedenklicher Nahrung seinem Dasein zu fristen, wo der Solo-Gig des Lieblingskünstlers doch weitaus entspannter zu genießen ist? Gründe für den Festivalbesuch gibt es schließlich zahlreiche. Doch wer sind diese Personen, die man auf einem Festival antrifft? Und welche eigenwilligen Rituale bestimmen ihr Leben während der heimischen Abstinenz?

Diesen Fragen ist Oliver Uschmann in seinem neuen Buch „Überleben auf Festivals“ recht intensiv nachgegangen. Und selbst wenn seine skurrile Darstellung über Typen, Personen, Persönlichkeiten und Gegebenheiten satirischer Natur ist, so wird man sich doch vor allem als Verfechter des sommerlichen Treibens sehr schnell in irgendeiner Form wiederfinden – oder gleich in vielfältiger Ausprägung.

Uschmann unterteilt sein Buch in mehrere Kapitel, deren einzelne Episoden nicht nur allzu typische Charakteristika jener Events beschreiben, sondern auch weit hergeholte Thesen über das Seelenleben der jeweiligen Besucherspezies aufstellen. Besonders experimentierfreudig gibt sich der Autor bei der Darstellung der Gattung der Besucher, die vom Barbaren über den Kümmerer bis hin zum modernen Twitterer reicht. Beschrieben werden typische Verhaltensmuster, die musikalisch-äquivalenten Vorlieben, prägende Erlebnisse aus der Vergangenheit und ihre ganzheitliche Konsequenz für den Aufenthalt.

Uschmann beweist dabei Fachkenntnis und Mut, lehnt sich manchmal bewusst sehr weit aus dem Fenster, übertreibt gerade bei der Verhaltensanalyse maßlos, verschafft sich und seinen Umschreibungen dabei aber wachsende Sympathiewerte, weil hier gelegentlich auch Schmerzgrenzen und Tabus überschritten werden, ohne den unteren Sektor der Gürtellinie zu streifen. Wenn hier beispielsweise eigenwillige, aber völlig normale Beziehungsgeflechte zwischen den einzelnen Besuchertypen analysiert werden, ist man erstaunt, dass selbst die völlig überspitzten Ausführungen einen gewissen Wahrheitswert haben, die „Überleben auf Festivals“ nicht bloß als Comedy-Werk wichtig machen. Fakten und Phantasie vermischen sich zu einer urkomischen Einheit, die gerade in den Zusammenfassungen über Menschen wie den Retro-Rocker und den Fachmann einen richtig tollen Unterhaltungswert aufbieten. Und dabei ist hier erst der Anfang gemacht …

In den weiteren Kapiteln werden einem die unterschiedlichen Musikergattungen nahegebracht, man erfährt von Riten und Bräuchen am Zeltplatz und bekommt auch einen ziemlich analytischen Einblick in die Wahl der Bauten und Siedlungen, in denen sich der Festivalbesucher während seines Wochenendausflugs einquartiert. Darüber hinaus widmet sich ein sehr spezieller Teilabschnitt den teils ekelerregenden kulinarischen Genüssen(?), denen man auf dem Gelände begegnet und die zum größten Teil wohl jedweder Hygieneprüfung zum Opfer fallen würden.

Interessant wird es schließlich, wenn sich die einzelnen Inhalte vermischen und beispielsweise bestimmte Rituale mit den dazugehörigen Charakteren in Verbindung gebracht werden. Oder wenn sich offenbart, warum diverse Speisen lediglich von einer bestimmten Gattung des Festivalgastes konsumiert werden. Hier greift Uschmann dann zum äußersten Extrem, würzt seine Darstellungen mit sehr pikantem, trockenem Humor und erreicht am Ende noch weitaus mehr Lacher als der umschriebene Menschentyp im Bierrausch vor der Hauptbühne – und das will ja schon mal einiges bedeuten!

Insofern wäre es eigentlich schon fatal, dieses Buch abzulehnen, weil Festivals und die Menschen, die sich dort Sommer für Sommer aufhalten, ordentlich durch den Kakao gezogen werden. Denn gerade diejenigen, die hier am ehesten betroffen sind, werden staunen, wie perfekt sie in manchen Abschnitten satirisch getroffen werden, welche Eigenbrödlereien sie selber ausleben, ohne sie als solche zu erkennen, und wie – plump gesagt – bescheuert man sich doch gerne schon einmal verhält, wenn man sein Haus für ein Wochenende verlässt und sein Leben in dieser Zeit in die Dienste des Rock ’n‘ Roll stellt. Von daher gehen für diesen ironischen, humorvollen und absolut gelungenen Beitrag zu einem Teil der zeitgemäßen Kultur beide Daumen absolut senkrecht nach oben!

|Paperback, Flexobroschur, 368 Seiten
ISBN: 978-3-453-26808-1|
http://heyne-hardcore.de
http://www.heyne.de

Téhy / Guenet / J. M. Vee – Yiu – Die Apokalypse: Buch 6 – Das Buch des Lichts

Yiu – Die Apokalypse:

Band 1: „In der Hölle“
Band 2: „Das Versprechen, das ich dir gab“
Band 3: „Heilige Mörder“
Band 4: „Bete, dass es stirbt“
Band 5: „Der Fall des Evangelischen Imperiums“
Band 6: „Das Buch des Lichts“
Band 7: „Das letzte Testament“

Story:

Téhy / Guenet / J. M. Vee – Yiu – Die Apokalypse: Buch 6 – Das Buch des Lichts weiterlesen

Holt, Anne – Gotteszahl

_Story:_

Der Mord an der renommierten, aber aufgrund ihrer teils radikalen Meinungen umstrittenen Bischöfin Eva Karin Lysgaard beschäftigt Presse und Medien gleichermaßen. Yngvar Stubø vom Osloer Kriminaldezernat wird nach Bergen berufen, um dem Mann und dem gemeinsamen Sohn der Verstorbenen auf den Zahn zu fühlen – doch beide hüllen sich in Schweigen. Fast parallel zum rätselhaften Verbrechen wird im Osloer Hafenbecken ein homosexueller Asylant tot aufgefunden. Und auch der Tod des drogensüchtigen Künstlers Niclas Winter scheint nicht suizidaler Natur zu sein. Insgesamt beschäftigen immerhin sechs rätselhafte Todesfälle die norwegischen Kriminalisten, jedoch besteht keine einzige Spur zu Tätern, Verdächtigen oder grundlegenden Motiven. Ausgerechnet Yngvar Stubøs Ehefrau Inger Johanne Vik, die ebenfalls als Beraterin mit den Ermittlern zusammenarbeitet, stößt schließlich auf eine Paralelle: Alle Opfer haben eine homosexuelle Vergangenheit. Doch was ist mit der ermordeten Bischöfin? Wie passt sie in dieses Raster? Und warum hüllt sich ihr Witwer Erik Lysgaard in konsequentes Schweigen?

_Persönlicher Eindruck:_

Anne Holt und ihre Charaktere: Nachdem sie Hanne Wilhelmsen verletzungsbedingt in Rente geschickt hat, konnte die norwegische Bestseller-Autorin mit Yngvar Stubø und seiner Frau Inger Johanne Vik relativ schnell zwei neue Serienfiguren etablieren, die sowohl in ihren literarischen Ermittlungsarbeiten, als auch auf privater Ebene von vornherein eine richtig gute Figur abgegeben haben. In ihrem vierten gemeinsamen Abenteuer stoßen die beiden jedoch erstmals auf Widerstand. Denn rein inhaltlich verrennt sich ihre Schreiberin viel zu häufig in verwirrenden Entwicklungen, die auch durch den rasanten Schlussteil nicht mehr angemessen aufgearbeitet werden können.

Bereits in den ersten Kapiteln tauchen reichlich Fragen auf: Warum zum Beispiel beschreibt Holt derart viele Charaktere, nimmt sich aber nie einmal die Zeit, ihnen auch Raum und Zeit zu gönnen, Zutritt in die Story zu bekommen? Und wie soll man überhaupt folgen können, wenn so viele düstere Szenarien aneinandergereiht werden, die (zumindest anfangs) in keinem erkennbaren Zusammenhang stehen. Da erfährt man vom reichen Erben Marcus Kroll, der irgendein Geheimnis mit sich trägt. Man lernt den schweigsamen Erik Lysgaard un seinen hilflos anmutenden Sohn Lukas kennen, die auch mehr zu sagen hätten, als sie Yngvar Stubø gegenüber preisgeben. Man erfährt von einer komischen Anwaltskanzlei, die nicht wirklich in die Gänge kommt. Überdies wird die Familie der Protagonisten immer mal wieder beleuchtet, vor allem ihre autistische Tochter Kristina, die schließlich auch noch eine besondere Position im Plot zugeschoben bekommt. Aber irgendwie läuft alles nebenher, findet nicht zueinander. Selbst wenn die Übergänge zwischen den einzelnen Sinnabschnitten immer wieder gekonnt entworfen werden, steht man oft vor einer riesigen, schier unüberwindlichen Logik-Mauer. Was hat das alles miteinander zu tun?

Erst zu einem sehr späten Zeitpunkt lässt Kollegin Holt den Zufall entscheiden und sorgt dafür, dass die Puzzlestücke langsam Verwendung finden. Doch die Art und Weise, wie die offenkundige Mordserie aufgeklärt wird, ist sehr stark konstruiert und erschließt sich nicht auf glaubwürdigen Wegen. Eher zufällig nimmt Inger Johanne wieder Kontakt zu einer alten amerikanischen Freundin auf, die ihr von einer religiösen, radikalen Vereinigung berichtet, den 25ers. Und auch wenn biss dahin nie ein Wort über rassistische Motive gefallen ist, nimmt genau diese Tatsache den Roman mit einem Mal in Beschlag, somit auch die weibliche Hauptakteurin, und führt schließlich zur Lösung vieler inhaltlichen Ungereimtheiten. Nicht der smarte Way, Frau Holt, zumindest nicht, wenn man sich vorab bereits durch zwei Drittel des Buches gekämpft hat und viele Ereignisse mit einem Mal bedeutungslos erscheinen.

Doch genau so künstlich sind leider viele Passagen des Romans aufgebaut, vor allem in der Mitte von „Gotteszahl“. Immer wieder kommen urplötzlich neue Fakten zum Vorschein, die eine enorme Tragweite haben, aber ziemlich ruckartig in die Story eingeflochten werden. Nahezu alle entscheidenden Tatsachen schleichen sich aus dem Hinteerhalt an und müssen nicht, wie es der Krimi-Leser ja eigentlich bevorzugt, langsam erarbeitet werden – und das ist schließlich auch das große Manko dieser Erzählung.

Dabei könnte es sich die Autorin so einfach machen. Die Detailliebe könnte weniger verworren an den Leser herangetragen werden, die Charaktere könnten bei einem etwas stringenteren Abriss wesentlich zugänglicher gemacht werden, und auch die sicher gut durchdachten Verstrickungen unter den zahlreichen Personen würden mehr Spaß machen, wenn sie verständlicher dargestellt wären. Doch diese Chancen verbaut sich Anne Holt alleine dadurch, dass sie alle Fakten immerzu in den Vordergrund rücken möchte, dabei aber übersieht, dass man irgendwann nicht mehr wirklich folgen kann.

Insofern ist „Gotteszahl“ nicht der verdiente Bestseller-Kandidat, den man von der renommierten Erfolgsautorin erwarten würde. Eher ist es ein anständiger Krimi, der sich jedoch in vielen Passagen in sich selbst verliert und sich inhaltlich das Leben viel zu schwer macht!

|Taschenbuch: 464 Seiten
Originaltitel: Pengemannen
ISBN-13: 978-3492273619|
http://www.piper-verlag.de

_Anne Holt bei |Buchwurm.info|:_
[„Die Wahrheit dahinter“ 1523
[„Was niemals geschah“ 1971
[„Der norwegische Gast“ 5168
[„Der norwegische Gast“ (Lesung) 5923

Troisi, Licia – Im Bann der Wächter (Die Feuerkämpferin 1)

_|Die Feuerkämpferin|:_

Band 1: _“Im Bann der Wächter“_
Band 2: „Tochter des Bluts“

_Story:_

Es scheint, als habe die Aufgetauchte Welt endlich ihren Frieden gefunden; Learco hat die Schreckensherrschaft seines Vaters beendet und steht als König der ganzen Länder ebenso hoch im Kurs seiner Bevölkerung wie als Friedensbotschafter in der Geschichte seiner Welt. Gemeinsam mit seiner Frau Dubhe regiert er am Hofe Makrats, blickt stolz auf die Entwicklung seiner Drachenritter zurück und hat über eine weitere Generation eine neue Familie gegründet. Doch nach einem halben Jahrhundert, in dem der Frieden gefestigt und die Länder wieder zusammengewachsen sind, scheint sich eine neue Bedrohung einzunisten. Eine rätselhafte Seuche, die das Volk mit schwarzen Flecken versieht und sich alsbald als Todesurteil entpuppt, befällt immer mehr Städte der Aufgetauchten Welt. Und weder der König noch sein treuherziges Gefolge haben auch nur den Funken einer Ahnung, was genau hinter diesem sich schnell verbreitenden Virus steckt.

Zur gleichen Zeit entdeckt der angehende Drachenritter Amhal auf einer verlassenen Wiese eine junge Frau, die ihr Gedächtnis verloren hat, scheinbar jedoch besondere Fähigkeiten in sich trägt. Amhal nimmt sich ihrer an und bringt sie selbstlos nach Makrat, wo sie am Hofe des Königs eine Stellung als Kindermädchen für Learcos Enkeltochter Amina erhält. Der junge Ritter tauft sie auf den Namen Adhara und entwickelt sehr schnell Gefühle für die eigenartige Schönheit – und diese Gefühle werden von Adhara noch intensiver erwidert. Erst als der verlorene Sohn San, Sennars Enkel, wieder zurückkehrt, scheint sich die Situation zu ändern. Amhal ist fasziniert von dem magischen Kämpfer, der ihm zuvor bereits in seinen Träumen begegnet war, und verliert die junge Liebe mit einem Mal wieder aus ihren Augen. Stattdessen verfällt er der Versuchung, seiner ständigen Blutlust nachzugeben, was San schamlos ausnutzt, um Amhal weitere verbotene Zauber beizubringen. Als sich die Seuche immer weiter über das Land legt und durch eine Intrige das gesamte königliche Gefolge in Mitleidenschaft gezogen wird, entfernen sich San und Amhal in ein externes Lager. Und während Amhal immer noch glaubt, sein legendärer neuer Lehrmeister ist die einzige Person, die die Aufgetauchte Welt noch vor ihrem Untergang bewahren kann, schmiedet dieser bereits Pläne, die seinem namhaften Erbe nicht mehr gerecht werden. Dies wird auch Adhara bewusst, die Amhal nachreist und endlich herausfinden möchte, welche Ereignisse ihre Vergangenheit ausgemacht haben …

_Persönlicher Eindruck:_

Eigentlich war es nur eine Frage der Zei, bis Licia Troisi ihre Geschichte um die Aufgetauchte Welt fortführen würde. Zu viel Liebe hat sie in die Deals zu ihrer Fantasy-Schöpfung investiert, zu ausgefallen waren die Charaktere, die die italienische Autorin vor allem in ihrer zweiten Trilogie Drachenkämpferin geschaffen hat. Insofern war der Start eines weiteren Dreiteilers nicht nur logisch, sondern dringend erwünscht, nicht zuletzt, weil der letzte Band der vorangegangenen Serie relativ abrupt endete, jedoch noch eine Menge Potenzial bewahrte, Dubhe, Learco, San und Co. weiterleben zu lassen – und die ist nun mit „Die Feuerkämpferin“ respektive dem ersten Kapitel „Im Bann der Wächter“ geschehen.

Allerdings ist die neue Story zu Beginn noch nicht ganz so atemberaubend und unberechenbar, wie es Troisis Bücher in der Vergangenheit waren. Recht viele Parallelen zur mysteriösen Dubhe aus „Die Drachenkämpferin“ erlebt man beispielsweise in der Charakterzeichnung der neuen Protagonistin Adhara, die zwar richtig stark in die Story eingefügt wird, in ihrem weiteren Handeln jedoch mehrfach sehr naiv agiert, was den Plot nicht bloß einmal weniger glaubwürdig gestaltet, als man das von der jungen Italienierin gewohnt ist. Abeer auch der unstete Partner, der ihr in „Im Bann der Wächter“ zur Seite gestellt wird, scheint zu leicht beeinflussbar, hat nicht diese Leidenschaft und Ausdrucksstärke wie die Helden aus Troisis früheren Werken. Amhal beispielsweise auf eine Stufe mit Lonerin oder Ido zu stellen, wäre absolut vermessen – hier zeigt die Autorin jedenfalls einige klare Schwächen bei der Erstellung neuer, glaubhaft agierender Persönlichkeiten.

Der Aufbau der Erzählung indes ist gewohnt souverän, auch wenn man hier und dort das Gefühl bekommt, Troisi müsste sich zu einigen Wendungen zwingen, um das spannungsvolle Gerüst auch aufrechtzuerhalten. Dabei spielt man ihr eigentlich die Bälle zu, sei es nun bei der Erwähnung des finsteren Ordens, beim Mysterium um Adhara oder eben bei der Dokumentation von Sans eigenartigem Lebenswandel. Aber auch die bekannten Figuren, die ihr Wesen im Laufe der Zeit selbstredend angepasst und verändert haben, geben einiges her, was Troisi jedoch nicht allzu konsequent nutzt, um der Geschichte noch ein paar weitere pikante Eckdaten zu verpassen. Man könnte daher sagen, dass hier auf Nummer sicher gegangen wird, nicht zu viel Risiko existent ist, um das Niveau zu halten. Letzteres geschieht zwar alleine schon wegen des tadellosen Schreibstils völlig automatisch, doch „Die Feuerkämpferin“ bringt auch ohne den bekannten Vorbau schon genügend Potenzial mit, um öfter mal ein Wagnis einzugehen und die Story nicht mit Geplänkel wie der ziemlich naiven Liebelei zwischen Amhal und Adhara oder der offenkundigen moralischen Blindheit mancher Akteure zu vergeuden. Erstmals gibt es einige Längen, vor allem auf den letzten 100 Seiten, die auf ein anständiges Finish abzielen, dieses aber nicht gebührend inszenieren, als dass die Wirkung entsprechend mitreißend ist. Die Autorin verliert zwischenzeitlich den eigentlichen Fokus aus dem Auge und damit auch den Kernpunkt dessen, was „Im Bann des Wächters“ im rasanten Start ausmacht, später aber nicht mehr gleichermaßen leidenschaftlich auslebt.

Nichtsdestotrotz ist einmal mehr die Saat für eine sehr gute Fantasy-Story ausgelegt, und das trotz der Kritik auch auf Ebene der Charaktere. Denn was man auch nicht übersehen darf: Troisi bringt renommierte Opfer, um den Plot anzukurbeln und bewahrt sich somit dennoch einen Teil der Unberechenbarkeit der letzten beiden Dreiteiler. Fans dieser Serien werden daher auch nicht an „Die Feuerkämpferin“ vorbeikommen – so viel ist jetzt schon klar! Doch man darf dem Beginn dieser Trilogie eben auch nicht ganz unkritisch gegenüberstehen. Schließlich hat die Südeuropäerin durch ihren berechtigten Erfolg auch Erwartungen geschürt, die hier zwar größtenteils, aber eben nicht in Gänze befriedigt werden. Allerdings hat sie ja noch zwei weitere Romane, um verlorenen Boden wieder gutzumachen …

|Gebunden: 512 Seiten
Originaltitel: Leggende del Mondo Emerso 1 – Il destino di Adhara
ISBN-13: 978-3453266179|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

_Licia Troisi bei |Buchwurm.info|:_
[„Im Land des Windes“ (Drachenkämpferin 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2488
[„Der Auftrag des Magiers“ (Drachenkämpferin 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4130
[„Der Talisman der Macht“ (Drachenkämpferin 3)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4507
|Die Schattenkämpferin|:
Band 1: [„Das Erbe der Drachen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6633
Band 2: [„Das Siegel des Todes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7342
Band 3: [„Der Fluch der Assassinen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7648

Rejchtman, Grzegorz – Ubongo 3D (Brettspiel)

_Kult in 3D_

Man kann es drehen und wenden, wie man will – und das im wahrsten Sinne des Wortes – aber es gibt nur wenige Gesellschaftsspiele, die für die heimische Sammlung derart essenziell erscheinen wie [Ubongo]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4191. Lediglich Klassiker wie „Die Siedler von Catan“, das unverwüstliche Partyspiel „Looping Louie“ oder Gassenhauer wie die „Risiko“-Serie haben in der jüngeren Vergangenheit einen derartigen Kultstatus erlangt, wie das einst sehr passend als ‚Tetris on Speed‘ umschriebene Spiel von Grzegorz Rejchtmann. Dementsprechend war zu erwarten, dass die Grundidee weiter ausgebaut und auch zukünftig mit gleichnamigen Verwandten herumexperimentiert würde. Nach „Ubongo Extrem“ folgt nun vielleicht das anspruchsvollste Spiel der gesamten Reihe – und gleichzeitig ein Titel, der trotz des anfangs abschreckenden, doch verhältnismäßig hohen Preises ebenfalls eine nahezu unverzichtbare Bereicherung für den eigenen Spieleschrank darstellt: „Ubongo 3D“.

_Spielidee:_

Aufbauend auf den Grundmechanismen des klassischen „Ubongo“-Spiels geht es in der 3D-Variante darum, eine exakt vorgegebene Grundfläche mit Spielsteinen aufzufüllen und eben jene Fläche exakt abzudecken. Der elementare Unterschied: Man baut heuer in zwei Etagen und muss dafür sorgen, dass die vorgegebene Grundfläche mit wahlweise drei oder vier Klötzen passend ausgefüllt wird. Dies mag in der Theorie ein leichtes Unterfangen sein, erweist sich in der Praxis jedoch als teilweise ziemlich kniffliges Ereignis, an dem sich selbst die klügsten Köpfe die Zähne ausbeißen sollten.

_Spielmaterial:_

* 36 Legetafeln (mit insgesamt 504 Aufgaben)
* 40 Legeteile
* 1 zehnseitiger Würfel
* 1 Sanduhr
* 1 Stoffbeutel
* 58 Edelsteine
* 1 Lösungsheft

Bei einer Preisempfehlung von ungefähr 50€ darf man berechtigterweise etwas höhere Ansprüche an die Spielmaterialien stellen, zumal nun auch kein grafischer Hochgenuss zu erwarten war. Dennoch hat man sich bei der Produktion des Schachtelinhalts auf relativ schlichte ‚Baustoffe‘ beschränkt, die im Falle der Klötze vielleicht auch ein wenig Enttäuschung hervorrufen. Denn statt sich auf das vertraute Holz zu berufen, hat man Kunststoff als Material für die 40 Legeteile gewählt, und da das Ganze bereits vor dem ersten Gebrauch bzw. vorm eigentlichen Auspacken des Materials leichte Gebrauchs- und Abnutzungsspuren von sich trägt, ist Kritik sicherlich angebracht. Ansonsten ist alles in bewährter Tradition erstellt worden, sprich die Legetafeln mit afrikanischen Mustern, die bereits bekannten Edelsteine und auch die Sanduhr und der Würfel sind qualitativ und optisch sehr ordentlich verarbeitet.

_Spielvorbereitung:_

Vor jeder Partie werden die entsprechenden Spielmaterialien bereitgelegt. Dies sind für jeden Spieler exakt neun Legetafeln, die zu einem großen Stapel zusammengelegt werden, sowie eine Reihe aus jeweils neun blauen und braunen Edelsteinen, mit denen die Spielrunden markiert werden. Die Sanduhr wird bereitgestellt, alle übrigen Edelsteine in den Stoffbeutel gepackt – und dann kann das Spiel auch schon beginnen!

_Spielablauf:_

In jeder Runde wird jedem Spieler eine Legetafel ausgehändigt. Vorab sollte geklärt werden, ob man die einfache Variante mit drei oder die Profi-Version mit vier Legeteilen spielt. Der Spieler, der nun an der Reihe ist, würfelt mit dem zehnseitigen Würfel und entscheidet damit, welche Legeteile für die neue Aufgabe benötigt werden. Welche Teile dies bei welcher Augenzahl sind, ist auf den Tafeln genau festgehalten. Hat nun jeder Spieler die benötigten Klötze aus dem Vorrat herausgesucht, wird die Sanduhr umgedreht, und die Tüftelei beginnt. Sollte es einem Spieler vor Ablauf gelingen, das Rätsel zu lösen, ruft er laut ‚Ubongo‘. Dieser Spieler hat nun Anspruch auf den blauen Edelstein aus der Rundenauslage sowie einen Edelstein aus dem Beutel. Der zweitplatzierte Spieler – sollte es überhaupt einen Zweiten geben, der sein Rätsel löst – darf den braunen Stein und ebenfalls einen Edelstein aus dem Beutel ziehen. Alle anderen Spieler, die vor Ende der Runde ihre Aufgabe lösen, können immerhin noch einmal in den Beutel greifen. Sollte es jedoch vor Ablauf der Sanduhr-Strecke niemandem gelingen, sein Rätsel erfolgreich zu lösen, wird eine zweite Chance gewährt und die Uhr noch einmal gedreht. Wenn es nun jemandem gelingen sollte, die Steine passend abzulegen, darf er sich einmal im Beutel bedienen – die Runde wird dann aber auch sofort abgeschlossen.

So wird nun Runde für Runde gespielt, bis schließlich mit Ende der Runde die Schlusswertung erfolgt. Punkte gibt es selbstredend für die gesammelten Edelsteine, die von unterschiedlichem Wert sind – und wer hier die größte Summe erzielt, hat das Spiel gewonnen.

_Persönlicher Eindruck:_

Es ist schon beeindruckend, wie der Autor aus einer bereits herausragenden Idee (vorläufig?) das Maximum herausgeholt hat. „Ubongo“ gestaltete sich in der jahrelang bekannten Original-Variante bereits knifflig und manchmal mit leichter Tendenz zur Verzweiflung im Kampf gegen die Sanduhr. Doch was dies betrifft, setzt die 3D-Fassung dem Ganzen noch einmal ordentlich eins drauf! Zwar ist die Uhr nicht mehr ausschließlich tonangebend, dafür sind die Rätsel jedoch stellenweise so vertrackt und mit Kopfzerbrechen verbunden, dass es selbst für den absoluten Logiker zur unbezwingbaren Tüftelei ausartet. Gut daran: Der Spaßfaktor bleibt unterdessen nicht auf der Strecke, weil das fordernde Element des Spiels immer wieder motivierend ist, man ständig ins Schmunzeln ob des ordentlichen Anspruchs gerät und es manchmal sogar schwierig ist, sich auf die eigene Aufgabe zu konzentrieren, weil man parallel damit beschäftigt ist, die qualmenden Köpfe seiner Mitspieler zu beobachten.

Daher ist es erst einmal auch gar nicht entscheidend, wer welchen Edelstein ergattert bzw. wer mit ein wenig Glück die besten Steine absahnt und schließlich den Sieg einfährt. Nein, wichtig ist gerade in den ersten Runden, wie das System funktioniert und fesselt, wie wer an seine Aufgaben herangeht, und wie man von der schieren Verzweiflung übermannt wird, wenn es mal nicht so läuft, wie es eigentlich wünschenswert wäre.

In diesem Sinne ist jedoch auch der langfristige Reiz garantiert, zumal mit insgesamt 504 verschiedenen Optionen reichlich Stoff für den leidenschaftlichen Tüftler bereitsteht, die man im Nachhinein aber auch wieder nicht so deutlich überblicken kann, dass man einzelne Aufgaben irgendwann aus dem Stegreif löst. „Ubongo 3D“ lebt mehr noch als seine bisherigen Vorgänger von der permanenten Herausforderung und entwickelt hierbei einen derzeit unvergleichlichen, weil Genre-unabhängigen Spielreiz. Zwar sollte vorausgesetzt sein, dass man „Ubongo“-erprobt ist, damit man ins System hineinfindet und sich selbst nicht überfordert, jedoch kann man bei der anhaltenden Popularität eigentlich davon ausgehen, dass die heimische Sammlung den Original-Klassiker längst beinhaltet. Und wer „Ubongo“ in der Basis-Version lieben gelernt hat, das weiß man schon nach wenigen Testrunden, der wird die 3D-Abart sehr schnell vergöttern, weil sie einer begeisterungsfähigen, kreativen Spielidee noch weitere Reserven entlockt hat. Auch wenn der Anschaffungspreis anfangs ein bisschen abschreckt; man wird diese Investition im Leben nicht bereuen!

|Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 10 Jahren
Anzahl der Spieler: 2 – 4|
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Houot, André – Siebengestirn 1: Die gelbe Zone

_|Siebengestirn|:_

Band 1: _“Die gelbe Zone“_
Band 2: „Angusalem“
Band 3: „Sektor Glypha“
Band 4: „Blindgänger“

_Story:_

Die Menschen an Bord des Observatorium Nord nutzen ihre Besuchsrechte an der Oberfläche des Planeten zu verschiedenen Zwecken. Einem älteren Herrn, der seit geraumer Zeit gegen die Kontrollmechanismen propagiert, wird sein handeln jedoch zum Verhängnis: Die Wachen verschleppen ihn, und auch sein Sohn, der Widerstand leistet und um das Leben seines Vaters fürchtet, wird in die Zellen des Observatoriums verbannt, wo ihn qualvolle Momente erwarten. Ein weiterer Mensch mit weißem Bart beobachtet das Szenario und wehrt sich gegen seine Festnahme, die darauf begründet, sich von seiner Gruppe gelöst zu haben. Doch noch vor seiner Verurteilung gelingt ihm die gewaltsame Flucht, auf der er den Alten von seinen Qualen befreit, seinen Sohn Araal mitführt und schließlich mit letzter Kraft die verseuchte Wüste Antades erreicht. Hier treffen die beiden auf eine Schlepperkarawane, denen sie sich anschließen und alsbald als nützliches Werkzeug im Kampf gegen die gewaltsamen Nomaden aktiv werden. Ihre Reise führt sie schließlich zum Heiligtum von Katatonien, einer neutralen Zone, in der die Flüchtigen sich in Sicherheit wähnen. Doch die Taten des Mannes, den die Schlepper Chronover getauft haben, haben sich bereits herumgesprochen und machen ihn ruckartig zum Feindbild von Herrscher Devergon. Mit aller Macht versucht man, sich Chronover zu entledigen und auch seine Mitwisser verschwinden zu lassen. Aber der erfahrene Kämpfer mit dem weißen Bart ist nicht so schnell abzuschütteln …

_Persönlicher Eindruck:_

Puh, diesen ziemlich vertrackten Komplex, den André Houot im ersten Band seiner neuen Serie „Siebengestirn“ kreiert hat, will man erst einmal verdaut haben. Die Story basiert zwar auf den Mitteln der klassischen Science-Fiction und macht sich deren unterkühlte Atmosphäre geschickt zunutze, ist aber in ihrem Anfangsstadium stellenweise fast schon zu kompliziert aufgebaut, als dass man den wirren Sprüngen der Handlung und der Vielzahl der Geheimnisse, die sich hinter den Charakteren verbergen, überhaupt noch folgen könnte. Und dies macht „Die gelbe Zone“ bis auf Weiteres zu keinem angenehmen Ereignis.

Zunächst verfolgt der Autor allerdings noch einen sehr linearen Strang und schildert recht ausführlich die grausame Vorgehensweise in den Observationssektoren. Die Menschen werden genötigt, sich unmissverständlich resoluten Regeln unterzuordnen und die Weisungen des Regimes bedingungslos zu akzeptieren; andernfalls drohen Qualen, Schmerzen und ein schleichender Tod. Die Darstellung ist konsequenterweise auch sehr brutal, untermauert aber die beklemmende Grundstimmung des ersten Akts sowie der gesamten Szenerie, die daher auch inhaltlich vorerst keine Zweifel erlaubt. Mit fortschreitender Seitenzahl fällt es aber zunehmend schwerer, nachzuvollziehen, was die Protagonisten beabsichtigen und aus welchen Motiven sie handeln. Houot gibt kaum Informationen über seine Schachfiguren preis, gibt keinen Raum, ihre Strategie zu analysieren, geschweige denn, dass Informationen über die Herkunft und Vergangenheit von Chronover oder Araal herausgefiltert werden können. Alles unterliegt einem übergeordneten Mysterium, welches starr aufrechterhalten wird, und das auch infolge der actionreichen Wendungen nicht zu entschlüsseln ist. Man erfährt lediglich, dass Chronover ein erfahrener Widerstandskämpfer ist, der in allen Wissenschaften Erfahrungen und Routine mitbringt und demzufolge auch in den aussichtslosen Situationen, von denen sich in „Die gelbe Zone“ einige bieten, die Ruhe bewahrt und sich clever aus ihnen herausmanövriert. Aber was weiter hinter dieser Figur steckt, wie sich das beschriebene Regime tatsächlich konstituiert, und warum die Sache überhaupt so weit ausarten konnte, dass eine derart gewaltsame Diktatur ihre Berechtigung bekommen hat, all das kann man sich nach den Erlebnissen des ersten Albums von „Siebengestirn“ noch nicht zusammenreimen.

Daher ist es auch relativ schwer, Zugang zur Story zu bekommen und nüchtern ihre Qualität zu beurteilen, weil man einfach mehr lesen und wissen muss, um das Konstrukt besser zu verstehen und sich auf die Geschehnisse auf dem verseuchten Planeten einzulassen. Der erste Eindruck ist sicherlich sehr interessant, die Erzählung baut einen anständigen Spannungsbogen auf, und die Charaktere üben eine ähnlich große Faszination aus wie die Präsentation des frostigen Settings. Aber um wirklich mehr zu „Siebengestirn“ sagen zu können, bedarf es weiterer Informationen, die der nächste Band sicher liefern wird. Bis dahin sei lediglich darauf verwiesen, dass „Die gelbe Zone“ nichts für schwache Nerven ist und „Siebengestirn“ als Serie definitiv sehr schwere Kost ist!

|Graphic Novel: 48 Seiten
ISBN-13: 978-3868693270|
[www.splitter-verlag.eu]http://www.splitter-verlag.eu

Steding, Andreas – Firenze (Gesellschaftsspiel)

_Spielidee:_

Florenz im 12.-14. Jahrhundert: Der Einfluss der reichen Familien ist nicht mehr einzig und allein auf Politik und Wirtschaft beschränkt; auch die Architektur wird immer weiter von den noblen Herrschaftsfamilien der Stadt geprägt. Im steten Konkurrenzkampf errichten sie neue Turmbauten als Statussymbole, um das Prestige in der Stadt anzuheizen.
In „Firenze“ übernehmen die Spieler schließlich die Rolle ihrer Bauherren und beteiligen sich am Bau dieser Türme, jedoch unter verschiedenen Risiken. Denn entlohnt wirkt lediglich derjenige, dem es gelingt, in jeder Runde weitere Steine an sein Bauwerk anzulegen. Gelingt dies nicht, muss das Projekt wieder abgerissen und neu gestartet werden. Wem es schließlich gelingt, bei der Planung der großen Bauten die cleverste Strategie zu fahren und gleichzeitig die Gunst einiger erfahrener Gehilfen zu nutzen, wird in „Firenze“ die meisten Prestigepunkte sammeln und schließlich auch das Spiel gewinnen.

_Spielmaterial:_

* 1 Spielplan
* 4 Bauplätze
* 88 Bausteine
* 52 Aktionskarten
* 8 Übersichtskarten
* 36 Siegel
* 7 neutrale Siegel
* 4 kleine Siegel
* 19 Balkonplättchen
* 4 Etagenplättchen
* 1 Spiel-Ende-Plättchen
* 4 Prestigemarker
* 1 Beutel
* 1 Anleitung
* 1 Übersichtsblatt

Das Spielmaterial fällt in erster Linie durch eine feine Grafik und eine Menge Liebe zum Detail auf. Gleichzeitig hat man für die Turmbausteine stabile Holzartikel gewählt, die sich in ihrer Konstellation prima aufeinander stapeln lassen und die Sache auch praktikabel machen. Zwar wirkt das Ganze in der späteren Auslage auf dem Spielbrett ein bisschen klobig, doch diese Kleinigkeit wird durch die feinen Illustrationen auf den Karten sowie auf dem eigentlichen Spielplan schnell wieder ausgebügelt. Insgesamt ist das Material stimmig gewählt und im Hinblick auf die Praxis nahezu makellos.

_Vorbereitung:_

Der Spielplan wird zunächst ausgebreitet und mit reichlich Material bestückt: Das Plättchen für das Spielende findet ebenso Platz wie die Bonus-Plättchen für denjenigen, der einen Turm einer bestimmten Höhe als Erstes konstruiert hat. Die Balkonplättchen werden verdeckt und schließlich vier herausgezogen, die man anschließend auf die dazugehörigen Balkone verteilt. Wer später im Spiel einen Turm mit der gleichen Höhe erbaut, bekommt durch diese Plättchen weitere Prestigepunkte. Als Letztes werden fünf neutrale Siegel auf beliebige Balkone verteilt, wobei man darauf achten sollte, dass alle Türme in etwa gleich bestückt sind.

Nun werden die übrigen Materialien an die Spieler verteilt. Jeder Spieler erhält die Siegel und den Prestigemarker in der gewählten Farbe. Beginnend mit dem Startspieler bekommt jeder zwei (+1, je nach Position im Uhrzeigersinn) weiße Bausteine, die später als ‚Währung‘ oder eben als Baumaterial genutzt werden können.
Ist dies geschehen, nimmt man die obersten sechs Aktionskarten vom Nachziehstapel, legt diese in die Auslage und zieht für jede Karte vier neue Bausteine aus dem Säckchen, die man schließlich bekommt, wenn man in der Aktionsphase die jeweilige Karte aussucht. Sobald die Prestigemarker auf dem Spielplan angelegt sind, kann das Spiel beginnen.

_Spielverlauf:_

„Firenze“ ist in insgesamt sechs Spielphasen pro Runde eingeteilt, die jeder Spieler durchgängig absolvieren kann, bevor er das Zepter an seinen linken Mitspieler übergibt. Manche dieser Phasen sind optional ausführbar, andere wiederum verpflichtend. Doch eines haben alles gleich: Man muss bereits clever taktieren, um sich in jeder Situation einen eigenen Vorteil zu verschaffen. Gespielt wird eine Runde im nachstehenden Verlauf:

1) Karte wählen

In der Auslage auf dem Spielbrett befinden sich insgesamt sechs Karten zur freien Auswahl, die jedoch unterschiedlich erschwinglich sind. Die Karte ganz links ist umsonst zu haben, je weiter man jedoch nach rechts schreitet, wird ein aufsteigender Preis fällig, der in Bausteinen entrichtet werden muss, welche wiederum auf die übrigen Karten links in der Auslage verteilt werden, um diese noch lukrativer zu machen. Allerdings sind die Karten mit den meisten Bausteinen nicht zwingend diejenigen, die am meisten lohnen. Denn manche Ereignisse und Figuren sowie ein Teil der Festkarten haben negative Folgen für das Spiel, die man nur in Kauf nehmen sollte, wenn man dringend einen Baustein einer bestimmten Farbe benötigt. Die Wahl einer neuen Aktionskarte ist jedoch zwingend.

2) Stein tauschen

Wer dringend einen bestimmten Baustein benötigt, kann ihm zum Kurs von 3:1 gegen einen Stein tauschen, der sich auf einer der Karten befindet. Damit wertet er diese Karte natürlich auf, da von nun an zwei weitere Steine darauf liegen. Und da der Kurs hoch ist, muss man sich diesen Schritt gerade anfangs doppelt überlegen, denn Bausteine sind in den ersten Runden noch rar. Wer jedoch eine Brücke bei den Aktionskarten ergattert, kann hierdurch ein besseres Tauschverhältnis schaffen und diese Aktion lukrativer gestalten.

3) Türme bauen

Wer sich entschließt, seine Bausteine dazu zu verwenden, den Turmbau zu beginnen, sollte schauen, dass genügend Nachschub parat liegt. Denn wer in einer Runde ein bestimmtes Turmprojekt nicht weiter fortsetzen kann, ist gezwungen, das Gebäude wieder abzureißen. Gebaut werden können immer nur Steine gleicher Farbe. Jedoch ist es möglich, mehrere Türme verschiedener Farben gleichzeitig zu errichten. Es gilt jedoch die Bauregel, dass ab dem dritten ergänzten Stein auch Kosten entrichtet werden müssen. Diese steigen proportional. Allerdings kann man auch nur bis zu sechs Steine anbauen, was vom Kostenaufwand her betrachtet, schon ein Wagnis ist. Türme bauen ist ein optionaler Schritt, muss aber schließlich weiterverfolgt werden. Einige Aktionskarten sind hier behilflich, indem sie die Baukosten reduzieren bzw. schlimmere Folgen abwenden. Überdies muss man auch schauen, welche Farbe man wählt, da unterschiedlich viele Bauteile im Spiel sind. Entscheidet man sich beispielsweise für den violetten Turm, der am Ende auch die meisten Punkte liefert, muss man sich darüber im Klaren sein, dass hier nur relativ wenige Steine im Umlauf sind, Nachschub also schwerer zu beschaffen und daher das Risiko eines Abrissmanövers größer ist.

4) Bauruinen abreißen

Kann man im vorherigen Schritt einen Turm nicht weiterbauen, ist man nun gezwungen, ihn zur Ruine zu deklarieren. Die Hälfte der Bausteine bekommt man zwar zurück, doch gelten die Baumaßnahmen in den letzten Runden damit auch als unbedeutend.

5) Aufträge erfüllen

Wer nun glaubt, dass einer oder mehrere Türme hoch genug sind, um einen Auftrag zu erfüllen, kann die Türme abgeben und dafür ein Siegel auf dem farblich passenden Turm auf dem Spielbrett platzieren. Hier ist genau beschrieben, wie viele Prestigepunkte man dafür erhält. Jeder Balkon eines Turmes kann aber nur einmal genutzt werden, so dass im fortschreitenden Spielverlauf immer weniger Optionen bzw. Aufträge zur Verfügung stehen.

Wer einen Auftrag einer bestimmten Turmhöhe als erster erfüllt, bekommt hierfür Bonuspunkte. Außerdem sollte man beachten, dass die Balkonplättchen Zusatzpunkte bringen und man nach Möglichkeit eines hiervon nutzt, wenn man den Turmbau plant und abschließt.

6) Limits überprüfen

Am Ende einer jeder Runde ist es lediglich legitim, zehn Bausteine in seinem Lageer und fünf Handkarten zu besitzen. Überschüssige Materialien müssen abgeworfen werden, wobei es bei den Karten noch spezielle Regeln gibt, welche Karten weggelegt werden dürfen und welche nicht. Befindet man sich jedoch im Rahmen dieser Limits, hat man nichts weiter zu befürchten.

Während all dieser Rundenphasen ist es jederzeit möglich, Aktionskarten auszuspielen bzw. die Gunst bereits ausliegender Karten zu nutzen. Sobald ein Spieler schließlich all seine Siegel auf den Türmen des Spielbretts ausgelegt hat, bekommt er das Spielend-Plättchen und die damit verbundenen fünf Prestigepunkte und läutet die letzte Spielrunde ein. Jeder Spieler ist noch einmal am Zug, anschließend wird gewertet. Hierbei werden die Anteile an den Türmen mit Punkten honoriert und ergänzt, sowie die verbliebenen Handkarten herangezogen. Wer nach der Abrechnung das meiste Prestige innehat, hat das Spiel gewonnen.

_Persönlicher Eindruck:_

Die Mechanismen in „Firenze“ sind zwar stellenweise sehr interessant, wirklich neu ist das Spielsystem am Ende aber nicht. Es wird gepokert und taktiert, und die strategische Komponente wird ausreichend befriedigt – doch insgesamt ist man doch von zu vielen Faktoren abhängig, sei es nun, welche Karten neu in die Auslage kommen (und inwiefern man überhaupt die Chance hat, an diese Karte heranzukommen, bevor sie von einem anderen Spieler weggeschnappt wird) oder wie schnell man generell an die benötigten Bausteine kommt, die man für den Weiterbau zwingend gebraucht. Außerdem ist die Punkteverteilung der fünf Türme ein wenig ungünstig gewählt, da vor allem in den niedrigeren Balkonstufen kaum Abstufungen existieren und man besonders zu Beginn des Spiels fast schon beliebig agieren kann, ohne größere Konsequenzen befürchten zu müssen. Zwar sind die vergleichsweise leichter zu errichtenden Türme bald erbaut und nicht mehr nutzbar, doch alles in allem hätte man hier bei der Detailarbeit noch etwas feiner vorgehen können, um „Firenze“ etwas taktischer zu gestalten. Oder anders gesagt: Oftmals führen viele glückliche Umstände zum individuellen Spielverlauf, so dass man partiell vom Spiel gespielt wird. Und das ist gerade für gewiefte Strategen nicht rundum befriedigend!

Andererseits bietet der neue Pegasus-Titel eine anständige Dynamik und erfordert gezielte Planungsmaßnahmen, damit überhaupt ein Vorsprung im Spielverlauf zu erzielen ist. Es ist nötig, einige Züge vorauszudenken, was gerade im Spiel zu viert eine knifflige Angelegenheit ist und sich zu einer ordentlichen Herausforderung mausert. Unter diesem Gesichtspunkt ist die zuvor geäußerte Kritik nicht mehr ganz so schwerwiegend, aber eben auch nicht ganz vergessen. Suboptimal ist das Ganze lediglich beim Spiel zu zweit, da man die Aktionsmöglichkeiten nicht so konsequent ausspielen kann und es dem Gegenspieler immer wieder leichtfertig möglich ist, einen Rückstand ohne größere Überlegungen auszugleichen. Im direkten Vergleich geht hier definitiv einiges an Spieltiefe verloren!

_Summa summarum ist „Firenze“_ daher ein guter Einsteiger für den längeren Spieleabend und mit einer Spielzeit von ca. 60 Minuten auch überschaubar. Einen wirklichen Knaller haben Pegasus aufgrund der mangelnden Feinarbeit zwar nicht herausgehauen, doch im Hinblick auf die gute Mischung aus vertrauten Mechanismen, neuen Elementen und trotzdem kaum eingeschränkten Spielspaß kann man den Titel von Andreas Steding ruhigen Herzens denjenigen empfehlen, die auf der Suche nach einem leichten Strategiespiel sind.

|Firenze
Brettspiel von Pegasus Spiele für 2-4 Spieler ab 12 Jahren
Dauer: 45-90 Minuten
Autor: Andreas Steding
Illustration: Michael Menzel
EAN 4250231713705|
[www.pegasus.de]http://www.pegasus.de

Ange (Autoren) / Démarez, Thierry (Zeichner) – Maries Drachen 2: Rache

_|Maries Drachen|:_

Band 1: [„Armance“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7650
Band 2: [„Rache“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7649
Band 3: „Armaury“

_Story:_

Mit dem siegreichen Kampf gegen das Ungeheuer ist es Marie und ihrem Gefährten William gelungen, die lange verschollene Schwester Armance zu befreien und mit ihr gemeinsam den Rachefeldzug gegen diejenigen zu starten, die vor 15 Jahren ihr Dorf und einen Teil ihrer Familie vernichtet haben. Ihre Spur führt nach Mailand, wo sie Georg von Aichelin, einen der Rädelsführer des Attentats vermuten, der jedoch wie vom Erdboden verschluckt scheint. Auf dem Ball des unrechtschaffenen Grafen Orsini wollen Marie und William die Schwester Georgs antreffen und den verschwundenen Mörder aufspüren – doch sie werden lediglich Zeuge eines versteckten Ritualmordes, für den die Mailänder Obrigkeit die französische Eskorte alsbald verantwortlich macht. Gemeinsam mit Jean von Clermont, der sie einst noch der Hexerei anklagen sollte, flieht Marie und nimmt dabei den Auftrag an, eine gewichtige Schatulle des Papstes in das französische Kaiserreich zu tragen. Doch die politischen Wirren sind ihr im Wege, und da Clermont öffentlich den Grafen köpft und somit den ganzen Hass der Mailänder gegen Frankreich richtet, ist ihre Flucht zur französischen Grenze von vielen kleinen Scharmützeln gezeichnet. Kurz vor der Ankunft erfährt Marie schließlich die schreckliche Wahrheit um den Verbleib des Georg von Aichelin – und wird gleichzeitig Zeugin des Verrats ihres jüngeren, ebenfalls gesuchten Bruders Lou, dessen Verbleib nach dem damaligen Attentat immerzu fraglich blieb …

_Persönlicher Eindruck:_

Auch wenn die zweite Episode aus Anges neuer Reihe „Maries Drachen“ ein wenig versöhnlich stimmt und die vielen Ungereimtheiten, die noch im Debütalbum „Armance“ auftraten, ein wenig zu kaschieren weiß, fällt es dem renommierten Autorenpaar relativ schwer, die Geschichte in einen überzeugenden Komplex zu integrieren. Immer wieder wird die Handlung von allzu konstruierten Wendungen unterwandert, und nicht selten bekommt man den Eindruck, dass Anne und Gerard noch gar kein klares Ziel vor Augen haben, was den Fortgang der Erzählung betrifft.

Hierzu passt, dass der rasante Szenenwechsel ins mittelalterliche Mailand erst einmal keinem logischen Gedankengang unterliegt. Die Suche nach Georg von Aichelin ist zwar das Motiv, weiter in den Süden zu reisen, doch die Art und Weise, wie und in welchem Maße Marie und ihre Gefährten Einfluss nehmen können, mutet doch sehr merkwürdig an. Es bleibt zum Beispiel ungeklärt, wie die einst der Hexerei bezichtigte Protagonisten plötzlich eine wichtige Mission im Auftrag des Papstes begleiten darf. Ebenfalls zweifelhaft ist ihre Teilnahme am Ball des Grafen Orsini, der mit verschiedenen Gaunern paktiert, um sich gegen Frankreich zu verbünden. Insbesondere in diesen Szenen kann man kaum nachvollziehen, warum der Hauptakteurin ihr ‚Glück‘ so leicht in die Hände fällt bzw. warum sie geradezu spielerisch an den Anlässen der Obrigkeiten teilnehmen darf, ohne dass ihr sozialer Rang oder ihr allgemeines Image dies rechtfertigen könnten – und unter dem Aspekt der Logik verlaufen sich dementsprechend auch wieder alle Spuren.

Andererseits ist die Geschichte diesmal sehr ansprechend umgesetzt, bekommt ein angenehm flottes Tempo und erfreut sich auch einer ordentlichen Dynamik im Hinblick auf die zahlreichen Wendungen. Dennoch ist „Rache“ von vielen zu raschen Zeit- und Ortswechseln gekennzeichnet, die den rein erzählerischen Anteil herunterfahren und die Sache auf ungünstige Weise beschleunigen. Ange haben sich relativ wenig Zeit genommen, etwas mehr ins Detail zu gehen und die wichtigen Handlungspunkte auch adäquat miteinander zu verknüpfen. Doch was drängt die beiden Franzosen?
Immerhin bekennen sie ein bisschen mehr Farbe bei der Darstellung der Charaktere; die gegensätzlichen Ziele der beiden Schwestern kommen sehr gut zum Vorschein, die Eifersüchteleien eines William machen seine Stellung im gesamten Komplex transparenter, aber auch Jean von Clermont, der bis dato noch schwer einzuschätzen war, indes seine Position, wenngleich sie hinsichtlich der moralischen Vorwände, unter denen er arbeitet, auch nicht immer glaubwürdig weiterentwickelt wird. Aber zumindest hier macht man endlich mal einen durchsichtigen Anfang und nimmt der Story einen Teil ihrer leider immer noch omnipräsenten Hektik. Und Letztgenannte ist es schließlich auch, die jeden Anflug von Euphorie schnellstens wieder ausbremst, weil man zu keinem Zeitpunkt des Geschehens genau einschätzen kann, welche verworrenen Breaks Ange wieder einfügen werden.

Letzten Endes ist auch „Rache“ nicht vom Format der Ange-Großtaten, was vorrangig daran festzumachen ist, dass die beiden Autoren keine klare Linie fahren und die Atmosphäre des Comics nach wie vor von einigen logischen Patzern beeinträchtigt wird. Darüber hinaus ist die teils sehr brutale Präsentation ein weiterer Kritikpunkt, der bei der Gesamtbewertung nicht außer Acht gelassen wird. Die Szene, in der William einen Jugendlichen erdrosselt, ist jedenfalls hart an der Grenze. Von daher kann man kaum einschätzen, ob „Maries Drachen“ noch in die richtige Bahn gelenkt werden kann. Die ersten beiden Kapitel, auch wenn eine qualitative Steigerung zu verzeichnen ist, sind jedenfalls noch nicht das Gelbe vom Ei!

|Graphic Novel: 56 Seiten
ISBN-13: 978-3868691573|
[www.splitter-verlag.eu]http://www.splitter-verlag.eu