Rose, Joel – Kein Rabe so schwarz

_Das geschieht:_

Im heißen Sommer des Jahres 1841 findet die junge Zigarrenverkäuferin Mary Rogers aus New York ihr grausames Ende. Ihre Leiche zieht man aus dem Hudson River. Die hübsche Frau war beliebt, ihr Tod empört die guten Bürger, die Presse spielt den Fall hoch. Deshalb wird die Ermittlung einem dem besten Kriminalisten seiner Zeit übertragen: Jacob Hays dient New York seit beinahe vier Jahrzehnten als Polizeichef. Er gilt als erfahren, aufgeschlossen und ist – in dieser Epoche keine Selbstverständlichkeit – unbestechlich.

Hays fahndet im Milieu der Unterwelt, die von gut organisierten, brutalen Verbrecherbanden mit malerischen Namen wie „Dead Rabbits“, „Plug Uglies“ oder „Bowery Butcher Boys“ beherrscht wird. Vor der Polizei fürchten sie sich nicht. Die Ermittlung ist deshalb schwierig und zeitaufwändig, zumal ein zweiter Sensationsmord Hays‘ Zeit in Anspruch nimmt: John Colt, ein erfolgloser Dichter, aber Bruder des berühmten Waffenfabrikanten Samuel Colt, ist mit seinem Drucker in Streit geraten, hat ihn erschlagen und die Leiche in einer Kiste versteckt, die nur zufällig entdeckt wurde. Obwohl reich und mit guten Verbindungen zur Politik, wird John zum Tode verurteilt. Seine Familie tut sich mit einer der großen Banden zusammen und lässt ihn aus der Todeszelle befreien.

In der Zwischenzeit hat Hays im Mordfall Rogers einen neuen Verdächtigen gefunden: Edgar Allan Poe ist ein leidlich bekannter Autor und Dichter aus Philadelphia, den seine unerbittliche Kritikerfeder dem literarischen Establishment entfremdet hat. Er lebt in bitterer Armut und seelischer Not und kannte Mary Rogers nach Hays‘ Ansicht ein wenig zu intim, um unschuldig zu sein. Aber Poe leugnet entschieden und die Beweise gegen ihn reichen nicht aus.

Hays gibt nicht auf. Die Ermittlungen ziehen sich acht Jahre hin. Hartnäckig versucht der alte Constable den Mord aufzuklären. Gemeinsam mit seiner Tochter entwirrt er ein Komplott, dessen brillante Infamie atemberaubend ist …

_Historienroman = historische Wahrheit?_

„Kein Rabe so schwarz“ ist ein Historienkrimi, dessen spannende Story und ihr geschichtliches Umfeld sehr genau recherchiert (und anschließend – s. u. – planvoll missachtet) wurde. 17 Jahre hat Joel Rose (mit Unterbrechungen) an seinem Buch gearbeitet, wie er in seinem Nachwort schreibt, und eine Unzahl zeitgenössischer Quellen sowie historischer Sachbücher und Artikel zu Rate gezogen, die er in Auswahl ebenfalls auflistet.

Ihm ist das seltene Kunststück gelungen, eine längst vergangene Welt wieder zum Leben zu erwecken. „Kein Rabe so schwarz“ nutzt die Ereignisse der Jahre 1841 bis 1849, um in die Lücken eine fiktive Handlung einzuflechten. Das Ergebnis ist gelungen. Realität und Erfindung gehen eine bemerkenswerte Symbiose ein. Die prominenten Personen, die Rose namentlich nennt oder auftreten lässt, sind zu den genannten Zeiten an den genannten Orten gewesen. Mary Rogers wurde 1841 grausam ermordet. Joseph Hays hat von 1772 bis 1850 gelebt und war für seine deduktiven Fähigkeit sogar in Europa berühmt. New Yorks bizarre Gangsterwelt und der Höllenpfuhl „Five Points“ sind ebenfalls authentisch.

Rose unterstreicht den Realitätsbezug, indem er einen Schritt weiter geht: Er schildert das Geschehen streng aus der Sicht der Menschen des 18. Jahrhunderts, verkneift sich also Vorgriffe auf das Wissen der Gegenwart. Die Figuren denken und sprechen, wie es in ihrer Zeit typisch war. Jacob Hays ist seiner Epoche als Kriminalist weit voraus. Trotzdem ist er kein Genie oder gar Übermensch, sondern bleibt in zeitgenössischen Irrtümern gefangen. So ist er beispielsweise davon überzeugt, Verbrechen anhand ihrer Physiognomie zu erkennen (fliehendes Kinn = feiger Mörder), eine in dieser Zeit sehr verbreitete ‚wissenschaftliche‘ Betrachtungsweise, die sich längst als absolut falsch herausgestellt hat.

Für Hays Zeitgenossen ist es selbstverständlich, dass schwarze Diener oder Sklaven ihnen rund um die Uhr zu Diensten und Frauen (willens-)schwache Wesen sind, die zu ihrem eigenen Schutz kontrolliert und von der Welt abgeschottet werden müssen. Hays selbst setzt Verdächtige unter Druck, presst ihnen Geständnisse unter Androhung körperlicher Gewalt ab. Der Tod am Galgen gilt als gerechte Sühne für jedes Kapitalverbrechen.

Gleichzeitig schließt Armut einen Menschen gesellschaftlich nicht aus, solange er nur seinen Status als ‚Gentleman‘ behält. Edgar Allan Poe ist zwar ein zerlumpter Schreiberling, von dessen Misere jede/r weiß. Dennoch kann er sich als Spross einer alten Südstaatendynastie und ehemaliger Offiziersanwärter unter die Prominenz seiner Zeit mischen. Sie helfen ihm nicht, sie lästern über ihn, aber sie dulden ihn in ihrer Mitte: Die Exotik der Vergangenheit zeigt sich hier als faszinierende Fassette.

_Realität als Spielplatz der Unterhaltung_

Rose arbeitet ausgiebig mit Zitaten aus zeitgenössischen Zeitungen, Romanen oder Gedichten. Er greift auch sonst den Sprachduktus der beschriebenen Epoche auf, wobei der Stil zumindest in der (überaus lesbaren) deutschen Übersetzung so gemildert wird, dass er bemerkbar bleibt, aber den Leser des 21. Jahrhunderts nicht überfordert.

In einem zweiten Schritt verlässt Rose die Ebene der Realität. „Kein Rabe so schwarz“ ist letztlich Fiktion, wie der Verfasser in seinem Nachwort versichert. Er hat sich die Geschichte ausgedacht und die historischen Fakten manipuliert, damit sie sich einpassen lassen, die Zitate wurden teilweise ‚zweckentfremdet‘ und anderen Personen in die Münder gelegt oder in die Federn diktiert – eine legitime Vorgehensweise, denn nie ersetzt ein Historienroman die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Vergangenheit. Die Umstände von Poes Tod werden so beschrieben, wie sie von der Forschung (die sich freilich weiterhin uneins ist) ermittelt werden konnten, aber seine Verwicklung in den Mordfall Marie Rogers ist erfunden.

_Edgar Allan Poe und Mary Rogers_

Der Meister der geschriebenen und gedichteten Literatur des 19. Jahrhunderts ist selbst eine ideale Romanfigur. Poes kurzes Leben (1809-1849) war turbulent und oft unglücklich, sein eigener Tod weiterhin nicht ohne Rätsel. Obwohl verschlossen und wohl depressiv, war er keineswegs einzelgängerisch, sondern eine in der Gesellschaft von Baltimore, Philadelphia oder New York City präsente Gestalt. Als (wenig erfolgreicher) Schriftsteller war Poe sehr interessiert an mysteriösen Vorfällen und Gewalttaten, die sich schon damals positiv auf die Auflagenhöhe auswirkten. Aus seiner Recherche im Fall Mary Rogers resultiert eine der ersten Detektivstorys der Weltliteratur: In „The Mystery of Marie Rogêt“ (dt. „Geheimnis um Marie Roget“), entstanden 1842, löst Privatermittler C. Auguste Dupin – Poe lässt die Ereignisse in Paris spielen – stellvertretend für seinen literarischen Vater den Mordfall Mary Rogers. Auch Poes Version fehlen letztlich die nötigen Beweise. Als Gedankenspiel und Lektion in deduktivem Denken ist „The Mystery …“ jedoch ein Meilenstein der (Kriminal-)Literatur.

Rose schildert Poe als vielfach Getriebenen, als Außenseiter, der gegen eine Welt wütet, die sein Talent nicht anerkennen und honorieren will. Er weigert sich dem Establishment nachzugeben und zahlt seinen Preis dafür. Poe ist vielleicht ein verkanntes Genie, aber Rose deckt auch seine weniger angenehmen Seiten auf – seinen Hang zum Plagiat, seine Charakterschwächen, seine manipulative Ader.

_Joseph und Olga Hays_

Joseph Hays ist nicht Poes Gegenspieler. Tatsächlich fällt es schwer, diesen Mann einzuordnen. Zunächst tritt er als personifiziertes Gesetz auf, aber mehr und mehr wird deutlich, dass Hays vor allem deshalb so unerbittlich ist, weil er mit seinem Privatleben wenig anzufangen weiß. Seine Familie hat er bis auf eine Tochter überlebt, Hobbys hat er nicht. Als man ihn seines Postens enthebt, macht er deshalb einfach weiter wie bisher.

Kein Unterhaltungsroman, der heute erfolgreich sein möchte, kommt ohne eine ’starke‘ Frauenfigur aus … Vor allem im historischen Umfeld ist das oft eine Herausforderung, da Frauen (s. o.) in vielen Zeitaltern nur ausnahmsweise die traditionellen Grenzen des ihnen zugewiesenen Lebensdreiecks (Kinder – Küche – Kirche) durchbrechen konnten. Olga Hays übernimmt wichtige Ermittlungsaufgaben für ihren Vater. Sie ist sogar berufstätig und intellektuell aktiv. Rose vermeidet es indes zu übertreiben; Olga bleibt in ‚ihrem‘ geschlechtsspezifischen Raum, dessen Wände sie nur behutsam dehnt.

Die Sorgfalt der Charakterisierung erstreckt sich auf die vielen weiteren Figuren. Das lässt verschmerzen, dass die Geschichte in ihrem letzten Drittel von ihrem Kurs abzuweichen und sich in eine Chronik der letzten Tage des Edgar Allan Poe zu verwandeln beginnt. Der Verfasser findet den Weg zurück in einem offenen Finale, das manchen Leser unzufrieden zurücklassen mag. Das Rätsel der Mary Rogers wird allerdings gelöst. Viele weitere Fragen bleiben ohne Antworten – genau wie im richtigen Leben.

_Links für interessierte Leser_

Einiges kann sich der Leser selbst erschließen. Vier Quellen, die für mich aufschlussreich waren, liste ich abschließend auf; unzählige Links führen auf weitere interessante Websites oder verweisen (ganz altmodisch) auf gedruckte Informationsträger:

– http://www.trutv.com/library/crime/notorious__murders/classics/mary__rogers („The Murder Mystery of Mary Rogers“: Douglass MacGowan rekonstruiert ausführlich und mit vielen zeitgenössischen Abbildungen den Mordfall Mary Rogers.)

– http://urbanography.com/5__points („Where ‚The Gangs‘ Lived. New Yorks Desperate Five Point Neighborhood in the mid-19th Century“: Gregory Christiano berichtet über das organisierte Verbrechen im New York des 19. Jahrhunderts. Eine grandiose Darstellung liefert – auch in deutscher Sprache – Herbert Asbury in [„Gangs of New York“, 596 Heyne-TB Nr. 18582; dieses Buch bildete die Vorlage zum gleichnamigen Film von Martin Scorsese. Auch Rose bezieht sich darauf.)

– http://www.usgennet.org/usa/ny/state/police/ch4pt3.html („High Constable Hays“: Auszug aus „Our Police Protectors, History of the New York Police“, 1885.)

_Der Autor_

Joel Rose wurde 1960 in Los Angeles geboren, wuchs aber in New York City auf, wo er Literatur am Hobart College sowie an der Columbia University studierte. Anschließend war er als Assistent für den Drehbuchautoren Leonard Kanter tätig und arbeitete an der TV-Serie „Miami Vice“ mit, was ihn zu seinem Thriller „Kill the Poor“ (1988) inspirierte. Dieser wurde 2006 verfilmt; dies geschah 2008 auch mit Roses Roman „Kill Kill Faster Faster“. Beide Filme wurden von der Kritik sehr positiv besprochen.

Neben seinen Romanen verfasste Rose auch den Comic-Roman „La Pacifica“ (1995) sowie das historische Sachbuch „New York Sawed in Half“ (2001). Mit seiner Familie lebt und arbeitet Joel Rose in New York. Über seine Arbeit informiert seine Website:

http://www.joelrosebooks.com

http://www.pendo.de

Baumm, Stephanie – Unsterblich wie der Tod

Dass Journalisten in der Literatur „wildern“, ist nichts Neues. Daher denkt sich der eine oder andere Leser auch in diesem Fall vermutlich: „Nicht noch so eine!“, denn immerhin hat diese bereits für verschiedene Zeitungen sowie Agenturen gearbeitet, bevor sie sich dem Schreiben von Büchern widmete. „Unsterblich wie der Tod“ heißt ihr Debüt und beweist, dass Journalisten sehr wohl gute Bücher schreiben können.

Das Buch steigt ohne lange Vorgeschichte direkt in die Ereignisse ein. Die Fotojournalistin Luisa lebt neuerdings in Angst und Schrecken, seit jemand ihr versucht hat, ihr die Leiche eines jungen Mädchens unterzujubeln und sie mit Anrufen belästigt. Die Polizei unternimmt wenig, hat sie sogar im Verdacht, die Täterin zu sein. Die Dinge spitzen sich zu, als man eine zweite Mädchenleiche findet, die nackt in der Nähe einer Bushaltestelle liegt. Auf ihrem Rücken steht „Für Luisa, in Liebe“ und neben ihr findet sich ein Handschuh von Luisas Lebensabschnittspartner Kurt, der allerdings ein Alibi besitzt: Er war zur Zeit des Mordes mit einer anderen Frau zusammen. Keine einfache Sache für Luisa, deren Sohn sich ebenfalls merkwürdig verhält. Der Mörder scheint alle Spuren auf sie lenken zu wollen, in ihrem kleinen Dorf in der Nähe von Kiel traut man ihr nicht. Nur der Kriminalkommissar Armin Stahl glaubt an sie – und Morten Vanderberg, ein berühmter Komponist, der ihr zufällig begegnet und in den sie sich vom ersten Augenblick an verliebt. Er verspürt das Gleiche, doch sie merkt schnell, dass Vanderberg etwas verheimlicht. Etwas, das auffällig viel mit den Mädchenmorden zu tun hat …

Was bereits auf den ersten Seiten auffällt, ist der für eine Journalistin unglaublich lebendige und emotionale Schreibstil. Das gelingt ihr vor allem durch ihr geschicktes Händchen für die Sprache und den Einsatz von Metaphern, Vergleichen sowie verkürzten Sätzen und ähnlichem. Ihr Schreibstil ist unglaublich gelenkig und aktiv und transportiert sehr viel mehr als die eigentliche Bedeutung der einzelnen Worte. Baumm schafft es, mit ausgewählten Begriffen Szenarien vor dem inneren Auge des Lesers zu erschaffen und geht dabei teilweise außergewöhnlich in die Details. Sie schafft es dabei, sich knapp zu halten, so dass die Kleinteiligkeit nicht stört, sondern im Gegenteil ein dickes Plus ist.

Ähnlich virtuos, wie sie mit Worten umgeht, gestaltet die Autorin auch die Handlung des Buches. Es gelingt ihr, eine sehr spannende Geschichte zu entwerfen, deren In-medias-res-Einstieg erst der Anfang von vielen Seiten fesselndem Lesevergnügen ist. Baumm schreitet in großen Schritten voran, so dass keine Längen auftreten, lässt Personen und zwischenmenschlichen Beziehungen dabei aber trotzdem genug Raum, sich zu entfalten. „Unsterblich wie der Tod“ ist nämlich kein eiskalter Thriller, sondern eine Geschichte, die auch psychologisch einiges zu bieten hat und die man nur schwer wieder aus der Hand legen kann. Das liegt auch daran, dass die Autorin gekonnt falsche Spuren auslegt, die den Leser spätestens ab der Mitte der Buches dazu animieren, sich selbst Gedanken über die Lösung des Falls zu machen. Die Lösung lässt zum Glück bis zum Ende auf sich warten, auch wenn sie ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr richtig überrascht. Gerade auf den letzten Seiten hat die Autorin damit zu kämpfen, dass sie sich auf einem sehr schmalen Grat zwischen Realismus und Fiktion befindet. In welche Richtung das Ende ausschlägt, liegt im Auge des Betrachters – nach vielen Seiten spannender Lektüre hat dies aber nur wenig Einfluss auf die Gesamtbewertung des Buches.

Die Figuren, die Baumm antreten lässt, zeichnen sich durch ihre Alltäglichkeit und gleichzeitig durch ihre Tiefe aus. Sie wirken sehr realistisch und werden anhand des Schreibstils treffend beschrieben. Sie sind zwar nicht unbedingt originell, aber der Leser kann sich mit ihnen identifizieren und versteht, was in ihnen vorgeht.

Überhaupt ist „Unsterblich wie der Tod“ ein sehr leserfreundliches Buch. Es ist flüssig, aber anspruchsvoll und spannend geschrieben, besitzt eine sauber aufgebaute, klar strukturierte Handlung und ermöglicht es, sich in die Geschichte hineinzufühlen. Stephanie Baumm hat einen tollen Krimi geschrieben, der Lust auf mehr Bücher der Journalistin macht.

http://www.droemer.de

Brubaker, Ed (Autor) / Phillips, Sean (Zeichner) – Criminal 2: Blutsbande

[„Criminal 1: Feigling“ 4879

_Story_

Eine schwerwiegende Entscheidung sollte das Leben von Tracy Lawless vor 20 Jahren völlig verändern. Als Ausweg vor einer Gefängnisstrafe verpflichtete er sich für die Army und verbrachte die anschließende Zeit in den brisantesten Krisengebieten. Bei seiner Rückkehr ins zivile Leben wird Lawless dann jedoch wieder mit seiner schwierigen Familiensituation konfrontiert, nachdem ihn die Nachricht vom Tod seines jüngeren Bruders Ricky erreicht.

Unter erkaufter falscher Identität schleicht er sich in dessen einstige Bande ein und enthüllt Stück für Stück das kriminelle Leben seines Bruders. Selbst vor Rickys ehemaliger Partnerin kann er seine wahre Identität geheimhalten und sie für sich gewinnen. Doch wie schon dereinst, so verschafft sich Tracy alias Sam West auch heute nur mit Gewalt die nötigen Informationen und hinterlässt auf dem Weg zur Wahrheit eine Spur des Hasses und des Blutes.

_Persönlicher Eindruck_

Große Erwartungen und hohe Anforderungen: Ed Brubaker stand bei der Etablierung seiner jüngsten Serie vor einer enorm kniffligen Aufgabe. „Criminal“ wurde nämlich schon nach der Debütausgabe doppelt mit dem prestigereichen Eisner Award prämiert und galt folglich als beste neue Serie des vergangenen Jahres. Allerdings gibt sich der Autor von derlei Prämierungen weitestgehend unbeeindruckt und greift die Atmosphäre von „Feigling“ auch im noch wesentlich brutaleren „Blutsbande“ wieder wirkungsvoll und stimmig auf. Selbst wenn der Spannungsaufbau in diesem Zusammenhang nicht mehr oberste Priorität genießt …

Die in sich abgeschlossene Story des zweiten Bandes überzeugt unterdessen in erster Linie mit ihrer absolut düsteren Stimmung, die sicherlich nicht ohne Grund an das bessere Werk eines Frank Miller erinnert. Gerade was die Darstellung der Charaktere und die stets präsente Noir-Romantik betrifft, hat „Criminal“ einiges zu bieten, ganz zu schweigen von der erbarmungslosen Entwicklung der Handlung, im Zuge derer Brubaker auch wirklich keine Limits akzeptiert. Ganz im Gegenteil: Die Action spricht Bände, die Gewaltorgie des Hauptdarstellers ebenfalls, und gerade weil der Autor komplett auf inhaltliche Überraschungen verzichtet, fühlt man sich regelrecht von der Ereignissen überrollt, bevor man sich überhaupt noch Gedanken darüber machen muss, welchen Anteil die Spannungskurve letzten Endes für die Erzählung haben soll.

Diese verläuft nämlich vergleichsweise flach und ist insbesondere wegen des sehr linearen, konkreten Ablaufs der Story deutlich reduziert. Dies ist jedoch entgegen allen Befürchtungen kein wirkliches Manko, welches man dem Autor und dem Comic anlasten darf. „Criminal“ ist nämlich in erster Linie auf die konträren Emotionen und die Kreation einer außergewöhnlichen, mitunter auch beängstigenden Atmosphäre ausgerichtet, innerhalb derer die Geschichte zu bestimmten Anteilen nur Mittel zum Zweck ist. Aber auch dies soll das überaus gelungene Konstrukt in „Blutsbande“ in seiner Überzeugungskraft definitiv nicht mindern, sondern einfach noch einmal den elementaren Fokus der Serie schärfen und verdeutlichen, was man zu erwarten hat.

Dementsprechend klar lässt sich zu guter Letzt auch die Zielgruppe festlegen. Diejenigen nämlich, denen Action, Komplexität und schwankende Spannungsabläufe wichtig sind, werden womöglich nicht so viel mit „Blutsbande“ anfangen können. Die Comic-Leser allerdings, die „Sin City“ längst zum Kult und Frank Miller zur Legende erklärt haben, die auf kriminalistische Noir-Inhalte schwören und denen vor allem die Atmosphäre wichtig ist, die werden auch im zweiten Teil von „Criminal“ ein kleines Kunstwerk entdecken, welches den hohen Erwartungen an einen Eisner-prämierten Titel nahezu vollständig gerecht wird. Und dies nicht nur inhaltlich, sondern vor allem auch visuell!

|128 Seiten, farbig
ISBN-13: 978-3-86607-648-8|
http://www.paninicomics.de/criminal-s10538.html

Larbalestier, Justine – Magische Spuren (Cansino-Trilogie, Band 2)

_Wahnsinn oder Burnout – eine schreckliche Wahl_

Die 15-jährige Reason Cansino wurde von ihrer Mutter Sarafina im australischen Hinterland aufgezogen, stets in dem Glauben, ihre Großmutter Esmeralda sei eine böse Hexe. Reason dürfe niemals Magie ausüben. Doch es kam zu Unfällen. Wenn Reason gereizt wurde und in Wut geriet, litt das Opfer, manchmal starb es sogar – Mitschüler etwa. Dann floh sie mit ihrer Mutter, zuletzt sogar nach Sydney, wo Sarafina in die Nervenheilanstalt Kalder eingewiesen wurde. Folglich steckten die Behörden ihre Tochter Reason zu ihrer nächsten Verwandten: Esmeralda.

Esmeraldas Haus hat eine Verbindung nach New York. Per Zufall gerät Reason so auf die winterliche Erdhalbkugel, lernt dort die magische Jay-Tee kennen, deren Bruder Danny und leider auch ihren Großvater Jason Blake. Als der ihr die Magie rauben will, flieht Reason zurück nach Sydney.

Nun ist sie maßlos überrascht durch die Entdeckung, wie groß ihre magischen Kräfte sind. Esmeralda erteilt ihr und Jay-Tee, die Reason gefolgt ist, Unterricht in Magie. Den brauchen sie auch, um sich einer Belagerung erwehren zu können, bei der ihre Hintertür von einer unheimlichen Macht verformt wird. Als Reason nicht aufpasst, beult sich die Tür aus und reißt sie hindurch in die jenseitige Dimension: ins winterliche New York. Hier lauert ein alter magischer Mann vor Esmeraldas Tür, und Jason Blake dürfte ebenfalls nach ihr suchen. Reasons einzige Hoffnung besteht darin, Danny zu finden.

_Die Autorin_

Justine Larbalestier ist im australischen Sydney geboren, wo sie bis heute lebt. Mit ihren Eltern, zwei Anthropologen, zog sie mehrfach für einige Zeit in andere Gegenden Australiens, u. a. zu den Aborigines in den nördlichen Territorien (also bei der Stadt Darwin). Mit ihrem Mann, dem amerikanischen Sciencefiction-Autor Scott Westerfeld („Weltensturm“, „Midnighters“, „Uglies – Pretties – Specials – Extras“), reist sie gern und häufig nach New York City.

Die Cansino-Trilogie:

1) [Magische Töchter 4753 (Magic or Madness, 2005; dt. Mai 2008)
2) Magische Spuren (Magic Lessons, 2006; dt. Juli 2008)
3) Magische Verwandlung (Magic’s Child, 2007; dt. September 2008)

_Handlung_

Großmutter Esmeralda ist gar nicht so übel, aber auch nicht gerade ein Engel, findet Reason. Ihre Mutter hat ihr erzählt, Esmeralda esse Babys und habe eine Katze getötet und und im Keller vergraben. Das hat sich als Märchen herausgestellt, um Reason abzuschrecken, aber dennoch ist Reason auf der Hut. Die Frauen der Cansino-Sippe, die seit dem 19. Jahrhundert in Sydney gelebt haben, sind alle vor ihrem 18. Lebensjahr gestorben. Die Magie hat sie getötet. Und wenn sie nicht starben, dann wurden sie verrückt – so wie Sarafina. Wie also ist es Esmeralda gelungen, 48 Jahre alt zu werden?

Im Unterricht, den die Großmutter Reason, Jay-Tee Galeano und dem Nachbarsjungen Tom Yarbro gibt, muss sie zugeben, dass ein Magiebegabter sehr mit seiner Magie haushalten muss, oder es nimmt ein frühes Ende mit ihm oder ihr. Jay-Tee schaut schuldbewusst. Sie hat alle Ratschläge ihres Vaters in den Wind geschlagen und ihre Magie verschwendet. Jetzt ist sie dem Tode nahe – mit fünfzehn Jahren.

Auch Esmeralda wäre fast einmal an Erschöpfung gestorben. Sie hat ohne Toms Erlaubnis einzuholen von seiner Magiequelle „getrunken“. Diesen Verrat kann er ihr nur sehr schwer verzeihen. Nur Reason scheint vor Kraft zu strotzen. Genau deshalb ist ja ihr Großvater so scharf auf sie. Ausgerechnet Esmeraldas Ex-Mann Jason Blake! Vor ihm musste Reason aus New York City fliehen. Um ihre Kraft zu verstärken, gibt ihre Lehrerin allen drei Schülern magische Gegenstände, die sie am Körper tragen sollen, z. B. Knochen, Zähne, Ammoniten usw.

Diese Kraft brauchen sie auch, um sich der Macht erwehren zu können, die sich anschickt, die Verbindungstür nach New York City einzureißen. Trotz Gegenzaubers beult sich die Tür aus und verformt sich, als wäre sie flüssig. Einmal schickt sie sogar einen Ableger auf die Kinder los, und der Golem – so nennt Reason das verformbare Ding – bohrt sich in Reasons Arm. Sie spürt, dass es ein Cansino-Ding ist und stößt es kraftvoll wieder ab. Aber in einem unachtsamen Augenblick schickt die Tür einen weiteren Pseudo-Arm aus, greift sich Reason und zerrt sie hindurch nach New York City.

Doch herrscht eisiger Winter, und Reason hat nur ihren Schlafanzug an, aber keine Schuhe. Ein alter Mann steht vor ihr, der ihren magischen Angriff mühelos pariert und sie wegschickt. Reason findet schnell Hilfe bei Danny, Jay-Tees (Julietas) Bruder, und er bringt sie in seine Penthouse-Wohnung. Sie verliebt sich in Danny und schläft mit ihm, gerade noch rechtzeitig, bevor Jason Blake sie ausfindig macht und angreift. Danny und Reason können fliehen, denn Reasons Kräfte sind gewachsen, doch wohin können sie Jason Blake entwischen?

Es gibt nur einen Weg: zurück zu Oma Esmeraldas Haustür. Der alte Mann dort versucht immer noch, ins Haus einzudringen. Wird er Reason an der Flucht hindern? Doch nein, er meint es gut mit ihr: ein alter Verwandter. Und er hat ihr ein großes Geschenk zu machen: seine eigene Art von Magie.

_Mein Eindruck_

Diesmal fängt die Geschichte ganz langsam an, um dem Leser deutlich zu machen, dass es eine Reihe von Problemen für die drei jugendlichen Helden zu bewältigen gilt. Alle drei sehen sich der schrecklichen Möglichkeit gegenüber, entweder verrückt zu werden wie Reasons und Toms Mütter oder eines frühen Todes zu sterben, wahrscheinlich noch vor Vollendung des 18. Lebensjahres.

Besonders Jay-Tee hat Raubbau getrieben mit ihren magischen Kräften, und schon ein kleiner Dauerlauf bringt sie an den Rand des Abgrunds. Tom gewährt ihr sozusagen eine kleine Notration, die sie wieder auf die Beine bringt. Sie sind wie Autos, die mit dem letzten Rest Benzin laufen und damit haushalten müssen. Esmeralda geht es nicht anders. Die Lösung zwischen Wahnsinn und Tod liegt in Reason, dem „Verstand“ der Gruppe.

Nicht so Reason. Sie hat genug Kraft, doch man ist hinter ihr her, ganz besonders seitens Jason Blakes. Und vielleicht will sogar der alte Mann vor der Tür etwas von ihr. Es würde sie nicht wundern, und schon bald leidet sie unter Verfolgungswahn. Deshalb wendet sie sich mit heftigem Vertrauen an Danny, Jay-Tees Bruder. Er verwöhnt sie mit Klamotten, in denen sie selbst im kalten New York City nicht auffällt, sondern sich wohlfühlt. Sie verführt ihn nach Strich und Faden, und er kann ihrem Charme (= Zauber) nicht widerstehen. Aber wie soll sie es dann Jay-Tee beibringen? Am besten gar nicht, oder? Leider lässt sich eine Schwangerschaft nicht für immer verstecken.

Die Sache mit der Magie wird in diesem Band weiter differenziert. Demnach gibt es zwei Sorten davon: sozusagen „Magic light“ – das ist das, was Reason bislang praktiziert hat, was aber schon ausreicht, um einen Menschen zu töten. Sie müssen die richtige Dosis finden, um damit nur eine Kerze anzuzünden. Und dann gibt es die richtig heftige, transformierende Magie. Das ist die Magie, die der alte Mann ihr zeigt und injiziert. Sie ist nämlich auch materiell übertragbar. Diese Magie lässt sich zielgerichtet einsetzen, um sich selbst und andere Körper zu verformen. Reason hat schon immer in andere Körper blicken können, so wie Tom stets Formen sieht und Jay-Tee sehen kann, ob jemand lügt oder die Wahrheit sagt.

Die neue Art der Magie, die der alte Mann, ihr Ururgroßvater, ihr zeigt, erweitert Reasons Horizont auf einen Schlag. An nichts erinnert ihr Blick nun so sehr wie an den von Neo im dritten Teil von „MATRIX: Revolutions“: Die Welt erstrahlt in ihren Bestandteilen und Atomen, doch was so strahlt, ist die Magie in den Begabten. Es gibt noch genügend Nichtbegabte in der Welt, weiß Gott. Was, wenn Reason alle Magiebegabten zu einem gemeinsamen Werk zusammenbringen könnte? Die Folgen wäre im Guten wie Schlechten kaum vorstellbar.

So wie Neo zum Erlöser der Maschinenwelt, der MATRIX, geworden ist, so betrachten nun auch ihre Freunde Reason als ihre Retterin aus der schrecklichen Wahl, vor welche die Magie sie stellt: Wahnsinn oder früher Tod. Transformation könnte die Antwort sein. Aber hat Reason die sittliche Reife, um beurteilen zu können, ob die Umwandlung beispielsweise ihrer Großmutter helfen wird? Eine offene Frage, die der dritte Band beantworten muss.

|Die Übersetzung|

Die Übersetzerin hat sich bemüht, den Jugendjargon ins Deutsche zu übertragen. Zusätzlich musste sie die Unterschiede zwischen amerikanischem und australischem Englisch deutlich machen. Meistens ist ihr dies gut gelungen. Allerdings dürfte sich der deutsche Leser fragen, was denn der große Unterschied zwischen „Slip“ und „Undies“ sein soll. Es ist vielleicht eine Bemerkung wert, dass sich keinerlei Druckfehler finden ließen.

Es gibt aber auch wunderbare Stilblüten. So findet sich auf Seite 71 der Satz: „Er ließ das Wasser über seine Hand strömen, bis es abgekühlt war.“ Natürlich wird nicht das Wasser abgekühlt, sondern die Hand! Korrekt müsste es heißen: „… bis sie abgekühlt war.“ Das kommt davon, wenn man das Wörtchen „it“ eins-zu-eins übersetzt.

Beispiel zwei: „Ich glaube, das hat was mit ihrem Mathe zu tun.“ (Seite 244) Es ist ja schön und passend, wenn die Jugendlichen reden, wie ihnen der flapsige Schnabel gewachsen ist, aber man sollte ihnen in der Übersetzung durchaus den korrekten Umgang mit den Geschlechtern der Begriffe zutrauen. Es müsste also nicht „mit ihrem Mathe“, sondern „mit ihrer Mathe“ heißen. Gemeint ist nämlich |die| Mathematik.

_Unterm Strich_

Ich habe für diesen unterhaltsamen Jugendroman etwas länger gebraucht als für den ersten Band. Die Schrift ist groß, die Sätze sind einfach gehalten, die Handlung ist leicht verständlich und am Schluss auch relativ spannend. Leider jedoch braucht die Story diesmal eine Weile, bis sie in die Gänge kommt, und die Langeweile wird nicht wie im ersten Band durch Ironie, Komik und Kulturkonflikte aufgelockert.

Man könnte sagen, die drei Jugendlichen hätten ihre Unschuld verloren, aus dem Spiel sei Ernst geworden. Das kennt man ja aus TV-Mysteryserien wie „Charmed“ oder „Buffy“. Nun ja, auch Peter Parker musste seine Lektion lernen, bevor er Spider-Man werden konnte. Und weil es immer einen Schurken geben muss, an dem die Guten wachsen können, tritt diesmal der Teufel in Gestalt von Jason Blake und – irrtümlich, wie sich zeigt – des Alten Mannes auf. Das verleiht der Geschichte erst die richtige Spannung und Action.

Fünfzehnjährige dürften die Abenteuer Reasons besonders interessieren, schlägt sie sich doch mit allen Problemen herum, die mit der Pubertät einhergehen, so etwa das Begehren eines Mannes, der Sex und die Komplikationen, die darauf folgen. Diese Vorgänge erzeuge innere Spannungen, die für weibliche Leser wesentlich interessanter sein dürften als für männliche. Am interessantesten war deshalb der Schlussteil, der etwas wirklich Neues in die Geschichte einbrachte. Das macht neugierig auf die Fortsetzung.

|Originaltitel: Magic Lessons, 2006
317 Seiten
Aus dem Australischen Englisch von Kattrin Stier
Empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-570-30370-2|
http://www.cbj-verlag.de

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Ostrander, John / Duursema, Jan – Star Wars Sonderband 42: Legacy III – Die Klauen des Drachen

[„Legacy I – Skywalkers Erbe“ 3599

_Story_

Sieben Jahre sind bereits ins Land gezogen, seit der junge Padawan Cade Skywalker mit ansehen musste, wie sein Vater sich opferte, um das Leben Cades zu schützen. Seither sucht der Nachwuchs der berühmten Familienlinie nach seiner Bestimmung und versucht sich in erster Linie als Kopfgeldjäger, kann seinen außergewöhnlichen Instinkten und Fähigkeiten aber nicht länger aus dem Weg gehen. Es ist seine Berufung, ein weiteres Mal den Mördern seines Vaters ins Angesicht zu treten und mit ihnen abzurechnen. Doch die düstere Macht der Sith erweist sich als äußerst verführerisch, und beim Versuch, Darth Krayt und seine Lordschaften zur Strecke zu bringen, gerät der junge Skywalker in den größten Zwiespalt seiner unerforschten Jedi-Laufbahn …

_Persönlicher Eindruck_

Die „Star Wars“-Historie ist nicht nur cineastisch von ständigen Rezitationen und gleichförmigen inhaltlichen Wendungen geprägt – warum also sollte der Comic-Ableger „Legacy“ hier einen anderen Ansatz wagen? Im dritten Sonderband der Reihe lüften John Ostrander und Jan Duursema endlich die Mysterien um das neue Erbe der Sith-Lords und ihres heimlichen Anführers Darth Krayt, sorgen aber auch bei den bislang bekannten Handelnden für eine stetige Weiterentwicklung, gerade was den neuen, raubeinigen Skywalker-Schützling Cade betrifft, der in Sachen Charisma bei weitem noch nicht in der Tradition seiner ruhmreichen Vorgänger steht. Aber gerade diese Individualität und der gewisse Funken Eigenständigkeit sind auch zwingend erforderlich, um diesem Ableger auch seine Daseinsberechtigung in der großen Welt der Sternenkriege zu verschaffen.

Inhaltlich nimmt nämlich auch das dritte Kapitel viele bekannte Züge wieder auf, sei es nun in der Art Familientragödie, die sich mittlerweile intern zum Standard entwickelt hat, in der Unentschlossenheit und dem eigenwilligen Machtbestreben des Hauptdarstellers oder eben in der offenkundigen Transparenz der Erzählung, die trotz gewisser Spannungsmomente unvermeidlich auf ein klares Ziel hinsteuert. Es gibt eben Dinge, die man an dieser Stelle einfach als gegeben hinnehmen muss, auch wenn sie im großen Kontext des wachsenden „Krieg der Sterne“-Backgrounds zur ewigen Wiederholung verdammt zu sein scheinen – aber so ist das nun einmal.

Nichtsdestoweniger ist der Plot nämlich richtig stark aufgebaut und führt die Saga größtenteils würdig in ihrer Chronologie fort. Die neuen Hauptfiguren finden gerade wegen ihres sehr individuellen Erscheinungsbildes schnell Akzeptanz, die Handlung kombiniert Traditionen, Kult und Innovationen, aber auch die neu erwachsene dunkle Seite der Macht bekommt eine ganz eigenständige Position in der langen Serie und lässt sich in ihrer kompakteren Ausprägung bei weitem nicht mit dem Entwurf von Imperator Palpatine vergleichen – selbst wenn bestimmte Grundzüge ganz klar auf den alten Ideen beruhen.

Die eigentliche Kunst bestand und besteht aber eben nun ganz klar darin, die bewährten Werte einerseits aufrechtzuerhalten, ihnen aber andererseits auch für die Zukunft der unendlichen Geschichte Neues abzugewinnen, und das ist den beiden Autoren nun mit dem vorläufigen Abschluss ihrer ersten Mini-Serie sehr eindrucksvoll gelungen. Ostrander und Duursema erschaffen innerhalb der bestehenden Strukturen ein komplett neues Storyboard, das gerade im unscheinbaren politischen Teil sehr interessant erscheint, aber auch rein inhaltlich eine Menge Potenzial darbietet. Letzteres mag natürlich auch darauf zurückzuführen sein, dass man sich durchaus im eigenen Katalog bedient und wichtige Referenzen kopiert, doch ist diese Affinität zur „Star Wars“-Vergangenheit letzten Endes nicht mehr als ein kleiner Aufhänger einer wirklich großen, vollends gelungenen Erzählung.

Damit bleibt sich die „Legacy“-Reihe jetzt auch in ihrer dritten Ausgabe treu und wahrt den hohen Qualitätsanspruch mit einer sehr gelungenen Mischung aus alten Prinzipien und modernen Ansätzen. Kleinkarierte Verfechter der klassischen Serie mögen zwar ein weiteres Mal kritisieren, dass bestimmte Inhalte zum wiederholten Male wiederkehren, doch sollten auch sie sich nicht davon abhalten lassen, der überzeugenden Weiterentwicklung der Materie in Büchern und Comics wie diesem aktiv beizuwohnen.

|ISBN-13: 978-3-86607-551-1
http://www.paninicomics.de

Molay, Frédérique – siebte Frau, Die

Die französische Krimiautorin Frédérique Molay trägt eine schwere Last mit sich: Sie teilt ihren Vornamen mit der Grand Dame des französischen Kriminalromans, Fred Vargas. Letztere legt die Messlatte für gute Literatur ziemlich hoch. Es wäre daher nicht unbedingt fair, Molay an ihrer berühmten Namensvetterin zu messen, besonders, wenn man bedenkt, dass „Die siebte Frau“ ihr Debüt ist, das in ihrem Heimatland bereits sehr viel Lob erhalten hat.

Im Mittelpunkt steht der etwas eigentümliche Leiter der Pariser Brigade Criminelle, Nico Sirsky, der so in seiner Arbeit aufgeht, dass er ständig Bauchschmerzen hat. Diese Beschwerden führen ihn zu der bezaubernden Internistin Caroline, in die er sich Hals über Kopf verliebt. Kein besonders guter Zeitpunkt, denn nur wenig später nach ihrem ersten Zusammentreffen wird Sirsky zu einem grausamen Mordfall gerufen. Eine junge Frau, im ersten Monat schwanger, wurde sadistisch gefoltert und anschließend getötet. Am nächsten Tag werden die Ermittler zu einem ähnlichen Fall gerufen. Erneut wurde eine junge Frau bestialisch niedergemetzelt, doch dieses Mal hat der Mörder es nicht dabei belassen und hat eine Botschaft hinterlassen: In sieben Tagen will er sieben Frauen umbringen.

Für die Kriminalpolizei beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, der für Sirsky bald sehr persönlich wird. Sein eigener Schwager gerät in Verdacht: Die Botschaften, die der Mörder hinterlässt, richten sich direkt an ihn. Obwohl die Polizei in alle Richtungen ermittelt, kommt sie auf keinen grünen Zweig. Der Mörder hinterlässt keine verwertbaren Spuren, begeht keine Fehler, wird immer tollkühner – und der siebte Tag, jener Tag, an dem er eine Person aus Sirskys Umfeld töten möchte, rückt immer näher …

Zugegeben: Der Vergleich mit Fred Vargas und ihrer skurrilen Literatur ist gemein, denn kaum ein anderer beherrscht diesen Stil so gut wie sie. Doch auch in anderer Hinsicht hält Frédérique Molay nicht das, was der Vorname verspricht. Die Handlung des Buchs hat genau ein großes Problem: Die Geschichte des psychopathischen Serienmörders, der aufgrund seiner Kindheitserlebnisse zum Frauenhasser wird, ist nicht gerade neu – und in diesem Fall auch nicht besonders gut umgesetzt. Die Autorin erzählt ohne großes Aufheben und wirkt häufig lieblos. Sie scheint die Geschichte stur nach Schema F abzuwickeln, auch wenn sie immerhin keine unnötigen Längen einbaut. Das hängt allerdings mit der Natur der Handlung zusammen: Wenn Mörder und Ermittler nur sieben Tage Zeit haben, bleibt nicht viel Zeit für Abschweifungen. Aufgrund des flotten Tempos ist das Buch stellenweise sogar spannend – allerdings nicht aufgrund der abwechslungsreichen und überraschenden Ermittlungsarbeit. Diese gestaltet sich ähnlich zäh wie der ganze Krimi. Es fehlt an zündenden Ideen und innovativem Material.

Wie schon erwähnt, ist die Handlung des Krimis an einigen Stellen klischeeverdächtig. Das impliziert, dass es sich mit der Figur des Mörders nicht anders verhält. Ohne viel vorwegnehmen zu wollen, aber der Charakter des unfassbaren Phantoms erinnert an vielen Stellen an ähnlich geartete Täter, ohne dabei etwas Eigenes vorzuweisen. Psychologischer Tiefgang, ausgefeilte Charakterzüge – Fehlanzeige. Etwas besser sieht es für Nico Sirsky aus. Er wirkt zwar ebenfalls blass, zeigt aber Potenzial, das die Autorin allerdings nicht voll ausschöpft. Die Nebenfiguren nehmen leider nur sehr wenig Raum ein und hinterlassen dementsprechend noch weniger Eindruck. Gerade die Mitglieder von Sirskys Team sind kaum voneinander zu unterscheiden.

Der Schreibstil kann ebenfalls kaum punkten, wobei fraglich ist, inwiefern die Kritikpunkte mit der Übersetzung zusammenhängen. Molays Wortschatz und ihre Schreibe sind zwar in Ordnung, können aber keine Akzente setzen. Die Dialoge sind trocken und emotionslos und lockern die Geschichte nicht auf. Obwohl sie sich die Längen ansonsten verkneift, neigt Molay ab und an zu langatmigen Erläuterungen, die teilweise schlecht platziert sind und nur wenig Relevanz für die Geschichte haben.

In der Summe ist „Die siebte Frau“ ein eher durchwachsenes Krimidebüt, dem es an Originalität, häufig aber auch am Handwerklichen mangelt.

|Originaltitel: La 7e Femme
Originalverlag: Fayard
Aus dem Französischen von Brigitte Lindecke
Taschenbuch, 336 Seiten|
http://www.heyne.de

Lexington, Bob / Weber, Raimon / Sassenberg, Volker – Point Whitmark: Die Bucht der 22 Schreie (Folge 01) (Hörspiel)

_Inhalt:_

Die Schüler Jay Lawrence, Tom Cole und Derek Ashby betreiben in ihrer Freizeit einen Radiosender in einem Raum ihrer Highschool. Dabei nehmen sich die drei Jungreporter mit Vorliebe Themen an, die recht brisant sind. So zum Beispiel auch des Untergangs des Frachters Albacore vor über dreißig Jahren. Die Umstände des Unglücks sind bis dato immer noch ungeklärt. Doch bereits zu Beginn ihrer Recherchen stoßen die Jungs auf Widerstand: Der Rektor der Schule fürchtet um die Ruhe von Point Whitmark und droht den Schülern mit Sendeverbot. Außerdem erhalten Jay, Tom und Derek mysteriöse Drohungen. Geistern die Seelen der 22 ertrunkenen Seeleute tatsächlich vor Point Whitmark herum?

_Meine Meinung:_

Drei Jugendliche, die in ihrer Freizeit nichts Besseres zu tun haben, als Verbrecher zu jagen? Das kommt einem bekannt vor und ist seit Jahren das Erfolgsrezept der Hörspielserie |Die Drei Fragezeichen|. Die Jugendhörspielserie |Point Whitmark| von Volker Sassenberg nach den Romanen von Bob Lexington hat eine ähnliche Grundlage und unterscheidet sich zunächst nur im Detail. So betrachten sich Jay, Tom und Derek keineswegs als Detektive, sondern als Reporter und Radiojournalisten. Dass sie dabei immer wieder in Verbrechen verwickelt werden, ist meistens dem Zufall zuzuschreiben und macht die Geschichten daher auch sehr interessant.

Bereits beim Anhören der ersten Folge fällt der hohe Produktionsstandard auf. Neben einer originellen und spannenden Geschichte sind es die erstklassigen Sprecher, die klangvolle Musik sowie die realistischen Effekte, welche |Point Whitmark| so bemerkenswert machen. Hinzu kommt, dass die einzelnen Folgen in sich abgeschlossen sind und man – im Gegensatz zu |Gabriel Burns| – auch ein Hörspiel der höheren Nummern kaufen kann, ohne die ersten Folgen zu kennen. Folge eins startet sofort mit einer gut durchdachten Story und stellt die Charaktere nebenbei während der Handlung vor.

Bereits die Anfangssequenz aus der Vergangenheit, wo der Frachter sinkt, wurde sehr stimmig und mit authentischen Geräuschen unterlegt dargestellt. Das Reporter-Trio wird gesprochen von Sven Plate (Jay), Kim Hasper (Tom) und Gerrit Schmidt-Foß (Derek), die alle eine hervorragende Arbeit leisten und ihre Rollen mit viel Engagement spielen. Sven Plate kennt man unter anderem als deutsche Stimme von Wesley Crusher aus der Fernsehserie |Star Trek: Das nächste Jahrhundert|. Kim Hasper hat unter anderem die Figur des Harry Osborn in den |Spider-Man|-Filmen synchronisiert, während Gerrit Schmidt-Foß zum Beispiel Leonardo DiCaprio seine Stimme leiht. Als Erzähler brilliert der Schauspieler Jürg Löw, der diese Aufgabe exzellent erfüllt. Insgesamt betrachtet gibt es eigentlich keinen Sprecher, der seine Rolle nicht hingebungsvoll und angemessen darzustellen versteht. Alles in allem also ein sehr schönes und grandios produziertes Debüt einer neuen Jugenkrimi-Hörspielserie.

Die neu aufgelegte Serie fällt dem Käufer sofort durch ihr auffälliges Layout ins Auge. Die Illustration ist atmosphärisch und erinnert vom Stil her ebenfalls ein wenig an die |Europa|-Hörspiele. Leider beinhaltet das Booklet lediglich eine Sprecherliste sowie die üblichen Infos zur Produktion. Daten und Fakten zu der literarischen Vorlage und zum Autor Bob Lexington wären wünschenswert gewesen.

_Fazit:_

„Die Bucht der 22 Schreie“ ist ein spannendes Jugendhörspiel für alle Fans der |Drei Fragezeichen| und all jene, die sich gerne ähnliche Storys mit frischen Charakteren zu Gemüte führen möchten. Das Hörspiel weist in allen Sparten (Sprecher, Musik und Effekte) einen sehr hohen Standard auf und unterhält auch erwachsene Hörer auf einem anspruchsvollen Niveau. Ein versteckter Track am Ende der Folge ist ein angenehmer Bonus.

Nach einer Erzählung von Bob Lexington
Idee & Konzeption: Volker Sassenberg
Drehbuch: Raimon Weber & Decision Products
Musik: Volker Sassenberg, Markus Segschneider und Manuel Rösler in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Staatsorchester Weißrussland und Victor Smolski (|Rage|)
Ton & Schnitt: Erik Anker
Tonassistenz: Thorsten Hohagen
Illustration: MD
Regie: Volker Sassenberg
Produktion: Volker Sassenberg
Aufgenommen und gemischt unter Finians Regenbogen

|Sprecher:|

Erzähler: Jürg Löw
Jay Lawrence: Sven Plate
Tom Cole: Kim Hasper
Derek Ashby: Gerrit Schmidt-Foss
Direktor Reno: Jürgen Uter
Matt Stinger: Raimon Weber
Bürgermeister Morris: Henning Schlüter
Stadtrat Riverdale: C.-D. Clausnitzer
Sheriff Baxter: Andreas Becker
Cassandra Harris: Tanja Kuntze
Deputy Nelson: Roger Trash
Mrs. Bushland: Ines Burkhard
Vater Callahan: Heinz Ostermann
Arbeiter: Christian Tasche

|63 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 9783829118934|
http://www.pointwhitmark.de
http://www.karussell.de/0__point__whitmark__22460.jsp

_|Point Whitmark| auf |Buchwurm.info|:_

[„Point Whitmark 22: Die blutenden Schlüssel“ 4793
[„Point Whitmark 23: Der Duft der Finsternis“ 5058

_Florian Hilleberg_

Dixon, Chuck – Simpsons Comics 140

_Inhalt_

|“H – The Last Fat Man“|

Wieder einmal plagt Homer sein enormes Gewicht, weshalb Marge ihm einmal mehr zu einer strengen Diät rät. Tatsächlich verzichtet Homer an seinem ersten Arbeitstag während der Schlankheitskur auf alle sich bietenden Leckereien, verzieht sich dann aber in den Luftschutzbunker des Kraftwerks, um dort genüsslich einen Burger zu vertilgen. Doch seine Nachlässigkeit wird schwer bestraft: Ein nuklearer Zwischenfall überrumpelt die Bürger Springfields und beeinträchtigt ihren Stoffwechsel. Als Homer nach 28 Tagen wieder aus seinem Versteckt hervorkommt, wird er von der Bevölkerung verbissen gejagt. Er ist nämlich der letzte fette Mensch und soll seine Reserven nun spenden …

_Persönlicher Eindruck_

In der Juni-Ausgabe der „Simpson Comics“ zieht Chuck Dixon in erster Linie den Erfolgstitel [„Y – The Last Man“ 4728 seines Kollegen Brian K. Vaughan sowie den Kinoerfolg „28 Days Later“ durch den Kakao, bezieht das Ganze aber auf Simpsons-typische bizarre Weise auf seinen derzeitigen Helden Homer, dessen Übergewicht mal wieder den Aufhänger für eine äußerst witzige, mit zahlreichen neckischen Anspielungen gezeichnete Comic-Story liefert.

Dabei sind die Parallelen zum |Vertigo|-Titel nur oberflächlich und werden alleine durch die Tatsache aufrechterhalten, dass auch Homer für eine kurze Zeit der Letzte seiner Art ist. Allerdings ist die Geschichte inhaltlich mal wieder so weit hergeholt, dass dieser Vergleich schon zu Beginn kräftig entzerrt wird und die Erzählung bisweilen sogar völlig aus dem Ruder läuft, weil die weitläufig verteilten Gags einfach klasse sind und die Handlung als solche schon fast unwichtig erscheint.

Wiggum, den Bürgermeister und den mysteriösen Comicladen-Besitzer zum Beispiel völlig ausgehungert und ausgemergelt zu sehen, ist schon eine Klasse für sich, die rein visuell bereits den Humorfaktor antreibt. Ganz zu schweigen von Dixons in diesem Fall wieder sehr deutlicher ausgereiftem Wortwitz, in dessen Fahrtwasser sich der Autor auch wirklich keinen Seitenhieb verkneift. Schade ist lediglich, dass die Story auf den letzten Seiten ein schnelles Ende findet und man das Chaos nicht noch weiter ausbaut. Angesichts der vielen witzigen Szenen auf den vorherigen Seiten kann man darüber aber locker hinwegsehen und schließlich konstatieren, dass die 140. Ausgabe der „Simpsons Comics“ mit Abstand eine der besten ist! Und diese Aussage sei wohlgemerkt im Zusammenhang damit geäußert, dass der hier persiflierte Titel vom gleichen Rezensenten auf diesen Seiten in höchsten Tönen gelobt wird …

[|Simpsons| bei |Panini|]http://www.paninicomics.de/?s=serie&gs__gruppe=22&t=simpsons-s22.html

Håkan Nesser – Die Frau mit dem Muttermal (Van Veeteren 4)

Van Veeteren muss die Rächerin stoppen

Zwei Männer sind getötet worden. Auf ganz ähnliche Weise erschossen. Doch welche Verbindung besteht zwischen ihnen? Hauptkommissar Van Veeteren von der Kripo in Maardam entdeckt eine heiße Spur, die in die Vergangenheit und zu einer schönen Frau führt. Wird er die nächsten Morde verhindern können?

Der Autor

Håkan Nesser, Jahrgang 1950, ist neben Henning Mankell der wohl wichtigste Kriminalschriftsteller Schwedens. Wo jedoch Mankell den anklagenden Zeigefinger hebt, weiß Nesser die Emotionen anzusprechen und dringt in tiefere Bedeutungsschichten vor. Außerdem verwendet er eine poetischere Sprache als Mankell und gilt als Meister des Stils. Uns in Deutschland ist er bislang durch seine Romane um Kommissar Van Veeteren bekannt, aber auch „Kim Novak badete nie im See von Genezareth“ erregte Aufsehen. Er lebt in London und auf Gotland.

Manche seiner Romane um Kommissar van Veeteren wurden 2005/2006 in einer TV-Serie verfilmt.

Übersetzte Werke

Die Van-Veeteren-Reihe (chronologisch)

1) Das grobmaschige Netz
2) Das vierte Opfer
3) Das falsche Urteil
4) Die Frau mit dem Muttermal
5) Der Kommissar und das Schweigen
6) Münsters Fall
7) Der unglückliche Mörder
8) Die Tote vom Strand
9) Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod
10) Sein letzter Fall

Die Inspektor-Barbarotti-Reihe

1. Mensch ohne Hund, dt. von Christel Hildebrandt; München: btb 2007. ISBN 978-3-442-75148-8
2. Eine ganz andere Geschichte, dt. von Christel Hildebrandt; München: btb 2008. ISBN 978-3-442-75174-7
3. Das zweite Leben des Herrn Roos, dt. von Christel Hildebrandt; München: btb 2009. ISBN 978-3-442-75172-3
4. Die Einsamen, dt. von Christel Hildebrandt; München: btb 2011. ISBN 978-3-442-75313-0
5. Am Abend des Mordes, dt. von Paul Berf; München: btb 2012. ISBN 978-3-442-75317-8

Mehr Infos: https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A5kan_Nesser (Das Werkverzeichnis reicht nur bis 2016.)

Håkan Nesser auf |Buchwurm.info|:

[„Die Schwalbe, die Katze, die Rose und der Tod“ 422 (Hörbuch)
[„Und Piccadilly Circus liegt nicht in Kumla“ 448
[„Sein letzter Fall“ 592
[„Der unglückliche Mörder“ 1182
[„Die Fliege und die Ewigkeit“ 3013 (Hörbuch)

Handlung

Kurz vor ihrem Tod hat ihre Mutter sie aufgefordert, nicht mehr bloß auf das Glück zu warten, sondern zu handeln. Als die Mutter dann ins Grab gesenkt wurde, beschloss sie nach Tagen des Herumsitzens zu handeln. Von ihrer Erbschaft kauft sie sich eine Pistole und legt eine Liste an, dann zieht sie nach Maardam.

In der Nacht vom 18. auf den 19. Januar dringt eine Frau in das Haus von Ryszard Malik ein, einem Kaufmann, und erschießt ihn mit vier Schüssen: zwei in die Brust, dann noch zwei aus nächster Nähe in den Unterleib. Als Mardiks Frau Ilse ihn nach ihrem Theaterbesuch in der Diele findet, bricht sie ohnmächtig zusammen. Im Krankenhaus verdrängt sie die unaussprechliche Wahrheit. Erst nach Tagen erfahren die Kripobeamten, dass es vor dem Mord anonyme Anrufe gegeben habe. Es sei aber immer nur ein altes Popstück zu hören gewesen, mit dem sie, Ilse, nichts anzufangen weiß.

Zwei Wochen vergehen, bis auch Rikard Maasleitner auf ähnliche Weise niedergeschossen wird: zwei Schüsse in die Brust, danach zwei in den Unterleib. Keine Zeugen, keine Spuren, nichts. Die Bekannten sind ratlos und können sich das nicht erklärt. Die Presse hat ihnen nichts von den Schüssen in den Unterleib berichtet, sonst würden sie nun vielleicht in Panik ausbrechen. Kommissar Reinharts Freundin Winnifred Lynch ahnt, dass dies nur eine gekränkte Frau getan haben kann, der Unrecht angetan wurde. Wegen der Schüsse ins Geschlecht.

Heinemann findet die Verbindung: Beide waren 1965 im Abschlussjahrgang der Militärstabsschule Maardam, das heißt sie waren wie 31 andere Männer Stabsunteroffiziere. Hauptkommissar Van Veeteren veranlasst, dass jeder der acht Kripobeamten sich je vier der Teilnehmer an diesem Abschlussjahrgang, die Heinemann auf einem Foto gefunden hat, vornimmt. Die Befragungen sind langwierig, bringen aber wenig.

Deshalb ist es nicht wirkliche eine Überraschung, als Karel Innings in seiner Wohnung erschossen aufgefunden wird. Seltsamerweise am helllichten Tag und von jemandem, den er selbst eingelassen hat. Es stellt sich heraus, dass sich am Freitag zuvor Innings mit einem Mann getroffen hat, der ebenfalls zur Offiziersgruppe gehört. Dieser Mann hat nicht vor, sich als nächster für diese Sache damals hinrichten zu lassen. Vielmehr stellt er der Mörderin eine Falle.

Nur sieben Wochen nach dem Beginn der Hinrichtungen finden sich der vierte Mann und sein Racheengel. Van Veeteren ist mit Reinhart bereits unterwegs, um das Schlimmste zu verhüten.

Mein Eindruck

Ich haben den spannenden, geradlinig erzählten Krimi ruckzuck ausgelesen. Die Schrift ist groß gedruckt, und zwischen den einzelnen Kapiteln gibt es stets leere Seiten. Auch wegen der einfach formulierten, kurzen Sätze kommt man sehr flott voran.

Doch diese Leichtigkeit soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass es um ein brutales Verbrechen geht, dessen Sühne ausgerechnet am Internationalen Frauentag, dem 8. März, vollendet wird. Wie Reinharts Freundin geahnt hat, geht es um eine Vergewaltigung, und dreimal darf man raten, wer aus dieser Zeugung hervorgegangen ist: die Mörderin natürlich. In einem Abschiedsbrief an Van Veeteren legt sie ihre Gründe dar und beschreibt, was ihrem Leben und dem ihrer Mutter 1965 zugefügt wurde. Es ist ein erschütterndes Dokument. Welches Ende die Mörderin nimmt, sei hier nicht verraten.

Van Veeteren hat schon immer einen Hang zur Philosophie, und er fragt sich auch diesmal, ob alles so hat kommen müssen. Ob dieser Rachefeldzug das pure Böse ist oder nur ausgleichende Gerechtigkeit. Kein einziges Mal fragt er nach dem Gewaltmonopol des Staates, demgemäß er jeden verfolgen und bestrafen muss, der derart über andere richtet. Er fragt nach der Existenz des Guten, doch ihm fallen nur irrationale Glaubensgrundsätze aus der Jugend ein – Metaphysik. Genauso gut kann man an die Existenz des Zufalls glauben oder auch nicht.

Er wird vielmehr selbst Opfer sinnloser Gewalt, begangen von betrunkenen Jugendlichen, die ihn treten, als er schon am Boden liegt. Er hat sich natürlich gewehrt, aber sie sind in der Überzahl. Als er einen von ihnen nach seinen Gründen für seine Gewaltanwendung fragt, weiß der es nicht zu sagen. Es ist eine traurige Parallele zur Vergewaltigung, der die Mutter der Mörderin anno 1965 zum Opfer fällt. Aber kann aus Sinnlosigkeit denn Sinn entstehen, fragt sich der Leser. Die Mörderin schreibt in ihrem Brief, dass durch die Rache ihr Leben erstmals einen Sinn bekommen hat. Sie fühlte sie nach dem ersten Mord sofort wunderbar lebendig. Dass sie auch den Sinn ihres Todes selbst bestimmt, ergibt sich daraus.

Lange habe ich mich über das fruchtlose Vorgehen der Kripo gewundert, die einfach nicht nach dem vierten Mann gesucht hat. Auch der dritte Mann, Innings, wurde von ihr nicht überwacht. Die Gründe nennt Van Veeteren selbst: nicht genug Personal für die Überwachung von Nr. 3, und das Einzugsgebiet war zu klein, als dass sie Nr. 4 auf Anhieb hätte finden können. Doch das kann auch ein Trick des Autors sein, der seinen Mann Nr. 4 in einen Showdown gegen die Mörderin schicken will, um auf diese Weise Spannung zu erzeugen. Das gelingt ihm auch vollauf.

Dass Reinhart am Schluss beschließt, mit seiner Freundin ein Kind zu zeugen, sieht zunächst wie ein makaberer Zufall aus – eine zynische Absurdität. Aber das ist es nicht. Vielmehr wird so die Sinnlosigkeit der Existenz des Hurenkindes ausgeglichen, jener Frucht der Vergewaltigung anno 1965. Reinhart will per Kindeszeugung mit voller, guter Absicht wieder Sinn in einer absurd gewordenen Welt stiften. Und das kann nicht schlecht sein. Auch wenn das metaphysisch ist.

Innerhalb der Van-Veeteren-Reihe ist der Roman insofern wichtig, als hier der Hauptkommissar seine spätere Freundin Ulrike Fremdli kennenlernt. Sie ist die „Witwe“ von Opfer Nr. 3.

Unterm Strich

Verglichen mit so komplexen Werken „Sein letzter Fall“ und „Die Katze, die Schwalbe, die Rose und der Tod“ wirkt „Die Frau mit dem Muttermal“ außergewöhnlich geradlinig. Natürlich dreht Nesser den Ausgang des Falls ein wenig auf unerwartete Weise, aber die meiste Zeit ist die Geschichte recht vorhersehbar.

Das macht das Buch aber noch längst nicht zum Wegwerfkrimi. Selbst wenn die Polizeibeamten kaum charakterisiert werden, so entsteht doch ein Mitgefühl mit ihnen auf einer sehr allgemeinen menschlichen Ebene. Dort bewegen sich die Strafverfolger auf der gleichen Ebene wie die Täter und die Opfer. Das lässt die philosophische Verarbeitung und Betrachtung der blutigen Geschehnisse zu.

Eine Zeit lang dachte ich, hier würde das Militär angeklagt, aber so weit traut sich der Autor nicht vor. Es geht um Gewalt gegen Frauen, und eine dieser Frauen schlägt zurück – erbarmungslos und konsequent. Darf sie deswegen triumphieren? Nein, denn auch sie ist todgeweiht. Dennoch: Ohne die Frauenbewegung und die sozialkritischen Krimis der Schweden Sjöwall/Wahlöö in den sechziger Jahren wäre dieser Roman nicht möglich gewesen. Der Plot erinnert auch an Mankells Wallander-Thriller „Die fünfte Frau“.

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Taschenbuch: 288 Seiten
Originaltitel: Kvinna med födelsemärke, 1997
Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt
ISBN-13: 978-3442722802

www.btb-verlag.de

Wood, Brian (Autor) / Burchielli, Riccardo (Zeichner) – DMZ 2: Zwischen den Welten

[„DMZ 1: Abgestürzt“ 4017

_Story_

Matty Roth ist als Journalist in der demilitarisierten Zone mittlerweile fest etabliert, muss sich aber dennoch ständig vor den Geschützen der beiden Kriegsparteien schützen, die weiterhin um ihre Vormachtstellung kämpfen. Aber auch die schlechte Trinkwasserversorgung macht ihm zu schaffen und beschert ihm einen turbulenten Infekt, der seinen Gesundheitszustand rapide schwächt. Noch nicht ganz erholt, wird Roth schließlich von den Freien Staaten entführt und macht eine Entdeckung, die ihn erschaudern lässt: Star-Reporter Ferguson, der längst für tot erklärt wurde, lebt in Gefangenschaft der Freien Staaten und wird nun als Druckmittel verwendet, um einige Forderungen durchzusetzen.

Matty ist nun in der schwierigen Situation, die Botschaften der Partei zu vermitteln und an das restliche Amerika weiterzuleiten, erhält aber jetzt auch die Chance, wieder aus der DMZ zu flüchten. Doch nach den Verhandlungen ist sein Status nicht mehr derselbe; Roth wird zum Spielball der beiden Kontrahenten, entwickelt einen regelrechten Verfolgungswahn und weiß schließlich selber nicht mehr, wem er vertrauen soll und wem besser nicht …

_Persönlicher Eindruck_

Wow! Überwältigend! Innovativ! Und letztendlich unfassbar: Brian Wood hat auch im zweiten Band seiner gewagten „DMZ“-Serie einen echten Klassiker kreiert, der sich inhaltlich mit kaum einer anderen Serie vergleichen lässt, dazu unheimlich realistisch anmutet und gerade wegen der authentischen Darstellung auch so packend und zugleich erschreckend erscheint.

Der Autor knüpft direkt an die Geschehnisse im ersten Sammelband an und erzählt die Geschichte seines außergewöhnlichen Helden und Protagonisten in hohem Tempo weiter. Roth ist inzwischen etabliert, furchtbar abgehärmt und abgehärtet, daher aber auch skrupelloser in seiner Berichterstattung, die ihn zu einer unabhängigen Größe in der demilitarisierten Zone hat werden lassen. Und dennoch ist er im Spiel der Drahtzieher nur eine kleine Nummer, die sich den brisanten Forderungen der Mächtigen chancenlos beugen muss und letztendlich nur zum hilflosen Spielball avanciert. Doch Matty durchschaut das Spielchen, das man mit ihm treibt, lenkt die Geschicke um und bringt sich selber in eine Position, in der er die Ansagen macht, entscheidet, was getan werden muss. Und genau von diesem Zeitpunkt an wird er zum Gejagten aller Fraktionen.

Zweifelsohne integriert Autor Wood auch in „Zwischen den Fronten“ reichlich sozialkritische Inhalte, die in ihrer lebendigen Inszenierung allerdings weder aufgesetzt noch plakativ wirken. Dabei vermittelt er jedoch auch einige klare Statements wider die Dramatik des Krieges, enthüllt dessen wahres Gesicht in einer schonungslosen Darstellung und zeigt nicht zuletzt, dass im manipulativen Spiel der Rädelsführer niemand als der wahre Gewinner hervorgehen kann, selbst dann nicht, wenn er überlebt oder sich sogar im wüsten Treiben als treibende Kraft behauptet hat.

Aber auch hier gilt: Die Message ist eindeutig, wird aber nicht über die Präsentation der eigentlichen Erzählung gestellt, was ihr letztendlich aber noch mehr Ausdruck verleiht. Dezent, vorsichtig, aber in ihrer Gesamtheit klar und unmissverständlich: Wood hat ein brillantes Bild der modernen Kriegsführung und all ihrer Konsequenzen gezeichnet und mitsamt seiner charismatischen Hauptdarsteller für ein in sich geschlossenes, faszinierendes Story-Konstrukt gesorgt. Von menschlichen Emotionen bis hin zum Wahn, von Verrat und Intrigen bis hin zu verzweifelter Liebe und von hasserfüllter Dramatik bis hin zur realitätsnahen Theatralik: Im zweiten Kapitel von „DMZ“ wird auf umfassende Art und Weise Comic-Geschichte geschrieben und dazu noch bewegend präsentiert. Nichts läge daher näher, als auch im Falle von „Zwischen den Welten“ von einem erneuten Meisterwerk zu sprechen.

|128 Seiten, farbig
ISBN-13: 978-3-86607-486-6|
[DMZ bei Panini]http://www.paninicomics.de/?s=serie&gs__gruppe=81&t=dmz-s81.html

Wilson, F. Paul – Handyman Jack – Der letzte Ausweg (Folge 2)

_Taffer Handwerker: Zorro, hilf dir selbst!_

Wenn der Abfluss mal verstopft ist, sollte man Handyman Jack lieber nicht rufen. Jack repariert nämlich andere Sachen: Probleme, mit denen sonst niemand fertig wird. Er kümmert sich für gutes Geld darum, dass Unrecht bestraft wird. Dabei verlässt er sich auf eine Kombination aus Können und Dreistigkeit. Handyman Jack ist ein Held – aber auch ein Rätsel. Er lebt im Untergrund. Niemand kennt seine Identität. Jack verkörpert eine tödliche Mischung aus „Zorro“ und Bruce Willis.

Folgende Geschichten von F. Paul Wilson finden sich auf diesem Thriller-Hörbuch:

1) Der lange Weg nach Haus
2) Der letzte Rakosh
3) In der Mangel

_Der Autor_

F. (Francis) Paul Wilson (geboren 1946) ist ein US-amerikanischer Besteller-Autor von Mystery-, Thriller- und Horror-Romanen. Wilson studierte Medizin am Kirksville College of Osteopathic Medicine und ist heute immer noch praktizierender Arzt. Wilsons bekannteste Romanfigur ist der Anti-Held Handyman-Jack (engl. Repairman-Jack). Neben Mystery-, Science-Fiction- und Horror-Romanen schreibt Wilson auch Medizin-Thriller. Außerdem ist er ein großer Fan von H. P. Lovecrafts Cthulhu-Mythos und hat auch selbst ein paar Storys in Anlehnung an diesen Mythos geschrieben. F. Paul Wilson lebt mit seiner Frau, zwei Töchtern und drei Katzen an der Küste von New Jersey.

Stephen King ist laut Verlag der Präsident des Handyman-Jack-Fanclubs.

F. Paul Wilson auf Buchwurm.info:

[„Das Kastell“ 795
[„Tollwütig“ 2375
[„Die Gruft“ 4563
[„Handyman Jack – Schmutzige Tricks“ (Folge 1) 4939

_Der Sprecher_

Detlef Bierstedt ist Schauspieler und Synchronsprecher. Als deutsche Stimme von George Clooney verleiht er diesem Lässigkeit und Charme. Seit 1984 hat er über 600 Synchron-Rollen gesprochen und war als Schauspieler in der TV-Serie „Tatort“ zu sehen. Als Spezialist für spannende Thriller hat er auch „Diabolus“ von Dan Brown vorgetragen. Nun haucht er Handyman Jack Leben ein. (Verlagsinfo)

_Die Macher_

Für Regie, Produktion & Dramaturgie zeichnet Lars Peter Lueg verantwortlich, für Schnitt, Musik & Tontechnik Andy Matern.

Lars Peter Lueg ist der exzentrische Verlagsleiter von |LPL records|. Der finstere Hörbuchverleger hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das Grauen aus kalten Kellern und feuchten Grüften hinaus in die Welt der Lebenden zu tragen. LPL produziert alle Hörbücher & Hörspiele selbst und führt auch Regie. Er erhielt als Produzent einen Preis für „Das beste Hörbuch/Hörspiel des Jahres 2003“. Eine seiner Regiearbeiten wurde vom renommierten |hörBücher|-Magazin mit dem Prädikat „Grandios“ ausgezeichnet. Außerdem erhielt er beim Hörspielpreis 2007 eine Auszeichnung für die „Beste Serienfolge“. (Verlagsinfo)

Andy Matern ist seit 1996 als freiberuflicher Keyboarder, Producer, Remixer, Songwriter und Arrangeur tätig. Er kann mehr als 150 kommerzielle CD-Veröffentlichungen vorweisen. Darunter finden sich nationale und internationale Chart-Platzierungen mit diversen Gold- und Platin-Auszeichnungen. Andy Matern wurde als „Bester Hörspielmusiker des Jahres 2005“ ausgezeichnet. Sein neuestes Edelmetall wurde ihm für die Musik zu den Dan Brown-Hörbüchern „Illuminati“ (Doppel-Platin) und „Sakrileg“ (Platin) verliehen. (Verlagsinfo)

_Die Erzählungen_

_1) Der lange Weg nach Haus_

Von seiner Lieblingskneipe bei Julios schlendert Jack Richtung Zuhause, als er vor Costins Krämerladen einen Schuss hört. Da steht auch schon ein New Yorker Streifenwagen, allerdings mit nur einem Cop darin. Jack geht sofort in Deckung und stellt sein Sixpack Bier erst einmal beiseite. Der Cop steigt aus, um nachzusehen, was aus seinem Kollegen geworden ist. Da tritt auf einmal aus der Tür zu Costins Laden ein schwarzhäutiger Riese und grinst den Bullen an – mit einer Schrotflinte im Arm. Der Cop versucht ihn aufzuhalten, vergeblich, denn gleich trifft ihn ein Schuss in den Hals, der ihn umhaut.

Jack kapiert sofort, dass hier ein simpler Raubüberfall auf den Laden soeben tödlich eskaliert ist, möglicherweise mit zwei Opfern. Und der zweite Cop droht zu verbluten. Was soll Jack tun? Normalerweise hält er sich verborgen und lässt sich mit Bullen auf keinen Fall ein, doch irgendwie hat sein Körper bereits für ihn entschieden und die kleine 45er aus dem Knöchelhalfter gezogen. Er tritt hinter den schwarzen Riesen, der drauf und dran ist, dem Cop den Gnadenschuss zu verpassen, und befiehlt ihm, die Flinte fallenzulassen.

Doch der lacht bloß darüber, dreht sich um, um zu schießen, da erwischt ihn eine aufgebohrte 45er-Kugel mitten ins Auge. Danach ist von seinem Hirn nicht mehr viel übrig. Der Riese bricht zusammen. Jack kniet sich nieder, um dem Cop die spritzende Halsschlagader zuzudrücken. Schon tauchen weitere Cops auf und befehlen ihm, beide Hände hochzunehmen. Wie kann man bloß so dämlich sein? Er macht den Typen klar, was passiert, wenn er das täte. Endlich kapiert es einer, und dann kommt auch schon die Ambulanz. Jack weist die Sanis ein und will sich verdünnisieren, als man ihm Handschellen anlegt …

Auf der Polizeiwache des 20. Reviers hat der diensthabende Officer Carruthers ein erhebliches Problem mit der Tatsache, dass Jack fünf Ausweise vorlegt, die auf verschiedene Nachnamen lauten. Dreimal darf man raten, wie sein Vorname lautet. Jack weiß, dass er sich auf keinen Fall einbuchten lassen darf. Von ihm existieren weder Fingerabdrücke noch Fotos, und wenn das Finanzamt erstmal spitzkriegt, dass er existiert, aber keine Sozialversicherungsnummer besitzt, kann er sich gleich einsargen lassen – von den Typen, die mit ihm eine Rechnung offen haben, ganz zu schweigen.

Er muss hier unbedingt raus. Und unverhofft wird ihm die Chance geboten, Carruthers zu helfen. Dessen kleiner Bruder wurde nämlich in Costins Laden als Geisel genommen, vom Komplizen des schwarzen Riesen …

|Mein Eindruck|

Diese erste Erzählung stellt uns die Person des Handyman Jack und seine außergewöhnlichen Lebensumstände vor. Er arbeitet im Verborgenen, und nur seine Samariterhandlung bedroht diesen privilegierten Status. Das moralische Urteil fällt zwiespältig aus: Was dem Cop das Leben rettet, bringt Jacks in größte Gefahr. Im Knast werden es ihm die Verbrecher, die er hinter Gitter gebracht hat, schon heimzahlen. Deshalb ist die Freilassung das größte Geschenk überhaupt – eine reichlich unwahrscheinliche Verhaltensweise von Carruthers. Aber eine mit lohnenden Folgen: Jack kümmert sich um Leute, denen er noch einen Gefallen schuldet.

Der Showdown mit dem Komplizen des Riesen ist ebenfalls ein Schmankerl. Der Fettsack, der noch keinen erschossen hat, braucht eine Weile, bis er kapiert, dass a) Jack kein Bulle ist und b) er, Fettsack, frei wählen darf, welches sein Schicksal sein wird. Jack hofft natürlich, dass er sich ergibt, aber so viel Hirn oder Mut bringt Fettsack leider nicht auf …

_2) Der letzte Rakosh_

Jack schaut sich am Sonntag mit seiner Freundin Gia und deren achtjähriger Tochter Vicky den Jahrmarkt auf Long Island an. Dort ist ein merkwürdiger Stand aufgebaut: „Ozymandia Praters Kuriositäten-Kabinett“. Kaum werden zweifel laut, ob dies wohl das Richtige für Klein-Vicky sei, begehrt das Mädchen auf. Sie zahlen und treten in das Zelt. Da sind die üblichen Monstrositäten ausgestellt: Zwillinge, ein Fettsack, ein Riese, aber auch ein Vogelmensch, ein Schlangenmann und der Krokodiljunge – hm, ungewöhnlich. Bestimmt bloß Fälschungen und Tricks. Ein Junge, mit dem Vicky und Jack sprechen, verhält sich wie ein Echo und macht ihre Stimmen täuschend echt nach, sogar Jacks Imitation von W. C. Fields – unheimlich. Schnell weiter, meint Gia.

Vicky eilt voraus, läuft aber nach einem Aufschrei gleich wieder angstvoll zurück. Sie hat das Monster gesehen, das sie einst auf ein Boot verschleppt hatte. Jack durchläuft es eiskalt. Vicky hat einen Rakosh gesehen! Nachdem Gia mit Vicky nach draußen gegangen ist, schaut sich Jack die Sache genauer an.

Tatsächlich: Hinter einem Absperrseil steht ein stabiler großer Käfig, in dem ein Rakosh liegt. Sein löwenartiger Körper endet in einem gorillaähnlichen Kopf und stahlharten, langen Klauen. Jack dachte, er hätte letztes Jahr alle Rakoshi, die Mr. Qusum gezüchtet und für Verbrechen eingesetzt hatte, vernichtet, doch dieser hier, Narbenlippe, hat offenbar einen Sturz ins Wasser überlebt. Nun wird er als „Haimensch“ angepriesen. Jack sieht, wie Narbenlippe ihn wiedererkennt und die Klauen ausfährt …

|Mein Eindruck|

Die Story an sich ist unvollständig, denn die Rückverweise und ein uneingelöster Vorausverweis machen klar, dass es sich hier um den Auszug aus einer längeren Geschichte, möglicherweise eines Romans handelt. („Auszug“ steht auch auf der CD-Box-Rückseite.) Dennoch kann man die Erzählung würdigen. Sie schildert die Begegnung mit einem Fremdwesen, das phantastisch anmutet, aber nur eine Verkörperung von Jacks schlimmsten Feinden darstellt: ein fleischgewordener Albtraum. Die Schilderung ist anschaulich, lebendig, voller Emotionen und Erinnerungen, so dass man sich die Szene gut vorstellen kann. Offenbar soll dieser Text als Beispiel für Wilsons Erzählkunst dienen.

_3) In der Mangel_

Mounir Habib, ein Araber mit amerikanischer Staatsbürgerschaft, wendet sich nach einem Tipp verzweifelt an Jack. Ein Psychopath habe seine Frau Barbara und seinen Sohn Robby entführt und verlange nun statt Geld, dass Mounir abstoßende Handlungen ausführt, die seinen muslimischen Glauben beleidigen. So musste Mounir etwa Schweinefleisch essen und dazu alkoholisches Bier trinken – auf der Straße. Und er musste in aller Öffentlichkeit auf die Straße urinieren usw.

Mounir ist nicht gerade der mutigste und wehrhafteste Zeitgenosse. Der Abteilungsleiter einer saudi-arabischen Ölgesellschaft hat jede Anweisung des sadistischen Entführers ausgeführt, in der Hoffnung, ihn zufriedenzustellen. Polaroidfotos sollen überzeugen, dass der Kidnapper nicht lügt, aber als er dies doch einmal unterstellt, schickt ihm der Typ Robbys kleinen Finger. Mounir, schon schwer erschüttert, bricht glatt zusammen.

Jack hat Prinzipien, und eines davon lautet, dass er sich nie mit Entführern und Psychopathen einlässt. Doch Mounir will nicht zur Polizei gehen, der Entführer hat das untersagt. Doch als seine Fragen ergeben, dass ein früherer Mitarbeiter Mounirs, den er entließ, dahinterstecken könnte, ahnt er, dass er nicht mehr nach den Spielregeln des Mannes spielen darf, sondern eigene aufstellen muss. Der Kidnapper verlangt als nächstes, dass sich Mounir einen Finger abhackt und diesen an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit übergibt. Jetzt sieht Jack seine Chance gekommen.

Doch leider macht ihm ausgerechnet Mounir einen dicken Strich durch die Rechnung …

|Mein Eindruck|

Die Story folgt den gleichen Vorgaben wie „Familiennotdienst “ aus dem ersten Auswahl-Hörbuch „Schmutzige Tricks“: Armer Kerl wendet sich an Jack als letzten Ausweg, um seine Schwester bzw. seine Familie vor dem Aus zu retten. Jack hat erst Vorbehalte, muss sich aber dann voll reinhängen. Ende gut, alles (nicht so) gut.

Die schlechteste Figur in diesem Aufguss ist die des Richard Hollander, des Kidnappers. Nicht nur ist es unglaubwürdig, dass von ihm kein Foto in der Personalakte sein soll, die Mounir Habib bearbeitet hat, sondern wir bekommen auch nur ein verzerrtes Bild von Hollander präsentiert: ein kleiner Wichtigtuer, der sich als Psychopath versucht und dabei einige unappetitliche Grenzen überschreitet.

Klar, dass Jack kurzen Prozess mit dem kleinen Wichser macht. Die Pointe ist jedoch die, dass Habibs Ehe erst dann gerettet ist, wenn Habib und seine Frau sich selbst um die Gerechtigkeit kümmern, die Hollander widerfahren soll. Jack macht aus ihnen Klone seines Vigilantentums, nach dem Motto: Überlasse nicht den Bullen, was du selbst kannst besorgen. Ob das wirklich eine Ehe kittet, an der Schuldgefühle nagen (Hat Habib |wirklich alles| getan, um Frau und Sohn zu retten?), wage ich zu bezweifeln.

_Der Sprecher_

Das Hörbuch wird von Detlef Bierstedt kompetent und deutlich artikuliert vorgetragen, so dass man dem Text mühelos folgen kann. Er muss sich nicht besonders anstrengen, denn die amerikanischen und italienischen Namen auszusprechen, ist eigentlich kein großes Kunststück für einen Mann mit Allgemeinbildung. Mehrmals war ich dennoch von seiner Kenntnis der Aussprache bestimmter Begriffe und Namen beeindruckt.

Da sich die Anzahl der Figuren sich in Grenzen hält, gerät man nie in Gefahr, die Übersicht zu verlieren. Bierstedt versucht sein Möglichstes, die Figuren zu charakterisieren. Die wichtigste Figur ist natürlich Handyman Jack selbst, der Ich-Erzähler. Er klingt zwar nicht wie Bierstedts Synchronfigur George Clooney, aber doch einigermaßen cool und abgebrüht, wie ein Nachfahre von Philip Marlowe. Bemerkenswert ist auch die Redeweise des Kidnappers in „In der Mangel“: Dieses langgezogene „Mouuuuunir“ wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.

Bei so wenig Abwechslung in den Stimmlagen kommt es darauf an, die stimmliche Expressivität der jeweiligen Szene anzupassen und so den Ausdruck emotionaler und abwechslungsreicher zu gestalten. Dies gelingt dem Sprecher wesentlicher erfolgreicher, und so kann sich der Hörer über Jammern, Verzweiflung, Hysterie, Schniefen, Stammeln, Verlegenheit, Angst, Spott, Arroganz, Sarkasmus, Nervosität, Erleichterung, Erschütterung, Aufregung, Besorgnis, Freude und viele andere Gefühlsausdrücke freuen. Ganz eindeutig ist dies Bierstedts eigentliche Stärke. Hörbar macht ihm dieser Aspekt seiner Arbeit am meisten Spaß.

|Musik|

Das Intro stimmt den Hörer bereits auf eine spannende, dynamische Handlung ein und erinnert von fern an Film-noir-Musiken. Das Outro entspricht dem Intro. Dazwischen hören wir immer wieder Musik, um die Pausen zu füllen, beispielsweise um einen Szenenwechsel anzudeuten. Die Musik Andy Materns kann eine dynamische, eine angespannte oder auch eine relaxte Stimmung erzeugen, ganz nach Bedarf.

So etwas wie Hintergrundmusik ist nur in inszenierten Lesungen und Hörspielen üblich, wird daher auch hier nicht praktiziert – oder nur dergestalt, dass die Hintergrund- zur Vordergrundmusik wird, während der Vortrag endet.

_Unterm Strich_

Die erste Story ist eigentlich die gelungenste, denn sie zeigt uns die Fähigkeiten Jacks ebenso wie seine Verwundbarkeiten. Heikel ist lediglich die unwahrscheinlich glückliche Wendung auf dem Polizeirevier, als sie ihn laufen lassen. Die zweite Story ist eine Art „Showpiece“, anhand dessen die Erzählkunst des Autors demonstriert wird. Mit Jacks Fähigkeiten hat das wenig zu tun.

Mit einer Länge von eineinhalb CDs, also mindestens hundertzehn Minuten, bestreitet „In der Mangel“ den Löwenanteil dieser Produktion. Die Handlung führt zu einem actionreichen Showdown, doch bis es dahin kommt, muss der Hörer einen langen Anlauf ertragen – und nicht nur das, sondern auch das ständige Jammern, Klagen und Flennen von Mounir Habib. An Jacks Stelle würde ich diesen Nervtöter und Waschlappen auch am liebsten loswerden.

In der ersten Auswahl [„Schmutzige Tricks“ 4939 hatte Handyman Jack durchaus das Zeug, Freunde hartgesottener Geschichten zu erfreuen. Aber jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher. Jacks Moral lässt ihn immer wieder auf der Seite der Opfer stehen. Und sein Humor ist nicht durchgehend schwarz, sondern auch ein wenig schräg, so etwa wenn Jack seinem Freund Julio nachfühlen kann, dass die Yuppies in der Gegend überhand nehmen und Gegenmaßnahmen zu ergreifen sind. Insgesamt ist er also ein Bursche, dessen Aktionen zwar an Superhelden wie Spider-Man erinnern, der aber im Gegensatz dazu immer schön auf dem Teppich bleibt. Das fand ich relativ sympathisch. In „Der letzte Ausweg“ erscheint er mehr als Egoist denn als Altruist, und so verliert er einige Sympathiepunkte.

|Das Hörbuch|

Das Hörbuch wird von Detlef Bierstedt in gewohnter Weise kompetent gestaltet, bietet aber ansonsten keine Zutaten wie etwa Musikuntermalung oder gar eine Geräuschkulisse. Musik füllt lediglich die Pausen für die Szenenwechsel, ist aber passend und im In- und Outro auch unterhaltsam.

|3 Stunden und 34 Minuten auf 3 CDs
Aus dem US-Englischen übersetzt von Michael Plogmann|
ISBN-13: 978-3-7857-3580-0|
http://www.lpl.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.festa-verlag.de

Téhy / Vax / Vee – Yiu 4 – Der Schwur der Söhne

Band 1: [„Die Armee des Neo-Mülls“ 4289
Band 2: [„Die Auferstehung des Unreinen“ 4290
Band 3: [„Die Kaiserin der Tränen“ 4920

_Story_

In die Enge getrieben, sitzt Yiu mit ihrem Bruder Ji-A in einem Krankenhaus in Jerusalem fest. Die Waffen sind auf sie gerichtet, ihr Leben scheint ausgelöscht und die Zukunft ihrer Familie zerstört, als sie in einem Verzweiflungsakt den Kommandanten der gegnerischen Einheiten überwältigt und ihn davon überzeugt, dass sie nicht die wahre Bedrohung in diesem Hospital ist und er von nun an ihren Bruder zu beschützen hat. Andernfalls droht ihm der sofortige Tod durch eine virenverseuchte Infektion.

Doch auf der Suche nach der vermeintlichen Gefahrenquelle trifft Yiu auf neue Shoot-to-Kill-Söldner, die sich mit äußerster Kompromisslosigkeit durch die leergeräumten Schächte des Krankenhauses auf sie zu bewegen. Und während im Hintergrund ein teuflischer Plan von noch ungeahntem Ausmaß ausgebrütet wird, muss Yiu erneut um das Leben ihres Bruders fürchten.

_Persönlicher Eindruck_

„Yiu“ ist und bleibt eine zwiespältig zu betrachtende Serie, die sich zwar von Episode zu Episode hat steigern können, nach wie vor aber von einem außerordentlich hohen Maß an Gewalt gezeichnet ist und sich auch im vierten Band „Der Schwur der Söhne“ durch diese Brutalität definiert. Erneut ist die Szenerie von unzähligen Schusswechseln und wüsten Kampfansagen geprägt, und nicht selten ergibt sich infolge dessen ein Wechselspiel aus fließendem Blut und umherfliegenden Innereien, welches dieses Mal leider auch wieder die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet.

Dabei ist der Plot als Fortsetzung zu „Die Kaiserin der Tränen“ dieses Mal wirklich tiefgründiger und von einer angenehmen Komplexität durchsetzt, die gerade im Vergleich zum plumpen Gemetzel des Auftaktbandes in einem starken Kontrast steht. Allerdings wird die Essenz der Handlung auch erst viel zu spät der Leserschaft offenbart, die sich vorerst mal wieder mit der äußerst breit angelegten Action befassen muss. Yiu kämpft hier, begutachtet dort Verletzungen und sieht anderswo wieder dabei zu, wie ihre Gegner das Zeitliche segnen. Zwischendurch gibt es einzelne Sequenzen eines verstörten Drillings, der seit nunmehr dreißig Jahren in der psychiatrischen Abteilung des Hospitals gefangen ist, momentan aber mit großen Visionen in die Zukunft blickt. Er ist es schließlich auch, den die Titelheldin aufspüren und eliminieren muss, wobei dieser Aspekt erst relativ spät offenbart wird und die Story bzw. deren Prioritäten erneut ein Stück weit verzerrt. Dies soll aber abgesehen von der teils übertrieben kompromisslosen Action-Darstellungen der einzige wirklich nennenswerte Kritikpunkt zur vierten „Yiu“-Ausgabe sein.

Auf der Haben-Seite kann das Autoren-Dreigestirn auf jeden Fall die tolle Atmosphäre und die stetig vorherrschende Endzeitstimmung verbuchen. Téhy und seine beiden Kollegen haben ein durch und durch apokalyptisches Szenario geschaffen, das die Entfaltungsspielräume einer Doppelausgabe zu seinen Gunsten nutzt und den One-Shots aus der Vergangenheit daher auch deutlich überlegen ist. Für Feinschmecker wird „Der Schwur der Söhne“ zwar weiterhin zu viel Gewalt enthalten, doch vergegenwärtigt man sich die deutlichen inhaltlichen Fortschritte, darf als Resümee an dieser Stelle sogar erstmals eine leichte Empfehlung für diesen Doppelband stehen. Und das ist im Hinblick auf den einleitenden Ausfall namens „Die Armee des Neo-Mülls“ mehr als beachtlich!

|Originaltitel: Yiu, permier missions – Et le serment des fils
47 Seiten, farbig
ISBN-13: 978-3-939823-68-1|
http://www.splitter-verlag.de

Arentzen, Gunter – Türen der Unterwelt, Die

_Inhalt:_

Jaqueline Berger hat sich von der Schatzjägerei zurückgezogen und führt das Leben einer erfolgreichen Geschäftsfrau in New York City. Sie lernt eine Studentin kennen und verliebt sich in sie, ihr Unternehmen floriert und alles könnte wunderbar sein.

Aber … Unerwartet erhält sie eine Botschaft, laut der die Türen der Unterwelt geöffnet würden. Und sie sei die Person, die sie wieder zu schließen habe. Weder weiß sie, wer wo oder warum die Türen öffnet, noch wie man sie wieder schließt. Aber all das spielt für jenen, der ihr die Botschaft übermittelt, keine Rolle.

Denn er ist immerhin ein Gott, und dem widerspricht man nicht …

_Meinung: _

Und wieder fabuliert er – Gunter Arentzen, der sich durch seine Serien „Die Schatzjägerin“ und „Christoph Schwarz“ seine Leserschaft schuf. Nun legt er beim |vph|, der seit kurzem neben E-books auch Prints anbietet, mit „Die Türen der Unterwelt“ einen komplexen Jaqueline-Berger-Roman vor. Und der hat es in sich!

Wer den Stil des Autors kennt, weiß, dass ihn eine flott erzählte actionreiche Handlung erwartet. So auch in diesem Band, der keinerlei Längen aufweist und auf spannende Weise mehrere Handlungsstränge aufbaut und mit der ägyptischen Mythologie verknüpft. Und das von der ersten bis letzten Seite.

|Zeit für einen guten Fick.| So beginnt der Roman – damit ist garantiert jedes Leserinteresse geweckt – da soll keiner heucheln. Gunter Arentzens Opener ist in einer psychatrischen Klinik in Maine angesiedelt, und beginnt damit, dass der zwielichtige Pfleger Simon Wolf an der jungen Patientin Nina Decker seinen sexuellen Sadismus auslebt. Die Archäologin wird von Ängsten gepeinigt, die sie mittels Medikamenten, die ihr Wolf gegen spezielle „Gegenleistungen“ verschafft, zu bannen versucht. Doch schon bald soll sich herausstellen, dass Nina Decker, ihres Zeichens Archäologin, keineswegs wahnsinnig ist, wenn sie von den Toten spricht, |die kommen und die Lebenden fressen werden|.

Derweil erlebt der Leser Jaqueline Berger (JB) in New York, in der ihr eher verhassten Vorweihnachtszeit – und erfährt einige Rückblicke auf ihr Leben. In einem Ego-Shooter begegnet ihr die Studentin Erin Summer und die beiden Frauen verlieben sich ineinander – womit auch die unvermeidliche Liebesgeschichte Einzug hält.

Geschickt verknüpft Gunter Arentzen schon bald seine Charakteren an zwei Punkten: Da ist zum einen das mysteriöse Parker-Anwesen, das leersteht und eine blutige Geschichte vorweisen kann: Sein Erbauer hat seine gesamte Familie niedergemeuchelt. Dan Craft, der derzeitige Besitzer des Anwesens, schuldet JB Geld und bietet ihr stattdessen das Haus an. JB schlägt in den Handel ein.

Als sie mit Erin das Anwesen zum ersten Mal besuchen und in Augenschein nehmen will, trifft sie dort auf ein Team des Kabelsenders „Premium-Cable TV NYC“, das eine Livsendung über das Parker-Haus drehen will, in dem es angeblich spuken soll. Die drei stehen in Konkurrenz zueinander, was sich deutlich an ihrer Stimmung und ihrem Umgangston bemerkbar macht: Da ist Gina Simmon, die Moderatorin, die sich „hochgeschlafen“ hat und mit Argusaugen ihre neue Assistentin Renana Schwarz betrachtet, die sie als bedrohliche Konkurrentin empfindet. Dazwischen steht Leo Washington, der Kameramann, der es sich mit keiner der beiden Damen verscherzen will.

Ein weiterer wichtiger Knotenpunkt der Handlung ist das „Institute for Historical Research“ in Wilbanks. Dort arbeitet Prof. Phil Danatu, Archäologe, der sich später auf Religionswissenschaft spezialisiert hat, an einem sehr „speziellen“ Projekt: Er will mit seinen Kollegen die Türen der Unterwelt aufstoßen (anhand eines Schlusssteines). An seiner Seite ist Danielle Lacomte, seine Assistentin und Nachfolgerin in spe. Dem Team gelingt es tatsächlich, die Türen der Unterwelt zu öffnen – und schon nimmt das Unheil seinen Lauf.

Fortan haben die Cops von Wilbanks alle Hände voll zu tun, wieder Herr des Chaos zu werden, das um sie herum ausbricht. Eine stetig wachsende Armee von Untoten ist auf dem Weg – mit einem schier unersättlichen Hunger auf Fleisch. Sie sind gekommen, um die Lebenden zu fressen und zu ihresgleichen zu machen.

Auch JB wird von Beginn an damit konfrontiert, als auf dem Seziertisch eines Pathologen die Leiche der bestialisch ermordeten Imara Halil wieder ins „Leben“ tritt. Dr. Lindstroem sieht sich einer „Toten“ gegenüber, deren Augen sich plötzlich öffnen und golden leuchten und die mit der Stimme eines Mannes – der, wie sich später herausstellt, Osiris ist – nur einen Namen nennt: Jaqueline Berger! Diese wird rasch herbeigerufen und erfährt von Osiris aus dem Mund der „Toten“, dass die Türen der Unterwelt geöffnet werden und das Unheil über die Menschen komme. JB solle eben jene Türen wieder verschließen und das Übel abwenden. Natürlich stellt sie sich dieser Aufgabe.

Gunter Arentzens Texte leben durch ihre „Beweglichkeit“ und die gelungene Mischung aus Mystery-Action mit der Prise Erotik, wie sie zum vergnüglichen Lesen dazugehört. „Die Türen der Unterwelt“ ist ein rasantes mystisches Action-Spektakel mit eingestreuten Horrorelementen.

Der Autor scheint eine besondere Verbindung zu vorantiken Mythen zu haben, betrachtet man eine Texte. Und so fließt auch in diese Handlung ein Nebenstrang ein, der ins Alte Ägypten führt. In Teil III geht es um Akasha, einer Kriegerin des Pharao Snofru, die in Akkara lebt und von Osiris in sein Totenreich geholt wird. Dort trifft sie auf JB, die auf ihrer Mission ebenfalls dort gelandet ist und sich einer schweren Entscheidung gegenübersieht.

Mehr sei über den Inhalt nicht verraten – außer, dass das Buch auf gleichbleibend flottem Level unterhält und somit vergnügliche Lesestunden beschert.

Die Aufmachung des Titels ist dankenswert professionell und erstklassig. Vor allem wenn man bedenkt, dass dies erst der dritte Printtitel des |vph| ist. Aber da stimmt alles, angefangen bei dem handlichen Taschenbuchformat über das stimmungsvolle weinrote Cover bis zur Papierqualität und den Satz, der bis auf ein oder zwei kleine Patzer auch korrekt ist, und auch das Lektorat ist (auch gemessen an den anderen Titeln des Autors) sehr gut! Der Klappentext ist im vernünftigen Blocksatz – einziges Manko: Er ist in einem zu kleinen Schrifttyp verfasst und kaum zu lesen.

Besser geht es also bis auf Winzigkeiten nicht und man kann dem |vph| nur wünschen, dass er auf diesem Niveau weitermacht und sich eine illustre Autorenriege dort eine Verlagsheimat verschafft.

_Fazit:_

„Die Türen der Unterwelt“ ist ein spannender, flüssig zu lesender, mystischer Thriller mit einer exzellenten Aufmachung. Absolut empfehlenswert! Da stimmt das Preis-Leistungsverhältnis.

http://www.vph-ebooks.de

Safier, David / Hoffmann, Susanne / Ackers, Beatrix – Mieses Karma. Das Hörspiel

_Nirvana-Rap und Wiedergeburts-Comedy_

Gerade als die Fernsehmoderatorin Kim Lange beruflich auf dem Gipfel anlangt, wird sie von einem Bruchstück einer herabstürzenden russischen Raumstation erschlagen. Im Jenseits erfährt sie, dass sie im Leben viel mieses Karma gesammelt hat: Sie habe ihr kleine Tochter vernachlässigt und ihren Mann betrogen. Zur Strafe wird sie jetzt als Ameise wiedergeboren.

Das Leben als Ameise ist ein hartes Los. Damit es auf der Reinkarnationsleiter wieder aufwärts geht, muss schnellstens gutes Karma her. Doch der Weg vom Insekt zurück zum Zweibeiner ist hart und voller Rückschläge. Schließlich schafft es Kim, als fettleibige Frittenverkäuferin wiedergeboren zu werden. Gerade noch rechtzeitig, um ihre Tochter Lilly zu retten und die Eheschließung ihres früheren Mannes mit ihrer intriganten besten Freundin zu sabotieren.

_Der Autor_

David Safier, 1966 geboren, wurde bekannt durch die Drehbücher zu den Erfolgs-Fernsehserien „Nikola“, „Mein Leben und Ich“, „Zwei Engel und Amor“ sowie „Berlin, Berlin“. Ausgezeichnet wurde seine Arbeit bereits mit dem Grimme-Preis, dem Deutschen Fernsehpreis und dem Emmy, dem amerikanischen Fernseh-Oscar. Safier lebt und arbeitet in Bremen. [„Mieses Karma“ 3575 ist sein erster Roman.

_Die Inszenierung_

Die Hörspielbearbeitung erfolgte durch Susanne Hoffmann und Beatrix Ackers inszenierte das prachtvolle Comedy-Stück 2008 für den Norddeutschen Rundfunk. Die flotte, mal jazzige und mal romantische Musik trug Andreas Bick bei.

|Die Sprecher und ihre Rollen:|

Cathlen Gawlich: Kim Lange
Kathrin Angerer: Nina Karge
Andreas Pietschmann: Alex Weingart
Lina Böckel: Lilly
Ingeborg Westphal: Martha, Kims Mutter
Ulrich Wickert: Ulrich Wickert
Christoph Bantzer: Casanova
Stephan Schad: Daniel Kohn
Dieter Pfaff: Buddha

In weiteren Rollen: Jens Wawrczeck, Brigitte Janner, Samuel Weiss und viele andere.

|Kurzbiographien|

Stephan Schad, Jahrgang 1964, ist Absolvent der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Er war in diversen Fernsehrollen zu sehen, z. B. „Girl Friends“, „Wolffs Revier“, „Der Dicke“,“Jules Freundin“ und „Tatort“, und ist als Sprecher für Hörbücher und Radiofeatures tätig. Derzeit ist Stephan Schad festes Ensemblemitglied am Thalia-Theater Hamburg.

Jens Wawrczeck, geboren 1963, wurde zusammen mit Andreas Fröhlich und Oliver Rohrbeck als Stammsprecher der Hörspiel-Serie Die drei ??? berühmt. Neben seiner Sprechertätigkeit für Synchronisationen und Hörproduktionen arbeitet er als Bühnenschauspieler und Regisseur.

Ulrich Wickert, 1942 in Japan geboren, ist in Heidelberg und Paris zur Schule gegangen. Er hat Politische Wissenschaften und Jura studiert, war Korrespondent und Studioleiter der ARD in Paris, Washington und New York. Seit 1991 ist er Erster Moderator bei den „Tagesthemen“. Ulrich Wickert hat zahlreiche Bücher geschrieben, von denen viele Bestseller geworden sind. Im Oktober 2000 erhielt er den Adenauer-de-Gaulle-Preis.

Andreas Pietschmann hatte Engagements am Schauspielhaus Bochum und am Schauspiel Zürich. Seit 2000 steht er auf der Bühne des Hamburger Thalia-Theaters. Im Kino machte er sich durch Filmrollen wie in „FC Venus“, „Sonnenallee“ und „Echte Kerle“ einen Namen.

_Handlung_

Es soll eigentlich der größte Tag im Leben Kim Langes werden, der bekannten und beliebten Polit-Talkmasterin. Heute ist nicht nur der fünfte Geburtstag ihrer Tochter Lilli, sondern auch der Tag, an dem ihr möglicherweise der Deutsche Fernsehpreis verliehen wird. Doch das Schicksal hat etwas ganz anderes mit ihr vor. Es wird ein Tag der Katastrophen.

Weil es in ihrer Ehe mit Alex, 33, kriselt, träumt Kim bereits im Taxi zum Flughafen von Daniel Kohn, dem charmanten Fernsehmoderator, der möglicherweise ebenfalls den Deutschen Fernsehpreis erhält. Am Flugsteig nimmt Kims Chef Benjamin Carstens sie in Empfang. Im Berliner Hotel sieht Kim dann tatsächlich Daniel, und – o Wonne! – er setzt sich tatsächlich zu ihr. Die Verabredung für einen kleinen Seitensprung versetzt sie auf Wolke sieben.

Von der sie heftig abstürzt, als sich das Versace-Kleid, das sie bestellt hat, als das falsche herausstellt. Sie kann es trotzdem anziehen, obwohl die Nähte knirschen. Und spätestens als Kim Lange als Preisträgerin der Deutschen Fernsehpreis von Ulrich Wickert aufs Podium gerufen wird, geben die Nähte der Überbeanspruchung nach. Sie merkt ein paar Sekunden zu spät, dass es sich hintenrum ein wenig luftig anfühlt, aber da ist das Bild ihres entblößten Hinterns bereits über sechs Millionen Fernsehschirme geflimmert, um die Fernsehnation in Ekstase zu versetzen. Kim, das ist nun endgültig klar, trägt drunter kein Höschen …

Der Abgrund dieser peinlichen Schmach ist zu tief, um ausgehalten zu werden. Heulend auf ihrem Zimmer gelandet, wird sie erst wieder der Außenwelt bewusst, als Daniel Kohn mit einem Friedens- und Versöhnungsangebot bei ihr anklopft. Aus dem Glas Schampus wird ein zweites, und sie landen in der Kiste. Der Seitensprung wenigstens glückt Kim einwandfrei. Doch die Strafe des Schicksals lässt nicht lange auf sich warten. Als sie auf dem Hoteldach allein ein wenig frische Luft schnappt, stürzt das Waschbecken einer zur Erde zurückgeholten russischen Weltraumstation direkt auf ihr seliges Haupt.

|Instant Karma|

Nachdem das Leben an ihrem geistigen Auge vorbeigezogen ist, sieht Kim das Licht. Das Licht des Nirvana. Aber sie wird abgestoßen und als Ameise wiedergeboren. Allerdings liegt sie keineswegs im Koma, wie ihr eine ungemein gütige Stimme versichert. Sie dreht sich um und erblickt eine wirklich dicke Ameise. Diese stellt sich als Siddharta Gautama vor. Hä? Buddha dürfte wohl eine bekanntere Bezeichnung sein, genauer gesagt: ein Ehrentitel. Buddha erklärt, wie die Sache von nun an für Kim läuft. Sie habe sich diese Wiedergeburt wegen ihrer Fehler selbst verdient und solle nun das Beste daraus machen. Er löst sich in Luft auf.

Das folgende, pardon, DIE folgenden Leben sind für Kim ein einziger Lernprozess mit allen Ups und Downs. Sie lernt eine männliche Ameise kennen, die sich als Giacomo Girolamo Casanova vorstellt, seines Zeichens Liebhaber der Königin des Ameisenbaus. Allerdings unternimmt er immer wieder Fluchtversuche, die leider kläglich scheitern. Erst zusammen mit Kims Einfallsreichtum gelingt ihm endgültig die Flucht. Er erläutert ihr, was Buddha gesagt hat. Je mehr gute Taten sie vollbringe, desto günstiger werde ihr Karma und desto höherwertig seien die Tiere, als die sie, Kim, wiedergeboren werde. Aber aufgepasst: Selbst mit guten Absichten kann man Schlechtes bewirken.

Das muss auch Kim erfahren. Als sie den Bau vor einer Flutkatastrophe warnt, erntet sie zwar karmische Bonuspunkte, doch als sie als Kalb eine Rebellion gegen einen Cowboy anführt, der die Kälber brandmarken will, führt ihre Intervention nur dazu, dass alle Kälber inklusive ihrer Wenigkeit eingeschläfert werden. Ganz schlechtes Karma. Erst die Stationen Regenwurm, Kartoffelkäfer, Eichhörnchen und Meerschweinchen bringen ihr wieder Demut und Selbstlosigkeit bei. Ja, sie darf sogar erleben, wie sie als Meerschweinchen ihrer eigenen Tochter Lilli zum Geschenk gemacht wird.

|O Hölle!|

Doch daheim stehen nach zwei Jahren der Abwesenheit die Dinge nicht zum Besten. Ihre einstmals beste Freundin, Nina aus Hamburg, hat sich an Alex rangeschmissen und spielt Ersatzmutter. Eifersüchtig und neidisch muss Kim zugeben, dass es Nina sogar gelungen ist, Kims Mutter vom Alkohol abzubringen. Doch Nina scheint etwas gegen Meerschweinchen zu haben. Sie lässt Alex Kim und ihre drei Geschwister sowie den unverwüstlichen Casanova mit zu seiner neuen Arbeitsstelle bringen: in die Tierversuchsanstalt. Kim ahnt das Schlimmste, doch auf das, was nun folgt, ist auch sie nicht vorbereitet …

_Mein Eindruck_

Wer auf seichte humorvolle Unterhaltung mit romantischem Touch steht, kommt bei „Mieses Karma“ voll auf seine Kosten. Man kann aber auch Kitsch dazu sagen. Kitsch lebt von Klischees, und Klischees werden hier jede Menge verbraten. Dass sich die egoistische Zicke in ein liebendes Muttchen wie Saulus zu Paulus wandelt, gehört in jede moralische Gardinenpredigt, seit Paulus seine Briefe an die Korinther (oder waren’s die Galater?) schrieb. Der Weg der Wandlung ist das Ziel dieser Geschichte.

Diese Geschichte einer inneren Wandlung kann man auf millionenfach verschiedene Weise erzählen, und man muss nicht „Robinson Crusoe“ oder „Pilgrim’s Progress“ gelesen haben, um den Ausgang von vornherein zu kennen. Nein, die Kunst des Autors besteht darin, eben diesen bekannten Ausgang so schwierig und unwahrscheinlich wie nur möglich zu machen. Nach dem Motto: Was könnte für Alex unattraktiver sein, wenn er eine Mutter für Lilli sucht, als eine fette Frittenverkäuferin namens Maria Schneider? Und welche Kandidatin könnte weniger Chancen gegen Super-Nina haben als eben diese Frittenverkäuferin?

Es sind genau diese Unwahrscheinlichkeiten und Diskrepanzen, die für einfache Gemüter wohl so etwas wie Humor bedeuten und in ihnen Lachanfälle auslösen sollen. Phantasiereichere Leser bzw. Hörer dürften sich unter Humor etwas ganz anderes vorstellen, nämlich etwas, das mit Ironie zu tun hat. Von Ironie ist zwar hin und wieder etwas zu spüren, aber diese geht grundsätzlich immer auf Kosten der Erzählerin, die sich den Mächten des Schicksals ausgesetzt sieht.

Das verhindert aber nicht, dass Kim Lange alias Maria Schneider planvoll eine Ehe zerstört. Das sie sich dafür irgendwelchen karmischen Bonuspunkte erhofft, ist ziemlich unwahrscheinlich. Aber in ihrer weiblichen Denke, mit der sie alle möglichen irrationalen Verhaltensweisen „vernünftig“ zu begründen vermag, dient die Ehezerstörung einem höheren Ziel und dieses heißt: das Glück Lillis, die ihre echte Mutter zurückhaben will.

Der Autor in seiner „Genialität“ verhindert durch einen simplen Trick, dass sich Maria Schneider einfach vor Lilli hinstellt und sich als deren Mutter zu erkennen gibt. Angeblich hat Buddha, der ja für alle Schrecken herhalten muss, Maria mit einem Bann belegt, wonach sie statt einer Offenbarung ihrer Identität das Volkslied „Die Vogelhochzeit“ trällern muss. Die spannendsten Momente werden auf diese Weise ins Lächerliche gezogen. Ist das Humor? Falls ja, dann von der schwachsinnigsten Sorte.

Dass der Showdown dort stattfindet, wo die Ehe der Langes geschlossen wurde, nämlich – nein, nicht im Himmel, sondern in einer kleinen alten Kirche im hintersten Venedig, auch das gehorcht den klischeehaften Regeln der romantischen Komödie. Sämtliche Karnickel werden aus dem Hut des Autors gezaubert, um die finale Wende herbeizuführen, nach der es dann wie üblich heißt: Friede, Freude, Eierkuchen. Nirvana? Wer braucht schon Nirvana, wenn er eine solche Familie hat!

Die Ochsentour durch die Reinkarnationen soll wohl so etwas wie Fantasy anklingen lassen, bedient aber vielmehr Leute, die auf Buddhismus stehen – und diese Fans des Dalai Lama scheinen immer mehr zu werden, wenn man den Fernsehberichten über den Besuch des Würdenträgers in Hamburg Mitte Juli glauben will. Und es sind erstaunliche viele Frauen darunter, viele über 30 Jahre alt, genau wie Kim Lange. Insofern könnte die Komödie David Safiers genau auf sie zugeschnitten sein.

Sie hängt sich aber auch an die unkonventionellen Biografien aus den USA an, von [„Jesus von Texas“ 1336 über „Das wunderbare Leben des Edgar Mint“ von Barry Udall bis zu Mark Haddons „Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“. Dumm nur, dass „Mieses Karma“ mehr Ähnlichkeit mit einem Grimmschen Märchen an sich hat, beispielsweise dem vom hässlichen Entlein, das eines Tages zu einem stolzen Schwan wird. Und merkwürdig finde ich auch, dass das hässliche Entlein jede Menge „wilden Sex“ haben will, bevor es bereit ist, sich in einen Schwan, das Inbild der ehelichen Treue, zu entwickeln. Die Story hat also alles, was das einsame romantische Single-Herz begehrt: Sex, Romantik, Erotik, Familienglück – und ganz viele Karmapunkte.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Sprecher entsprechen sämtlichen TV-Klischees, aber sie erfüllen sie mit Gusto. Denn sie wissen ja, dass diese Comedy eine Parodie ist auf alle Rollenspiele, die sich der TV-Spießer so vorstellt: die treu liebende, aber sexuell frustrierte Mutter (Kim), die immergeile und mit superguter Figur ausgestattete Nebenbuhlerin („Gib’s mir!“), der etwas belämmerte (Ex-)Gatte, die supersüße kleine Tochter und dann erst die Lovergarde: Daniel Kohn mit dem tiefen samtweichen Verführerbass, und Casanova: Er liebte alle Frau’n, ob blond, ob braun, und von dem kann Kim noch was lernen.

Schlussendlich die Aliens, wozu selbstverständlich auch die Ameisen und der Buddha gehören. Letzterer ist so fett und nett, dass es eine Affenschande ist, dass Kim diesem Wegweiser ins Nirvana eine lange Nase dreht. Manchmal kamen mir die Aliens auch ziemlich menschlich vor.

Übrigens: Ulrich Wickert ist kein Alien (obwohl er auf Fotos manchmal so aussieht), und deshalb klingt er hier ganz normal wie er selbst.

|Die Geräusche|

Jede Comedy braucht auch komische Geräusche, so etwa mit einem Pfeifen herabstürzende Weltraumklos und ihren entsprechend krachenden Aufschlag. Auch herumdüsende Flugameisen dürfen nicht fehlen sowie diverse Schnarch-, Brumm-, Quietsch-, Fiep- und Kreischlaute, von Lachen, Knurren und Bellen ganz zu schweigen. Für tierisch turbulente akustische Unterhaltung ist also bestens gesorgt.

Manchmal klingen die Einfälle des Sound Engineers etwas kurios, so etwa eine mühselig hechelnde und ächzende Ameise (Ameisen haben keine Lungen, oder?) oder ihre in lautem Marschtritt heranrückende Ameisenkolonne. Man kann es auch übertreiben, aber in einer Comedy ist (fast) alles erlaubt.

|Die Musik|

Ohne Musik wäre dieses akustische Tohuwabohu nicht auszuhalten. Virtuos manipuliert Andreas Bicks Kompositionspotpourri die Stimmung des Stücks und die Gefühle des Hörers. Intro und Outro sind ziemlich flotter Jazzrock, ohne jedoch wild zu werden. Den Ausgleich bildet eine romantische Gitarre, die nicht selten mit einem noch romantischeren Glockenspiel unterlegt wird.

Selbstredend wird das Erscheinen des Buddha mit einer Sitar begleitet, und Tablas (kleine indische Trommeln) sorgen für die nötige Dynamik, damit der Hörer von der Sitar nicht in Trance gewiegt wird. Es gibt nur eine Steigerung: Das Kim Lange glückselig machende Licht des nahen Nirvana – eine mystische Flut von Wohlklänge deutet absolute Wonne an – bis der Absturz in die nächste Wiedergeburt erfolgt.

Sehr nett fand ich den Einfall, dem alten Casanova eine Erkennungsmelodie zu geben, die auf einem Cembalo gespielt wird, einem typischen Instrument des Rokoko, des galanten Zeitalters. Etwas heftig ist jedoch der „Hochzeitsmarsch“, der gleich zweimal erklingen muss, weil Kim und Casanova die erste Trauung erfolgreich sabotieren.

Wunderbar ist der – etwas naheliegende – Einfall, die fette Frittenverkäuferin Maria Schneider, Kims letzte Reinkarnation, von einer Tuba begleiten zu lassen. Ein tiefere Tonlage lässt sich schwerlich vorstellen. Diverse Fanfaren und Glocken runden die Palette ab. Zum Kreischen peinlich bzw. komisch fand ich Kim Langes Singen des Volksliedes „Die Vogelhochzeit“: „Der Spe-herber, der Spe-herber, der macht den Hochzeitswe-herber. Fidirallala!“ Der Grund, warum sie dies Lied singen muss, ist ein Verbot Buddhas, ihre wahre Seelen-Identität, nämlich Kim Lange, preiszugeben. Das erhöht die Spannung ungemein: Wann wird sie sich endlich ihrem Ex und ihrer Tochter offenbaren dürfen? *schluchz*

Einen ganz klaren Overkill an musikalischer Gefühlsduselei stellt jedoch der vor Schmalz triefende Schluss der Comedy, dar, als sich Kims Seele in schierer Glückseligkeit mit denen ihres Alex und ihrer Lilly vereint. Zum Glück folgt gleich darauf das Outro mit flottem Jazzrock.

_Unterm Strich_

Die romantische Fantasykomödie über das Gutmenschwerden hat mir des Öfteren ein Lächeln entlockt und sogar ein oder zwei Lacher, aber ich könnte mir vorstellen, dass einsame Frauenherzen in Vorstadtreihenhäusern voll darauf abfahren. Ansonsten dürfte die Verfilmung schon Planung sein, denn ein Drehbuchautor wie Safier lässt einen so guten Stoff nicht in der Schublade vergammeln. Wer will, kann ja sein Meerschweinchen oder seinen Beagle-Welpen schon mal zum Vorsprechen schicken. Ameisen hätten es als Filmstars wesentlich schwerer.

|Das Hörspiel|

Das Zusammenspiel von guten und gut gelaunten Sprechern, realistischen bis überkandidelten Geräuschen und einer romantischen bis dynamischen Musikuntermalung hat mich bestens unterhalten und sogar zu einigen Lachern hinreißen können. Die langsamen Passagen wie Weltreise und Nirvana-Grübelei sowie die Zwischenstationen wie Kuh und Eichhörnchen wurden wohlweislich weggelassen, damit die wichtigeren Szenen umso besser ausgearbeitet werden konnten.

Besonderen Wert legte die Regie auf die exakte und emotional glaubwürdige Schlussszene, in der sich absolut alles entscheidet. Bis auf die abschließend kitschige Musik fand ich diese Szene sehr gelungen. (Wem sie zu schnell abläuft, der sollte sie unbedingt nochmals hören.)

Hechelnde und mit schweren Stiefeln marschierende Ameisen? Nicht sonderlich überzeugend, finde ich. Auch der Buddha konnte mich nicht vom Hocker reißen – klingt ein Religionsführer wie Onkel Norbert um die Ecke? Hier hätte man noch etwas verfeinern können.

|130 Minuten auf 2 CDs
ISBN-13: 978-3-89903-627-5|
http://www.hoerbuch-hamburg.de

Ehrhard, Dominique / Funke, Cornelia – Drachenreiter

Bereits 1997 veröffentlichte Cornelia Funke ihren Jugendfantasy-Roman „Drachenreiter“ in hiesigen Landen und ahnte zu dieser Zeit wohl noch nicht, welche Wellen dieses Buch noch schlagen würde. Zur amerikanischen Erstveröffentlichung ganze sieben Jahre später durfte die Autorin nämlich die Spitzenposition der |New York Times|-Bestsellerliste erklimmen und damit einen ihrer größten Erfolge feiern. Der französische Maler Dominique Ehrhard fand die Story darüber hinaus würdig genug, um ihr ein Brettspiel zu widmen, welches er nun über den |Kosmos|-Ableger |Oetinger Spiele| auf den Markt bringt. Nach „Tintenherz“ ist dies bereits der zweite Titel der erfolgreichen Schriftstellerin, der es via |Kosmos| aufs Spielbrett schafft.

_Spielidee_

Ehrhard hat die Geschichte des Romans weitestgehend für sein Konzept übernommen, wenngleich das Spiel alles in allem ein ganzes Stück einfacher gestrickt ist. Die Spieler bewegen abwechselnd die vier Hauptfiguren vom Tal der Drachen in den Saum des Himmels, den letzten Zufluchtsort der Drachen, der ihnen endgültig Schutz vor dem fiesen Feuerspucker Nesselbrand bieten soll.

Reihum würfeln die Spieler für die Bewegungen der Protagonisten und achten schon einmal darauf, in welcher Reihenfolge die Figuren über die Landschaft auf dem Spielbrett reisen. Ziel ist es nämlich, die vier Charaktere in einer bestimmten Reihenfolge im Saum des Himmels zu platzieren, denn nur so kommt man an die begehrten Drachentränen, deren Besitz später über Sieg und Niederlage entscheidet. Derjenige Spieler nämlich, der auf der Reise sowie im Zielgebiet die meisten dieser Tränen einsammelt, ist auch gleichzeitig der Gewinner in „Dracheneiter“.

_Spielmaterial_

• 1 zweiteiliger Spielplan
• 4 Auftragskarten
• 8 Abenteuerchips
• 4 gelbe Kampfchips
• 4 Heldenfiguren mit Standfüßen
• 1 gelbe Nesselbrand-Figur mit Standfuß
• 2 Würfel

Das Spielmaterial ist, den hohen Ansprüchen des Verlags entsprechend, wirklich prächtig. Sowohl die Karten als auch die Chips bestehen aus extra dickem Karton und sind zudem optisch sehr schön aufbereitet. Gleiches lässt sich für die stimmungsvollen Chips und die liebevoll skizzierten Teile des Spielplans sagen, die einen materiell wie visuell absolut fantastischen Eindruck hinterlassen. Keine Frage: Hier wurde mit besonderem Blick auf die Zielgruppe gearbeitet.

_Spielvorbereitung_

Vor jedem Spiel wird zunächst der Spielplan zusammengesteckt. Anschließend werden die Heldenfiguren in einer bestimmten Anordnung vor der Figur des bösen Drachen Nesselbrand aufgestellt. Die Abenteuerchips werden auf dem Spielplan abgelegt, ebenso die Kampfchips im Zielgebiet, dem Saum des Himmels. Als Letztes erhält nun jeder Spieler eine der Auftragskarten, die aussagen, in welcher Anordnung die vier Figuren auf der Zielgeraden zu positionieren sind. Je mehr Treffer man hierbei erzielt, desto mehr Kampfchips heimst man ein – und nur derjenige, der hier gut plant, kann am Ende um den Sieg mitspielen.

_Spielablauf_

Der Spielzug in „Drachenreiter“ ist prinzipiell ganz einfach. Man würfelt mit den beiden Würfeln und entscheidet nun, welche Figuren man mit dem Resultat weiterbewegt. Optionen gibt es hier mehrere: Entweder summiert man die Würfelaugen und zieht nur eine Figur vorwärts oder teilt das Ergebnis auf zwei Figuren auf. Allerdings gibt es hier auch einige Sonderfälle: Ein Pfeil bedeutet, dass man eine Figur um ein Feld zurücksetzen muss. Und wer ein schlichtes N auf den Würfel bekommt, muss sich möglicht schnell vor Nesselbrand in Sicherheit bringen. Der nämlich greift nun die letzte Figur in der Reihe an und versucht, dieser ihre Drachentränen zu stehlen. Sollte ein Spieler bereits Tränen in der Farbe dieser Figur in Form eines Abenteuerchips besitzen, muss er diesen nun wieder abgeben.

Abenteuerchips erhält man im Übrigen, sobald eine der vier Figuren auf einem Feld mit einem Chip in der gleichen Farbe landet. Der Spieler, der diese Figur gesetzt hat, nimmt den Chip an sich und behält ihn bis zur Schlusswertung, sollte Nesselbrand nicht in der Zwischenzeit angegriffen haben. Im Umkehrschluss bedeutet dies natürlich, dass man stets versuchen muss, diese Figuren möglichst weit nach vorne zu bringen, da Nesselbrand immer nur die letzte Gestalt in der Reihe angreift.

Auf diese Weise bewegt man die vier Helden gen Ziellinie, sammelt nach Möglichkeit Abenteuerchips ein und drängt die Figuren, deren Abenteuerchips im Besitz der Mitspieler sind, nach Möglichkeit weit nach hinten. Auf der Schlussgeraden gilt es dann, die Auftragskarten genauer zu studieren und die Helden bestenfalls genau in der Anordnung einzureihen, wie sie hier abgebildet sind. Für jede richtige Position gibt es den zugehörigen Kampfchip. Sobald nun alle Charaktere den Saum des Himmels angelangt sind, werden die gesammelten Chips umgedreht und die darauf befindlichen Drachentränen gewertet. Der Spieler mit dem besten Resultat hat gewonnen. Bei Gleichstand zählt die Anzahl der gesammelten Chips.

_Persönlicher Eindruck_

Mit Adaptionen erfolgreicher Jugendromane ist das Team vom |Kosmos|-Verlag mittlerweile längst vertraut, weshalb man sich um die passende Aufmachung und Gestaltung schon gar keine Gedanken mehr machen muss. Und in der Tat ist vor allem die Aufbereitung des Spiels einer der Punkte, die in der Adaption zu Cornelia Funkes Roman wirklich herausragen.

Allerdings soll der hier erzielte Effekt keinesfalls von der wirklich guten Spielidee ablenken, die ein richtig schön ausgewogenes Verhältnis aus Glück und Taktik bietet und insbesondere durch die Aufteilung in zwei zusammengehörige Spielphasen bis zum Ende spannend bleibt. So schleicht sich zunächst der Eindruck ein, dass eh erst die letzten Runden des Spiels wirklich bedeutend sind, doch da die Abenteuerchips in der Schlusswertung das Zünglein an der Waage darstellen, darf man sich auch auf der Reise durch das Tal der Drachen keinen größeren Fehler erlauben – und das macht das Spiel mitunter strategischer, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.

Das Romanthema ist indes nur am Rande bedeutsam und wird in erster Linie durch die grafische Aufarbeitung wiedergegeben. Besonders der schöne Spielplan tut sich hier positiv hervor und sorgt für die nötige Atmosphäre. Den Effekt, dass man sich anschließend dazu berufen fühlt, auch das Buch zu erwerben, hat das Spiel aber nicht wirklich. Braucht es jedoch auch nicht, denn unabhängig von der Vorlage überzeugt „Drachenreiter“ mit einem sehr schön ausgeklügelten Konzept und einem spannenden, abwechslungsreichen Spielverlauf. Gerade für Familien und das jüngere Publikum gibt es daher auch eine klare Empfehlung für diesen kompakten Neuling auf dem Spielemarkt.

http://www.kosmos.de

_Cornelia Funke auf |Buchwurm.info|:_
[„Tintenherz“ 2005 (Hörbuch)
[„Herr der Diebe – Das Hörspiel zum Film“ 2356

Cortez, Donn – CSI Miami – Tödliche Brandung

Auf einer Mangroveninsel vor der Küste Floridas findet ein Fischer die grässlich zugerichtete Leiche einer jungen Frau. Ein Meeresräuber scheint sie gepackt und umgebracht zu haben, doch Lieutenant Horatio Caine und sein CSI-Team von der Miami-Dade Police finden schnell heraus, dass hier raffinierter Mord die eigentliche Todesursache war.

Die kunstvolle Inszenierung der Tat weckt in dem erfahrenen Kriminalisten die Sorge, dass sich hier ein Serienkiller ‚warmläuft‘. In der Tat werden kurz darauf die Leichen eines Ehepaars aus dem Wasser gefischt. Der Ehemann war dem Mörder nur im Weg und wurde kurzerhand erschossen. Die Frau sitzt ausgeweidet am Steuer eines fünfzig Jahre alten Oldtimers, der auf offener See versenkt wurde.

Wie befürchtet, nehmen Gewaltintensität und Tempo der Bluttaten zu. Die Ermittlungen sind für die CSI-Spezialisten dieses Mal besonders schwierig, da sich die Tatorte unter Wasser befinden, in dem sich mögliche Indizien buchstäblich auflösen. Womöglich wird dem Killer die eigene Obsession zum Verhängnis; er hat sich das Kostüm eines bekannten B-Movie-Monsters nachschneidern lassen, das er bei seinen Attacken trägt. Die wenigen Spuren zusammenzutragen und auszuwerten, dauert indes seine Zeit – Zeit, die der Täter zur Vorbereitung einer neuen, noch bizarreren Mordtat nutzen kann …

_Die Stadt des gelebten Irrsinns_

Die „Miami“-Variante des erfolgreichen „CSI“-Franchises ist für einen gewissen Hang zu absurden Plots bekannt. Das kommt nicht von ungefähr, denn das reale Miami ist gleichzeitig Schmelztiegel und Vulkankrater für seine ethnisch und sozial oft sehr unterschiedlichen Bewohner. Hoch ist das Lebenstempo, gering die moralische Integrität vieler Glücksritter und Berufskrimineller, die von der tropischen Metropole magisch angezogen werden. Für die „CSI Miami“-Fernsehserie wird die Realität noch einmal dramatisiert und auf die Spitze getrieben. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Zum Geschäft gehört die Beschickung des Buchmarktes mit so genannte „tie-ins“, Romanen zur Serie. Die sind Teil fast jedes Film- und Fernseh-Franchises, wo sie in der Regel ein stiefmütterliches Dasein führen. Drittklassige Lohnautoren produzieren sie wie am Fließband, denn die Ware ist verderblich: Mit dem Ende einer TV-Serie endet in der Regel auch das Interesse an „tie-ins“.

Das „CSI“-Franchise mied den Bodensatz erfreulicherweise von Anfang an. Man heuerte ‚richtige‘ Schriftsteller an, die hohes Schreibtempo mit handwerklichem Geschick plus Talent verbinden: Max Allan Collins, Stuart Kaminsky und nunmehr Donn Cortez. Während die beiden ersten Verfasser auf eine eindrucksvolle Karriere zurückblicken können, ist Cortez noch relativer Neuling.

_Neuer Besen kehrt sehr gut_

Überraschung: Im Trio der „CSI“-Autoren ist er mit Abstand der Beste. So aberwitzig sein Plot vom mordenden Fischmenschen auch sein mag, er entwickelt ihn zu einer Story, wie wir sie gern im Fernsehen sehen würden. „Tödliche Brandung“ ist „CSI Miami“ vom Feinsten. Die Story wird rasant erzählt und weist gut getimte Höhepunkte auf. Wer glaubt, die mühsame Suche nach Spuren an Tatorten oder die umfangreichen Laboruntersuchungen ließen sich nur dank vieler Schnitte, erstaunlicher Tricktechnik und fetziger Musik ertragen, irrt: Cortez baut sie ins Geschehen ein, ohne dass dieses dadurch an Intensität verlöre.

Parallel dazu ‚arbeitet‘ er mit den bekannten Charakteren. Vor allem Horatio Caine wirkt in der TV-Serie zurückhaltend, ja kühl und oft abweisend. Hin und wieder lässt Darsteller David Caruso den wahren Caine durchscheinen, der wesentlich vielschichtiger ist, als er bereit ist zuzugeben. Cortez nutzt ’sein‘ Medium, um dem schweigsamen Caine quasi in den Schädel zu blicken. Der spricht wenig, aber denkt viel. Plötzlich wirkt er wesentlich menschlicher, ohne als Figur an Interesse zu verlieren.

Ähnlich ist es mit den anderen Beamten des „CSI“-Teams. Sie sind zwar eindeutige Nebendarsteller, die im Schatten Caines/Carusos stehen, verfügen aber ebenfalls über persönliches Profil und diverse Geheimnisse, mit denen der Verfasser sie geschickt zum Leben erweckt, ohne sie in Widerspruch zur Charakterisierung zu bringen, die das Fernsehen vorgibt – eine echte Herausforderung, die sich „Tie-in“-Autoren gern sparen und sich auf reine Handlung beschränken.

Cortez nutzt die Freiheit des Romans aus, um Winkel des „CSI“-Kosmos‘ zu betreten, die das prüde US-Fernsehen meiden muss. Hier ist es u. a. Calleigh Duquesnes Ausflug in Miamis Sadomaso-Szene – eine Szene, die Cortez als Teil einer kriminalistischen Untersuchung und der Konfrontation mit emotionalen Neuland ohne die sonst üblichen ‚ulkigen‘ Anspielungen & Schweinigeleien beschreibt.

Auch die Grausamkeit, mit der in „Tödliche Brandung“ Menschen zu Tode kommen, ist ein Gutteil ausgeprägter. Wer die TV-Serie kennt, wird sich über diese Aussage wundern, da dort Leichen in allen Stadien der Zerstörung oder Verwesung präsentiert werden. Cortez hat indes einen Weg gefunden, noch einen Gang höher zu schalten. Allerdings sind die von ihm geschilderten Scheußlichkeit kein Selbstzweck, sondern Teil der Handlung, die es nun einmal in sich hat.

_Die Imagination wird ‚reale‘ Vorlage_

„Gilly“, die „Kreatur aus der Tiefe“, erkennt der Filmfreund sogleich als ‚Kopie‘ des berühmten „Kiemenmanns“ aus dem phantastischen B-Movie-Klassiker „Creature from the Black Lagoon“ (dt. „Der Schrecken vom Amazonas“), den Regisseur Jack Arnold (1916-1992) 1954 zwar in Florida, aber nicht in der späteren Reichweite des CSI-Teams inszenierte.

Dass der Mörder sich dieses Kostüm wählte, ist ebenso perfide wie vielsagend, lebt doch der Film von der zwar verschlüsselten, für die 1950er Jahre jedoch sehr expliziten sexuellen Spannung zwischen dem Wesen und der schönen Frau, die es begehrt.

_Der Autor_

Donn Cortez ist das Pseudonym des kanadisches Schriftstellers Don H. DeBrandt, der unter seinem Geburtsnamen Science-Fiction und Horror schreibt. „The Quicksilver Screen“, sein Romandebüt von 1992, wurde vom renommierten SF-Magazin „Locus“ als Geheimtipp gehandelt. DeBrandt schrieb außerdem für „Marvel Comics“, wo er an Reihen wie „Spiderman 2099“ und „2099 Unlimited“ mitarbeitete.

Seit 2006 verfasst DeBrandt, der im kanadischen Vancouver lebt und arbeitet, Romane zur TV-Serie „CSI: Miami“. Über seine Werke informieren die Websites:

http://www.donncortez.com
http://www.sfwa.org/members/DeBrandt

|Originaltitel: CSI: Miami, Riptide
Aus dem Amerikanischen von Frauke Meier
303 Seiten
ISBN-13: 978-3-8025-3623-6|
http://www.vgs.de

Wachowski / Larry & Andy – Matrix Comics – Band 1

_Inhalt_

Als die beiden Wachowski-Brüder Anfang der Neunziger die Idee zu ihrem wagemutigen „Matrix“-Konstrukt langsam aber sicher weiterentwickeln, hätten sie sich sicher nicht träumen lassen, welche Wellen ihr Projekt schlagen würde. Bis es jedoch zur genauen Ausarbeitung des Schemas kam, dienten einige eher rohe Abrisse als Vorlage für das, was später zur vielleicht einflussreichsten cineastischen Philosophie in der Geschichte Hollywoods werden sollte.

Dass das Potenzial hinter der „Matrix“ aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist, zeigten zuletzt die Zeichentrick-Verfilmung „Animatrix“ und einige weiterführende PC-Games, die sich intensiver mit der Materie beschäftigten. Doch nicht genug damit: Basierend auf der Inspiration von Andy und Larry Wachowski entstanden in den letzten Jahren gleich dutzendweise Comic-Strips zum Kino-Kult, in denen einige noch ungeklärte Mysterien der Matrix näher erkundet werden sollten. Zwölf dieser Ausführungen, dargeboten von solch namhaften Autoren wie Neil Gaiman, Bill Sinkiewicz und Bill Gibbons, finden nun in der ersten Comic-Aufarbeitung des Stoffes ihren wohlverdienten Platz – und zeigen nebenbei noch einmal, warum das Phänomen „Matrix“ so ungeheuer faszinierend ist.

_Persönlicher Eindruck_

Dabei ist jedwede Erweiterung der Materie zunächst einmal grundsätzlich skeptisch zu betrachten, waren doch schon die beiden Film-Fortsetzungen nicht mehr aus demselben legendären Holt geschnitzt wie das brillante Kinodebüt und hinterließen gerade bei Verfechtern der mystischen Seiten der Matrix einen eher faden Beigeschmack. Allerdings haben sich die Wachowskis für die weitere Bearbeitung der Hintergründe durch die Bank Granaten-Autoren gesichert, die jeglichen Zweifel bereits im Keim ersticken und hier den Grundstein für ein weiteres Meisterwerk unter diesem Titel legen.

Dabei könnten die Storys teilweise grundverschiedener nicht sein. Den Beginn macht beispielsweise ein eher steriler, aber eben kunstfertiger Abriss über die emotionale Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz. Eine Maschine aus der Serienproduktion hat ihren Besitzer geköpft und steht nun im Fokus der Anklage – klingt merkwürdig, ist merkwürdig, passt aber genau in diese düstere Stimmung hinein, die vom gesamten Comic ausgeht. Im weiteren Verlauf mischen sich die philosophischen Anteile schließlich immer deutlicher mit der teils kompromisslosen Action. Einen angehenden Klassiker hat dabei Dave Gibbons in seinem Beitrag „Schmetterling“ geschaffen. Während in einem Teil des Plots ein Mann friedlich meditiert, beginnt in seiner Umgebung eine fürchterliche Schießerei. Plötzlich treffen hier Welten aufeinander und beschreiben den surrealen Charakter der Matrix wahrscheinlich sogar am glaubwürdigsten – und das gänzlich ohne Worte und Dialoge, sondern nur mit der erschreckenden Kraft der Bilder.

Darübr hinaus gibt es auch einige düstere Ausschnitte aus der Matrix in „Brennende Hoffnung“ von John van Fleet, eher Skurriles in „Kapiert?“ von Petr Bagge und auch einen Schuss Selbstironie in „Ein ganz besonderes Schwert“ aus der Feder von Troy Nixey. Aber auch Endzeitvisionen, apokalyptische Gedanken aus der künftigen Matrix und natürlich actionlastige, teils sogar kriegerische Stränge findet man in der erlesenen Geschichtensammlung, die schließlich von einem Erfahrungsbericht Neil Gaimans gekrönt wird, der hier das verwirrende Element des künstlichen Gebildes in einer Kurzgeschichte ohne großartige Illustrationen auf den Punkt bringt. Es ist dieser magische Funke, der sich hier durch alle Geschichten zieht, aber erst im Text des legendären „Sandman“-Entwicklers Gaiman so richtig überspringen will und auch erst hier verdeutlicht, welch erhabenen Comic man in Händen hält. Magisch, wie dieser Mann mit Worten umgehen kann!

Doch überhaupt hat sich das Konzept, die Elite der amerikanischen Comic-Industrie für ein solch schwieriges Thema heranzuziehen, im ersten Band der „Matrix Comics“ durch die Bank bewährt. Unter den zwölf Erzählungen befindet sich weder grafisch noch inhaltlich ein Aussetzer, selbst wenn die Thematiken enorm weit gestreut sind. Stattdessen wird Fans der Materie hier ein echter Gourmethappen vorgesetzt, der von der Creme de la Creme der Szene stimmungsvoll und unheimlich dicht inszeniert wurde und den Mythos nach etwas längerer Zeit wieder zum Leben erweckt. Keine Frage also: Diesen Comic darf man, ganz egal wie man zur Kino-Trilogie steht, nicht verpassen!

|157 Seiten, farbig
ISBN-13: 978-3-86607-587-0|
https://www.paninicomics.de/?s=serie&gs__gruppe=108&t=matrix-s108.html

Köster-Lösche, Kari – Austernmörder, Der

_Inhalt:_

Frühjahr 1895. Am Strand von Föhr wird ein Boot mit einem Toten angetrieben, dem eine Auster auf die Brust geheftet ist. Wasserbauinspektor Sönke Hansen wird damit beauftragt, der Sache diskret auf den Grund zu gehen. Schon bald muss er feststellen, dass hinter dem Mord ein Kampf zweier Austerngesellschaften um die Pachtrechte steht. Doch als er kurz vor der Lösung steht, wird er wegen angeblicher Veruntreuung von Deichbaugeldern selbst vor den Anklagerichter geführt. Eine haltlose Verdächtigung, die offensichtlich nur darauf abzielt, ihn an weiteren Nachforschungen zu hindern. Denn die Hintermänner stehen Hansen näher, als er ahnt …

_Details und Eindrücke:_

Sönke Hansen erhält einen anonymen Anruf – der Unbekannte meldet einen Toten am Südstrand von Föhr, dem symbolisch eine Auster auf die Brust gelegt wurde. Darüber hinaus behauptet der Anrufer, dass Hansens Kollege Dr. Claussen, der die Aufsicht über die Austernbänke hat, nicht vertrauenswürdig sei.

Cornelius Petersen, Hansens Vorgesetzter, setzt Sönke Hansen auf den „Fall“ an. Hansen begrüßt die Unterbrechung seiner manchmal eintönigen Schreibarbeit. Darüber hinaus leidet er unter der Trennung von seiner dänischen Verlobten Gerda (Lehrerin), die seit einem Jahr verschwunden ist, da sie vor den preußischen Machthabern ins Ausland fliehen musste, weil sie dänische Kinder heimlich in ihrer Muttersprache unterrichtet hatte.

Sönke Hansen fährt per Dampfschiff nach Wyk auf Föhr. Sein erstes Ziel ist die kleine Zeitung „Föhrer Nachrichten“ und dort der Chefredakteur Hajo Clement. Zwischen den beiden Männern herrscht ein gespanntes Verhältnis. Dennoch erhält Hansen die Information, dass der bayrische Baron Eberle Gaispitzheim den Toten gefunden hat. Und so sucht Hansen diesen und seine Gattin im „Bayrischen Hirschen“ auf und erfährt einiges von dem sympathischen Ehepaar. Zum Beispiel, dass der Tote eine Tätowierung auf seinem Unterarm hatte: „La Perle de Cancale“. Cancale (in der Bretagne) ist berühmt für seine Fischerbootflotte, die meist in der Bucht von Mont Saint Michel bleibt, wo die Fischer ihre Austernbänke beackern. Die Baronin weist Hansen darauf hin, dass sie Würgemale am Hals des Toten bemerkte und somit davon auszugehen sei, dass er eines gewaltsamen Todes starb.

Als nächstes besucht Sönke Hansen seinen alten Bekannten Nummen Bandick und dessen Frau Matje und spricht mit ihm über den Fall. Danach trifft er auf Reimer, der früher zur Amrumer „Austernflotte“ gehörte und erfährt von ihm einiges über Austernfischerei. Hansen begibt sich danach in den Austernpark und trifft dort auf den Aufseher Erk Tammens; dieser erklärt ihm einiges über die Austernzucht und verrät auch, dass Dr. Claussen am Vortag im Austernpark war. Hansen stellt fest, dass dort zu wenig Arbeiter beschäftigt werden, und auch Erk Tammens hat das schon mehrfach bei Claussen bemängelt, ohne dass Abhilfe geschaffen wurde.

Sönke Hansen kommt das Ganze immer rätselhafter vor, da ihm kaum Austern gezeigt werden, und so stattet er dem Austernpark am nächsten Tag einen erneuten Besuch ab und macht dort die Bekanntschaft des jungen Austernbank-Pächters Carl Amsick. Mit ihm zusammen stellt Hansen fest, dass das Gros der Austern des Parks tot ist. Und somit wird schnell deutlich, dass es ihn diesem Buch um Austernmord im doppelten Sinne geht, denn es werden nicht nur Menschen, sondern auch Austern getötet.

Von Amsick hört Hansen auch, dass in der Nähe der Austernbänke ein englischer Lugger (Segler) gesichtet worden sei. Da sich Erk Tammens bisher stets so verhalten hat, als habe er etwas zu verbergen, geht Hansen erneut zu ihm, um die volle Wahrheit aus ihm herauszuholen. Als er im Austernpark ankommt, wird er Zeuge eines Streites zwischen Claussen und einem Mann, der sich später als James Dixon (Schotte) herausstellt, der darauf hofft, die preußischen Austernbänke zu pachten. Kurze Zeit spät kommt Erk Tammens zu Tode (laut Claussen handelt es sich um Selbstmord). Doch Hansen bezweifelt das sehr bald. Der Fall wird immer mysteriöser, als Hansen erfährt, dass von dem Lugger etwas ausgesät worden sein soll – im Auftrag des Wasserbauamtes.

Auch zwischenmenschlich geht es mit Hansen hoch her. Er begegnet bei einem weiteren Besuch, den er bei Nummen Bandick abhält, Jorke wieder, die ihn auf irgendeine Weise anzieht, trotzdem er sich noch an seine Verlobte Gerda gebunden fühlt. Jorke findet heraus, dass es sich bei der Auster, die man auf dem Toten gefunden hat, um eine französische Crassostrea gigas (Pazifische Felsenauster) handelt.

Je länger Sönke Hansen dem Fall nachgeht, desto verzwickter wird dieser. Meint man zu Anfang der Handlung, eine gewisse Beschaulichkeit des Plotaufbaus zu entdecken, merkt man sehr schnell, dass dem keineswegs so ist. Hansen gerät von einer Situation in die nächste: Da ist eine ominöse Einladung, eine Kutsche, die ihn zu überfahren droht, Hansen gerät in Verdacht, ein Spion im Austerngeschäft zu sein, er stößt durch den Hinweis eines Kollegen auf den Verbleib des mysteriösen Lugger, er lernt Dr. Marten Janssen, einen Malakologen (Spezialist für Muscheln und Schnecken), in der „Königlichen Biologischen Anstalt“ auf Helgoland kennen, kommt der „Austernpest“ (Pantoffelschnecke) auf die Spur – und da sind noch Gerda und Jorke, die beiden Frauen, die ihn beide emotional erreichen …

Kari Köster-Lösches Sönke-Hansen-Krimis zeichnen sich durch sehr gute Recherche, mehrdimensionale und fein gezeichnete Charaktere sowie sehr atmosphärisches Lokalkolorit aus. Darüber hinaus sind die Morde eher Beiwerk, im positiven Sinne. Hier schreibt eine Autorin, die nicht auf flache Effekthascherei aus ist, sondern mit sehr viel Liebe zum Detail ein buntes Gemälde erschafft, das viel über die Menschen, die Gesellschaft dieser Zeit und den Landstrich aussagt.

Mit wie viel Liebe zum Detail dabei vorgegangen wurde, zeigt auch, dass im Anschluss an den Romantext eine ausführliche Auflistung der Personen – sogar in der Reihenfolge, wie sie in der Handlung erscheinen – und ein kleines Wortverzeichnis (Glossar) sowie darüber hinaus das Rezept eines Austerngerichtes, das im Krimi vorkommt, angefügt werden. Überhaupt wird man auf perfekt in die Handlung eingebundene Weise umfangreich über die Austernzucht informiert, ohne geschulmeistert zu werden. Aber man erfährt auch viel über „Land und Leute“, und das macht den besonderen Reiz des Textes aus. Die Autorin vermittelt dem Leser den Eindruck, ihn in die Handlung einzuladen, zu den Menschen, die sie ausmacht – sozusagen einer von ihnen zu sein.

Ein Satz blieb mir besonders im Gedächtnis haften: |“Alle Abschiede sind schwer, besonders aber die, die einen Abschnitt des Lebens beenden.“|

_Fazit:_ „Der Austernmörder“ ist ein Sönke-Hansen-Krimi mit Lokalkolorit, mehrdimensionalen Akteuren, liebevollen Details und einer sehr dichten und stimmungsvollen Handlung.

_Die Autorin:_

Kari Köster-Lösche würde am 23. Januar 1946 als Kind deutsch-schwedischer Eltern in Lübeck geboren. Aufgrund der akademischen Tätigkeit ihres Vaters als Geologe verbrachte sie einen großen Teil ihrer Kindheit im Umfeld der Universitäten Uppsala und Lund in Schweden. In Gießen studierte sie Veterinärmedizin und promovierte in Bakteriologie. Sie war lange Jahre als Humanmedizinerin tätig und ging im Zuge ihrer Forschungen an BSE an die Öffentlichkeit, sehr zum Unmut führender Unternehmer in der Landwirtschaft. Die Autorin lebt mit ihrem Mann Karl-Heinz Lösche in Nordfriesland und hat bisher 29 Romane und zehn Sachbücher veröffentlicht, von denen einige in acht weiteren Sprachen erschienen sind. Der nächste Sönke-Hansen-Krimi „Die letzte Tide“ ist für den April 2009 angekündigt.

|400 Seiten
ISBN-13: 9783426636596|
http://home.arcor.de/koeloe/
http://www.knaur.de

_Kari Köster-Lösche auf |Buchwurm.info|:_

[„Mit der Flut kommt der Tod“ 1696
[„Das Blutgericht“ 1719 (Sachsen-Trilogie, Band 1)
[„Donars Rache“ 1729 (Sachsen-Trilogie, Band 2)
[„Mit Kreuz und Schwert“ 1730 (Sachsen-Trilogie, Band 3)

Fabrice Meddour – Ganarah 2: Ein Palast, Bäume und blutrote Früchte

Band 1: „Die Tränen von Armon Surath“

Story

Mit dem schwindenden Ruf ihrer Arena verfällt die einst so ruhmreiche Stadt Armon Surath langsam ins Chaos. Die Kämpfe werden eingestellt, und die wenigen ehrbaren Menschen hat es inzwischen nach Quintanaro verschlagen, wo die Kämpfer noch mit ehrlichen Mitteln agieren und die Turniere zumindest noch ein wenig Ansehen genießen. In der dortigen Arena macht seit einigen Tagen ein mysteriöser Fremder von sich reden, der nun in einem Finalkampf gegen einen Riesen zum Champion gekürt werden soll. Doch der Kampf wird jäh unterbrochen, als einige geisterhafte Gestalten in die Stadt drängen, der Fremde seine Maske abnehmen und in Gestalt Ganarahs die Bedrohung vertreiben muss.

Fabrice Meddour – Ganarah 2: Ein Palast, Bäume und blutrote Früchte weiterlesen

Nadel, Barbara – Tod am Bosporus

Das Lob im Klappentext, das Inspektor Íkmen als „Brunetti von Istanbul“ umschreibt, und der Vergleich von Barbara Nadel mit Krimigrößen wie Donna Leon wecken die Neugierde. Istanbul ist im abgegrasten Krimigenre immer noch einer der exotischeren Schauplätze, und bereits das ist Grund genug, einmal einen Inspektor-Íkmen-Krimi genauer unter die Lupe zu nehmen.

„Tod am Bosporus“ ist bereits der siebte Fall für Inspektor Íkmen und noch dazu einer, der sich als besonders knifflig erweist. In Istanbul sterben einige Jugendliche unter mysteriösen Umständen. Allesamt waren sie Mitglieder der Istanbuler Gothic-Szene. Und allesamt scheinen sie in seltsamen Ritualen umgekommen zu sein. Íkmen und seine Kollegen gehen Hinweisen aus dem Internet nach, und auch die Stieftochter seines Kollegen Mehmet Süleyman kennt sich in der Szene aus und kann den Ermittlern ein wenig auf die Sprünge helfen.

Doch sind die Istanbuler Gothics nur eine harmlose Modeerscheinung oder haben sie etwas mit den Morden zu tun? Ist der Täter einer der Ihren und vollzieht er womöglich satanistische Rituale? Als dann auch noch satanistische Schmierereien an Kirchen auftauchen, kann Max, ein englischer Magier, der seit Jahren in Istanbul lebt und den Süleyman und Íkmen schon lange kennen, etwas Licht ins Dunkel bringen. Doch dann verschwindet der Engländer plötzlich spurlos und die Wände seines Arbeitszimmers sind mit Blut bespritzt …

Istanbul als Schnittpunkt zwischen Orient und Okzident ist für sich genommen schon ein interessanter und geschichtsträchtiger Schauplatz. Barbara Nadel präsentiert vor diesem Hintergrund einen Plot, der gespickt ist mit Magiern und Zigeunern und immer wieder Bezug nimmt auf die reichhaltige kulturelle Geschichte der Stadt. Istanbul ist eine Stadt mit vielen Kontrasten und unterschiedlichsten Einflüssen – muslimisch, kurdisch, westlich.

Daraus entsteht eine im Grunde interessante Mischung, die aber leider keine ganz so intensive Atmosphäre entstehen lässt, wie man anfangs hoffen mag. Das Potenzial der Geschichte und des Handlungsortes sind groß, und Barbara Nadel beweist auch, dass sie sich in Istanbul gut auskennt (schließlich hat die Engländerin die Stadt zu ihrer Wahlheimat erklärt), dennoch vermag sie ihre Kenntnisse nicht hundertprozentig in eine atmosphärische Dichte umzusetzen.

Nadel lässt sich viel Zeit damit, den Plot aufzubauen. Sie widmet sich ausgiebig ihren Protagonisten, allen voran Çetin Íkmen und seiner Familie und seinem Kollegen Mehmet Süleyman, der aufgrund eines noch ausstehenden HIV-Testergebnisses seine ganz eigenen Probleme hat. Süleyman ist ganz der südländische Cassanova, der sich dummerweise ohne Kondom mit einer HIV-positiven russischen Prostituierten eingelassen hat und dem infolgedessen die Frau weggelaufen ist.

Ganz allgemein sind Nadels Protagonisten recht ambivalent, was sehr positiv zu beeindrucken vermag. Sie sind nicht die strahlenden Helden. Jeder hat seine ganz eigenen Macken und Fehler, und auch Gesetzesverstöße unterlaufen da schon mal. So legt Nadel ihren Charakteren eben keine plakative Schwarz-Weiß-Skizzierung zugrunde, und das ist einer der Vorzüge von „Tod am Bosporus“.

Der Plot an sich ist durchaus spannend erzählt, hätte aber ein wenig Straffung vertragen. Die Laufzeit des Hörbuches liegt bei knapp zwölf Stunden – für einen Krimi ist das schon sehr lang. Gerade am Ende, wenn der eigentliche Showdown vorbei ist, zieht sich der Roman weiter in die Länge. Zwar tut die belletristische Herangehensweise mit ausgiebiger Figurenskizzierung den meisten Romanen dieser Art durchaus gut, aber in diesem Fall hätte ich mir zugunsten der Spannung dann doch gewünscht, dass Nadel ihre Geschichte hier und da etwas kompakter und gradliniger abgefasst hätte.

Gerade der Genuss des Hörbuches braucht einige Zeit zum Einhören. Am Anfang hat man schon ein wenig Schwierigkeiten damit, sich in dem Wirrwarr der vielen türkischen Namen wiederzufinden, und bis man im Geiste alles sortiert und eingeordnet hat, vergeht einige Zeit.

Was leider ebenfalls wenig überzeugt, ist die Sprecherin Birgit Becker. Sie liest sehr langsam und dabei zwar stets sehr schön deutlich und verständlich, aber leider auch zu eintönig und mit wenig Satzmelodie. Auch mit der Akzentuierung von Emotionen hat sie so ihre Schwierigkeiten, und Dialoge lassen sich durch die stets sehr gleich klingende Stimme nicht immer gut nachvollziehen. Und so wird das fast zwölfstündige Hörbuch dann doch etwas fade und leblos. Schade eigentlich, denn inhaltlich gestrafft und durch gelegentliche Einspielung stimmiger Hintergrundmusik hätte man ein atmosphärisch dichtes Hörbuch aus der Geschichte machen können.

Lobenswert ist wie so oft bei |Radioropa Hörbuch| die technisches Umsetzung. „Tod am Bosporus“ liegt in Form von zehn Audio-CDs und einer mp3-CD vor. So bleibt einem für den mobilen Hörgenuss mit dem mp3-Player ein zeitraubendes Einlesen der Audio-CDs erspart. Das dürfen andere Hörbuchverlage sich gerne abschauen.

Bleibt unterm Strich also ein eher schwacher Eindruck zurück. Mit Inspektor Íkmen kann Barbara Nadel zwar einen sympathischen Protagonisten aufbieten und mit Istanbul hat sie sich auch einen interessanten Schauplatz herausgesucht, dennoch mangelt es „Tod am Bosporus“ hie und da immer wieder an Dichte und Spannung. Diesen Eindruck unterstreicht auch die etwas fade Sprecherleistung von Birgit Becker. Und so kann Íkmen am Ende als „Brunetti von Istanbul“ leider noch nicht so ganz überzeugen.

|Laufzeit: 11:57 Stunden
10 Audio-CDs + 1 Bonus-CD im mp3-Format
Buchausgabe bei List: März 2006, Broschur im Juli 2007|
http://www.hoerbuchnetz.de/