Gemmell, David – Wolf in Shadow (Stones of Power)

Jon Shannow ist ein hochgewachsener Mann mit langem, schwarzem Haar und Kinnbart, der erste silbergraue Stellen zeigt. Bevorzugt gehüllt in schwarze Kleidung, schwarzen Mantel, schwarzen Hut, reitet er auf seinem schwarzen Hengst immer mit einem lockeren Griff an den beiden Revolvern um seine Hüften durch eine an den Wilden Westen erinnernde Endzeitwelt… – auf der Suche nach Jerusalem!

Der britische Autor David Gemmell ist ein Meister, wenn es darum geht, Klischee mit Anspruch zu verbinden. Mit „Wolf in Shadow“ bietet er ein Endzeit-Western-Szenario, dessen Held Jon Shannow bei den Fans so populär wurde, dass zwei Fortsetzungen bis heute folgten. Leider sind diese Romane bislang nur auf Englisch erschienen. Bekannt ist Gemmell für seine eher in antiken bis mittelalterlichen Zeiten angesiedelten Fantasy-Romane. Zu seinen beliebtesten Werken gehören die Drenai-Saga, insbesondere „Die Legende“ mit dem Axtschwinger Druss und die Romane um den düsteren Helden Waylander.

„Wolf in Shadows“ hat einen losen Bezug zu der „Stones of Power“-Reihe. Spielten die ersten beiden Bände derselben im alten England zu König Artus‘ Zeiten, ist das Western-Endzeit-Setting mit Shannow lesbar, ohne diese zu kennen. Ein absoluter Neueinstieg.

War „Wolf in Shadows“, zuerst unter „The Jerusalem Man“ erschienen, anfangs als Einzelroman geplant, folgten aufgrund der begeisterten Fans, die mehr von Shannow lesen wollten, mit „The Last Guardian“ und „Bloodstone“ zwei weitere Bände.

Jon Shannow schlägt genau in dieselbe Kerbe wie Waylander – allerdings nicht mit Schwert oder Pfeil und Bogen, sondern mit Pulver und Blei:
Vor knapp 300 Jahren kippte die Erdachse, und als Folge von Atomkrieg und den ausgelösten Überschwemmungen und Naturkatastrophen wurde die menschliche Zivilisation zerstört. Shannow lebt in einer Western-Endzeitwelt (allerdings ohne Indianer!), in der Banditen wie Aasgeier die geplagten Menschen terrorisieren.

Jons Familie wurde Opfer von Outlaws, sein Pflegevater Varey Shannow, dessen Namen er zu seinem Gedenken angenommen hat, wurde ebenso ermordet. Während sein Bruder Daniel Cade ein gefürchteter Banditenführer wird, der den Glauben an Gott verloren hat, sucht Jon nach Sinn in dieser gewalttätigen Welt. Er sucht Jerusalem – in der heiligen Stadt der Bibel will er Antworten finden. Auf seiner ruhelosen Suche erwirbt er sich einen üblen Ruf: Der Tod reitet mit Shannow. Auch wenn er nicht lügt, betrügt, trinkt und vergewaltigt, sein Ruf ist der eines gnadenlosen, wahnsinnigen Killers.

So verfolgt er zum Beispiel Halunken, die einen kleinen Jungen entführt haben, um seine Mutter zu erpressen. Er stellt sie, schießt einen nieder, zitiert dem Anführer mit der Waffe an der Schläfe aus der Bibel, und lässt ihn dann noch einmal davonlaufen. Ergebnis: In der Stadt wird erzählt, die Schurken wollten den kleinen Jungen vor Shannow retten und wurden dabei über den Haufen geschossen…

Das Kind ist kaum weniger dankbar: Es kann sich nicht vorstellen, dass Mr. Fletcher ihm und seiner Mutter etwas Böses antun wollte, er verehrt ihn sogar als netten und freundlichen Mann. Vor der düsteren Figur Shannow und seiner erschreckenden Art hat er jedoch große Angst. Wenigstens die Mutter dankt Shannow…

Das ist es auch, was Jon Shannow plagt: Gutes will er tun, aber wo immer er auftaucht, gibt es Mord und Totschlag. In der Bibel steht, du sollst nicht töten… aber auch, die Feinde des Herren niederzustrecken. Als ein Mann der Extreme ist er kein guter, milder und vergebender Mensch – aber auch kein böser und habgieriger. Mit der Waffe in der Hand lässt er stets nur eine Wahl: Leben oder Tod. Keine zweite Chance. Wer Shannow erneut in die Quere kommt, den schickt er ganz alttestamentarisch zur Hölle. Shannow verzweifelt an seinen Taten – Gutes will er tun, doch seine Gewalt führt nur zu noch mehr Gewalt, Mord und Tod sind stets seine Begleiter. Tut er nichts gegen Willkür und Gewalt, sieht er hilflos zu wie Leid geschieht – greift er ein, eskaliert die Gewalt noch mehr.

Soviel zu Shannow – nun möchte ich kurz die Handlung von „Wolf in Shadow“ vorstellen. Der Beginn des Buches ist recht… apokalyptisch.

Ein Überlebender des atomaren Weltuntergangs hat mit Hilfe der magischen Sipstrassi-Steine seit über 300 Jahren überlebt. Mit seinem Wissen um verloren gegangene Technologien und den aus den ersten Bänden der Saga bekannten Steinchen hat er ein Weltreich aufgebaut. Die Zerstörung der Welt hat ihm den Glauben an Gott genommen, er interpretiert die Bibel recht eigenwillig und nennt sich jetzt Abaddon, Sendbote Satans auf Erden.

Seine Macht fußt auf den Sipstrassi-Steinen – aber deren Macht ist endlich: Golden glänzend werden sie, je öfter sie verwendet werden, schwärzer – bis nichts mehr geht. Aber… man kann sie mit BLUT, oder besser gesagt der Lebensenergie von Menschen, neu „auffüllen“. Dann werden die Sipstrassi zu „Blutsteinen“, welche nicht mehr heilen und erschaffen können, aber dem Anwender Stärke und Macht geben, sowie seine niederen Regungen wie Gier und Hass steigern. Das schreckliche ist, es macht süchtig – und verlangt nach immer mehr Nachschub.

So ziehen dann die „Hellborn“, des Satans treue Kinder, vom wiedererrichteten neuen Babylon mit fortschrittlichen Revolvern (Steinschlossflinten, Musketen und Armbrüste sind der „Standard“) aus, um ein Weltreich zu erobern. Menschen werden als Blutopfer dargebracht, und jeder von der Hellborn-Armee getötete Mensch gibt seine Energie an Abaddon ab, der sie über die in die Stirn eines jeden Hellborn eingepflanzten Blutstein-Splitter empfängt.

Dieser „Teufel“ stößt bald auf Jon Shannow… dieser ist mit einem Siedlertreck und seiner neuen Lebensgefährtin in die Plague Lands gezogen, wird aber von ihnen getrennt. Als er erfährt, dass die Hellborn das Leben der Siedler bedrohen, nimmt er den Kampf auf. Abaddon schickt seine „Zealots“, Fanatiker mit durch Blutstein gesteigerten psionischen Fähigkeiten, Shannow und dem desertierten Hellborn Batik entgegen.

Sein Bruder Daniel Cade reagiert anders auf die Bedrohung durch die Hellborn: Ohne Siedler zum berauben hat man als Räuber keine Existenzgrundlage. Er organisiert Verteidigung und Flucht vor den Hellborn und macht sich die Bibel als Werkzeug zunutze, gibt sich als Prophet aus – er hat die Macht der Religion zur Manipulation erkannt. Das Ganze läuft jedoch anders, als er es erwartet hat: Nach einigen glücklichen Erfolgen und nachdem einige Ex-Banditen Cades ihr Leben opferten, um Siedler vor den Hellborn zu schützen, wird er immer populärer und seine Erfolge als Wunder gefeiert. Auch Cade selbst ist betroffen, er erkennt, dass ihm ein respektiertes Leben und ein Ideal, für das er kämpfen kann, mehr Wert sind als ein Leben als Desperado, und wird selbst bekehrt.

Doch es ist an Shannow, die Macht Abaddons zu brechen – denn er ist nur ein Werkzeug anderer Überlebender der Apokalypse, die ihre eigenen Ziele verfolgen… deren Anführer ist der wahre „Wolf in Shadow“…

Das Szenario tönt wie eine Groschenheft-Apokalypse, wenn man das so liest. Man darf sich nicht täuschen lassen: Gemmell ist ein erstklassiger Charakter-Beschreiber, die Handlung gewinnt mit dem überraschenden Ende, das ich nicht verraten werde, an Klasse. Die christlichen Aspekte und der „Teufel“ werden zum Glück nicht in üblicher amerikanischer Art und Weise runtergeleiert… Gemmell ist Brite, und er hat mit seiner Version dieser Thematik ein sehr ansprechendes Buch geliefert.

Schön ist auch, dass die Folgebände nicht wiederkäuen, sondern erweitern: So gibt Shannow Noah die Inspiration zum Bau der Arche, und wird zum Auslöser des Weltuntergangs. Ja, Jon Shannow war schuld – auch am Untergang von Atlantis! Im finalen Band ist Shannow eine Legende und ein Quasi-Heiliger, in dessen Namen die „Jerusalem Riders“ mit Gewalt und Willkür ihre „Wahrheit“ durchsetzen – was Shannow noch tiefer als seine eigenen Sünden erschüttert.

„Wolf in Shadow“ ist leider NUR auf ENGLISCH erhältlich. Da derzeit Gemmell’s Rigante-Zyklus übersetzt wird, wird man so bald auch nicht mit einer deutschen Fassung rechnen können. Wer es dennoch versuchen will – in Gemmell’s Büchern reden die Hauptpersonen sehr viel in direkter Rede, und es ist deshalb leichter verständlich als manch andere englische Bücher.

Mich begeistert insbesondere das frische Szenario, das vom Standard-Ambiente der Antike und des Mittelalters abweicht. Kommt der Folgeband „The Last Guardian“ nicht ganz so gut rüber wie „Wolf in Shadow“, ist das Finale mit „Bloodstone“ ein echter Knüller.

Wer ein bisschen Englisch kann und auf düstere Heldentypen steht, der findet in Jon Shannow exzellentes Lesefutter. Das Buch spricht wohl deshalb auch eher eine männliche Zielgruppe an.

Stephen Lawhead – Die Tochter des Pilgers (The Celtic Crusades)

VORGESCHICHTE

Da es sich bei „Die Tochter des Pilgers“ um den letzten Teil der Trilogie „Die Keltischen Kreuzzüge“ von Stephen Lawhead handelt, möchte ich eine kurze Zusammenfassung voranstellen:

Im Jahre 1095 erhören viele Adelige den Ruf des Papstes, der zum Kampf gegen die Ungläubigen im fernen Outremer auffordert. Auch der Vater und die beiden älteren Brüder Murdo Ranulfsons begeben sich auf den Kreuzzug zur Befreiung Jerusalems.

Band 1: Das Kreuz und die Lanze (Taschenbuch: Der Sohn des Kreuzfahrers)
In ihrer Abwesenheit verliert die Familie durch Intrigen der Kirche ihr Hab und Gut, und Murdo den Glauben an Gott. Er reist seinem Vater nach, um mit ihm und seinen Brüdern ihre Rechte geltend zu machen. Doch sein Vater stirbt, seine Brüder wollen nicht mehr nach Hause. Stattdessen verschreibt sich Murdo der Sache der Célé Dé („Fromme Aufgabe“), einer Gemeinschaft frommer Mönche, die sich dem „wahren Glauben“ verschrieben hat und dem Papst und seiner Kirche kritisch gegenüberstehen. Er rettet die heilige Lanze, mit der Jesus Christus‘ Tod festgestellt wurde, vor Moslems und dem Kaiser von Byzanz und versteckt sie in einem Kloster in seiner Heimat.

Band 2: Der Gast des Kalifen
Sein Sohn Duncan begibt sich Jahre später ebenfalls auf eine abenteuerliche Pilgerfahrt, auch er schließt sich den Célé Dé an und bringt einen Teil des wahren Kreuzes Christi zurück in die Heimat, trotz der Nachstellungen von Templern und Assassinen.

Band 3: DIE TOCHTER DES PILGERS

Im letzten Band der Trilogie wird Duncan in Byzanz von Templerkomtur de Bracineaux ermordet, seine Töchter Caitriona und Alethea schwören Rache für den Tod ihres Vaters. Doch auch Caitriona wird auf die Sache der Célé Dé eingeschworen: Anstelle die Gelegenheit zu nutzen und de Bracineaux zu erdolchen, stiehlt sie ihm ein geheimes Schriftstück, das von einer geheimnisvollen mystischen Rose spricht, die in Spanien in die Hände der Mauren zu fallen droht. Es stellt sich bald heraus, dass es sich um den heiligen Gral selbst handelt. Mit von ihr aus der Sklaverei freigekauften norwegischen Rittern macht sich Caitriona auf die Reise. Doch die Templer verfolgen sie, ihre Schwester Alethea wird von maurischen Banditen verschleppt und Caitriona droht den Verführungskünsten des Maurenfürsten Hassan zu erliegen. Beim Hort des Grals treffen der mordlustige Templerkomtur und seine Schergen mit Caitriona, ihren Begleitern und den Mauren zusammen…

Soweit die Zusammenfassung der Trilogie „Die Keltischen Kreuzzüge“ von Stephen Lawhead. Der Autor, ein Kenner der britisch-keltischen Geschichte und Sagenwelt, wurde in Deutschland vor allem durch das „Lied von Albion“ und den Pendragon-Zyklus bekannt. Sein Bestseller „Byzantium“ wurde in Deutschland unglücklich in zwei Bände aufgespalten, die in Deutschland „Aidan, Die Reise nach Byzanz“ und „Aidan in der Hand des Kalifen“ heißen.

Interessanterweise hat dieses Buch Pate für weite Teile der Handlung der gesamten Trilogie gestanden, in der jedes der drei Bücher nach dem Schema „Reise nach Jerusalem“ abläuft. Im Handlungsverlauf ergattert der jeweilige Held aus der Familie Murdosson dann eine heilige Reliquie, wird vom Zweifler zum frommen Christen und kehrt damit in die Heimat zurück – grob vereinfacht.

Auch Caitriona, die namensgebende „Tochter des Pilgers“ (Duncan), stellt hier keine Ausnahme dar. Die Trilogie leidet jedoch sehr unter diesem Schema: Im Eiltempo wird man durch zahlreiche Orte Europas und des nahen Ostens gehetzt, wobei meistens nur Zeit für oberflächliche Betrachtungen bleibt. Erschwerend kommt hinzu, dass der dritte Teil keinen wirklich befriedigenden Abschluß der Trilogie bietet: Alle drei Bände wurden von einem Nachfahren Murdos, der zur Zeit des 1. Weltkriegs lebt, als Erinnerung aus der Familienchronik erzählt. Er wird gerade in den inneren Kreis des Ordens der Célé Dé initiiert und berichtet quasi zu jeder Reliquie die Geschichte des jeweiligen Buches. Mehr aber auch nicht – die mystische Verbrämung der ersten beiden Bände um die Ziele der Célé Dé, was ziemlich verwirrend wirkte und die Bücher unvollständig erscheinen ließ, wird auch im letzten Band nicht aufgeklärt. Diese unnötig aufgeblasene Rahmenhandlung, die nur dem Zwecke der Erzählung diente und den Leser mehr erwarten ließ, ist aber nur eine der Schwächen der Konzeption der gesamten Trilogie.

Ob sich Caitriona nun in Spanien bei den Mauren oder in Damaskus aufhält: Moslems haben hier und dort die gleichen Sitten, die gleiche Sprache. Da das Buch dialoglastig ist, könnte man eigentlich auch völlig auf die jeweilige Beschreibung der Örtlichkeit verzichten. Man muss nur die Kapitelüberschrift austauschen und darauf achten, in Spanien natürlich spanische Ritter als Eskorte zu bemühen.

Historische Patzer und/oder Übersetzungsfehler finden sich in Hülle und Fülle; hier zeigt sich, dass Lawhead zwar ein Keltizismus-Experte und Kenner des alten Byzanz ist, aber in Bezug auf die Templer sowie die Geographie und Geschichte Spaniens erlauben er und sein Lektor sich einen Fehler nach dem anderen: Orte werden irrtümlich zwischen Kastilien, Leon und Aragorn vertauscht, das Königreich Navarra hat Lawhead wohl ganz übersehen. Abgesehen von der Geographie sind Verhalten und Bräuche ebenso verfälscht worden: Bei einer Leichenverbrennung als Bestattungsform hätten sowohl Odin als auch Allah sich gewundert, besonders wenn diese von einem schon vor Jahrhunderten christianisierten Norweger und einem Almohaden durchgeführt wird. Wenn der zuvor als superfromm geschilderte norwegische Ritter Rognvald dann auch noch einen Erzbischof belügt, dass sich die Balken biegen, dann ist das noch lange nicht so schlimm wie die Groschenroman-Show von Fürst Hassan: Dieser versucht durchaus gekonnt und lesenswert – hier dachte ich kommt etwas Feuer und Würze in die Geschichte – Caitriona zu verführen, die ihm auf den Leim geht und den Warnungen ihrer Begleiter kein Gehör schenkt. Aber wie endet es? Grundlos peitscht Hassan seine Frau, die er bisher als seine Schwester ausgegeben hat, aus, Caitriona erwischt ihn und er entschuldigt sich, verspricht ihr weiterhin Unterstützung und damit ist die Sache gegessen – Friede, Freude, Eierkuchen. Wenn mir jetzt jemand erklären könnte, wie ein Maure auf die Idee kommt, seine Frau zu verheimlichen und als Schwester auszugeben, nur weil er eine Christin verführen will, und warum es an dieser Stelle keinen weiteren Konflikt mehr gibt, wäre ich sehr dankbar…

Nun, die Handlung erfordert es eben! Ich hatte den Eindruck, hier wurde Lawhead zu einer drastischen Kürzung bzw. Änderung genötigt. Das Buch ist das deutlich kürzeste der Trilogie. Diesmal hat Lawhead auch bei den Figuren geschlampt: Caitriona ist zwar überzeugend und ähnlich streitbar wie der alte Murdo, ihre resolute Art kann unter Umständen nerven, besonders im Gespann mit ihrer – von ihr selbst zu Recht – als Nervensäge bezeichneten kleinen Schwester Alethea. Diese wird, hier möchte ich nicht zuviel verraten, eine Wandlung durchmachen, die hopplahopp und nicht nachvollziehbar geschieht. Über das seltsame Verhalten des Maurenfürsten Hassan habe ich schon geschrieben, ebenso über die Unstimmigkeiten beim ansonsten sehr glaubwürdig charakterisierten Ritter Rognvald. Der Templerkomtur de Bracineaux ist eindeutig überzeichnet als Schurke. Im zweiten Band wurde er weitaus differenzierter geschildert. Hier ist er mordlustig, herrisch und von fanatischem Eifer besessen. Lawhead wollte wohl die wohlbekannte Arroganz der Herren vom Tempel darstellen, macht das jedoch so übertrieben, dass de Bracineaux unglaubwürdig wird. Gelungener ist schon sein Begleiter, ein beherrschter, distinguiert-herablassender Templerbaron aus Frankreich. Nur… seit wann behält man seinen Titel, wenn man in den Templerorden eintritt?

Zusammfassend kann man sagen, dass nicht die zahllosen Fehlerchen dem Buch und der Trilogie das Genick brechen. Es ist vielmehr das andauernd wiederholte Reiseschema, das von einem oberflächlich und glanzlos beschriebenen Schauplatz zum nächsten führt. Die im ersten Band sanft angedeutete Kritik an Papst und Kirche wurde wohl aus Gründen der politischen Korrektheit in den Folgebänden vollständig fallengelassen, ebenso wie eine vernünftige Definition der Ziele der Célé Dé, die zur belanglosen Nebenhandlung bei der so etwas sinnentleerten Reliquiensammlung wurden. Offensichtlich, so zeigt das Auftauchen des geisterhaft-mysteriösen Bruder Andreas, das stets mit der Rekrutierung eines Murdosson endet, handelt die Sekte im Auftrag Gottes. Einen Abschluss schafft der dritte Band nicht. Ein unbefriedigendes „warum?“ bleibt im Raum stehen.

Lawhead kann es besser – „Byzantium“ ist historisch exakter, hat eine spannendere Rahmenhandlung und wiederholt nicht ständig dasselbe Schema. Blasse Charaktere mit unpassenden, unglaubwürdigen Handlungen geben dem Buch den Rest. Nur die grundsätzlich in meinen Augen hochinteressante Thematik der Trilogie sowie der angenehme und gefällige Schreibstil Lawheads bewahren das Buch vor einem totalen Desaster – die Reise nach Spanien war mit Abstand die langweiligste, viel andalusisches Flair habe ich nicht gerade erfahren dürfen.

Auf der Habenseite kann das Buch zusätzlich eine qualitativ hochwertige Bindung und optisch überzeugende Präsentation aufweisen, die sich auch im Buch selbst fortsetzt, abgesehen vom irreführenden und unpassenden Klappentext, der falsche Versprechungen macht.

Das Buch ist eine wunderschöne Mogelpackung, die sich auf Groschenroman-Niveau bewegt, und das schwächste der ganzen Trilogie, die so viel verspricht – und so wenig hält. Wer schon den Anfangsband nicht mochte, sollte dieses Buch gar nicht erst lesen. Ich kann weder „Die Tochter des Pilgers“ noch die Trilogie „Die Keltischen Kreuzzüge“ empfehlen, die von Band zu Band schwächer wurde, was Lawheads schwacher Konzeption des an und für sich hochinteressanten Stoffes anzulasten ist.

Kritiken der gesamten Trilogie „Die Keltischen Kreuzzüge“ bei _Buchwurm.info_:
Das Kreuz und die Lanze bzw. Der Sohn des Kreuzfahrers (Hardcover bzw. Taschenbuch)
Der Gast des Kalifen
Die Tochter des Pilgers (diese Kritik)

Taschenbuch ‏ : ‎ 574 Seiten
Homepage des Autors: http://www.stephenlawhead.com/

Coleman, Loren – Kampf beginnt, Der (Mechwarrior Dark Age 2)

BattleTech-Fans können aufatmen: Auch wenn die Nachfolgeserie der beliebten TableTop-Reihe rund um die gigantischen Kampfkolosse aus Stahl ein wenig respektables Debüt mit „Geisterkrieg“ präsentierte, bei Loren Coleman’s Roman „Der Kampf beginnt“ ist der Name Programm – er zeigt, welches Potential in dem neuen Szenario steckt und lässt Stackpole’s Ausrutscher schnell vergessen.

Die Handlung des Romans spielt vollständig auf der Welt Achernar, eine der wenigen Welten der Inneren Sphäre, die noch über einen funktionsfähigen Hyperpuls-Generator verfügen. Sowohl die Republik der Inneren Sphäre als auch die der Clankultur treuen Stahlwölfe sind deshalb an der Kontrolle über diese Welt interessiert. Doch auch lokale Kräfte wie der „Schwertschwur“ der Sandovals machen ihre Rechte geltend. Der gescheiterte Mechkrieger Raul Ortega wird seine zweite Chance erhalten – der Zöllner darf einen Legionär-BattleMech in die Schlacht gegen die Stahlwölfe führen, die wie in den Zeiten der Claninvasion einen Besitztest um Achernar fordern. Für zusätzliche Verwirrung sorgen die bemerkenswert – ich spreche hier nicht nur von ihrem Mech – gut ausgestattete Mechkriegerin Tassa Kay und der nicht immer loyale Kommandeur des Schwertschwurs, Erik Sandoval-Gröll.

Loren Coleman stand bislang immer im Schatten des erklärten Lieblings Stackpole, das neue Endzeit-Szenario von Dark Age scheint ihm jedoch besser zu liegen. Anstelle ganzer Heerscharen von BattleMechs sind nie mehr als 3-4 Mechs auf einem Schlachtfeld aktiv, dazu einige wenige Panzer und Elementare. Hochgezüchtete Kampfkolosse werden durch umgebaute AgroMechs ersetzt, Tassa Kay’s moderner Ryoken II stellt auf dem Schlachtfeld die absolute Ausnahme dar. Das kommt Raul Ortega’s Legionär zugute: Ein 50-t-Mech mit nur einer einzigen Autokanone hätte wohl kaum in der klassischen Serie für Aufsehen gesorgt. In Dark Age ist er ein wandelnder Alptraum. Der klassische Mech-Einzelkampf weicht Verbundwaffentaktik – Panzer und Infanterie sowie Helikopter haben in Dark Age ihren festen Platz. Kurz, die Mechgefechte machen wieder Spaß und erinnern ein wenig an die ersten Romane um die Gray-Death-Trilogie.

Die Hauptfiguren sind allesamt interessant: Man fiebert mit Raul Ortega und Tassa Kay, auch die Clanner auf der Gegenseite oder der seine eigenen Pläne verfolgende Sandoval-Gröll haben glaubhafte Motivationen und Probleme – mancher auch das eine oder andere Geheimnis…

Ein wenig mehr Licht wird auf die aktuellen Verhältnisse der Inneren Sphäre geworfen, nicht nur die Stahlwölfe planen die Eroberung von Präfektur IV, radikale Fraktionen der früheren Herrscherhäuser nehmen alte Fehden wieder auf. Der fahrende Ritter Kyle Powers hat alle Hände voll zu tun, besonderes Augenmerk wird auf den Aufstieg von Raul Ortega in höhere Ränge gelegt, aber auch die Clanner und der Schwertschwur bekommen ihre eigenen Kapitel gewidmet, was die jeweilige Situation aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und für Abwechslung sorgt. Durch die Konzentration der Gefechte auf wenige Mechs und die vorherige Bekanntmachung des Lesers mit ihren Piloten gewinnen diese eine höhere Intensität als das am Ende massenkampflastig gewordene klassische BattleTech.

Die Übersetzung von Reinhold H. Mai ist in gewohnt guter Qualität, das Titelbild vermag sogar zu begeistern: Heyne hat ein absolut zur Handlung passendes Titelbild mit einem Legionär-Mech von Wizkids gekauft! Der einzige Wermutstropfen dieses Romans ist, dass er die Handlung der Serie nicht wirklich voranbringt. Die letzte Genialität, die Stackpoles Klassiker auszeichnete, fehlt Coleman leider auch dieses Mal.

Dafür zeigt er, wie gut man klassische BattleTech-Aspekte mit dem neuen Szenario verbinden kann – es ist hervorragend gelungen! Ob Raul Ortega es in die Herzen der Fans schaffen und einem Grayson Carlyle oder Kai Allard-Liao den Rang ablaufen kann, wird sich zeigen, sein „Legionär“-BattleMech dürfte sich bereits seit diesem Roman einen Platz im Herzen der Fans erballert haben. Von der mysterösen Tassa Kay wird man noch mehr hören, einen Teil ihrer Geheimnisse offenbart sie bereits in diesem Roman – ein Tipp für alle BattleTech-Fans: Einfach einen Blick auf das US-Cover werfen und darüber nachdenken, an wen sie euch erinnert. Der Roman gefiel mir sehr gut und ist eine wahre Erlösung nach dem frustrierenden Einstiegsband, er macht Lust auf mehr. Ganz in klassischer Clanner-Manier gesagt: Gut gehandelt und akzeptiert, Mr. Coleman!

Ich bin gespannt, wie die Neulinge Robert E. Vardeman und Martin Delrio sich schlagen werden. Dass man aus dem umstrittenen Dark Age etwas machen kann, beweist dieser Roman.

Eddings, David – Thron im Diamant, Der (Elenium)

„Zu Anbeginn der Zeit, lange ehe die Urväter von Styrikum in Felle gehüllt und mit Keulen bewaffnet aus den Bergen und Wäldern von Zemoch auf die Ebenen von Mitteleosien schlurften, hauste in einer Höhle, tief unter dem ewigen Schnee Thalesiens, ein zwergenwüchsiger, missgestalteter Troll namens Ghwerig. (…) …der Stein, der von tiefstem Saphirblau war, besaß die Form einer Rose. Er gab ihm den Namen Bhelliom, Blumenstein, und er glaubte, dass die Kraft dieser edlen Saphirrose jeden Wunsch zu erfüllen vermochte.“

So beginnt die Vorgeschichte des ersten Bandes der Elenium-Trilogie, „Der Thron im Diamant“. David Eddings schrieb diese parallel zu den letzten Bänden der Malloreon-Saga 1989 (Der Thron im Diamant), 1990 (Der Ritter vom Rubin) und 1991 (Die Rose aus Saphir). Unverkennbar die Quelle der Inspiration, der Bhelliom und Ghwerig könnten auch der Meister-Ring und Gollum sein. Allerdings hat Eddings nicht kopiert, sondern nur die besten Stücke aus Artussage, dem Herrn der Ringe und anderen Sagen in eine eigenständige Geschichte übertragen.

Die Elenium-Trilogie lebt von ihren stolzen Rittern und Recken – und ebenso üblen Schurken. Der Held Sperber gehört einem kirchlichen Ritterorden an, der sich an den legendären Templern orientiert. Um das Mittelalter mit einer gehörigen Portion Romantik und Hexerei wiederaufleben zu lassen, wird der Bhelliom erst einmal zum Heilmittel für die sterbende Königin Eleniens degradiert: Diese wurde auf Geheiß des Primas Annias mit dem tödlichen Gift Darestim vergiftet. Nur dank des Eingreifens des pandionischen Hochmeisters Vanion und der styrischen Zauberin Sephrania kann ihr Leben vorerst gerettet werden:

Zwölf Ritter verpfänden ihr Leben, um das ihrer Königin in einem unzerstörbaren Diamant zu bewahren, bis ein Heilmittel gefunden werden kann. Der Haken: Der Zauber hält höchstens ein Jahr, und jeden Monat muss einer der Ritter sterben…

Der durch eine Intrige exilierte Sperber kehrt zurück an den Königshof, um seine Aufgabe als Streiter der Königin – Sir Lancelot lässt grüßen – wieder aufzunehmen. Er macht sich mit zahlreichen Gefährten, vom edlen Ritter über den gewitzten Dieb bis hin zur liebenswerten Mystikerin Sephrania auf die Suche. Bald stellt sich heraus: Nur ein magisches Artefakt höchster Macht kann Ehlanas Leben retten und dadurch die Machtübernahme des Primas verhindern. Der lange verschollene Bhelliom muss wiedergefunden werden… doch nicht nur Sterbliche suchen ihn, die jungen Götter von Styrikum und die alten Trollgötter haben ebenfalls ihre eigenen Pläne mit dem magischen Juwel.

Klassischer geht es kaum – High Fantasy wurde durch Eddings geprägt. Etliche seiner Ideen wurden geklaut und zu einer dadurch natürlich nicht völlig neuen Geschichte verbunden. Rittertum, Kirche, Minne, Hexerei, Diebe und Meuchler – der Einfluss des Hochmittelalters ist unverkennbar, und gibt dem Buch Charme und Glanz. Eddings geizt auch nicht mit Humor: Ritter Sperber, im englischen Original „Sparhawk“, insofern ist mir der etwas seltsame deutsche Name doch lieber, hat ein bissiges Streitross und eine gebrochene Nase, plus einen etwas kernigeren Charakter als der edle Sir Lancelot. Seine Begleiter stehen da kaum nach, Sephrenia ist eine liebenswertere Variante seiner bekannten Zauberin Polgara, und Königin Ehlana darf im ersten Band eingeschlossen in Diamant warten, bis Sperber sie erlöst, wie Schneewittchen im Glassarg. Der Bastard seines Knappen Kurik ist der obligatorische smarte Dieb, mit Bevier ist ein überkorrekter und weltfremd frommer Ritter aufgeboten, der nicht gegensätzlicher zu Sperbers Erzfeind Martel, einen vom Orden verstoßenen, gefallenen Ritter, sein könnte.

Die Abenteuerfahrt durch die Wüsten von Rendor, düstere Städte und Sumpfgebiete führt im ersten Band noch nicht zum Ziel, erst in den Folgebänden wird man den Bhelliom in einer Trollhöhle finden und Ehlana heilen können – hier ist normalerweise das Happy End erreicht, Eddings setzt hier noch einen drauf – wie ich schon sagte, es gab mehrere Interessenten am Bhelliom…

Die Elenium-Saga hat mir wegen ihres stark mittelalterlich-märchenhaften Einschlags gefallen; ebenso sind die Hauptfiguren einfach liebenswert, besonders Sephrenia. Leider sind alle Figuren mehr oder minder klischeehaft, vor allem entwickeln sie sich nicht weiter. Hier erkennt man auch das Alter der Geschichte (1989): Es gibt ganz klar das Gute und das Böse, alle Figuren bleiben von Anfang bis Ende unverändert. Deshalb verliert sich der Charme der Charaktere spätestens im zweiten Band, es kommt einfach nicht mehr viel Neues hinzu. Faszinierende Entwicklungen vom Buhmann bis hin zum Sympathieträger, wie bei einem Jaime Lannister von George R.R. Martin, so etwas bietet Eddings einfach nicht. Das führt dann auch dazu, dass, sobald die Figuren an Glanz verlieren, die Story einfach nicht mehr begeistern kann, dazu ist sie viel zu simpel und linear. Keine verschlungenen Intrigen, wenig Raum zum Spekulieren. Eddings pflegt wie schon in der Belgariad-Saga einen sehr dialoglastigen Stil, verzichtet weitgehend auf detaillierte Beschreibungen, was ich nicht negativ meine. Das Szenario und sein Stil regen die Phantasie an, weshalb die laut Buch eindeutig schwarzen Rüstungen der Pandioner in meiner Vorstellung zu glänzend silbernen Harnischen mutierten – es passte einfach besser in mein Bild dieser Welt. Mehr hätte Eddings aus der Tatsache machen können, dass die elenischen Ritter, um ihren schweren Aufgaben nachzukommen, von styrischen Hexern in der Zauberei unterrichtet werden – obwohl der Glaube an die Götter Styrikums als Ketzerei gilt. Hier hatte ich auf Konflikte gehofft, ärgerlicherweise blendet Eddings die Vorbehalte der Kirchenfürsten stets aus, wenn es ihm in den Kram passt und es für die Handlung nötig ist. Das Buch ist übrigens ziemlich brutal: Von lebendig einmauern bis hin zu foltern, vergewaltigen und einfach mal so hilflos verrecken lassen – Eddings ist im ersten Band schon brutal und steigert sich bis zum letzten hin noch einmal drastisch, was mich sehr gewundert hat, in der zeitgleich geschriebenen Malloreon-Saga hält er sich in dieser Hinsicht sehr zurück.

Ein Lob verdient auch die Übersetzung, bis auf den kaum annehmbar übersetzbaren, seltsamen Namen Sperber (Sparhawk) [„Sparhawk“ leitet sich von „sparrow hawk“ her, was wiederum „Sperber“ bedeutet und ist damit tatsächlich eigentlich ebenso wenig übersetzbar wie Sir Lancelot (lance-a-lot), Anm. d. Lektors] stimmt alles, auch sind die Bücher besser lektoriert als die Belgariad- und Malloreon-Saga, sie enthalten kaum Tipp- oder Flüchtigkeitsfehler wie die genannten Werke. Die Titelbilder sind eine Klasse für sich: Besonders das Titelbild des ersten Bandes, die in Diamant eingeschlossene Königin Ehlana, hat mir gefallen. Karten begleiten fast jedes Kapitel, inklusive einer großen Übersichtskarte auf den ersten Seiten oder auf der Innenseite des Einbandes, je nach Version:

Die Trilogie ist als Sammelband „Elenium“ erschienen, etwas schöner und luxuriöser sind die schwer erhältlichen Hardcover. Als Taschenbuchausgabe existiert eine mit silbernen Lettern versehene und etwas größer formatierte Jubiläums-Edition, sowie die kleinen, schlichten Taschenbücher, auf denen die Titelbilder verkleinert und mit hässlich bunter Schrift bedeutend weniger schön abgedruckt sind.

„Der Thron im Diamant“ bietet eine spannende, abwechslungsreiche Abenteuergeschichte mit liebenswerten Charakteren. Eine besonders originelle Story sucht man jedoch vergebens, die Figuren wirken auch etwas altbacken. Die Trilogie ist abgeschlossen und mit der Tamuli-Saga ist eine bereits ebenfalls fertige Fortsetzung erschienen. Viel komplexer und moderner ist George R.R. Martin’s „Lied von Eis und Feuer“ – dennoch kann ich die Elenium-Trilogie und besonders den ersten Band, „Der Thron im Diamant“, den ich für den besten halte, empfehlen.

Homepage des Autors: http://www.eddingschronicles.com/

Follett, Ken – Schlüssel zu Rebecca, Der

Afrikafeldzug, 1942:
Nicht nur an der Wüstenfront wird gekämpft, auch hinter den Linien geht der Kampf der Spione weiter. Kaum in Kairo angekommen, begeht der deutsche Spion Alex Wolff einen Fehler und muss einen britischen Soldaten töten. Major William Vandam vom britischen Geheimdienst nimmt zuerst erfolglos seine Spur auf. Wolff dagegen ist sehr erfolgreich: Dank seiner verführerischen Komplizin, der populären Tänzerin Sonja el-Aram, kann er von einem Adjutanten des britischen Oberbefehlshabers Auchinleck regelmäßig geheimste Informationen ausspionieren. Als halber Araber kennt Wolff zudem Bräuche und Sitten der Ägypter und hat hervorragende Kontakte zur Unterwelt Kairos.

Vandam hat mittlerweile allerdings auch schon vieles über Wolff in Erfahrung gebracht und setzt eine frisch rekrutierte Agentin auf ihn an. Die erotische Elene Fontana ist Halbjüdin und möchte nach Israel auswandern – durch ihre Arbeit für den Geheimdienst möchte sie die begehrte Ausreisegenehmigung erhalten. Bald taucht Wolff wieder bei dem Kaufmann Aristopoulos auf – und beißt an. Da er noch eine Gespielin für seine exquisiten Liebespiele mit Sonja sucht, ist die schöne Elene für ihn unwiderstehlich.

Aber nicht nur für ihn. Auch der eher brave Major Vandam hat sich in sie verliebt. Es wird für ihn immer unerträglicher, Elene in der Nähe dieses gefährlichen Mannes zu wissen. Nicht nur um ihr Leben fürchtet er, der Gedanke, dass Wolff Sex mit ihr haben könnte, bereitet ihm schlaflose Nächte.

Die Zeit drängt: Rommel steht nur noch 25 km vor Kairo, bereits einmal haben Wolff’s Informationen die Schlacht zu seinen Gunsten entschieden. Vandam muss handeln. Leider schlägt die Verhaftung Wolffs wiederholt fehl, Elene und Vandam’s Sohn Billy geraten in Lebensgefahr, als Wolff mit ihnen als Geiseln aus Kairo flieht…

Ein sehr spannender Mix aus Agenten- und Detektivgeschichte mit einem ordentlichen Schuss Erotik! In der Tat ist der ausführlich beschriebene Dreier in diesem Buch die wildeste Sexszene, die ich bisher von Follett gelesen habe.

Gewohnt fundierte Sachkenntnis des Spionagegeschäfts beweist Follett bei dem namensgebenden Codebuch: Der Roman „Rebecca“ dient zusammen mit einem Codeschlüssel Wolff zur sicheren Nachrichtenübermittlung. Desweiteren wurde das Verhältnis der ägyptischen Bevölkerung zu Deutschen und Briten differenziert geschildert. Besonders gelungen sind die Charakterisierungen der Hauptpersonen, Vandam und Wolff. Letzterer ist halb Deutscher, halb Araber, taucht gerne mal in einer Moslemverkleidung unter und wird oft von dem schlitzohrigen Abdullah bei seinen schmutzigen Geschäften unterstützt. Ich fand sowohl den intelligenten Wolff als auch seinen smarten Gegner Vandam ausgesprochen sympathisch. Die Frauenfiguren sind ein bisschen nuttig geraten, wobei Sonja eindeutig ein Äquivalent der berüchtigten Mata Hari ist. In Elene erkennt man Charakterzüge späterer weiblicher Hauptfiguren Follett’s, wie auch der Duellcharakter zwischen den beiden Agenten starke Ähnlichkeiten zu Follet’s „Leopardin“ aufweist.

Die Szenerie ist perfekt recherchiert und in Szene gesetzt, sogar historische Persönlichkeiten wie Rommel und Kesselring wurden in die Handlung integriert. Wolff spielt Rommel Informationen zu, dieser siegt. Bei der Entscheidungsschlacht bei El Alamein kann er leider nicht mehr auf dessen Dienste zurückgreifen…

Weniger gelungen ist der „Auftritt“ von Anwar El-Sadat, dem späteren Staatsoberhaupt Ägyptens: Geradezu zwanghaft scheint Follett in seine Romane solche nur kurz und ohne näheren Zusammenhang zur Handlung stehenden Figuren einbauen zu müssen. Wie in „Mitternachtsfalken“ der König von Dänemark, ist auch Sadat für den Handlungsverlauf absolut verzichtbar!

Ein schlimmer Bruch folgt im letzten Drittel des Buches: Ein sehr gut recherchiertes und stimmiges Szenario mit interessanten Charakteren und viel Erotik wird nun mit dem Vorschlaghammer zerstört!

Ich konnte es kaum glauben, auf einmal mutiert Wolff zum perversen Lüstling, der mit Elene einiges anstellt, damit nicht genug, er entführt auch noch Vandam’s Sohn, um mit ihm und Elene als Geiseln seine Flucht abzusichern. Nicht nur bei gegebener Lage zu diesem Zeitpunkt idiotisch, müssen zahlreiche Charaktere sich nun wegen der Notwendigkeit, die Handlung nicht zu gefährden, dämlich anstellen, damit Wolff fliehen und die Geschichte sich weiter entwickeln kann.

Das Happy End macht aus der sich ehemals von ihren Liebhabern haushaltenden Elene eine respektable Mrs. Vandam, die sowohl Sohn Billy als auch Mr. Vandam ausgesprochen glücklich macht. Sehr schön, aber auch sehr schnulzig. Nach erwähntem Bruch lebt das Buch von der Spannung, die durch die tödliche Gefahr, in der Elene und Billy schweben, entsteht. Leider wird das Buch hier auch trivialer als mancher Groschenroman, Follett konnte es wie so oft in seinen Büchern nicht lassen, maßlos zu übertreiben und indirekt Vandam alleine den Sieg bei El Alamein zuzuschreiben. Besonders verärgert war ich über die bestürzende Verwandlung des sehr interessanten Charakters Wolff hin zu einem hirnlosen Nazi mit perversen Gelüsten, war er doch vorher sehr differenziert geschildert worden.

Wer einen Spionagethriller light vor dem Hintergrund des 2. Weltkriegs mit einer wahrlich heißen und erotischen Dreiecksgeschichte sucht, wird „Rebecca“ trotz des verkorksten letzten Drittels lieben. Schade, ohne diese Mängel hätte es auf einer Stufe mit den vergleichbaren Romanen „Die Nadel“, „Die Leopardin“ und „Mitternachtsfalken“ gestanden.

Homepage des Autors: http://www.ken-follett.com

Joseph Ratzinger – Glaube, Wahrheit, Toleranz. Das Christentum und die Weltreligionen

Der umstrittene Präfekt der „Kongregation für die Glaubenslehre“ im Vatikan (früher „Heilige Inquisition“ genannt), Kardinal Ratzinger, legt ein Buch über das Verhältnis des Christentums zu anderen Religionen vor, welches überraschend hohes Niveau aufweist und zur Beschäftigung damit geradezu ruft. Und obwohl die katholische Kirche in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit durch ambivalentes Hin und Her zwischen Fortschritt und Rückschritt allen Kopfzerbrechen bereitet und das kaum noch einzuordnen ist, hatte gerade Ratzinger noch im letzten Jahr durch das „Opus Jesus“ die Unvereinbarkeit der katholischen Kirche mit allen anderen christlichen Kirchen dargelegt und viele Hoffnungen auf Fortschritt begraben.

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Autorenkollektiv – Aufklärungsarbeit Nr. 14

Nachdem ich euch die Ausgabe 13 der „Aufklärungsarbeit“ bereits unterschlagen habe und Ausgabe 15 schon wieder unterwegs ist, wird es höchste Zeit, euch die mir derzeit vorliegende Ausgabe 14 vorzustellen. Einige nähere Ausführungen zu diesem ungefähr monatlich erscheinenden alternativen Magazin hatte ich ja bereits an [dieser Stelle]http://www.powermetal.de/book/anzeigen.php?id__book=124 geschrieben, kommen wir also diesmal direkt zum Inhalt des (noch) aktuellen Heftes.

Diesmal konzentriert sich das Redaktionsteam ganz auf allerhand rund um Ägypten und die Pyramiden. Insbesondere hat man sich mit dem Ingenieur Axel Klitzke, Jahrgang 1947 und Autor des ungewöhnlichen Werkes „Die kosmische 6“, Verstärkung ins Team geholt und sich erneut auf den Weg nach Ägypten begeben, um die derzeitigen Entwicklungen auf dem Gizeh-Plateau zu beobachten und allerlei Vermessungen anzustellen. Doch dazu gleich mehr.

Das Thema „Ägypten“ wird in diesem Themenheft sehr vielseitig angegangen. So gibt es Artikel zu weniger bekannten, aber um so faszinierenderen Teilen der altertümlichen Historie des ägyptischen Reiches, Ausführungen zur Mythologie und Kultur, unerwartete Neuigkeiten zur Sperrzone und zum Mauerbau rund um das Plateau und, ganz zentral, exklusive Arbeiten und Berechnungen sowie Vermessungen von Herrn Klitzke, die Erstaunliches zu Tage fördern. Als Einstieg in diesen Hauptteil des Heftes gibt es noch ein Essay über das Wesen der Zahlen und die Verbindungen zur Mystik und Mythologie. Denn wie in allen anderen alten Hochkulturen auch, so waren Wissenschaft, Architektur, Mystik und Mythen eng miteinander verwoben und gingen fließend ineinander über, so dass man zu einem wirklichen Verständnis und einer Dekodierung dessen, was uns die Altvorderen hinterlassen haben, über den Spezialisierungstunnelblick hinaus Betrachtungen anstellen muss, deren Breite durch die Artikelauswahl recht gut abgedeckt wird.

Für den zentralen Heftteil kommt man somit allerdings nicht umhin, so manchen Zahlenkolonnen und -spielereien sowie (allerdings einfachen) Berechnungen zu folgen, dabei assoziativ mitzudenken und sich die Bedeutung so manchen Zusammenhangs, verborgen und ausgedrückt in Zahlenwerten, genüsslich durch den Kopf gehen zu lassen.

Der Inhalt des Heftes gestaltet sich nun im Einzelnen wie folgt:

_Echnaton_
Ein Versuch, in knappen Sätzen eine der schillerndsten Epochen überhaupt zu fassen.
Von Maria S. Rossmanith

_Rätsel der Amarna-Kultur_
und: War der Schauplatz um Echnaton eine Ausschlag gebende Quelle des Christentums?
Von Andreas von Rétyi (Bestseller-Autor, „Die Stargate-Verschwörung“)

_Die Große Pyramide und die Freimaurer_
Warum sagten die Ägypter das größte Spektakel zum Millennium ab?
Von Robert G. Bauval

_Das letzte Geheimnis der Cheops-Pyramide?_
Eine schwache Vorstellung des ZDF. Rückbetrachtung der Schachtöffnung von 2002, um aktuelle Entwicklungen ergänzt.
Von Manuel Strapatin

_Sperrzone Pyramiden_
Wer mauert sich da seinen Weg frei?
Manuel Strapatin war mit einem kleinen Team vor Ort und hat sich die eigenartigen und geheimniskrämerischen aktuellen Vorgänge auf dem Plateau näher angesehen. Zum Beispiel den meterhohen Sicherheitszaun und die Mauer, die seit dem Sommer 2002 am Plateau hochgezogen werden und sich kilometerweit in die Wüstenlandschaft erstrecken.

_Geheimnis und Wesen der Zahlen_
Die architektonischen Details der altägyptischen Bauten sind natürlich kein Zufall, ebenso wie die Mystik in die Abmessungen gotischer Kathedralen einfloss. Barbara Thielmann vom Caduceum liefert numerologische Betrachtungen zur Entstehung und Bedeutung der Ziffern,

_Die Geheimnisse Ägyptens_
Auf 22 Seiten bietet Axel Klitzke neueste Forschungsergebnisse rund um ägyptische Maße und Architektur:

* Der Urzoll, die Zahlenfolge (1)-2-7-3-2 und die Cheops-Pyramide
* Die Geheimnisse der Cheops-Pyramide, Königs-Elle und Code des „Sarkophags“
* Die Bedeutung von Königinnen- und Königskammer

Außerdem: Die Sterne im November, Kurzmeldungen und redaktionelles Vorwort.

Joachim Schmidt – Satanismus – Mythos und Wirklichkeit

Dr. Joachim Schmidt, Jahrgang 1961, studierte Religionswissenschaft, Psychologie und Europäische Ethnologie. In seinem Buch „Satanismus – Mythos und Wirklichkeit“, das nun in zweiter und überarbeiteter Auflage erschien, nimmt er sich eines allzu gern strapazierten Schlagwortes und ideologischen Kampfbegriffes an, wofür er neben seiner akademischen Ausbildung in besonderer Weise qualifiziert ist. Im Gegensatz zur unerfreulich hohen Zahl von allzu phantasiebegabten, weltanschaulich festgefahrenen und psychisch offenbar angeschlagenen Schreibtischtätern kann er neben gründlichen und sachkundigen Studien nämlich darauf zurückblicken, sich langjährig aktiv wie auch beobachtend in esoterisch-okkulten Kreisen bewegt zu haben.

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Oidium, Jan – Fire & Steel II

Jan Oidium ist freier Werbezeichner, den es nach einem abgebrochenen Studium in Graphikdesign im Jahr 2000 nach Berlin verschlagen hat, wo er heute eine eigene Verlagsgesellschaft betreibt und nebenbei seinem Hobby Musik nachgeht; seine erste CD „Solist“ mit experimentellen Klavierstücken wurde vor Kurzem veröffentlicht. Zum Wacken Open Air 2003 erschien Ausgabe Zwei seines Comic „The Heavy Metal World Of Fire & Steel“ und wurde vorerst nur auf dem Festival vertrieben.

Oidium selbst störte an „Fire & Steel 1“, dass man seiner Meinung nach nicht richtig erkennen konnte, wohin die ganze Sache ging. Bei „Fire & Steel 2“ ist dies jedoch eindeutig zu erkennen. War das Vorgängerheft noch der Anfang einer Idee, so hat sich diese im zweiten Teil zu einer kompletten Geschichte entwickelt, die sich über fast das gesamte Heft erstreckt.

Der Wahnsinn beginnt mit einer Art Zeitungsnachricht, verfasst von Georg Weihrauch, die über einen heimtückischen Angriff auf das Leben des Zeichners durch die bösartigen Maulwurfsmenschen berichtet, dem er nur mit knapper Not und durch den beherzten Einsatz seines Schwertes entrinnt. Die zweite Seite gehört wieder einem Auszug aus dem „Buch der Macht“ und die folgende Doppelseite bietet eine Karte vom „Land der Welt“, bevor es nach einer Darstellung der Figuren mit der Geschichte losgeht.

Der mächtige Oitiontiser und sein Gehilfe Thunderforce erhalten eines Tages unliebsamen Besuch von einem Beamten des Einwohnermeldeamtes. Da der Oitiontiser nach eigenem Bekunden seit Anbeginn der Zeit in dem „Land der Welt“ lebt, sich jedoch niemals die Mühe einer Anmeldung machte oder Steuern abführte, schuldet er dem Fiskus nunmehr die auch für ihn nicht ganz unbeträchtliche Summe von 400 Millionen Tonnen Gold. Aufgrund einiger verschwenderischer Anschaffungen, wie zum Beispiel die 34 Kilometer lange, aus Edelmetall gegossene Schlittschuhbahn, auf der er mit seinen diamantenen Kufen durch die Kathedrale gleitet, ist seine Kasse jedoch bedenklich leer. Um den irrwitzigen Forderungen nachzukommen, beschließen die beiden, ein gewaltiges Konzert der Band PLANET KING zu veranstalten, um mit den Einnahmen der Besucher; immerhin wird nicht weniger als die gesamte Bevölkerung erwartet; die Schuld zu begleichen.

Dummerweise plant auch sein Widersacher, Dark Even McBaron, unterstützt von seinem Schergen Neroon, ein mächtiges Konzert seiner Black-Metal-Band ETERNAL WINTERFROST. Für die Konzerte ist natürlich nur ein Ort ‚true‘ genug, nämlich Wacken. Dort allerdings ist man gerade noch dabei, die Spuren des Open Air vom letzten Jahr zu beseitigen. Nur durch die Hilfe der „truen Tiere“ Drachenwurm und Iron Igel kann der Veranstaltungsort rechtzeitig für das Konzert vorbereitet werden und die beiden rivalisierenden Bands versuchen sich in einem irrwitzigen Showdown von den gegenüber liegenden Bühnen aus zu übertönen. Erst durch die Kopplung der Systeme von PLANET KING, MANOWAR und SPINAL TAP (deren Verstärker bekanntermaßen eine Skala bis 11 haben) kann der dunkle Feind endgültig vernichtet werden. Leider auf Kosten des gesamten Planeten, der durch die mächtige Soundgewalt in zwei Stücke gerissen wird.

„Fire & Steel 2“ hat von allem mehr als sein Vorgänger. Mehr Story, mehr Farben, mehr Figuren und vor allen Dingen mehr Blödsinn. Daran sind sicherlich die Gehilfen Thunderforce und Neroon nicht ganz unschuldig, im richtigen Leben Freunde Oidiums mit echtem Namen, nunja, eben Thunderforce und Neroon – um bei ihren Nicknames in einem Heavy-Metal-Forum zu bleiben – die Oidium durch Inspiration und Unsinn unterstützt haben.

Im Heft stellen die beiden Adjutanten jeweils eine Art von Intelligenz und Vernunft ihrer durchgeknallten Herrscher dar und verfügen über magische Kräfte: Neroon kann durch „roonen“ die Gedanken anderer manipulieren und Thunderforce kann alles und jeden mit Hilfe von „Force-Strahlen“ in Stücke „forcen“. Gerade Letzteres hat im Vorfeld der Veröffentlichung wieder einmal zu einer Internet-Anekdote geführt, nachdem Odium allen Ernstes das Wort „forcen“ samt plastischer Beschreibung zur Aufnahme in das Wörterbuch eines semi-professionellen Forums von Übersetzern beantragt hat und dann laut- und wortstark von einem guten Dutzend Metallern unterstützt wurde, die wie marodierende Heuschrecken über die bierernste Gruppe von Germanisten und Anglistikern hergefallen sind. Zu deren Ehrenrettung soll gesagt sein, dass es sich bei dem Forum um eine wirklich sinnvolle Einrichtung handelt und es durchaus nicht nur aus Vertretern der Anti-Spaß-Fraktion besteht, zumindest war für ein paar Tage dort aber mehr ‚Bewegung‘ als sonst das ganze Jahr über und hat ihnen sicherlich den längsten Thread ihrer Existenz verschafft.

„Fire & Steel 2“ hat noch mehr Detailfülle an wirklich vollkommen Unsinnigem, als das nach dem ersten Heft als vorstellbar erschienen wäre. Das fängt schon mit dem getürkten Zeitungsartikel über den Angriff der Maulswurfsmenschen samt Bildkollage an und geht über die kleingedruckten rechtlichen Hinweise weiter (in denen Oidium „auf ewig über alle Rechte herrscht“), bevor der Autor mit dem „Buch der Macht“ dann beweist, dass dem Schwachsinn in seinem Paralleluniversum wirklich keine Grenzen gesetzt sind. Dort huldigen die Bewohner des Planeten dem Oitiontiser kniend 27 Jahre lang, nachdem sie ihn zur Feier seines Sieges über die acht Plagen viermal um den ganzen Planeten getragen haben; Thunderforce forct ganze Schweineherden in Stücke, die von seinem Herrn in die Luft geschleudert werden, damit sie den acht Milliarden Gläubigen wie gebratene Tauben in den Mund fallen; Tausende von Schreibern sterben, weil sie es nicht wagen zu atmen und die Luft mit ihrem unreinen Atem zu verpesten, während der Oitiontiser über sein Diktat nachdenkt.

Die Karte zum „Land der Welt“ zeigt dann den geographischen Zusammenhang von Orten wie dem „Tower of Truth“, dem „Black Iceberg of Doom“, der „Kathedrale zu Oi“ oder dem „Berg der Macht“, die im folgenden Comic von Bedeutung sind und liefert auch gleich die offiziellen Umrechnungskurse der Zentralbank des Planet King zwischen Euro und der einheimischen Währung, bestehend aus Humpen, Krempen, Fobbel und Asser, teilweise unterteilt in Nominationen von Halb-, Unter- und Quatter (z.B. 1 Quatterfobbel = 25 Euro-Cent).

Während Oitiontiser und Thunderforce in satten Blau-, Braun- und Grautönen dargestellt werden, sind die dunklen Gestalten Dark Even McBaron und Neroon konsequent mit weißen Strichen auf schwarzem Hintergrund gezeichnet, und stolpern dann in ihrer selbstgewählten Dunkelheit auch gleich über ihre eigenen Merchandisingartikel und stechen sich an ihren Nieten, bevor Neroon dann ein Licht anbringen darf, natürlich ein besonders dunkles. Ein herrlich ironischer Seitenhieb ist die Antwort auf die Frage nach der Gestaltung eines Logos für die Black-Metal-Band: „Ach, mach es wie bei allen Black-Metal-Logos. Nimm einen Haufen Nacktschnecken, tunk sie in weiße Farbe und lass sie über einen schwarzen Untergrund kriechen. An strategisch günstigen Stellen haust du sie dann platt.“

Für mehr als nur einen Lacher sorgen auch wieder die ‚truen Tiere‘, die dem Konzertveranstalter H. (als Gaststar : Wacken-Organisator Holger Hübner) beim Aufräumen in Wacken helfen. Der Drachenwurm zieht es nämlich vor, sich mit den Resten der Bar zu besaufen und wird von H. versehentlich in einen Cocktail aus vierzigprozentigem Whisky und achtzigprozentigem Strohrum gemischt („macht 120 Prozent Alk-Anteil“) und verschluckt. In seiner Panik kachelt er dann mit seinem Motorroller und samt Drachenwurm in die noch im Weg stehenden Bühnenaufbauten und zerlegt diese in ihre Bestandteile, der Wurm hat seinen Job erledigt („Nur gut, dass ich keine Knochen habe, die ich mir brechen kann. All Hail To The Weichtiere“).

Und so reiht Oidium einen Schwachsinn an den nächsten, nicht zu vergessen das zweiseitige Special in der Heftmitte, bei dem die beiden truen Tiere Verstärkung von dem gehörnten Lungenfisch („fick mich“) und der wandelnden Alk-Blume („ich ficke nicht, ich werde bestäubt“) bekommen sowie dem „Power Pin-Up“, in dem der Iron Eagle von PRIMAL FEAR eine Kralle auf den Drachenwurm stellt („nimm den komischen Papagei von mir runter“) und der Iron Igel ihm dafür den ausgestreckten Mittelfinger zeigt.

Stilistisch gesehen, hat sich Oidium sichtlich weiterentwickelt, die Figuren wirken etwas flüssiger und stimmiger und zeigen auch deutlichere Gesichtsmimik, die Farben sind weitaus satter als das noch beim ersten Heft der Fall war. Darüberhinaus ist „Fire & Steel 2“ Schwachsinn in Reinkultur und übertrifft das erste Heft noch bei weitem. Man darf gespannt auf das nächste Heft warten und auf die Beantwortung der Frage, ob Oidium das alles noch einmal übertreffen kann.

Restexemplare können im Powermetal.de-Online-Shop, über http://www.metaltix.de oder über die Homepage von Jan bezogen werden: http://www.oidium-comics.de , auf der auch andere Illustrationen (u.a. Poster von GAMMA RAY und IRON MAIDEN sowie einige seiner Auftragswerke) zu sehen sind.

Brown, Dan – Meteor

Große Freude: Der „Meteor“ ist eingeschlagen!
Nach Dan Browns Bestseller „Illuminati“ wurde nun auch „Deception Point“ ins Deutsche übersetzt. Der Vorgänger konnte mit einem Mix aus Rätseln, uralten Mythen und Glauben sowie den Gegensätzen zu moderner Forschung und Technik begeistern.
Nun lässt es Brown in der Arktis krachen – wird der „Meteor“ in der Eiswüste erneut Begeisterungsstürme entfachen? Die Erwartungshaltung der Fans legt nach „Illuminati“ die Messlatte sehr hoch …

Die NASA ist wie alle Regierungsbehörden nicht gerade ein Muster an Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Senator Sedgewick Sexton, im Aufwind befindlicher Präsidentschaftskandidat, nutzt sie als Thema seiner Wahlkampfkampagne: Der amtierende Präsident Herney ist bekannt als starker Befürworter der Weltraumforschung. Leider hat die NASA in letzter Zeit eine Serie von katastrophalen Fehlschlägen aufs Parkett gelegt, welche die öffentliche Meinung zu Gunsten Sextons und der hinter ihm stehenden Space Frontier Foundation beeinflusst haben. Diese möchte die staatliche Erforschung hinter kommerzielle Aspekte der Nutzung des Weltraums stellen – die staatlichen Gelder sollen stattdessen in Bildung und Erziehung sowie andere chronisch untersubventionierte Gebiete fließen.

Dem Präsidenten kommt der Zufall zur Hilfe: Die NASA entdeckt im Milne-Schelf der Arktis einen Meteoriten. Nichts Besonderes, wären da nicht die zahlreichen enthaltenen Fossilien… der Beweis für außerirdisches Leben! Eine Entdeckung von unschätzbarer Bedeutung.

Herney nutzt die Gunst der Stunde: Er ordnet Geheimhaltung an und lässt eine Filmdokumentation erstellen, die nach seiner Ansprache ausgestrahlt werden und Sexton vernichtend aus dem Rennen schlagen soll. Als besonderen Clou darf dessen Tochter Rachel, die für das National Reconnaissance Office arbeitet, als „neutrale“ Beobachterin ihrem Vater das politische Grab schaufeln …

So weit der Plan. Die Realität sieht anders aus: Etwas stinkt nach Verrat im ewigen Eis …
Noch bevor Rachel zum Fundort des Meteors gebracht wird, werfen Elitesoldaten der Delta Force einen kanadischen Geologen mitsamt seinen Huskies aus ihrem Hubschrauber in eine Gletscherspalte …

Die Bühne ist bereitet, die Show kann beginnen. Warum musste der Forscher sterben? In wessen Auftrag handelten die Soldaten? Viele Spuren, denen der Leser nachgehen kann. Erst hatte ich Sexton im Verdacht, dann den Präsidenten, dann wieder andere… Brown legt hier meisterlich Köder für den Leser aus.

Leider blieb mir der Fisch im Hals stecken: Bald lässt Brown technisches Gerät auffahren, das wohl sogar Bond’s Cheftüftler Q eine Spur zu futuristisch wäre. An Ian Fleming’s klassische Bondromane erinnert auch die Anwendung desselben durch die bösen Jungs – bald jagen sie Rachel und ihren neuen Freund, einen gutaussehenden Meeresbiologen, bis ins Eismeer und schaffen es einfach nicht, sie umzubringen.

Rachel wird übrigens von einer F-14 in die Arktis geflogen und auf einer Eisscholle treibend von einem U-Boot gerettet… die Delta Force bewegt sich mit einem ca. sechsfach überschallschnellen Jet zurück nach Washington und benutzt auch sonst selbst für jede Kleinigkeit High-Tech. Ein bisschen zu dick aufgetragen für meinen Geschmack.

Ms. Rachel Sexton wird uns detailliert als hübsch, modisch und nett vorgestellt, dasselbe gilt für ihren ansonsten total unwichtigen Lover, Präsident Herney wird als sympathischer Landesvater und Papa Sexton als fieser Opportunist und Populist dargestellt. Hier tragen die Bösewichte graue Mäntel und schwarze Hüte, sehr zuvorkommend, Mr. Brown!

Obwohl Politik nicht mein Genre ist, konnte der Roman hier punkten: Die einzige Figur mit einer gewissen Charakterentwicklung ist Sextons persönliche Referentin Gabrielle Ashe, die dieser natürlich bereits „clintonized“ hat. Sie soll ins Lager des Präsidenten wechseln, zweifelt aber und traut bald keiner Seite in diesem Spiel mehr.

Ansonsten bleiben alle Figuren eindimensional blass, der Roman lebt von seiner durchgehend spannend erzählten Story, die immer wieder überraschende Wendungen bietet, was einen guten Thriller auszeichnet. Brown demonstriert erneut, dass sein packender Erzählstil keine Eintagsfliege war.

Seine Recherche war aber diesmal nicht gerade hervorragend: Von der Flut genial kombinierter Fakten bei „Illuminati“ blieb nicht allzu viel übrig. Das Heer von Experten hätte sich einige Details um den Meteor sehr einfach erschließen können, mehr erzähle ich aber hier nicht dazu. Auch biegt Brown die Fakten der Realität diesmal wesentlich stärker, um sie in den Roman einzupassen – eben mit der Brechstange, wenn es sein muss.

Die Auflösung, wer der geheime Drahtzieher hinter den Aktionen der Delta Force ist, und warum diese im Gebiet des Meteors aktiv wird, enttäuscht leider ebenfalls, da sie nicht unbedingt nachvollziehbar konstruiert ist.

Fazit: Leider nicht der erhoffte Knaller, der Steinbrocken säuft im Eismeer ab. Spannung und einen sehr guten und flüssigen Erzählstil findet man wieder, überzeugen kann der Roman wegen seiner Schwarzweißmalerei und dem für einen Thriller viel zu simplifizierten Politschema dennoch nicht. Die unnötigen Technikspielereien und sonstige an Mr. Bond erinnernde Anleihen kommen leider ohne den augenzwinkernden Charme, der denselben auszeichnete, nicht gut rüber.

Dan Brown kann es besser: In „Sakrileg“ wird Robert Langdon aus „Illuminati“ reaktiviert und darf wieder in Kunst, Kultur, Geschichte und Wissenschaft Rätsel und Intrigen lösen. Sein Eintopf aus Tom Clancy (Politik/Militär), Ian Fleming (Bond) und Akte X (Aliens/Wissenschaft) hingegen ist zu unglaubwürdig und konstruiert, um wirklich zu begeistern. Den Charme von Robert und Vittoria konnten Rachel und Michael (Barbie und Ken?) auch nicht erreichen.

Ohne den Erfolg von „Illuminati“ würde wohl niemand diesem Roman mehr als Mittelmaß bescheinigen. Das soll nicht heißen, der Roman wäre schlecht: Es gibt nur zahlreiche bessere, und nur Browns gefälligem Schreibstil ist zu verdanken, dass er nicht vollends in der Masse untergeht.

Homepage des Autors: http://www.danbrown.com

Persona Non Grata e.V. – Persona Non Grata

Das Heft beginnt im Editorial mit einer Abhandlung über Ledertangas mit „Warlock“-Applikation für Männer, zum Beispiel als „Schutz vor den Zumutungen des Lebens“. Ja, das PERSONA NON GRATA-Heft ist anders als andere Hefte – und besser. Die Macher verzichten auf den Tunnelblick und schauen in die Breite, alles (Un-)Mögliche von Pop bis Metal tummelt sich auf den fast 150 Seiten, Hauptsache es ist abgedreht und hat eine nachvollziehbare musikalische Seele. Das aktuelle Heft bietet für abgedrehte Metal-Heads genau den richtigen Fokus: Es gibt lange und informative Specials über die Labels „Relapse“ und „Rage of Achilles“. Gerade der „Relapse“-Teil über fast 17 Seiten besticht durch ein Interview mit dem Label-Chef Matt Jacobson und die Vorstellung der wichtigsten „Relapse“-Bands wie NASUM, DISFEAR und BURNT BY THE SUN. Außerdem wird noch das Sublabel von „Relapse“, die Schmiede von „Release“-Records ausreichend gewürdigt. Zu „Rage Of Achilles“ stehen 14 Seiten im Heft, ähnlich informativ, ähnlich schön geschrieben.

PERSONA NON GRATA hebt sich wohltuend vom restlichen Magazin-Einerlei ab. Fast poetisch geschriebene Berichte aus der Pop- bis Metal-Schiene lesen sich ähnlich gut wie die im Heft enthaltenen Kurzgeschichten. Der Hit der aktuellen Ausgabe ist ein Erfahrungsbericht von 1990: Ein Typ besucht darin mit seinen Freunden das erste „DDR-Grind-und-Noisecore-Festival“ und erlebt traumatische Ereignisse in einem Inferno aus Alk, Schlamm und Grindcore-Freaks. Die Reviews sind ebenso genial geschrieben, der Mundwinkel verzerrt sich öfters zu einem Lächeln, besonders die Verisse bestechen durch Häme und Bosheit. Damit ist PERSONA NON GRATA eine intellektuellere Variante des „Cothurnus“-Magazins, leider jedoch ohne ganz dieses Niveau zu erreichen. Das liegt einmal am manchmal etwas unübersichtlichen Layout, oft auch an der verwendeten und nicht unbedingt lesefreundlichen Schriftart. Wer sich allerdings in den Stil des dicken Heftes hineingefuchst hat, wird es auch bis zum Ende lesen, zumal tolle Anatomie-Fotos auch die Medizin-Freaks unter den Lesern befriedigen. Der Preis für die reguläre neue Ausgabe beträgt drei Euro. Allerdings gibt es noch eine besondere Ausgabe mit zwei CDs, die das Wort „Preis-Leistung“ neu definiert. Die Bonus-Edition kostest sechs Euro, dafür ist auf den zwei beiliegenden CDs fast der komplette Back-Katalog (WAHNSINN!!!) von „Realpse“ und „Rage of Achilles“ vertreten. Zudem kommt die teurere Ausgabe in einem edlen silbergeprägten schwarzen Umschlag. Die Bezugsadresse: Die Netzseite von [Persona Non Grata]http://cms.png-online.de/ oder Sven Hartig, Arthur-Hoffmann-Str. 69, 04275 Leipzig.

CD 1:
KAPTAIN SUN – Golden Harvest
HATEPULSE – God Of Hypocrisy
FACEBRAKER – Beyond Redemption
OMNIUM GATHERUM – Amor Tonight
APOCRYPHAL VOICE – Choose Your Side
AXIS OF PERDITION – To Walk The Corridors Of Hell
THE ENTITY – Duality
SONATA NOCTURNA – Hatefull
FROST – Rest In Piss
DARKFLIGHT – Under The Shadow Of Fear
DER GERWELT – Into Mayhem

CD 2:
BURNT BY THE SUN – Forlani
MASTODON – March Of The Fire Ants
NOSTALGIA – Occulta Fama
DYSRHYTHMIA – And Just Go
BURST – Sculpt The Lives
NILE – Sacrophagus
NASUM – Scoop
HIGH ON FIRE – Hung, Drawn And Quartered
AGORAPHOBIC NOSEBLEED – Mosquito Holding Human Cattle Prod
ALCHEMIST – Alpha Capelle Nova Vega
MANDIBLE CHATTER – Tangle In Delirium
TODAY IS THE DAY – Crooked
ALABAMA THUNDERPUSSY – Motor-Ready
PIG DESTROYER – Piss Angel
DILLINGER ESCAPE PLAN – Clip The Apex … Accept Instruction
vidnaObmana – Spore
NEUROSIS – The Tide (Single Edit)
DISFEAR – The Horns
HALO – Meat

Stephen King – Wolfsmond (Der Dunkle Turm V)

Die surreale Jagd des Revolvermanns Roland von Gilead auf den Mann in Schwarz und seine Suche nach dem „Dunklen Turm“ durch die westernähnliche Mitt-Welt begann bereits im Jahre 1982.

Stephen King spukten die Ideen zu seinem selbsterklärten Lieblingswerk schon seit seiner Jugend im Kopf herum. Man kann an der Serie, die alle 5-6 Jahre fortgesetzt wurde, auch gut stilistische Veränderungen Kings erkennen. Verglichen mit dem noch unausgegorenen ersten Band, in dem mit Roland eine der eindrucksvollsten Romanfiguren Kings entstand, ist der 5. Band „Wolfsmond“ („Wolves of the Calla“) bereits ein Brilliant. Die abschließenden zwei Bände werden im Sommer bzw. Herbst 2004 erscheinen.

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Jan Oidium – The Heavy Metal World Of Fire & Steel

Jan Oidium ist freier Werbezeichner, den es nach einem abgebrochenen Studium in Graphikdesign im Jahr 2000 nach Berlin verschlagen hat, wo er heute eine eigene Agentur betreibt und nebenbei seinem Hobby Musik nachgeht; seine erste CD „Solist“ mit experimentellen Klavierstücken wurde vor kurzem veröffentlicht. Anlässlich des Wacken Open Air 2002 erschien sein erstes Comic „The Heavy Metal World Of Fire & Steel“ und wurde in einer Auflage von zunächst 4.000 Stück ausschließlich auf dem Festival vertrieben.

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Erskine, Barbara – Herrin von Hay, Die

Reinkarnation – Gab es ein Leben vor dem Leben? Die eine Gruppe von Wissenschaftlern legt Beweise dafür vor, die andere Gruppe widerlegt sie. Die Meinung darüber ist geteilt. In vielen Religionen bildet die Reinkarnation einen wichtigen Bestandteil des Glaubens.

In Barbara Erskines Debüt „Die Herrin von Hay“ lässt sich eine junge Jounalistin für einen Artikel durch Hypnose in die Vergangenheit zurückversetzen, genau wie viele Ärzte das heute mit ihren Patienten machen, um die Ursachen von Psychosen und anderen Krankheiten aufdecken und heilen zu können. Dabei ist es vorgekommen, dass die Hypnotisierten von einer Zeit vor ihrer Geburt erzählen, fremde Sprachen perfekt beherrschen, die sie vorher noch nicht konnten. Alles Humbug? Wie auch immer, „Die Herrin von Hay“ macht sich diese Berichte zunutze, um eine gelungene Story rund um die Seelenwiedergeburt zu erzählen.

Erskine, 1944 geboren, hat ihren Abschluss in mittelalterlicher schottischer Geschichte an der Universität von Edinburgh gemacht und schrieb mittlerweile Bestseller wie „Die Tochter des Phönix“, „Der Fluch von Belheddon Hall“ und recht neu „Das Lied der alten Steine“.

Joanna Clifford ist 19 Jahre alt, als sie sich im Rahmen klinischer Therapieversuche einer Regressionshypnose unterzieht und sie erfolgreich in die Vergangenheit zurückgeführt wird. Doch schon nach kurzer Zeit setzt ihre Atmung aus, denn ein furchtbares Erlebnis bewirkt einen Schock und der Arzt Dr. Sam Franklyn sowie der Wissenschaftler Professor Cohen können sie nur mühsam wieder zurückholen. Vorsichtshalber löschen sie bei der jungen Frau die Erinnerung an dieses Erlebnis.

26 Jahre später ist Jo eine knallharte, bissige Journalistin, mit Sam Franklyn immer noch befreundet, von dessen Bruder Nick frisch getrennt und davon überzeugt, Hypnose funktioniere nicht bei ihr. Aus dem Grund nimmt sie ihren neuen Auftrag auch gerne an: Reinkarnationstherapie. Sie will beweisen, dass alles ein Schwindel ist. Als Nick davon erfährt, verständigt er seinen Bruder und versucht sie davon abzuhalten, was nur dazu führt, dass Jo sich schließlich selbst hypnotisieren lässt und sich als Matilda de Braose im Wales des Jahres 1174 wiederfindet.

Matilda, eine selbstbewusste, schöne, junge Frau, wird in ihrem Leben zum Spielball von drei ihr nahestehenden Männern: Zuerst ihr grausamer Ehemann, der Baron William, dann der schöne, junge Earl Richard von Clare, dem ihr Herz gehört, und zuletzt der Königssohn und spätere König John Plantagenet, der aus zurückgewiesener Liebe zu ihrem größten Feind wird. Von ihrem Mann im Stich gelassen und vom König als Verräterin dem Hungertod ausgeliefert, kann auch Richard ihr nicht helfen.

Jo glaubt zunächst, dass das Erlebte pure Suggestion war, doch als sich Nicks Verhalten drastisch ändert und er ihr gegenüber aggressiver wird, beginnt sie zu forschen und immer öfter in Matildas Welt einzutauchen, bis ihr Leben mit dieser leidenschaftlichen Frau fast unauflösbar verbunden ist. Und auch Sam benimmt sich sonderbar und scheint einen grausamen Plan zu haben. Langsam wird klar, dass nicht nur Matildas Seele die Jahre überbrückt hat, sondern dass sich der Kampf zwischen den drei Männern im 20. Jahrhundert entscheiden wird.

Alle Achtung! Erskine ist gleich mit ihrem Debüt ein rasanter Paukenschlag gelungen. Das Tempo der Geschichte ist wirklich enorm und lässt den Leser stellenweise sogar das Atmen vergessen. Das Spiel mit den zwei zeitlich getrennten Spannungsbögen, die wiederum durch einen einrahmenden dritten massiv verstärkt werden, ist schon ein kleiner Geniestreich, den die Autorin meisterhaft beherrscht.

Ein flüssiger Schreibstil, bildhafte Ausdruckskraft und eine in sich schlüssige Geschichte runden das Ganze zu einem eindrucksvollen Lesevergnügen ab. Hinzu kommen glänzend ausgearbeitete Charaktere, die sich ineinander verstricken, miteinander spielen und dann wieder in zerstörerischer Wut aufeinanderprallen. Selbst Nebencharaktere gewinnen in ihren kurzen Auftritten an ungeheurer Aufmerksamkeit des Lesers, schwer, sich ihrer Lebendigkeit und Persönlichkeit zu entziehen.

Das Wales des 12. Jahrhundert hat die Autorin geschichtlich natürlich korrekt und enorm anschaulich beschrieben. Mit viel Detailtreue schildert sie das Leben auf Burgen, die schwierige Beziehung der Krone zu den walisischen Fürsten und natürlich das Schicksal der Frauen – machtlos, hilflos und abhängig von der Gnade oder eben Ungnade ihrer Ehemänner. Gerade die Figur der Matilda, die sich von einer energischen, leidenschaftlichen Frau zu einer auf die Knie gezwungenen, bemitleidenswerten Bittstellerin entwickelt, ist hervorragend beschrieben. Mit einer angefügten Zeittabelle und einer Erklärung zu den historischen Charakteren wird dem neugierigen Leser gleich mit auf dem Weg gegeben, welche Ereignisse dokumentarisch belegt sind und welche nur auf Vermutungen beruhen. Sehr schön!

Natürlich beantwortet der Roman die Frage nach der Existenz von Reinkarnationen nicht, aber wer bereit ist, sich auf dieses Abenteuer einzulassen, verspürt vielleicht ja selbst die Neugierde, so eine Regressionshypnose mal auszuprobieren. Bildet euch eine Meinung, wie ihr wollt, aber lest dieses Buch, es lohnt sich einfach!

Cobb, James – Überfall auf hoher See

|Originaltitel: „Target Lock“|

James Cobb ist einer der Newcomer im High-Tech- bzw. Militärthrillergenre und legt mit „Überfall auf hoher See“ bereits sein viertes Buch in kurzer Folge vor. Er entstammt einer traditionsreichen Marine-Familie und hat lange Zeit auf verschiedenen Kriegsschiffen der U.S. Navy gedient.

Als INDASAT 06, ein unbemannter Forschungssatellit, bei seiner planmäßigen Landung in der Arufarasee vor Indonesien von der Besatzung der STARCATCHER aufgenommen wird, wird diese kurz darauf von einer organisierten Piratenbande überfallen und versenkt. Der wertvolle Satellit mit seinen Forschungsergebnissen über Materialbearbeitung in der Schwerelosigkeit wird an einen unbekannten Ort entführt. Schnell wird klar, dass mit konventionellen Mitteln wenig zur Wiederbeschaffung beizutragen ist und die indonesische Regierung entweder korrupt ist oder zumindest vor dem seit Jahren wieder aufkeimenden Piratenproblem die Augen verschließt.

Captain Amanda Lee wird mit ihrer „Seafighter Task Force“ aus dem Mittelmeer abgezogen und läuft durch den Suez-Kanal, um vor Ort Ermittlungen anzustellen und sich dabei den Anschein eines Höflichkeitsbesuches zur Verbesserung der politischen Beziehungen zu geben. Die „Seafighter Task Force“ ist eine kleine High-Tech-Einheit der neu gegründeten „NAVSPECFORCE“ (Naval Special Forces) und besteht aus dem schlagkräftigen Stealth-Kreuzer „U.S.S. Cunningham“, dessen Kapitän sie zuvor selbst war, sowie der hochgerüsteten „LSP“ (Landing Ship Platform) „U.S.S. Evans F. Carlson“ mit mehreren bis an die Zähne bewaffneten Hovercraft-Fahrzeugen, umgerüsteten Kampfhubschraubern und einer kleinen Einheit „U.S. Marines“ und „Marine Reconnaissance Units“.

Unterstützt von einem einheimischen Polizeioffizier kommt sie bald dem charismatischen und anziehenden Makara Harconan auf die Spur, der hinter der Fassade des weltmännischen Geschäftsmanns die Sippen der uralten Bugi-Stämme mit Geld, Waffen und Logistik unterstützt und damit einen perfiden Plan zur Zerschlagung des Vielvölkerstaats Indonesien in einzelne Inselreiche verfolgt.

Nach einigen Seegefechten und Scharmützeln wird Garrett von Harconan, der zwischenzeitlich sowohl ihr erbittertster Feind, aber auch ihr leidenschaftlicher Liebhaber geworden ist, entführt und es kommt zur alles entscheidenden Schlacht um dessen letzte Festung und die Sicherheit des freien Seeverkehrs in Südostasien.

Mit seinem vierten Buch um die ebenso erfolgreiche wie unkonventionelle und sympathische Kämpferin Amanda Lee Garrett trägt Cobb extrem dick auf. Während Garrett in den ersten beiden Romanen noch Kapitän der „Cunningham“ war, dann die Leitung der experimentellen Hovercraft-Einheit „Seafighter“ übertragen bekommen und vom Polarkreis über China und Westafrika eine Spur der Vernichtung hinterlassen hat, ist sie mittlerweile der verantwortliche Offizier für die an Schlag- und Feuerkraft ständig wachsende „Task Force“. Dabei setzt sie sich, mit Wissen und Billigung ihres Vorgesetzten, reihenweise über geltendes Recht souveräner Staaten hinweg und überzieht jeglichen Widersacher mit dem, was neuerdings als „Shock and Awe Tactic“ oder „Overwhelming Force“ bezeichnet wird.

„Überfall auf hoher See“ trieft zwar nicht unbedingt vor amerikanischem Nationalstolz, mystifiziert und glorifiziert aber die Feuerkraft und Stärke der U.S. Navy in kaum erträglichem Maß. Während die in Zahl weit überlegenen, aber in Technologie meilenweit hinterherhinkenden und maximal mit ein paar schweren Maschinengewehren und veralteten Haubitzen bewaffneten ‚Bugi‘ durch High-Tech-Lenkwaffen aller Arten geradezu niedergemetzelt werden und jeder Abschuss zelebriert wird, werden eigene, zu vernachlässigende Verluste beiläufig in einem Nebensatz erwähnt. Die Darstellung von Treffern, Verletzungen und Schäden der Gegenseite werden explizit beschrieben, Verwundete in den eigenen Reihen rappeln sich meist nach kurzer Zeit wieder auf, um heldenhaft weiterzukämpfen.

Für die Zielgruppe ist „Überfall auf hoher See“ auf jeden Fall ein lesenswertes Buch. Wer grundsätzlich etwas mit SMADS (Ship Area Denial Systems), Präzisionslenkmunition für 155-mm-VGAS (Vertical Gun Advanced Ships), ATACMS (Army Tactical Missiles) und Dutzenden anderen Begriffen für Lenkwaffen, Aufklärungsdrohnen und sonstiges Kriegsgerät anfangen kann, wird hier voll auf seine Kosten kommen. Cobb ist zweifelsohne ein Fachmann auf dem Gebiet der Seekriegsführung und -ausrüstung und alle seine fiktiven Waffensysteme sind weiterentwickelte Versionen heute tatsächlich bestehenden Kriegsgerätes, das fundiert, aber verständlich beschrieben wird. Lobenswert ist auch die geglückte Übersetzung vieler militärischer und seemännischer Fachbegriffe. Dazu liest sich das gesamte Buch in einem Rutsch spannend durch und ist jederzeit fesselnd, wenn auch, für Kenner der Materie, nicht wirklich überraschend.

Ken Follett – Das zweite Gedächtnis. Thriller

Ken Follett ist als Autor spannender Agententhriller bekannt geworden. „Das zweite Gedächtnis“ stammt aus demselben Genre und bedient sich recht freizügig bei Robert Ludlum’s Klassiker „The Bourne Identity“: Wie Jason Bourne kennt auch der Raketenforscher Dr. Lucas nicht einmal mehr seinen eigenen Namen, als er im Jahre 1958 kurz vor dem geplanten Start des ersten amerikanischen Satelliten in einer Bahnhofstoilette aufwacht und von einem Penner als „Luke“ angesprochen wird… Er leidet unter einer totalen Amnesie.

Bald bemerkt er jedoch, dass er nicht ist, was er zu sein scheint: Er ist nicht alkoholkrank, er wird offensichtlich von mehreren Männern beschattet und… bemerkt recht schnell, dass er sich zwar nicht an seine Freunde, Bekannten oder seine eigene Identität erinnern kann, aber dafür in Mathematik, Physik und vor allem auf dem Gebiet des Raketenbaus eine echte Kapazität zu sein scheint. Luke schaltet nach und nach seine Verfolger aus, und bringt immer mehr Licht in das Dunkel seiner Vergangenheit… Zu seinem Entsetzen stellt er fest, dass er von seinem Freund Anthony, der für die CIA arbeitet, gejagt wird – ist er gar ein kommunistischer Spion?

Bei seiner Jugendliebe Billie und seinem alten Freund Bern findet er Unterstützung – doch warum jagt Anthony ihn, was für ein Spiel treibt Lukes Frau Elspeth? Luke findet heraus, wer er ist, und was er in der jüngsten Vergangenheit getan hat – und verliebt sich nebenher erneut in Billie. Warum auch immer Anthony Luke jagt – er ist sich sicher, es hat mit dem Start der Jupiter-C-Rakete und des Satelliten „Explorer“ zu tun…

Mein Eindruck

Gleich zu Beginn hatte ich ein Déjà-vu – der Agent oder hier eben hochkarätige Wissenschaftler, der einsam und alleine erwacht und ganz auf sich selbst gestellt ist, das kennt man, wie oben erwähnt, schon – entweder aus dem Kino, „The Bourne Identity“ wurde mit Matt Damon und Franka Potente kürzlich zum zweiten Mal verfilmt, oder aus dem Originalbuch von Robert Ludlum. Follett führt den Part, wie sich Luke langsam erinnert, ähnlich aus, aber handelt ihn zügiger ab, um eigene Wege zu gehen. An dieser Stelle schwand langsam der ständig in meinem Hinterkopf herumspukende Plagiatsgedanke dahin… Es war durchaus spannend zu lesen, warum Luke das alles eigentlich angetan wurde.

Leider kommt Follett nicht an Ludlum heran – auch die Follett-typische Lovestory und ein diesmal überzogenes Beziehungsgewirr der vier Freunde von Luke untereinander geben der Story nicht mehr Würze: Im Gegenteil, Anthonys Motive enttäuschten mich nicht nur, so simpel und konstruiert waren sie, hier hat Follett auch die Gelegenheit verspielt, seiner Story einen über das Triviale hinausgehenden Reiz zu geben.

Wie bei Follett kaum anders zu erwarten, ist das Buch sehr flüssig und angenehm zu lesen, die Aufmachung des Hardcovers weiß auch zu gefallen. Zu der Übersetzung nur ein Wort: Perfekt. Sie liest sich, als ob es die Originalfassung wäre. Nebenbei wird dem Leser zu Beginn eines jeden Kapitels ein wenig die Raketentechnik der 50-er Jahre angenehm und leicht verdaulich näher gebracht. Gelegentliche Rückblenden in die Jugendjahre Lukes und seiner Freunde verleiten den Leser zum Spekulieren und sorgen für Abwechslung.

Dennoch ist „Das zweite Gedächtnis“ nicht das geworden, was es hätte sein können: Der Konflikt zwischen Lukes Frau Elspeth und seiner alten Flamme Billie, die er nach der Amnesie ihr vorzieht, vor allem aber die Verschwörung hinter der Amnesie – all das wird meist nur oberflächlich angerissen und nicht genügend ausgeführt, um dem Thriller etwas mehr eigenen Charakter zu geben.

Unterm Strich

Spannend ist das Buch, ebenso unterhaltsam. Leider enttäuscht der Schluss mit einer einfallslosen und konstruierten Auflösung der vielen Zusammenhänge. Ebenso Lukes Freunde: Die Ex-Geliebte ist zufällig Expertin auf dem Gebiet der totalen Amnesie, Anthony arbeitet beim CIA, Elspeth und Bern… Ich will ja nicht alles verraten. Ein sehr künstliches und nicht sehr überzeugendes soziales Umfeld.

Es bleibt der Eindruck, Follett habe hier die „light“-Version von Ludlums Original-Coke „The Bourne Identity“ abgeliefert. So empfand ich „Das Zweite Gedächtnis“, welches im Original den treffenderen und klangvolleren Titel „Code to Zero“ hat, zwar als spannendes und durchaus unterhaltsames, aber stark vereinfachtes Plagiat von Ludlums anspruchsvollerer Vorlage.

Ken Follett’s Homepage: http://www.ken-follett.com/

Taschenbuch: 448 Seiten
O-Titel: Code to Zero
ISBN-13: 978-3785720592

www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Brown, Dale – Feuerflug

|Originaltitel: „Wings of Fire“|

Der hochdekorierte ehemalige U.S. Air Force Captain Dale Brown, Navigator und Bombenschütze in B-52- und FB-111A-Bombern, führt seit seinem ersten Buch „Höllenfracht“ („Flight of the Old Dog“) regelmäßig die amerikanischen Bestsellerlisten an und gilt mit seinen Aufsehen erregenden Technologie- und Militärthrillern als einer der Besten seines Fachs.

Der zwangspensionierte Air-Force-General Patrick McLanahan, nunmehr leitender Angestellter bei Skymasters Inc., führt über der lybischen Wüste nicht genehmigte, selbstmörderische Tests mit einem umgebauten B-52-Bomber aus. Dabei provoziert er absichtlich Angriffe mit SAM-Raketen (Surface-To-Air-Missiles) gegen sein Flugzeug, um die Funktionsfähigkeit des von Skymasters entwickelten Abwehrlasers zu testen. Zeitgleich schmiedet der betrügerische Präsident des Vereinigten Königreichs Libyen, Jadallah Salem Zuwayy, mit dem zwielichtigen russischen Öl-und Waffenhändler Kasakow und willfährigen Gefolgsleuten in der ägyptischen Regierung eine Verschwörung, um reichhaltige Ölfelder an der libysch-ägyptischen Grenze zu besetzen.

Nach einem tödlichen Attentat auf den ägyptischen Präsidenten bittet dessen Frau Susan Bailey Salaam, eine Amerikanerin und ehemalige Air-Force-Angestellte, die USA um Unterstützung bei der Verteidigung Ägyptens, wird jedoch rüde abgewiesen, da die USA keinerlei amerikanische Interessen bedroht sehen. Und dies, obwohl Libyen nachweislich im Besitz von alten, russischen SS-12-Mittelstreckenraketen mit nuklearen und biologischen Gefechtsköpfen ist. In ihrer Verzweiflung wendet sie sich an Patrick McLanahan, der mit einer Gruppe von Gleichgesinnten unter dem Namen „Night Stalkers“ eine hochtechnisch ausgerüstete Privatarmee führt, die gegen Bezahlung moralisch einwandfreie militärische Interessen von Kleinstaaten vertritt.

Die Night Stalkers, die wiederum inoffiziell und streng geheim mit dem amerikanischen Präsidenten in Verbindung stehen, um dessen politisch nicht opportune ‚Schmutzarbeit‘ zu erledigen, werden zwar nicht direkt für Susan Bailey tätig, aber über andere Verbindungen in den Regionalkonflikt hineingezogen und liefern sich erbitterte Luft- und Bodenschlachten über und auf libyschem Territorium. Dabei werden McLanahans Frau Wendy und weitere Night Stalkers in Gefangenschaft genommen und bei dem spektakulären Showdown kommt es zu einigen Überraschungen, auch was die wahren Absichten einiger Akteure anbelangt.

Dale Brown ist dann am besten, wenn er wie in „Feuerflug“ am dicksten aufträgt. Nachdem er bei seinen letzten Veröffentlichungen mit „Mann gegen Mann“ und „Stählerne Jäger“ doch etwas schwächere Romane abgeliefert hat, die allerdings zur Vorgeschichte von „Feuerflug“ wichtige Hintergründe bieten, kommt hier wieder seine wirkliche Stärke zum Vorschein: Luftkampf; einzelne, hochgerüstete strategische Bomber auf geheimen Einsätzen gegen strategische Ziele, bei massiver Luftabwehr durch Bodenstellungen und Abfangjäger. Dabei mischt er, genretypisch, aber geschickt, Fakten und Fiktion.

Über die von ihm seit seinem ersten Buch favorisierte ‚Tuning‘-Version der B-52 Stratofortress, bei ihm zur „Megafortress“ mit Stealth-Eigenschaften und wirkungsvollen Selbstschutzeinrichtungen sowie zum massiven Einsatz von nichtnuklearen Präzisionswaffen mutiert, ist in der einschlägigen Fachliteratur nichts bekannt. Naheliegend wäre eine derartige Aufrüstung allerdings schon. Von den seit 1952 insgesamt 744 ausgelieferten B-52 sind heute noch 85 Stück der letzten Version „H“ im aktiven Dienst – die jüngste davon ist Baujahr 1962 – und diese stellen nach wie vor das Rückgrat der strategischen Bomberflotte der USA dar und sollen bis über das Jahr 2040 hinaus im Dienst bleiben. Demgegenüber stehen nur 21 der hochmodernen B-2 „Spirit“, die ausschließlich auf der Whiteman AFB in Missouri stationiert sind, sowie 60 der Überschallbomber B-1B „Lancer“, deren Produktion allerdings bereits eingestellt wurde. Beide verfügen zwar über Stealth-Eigenschaften und eine weit höhere Geschwindigkeit als die betagte „B.U.F.F.“ („Big Ugly Fat Fucker“), haben aufgrund ihrer geringeren Reichweite und Nutzlast jedoch ein anders gelagertes Einsatzprofil und verursachen mit ca. 300 Mio $ für eine B-1B bzw. 1,2 Mrd. $ für |eine| B-2 natürlich enorm höhere Kosten als die Überbleibsel des Kalten Krieges.

Ebenfalls keine reine Fiktion ist die „Rail Gun“ der Night Stalkers, die mittels elektromagnetischer Kräfte ein Projektil auf ca. 3000-4000 Meter/Sekunde beschleunigen soll, oder das „Exo-Skelett“ aus Verbundfaserstoff, das über dem Kampfanzug getragen dem „Future Warrior“ der U.S. Army ab 2025 fast schon übermenschliche physische Kräfte verleihen und ihn gegen Beschuss bis hin zu leichten Infanteriegeschützen sowie Strahlung schützen soll. Auch der von Skymasters entwickelte bordgestützte Laser zur Abwehr von Raketen gehört durchaus nicht in das Reich der Science-Fiction, das ALS („Airborne Laser System“) ist sogar schon in einem relativ späten Entwicklungsstadium, allerdings mit über 80 Tonnen Gewicht und einer noch mangelhaften Energieproduktion sicherlich noch lange nicht einsatzbereit.

Insofern bietet „Feuerflug“ wieder einmal alles, was das Herz des Freundes von hochkarätigen Technologie-/Militärthrillern sich wünscht: detailgetreu und fachmännisch geschilderter Luftkampf in Hülle und Fülle, inwieweit realistisch, wissen wohl nur Kampfpiloten zu beurteilen, aber immer nervenaufreibend spannend. Dazu intelligent gestrickte geopolitische Vorgänge, ebenfalls mit einer gesunden Mischung aus Fakten und Fiktionen, sowie lebendig geschilderte Akteure (bei denen man sich manches Mal allerdings eine etwas weniger stereotype Darstellung wünschen würde).

Stören kann man sich an dem fast schon kühlen, technokratischen Stil, mit dem Brown den Einsatz der schlimmsten Massenvernichtungswaffen der Menschheit schildert. Von VX-Nervengas über schmutzige Bomben aus wieder aufbereitetem Uran bis hin zu thermonuklearen Mittelstreckenraketen wird alles eingesetzt, was verfügbar ist und möglichst großen Schaden anrichtet. Wer sich daraus nichts macht und beim Lesen nicht über ideologische Probleme grübeln muss, der hat ein paar ausnehmend spannende und actionreiche Lesestunden vor sich. Schlussfolgernd also ein „Knaller“, im wahrsten Sinn des Wortes, für die Zielgruppe, aber wenig geeignet für den Genrefremden.

Homepage des Autors: http://www.megafortress.com

Coonts, Stephen – Jagt die \’America\‘

Beim Start einer Trägerrakete mit dem neuen Raketenabwehr-Satelliten |SuperÄgide| kommt es zu einer gewaltigen Panne und die dritte Brennstufe stürzt aus ungeklärten Ursachen mitsamt dem milliardenteuren Satelliten über offenem Meer ab. Noch Monate später sind die USA auf der Suche, als es erneut zu einer Panne kommt. Das hochmoderne U-Boot |America|, ausgestattet mit revolutionärer Sonartechnik, einem zusätzlichen Mini-U-Boot für Spezialeinsätze und voll bewaffnet, wird von einer kleinen Gruppe Saboteuren beim Auslaufen zum ersten Manöver entführt. Die Täter gehen mit äußerster Brutalität vor, erschießen mehrere Seeleute noch während der Kaperung und verschwinden mit dem Boot im Atlantik, bevor die politische Führung den Mut fasst, einem nur wenige Meilen entfernten Zerstörer den Befehl zur Versenkung zu geben.

Admiral Jake Grafton wird als Verbindungsoffizier zwischen Navy sowie ausländischen und amerikanischen Geheimdiensten mit der Aufklärung und Wiederauffindung des U-Bootes betraut. Die Entführer brauchen nicht lange, um von den Waffensystemen der |America| Gebrauch zu machen und schießen Marschflugkörper vom Typ Tomahawk, ausgestattet mit einem neuem Gefechtskopf namens |Flashlight|, auf Washington ab. |Flashlight| erzeugt einen elektromagnetischen Impuls, ähnlich dem einer Nuklearexplosion, und legt in Sekunden das öffentliche und wirtschaftliche Leben in der amerikanischen Hauptstadt lahm. Flugzeugabstürze führen zu Hunderten Toten und die Regierungsgeschäfte sind empfindlich beeinträchtigt.

Während die |America| zunächst der amerikanischen Flotte, die sie mit dem Befehl zur sofortigen Versenkung jagt, entkommen kann und weitere |Flashlights| auf New York City abschießt, kommt Grafton langsam einer groß angelegten Verschwörung auf die Spur und tastet sich an die Hintermänner der Entführung heran, die auch beim Absturz des Satelliten ihre Finger im Spiel hatten.

„Jagt die America“ hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Dass Stephen Coonts ein Fachmann für Militärtechnologie ist, wird auch in diesem Roman wieder klar. Wie seine Genrekollegen mischt er aktuelle Technologie und bekannte Fakten über Weiterentwicklungspläne mit Visionen und ein bisschen Phantasie. Ob es in absehbarer Zeit zu einem U-Boot der |America|-Klasse kommen wird, ist mehr als zweifelhaft. Die |Los Angeles|-Boote der ‚vorletzten‘ Generation (ab 1976) werden reihenweise stillgelegt (19 von 62 Stück zwischen 1995 und 2008) und bei den verbleibendenden Booten wird davon ausgegangen, dass ihre aktive Dienstzeit von 30 auf bis zu 50 Jahre verlängert wird. Vom derzeit modernsten U-Boot der neuen |Seawolf|-Klasse, das bereits moderner Kriegsführung Rechnung trägt und für den Transport und Einsatz von amphibischen Spezialeinheiten ausgerüstet ist, wird erst 2004 das erste volltaugliche Boot in Dienst gestellt. So detailgetreu Coonts die Ortungsversuche der |P3-Orion|-U-Bootjäger und den Unterwasserkampf der |America| mit der real existierenden |La Jolla| der |Los Angeles|-Klasse schildert, so vage bleibt er bei der Beschreibung des revolutionären Sonarsystems |Enthüllung| (dessen Bezeichnung vielleicht besser nicht übersetzt worden wäre).

Geradezu einfach macht Coonts es sich, wenn es um die Beschreibungen der Computermanipulationen geht, die den Satelliten zum Absturz bringen. Hier wird nur von ‚eindringen‘, ‚hacken‘ und ‚einklinken‘ gesprochen, ohne auch nur die Spur eines wissenschaftlichen Hintergrunds zu vermitteln. Noch banaler ist der Plot um den milliardenschweren Börsenspekulanten, der die einbrechende amerikanische Wirtschaft nutzt, um mit Valutenspekulationen das große Geld zu verdienen. Als bestenfalls verwirrend und unnötig muss man die Begleitstory um die geheimdienstlichen Hintergründe bezeichnen, die die Entführung der |America| überhaupt erst möglich gemacht haben. Aber fast schon lachhaft wirkt der krampfhafte Showdown, bei dem eine Handvoll Militärs mit ihren Ehefrauen versucht, sämtliche Bösewichte, deren es (zu) viele gibt, auf einen Streich zwischen Abendessen und Drinks an der Bar eines Luxus-Kreuzfahrtschiffes zu erledigen, nachdem diese bereits identifiziert und lokalisiert waren.

Genrefreunde werden ob der sicherlich vorhandenen Spannung zwar wohl wie gewohnt auf ihre Kosten kommen, sich aber dennoch einen reinrassigen U-Boot-High-Tech-Thriller wünschen, wie sie derzeit Patrick Robinson am besten schreibt. Der Versuch, Militärtechnologie und -taktik, globale wirtschaftliche und politische Vorgänge, Computerkriminalität und hochkarätige Geheimdienstaktivitäten in einen Thriller zu packen, ging bei „Jagt die Amerika“ leider daneben und Coonts hat sich in der Vielzahl der Personen und Handlungen leider selbst verstrickt. Weniger wäre, wie so oft, auch hier eindeutig mehr gewesen.

Stephen Coonts war einige Jahre Pilot einer A-6 Intruder bei der U.S. Navy und flog vom Flugzeugträger |Enterprise| aus Einsätze in Vietnam. 1977 schied er aus dem aktiven Dienst aus und wurde Rechtsanwalt in einer Ölfirma. Sein erster Roman „Flug durch die Hölle“ (Flight Of The Intruder) erschien 1986 und wurde erfolgreich verfilmt; seitdem haben es 13 seiner Werke in die Bestsellerlisten der New York Times geschafft.

Homepage des Autors: http://www.stephencoonts.com/

Fosar, Grazyna / Bludorf, Franz – Fehler in der Matrix

Der 1982 verstorbene visionäre Autor [Philip K. Dick]http://www.philipkdick.de war die Inspirationsquelle für etliche der wegweisenden Science-Fiction-Filme unserer Zeit, wie zum Beispiel „Blade Runner“, „Minority Report“, „Total Recall“, „eXistenZ“, „The Thirteenth Floor“, „Vanilla Sky“, demnächst „Paycheck“ (von John Woo) – und auch für die bahnbrechende „Matrix“-Reihe. Die Philosophie und beeindruckende Umsetzung von „The Matrix“ hat auch außerhalb der Kinosäle so einiges bewegt, und dies tatsächlich trotz aller Action im Comic-Stil auch in den Köpfen des Publikums. Der – zeitlebens rebellische, mit dem Gesetz konfliktierende und Drogen konsumierende – Autor hat sich stets mit Fragen nach staatlicher Kontroll-Allmacht, dem freien Willen oder der Existenz Gottes befasst und diese Grundmotive immer wieder in seine zahlreichen Schriften einfließen lassen. Wesentlich war die Frage nach der wahren Struktur der Realität und der Manipulation der alltäglichen Wirklichkeit, die er – als studierter Philosoph und Germanist – bis hinein ins Metaphysische trieb. Und keine andere Grundidee hat sich wohl so stark ausgewirkt wie die in „The Matrix“ umgesetzte virtuelle Realität, gesteuert von einer gewaltigen Matrix, die Scheinwelten in die Köpfe der versklavten Menschheit projiziert. Die Matrix-Erschaffer haben nur zwei Probleme, die sich nicht beheben lassen: den freien Willen und die verräterischen „Fehler in der Matrix“.

Dieses Konzeptes haben sich die Wissenschaftsautoren Grazyna Fosar und Franz Bludorf angenommen, über die es in meiner Buchbesprechung zu [Vernetzte Intelligenz]http://www.powermetal.de/book/anzeigen.php?id_book=56 mehr zu lesen gibt (und Kollegin Bianca hatte sich im September des Buches „Spektrum der Nacht“ angenommen). Kommen wir direkt zum Inhalt ihres aktuellen populärwissenschaftlich abgefassten Buches. Der Matrix-Begriff wird hier in mehrerer Hinsicht verwendet: zum einen natürlich aus aktuellem Anlass im Rahmen der „Matrix“-Euphorie und auch mehrfach unter Bezug auf die Filmdialoge und -grundideen, dann als vernetzende Metapher für einige Aspekte ihrer Betrachtungen, aber letztlich als konkret angewandte mathematisch-physikalische Struktur für Abbildungen oder Projektionsvorgänge. Denn so wie es sich darstellt, lässt sich unsere, für uns scheinbar vierdimensionale, Wirklichkeit sowohl als Fraktalstruktur (eine selbstbezügliche Abbildungsform) als auch als Projektion aus der höherdimensionalen Realität auffassen.

Wer hier abwinken möchte, weil die Erwähnung von „höheren Dimensionen“ ihm – oh schrecklich – nach Esoterik klingt, dem sei gesagt, dass nach den derzeit aktuellsten Theorien (String-, Bran- oder M-Theorien und Vergleichbares) unser Universum mindestens elfdimensional beschaffen sein muss, möglicherweise mehr, damit die entsprechenden Gleichungen korrekte Lösungsmengen liefern. Auch der Bezug zu Fraktalen ist an einem kleinen, durchaus bekannten, Beispiel zu veranschaulichen: Will man die Küste Englands vermessen, so stellt man fest, dass die Länge vom verwendeten Maßstab und der Genauigkeit der Messung abhängt. Werden die Messbedingungen immer präziser, so nehmen die Struktur und damit der Umfang der beobachteten Oberfläche der Küsten“line“ beständig zu, bis hinein in die atomaren Bindungen usw., so dass man in mathematischer Entwicklung guten Gewissens sagen kann, diese Küste sei tatsächlich unendlich lang. Das ist eigentlich auch gar nicht so unerwartet, denn man verwendet schon lange Zeit Fraktale, um natürliche Formen wie Landschaften oder Pflanzen zu berechnen und zum Beispiel in Computerspielen darzustellen. Eine weitere Besonderheit der Fraktale ist, dass sie aus dem immer wieder gleichen Grundmuster aufgebaut sind, nur die Abbildungsvorschrift selbst bestimmt die endgültige Form des Objektes, so dass man zum Aufbau fraktaler Welten wenn nötig nur eine einzige Basisform benötigen würde. Wichtiger ist eben das „Programm“, das diese Form anschließend anordnet und aufbaut – Ähnlichkeiten zur DNA, die, immer wieder gleich, doch komplexen Organismen wie uns Form und Funktion gibt, sind hierbei wohl nicht ganz zufällig.

Was die Dimensionsprojektion angeht, so stellt euch einen Ball vor, der von einer Lampe angestrahlt wird. Dies produziert ein Schattenbild – eine zweidimensionale Bild-Projektion des für uns dreidimensionalen Gegenstandes, wobei zusätzliche Informationen durch diesen Vorgang verloren sind. Diese Überlegung kann man nun auf unsere Wirklichkeit anwenden und unseren vierdimensionalen Alltag als Projektion aus dem mehrdimensionalen Hyperraum betrachten (Platon lässt grüßen?). Auch dabei ginge natürlich vorher vorhandene Information für uns verloren – Information allerdings, die nach wie vor existent ist und sich auf die anderen Dimensionen auswirkt, für uns aber ebenso wenig erfahrbar ist wie die dreidimensionale Realität des Balles für einen zweidimensionalen Menschen in einer flachen Welt.

Diese Projektionsvorgänge und Fraktalerschaffungen der uns umgebenden Struktur funktionieren nun nicht streng deterministisch, linear oder vorhersehbar. Die moderne Physik schlägt sich bereits seit einiger Zeit mit zahlreichen Unbestimmtheiten herum, die es schlicht unmöglich machen, exakte Wissenschaft zu betreiben und statt dessen komplizierte Methoden aus der Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung benötigen, um überhaupt noch irgendwie in mathematische Sprache gefasst werden zu können. Diese Unbestimmtheiten, das beständige Wabern und Wogen des „Quantenschaums“, der uns umgibt und durchdringt, die beständige Selbsterschaffung der Vakuumstruktur mit ihren Fluktuationen und Unbeständigkeiten machen auch die Wirklichkeit, in der wir leben, zu einer Welt, die nicht immer so präzise funktioniert, wie sie den Gewohnheiten in unseren Köpfen entsprechen sollte. Die höheren Realitäten und Projektionsvorgänge machen sich also durch Fehler bemerkbar – und erst diese sind es, die es uns ermöglichen, das „Mehr“ zu erkennen, aus dem heraus unsere Lebenswelt erschaffen wird.

Und so berichten Fosar und Bludorf von verschiedenen Störungen und Anomalien, die auf diese Zusammenhänge hinweisen und zur Hinterfragung einer stabilen (Schein-)Wirklichkeit Anlass geben. Parapsychologische Phänomene, Gravitations- und Zeitanomalien, veränderte Bewusstseinszustände, Doppelgängerphänomene, Genetikforschung, Nanotechnologie und militärische Forschungsprojekte, Chaosforschung, Kosmologie, die neue Quantenphysik und allerlei manipulative Eingriffsversuche in die Beschaffenheit der Wirklichkeit zeigen in einem vernetzenden Zusammenhang als Gesamtbild, dass die Matrix nicht perfekt ist und Fehler hat, durch die sie sich uns zu erkennen gibt. Dabei greifen sie neben ihren früheren Werken auf aktuelle akademische Veröffentlichungen zurück sowie auf exotisch wirkende Theorieansätze, wie die Vielweltenhypothese oder die Transaktionale Interpretation der Quantenphysik. Wissenschaftler wie Hugh Everett und John Wheeler, Edward Witten, Stephen Hawking, Fritz-Albert Popp, Richard Feynman, Jack Scarfatti, Hartmut Müller, Fred Alan Wolf, John G. Cramer oder Dean Radin gehören mit ihren Theorien zu den wichtigen und bekannteren Größen, deren Arbeiten in diesem Werk Verwendung finden. Hinzu kommen aber vielfach weniger bekannte akademische Arbeiten und Experimentalergebnisse, zum Teil wieder aus dem russischen Raum, Asien oder Australien, aber auch von den Autoren selbst durchgeführte Untersuchungen, mit deren Hilfe verschiedene, höchst ungewöhnliche Beobachtungen und Theorien mit- und zueinander in Relation gesetzt werden können und in der Summe ein erstaunliches Konzept mit so manchem Aha-Effekt offenbaren.

Gelegentlich setzen die Autoren die Kenntnis ihrer früheren Schriften voraus, zumindest dort, wo Theorien und Feststellungen eher knapp angemerkt und herangezogen werden, die dem darüber noch nicht informierten Leser einige Fragezeichen bescheren dürften. Wenn man diese Passagen aber für den Faktenaufbau zunächst einfach hinnimmt, ist es kein Problem, den Ausführungen weiterhin zu folgen, aber für ein intensiveres Verständnis der Zusammenhänge kann ich die zusätzliche Lektüre vor allem von „Vernetzte Intelligenz“ wirklich empfehlen. Allgemein ist der Schreibstil wieder sehr gut zugänglich, das Buch liest sich streckenweise so spannend wie ein Wissenschafts-Thriller. Und wem die Faktenfülle noch nicht ausreicht, für den haben die Autoren in das Buch zusätzliche Hintergrundtexte in Boxen mit der Überschrift „Was Einstein noch fragen würde…“ eingebaut, die es fachlich zum Teil ziemlich in sich haben und ebenso wie zahlreiche Erwähnungen des Schaffens anderer Wissenschaftler zum ausgiebigen Stöbern in der Buchhandlung einladen, um die Lektüre zu vertiefen. Zahlreiche Quellenangaben sowie eine ausgiebige Literaturliste sorgen für die gebotene wissenschaftliche Sorgfalt (wenngleich das Buch selbst nicht wissenschaftlichen Standards genügen kann und sich eben in populärwissenschaftlicher Darstellung zum Glück einem breiteren Leserpublikum zuwendet), ein Glossar sorgt für den begrifflichen Überblick, zahlreiche Grafiken sowie 44 Farbabbildungen im Fototeil ergänzen die visuelle Verständnisebene und das Register macht „Fehler in der Matrix“ auch als Nachschlagewerk tauglich.

Hiermit ist Fosar und Bludorf ein weiterer begeisternder Geniestreich gelungen, der Weltbilder zu bewegen weiß und zumindest bei mir für zahlreiche Assoziationen und Synchronizitäten sorgte und das Verständnis einiger Zusammenhänge und Theorieansätze sehr erleichterte, die ich bislang in dieser Form nie weiter durchdacht hatte. Wer mit offenem Geist, aber mit geboten kritischer (in doppelseitiger Bedeutung) Sichtweise an die Lektüre geht und bereit ist, festgefahrene Wege zu verlassen, um neue Pfade zu beschreiten und eigene Spuren im Sand der Zeit zu hinterlassen, findet hier eine wirkliche Bereicherung für die eigene Weltsicht und eine wichtige Ergänzung für ein grundlegendes Verständnis vom Zusammenhang der Dinge, die unsere Wirklichkeit erschaffen. Fosar und Bludorf haben sich spätestens mit ihren letzten beiden Veröffentlichung jedenfalls an die Spitze meiner persönlichen Favoriten für grenzwissenschaftliche Literatur katapultiert.

Homepage der Autoren: http://www.fosar-bludorf.com

Ambrose, David – EX

Joanna Cross recherchiert als Journalistin verdeckt im „Camp Starburst“, um die dortigen Machenschaffen der Esoterik- und Spiritisten-Maffia auffliegen zu lassen. Dies gelingt ihr auch, und neben dem Hass der Hauptakteure Eleanor „Ellie“ und Murray Ray zieht sie damit die Medienaufmerksamkeit auf sich, landet unter anderem in einer Talkshow zu diesem Thema. Einer der Gäste der Gesprächsrunde ist Mr. Towne. Dr. Sam Towne ist Psychologe an der Manhattan University und leitet dort mit Hilfe von Physikern, Technikern, Statistikern und anderen Psychologen das Parapsychologische Institut, das sich anomalen Phänomenen wie Telepathie, Präkognition, Psychokinese oder Hellsichtigkeit befasst. In Gesprächen nach den Fernsehaufnahmen weckt Sam das Interesse von Joanna an der Parapsychologie, diese wiederum kann ihren Herausgeber für das Thema erwärmen und gemeinsam vereinbaren sie ein ganz besonderes Experiment, das abseits von Signifikanzen und Statistiken für die Eingeweihten auch genug handfestes Material zu bieten hat, um als Aufhänger für einen Zeitschriftenartikel dienlich zu sein. Dabei soll versucht werden, mittels Gruppendynamik einen Egregor, ein energetisches Geistwesen zu erschaffen, das sich real manifestiert und allerlei ungewöhnliche Effekte mit sich führt. Diese Zielrichtung ist deshalb bereits zu Beginn so klar umrissen, weil es nicht das erste Mal ist, dass dieses Experiment durchgeführt wird; es gab bereits einige frühere Versuche anderer Gruppierungen mit ähnlichen Auswirkungen. Das Experiment gelingt in der Tat, doch sind die Auswirkungen für die Teilnehmergruppe alles andere als erfreulich, denn der erschaffene Geist „Adam Wyatt“ zeigt so gar keine Bereitschaft, das Experiment enden zu lassen und wieder in die Tiefen der Psyche seiner Erschaffer zu verschwinden. Viel lieber scheint es ihm, dass jene an seiner Statt diese Realitätsebene verlassen. Realität und Illusion, Materie und Geist beginnen sich zu durchdringen, die Wirklichkeit verändert sich und ein Mystery-Thriller der Königsklasse beginnt sich zu entfalten…

David Ambrose war bereits vor „EX“ mit „Der 8. Tag“ ein Bestseller gelungen, der es in sich hatte. „EX“, im Original von 1997 „Superstition“ betitelt, basiert auf einem Experiment, das Anfang der Siebzigerjahre tatsächlich stattgefunden hatte und in der Fachliteratur ausführlich behandelt wird. Hilfe bekam er dabei durch Berichte von Teilnehmern, er studierte insbesondere die Werke „Conjuring Up Philip – An Adventure in Psychokinesis“ von Iris M. Owen und Margaret Sparrow, „Margins of Reality“ von Robert G. Jahn, „Parapsychology – A Concise History“ von John Beloff, zudem Werke von Kit Pedlar, Stan Gooch, Michael Harrison, Alan Gaud und A. D. Cornell. Unterstützt wurde er in seinen Recherchen vom PEAR (Princeton Engineering Anomalies Research Program), von der Eileen-J.-Garrett-Bibliothek der Parapsychology Foundation Inc. New York sowie von Michaeleen C. Mather aus New York, die sich in ihren Arbeiten mit paranormalen Phänomenen beschäftigt und von deren hohem wissenschaftlichem Standard Ambrose sich sehr beeindruckt zeigte.

Wie man sieht, steckt hinter der Arbeit an diesem Thriller ein solides Interesse und einiges an Fachkundigkeit in der Thematik. Für grenzwissenschaftlich Interessierte und Mystery-Liebhaber gibt es einiges an fachkundigen Ausführungen sowie theoretischen Ansätzen zu entdecken, aber auch philosophische Gedankengänge lassen sich finden. Davon ab gehört „EX“ eindeutig zu den spannendsten Thrillern, die mir bislang untergekommen sind. Dementsprechend zügig und mit gebannter Aufmerksamkeit habe ich mir den Buchinhalt dann einverleibt. Allein die finalen Wendungen sind geradezu erstaunlich. Auch an der Charakterzeichnung gibt es nichts zu bemängeln, und die emotionale Ebene kommt ebenfalls nicht zu kurz, wenngleich beides keine Schwerpunkte bildet und vornehmlich den beiden Hauptprotagonisten vorbehalten bleibt. Etwas mehr lebensnahe und zwischenmenschliche Ausgestaltungen und Nebenhandlungen hätten das Werk zwar perfektioniert, tun in der vorliegenden Form der Gewichtung und Erzählung selbst jedoch keinen Abbruch. Das inhaltliche Material, die Geschichte selbst sowie die Art der Darstellung gäben auch einen ausgezeichneten Psycho-Thriller auf der Leinwand ab, ich wüsste allerdings gerade nicht, ob das Buch tatsächlich schon verfilmt wurde. Wenn nicht: Zeit wird’s, aber die wissenschaftlichen Grundlagen dabei nicht vergessen.

Ambrose beginnt seine Darstellung übrigens fast am Ende der Erzählung, was beim neugierigen Leser Fragen aufwirft, die für Spannung sorgen und im Verlauf der Geschichte eigentlich erst zum Ende hin klarer werden. Nach dem Prolog geht es dann in die Vergangenheit, die Charaktere und Hintergründe werden aufgebaut, aber nichts davon ist irgendwie für die Hauptgeschichte unwesentlich. Alles hat seine Bedeutung, jede handelnde Person bekommt im Verlauf ihre Rolle zugewiesen, die ganze Geschichte ist sehr sorgsam konstruiert und sorgt für allerlei Aha-Effekte und staunende Momente. Und wer auf ein Happy End hofft – nun, lasst euch überraschen und von diesem Meisterstück gefangen nehmen.

Wer übrigens herausgefunden hat, warum das Buch im Deutschen „EX“ heißt, möge sich bei mir melden.