Templeton, Ty / Dixon, Chuck / Lash, Batton – Simpsons Super-Spektakel 1

_Inhalt_

|“Heiliger Bimbam! Ist der Tortenmann jetzt ein Schurke?“|

Homer bekommt in seiner zweiten Rolle als Tortenmann gehörige Schwierigkeiten; ein Double beraubt mehrere Krusty-Burger-Filialen und zerstört den guten Ruf. Als Hauptverdächtiger wird Homer kurzzeitig festgenommen. Doch wieder wird eine Imbissbude überfallen, und endlich erhält der Tortenmann die Gelegenheit, sich bei seinem Doppelgänger zu rächen.

|“Verbrechen auf Springfield 2″|

Als ein Tier in furchtbarer Not ist, sind Bartman und Houseboy sofort zur Stelle. Sie ermitteln in Springfields Kanalisation und stoßen plötzlich in eine andere Dimension vor. Dort treffen sie ihre Doubles Kampfeule und Vierauge, mit denen sie sich auf die Suche nach Squirrel Girl begeben, die das ganze Fiasko angezettelt haben soll. Doch in Springfield 2 ist nichts mehr so, wie es einmal war …

|“Radioactive Man“|

Claude Kane III. staunt nicht schlecht, als er infolge eines atomaren Unfalls plötzlich Superkräfte erbt, die ihn aus seiner Rolle als unbeholfenen Playboy entlassen. Kane fühlt sich mit einem Mal dem Gesetz und dem Staat verpflichtet und schlüpft schließlich in die Rolle des Radioactive Man. Als solcher muss er einen kleinen Jungen aus einem tagelangen Traum erwecken, in den Weltraum reisen und zu guter Letzt auch noch die Riesenechse Lautbrülla bekämpfen. Schwere Zeiten für einen kürzlich gekürten Superhelden …

_Persönlicher Eindruck_

Während der unaufhaltsamen Kinofilm-Euphorie steht auch die Comic-Welt um die gelbe Familie nicht still. Zahlreiche Sonderhefte werden dieser Tage veröffentlicht, und mit dem „Simpsons Super-Spektakel“ startet sogar eine ganz neue Serie, die – so scheint es jedenfalls – sich ganz besonders mit dem Superheldentum im Umfeld der Simpsons beschäftigt.

Aus diesem Anlass wird gleich zu Beginn eine neue Heldenikone geschaffen; der Tortenmann, verkörpert von niemand anderem als dem Tortenverschlinger höchstpersönlich, gerät ins Blickfeld, als ein merkwürdiges Double Springfield, und hier besonders die Filialen des Krusty-Unternehmens, in Atem hält. Der ahnungslose Homer ahnt noch nichts von dem Frevel, als Chief Wiggum ihn bereits abführen lässt. Doch der dickste aller Helden schlägt zurück und entlarvt Unglaubliches.

Bartman ist schon ein etwas bekannterer Charakter, der im Laufe der „Simpsons Comics“ schon des Öfteren zum Zuge gekommen ist. Gemeinsam mit seinem Kumpan Houseboy, verkörpert natürlich vom trotteligen Milhouse, wird er unverhofft in eine andere Dimension transferiert, in der Kampfeule und Vierauge das Gesetz hüten. Hier schimmert nun einmal mehr das Talent der Comic-Zeichner durch, die eigenen Charaktere noch einmal gehörig auf die Schippe zu nehmen, dabei aber auch schön auf den derzeit währenden Wahnsinn im Multiversum der DC-Comics zu schießen. Auch hier gibt es parallele Universen, in denen sich Abbilder der Superhelden tummeln – nur haben sie im schmaleren Kosmos der Simpsons Eulenaugen und eine merkwürdig mechanische Brille. Köstlich!

Mit den Abenteuern des Radioactive Man wagt man sich schließlich an einige Storys heran, die trotz großen Interesses bislang häufig stiefmütterlich behandelt wurden. Autor und Zeichner Batton Lash führt seine Leser schließlich in einer Zeitreise durch die Welt von Barts liebstem Comic-Helden, allerdings nicht ohne einige humorige Anspielungen auf vergleichbare Superhelden-Serien loszuwerden. So ist Radioactive Man in vielerlei Hinsicht das gelbe Abbild von Superman, begründet durch Name, sozialen Status und Souveränität. Nur eben sind seine Abenteuer ein wenig universeller und kontrastreicher. Zum einen muss er einen Jungen aus einem fortlaufenden Traum erwecken, zum anderen trifft er auf bedrohliche Riesenmonster wie Lautbrülla (tatsächlich ein lauter Brüller …) und einen gewissen Riesenaffen namens Kinga – Parallelen natürlich nur rein zufällig. Aber mit welch unkonventionellen Mittel er diese Probleme löst – nun, die Lachmuskeln werden gefordert!

_Fazit_

Insgesamt ist hier eine wirklich würdige und vor allem superkomische neue Serie entstanden, bei der weder besonders viel rezitiert noch auf ständig gleichem Terrain gearbeitet wird. ‚Neue Helden braucht das Land‘, diese Prämisse trifft sicherlich auch auf die „Simpsons Comics“ zu – und so kommt das „Simpsons Super Spektakel“ gerade recht. Mit den Storys um den Tortenmann sowie den berüchtigten Radioactive Man holt man zwei angehende Klassiker aus der Versenkung und erweitert den Rahmen der hauseigenen Comics um einige entscheidende Nuancen. Keine Frage, hiervon darf’s künftig gerne mehr sein!

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Baru – Autoroute du soleil

Mit über vierhundert Seiten erweckt „Autoroute du soleil“ des französischen Comic-Künstlers Baru zunächst den Eindruck, ein ziemlicher Lesebrocken zu sein. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. In ungeheuer dynamischen Panelabfolgen, die in ihrer Geschwindigkeit manchmal an Otomos „Akira“ denken lassen, erzählt Baru die Geschichte der beiden jungen Franzosen Karim und Alexandre. Auf der Flucht vor Rechtsradikalen reisen sie durch Frankreich und lernen dabei Drogendealer, LKW-Fahrer und großbrüstige Urlauberinnen kennen.

Baru verpackt die Themen Diskriminierung, Gewalt und soziale Ausgrenzung geschickt in einer rasanten Story, die den Adrenalinspiegel des Lesers auf Touren kommen lässt. Und der anhaftende Esprit und Feinsinn verleiht der Story einen Glanz, in dem viele amerikanische Actionszenarios geradezu plump und roh erscheinen. Barus anspruchsvoller Roadtrip sollte in keiner Comic-Sammlung fehlen.

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Edginton, Ian (Autor) / Pugh, Steve (Zeichner) – Hellgate: London

_Story_

Ein wahrlich apokalyptisches Szenario eröffnet sich dem weiblichen Agent Darius bei einer Routinemission. Derzeit ermittelt ihr Team in einer Serie rätselhafter Verschleppungen, deren Opfer jüngst auch die Enkeltochter von Lord Patrick Sumerisle war, und entdeckt dabei im Londoner Underground einen höllischen Kampf zwischen monströsen Kreaturen und besagtem Sumerisle, der in moderner Rüstung gegen die teuflischen Bestien vorgeht.

Kurze Zeit später öffnet sich in Englands Hauptstadt das Tor zur Hölle: Immer mehr Biester stoßen durch das Portal und stillen ihren Hunger an menschlichem Fleisch. Jahre später führt Sumerisles Enkelin Jessica den Trupp der überlebenden Widerstandskämpfer an; doch auch eine Gruppe militanter Strategen, die Kabbalisten und Dämonenjäger verbünden sich mit Jessicas Templern und versuchen die Erde vor der endgültigen Katastrophe zu bewahren. Ihre Hoffnung beruht auf den Schriften eines Buches, in dem der Traum der Erkenntnis verankert ist. Doch auch in Zeiten der ultimativen Bedrohung sind Machtstreben und Intrigen an der Tagesordnung.

_Persönlicher Eindruck_

Parallel zum mittlerweile heiß ersehnten PC-Game „Hellgate: London“ veröffentlicht der |Panini|-Verlag dieser Tage gleich zweigleisig die literarischen Begleitwerke. Neben einer mehrteiligen Buchreihe fällt unter diese frisch herausgegebenen Adaptionen auch ein Comic-Band, der die Geschehnisse des RPG-Gemetzels in groben Zügen zusammenfasst.

Doch gerade diese äußerst grobe Erzählweise wird der Story alsbald zum Verhängnis. Die Geschichte wirkt wie eine aneinander gequetschte Fülle von Ereignissen, die weder fließend ineinander übergehen noch irgendeine direkte Verbindung erahnen lassen. Unschlüssige Zeitsprünge scheinen ebenso normal wie eine spannungs- und stimmungsarme Gesamthandlung, deren Hintergründe teils sogar echt lächerlich sind. Die philosophischen Exkurse mit Bezug auf Religion (hier wird einmal mehr der Templerorden heraufbeschworen) und Antike wirken nicht nur aufgesetzt, sondern vor allem peinlich, zumal sie überhaupt nicht mit dem höllischen Treiben in London harmonieren können. Hier wurde der Versuch gestartet, um ein apokalyptisches PC-Szenario eine tiefgreifende Geschichte zu spannen, ohne dabei jedoch erst einmal an der Basis anzufangen. Stattdessen werden viele unpassende Informationen in den Raum geschmissen, auf haltlose Charaktere verteilt und unter der Prämisse ‚irgendwie wird’s schon funktionieren‘ losgelassen – tut mir leid, aber so geht’s nun mal nicht!

Damit weist „Hellgate: London“ wie so viele vergleichbare Produkte das große Probleme einer PC-Spiel-Adaption auf: Die Story, auf der die Vorlage basiert, ist von Beginn an ziemlich dünn und bedarf einer außerordentlichen Begabung, um sie derart auszuweiten, dass man den Rahmen nicht verlässt, aber dennoch bis an die Grenzen geht. Hiervon ist in diesem Comic rein gar nichts zu spüren. Man verlässt sich auf die üblichen Stilmittel und übersieht immer wieder, dass sie an keiner Stelle wirklich angebracht sind. Dass man darüber hinaus nichts Greifbares findet, nicht einmal Charaktere, die eine gewisse Orientierung ermöglichen, macht die Sache nicht besser. Innerhalb der überschaubaren Welt eines Ego-Shooters mag der Inhalt gerade mal ausreichen, um das Interesse zu wecken. Aufs Literarische übergeleitet, fehlt es aber ohne entsprechende Erweiterungen – und diese fehlen ganz einfach – an Potenzial, so dass die Story innerhalb der immerhin noch gutklassigen Illustrationen ziemlich schnell verkümmert. Selbst diejenigen, die von der Bildschirm-Ballerei mächtig angetan sind, können ruhigen Gewissens die Finger von „Hellgate: London“ lassen. Dieser Versuch ist nämlich sang- und klanglos gescheitert!

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Poitier, Sidney – Mein Vermächtnis. Eine Art Autobiografie

Wenn Menschen in die Jahre kommen, geschieht es recht häufig, dass es ihnen Schwierigkeiten bereitet, sich abends daran zu erinnern, was sie morgens gegessen haben. Offenbar als eine Art Ausgleich aktiviert Mutter Natur gleichzeitig das Langzeitgedächtnis. Plötzlich erinnert sich der oder die so Bedachte glasklar an Zeiten, die fünfzig und mehr Jahre zurückliegen und längst vergessen schienen. Mit den Erfahrungen und den daraus gezogenen Lehren geht ein gesteigertes Mitteilungsbedürfnis einher, und beides zusammen addiert sich zur oft und gern beschworenen „Weisheit des Alters“, deren Schicksal es bekanntlich ist, dass sie jene, die es angeht, in der Regel nicht hören wollen, worauf seltsamerweise das Ende der Welt trotzdem ausbleibt.

Ist man aber alt und berühmt (oder wenigstens berühmt gewesen), hat man bessere Karten, denn in diesem Fall schreibt man seine Autobiografie (oder lässt sie schreiben), kann die oben angesprochenen Weisheiten einer breiten Öffentlichkeit nahebringen und damit sogar noch Geld verdienen! In den USA funktioniert das jedenfalls in der Regel prächtig, wenn es der Autor versteht, das dargestellte Leben gemäß den dramaturgischen Regeln Hollywoods unterhaltsam zu inszenieren, unschöne Aspekte stets mit einem Zückerchen zu servieren, dem HERRN dezent demütig für die erwiesenen Dienste zu danken (Halleluja!) und ansonsten die Mär vom Amerikanischen Traum fortzuspinnen.

Wer wäre unter den beschriebenen Umständen ein besserer Kandidat für die oberen Ränge der spät berufenen Prediger als Sidney Poitier, der schwarze Prinz von Hollywood? Er verkörpert inzwischen mehr als ein halbes Jahrhundert Filmgeschichte. Gleichzeitig ist er ein wichtiger Zeitzeuge, der in der ersten Reihe stand, als Geschichte geschrieben wurde; die Geschichte der Rassendiskriminierung und ihrer allmählichen bzw. scheinbaren Überwindung nämlich.

Sie steht für Poitier, den Schriftsteller, dieses Mal im Vordergrund, während er seine Hollywood-Jahre bereits früher in Wort und Bild Revue passieren ließ. Doch während Poitier, der Schauspieler und Regisseur, allgemein gepriesen (und 2002 mit einem Ehren-Oscar bedacht) wurde, sah sich Poitier, der Mensch, stets im Kreuzfeuer der Kritik. Als „Onkel Tom“ der Filmindustrie wurde er gescholten, der sich vereinnahmen und in Rollen pressen lasse, die eine Annäherung der Rassen demonstrierten, wie sie die Weißen gern hätten, die auf diese Weise gleich noch ihr schlechtes Gewissen beschwichtigten. Diese Argumente sind durchaus nicht von der Hand zu weisen, wenn man sich z. B. „Lilien auf dem Felde“ betrachtet, jenen Film, für den Poitier 1964 mit dem „Oscar“ als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde. Hier spielt er keinen Menschen aus Fleisch und Blut, sondern einen Engel auf Erden, den man einfach lieben muss, auch wenn er zufällig schwarz ist …

Nicht ganz von ungefähr lautet daher der Titel eines provokanten Artikels, der Anfang der 70er Jahre in der renommierten „New York Times“ erschien, „Warum die Weißen Sidney Poitier so sehr lieben“. Dieser ist verständlicherweise recht unglücklich über das Bild, das Medien und Bürgerrechtsbewegungen von ihm zeichneten und zeichnen. „Mein Vermächtnis“ ist deshalb auch der Versuch, den Schleier des Gutmenschen zu zerreißen, um dahinter den wahren Sidney Poitier zum Vorschein zu bringen. Das ist eine diffizile Aufgabe, die wohl auch einem erfahrenen Autoren nicht gerade leicht gefallen wäre. Poitier reüssiert und scheitert gleichzeitig.

Am besten gelingt ihm die Autobiografie dort, wo er sich als Historiker in eigener Sache versucht. Die schwarze Welt der dreißiger bis späten sechziger Jahre brachte eben nicht zwangsläufig nur Martin Luther Kings oder Malcolm Xes hervor, wie dies die mit der Gnade der späteren Geburt gesegneten Bürgerrechtler zu fordern scheinen. Sidney Poitier schildert seine Kindheit und Jugendjahre als Versuch, der Armut zu entrinnen, ohne aber als Kind und Jugendlicher permanent unglücklich gewesen zu sein. Dasselbe gilt für die Diskriminierung, die er recht spät, aber durchaus heftig zu spüren bekam, ohne dass daraus der Wille erwuchs, den weißen Betonköpfen die Gleichberechtigung der Rassen buchstäblich einzuprügeln. Stattdessen trat Poitier den Marsch durch die Institutionen an, wenn man es so ausdrücken möchte, wurde nicht nur Rädchen, sondern Schwungrad der Filmindustrie und aus dieser Position als Aktivist tätig. Dass er gleichzeitig berühmt, beliebt und reich wurde und ihm das sichtlich gefiel, hat ihn in den Augen puristischer Gerechtigkeitskrieger, die es gleichzeitig ärgerte, dass sich der prominente Künstler nicht willig vor jeden politischen Karren spannen ließ, unglaubwürdig wirken lassen.

Schlimmer noch: Poitier ist brennend ehrgeizig und eitel, was er in „Mein Vermächtnis“ offen zugibt. Wieso denn auch nicht, denn hätte er es anderenfalls weiter gebracht als bis zum Betreiber jener Frittenschmiede, die er vor fünf Jahrzehnten in New York kurzzeitig führte? Doch der Prophet gilt nichts im eigenen Land, wenn er in Samt und Seide vor die Leute tritt, und so ist Poitier als angeblicher Vorzeige-Neger (Achtung, pc hunters: Ironie!) in die Filmgeschichte eingegangen, obwohl er Rollen, die sich so deuten ließen, schon seit dreißig Jahren nicht mehr spielt.

Während diese Ambivalenz von Schein und Wirklichkeit sehr deutlich wird, leidet „Mein Vermächtnis“ auf der anderen Seite unter Poitiers Hang zum Predigen. Früher war das Leben zwar nicht einfacher, aber eben doch besser, weil man des Abends mit der Familie zusammen saß und im flackernden Lichte einer Kerze alte Volkslieder sang, statt fernzusehen oder sich den flüchtigen Zerstreuungen hinzugeben, die heute hoffnungsvolle junge Menschen in verwirrte Internet-Zombies verwandeln. Wieso Poitier dann allerdings als noch nicht 16-Jähriger dieses Paradies ausgerechnet gen Sündenbabel New York verließ (wo es ihm ausgezeichnet gefiel), kann er nicht wirklich schlüssig erklären; müsste er auch gar nicht, wenn er nicht als alter Mann plötzlich den Drang verspürte, sich wehmütig-wehleidig der kostbaren Lehren zu erinnern, die ihm das einfache Leben der frühen Jahre bescherte, und seine Leser darauf einzuschwören. Solche spirituellen Wiedergeburten mögen in den USA hoch im Kurs stehen; hierzulande wirken sie naiv bis peinlich, ohne dass man sich ob dieses Urteils vorwerfen lassen müsste, ein zynisch-verderbter Europäer zu sein.

Glücklicherweise halten solche fernsehpredigerischen Anwandlungen nie sehr lange an. Stattdessen erzählt Poitier Episoden und Anekdoten aus seinem Leben, und weil er weiß Gott einiges erlebt hat in einem Dreivierteljahrhundert, lässt man sich gern von ihm in die Vergangenheit entführen. Als Schriftsteller achtet Poitier klug die Grenzen seines Talents; sein Stil ist einfach, aber klar, was doppelte Anerkennung fordert angesichts der Tatsache, dass der Autor nur über eine rudimentäre Schulbildung verfügt und sich sein Wissen und die Fähigkeit, es anzuwenden, erst in relativ späten Jahren und autodidaktisch aneignen musste.

So lässt sich Poitiers „Vermächtnis“ fast durchweg gut lesen, wozu auch die Übersetzung ihren Teil beiträgt. Vom pompösen Titel sollte man sich nicht irreführen oder abschrecken lassen, sondern ohne übersteigerte Erwartungen oder gar Vorbehalte an die Lektüre gehen.

McCann, Amanda / Trainor, Mary / McCann, Jesse – Bart Simpson Comics 32 – Rudelführer

_Inhalt_

|“Schwein gehabt“|

Ralph Wiggum besucht mit seinen Eltern den Jahrmarkt, macht dort aber zunächst keine glücklichen Erfahrungen. Bereits bei seinen ersten Schritten wird ihm sein Geld hinterlistig entwendet. Doch Ralph lässt sich den Spaß von den Rabauken nicht rauben und macht alsbald Bekanntschaft mit dem Schwein ‚König Kotelett‘. Gemeinsam suhlen sie sich durch den Schlamm und haben eine Menge Freude – bis bekannt wird, dass der rosafarbene Vierbeiner die Prämie eines Kuchenwettessens ist. Der Sieger nimmt jedoch versehentlich Ralph als Preis mit, wohingegen Kommissar Wiggum das Schwein ins Haus holt …

|“Klon der Angst“|

Bart ist von den beiden Zwillingen so sehr beeindruckt, dass in ihm der Wunsch reift, ebenfalls einen Doppelgänger zu besitzen. Mittels eines Klonkastens aus dem Merchandise-Programm Krustys bastelt er sich über Nacht einen zweiten Bart. Allerdings ist der Doppelgänger ebenso aufmüpfig wie das Original, so dass der richtige Bart händeringend nach Möglichkeiten sucht, sein Experiment ungeschehen zu machen.

|“Der Fluch des … Babys“|

Homer angelt beim Badeurlaub einen goldenen Fisch, der seiner Inschrift nach verflucht ist, sobald er gestohlen wird. Niemand will so recht auf den seltsamen Gegenstand aufpassen, so dass Mont Burns leichtes Spiel hat, das scheinbar wertvolle Artefakt aus Maggies Händen zu stehlen. Doch das Simpson-Baby jagt dem gemeinen Millionär hinterher und sorgt dafür, dass der Fluch in Kraft tritt …

_Persönlicher Eindruck_

Drei nette Storys, ziemlich coole Gags, allerdings keine echten Kracher-Geschichten – so lautet das vorläufige Resümee zur 32. Ausgabe der „Bart Simpson Comics“. Der eigentliche Protagonist steht dieses Mal vermehrt im Hintergrund, was den Verlag dazu verleitet hat, ihn in einem kurzen Interludium zu klonen. Allerdings fehlt es gerade dieser Kurzstory in der Mitte an Schärfe und Biss, was man jedoch von derartigen Zwischensequenzen mittlerweile schon gewohnt ist. Als Überleitung taugt sie jedoch allemal.

Interessanter ist indes die Auftakterzählung um Chief Wiggum und seinen verkorksten Sohn Ralph, zwei Charaktere, die eigentlich viel zu selten so richtig zum Zuge kommen. Ralphie macht Bekanntschaft mit einem Schwein und nimmt dessen grobmotorische Eigenheiten auch sofort für sich an. Vom Matsch besuhlt, staunt er dann aber nicht schlecht, als plötzlich der Sieger des Wettbewerbs im Kuchenessen vorm Gehege steht und verlangt, seinen Preis, das Schwein, mitzunehmen. Ralph droht auf den Speiseplan zu kommen, während das Schwein zunächst unbemerkt zu den Wiggums gebracht wird. Aber auf ihre Weise haben beide letztendlich ‚Schwein gehabt‘.

Die wohl beste Geschichte, gleichzeitig diejenige mit dem würzigsten Humor, wartet am Schluss des Heftes auf den Leser. Einmal mehr ist es Mr. Burns, der über die Stränge schlägt und den Simpsons einen prinzipiell wertlosen goldenen Fisch raubt. Maggie jedoch fühlt sich in die Pflicht genommen, das Artefakt zurückzuholen, besonders nachdem Homer sie für das Verschwinden gerügt hat. Also nutzt sie die Gelegenheit und trampt unbemerkt auf Smithers Wagen zu Burns‘ Anwesen, um dort einiges auf den Kopf zu stellen. Alsbald entdeckt sie die Schatzkammer des Großindustriellen und findet dort auch ein Kreuz, welches Burns für sein baldiges Treffen mit seiner Gemeinschaft des Krimkrieges benötigt. Erst als dieses urplötzlich verschwindet, glaubt der Dieb an den Fluch – der jedoch eigentlich nur auf den Namen Maggie Simpson hört.

Alles in allem bietet also auch Heft Nr. 32 Unterhaltung auf gutem Niveau, wenngleich der eigentliche Titelheld ein wenig in den Hintergrund gerät. Dafür wird man jedoch mit Storys um die selten dumme Familie Wiggum und einer neuen Fehde zwischen den Simpsons und Mr. Burns entschädigt, die kurz vor Schluss noch einmal ein richtiges Gag-Feuerwerk auslöst.

Ich bin zwar nach wie vor der Meinung, dass eine längere Story besser ist als drei Mini-Plots, doch in diesem Fall zahlt sich auch die mehr und mehr bevorzugte Struktur der Heftmagazine aus. Simpsons-Fans werden dieser Tage arg verwöhnt. Neue Serien und Sonderausgaben zieren die Veröffentlichungsliste und dezimieren den Inhalt des Geldbeutels. Doch im Grunde genommen lohnt sich die Investition – gerade wenn man solch gelungene Ausgaben wie diese dafür erhält!

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Mosby, Steve – 50/50-Killer, Der

Der junge Detective Mark Nelson, Spezialist für Vernehmungen, wird zu seinem Arbeitsbeginn dem bekannten Detective John Mercer zugeteilt, der zwei Jahre nach einem psychischen Zusammenbruch wieder in die Polizeiarbeit eingestiegen ist. Gleich am ersten Tag wird Mark mit einem spektakulären Mord konfrontiert. Ein Mann wurde in seiner Badewanne zu Tode gequält und verbrannt. Der Täter hinterließ eine Tonbandaufnahme, auf der er zwei weitere Morde ankündigt: Jodie, die mit dem Opfer früher eine Affäre hatte, und ihren festen Freund Scott.

Mercer und sein Team befürchten, dass der so genannte „50/50-Killer“ wieder zugeschlagen hat, den sie vor zwei Jahren nie fassen konnten und der Mercers Partner ermordete. Der Killer mit der Teufelsmaske entführte Pärchen und zwang einen von beiden, sich unter Folter entweder für das eigene oder das Leben des Partners zu entscheiden. Nur wer den Partner aufgibt, hat eine Überlebenschance.

Vergeblich versucht die Polizei, die nächsten Opfer, Jodie und Scott, ausfindig zu machen – bis in der Nacht der schwerverletzte und verstörte Scott aufgegriffen wird. Offenbar wird seine Freundin in einer Waldhütte gefangen gehalten, während er freigelassen wurde. Mercer ist davon überzeugt, dass Jodie wie die anderen Opfer erst im Morgengrauen sterben wird, und organisiert einen Suchtrupp. Währenddessen bemüht sich Mark, von dem traumatisierten Scott so viele Informationen wie möglich zu erhalten. Die Zeit drängt …

Es ist nicht alles so, wie es scheint, könnte das Motto des Thrillers lauten, der von Beginn an Spannung verspricht und mit einer guten Idee aufwarten kann, auch wenn sich einige altbekannte Zutaten in ihm wiederfinden.

|Sympathische Hauptcharaktere|

Zwei Figuren stehen im Mittelpunkt; einmal der alternde Detective John Mercer, der nach einer Pause wieder ins Polizeigeschehen einsteigt und sein altes Trauma überwinden muss. Daneben steht der junge Detective Mark Nelson, der sich gleich am ersten Tag mit seinen Vernehmungskenntnissen bewähren muss. Der Leser identifiziert sich vor allem mit Mark, der etwa die Hälfte des Buches über aus der Ich-Perspektive erzählt. Obwohl er eine sehr fundierte psychologische Ausbildung genossen hat und sich auf den Berufseinstieg freut, ist er verständlicherweise nervös. Vor Mercer empfindet er großen Respekt, ist aber auch etwas unsicher wegen dessen traumatischer Vergangenheit. Gegenüber dem Rest des Teams, das aus eingespielten Mitgliedern besteht, muss sich Mark ebenfalls erst noch als vertrauenswürdig erweisen.

Während man einen guten Einblick in Marks Gefühlswelt erhält, bleibt das Verhältnis zu John Mercer distanzierter. Der Tod seines früheren Kollegen Andy belastet ihn nach wie vor, seine Frau drängt ihn, sich zurückzunehmen, und sämtliche Mitarbeiter beobachten ihn auf Schritt und Tritt, um zu überprüfen, wie er den Belastungen gewachsen ist. Mercer erscheint als zerstreuter, aber willensstarker Detective, der seinen Spürsinn und seinen Biss auch durch die Zwangspause nicht verloren hat, und für den man hofft, dass er keinen erneuten Zusammenbruch erleidet.

|Spannung bis zum Schluss|

Von Beginn an entwickelt sich auf mehreren Ebenen eine Spannung, die bis zum Ende gehalten wird. In erster Linie geht es um die Frage, ob und wie der Mörder gefasst wird, welche Absichten hinter seinen Morden stecken und was ihn mit John Mercer verbindet, der nun schon zum zweiten Mal Jagd auf ihn macht. Auch ob seine aktuellen Opfer, Jodie und Scott, gerettet werden können, steht bis kurz vor Schluss in den Sternen. Unterstützt wird die Spannung durch den raschen Stil, der beinahe in Echtzeit die Ereignisse wiedergibt. Die Handlung spielt sich innerhalb zweier Tage ab, jedes Kapitel ist mit Uhrzeit und den verbleibenden Stunden bis zum Morgengrauen versehen, sodass man als Leser automatisch in den hektischen Sog, in dem die Ermittler stecken, mitgerissen wird.

Neben diesen thrillertechnischen Aspekten begleitet den Leser die Frage, welche Folgen dieser Fall auf John Mercer haben wird, der immer stärker am Rand eines neuen Zusammenbruchs zu stehen scheint. Etwa im letzten Viertel merkt der Leser auf drastische Weise, dass der Autor sich nicht davor scheut, grausame Täuschungen in die Handlung einzubauen und Leser wie Ermittler mit einer perfiden Wendung zu schocken. Definitiv ist dies keiner jener Thriller, bei denen man sich des glücklichen Ausgangs gewiss sein kann. Stattdessen erwartet den Leser hier ein Roman, der nicht davor zurückschreckt, die Handlung in böse Richtungen zu lenken und seinen Helden zu schaden.

|Ein paar Schwächen|

Trotz allem ist das Werk nicht frei von Makeln. Die Ausgangsidee, dass der Killer Pärchen fängt und gegeneinander ausspielt, ist sehr gelungen – auch wenn man ein ähnliches Konzept vom Kinofilm „Saw“ kennt -, wurde aber nicht ideal umgesetzt. Die meisten Morde sind alle in der Vergangenheit angesiedelt und liegen Jahre zurück. Man erfährt über sie nur, was Mark Nelson erzählt bekommt und in den Akten recherchiert, was zu Ungunsten der Intensität geht. Nur den aktuellen Mord um den Mann in der Badewanne und das Drama um das entführte Pärchen Jodie und Scott erlebt man mit, dabei hätte es dem Roman gut gestanden, den Killer in der Gegenwart noch ein, zwei weitere Morde begehen zu lassen, ehe man sich auf seine Fersen heftet.

Ein wenig dick aufgetragen wird bei Mark Nelsons Figur, der ebenfalls ein Trauma zu überwinden hat, nämlich den Schwimmtod seiner Verlobten vor wenigen Jahren. Damals konnte er sich aus der Strömung an Land retten, während seine Freundin ertrank. Die Parallele zu den überlebenden Opfern des 50/50-Killers, die darunter leiden, ihren Partner, wenn auch unter Folterqualen, aufgegeben zu haben, liegt auf der Hand und wirkt daher konstruiert. Beim Mörder dagegen wünscht man sich eine etwas ausgefeiltere Gestalt, etwas mehr Charisma. Gewöhnungsbedürftig, wenn auch nicht unbedingt negativ, sind die Perspektivenwechsel, denn abwechselnd wird in der Ich-Forum aus Marks Sicht der Dinge und aus der eines neutralen Erzählers geschrieben.

_Unterm Strich_ bleibt ein lesenswerter Serienmörder-Thriller mit überraschenden Wendungen und einer spannenden Handlung, die bis zum Schluss fesselt. Ein paar Schwächen verhindern, dass sich der Roman über soliden Durchschnitt hinausbewegt, dennoch empfiehlt er sich allen Freunden des Genres.

_Der Autor_ Steve Mosby wurde 1976 in Leeds/England geboren, ging dort zur Universität und schreibt bereits seit seiner Kindheit. Nach „The Third Person“ und „The Cutting Crew“ gelang ihm mit „Der 50/50-Killer“ der Durchbruch als Schriftsteller. Mehr über ihn auf seiner Homepage http://www.theleftroom.co.uk.

http://www.droemer.de

Bellairs, John – Geheimnis der Zauberuhr, Das

Glück im Unglück hat Luis Barnavelt, der in diesem Jahre des Herrn 1948 gerade zehn Jahre alt geworden ist und gerade seine Eltern bei einem Autounfall verloren hat: Sein Onkel Jonathan van Olden Barnavelt nimmt den Waisenknaben zu sich ins kleine Städtchen New Zebeedee im idyllisch-verschlafenen Capharnaum County, US-Staat Michigan. Dort bewohnt er an der High Street Nr. 100 ein altes Herrenhaus, in dem sich Luis zwar sogleich heimisch fühlt, das jedoch einige Besonderheiten aufweist; Spiegel, die fremde Länder in fernen Zeiten zeigen, sind nur eine davon.

Beunruhigender findet Luis allerdings das seltsame Verhalten seines Onkels, den er dabei ertappt, wie er des Nachts durch das dunkle Haus schleicht, an den Wänden horcht und diese mit Hammer und Meißel aufstemmt. Ganz offensichtlich sucht er etwas. Was es ist, erfährt Luis, als Jonathan seinen Neffen dabei entdeckt, wie er ihn beobachtet. High Street Nr. 100 wurde einst erbaut von Isaac Izard, der in New Zebeedee als Zauberer verschrien war, und das wohl zu Recht. Aus Gründen, die Jonathan und seiner Nachbarin und Freundin, der freundlichen Florence Zimmermann, unerfindlich bleiben, hat Izard irgendwo in den Mauern seines Hauses eine Uhr versteckt, deren beständiges Ticken die Bewohner zur Weißglut treibt. Sie lässt sich einfach nicht orten, obwohl Jonathan und Mrs. Zimmermann schon seit Jahren nach ihr suchen.

Die Lösung dieses Rätsels muss unbedingt gefunden werden, nachdem Luis beim Versuch, einen Freund zu beeindrucken, versehentlich den Geist der bösen Selenna Izard aus ihrem Grab befreit. Diese erweist sich als noch wesentlich unangenehmer als ihr Gatte, der die Uhr – so viel steht bald fest – mit einer magischen Weltuntergangs-Maschine gekoppelt hat. Gelingt es Selenna, die Uhr zu finden und den Mechanismus korrekt zu justieren, wird der Tag des Jüngsten Gerichts anbrechen. Genau dies versucht sie, und dabei geht sie nicht zimperlich vor, wobei sie sich auch noch als Hexe mit vielen unangenehmen Verbündeten entpuppt …

John (Anthony) Bellairs (1938-1991) gehört in den USA auch ein Jahrzehnt nach seinem frühen Tod zu den bekannten und viel gelesenen Kinderbuch-Autoren. Was hierzulande fast wie eine Abqualifizierung klingt, ist tatsächlich eine echte und schwierige Kunst: Geschichten zu erzählen, die Kinder – diese seltsame Mischung aus Mensch und Alien – einbeziehen, als zwar noch im Wachsen begriffene, aber bereits existente Persönlichkeiten ernst nehmen und vor allem nicht der fixen Idee unterliegen, ihr Publikum um jeden Preis belehren zu wollen.

Die besondere Qualität des John Bellairs wird nicht zuletzt durch sein Talent offenbar, auch ältere Kinder oder fast schon wieder kindlich gewordene Erwachsene (wie Ihren Rezensenten) zu fesseln. „Das Geheimnis der Zauberuhr“ ist nicht ’nur‘ ein Kinderbuch, sondern auch ein veritables „Weird Fantasy“-Abenteuer, das geschickt Elemente milden Horrors in eine ansonsten realistische, nur leicht verfremdete Alltagswelt bringt. Kinderängste, die sich beileibe nicht ausschließlich ums Übernatürliche drehen, sondern auch die Furcht vor dem Allein- und Fremdsein in einer leicht aus den Fugen geratenden Welt mit einschließen, werden beschworen, bewältigt und damit gebannt, und das ohne den berühmt-berüchtigten erhobenen Zeigefinger. Die Figuren sind schlicht, aber kraftvoll gezeichnet, wobei angenehm auffällt, dass die Erwachsenen weder zu Respektspersonen, vor denen Kinder stramm zu stehen haben, erhöht noch zu Trottel herabgewürdigt werden, die rein gar nichts von dem kapieren, was um sie herum vor sich geht. Die Kinder – allen voran Luis Barnavelt – sind weder tumbe Disney-Zombies noch altkluge Spielberg-Goonies, sondern stehen mit beiden Beinen fest im Leben, wobei dieses auch seine unangenehmen Seiten hat, die ebenso wie gewisse charakterliche Schwächen der Protagonisten nicht harmoniesüchtig ausgeblendet werden (auch wenn vielleicht ein wenig zu viel heißer Kakao serviert wird).

„Das Geheimnis der Zauberuhr“ bildet den Auftakt zu einem Dreiteiler um den Waisenknaben Luis Barnavelt, der in und um die archetypische US-amerikanische Kleinstadt New Zebeedee allerlei fantastische Abenteuer erlebt. Mit beachtlicher Verspätung erschienen sie ab 2000 endlich in Deutschland |(1)|. Der Blick auf das Titelbild macht deutlich, wem wir dies verdanken: Es zeigt eine Jungengestalt mit wirrer Zackenfrisur, aber immerhin ohne Brille und Nimbus 2000 und zeugt vom durchsichtigen aber verständlichen Wunsch des |Heyne|-Verlags, auch ein paar Krümel vom Harry-Potter-Kuchen abzubekommen. (Damit noch der Dümmste hört, was die Glocke geschlagen hat, wurde vorsichtshalber der Satz „Ein Muss für jeden Harry-Potter-Fan!“ auf den hinteren Umschlagdeckel gedruckt.) In diesem Fall darf der Leser das Gebrüll der Werbe-Ochsen aber gnädig überhören und sich über die unverhoffte Gelegenheit freuen, einen echten Kinder- oder Jugendbuch-Klassiker kennen zu lernen.

Die weiteren Bände der ‚echten‘ Barnavelt-Trilogie erschienen bei |Heyne| unter den Titeln „Der magische Schatten“ („The Figures in the Shadows“, 1975) und „Das Rätsel des verwunschenen Rings“ („The Letter, the Witch and the Ring“, 1976). Da niemand, der auch nur bescheidenen Ruhm auf sein Haupt häufen konnte, heutzutage in Frieden ruhen darf, wurde Luis Barnavelt nach dem Tod seines Schöpfers wieder belebt: In postumer ‚Zusammenarbeit‘ mit dem Vielschreiber Brad Strickland erschien zwischen 1993 und 1995 ein weiterer dreibändiger Romanzyklus, der inzwischen ebenfalls bei |Heyne| als „Das Gespenst im Spiegel“ („The Ghost in the Mirror“, 1993), „Der Spuk im Irrgarten“ („The Vengeance of the Witch-Finder“, 1993) und „Der Fluch der alten Oper“ („The Doom of the Haunted Opera“, 1995) auf Deutsch vorliegt.

|Anmerkung|

|(1)| Dieser erste Teil erschien bereits 1977 im |Diogenes|-Verlag unter dem Titel „Das Haus, das tickte“; durch die mehr als nur leicht morbiden Illustrationen Edward Goreys hinterlässt diese Ausgabe einen ausgesprochen düsteren Eindruck.

Hideshi Hino – Red Snake (Hino Horror 1)

Hideshi Hino ist ein hierzulande noch recht unbekannter Manga-Autor, der sich in der asiatischen Heimat zuletzt mit seinen völlig verstörten Horror-Storys einen Namen gemacht hat. Geprägt von der schaurigen Welt Lovecrafts, der Edo-Zeit und nicht zuletzt auch Splatter-Streifen wie „The Texas Chainsaw Massacre“,  hat er in den vergangenen Jahren mehrere Einzelbände veröffentlicht, die nicht nur über den guten Geschmack hinausgingen, sondern ihm auch den Ruf einer der kontroversesten Personen in der Welt der Illustrationen einbrachte. Der |Schreiber & Leser|-Verlag nahm dies zum Anlass, dem Mann eine eigene Serie namens „Hino Horror“ zu gönnen. „Red Snake“ bildet nun den Auftakt einer außergewöhnliche, teils auch abstoßenden, dennoch interessanten Reihe, die jedoch Nerven aus Stahl erfordert, um dem Horror-Szenario standzuhalten. Auf geht’s!

Hideshi Hino – Red Snake (Hino Horror 1) weiterlesen

Le Floc’h, Bruno – Leuchtturm, Der

Atmosphäre ist ein wichtiges Anliegen von Bruno Le Floc’h. Sein Werk „Der Leuchtturm“ konzentriert sich auf die raue, maritime Stimmung der Bretagne. Selbst Bretone, gestaltet Le Floc’h ein ruhiges, sehr realistisches Szenario, in dem ein Ingenieur von Außerhalb den Bau eines Leuchtturms vorantreiben will. Die Arbeit auf einem kleinen Felsen, der die meiste Zeit des Jahres unter Wasser liegt, stellt sich als äußerst gefährlich heraus und wird, trotz guter Bezahlung, nicht von jedem Helfer dankbar angenommen. Das zunächst herrische Auftreten des Ingenieurs gegenüber den Einheimischen verwandelt sich mit der Zeit in Zuneigung.

„Der Leuchtturm“ kann gelesen werden als eine Hommage an die See, an die Steilküsten und an einen ganz besonderen Menschenschlag in der Bretagne. Sie atmet den freien Geist von Hugo Pratts „Corto Maltese“.

http://www.carlsencomics.de

Nibelungen-Festspiele Worms 2007. Teil 2

Fortsetzung von [Teil 1]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=80

_Specials_

_Kulturprogramm_

Das diesjährige Motto des umfangreichen Programms (30 Veranstaltungen an sechs Spielorten, es wird nicht zu allen berichtet) war das Thema „Treue und Vaterlandsliebe“ mit all seinen positiven und negativen Aspekten. Wie im vergangenen Jahr, war auch das Kulturprogramm gut ausgelastet: 5650 Menschen besuchten die Veranstaltungen. Das entspricht aber dennoch nur einer Auslastung von 65 % und deckt nicht die Unkosten, die dadurch querfinanziert werden müssen.

_Moment-auf-Rahmen: Ausstellung „Der Betrug“_

Der Wormser Künstler Richard Stumm zeichnete – angeregt durch Florian Gerster -während der diesjährigen Festspielproben Schauspieler, Regie und Mitarbeiter. In der EWR-Turbinenhalle, Klosterstr. 23 in Worms, wurden diese (etwa 20 von 100) Skizzen zusammen mit weiteren 18 großformatigen Ölbildern mit Bezug auf Schlüsselszenen des Nibelungenliedes (Kriemhilds Traum, die Werbung Brünhilds oder der Streit der Königinnen) ab dem 13. Juli ausgestellt. Die Vorbilder am Nibelungenstoff sind dabei hochgesteckt; man denke an Johann Heinrich Füssli oder Karl Schmoll von Eisenwerth. Die Einführungsrede in die Ausstellung hielt der Kulturkoordinator der Stadt Worms Volker Gallé. Zur Ausstellung ist auch ein Katalog erschienen.

_Klaus Maria Brandauer „War and Pieces“_

Beschäftigte sich zusammen mit dem vielfach ausgezeichneten, britischen Geiger Daniel Hope auf der Festspielbühne mit dem Thema Krieg und seinen vielfältigen Facetten. Leitlinie dafür bot Igor Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“. Die auf einem russischen Märchen basierende Erzählung schildert die Begegnung eines Soldaten auf Heimaturlaub mit dem Teufel. Weitere Musiker waren Annika Hope (Kontrabass), Patrick Messina (Klarinette), Philippe Hanon (Fagott), Gilles Mercier (Trompete), Jean Raffard (Posaune) und Hanst-Kristian Kjos Sorensen (Schlagzeug). Tausend Besucher kamen vor den Dom.

_I wanna be loved by you_

Programm der Brünhilde-Darstellerin Annika Pages zusammen mit dem Pianisten Christoph Pauli. In diesem Programm wurden das Liebesleben großer Persönlichkeiten beleuchtet und Biografisches wie Lieder vorgetragen. Joern Hinkel – der auch die Regie führte – hat dazu selten oder noch gar nicht gezeigte Bilder und Filmausschnitte herausgesucht, die den Auftritt des Duos bereicherten. Am Drehbuch mitgearbeitet hatte auch Petra Simon, die im Wesentlichen das diesjährige Kulturprogramm zu den Festspielen gestaltet hat. Zwar war dieses Stück exklusiv für die Festspiele erarbeitet, kommt aber nun auch in anderen Städten zur Aufführung. Diese Aufführung zum Abschluss der diesjährigen Festspiele wurde stürmisch gefeiert.

_Männersache – Live_

Der deutsche Titelkandidat für den Grand Prix beim European Song Contest, _Roger Cicero_, (nur Platz 19) gab mit seiner Big Band auf der Festspielbühne den Auftakt des diesjährigen Kulturprogramms auf der Festspiel-Bühne am Dom. Dazu gehörten neben den eigenen Songs auch Coversongs wie „König von Deutschland“ von Rio Reiser. Ein nochmaliger Gig bei einem des künftigen Wormser Jazzfestivals ist nicht ausgeschlossen. 1500 Swing-Fans sangen stehend bei den drei Zugaben mit. Unverständlich für die Besucher war allerdings, dass im Anschluss an das Konzert der Heylshof mit seiner Bewirtung im Gegensatz zu den sonstigen Festspieltagen geschlossen war.

_Deutsche Lieder aus acht Jahrhunderten_

Mit Jasmin Tabatabai (Kriemhild), Tilo Keiner (Sindold) und vier weiteren Musikern unter dem Motto „Willst du dein Herz mir schenken“ in der Dreifaltigkeitskirche. Tilo Keiner singt auch im Musical „Mamma Mia“. Die Idee für die Aufführung hatte er bereits vor zwei Jahren, als man in der Podiumsdiskussion während der „Theaterbegegnungen“ der Frage „Was ist eigentlich ein deutsches Volkslied?“ nachging. Tesz Milan aus Phönix (Arizona) ist Frontfrau bei „Solid Gold“ und „Pop-History“, Mark Garcia (Kalifornien) singt in Opern, Operetten und Musicals, Pete Lee (London) arrangierte die Stücke und Thomas Wissmann spielte Klavier.

_An Erminig: „Reise ins Mittelalter“_

Auf traditionellen keltischen wie auch auf modernen Instrumenten interpretierte die Gruppe eine tanzbare, musikalische Wegbeschreibung des Jakobspilgerweges nach Santiago de Compostella.

_Ensemble Wolkenstein: Musikalische Pilgerwege_

Mit Harfe, Fidel, Flöte, Schäferpfeife, Schalmei, Pommer, Drehleier, Sackpfeifen, Trommeln und Gesang ging es in der Annhäuser Mühle auf Wallfahrt nach Santiago de Compostella.

_Jeanette Giese: „Brunhilds Schrei“_

Temporeiche Schlager zur Nibelungengeschichte, die seit einem Jahr erfolgreich im Nibelungenland/Odenwald bereits aufgeführt werden. Das Ganze spielt aus der Sicht der Königin von Isenstein, und Jeanette Giese ist eine Brünhilde wie bei Wagner. Schlager, Chanson, Operette, Oper – alles bekannt, aber eingebettet in die Geschichte um die Nibelungen.

_Otto Schenk: „Sachen zum Lachen“_

Der beliebteste zeitgenössische Komödiant Österreichs im EWR-Kesselhaus.

_Aus dem Leben eines Taugenichts_

Gertrud Gilbert bot mit ihrer Lesung eine Hommage an Joseph von Eichendorff zum 150. Todesjahr des Dichters. Diese Veranstaltung war eine Kooperation der Festspiele mit der örtlichen Musik- und Kasinogesellschaft.

_Siegfrieds Nibelungenentzündung_

Seit vier Jahren ein Dauerbrenner im Kulturprogramm sind die Aufführungen des Darmstädter Kikeriki-Theaters, bei denen kein Auge trocken bleibt. Da diese immer ausverkauft sind – auch in diesem Jahr alle drei Vorführungen -, hatte bereits im Februar der Vorverkauf für dieses sagenhafte Blechspektakel begonnen. Aufgeführt wurde dieses Jahr vom 25. bis 27. Juli in der neuen EWR-Halle in der Klosterstraße 23. Und auch für 2008 wird es dieses Stück wieder geben.

_Theaterbegegnungen_

Ein jährliches Highlight der Festspiele. Zuschauer, Künstler, Politiker und Wissenschaftler diskutieren miteinander. In diesem Jahr stand die Frage „Was ist Vaterland?“ im Mittelpunkt. Mit dabei waren Stephan Grünewald, Stephan Krawczyk, Dieter Wedel u. a. Außer den Podiumsdiskussionen präsentierten Jasmin Tabatabai und Tilo Keiner ein weiteres Mal ihr Programm mit den Liedern aus acht Jahrhunderten. Es war recht stürmisch an diesem Tag, kein freundliches Wetter, und man führte die stark gesunkene Besucherzahl dieses jährlichen Highlights auch darauf zurück. Allerdings könnte es auch am Preis gelegen haben, der mit 22 Euro dieses Jahr erstaunlich hoch war. Vor wenigen Jahren hatte die gleiche Veranstaltung nur 8 Euro gekostet und die jährlichen enormen Steigerungen sind in ihrer Höhe so nicht wirklich nachzuvollziehen.

_Nibelungen-Horde_

Dieses Jahr gleich an zwei Tagen das Ergebnis des Sommerworkshops dieses innovativen Jugend-Theater-Projektes. Ausführlicher Bericht ein wenig weiter unten.

_Der Ring. Die Nibelungen_

Im Lincoln-Theater fand eine weitere kleine Nibelungentheateraufführung statt, wo unter Regie von Katja Fillmann von nur zwei Schauspielern das komplette Stück erzählt wurde. Bezug genommen wurde dabei einerseits auf Hebbel, andererseits auch auf Wagner.

_Vorträge der Nibelungenlied-Gesellschaft_

Seit Jahren ein kostenloses Programm morgens während der Festspielzeit, dieses Jahr wieder im Heylshofmuseum. Vortragsthemen: „Verhängnisvolle Verirrung – Penthesila und Brunhild“, „Wort oder Tat – was war am Anfang. Das Verhältnis von Literatur und Geschichte im Nibelungenlied“, „Mythen im Labortest – das neue Mythenlabor im Nibelungenmuseum“, „Die Nibelungenfresken in der Münchner Residenz“, „Der Burgunderuntergang im Nibelungenlied – Zeittypische Deutungen von 1918 bis 1945“ und „Darf Brunhild Hagen lieben? Möglichkeiten und Grenzen bei der Bearbeitung des Nibelungenlieds“. Sämtliche Vorträge erscheinen wie in den Vorjahren auch auf http://www.nibelungenlied-gesellschaft.de.

_Veranstaltung der Nibelungenlied-Gesellschaft_

Mehrmals im Jahr – und auch natürlich im Rahmenprogramm der Festspiele – führen Dr. Ellen Bender und Petra Riha von der NL-Gesellschaft eine Inszenierung zu mittelalterlichen Themen auf. In diesem Jahr zum Thema Minnespiele und Erotik im Mittelalter. Da werden fundiert literarische Quellen durchgesehen, in Beispielen präsentiert und durch Vortrag, Spielszenen spannend dargeboten.

_Sonstiges_

_Aufführungsort Nordportal Dom_

Anfang Juni wurde die Tribüne, die um 300 Plätze mehr als in früheren Nordportal-Aufführungen auf 1600 erhöht wurde, in einer Höhe von 10,65 Meter erstellt.

_Heylshof-Park_

Die Nibelungen-Festspiele werden immer wieder auch deswegen gelobt, weil der Heylshofpark einen stimmungs- und stilvollen Rahmen für die Besucher bietet. Die lockere und dennoch feierliche Atmosphäre ist eines der hauptsächlichen Dinge, die Worms von fast allen anderen Festivals wohltuend unterscheidet. Das Wasser der Brunnen war dieses Jahr durch Wasserlampen als rotes Drachenblut erstrahlt, zudem mit roter Lebensmittelfarbe eingefärbt. Auch sonst war der ganze Park mit Licht in rot illuminiert. Nach der jahrelangen Renovierung der Westseite des Doms gab es erstmals freien Blick auf diese Front, die ebenfalls rot angestrahlt wurde. In der Nacht ragte der Domturm wie ein Leuchtturm angestrahlt mit 36.000 Watt in den Himmel. Immer mehr Wormser entdecken den freien Zugang als abendliche Wohlfühlzone. Das Heylsschlösschen, wo früher auch während der Festspiele noch Veranstaltungen stattfanden, wurde dieses Jahr erstmals vollkommen für das Catering mitbenutzt. Man konnte dort im Vorfeld hochwertiges Barbecue buchen. Im Park standen 16 Zelte von unterschiedlicher Größe für Gäste bereit. Im Hauptzelt gab es Abend für Abend Essen aus reichhaltiger Speisekarte. Zur Premiere wurden noch 200 Stehtische im Park verteilt. Die spätere Cocktail-Lounge war zu diesem Zeitpunkt noch exklusiver VIP-Bereich. Während der Festspielzeit steht der Park allen Wormsern offen und ist inzwischen auch ein beliebter gesellschaftlicher Treffpunkt mit Charme und Niveau. Es sind deswegen mit dem eigentlichen Festival-Publikum etwa 2000 Personen pro Tag anzutreffen. Kritik von auswärtigen Besuchern wie auch vom Intendanten Dieter Wedel gab es nur, weil die Bewirtungszelte ab ein Uhr nachts geschlossen haben, was als provinziell beurteilt wurde. Die Stadt sieht aber keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern, denn die gesetzlichen Vorgaben zur Sperrzeit müssen eingehalten werden.

_Catering_

Mit den jetzigen Festspielen übernahm der Lufthansa Party Service (LPS Event Catering GmbH, Raunheim bei Frankfurt) die kulinarische Verpflegung der Festspiel-Gäste – sowohl das öffentliche Catering als auch die Künstlerverpflegung und die der VIPs. Auch die Premierenfeier wurde durch sie gestaltet. Teil des Catering-Vertrages war nämlich, dass sie auch als Sponsoren auftraten und die Premierenfeier bezahlten. Ob sich das insgesamt gerechnet hat, wird sich erst bei der später erfolgenden Endabrechnung erweisen. Mit der Lufthansa hat diese Firma außer dem Namen zwar nichts zu tun, aber sie gehört zu den drei Großen Catering-Betrieben der Branche und organisiert etwa 1500 Veranstaltungen mit rund 600.000 Gästen pro Jahr, davon 20 % im Ausland. Die Geschäftsführung sieht ihr Engagement langfristig und vielschichtig. Die Besucher, die zu den Festspielen kommen, sind ihr Klientel, und dadurch empfehlen sie sich weiter. Auf der anderen Seite verfügen sie über gute Verbindungen in der Wirtschaft, so dass auch den Festspielen geholfen wird. Seit einigen Jahren bekocht der Wormser Spitzenkoch Wolfgang Dubs die Festspielgäste im Rahmen des speziellen VIP-Angebotes im Andreasstift. Daran hat auch die neue vertragliche Bindung mit dem Lufthansa Party Service nichts geändert.

_Tontechnik_

Schon ganz am Anfang des diesjährigen Berichtes zu den Festspielen wurde über die schwierige Aufgabe berichtet, besondere Schallschutzbestimmungen einhalten zu müssen und dennoch ein beeindruckendes Kulturereignis tontechnisch zu kreieren. Lärmschutz ist aber nicht nur bei den Nibelungenfestspielen neuerdings zum Thema geworden, sondern auch z. B. bei „Rock am Ring“, wo die Nibelungentontechnik-Crew dieses Jahr für den Sound von „Linkin Park“ oder den „Ärzten“ verantwortlich war. Die oberen Ränge sind schwarz ummantelt und lassen bei den umliegenden Wohnhäusern nur noch höchstens 70 Dezibel ankommen. Dies wird mit einem Messwagen überprüft. Der Schutz geht aber in beide Richtungen, auch das Publikum hört weniger von eventuellem Straßenlärm. Die Schallschutzmauer kann Windstärken bis zur Stufe acht problemlos standhalten. Die Geräte am Mischpult sind mit den Namen für die Stimmen der Rollen versehen, die über Antennentechnik übertragen werden. Die entsprechenden Frequenzen für die 32 Drahtlos-Mikrophone mussten bei der Bundesnetzagentur beantragt und genehmigt werden. Die winzigen Mikrophone für die Schauspieler sind an Stirn oder Wange eingeschminkt. Die dazugehörigen Sender sind in kleinen Taschen innerhalb der Kostüme versteckt. Da die Lautsprecherboxen hinter den Schauspielern an der Bühne vor dem Dom hängen, muss man aufpassen, dass es keine Rückkoppelungen gibt und dass auch die Zuschauer 55 Meter weiter hinten noch so gut hören wie die in der ersten Reihe. All dies wird aufwendig von Computern errechnet und simuliert. So hört der optimale Sound in der obersten Reihe der Tribüne genau auf Ohrenhöhe auf und bereits ein halber Meter höher ist die Tonhöhe sehr viel geringer. Solch ein Mischpult einzurichten, benötigt zwei Monate Zeit. Mit der Hand geht das nicht mehr zu steuern, zahlreiche Abspeicherungen sind im Mischpult hinterlegt, insgesamt 305 Einstellungen. Es gibt kein eigenständiges Soundbett, wie man es aus Filmen kennt. Dennoch ist die Theaterproduktion von Wedel die einzige, die auch vom Ton her sehr stark mit filmischen Themen arbeitet. Mit der 5.1-Anlage wird das Publikum im Dolby-Surround-Verfahren beschallt. Im Grunde entspricht das Live-Kino.

_Scheinwerfer_

Diese sind befestigt an der Traverse hoch oben am Dach des Doms und können einer Windstärke zehn trotzen (Windstärke zwölf wäre schon ein Orkan). Sie sind so genannte „Moving Lights“, wie man sie z. B. aus Fernsehsendungen wie „Wer wird Millionär“ kennt, und kosten pro Scheinwerfer 10.000 bis 12.000 Euro.

_Praktikanten_

Für die Abteilung Requisite gab es dieses Jahr einen Praktikantenplatz, dessen Aufgabe es im Besonderen war, täglich bei den Proben von 11 bis 18 Uhr dabei zu sein und aufmerksam darauf zu achten, was gerade gebraucht wird, fehlt oder zurückgebracht werden kann. Für die Maske wurden gleich vier Praktikantenplätze vergeben, wobei Eigenhaarfrisuren und Erfahrungen im Beauty-Make-up-Bereich Voraussetzung waren. Die Praktikantenplätze der Festspiele werden vergütet.

_Gesuche_

Irgendetwas wird immer gesucht. Waren es im letzten Jahr Hunde, ging es dieses Mal um alte freistehende Badewannen mit Füßen womit, man sich über Presse an die Bevölkerung wandte.

_Nibelungisches Ehrenamt_

Früher nannten sie sich „die Indianer“, seit den letzten Festspielen sind sie in „Nibelungisches Ehrenamt“ umbenannt worden. Sie sind während der Festspiele stundenlang im Einsatz und ihre Aufgaben umfassen Promotion, Präsenz in der Stadt, den Verkauf von Programmen und vieles mehr. Eine, die dort alles organisiert, ist die Rentnerin _Helga Marschang_, die bereits seit 2001 dabei ist und damals im Vorfeld Flyer und Plakate verteilte und für Reklametätigkeiten aktiv war. Zu ihren schwierigsten Aufgaben gehören auch die Abrechnungen für die überaus zahlreichen Statisten inklusive der Auszahlung. Sie organisiert auch die – eng mit den Festspielen kooperierenden – „Freien Gewandeten“, die das ganze Jahr über in Worms für ein mittelalterliches Flair sorgen und bei vielen Gelegenheiten in historischen Gewändern präsent sind. Helga Marschang näht auch die Gewänder dieser Gruppe. Ihr Rentnerdasein ist nicht langweilig, denn sie ist noch in viel mehr ehrenamtlichen Bezügen aktiv (Vorlese-Omi in Kindergärten, Backseminare im Nibelungenmuseum, „Wormser Tafel“ – eine karitative Essensversorgung für sozial Schwache, Prüfungsausschuss der IHK Ludwigshafen und Heidelberg für kaufmännische Berufe, Klöppel-Kunst-Kurse). Durch ihre Klöppel-Kunst ist sie auch über die Wormser Grenzen hinaus bekannt. Besonders schön sind ihre filigranen Klöppelbilder mit Nibelungenmotiven.

_Jährliche Nibelungenbild-Versteigerung_

Seit 2003 malt die Künstlerin _Sieglinde Schildknecht_ jährlich zu den Festspielen ein Bild, das versteigert und dessen kompletter Erlös dem Tierschutzverein übergeben wird. Mit den vier Bildern der letzten Jahre sind insgesamt 2500 Euro für soziale Einrichtungen zusammengekommen. Das Gemälde ist ein Unikat und wird dadurch aufgewertet, dass alle Schauspieler ihren Namenszug hinterlassen. 2006 hatte auch Intendant Dieter Wedel zum ersten Mal mit unterschrieben. Das Bild entsteht jeweils „backstage“, also hinter der Bühne, und hieß im letzten Jahr „Nach dem letzten Vorhang“. Das Gemälde hängt nach den Festspielen immer im Restaurante „La Forchetta“; dort werden bis Ende September Gebote abgegeben. Das Mindestgebot liegt bei 500 Euro. Abgabeschluss für das Gebot ist 17. August Das diesjährige Bild „Brunhilds Trauer“ wurde aber bereits vom 25. Juli an in der Kundenhalle der Sparkasse Worms-Alzey-Ried präsentiert. Die Palette der dort ausgestellten Bilder reichte vom ursprünglichen Festspiel-Logo über das Festspielplakat bis hin zu Szenen und Improvisationen aus Festspielaufführungen. Am Welt-Tierschutztag, dem 4. Oktober, wird es dem Meistbietenden übergeben. Der Reinerlös kommt dem Tierschutzverein zugute.

_Malwettbewerb_

Die Wormser Zeitung rief in diesem Jahr zu einem Nibelungen-Malwettbewerb in Hinblick auf die Festspielzeit auf. Mehr über die Aktionen der regionalen Zeitung findet sich am Ende des diesjährigen Festspielberichtes.

_Nibelungenhorde_

Initiatorin dieses bemerkenswerten Jugendprojekts ist Astrid Perl-Haag, die durch Vermittlung des „Wormser Wochenblatts“ den Kontakt zum Sponsor des Projekts gefunden hatte. Direkt nach den Festspielen 2006 führten die Nibelungenhorde ihr Nibelungenstück „Siegfried reloaded“ erneut – wenn auch nur in Ausschnitten – in nichtöffentlichem Rahmen im Lincoln-Theater in Worms auf, denn der Sponsor des Projektes Harald Christ, Geschäftsführer von HCI (Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH), der auch Jugendprojekte in Hamburg und Berlin unterstützt, war gekommen, um sich ein Bild über das Ergebnis seiner Investition zu machen. Zur eigentlichen Aufführung des bejubelten Nibelungenstücks im Festhaus Worms während der Nibelungenfestspiele konnte er nicht dabei sein. 40 junge Leute hatten in einem vierwöchigen Theaterworkshop mit hochkarätigen Trainern das Stück entwickelt. Harald Christ kam zu dem Ergebnis, dass sein Geld gut investiert war, und leistet aus eigener Tasche weitere Unterstützung. 2004 hatte er bereits die eigentlichen Festspiele mit einem Zuschuss unterstützt. Zu der privaten Aufführung und dem Treffen mit Harald Christ waren auch Uwe John (Regie), Antje Brandenburg (Sprachtraining) und Philipp Pöhlert-Brackrock (musikalische Improvisation) angereist und sagten ebenfalls ihre Weiterarbeit mit der Gruppe zu. Ebenso hatten die zu diesem Treffen nicht gekommenen Trainer Jannis Spengler (Suzuki-Training) und Warren Richardson (rhythmische Performance) ihre Weiterarbeit bereits bestätigt. Aber auch die Schauspieler der eigentlichen Festspiele Robert Dölle (Siegfried) und Thilo Keiner (Sindold) versicherten, den Kontakt zum Nachwuchs zu halten. Der nächste Workshop fand bereits Ende September 2006 mit Suzuki-Trainer Jannis Spengler statt. Einmal im Monat trifft man sich mit dem Regisseur Uwe John und probt weiter am selbst geschriebenen Stück. Eine Versteigerung phantasievoll gestalteter „Nibelungen-Sparschweine“ brachte ein klein wenig Geld in die Kasse, wo allerdings noch viel mehr benötigt würde. In mühevoller Kleinarbeit hatten die Jugendlichen fünf Sparschweine gestaltet und sie auf klangvolle Namen wie „Siegfried“, „Island“, „Nibelungenschatz“, „Drachen“ und „Nibelungenfestspiel“ getauft. Jedes der Tiere wurde von Mitgliedern des Festspiel-Ensembles signiert. Mindestwert der Ersteigerung war pro Schwein 40 Euro. Allerdings kamen insgesamt nur 420 Euro zusammen, weswegen der Betrag von der Wormser Sparkasse auf glatte 500 Euro aufgestockt wurde. Öffentlich zu sehen waren sie bereits wieder im Oktober 2006 im Vorprogramm des Solo-Theaterstücks „Hagens Traum“ von Thomas Haaß im Wormser Lincoln-Theater. Auch das Fernsehen war aufmerksam geworden. In der „Sonntagstour“ von SWR 3 lief ein einstündiger Film über Worms, in welchem auch „Siegfrieds Tod“ der Nibelungenhorde zu sehen war. Beim Workshop Ende Oktober wurden die Ideen mit den Trainern weiter ausgefeilt. Ein Verein „Nibelungenhorde e. V.“ ist inzwischen auch längst gegründet worden (16.11.2006).

_Jahresprogramm 2007:_

Der erste Workshop fand Mitte Januar mit Regisseur Uwe John mit 80 Jugendlichen der Wormser Nibelungenschule statt. Da diese hohe Anzahl an Interessenten das Fassungsvermögen des Workshops im Grunde sprengte, wurde eine Wiederholung in kleineren Gruppen beschlossen.

27. und 28. Januar: Workshop mit Jürgen Höhn („Mr. He“) in Pantomime. „Junge Menschen an die Hand zu nehmen und sie zu fördern, zählt zu den wichtigsten Aufgaben der Gesellschaft“, beschrieb er seine Motivation.

10. und 11. Februar: Veranstaltung „Offen für alle(s) – Nibelungenhorde & friends“ mit Präsentationen im Lincoln-Theater. Alle zur Bewerbung vorsprechenden Jugendlichen konnten noch mal Fragen mit Astrid Perl-Haag und Uwe John besprechen; an Programm geboten wurden freie Improvisationen und Szenenimprovisationen (mit Begriffen aus dem Publikum), ebenso Textarbeit (offene Proben) mit Szenen aus dem Nibelungenstück 2006. Mr. He (Jürgen Höhn) bot vierzehn Tage zuvor Pantomime mit dem Erlernten des Workshops und trat natürlich auch selber auf, die Nibelungenschule gab eine „Dirty“-Tanzaufführung. Die neugegründete Band der Nibelungenhorde „Wishions“ präsentierte mehrfach eigene Songs (der Name setzt sich aus „wishes“ und „visions“ zusammen). Natürlich war auch „Kriemhilds Song“ dabei, der im letzten Sommer so toll einschlug. Andere Jugendvereine, denen Jugendliche der Nibelungenhorde ebenso angehören, stellten sich vor und an Bands traten zudem auf: „The Döftels“, „Q-mark“ und „The Virus“.

17. und 18. Februar: Die neuen Jugendlichen für den 4-Wochen-Workshop zum Festspielstück 2007 sprachen vor. Auch gab es Plätze für diejenigen, die noch nicht im Rampenlicht stehen wollen. Jugendliche können auch als Journalist, Fotograf oder Filmer im Redaktionsteam dabei sein. Dabei ging es nicht nur darum, die Arbeit der Nibelungenhorde zu begleiten, sondern auch bei den gesamten Festspielen selbst dabei zu sein. Ab 7. Juli wurden diese Teilnehmer vier Wochen lang durch professionelle Körpertrainer, Sprachtrainer, Choreografen und die Unterstützung von Berufsmusikern angeleitet, erhielten Einblicke in die Theaterarbeit der Festspiele, verschiedene Berufsbilder und haben selbst ein Projekt erarbeitet, das im Kulturprogramm der Festspiele aufgeführt wurde. Die inhaltliche Grundlage für diese Aufführung war das Nibelungenlied. Kursleiter war wieder der Regisseur Uwe John. Mitbetreut wurden sie allerdings auch von Mitgliedern der „alten“ Nibelungenhorde. Die diesjährigen Dozenten sind Suzuki-Trainer Jannis Spengler, Sprachtrainerin Antje Breidenburg, der Wormser Mittelalterrecke und Schwertkämpfer Thomas Haaß, der Entertainer und Pantomime Jürgen Höhn, die Maskenbildnerin bei den Festspielen Hannelore Dressler-Schneider, der Schauspieler Hans Kieseler, der Profimusiker Ro Kuijpers, die Choreografin Uta Raab und die Coach- und Dynamiktrainerin Gabriel Weiss.

10. und 11. März: Comedy-Workshop mit Hans Kieseler. Kieseler ist seit 1998 Regisseur bei der „Kölner Stunksitzung“ und war vorher beim Bonner Improvisationstheater „Springmaus“. Erarbeitet wurde „Was macht Comedy aus, was erwartet der Zuschauer, was ist Situationskomik?“. Erarbeitet wurden verschiedene Darstellungsmethoden kurzer Szenen von spontan geschaffenen Konfliktsituationen. Für Kieseler, der bislang nur mit Profis gearbeitet hatte, war es eine positive völlig neue Erfahrung, mit Jugendlichen zu proben.

März: „Walking Act“-Performance in der Wormser Kaiser-Passage. Ohne feste Bühne – das ganze Einkaufszentrum war zur Bühne geworden – traten rund zwanzig der Workshop-Teilnehmer in einheitlich blauen Arbeitsanzügen mit grell geschminkten Lippen und weißen Handschuhen als „lebende Puppen“ in Aktion. Dies waren Ergebnisse der Workshops mit dem Pantomimen „Mr. He“ alias Jürgen Höhn. Durch derartige Projekte lernen die jungen Menschen, aus sich herauszugehen, ihre Ängste zu überwinden und so zielsicherer aufzutreten.

27. und 28. Mai: Workshop „Lebendige Maske“ mit Hannelore Schneider-Dressler, Visagistin bei den Nibelungen-Festspielen seit 2002.

Im Mai gab es auch anlässlich des 40.Geburtstages von Rheinland-Pfalz witzige Walking-Acts beim Tag der offenen Tür im Rathaus sowie Fechtszenen und Wundenschminken beim Pfingstmarkt. Ein Fecht- sowie Stuntkurs mit Thomas Haaß fand ebenfalls statt.

23. Juni: Beteiligung an der ersten Wormser Kulturnacht, wo im Lincoln-Theater das letztjährige Stück in variierter Form nochmals präsentiert wurde. Im Juli war man dann auch aktiv dabei im Programm des „Jazz und Joy“-Festivals.

7. Juli bis 5. August: Vierwöchiger Sommer-Workshop, der ja den jährlichen Schwerpunkt ausmacht, um Theater für junge Menschen erlebbar zu machen. 40 Jugendliche wurden Schritt für Schritt für den großen Auftritt fit gemacht, zusätzlich von 15 Jugendlichen der „alten“ Horde. Der Arbeitstitel dieses Jahr lautete „Frei sein“. Was letztlich gezeigt wurde, ist nicht von vornherein vorgegeben. Die Jugendlichen entwickeln es im Prozess mit eigenen Worten, eigener Choreografie und eigener Musik. Ende offen, der Weg das Ziel. In den vier Wochen gibt es Gesangs-, Choreografie-, Schauspiel- und Musikworkshops mit Antje Brandenburg, Jannis Spengler, Ro Kuijpers, Uta Raab und Thomas Haaß. Astrid Perl-Haag leitete zusammen mit Uwe John nunmehr im zweiten Jahr diesen Sommer-Workshop. Vielen Jugendlichen ist inzwischen die Endaufführung nicht mehr am wichtigsten, denn was in der Vorzeit passiert, geht weit über Schauspielerei hinaus.

Der Workshop von Janis Spengler im „Suzuki“-Training war dabei halb-öffentlich, denn Freunde der Horde wie auch die Eltern waren eingeladen. Suzuki ist eine asiatische Körperspannungstechnik von Tadashi Suzuki (japanischer Theaterregisseur), um den Schauspielern zu helfen, unbewusste Haltungsmuster zu erkennen und zu korrigieren. In dieser „Grammatik für die Füße“ steht die Körpersprache im Vordergrund. Die Beine erzeugen dabei eine stampfende Rhythmik ähnlich den japanischen „Taiko“-Trommlern, die obere Körperhaltung dagegen bleibt frei, das Becken ist der Mittler. Janis Spengler ist Grieche und lernte an der Theaterakademie München. Bekannt wurde er durch Fernsehen und Theaterbühnen.

Die zweistündige Darbietung des Erarbeiteten erfolgte dann an zwei aufeinander folgenden Tagen im Lincoln-Theater. Die Handlung war im Bandenmilieu angesiedelt, wo zwei Wormser Gangs unter Gunther und Etzel konkurrierten. Ähnlich den eigentlichen Festspielaufführungen war Siegfried bereits tot – gerade vom Hochhaus gestürzt, natürlich inszeniert durch Hagen. Die Nachricht verbreitete sich rasch über Handys. Viel wichtiger als die Handlung, die sich um die aktuellen Themen von Jugendlichen drehte, waren allerdings die gezeigten Ergebnisse dessen, was in dieser kurzen Zeit gelernt wurde. Denn das war alles andere als nur reine Schauspielerei. Ein choreographisches Feuerwerk aus Ballett, Musical, Comedy wurde geboten und gezeigt, wie man richtig gute rhythmische Musik zusammen auf Schrottinstrumenten gestaltet. Zwar ist dieses Jugendstück natürlich nicht mit der eigentlichen Festspiel-Aufführung vergleichbar, aber würde man das tun, würde die Nibelungenhorde mit der inszenatorischen Vielfalt des Stückes weit vorne liegen. Deswegen wurde die Horde zu Recht vom Publikum frenetisch gefeiert.

Auch Hagen-Darsteller Dieter Mann, seit über vierzig Jahren Theater- und Filmschauspieler, kümmerte sich intensiv um die Horde und stand für Fragen und Meinungsaustausch zur Verfügung. Das Ehrenmitglied des Deutschen Theaters Berlin ist nunmehr auch Ehrenmitglied bei der Nibelungenhorde. Von den Festspiel-Stars brachte sich auch Andreas Bisowski ein, der regelmäßig Workshops zur Textarbeit beisteuerte. Zur Generalprobe der richtigen Festspiele, die nicht im Gegensatz zum Vorjahr auch künftig nicht mehr öffentlich sein wird, durfte die Horde natürlich zugegen sein.

Beim Straßenfest in der „Unteren Kämmergass“ war die Nibelungenhorde zusammen mit den regulären Festschauspielern auch aktiv beteiligt.

Zudem sind eine CD-Aufnahme mit „Allee der Kosmonauten“ geplant sowie diverse Auftritte. Die Hauptaktivität war aber natürlich wieder das neue Nibelungenstück, das vom 7. Juli bis 5. August erarbeitet wurde. Erstmals wurde in diesem Jahr auch die „Nibelungen“-Hauptschule aus Worms mit einbezogen. Kooperiert wird dabei mit Ilse Lang und ihrer „Alexandra-Lang-Initiative Schüler und Arbeitswelt“ (ALISA). Dies ist ein Pilotprojekt, das sich im nächsten Jahr auf weitere Schulen ausdehnen könnte. Unterstützung kommt allerdings durch die Stadt Worms, die Nibelungen-Festspiele GmbH (die ihre Logistik zur Verfügung stellt), das Stadtmarketing und weitere Sponsoren. Infos zur Nibelungenhorde unter astrid.ph@t-online.de oder 0174-9513692.

Im zweiten Jahr hat die Nibelungenhorde bereits ihre eigene Band: „Wishons“.

Als Ausblick auf weitere Termine noch in diesem Jahr: Mitwirkung beim ersten Wormser Drachenfest im Oktober.

_Geschäftswelt_

Die Wormser Wirtschaft und Geschäftswelt profitiert seit Anbeginn der Festspiele von diesen und weiß das zu schätzen. Der Einzelhandelsausschuss im Stadtmarketing beschloss deswegen auch sehr früh im neuen Jahr, kleine Banner mit dem Festspiel-Logo für die Schaufenster herzustellen, und regte ein Festspiel-Kiosk auf dem Obermarkt an. Überall in Worms blicken einem somit die Nibelungen entgegen und sehr viele Schaufenster sind komplett nibelungisch dekoriert. Bei „Optik Meurer“ stehen seit mehreren Jahren Original-Kostüme aus bisherigen Produktionen, garniert mit Schwertern und Gemäuerstücken. Der Buchhandel stellt sich natürlich ebenso ganz auf die Thematik ein. Für das Wormser Tourismus-Konzept stehen die Nibelungen sowieso ganz oben an. Da auch der 60. Landesverbandstag der Dachdeckerinnung zu den Festspielen in Worms abgehalten wurde – Zeitpunkt und Ort wurden bewusst zum Jubiläum so gewählt -, besuchten auch diese allesamt die Festspiele.

_Restaurant Carbonara_

Da sich die Festspielstars dort seit Jahren recht häufig zum Essen einfinden, hat das Restaurant inzwischen den Ruf der „Nibelungenkantine“ inne. Bis spät in den Morgen kann man die Schauspieler dort eventuell antreffen. Auch der Geburtstag von Jasmin Tabatabai wurde dort bis morgens früh um vier Uhr gefeiert, obwohl am nächsten Tag in aller Frühe schon die weiteren Proben anstanden.

_Finanzen_

In der politischen Parteilandschaft plädierten die „Grünen“ nicht nur für eine Senkung der städtischen Zuschüsse (in den Jahren 2005 und 2006 betrugen die Zuschüsse jeweils 2,3 Millionen Euro bei Gesamtkosten von 2005 4,2 Millionen und 2006 4,7 Millionen), sondern schlugen einen zweijährigen Turnus für die Festspiele vor. In einem gemeinsamen Antrag mit der FDP brachten sie das in einer Ratssitzung vor bzw. forderten, dass die Gesamtkosten nicht maximal 4 Millionen Euro übersteigen dürfen und in den Folgejahren jährlich noch weiter reduziert werden. Die nicht im Rat vertretene PDS/Linkspartei vertritt ähnliche Positionen. Unterstützt wurde der Antrag aber nur vom ebenfalls im Stadtrat sitzenden Bürgerforum. Die CDU, stärkste Partei im Stadtrat, möchte auch, dass die Zuschüsse gesenkt werden, und setzte dabei auf eine gemeinsame Kraftanstrengung von Stadt, Sponsoren und Dieter Wedel. Für sie gab es ein klares Ja zur jährlichen Veranstaltung. „Die Festspiele dürfen nicht gefährdet werden“ (Zitat CDU-Fraktionssprecher Gerhard Schnell). Der Antrag der Grünen und der FDP – die allerdings ansonsten auch die Festspiele in Worms an sich nicht gefährden wollen – fand im Rat keine Mehrheit. Dass gespart werden muss, darüber waren sich alle einig, aber ein Budget vorzugeben, fanden weder CDU, SPD noch FWG hilfreich. Trotz solchen kleineren Streitigkeiten ist festzustellen, dass allerdings alle Stadtratsmitglieder hinter den Festspielen stehen. Es war 2002 sehr mutig vom Stadtrat, die Festspiele zu initiieren und auch fortzusetzen. Sie haben in Worms für eine Aufbruchsstimmung gesorgt und der Stadt ein deutlich besseres Image verschafft. Dennoch gibt es auch in der Bevölkerung immer auch einzelne Stimmen, die eine Einstellung der Festspiele befürworten würden. Aber nach Umfragen von 2007 finden auch über 70 Prozent der Wormser, dass die Nibelungenfestspiele zu einem positiven Image der Stadt beitragen. Veranschlagt für 2007 wurden dann 4,9 Millionen Euro mit einem städtischen Anteil von rund 2,2 Millionen und 2 Millionen Sponsorengeldern. Auch ein Landeszuschuss von 220.000 Euro wurde berücksichtigt, dessen Umfang sich aufgrund der kulturpolitischen Bedeutung für Rheinland-Pfalz ab diesem und dann auch in den kommenden (falls nicht das Parlament noch anders entscheidet) Jahren um 500.000 Euro erhöhte, so dass vom Land in diesem Jahr zumindest insgesamt 720.000 Euro flossen. Innenminister Karl Peter Bruch äußerte bei dieser Mitteilung, dass die Festspiele in ihrer Bedeutung über das Land Rheinland-Pfalz weit hinausgehen und in ganz Deutschland und sogar europaweit auf Resonanz stoßen. Ab diesem Jahr sind die Wormser Festspiele somit auch zu Festspielen des Landes Rheinland-Pfalz geworden. Gerechnet wurde bei der diesjährigen Kalkulation mit einer Besucherauslastung von 90 Prozent. Erklärtes Ziel ist eine Drittel-Finanzierung. Ein Drittel öffentliche Kassen, ein Drittel Sponsoren und ein Drittel aus Eintrittsgeldern. Dem Gesamthaushaltsetat der Stadt Worms für 2007 stimmte der Stadtrat durch die Mehrheit von SPD und CDU auch zu, allerdings blieben die kleinen Fraktionen von Grüne, FWG, Bürgerforum und FDP bei ihrem „Nein“. Die Ausgaben für die Nibelungenfestspiele sind in der Gesamtverschuldung allerdings im Grunde gering. Dort zu sparen – was Qualität und Sicherheit gefährden würde -, macht den Kohl nicht fett. Das gilt auch für die Ausgaben für das Nibelungenmuseum, die ebenso wie die Festspiele immer wieder thematisiert werden. Insgesamt sind die Festspiele nicht zu teuer, es hängen zudem viele Arbeitsplätze und auch das Image der Stadt daran. Dieter Mann (Hagen-Darsteller) erinnerte dabei zu Recht daran, dass Kultur nicht über die kommerzielle Schiene gerechnet werden könne und dass auch Fußball-Stadien bezahlt werden, die bei Spielen nur zu einem Drittel gefüllt sind.

_Unvermeidliches_

Mächtige Bühnen- und Tribünenbauwerke hinterlassen notgedrungen auch ihre Spuren. Nach den Festspielen 2006 auf dem Südportal des Doms sah der Platz einige Zeit etwas grau und trist aus, denn das Gras fehlte. Dass der Platz erneuerungsbedürftig sein würde, hatte die Stadt allerdings im Vorfeld bereits eingeplant. Im Haushaltsansatz waren dafür 20.000 Euro eingeplant, mit denen ein Rollrasen verlegt und Einlassungen sowie Wege wieder in Ordnung gebracht wurden. Die Gartenbaufirma Flörchinger sorgte dafür, dass der Platz sehr rasch wieder ordentlich aussah. Ernsthafte Schäden hatte es darüber hinaus keine gegeben.

_Umstrukturierungen_

Dies war das letzte Jahr, wo die Nibelungen-Festspiele GmbH unter diesem Namen die Festspiele durchführten. Die Stadt Worms wird mit einstimmigem Zuspruch des Stadtrats eine neue Kultur- und Veranstaltungs-GmbH gründen, in die neben der Festspiel-GmbH auch das Nibelungenmuseum, Jazz & Joy und das mittelalterliche „Spectaculum“ eingehen wird. Die bisherige Nibelungenfestspiel-GmbH wird sich künftig nur noch um den künstlerischen Aspekt der Festspiele kümmern. Aber aus Gründen der Gemeinnützigkeit und steuerlichen Aspekten bleibt der Name Nibelungenfestspiele gGmbh bestehen. An der Spitze der neuen Gesellschaft soll eine „erfahrene Führungspersönlichkeit“ stehen. _Thomas Schiwek_ hatte aufgrund einer Erkrankung seit diesem Frühjahr nicht mehr die Aufgabe als kaufmännischer Geschäftsführer inne, sondern es übernahm – zunächst befristet – Sascha Kaiser (der bisherige Assistent Schiweks in dieser Position) diese Aufgabe. Alleiniger Geschäftsführer ist Uli Mieland, aber Kaiser hat Einzelprokura für den kaufmännischen Bereich und führt die inhaltliche Arbeit Schiweks weiter. Der 32-Jährige studierte an der Fachhochschule Worms internationale Betriebswirtschaft und hatte danach zunächst in Frankfurt im Bereich Sport-Marketing gearbeitet, bevor er nunmehr bereits über Jahre im Nibelungenmuseum und der Festspiel-Gesellschaft arbeitet.

_Kuratorium der Festspiele_

Das Kuratorium berät die Nibelungenfestspiele in allen künstlerischen Belangen und fördert Verbindungen zu Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Es setzt sich derzeit zusammen aus Prof. Hark Bohm, OB a.D. Gernot Fischer, Beigeordneter a.D. Gunter Heiland, Prof. Dr. Hellmuth Karasek, Jürgen Kriwitz, Ilse Lang, Karl Kardinal Lehmann, Dr. Elke Leonhard, Dr. Friedhelm Plogmann, Karlheinz Röthemeier, Prof. Armin Sandig, Markus Schächter, Bundesministerin Dr. Anette Schavan, Dr. Eggert Voscherau, Prof. Dr. Weck und der rheinland-pfälzischen Ministerin Doris Ahnen.

_Gesellschafter-Ausschuss_

Alle Vertreter der Stadtratsfraktionen saßen nach dem gleichen Verfahren wie in den kleinen Ausschüssen in diesem Gremium. Durch das so genannte Verteilungsverfahren waren bislang die kleinen Fraktionen FWG und FDP nicht vertreten. Einstimmig beschloss nun der Ausschuss künftig auch von diesen Parteien je einen Vertreter einzuladen, damit alle Fraktionen informiert sind. Künftig wird dann der Gesellschafter-Ausschuss so vergrößert werden, dass alle Fraktionen mit Sitz und Stimme vertreten sind.

_Ausblick_

Dieter Wedel, dessen Vertrag abgelaufen war, bleibt Intendant bis 2011. Worms ist für ihn mittlerweile eine zweite Heimat geworden. Mit dem _ZDF_ ist Dieter Wedel im Gespräch, die Festspiele am Dom erneut im Fernsehen zu übertragen. Dies war in den Anfangszeiten schon einmal geschehen. Aber vor allem wären ZDF und Bavaria an einer Kooperation zu „Jud Süß“ (siehe im Folgenden) interessiert.

Am Ende der jeweiligen Spielzeit beginnen immer schon die Vorbereitungen für das Jahr darauf. 2008 werden nach Vorstellungen der Festspielorganisation die aktuellen wie auch ehemaligen Schauspieler noch mehr ins Kulturprogramm eingebunden, als es bislang schon der Fall war. Das möchte Wedel allerdings nicht. Er ist strikt dagegen, dass Schauspieler weiterhin im Rahmenprogramm auftreten, denn seiner Ansicht nach nehme das die Einmaligkeit der eigentlichen Aufführung. Dieter Wedel will neuerdings auch selbst die nicht-nibelungischen Schwerpunkte im nächsten Rahmenprogramm, das unter dem Motto „Worms und das Judentum“ stehen wird, setzen. Ihm war das Beiprogramm in diesem Jahr zu beliebig.

Für _2008_ sollen die beiden aktuellen Rinke-Inszenierungen „Siegfrieds Frauen“ vom letzten Jahr und „Die letzten Tage von Burgund“ von diesem Jahr an jeweils zwei aufeinander folgenden Tagen an der Nordseite des Doms aufgeführt werden. Beides in einer Nacht zu bringen, ist zwar auch nicht ausgeschlossen, aber Dieter Wedel mag keine Marathon-Aufführungen im Theater, und als Open Air sei das nahezu unzumutbar. Eine Doppelaufführung ist allerdings angedacht. Zu Festspielbeginn wird es also eine Doppel-Premiere an zwei Tagen geben. Auch für diejenigen, die beide Teile schon gesehen haben, wird das nicht langweilig werden, denn unter Wedels Regie werden sie sich erneut inhaltlich weiterentwickeln. Der Schluss, den viele nicht verstanden haben, wird auf jeden Fall anders sein und auch einige Szenen werden geändert. Für die Schauspieler sind zwei Stücke parallel natürlich sehr anstrengend. Die Festspielzeit soll von 15 auf 22 Vorstellungen verlängert werden. Der Termin wird wieder später – wie in den früheren Jahren schon immer im August anstatt im Juli – sein. Da in Rheinland-Pfalz nächstes Jahr die Sommerferien sehr früh liegen, findet dadurch die Probezeit in der Ferienzeit statt und verringert eventuell die Belastung der Anwohnenden, die möglicherweise in Urlaub sind. Die Preisstruktur der Eintritte ändert sich dann ebenfalls. Da die Wochenendkarten immer früh ausverkauft sind, die Vorstellungen unter der Woche allerdings nicht, werden die Preise für Wochenenden angehoben. Im Gegensatz dazu sind dafür Karten unter der Woche günstiger zu haben. Auch soziale Komponenten sind vermehrt vorgesehen, wie ein Familientag und Kombi-Rabatte.

Ein Autorenwettbewerb soll ausgeschrieben werden, um an ein neues Nibelungenstück („Das Leben des Siegfried“) zu kommen. Möglicherweise wird es aber auch einem renommierten Autor gezielt in Auftrag gegeben. Die Nibelungen bleiben natürlich Kernpunkt der Wormser Festspiele, aber bevor es zu einer inhaltlichen Vermengung kommen könnte, denkt Wedel auch über ein Stück nach, das mit Worms, seiner Geschichte, den Juden und den Nazis in Verbindung gebracht werden kann. Konkret im Visier ist dabei der von Lion Feuchtwanger 1925 erschienene Roman _“Jud Süß“_, wozu Moritz Rinke wieder das Drehbuch schreiben würde. Auch die Geschichte über Martin Luther wird für geeignet gehalten. In solchen Fällen wird aber etwas zu den Nibelungen im Kulturprogramm dominieren, denn diese dürfen natürlich nicht plötzlich ganz weg sein. Über diese Fragestellungen wird allerdings sehr kontrovers diskutiert. Für Wedel haben sich die Nibelungen nach drei Versionen von Moritz Rinke und der Hebbel-Inszenierung von Karin Beier ausgereizt. Er möchte generelle Festspiele in Worms – auch einen „Kaufmann von Venedig“ beispielsweise und die Nibelungen selbst nur noch alle vier Jahre. Die Stadt Worms hat nichts gegen eine Erweiterung des Portfolios, aber die Nibelungen als zentrales Thema wollen sie nicht ersetzen. Kulturkoordinator Volker Gallé erklärte, dass das Schauspiel immer im Vordergrund bleiben wird. Dieser Ansicht schließt sich die Nibelungenlied-Gesellschaft, welche die gesamten Nibelungen-Aktivitäten vom Nibelungenmuseum bis hin zu den Festspielen ursprünglich angeregt hatte, ebenso an.

Die Ideen für eine Musical-Inszenierung der Nibelungen gehen weiter, ungeachtet dessen, ob es zur Verwirklichung kommt. _Konstantin Wecker_, der 2006 bei der Premiere der Festspiele zu Gast war und kurz danach in Worms auch selber mit seinem Programm gastierte, bot an, dafür die Musik zu schreiben. „Mehr Orff als Wagner, keinesfalls poppig, eher orchestral“ beschreibt er seine Vorstellungen. Dieter Wedel favorisiert dagegen ein von _Michael Kunze_ geschriebenes Stück, das anschließend auch auf Tournee geht. Propagiert wird die Musical-Idee vor allem von André Eisermann, der auch im Musical „Ludwig II.“ spielt, zu dem die Musik ebenfalls von Konstantin Wecker geschrieben wurde. Auch Dieter Wedel spricht weiterhin darüber, ein Musical zu inszenieren.

Aber es werden auch Stimmen lauter, die für eine Aufführung der _Wagner-Oper_ „Ring des Nibelungen“ plädieren. In Worms machte dafür der Wagner-Biograf Walter Hansen bei seiner Lesung Stimmung.

_John von Düffel_ (Wedels Dramaturg) hat auch bereits reichlich Material zusammengetragen für eine heitere, mit Musik unterlegte Geschichte _“Das Leben des Siegfried“_.

Aber auch das Marketing in den Regionen Rhein-Neckar und Rhein-Main soll künftig noch stärker als bisher schon betrieben werden.

_Interessante Zusatzlinks:_

http://www.nibelungenmuseum.de

http://www.nibelungenfestspiele.de

http://www.wormser-zeitung.de

Immer aktuell am Ball ist man mit der regionalen Zeitung, die immer ein umfangreiches Nibelungen-Spezial pflegt. Als Medienpartner der Festspiele erscheint dort von Beginn an eine tägliche Berichterstattung, seit diesem Jahr zudem ab 30. Juni (schon drei Wochen vor der Premiere) eine tägliche Internetsonderseite mit vielen Fotos, mehreren Diskussionsforen und einem Online-Tagebuch von André Eisermann. Auch die Nibelungenhorde berichtet über ihre Arbeit. Neben der Möglichkeit, als VIP zur Premiere zu erscheinen, gab es eine Reihe weiterer Gewinnspiele: „Blicke hinter die Kulissen“, „Fühlen wie Kriemhild und Etzel“, wo professionelle Mitarbeiter von Maske und Bühne in einen Teil des Ensembles die Gewinner Hermann Grünewald und Astrid Guckes verwandelten und Originalkostüme der Schauspieler trugen. Zur Probe gab es auch zwei Gast-Kritiker-Gewinne. Auch einen „Blick in den Kochtopf“ bei dem Wormser Spitzenkoch Wolfgang Dubs, der die VIP-Gäste bekochte, inklusive Mitessen war möglich. Für Kinder gab es einen Malwettbewerb zum Thema Nibelungen, zu dem 77 Werke eingereicht wurden. Der Wormser Künstler Richard Schimanski und die Brünhild-Darstellerin Annika Pages wählten die insgesamt 26 Gewinner aus. An sechs davon ging ein Hauptgewinn, der öffentlich von Pages bei ihrem „WZ“-Interview vergeben wurde. Auch für übrige Veranstaltungen im Rahmenprogramm der Festspiele wurden Karten verlost. Im letzten Jahr hatte die WZ für einen symbolischen Preis Karten für die Generalprobe zugunsten der Kinderklinik verkauft, wobei 5000 Euro zusammenkamen. Dieter Wedel und auch die Schauspieler baten allerdings dieses Jahr darum, das nicht mehr zu wiederholen. Denn den besonderen „Kitzel“, zum ersten Mal vor Publikum zu spielen, will man nunmehr wie auch künftig wieder der Premiere vorbehalten. Allerdings durften zwei Gewinner der WZ sich zumindest die Generalprobe ansehen, die darüber auch ausführlich in der Zeitung berichten durften. Aber das größte Verdienst, das die Wormser Zeitung den Wormsern und Angereisten täglich während der Festspiele bietet, sind die sehr beliebten _Schauspieler-Interviews_. Fast täglich um 18 Uhr vor den Aufführungen kann man im Wechsel bei freiem Eintritt ein Live-Interview im Heylshof mit jedem der Hauptrollendarsteller wie auch Autor Moritz Rinke erleben. Diese Interviews haben sich im Laufe der Jahre zu einer festen Institution gemausert. In einer sehr intimen und bunten Dreiviertelstunde erlebt man die Stars ganz unmittelbar. Alle Abende sind natürlich bis auf den letzten Platz besetzt, weshalb man früh genug vor Ort sein muss. Auch in diesem Jahr waren immer ca. 100 Personen zugegen, an manchen Tagen gab es keinen Zutritt mehr.

http://www.nibelungenlied-gesellschaft.de

Startseite

http://www.nibelungen.de

Verweisen möchte ich auch auf die früheren Festspielberichte unter http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=50
http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=70
http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=71

|Hauptsächliche Quellen dieses jährlichen Essays sind die örtlichen Zeitungen: Wormser Zeitung, Wormser Wochenblatt und Nibelungen-Kurier.|

Starr, Jason – Twisted City

Für den Journalisten David Miller bricht eine Welt zusammen, als seine geliebte Schwester Barbara an Krebs stirbt. Er verliert seinen hochdotierten Job, muss sich bei einem kleineren Wirtschaftsmagazin verdingen und geht eine Beziehung mit der abgerissenen Bar-Tänzerin Rebecca ein, die ihm mehr Ärger als Freude bringt. Mit der jungen, flippigen Rebecca hat er zwar durchaus Spaß, doch seine Freunde ziehen sich zurück, Rebecca nimmt Drogen und verprasst sein Geld.

Nach einem Kneipenbesuch stellt David fest, dass er seine Brieftasche verloren hat. Bald darauf meldet sich telefonisch eine Frau, die sie gefunden hat. Es stellt sich jedoch heraus, dass Sue, die Finderin, ein abgehalfterter Heroin-Junkie ist, die David erpressen will. Zu allem Unglück kommt auch noch ihr gewalttätiger Freund Ricky dazu und greift David an. Im darauffolgenden Kampf wird Ricky von David tödlich verletzt.

Was jetzt beginnt, ist ein wahrer Albtraum für David. Sue weigert sich, Rickys Leiche allein zu entsorgen. Aus Angst, von ihr bei der Polizei verraten zu werden, beseitigt David den Toten. Aber damit nehmen die Probleme kein Ende …

|Vielschichtige Charaktere|

So richtig durchschauen kann man eigentlich niemanden in diesem Roman, und das ist schon einer der Punkte, die seine Faszination ausmachen. Im Mittelpunkt steht der durchschnittliche David, dessen Leben gerade den Bach runtergeht. Seine Finanzen sehen seit seinem Jobverlust bitter aus, seine ausgeflippte Freundin Rebecca geht mit seinen Kreditkarten einkaufen, er fühlt sich einsam und er leidet nach wie vor unter dem Tod seiner Schwester. Immer wieder präsentieren sich dem Leser kurze Rückblenden über Gespräche und Erlebnisse mit Barbara, die zeigen, wie innig die beiden Frühwaisen einander verbunden waren.

David glaubt, es kann schlimmer kaum kommen – doch dann geschieht genau das. Aus Notwehr tötet er einen Drogendealer, aber seine Chancen, seine Unschuld zu beweisen, stehen schlecht. Die heroinsüchtige Sue erpresst ihn und ein unbekannter Dritter hat seine Finger mit im Spiel. Bald hat David keine Ahnung mehr, wem er noch trauen darf. Rebecca weigert sich, seine Wohnung zu verlassen und reagiert hysterisch auf die Trennung; die drogensüchtige Sue, die eigentlich ganz anders heißt, wechselt ständig zwischen Hilfsbereitschaft und Erpressung hin und her und der Stress auf der Arbeit gibt David den Rest.

|Spannung bis zum Ende|

Die Spannung wird bis zum Schluss durchgehalten, denn in diesem Roman ist so ziemlich alles möglich. Jason Starr lässt seine Figuren leiden und jeden von ihnen kann jedes Schicksal treffen. Mehrere der Charaktere sterben und bringen damit neue Wendungen in die Handlung. Der Leser fragt sich, ob David für den Tod von Ricky verantwortlich gemacht wird, welche Ausmaße die Epressung von Sue einnehmen wird, welche Richtung die Beziehung zu Rebecca nimmt und letztlich auch, welche Rolle die besondere Bindung zwischen der verstorbenen Barbara und ihrem Bruder spielt.

Es gelingt Jason Starr gut, zunächst das etwas deprimierende, aber immer noch durchschnittliche Leben seines Protagonisten zu zeichnen, das sich allmählich in einen Horrortrip verwandelt, aus dem es für David scheinbar kein Entrinnen gibt. Auch wenn er dem Leser sicher nicht uneingeschränkt sympathisch ist, verfolgt man gebannt sein Schicksal, das demonstriert, wie das Leben eines Durchschnittsmenschen völlig aus der Bahn geraten kann, eingebettet in eine Mischung aus Thriller, Beziehungsdrama und bitterböser Satire.

|Abruptes Ende|

Die Schwäche des Romans liegt im zu knapp gehaltenen Schluss. Es wirkt, als habe der Autor das Buch überhastet beendet. Die Ereignisse überschlagen sich, die Pointe kommt auf raschen Füßen daher und manche Dinge fügen sich zu einfach. Das liest sich im Gegensatz zu den vorher aufgebauten Probemfeldern zu simpel und enttäuscht ein wenig. Besser wäre gewesen, sich hier etwas mehr Zeit zu nehmen und drei, vier zusätzliche Seiten auf die Schilderungen der Entwicklungen zu verwenden.

Ein weiterer, wenn auch nicht gravierender Punkt ist die Ähnlichkeit zu Starrs anderen Werken. Seine rabenschwarzen Thriller verlaufen nach einem Muster, das dem Leser bekannt vorkommt. Auch bei „Tob Job“ etwa geht es um einen Durchschnittstypen in den Dreißigern, der ein deprimierendes Leben führt, das mit einem Mal aus den Fugen gerät und ungeplante Todesfälle bereithält. Ähnliches gilt in etwas abgeschwächter Form für „Die letzte Wette“. Nicht, dass es schadet, alle seine Romane zu lesen, doch es ist mit gewissen Abnutzungserscheinungen zu rechnen.

_Fazit:_ Ein schwarzhumoriger, rasant geschriebener Thriller über Erpressung, der bis zum Ende fesselt. Die undurchschaubaren Charaktere sorgen für Spannung, ebenso die überraschenden Wendungen. Negativ sind nur der recht offene und sehr kurz gehaltene Schluss sowie die Parallelen zu anderen Romanen des Autors.

_Der Autor_ Jason Starr, Jahrgang 1968, wuchs in New York auf und schreibt seit seiner Collegezeit. Vor seiner Karriere als Schriftsteller arbeitete er unter anderem als Telefonverkäufer. Diese Erfahrungen brachte er in seinen Debütroman „Top Job“ mit ein. Alle seine Krimis zeichnen sich durch schwarzen Humor aus. Weitere Werke sind „Die letzte Wette“, „Ein wirklich netter Typ“ und „Hard Feelings“.

http://www.diogenes.de/
http://www.jasonstarr.com

Aster, Christian von – Im Schatten der Götter

_Trailer_

Ein durch und durch runder Thriller mit übernatürlichen Horrorelementen.

Eine unerklärliche Serie von Todesfällen auf den Straßen Berlins versetzt Kommissar Mathesdorf in helle Aufregung: Menschen ersticken ohne erkennbare Ursache. Seine Ermittlungen führen ihn tief in die sagenumwobene Vergangenheit des schwarzen Kontinents. Erst als ein mysteriöses Videoband und eine schöne Afrikanerin auftauchen, scheint sich der Nebel zu lichten. Doch nun beginnt der Alptraum erst recht, denn eine übernatürliche Macht bedroht die ganze Welt.

_Rezension_

Noch nie war ich so ambivalent beim Verfassen einer Rezension, gehen doch die Leistungen des Autors und des Verlages weit auseinander. Fangen wir mit dem einzigen Lichtblick an: der Autorenleistung. Christian von Aster erzählt in gewohnt „munterer“ Manier einen Mystik-Krimi, der die Brücke zwischen dem modernen Berlin und dem mystischen Afrika baut. Wie immer wird man sofort von dem umtriebigen Autor und Multitalent in die Handlung gezogen und von der ersten Seite an unterhalten; mit dem typischen „von asterischen“ Augenzwinkern-Zynismus, der lebendiger nicht sein könnte.

Das Buch handelt von einer mysteriösen Mordserie in Berlin, die den ermittelnden Hauptkommissar Jochen Mathesdorf und seine Kollegen vor Rätsel stellt. Auch Simon Grauerts ehemaliger Freund, Floyd Wittgenstein – in dessen Villa eingebrochen wurde und es ebenfalls Todesopfer gab, und dessen Reichtum auf dem ominösen Schiffsfund |Neruda| beruht, die er vor der Küste Afrikas geborgen hat -, gehört zu den Dreh-und Angelpunkten, um die sich die Todesfälle ranken. Mit der |Neruda| hat Wittgenstein auch eine goldene Schatulle mit Edelsteinen geborgen. In ihr ruht M’tu Yayee, der Schattenschläfer und Gott des Stammes Wasania. Wittgenstein, von Habgier ergriffen, bricht die Steine aus ihren Fassungen und verkauft sie. Darunter auch einen in Gold gefassten, der den Schattenschläfer bannt – oder sollte man sagen bannte? Grauert begegnet einer schönen Farbigen, die eine zentrale Rolle in dem Geschehen innezuhalten scheint und Grauert in ihren Bann zieht. Immer deutlicher kristallisiert sich heraus, dass die afrikanische Schattengottheit, der Schattenschläfer, als Mordinstrument agiert!

So weit, so gut. Doch kommen wir zum Verlag. Und da kann man wirklich nur sagen: es ist wirklich unglaublich was |Eloy Edictions| hier für satte zwölf €uro abliefert. Über das nichtssagende Cover, das dem Inhalt in keiner Weise den würdigen Rahmen verleiht, lässt sich ja noch streiten. Aber über die fehlerhaft gesetzten Seitenränder, Hammellücken, Hurenkinder (Anm. d. Ed.: Einzelzeilen eines Absatzes, die durch einen Seitenwechsel abgetrennt wurden) u. v. m. nicht. Das Lektorat jedoch setzt dem Ganzen die Krone auf. Es ist eine Meisterleistung der Fehlerhaftigkeit! So etwas habe ich wirklich noch nie erlebt!

Es gibt keine einwandfreien Bücher, das erwartet auch (so gut wie) keiner, aber hier wird ein Buch auf den Markt geworfen, in dem es vor Fehlern nur so wimmelt. Wer die neue Rechtschreibung nicht beherrscht, sollte sich weiterhin der alten bedienen oder sich einen Lektor verdingen, der sein Metier zumindest halbwegs versteht. Wenigstens rein orthographisch. Aber auch stilistisch wurde hier wohl gedruckt, was der Autor abgeliefert hat. Und das ist eine Schande, denn ein gutes Lektorat sollte die Leistung des Autors immer unterstützen und abrunden. Hier wurde über jeden Fehler hinweggelesen. Es sollte in Anlehnung an die Goldene Himbeere im Filmgeschäft ein Zerbrochener Federkiel in der Literatur vergeben werden – und der gehörte 2005 |Eloy Edictions|, als erschreckendes Beispiel dafür, welche Art von Titeln oftmals angeboten werden und den Markt für ernsthaft herausgebrachte Bücher verstopfen. Was aber viel schlimmer ist: So wird bei den Lesern der Ruf der Kleinverlagsszene ruiniert, die sich redlich müht, Autoren, die keine Heimat in der Großverlagslandschaft erhalten, eine gute und vor allem professionelle Möglichkeit der Veröffentlichung zu bieten.

Aufgrund der eklatanten Verlagsfehler und gemessen an dem saftigen Preis bekommt dieses „Werk“ keine Kaufempfehlung. Umso bedauerlicher, weil der Autor Besseres verdient hätte! So bleibt mein Tipp an ihn, vorsichtiger in der Wahl seiner künftigen Verlage zu sein.

http://www.vonaster.de/
http://www.eloyed.com/

Godderidge / Floch – Slhoka 2 – Die Gärten der Sangali

Band 1: [„Die vergessene Insel“ 3795

_Story_

Im erbitterten Krieg zwischen Zeide und Okrane ist bereits das siebte Jahr angebrochen, doch scheinbar haben die rücksichtslosen Machthaber aus Okrane nun endlich eine Waffe erschaffen, mit der sie die Schlacht zu ihren Gunsten entscheiden können. Im Gebiet des Lamprizer-Archipels bereiten sie vor allen verborgen die absolute Waffe vor, müssen sich jedoch ständig gegen die Guerilla-Kämpfer der einstigen Paradieswelt Link-Arkhoide behaupten, die die Infiltration der brutalen Okraner keinesfalls tolerieren möchten.

Unterdessen macht auch Slhoka ein weiteres Mal Bekanntschaft mit Coroner Kraal und seinen Spießgesellen, die sich seine Mutantenkräfte einverleiben möchten und die von ihm ausgehende Gefahr einzuschränken versuchen. Als Slhoka mit Hilfe der Götter flüchten kann, gerät er urplötzlich vor das Anwesen seines einstigen Freundes und Kollegen Ar’n, der in einer Holo-Botschaft eine geheime Botschaft für Slhoka hinterlassen hat und ihm darin verdeutlicht, dass Okrane das Ende der Welt vorbereitet. Nur mit den Informationen, die Ar’n in einem weiteren Holo gespeichert hat, könnte Zeide ihre Kontrahenten aufhalten und die Apokalypse verhindern, so dass ihm die Hilfe der verräterischen Söldnerin Svendai gerade recht kommt, als Okrane ihn ein weiteres Mal angreift.

Mit Svendai versucht er nach Zeide durchzubrechen, wird auf dem Weg jedoch gleich mehrfach angegriffen. Doch Slhoka muss noch eine weitaus bitterere Pille schlucken: Seine einstige Geliebte Leidjill wurde von den Feinden derart manipuliert, dass sie zur erbitterten Kampfmaschine mutierte und sich nun eiskalt gegen ihren Partner stellt. Wird er seine Liebe je wiederfinden? Und droht sie ebenso wie die gesamte Welt Link-Arkhoide in Trümmer zu stürzen?

_Persönlicher Eindruck_

In der zweiten Episode der frisch aufgelegten Comic-Serie aus der Feder von Ulrig Godderidge ergeben sich nunmehr die ersten deutlichen Zusammenhänge. Waren die Zusammenhänge in „Die vergessene Insel“ noch recht vage und lieferten lediglich die Basis für eine ansprechende und durchweg gelungene Einleitung, so klärt die Rahmenhandlung in „Die Gärten von Sangali“ nun viel deutlicher auf und macht „Slhoka“ endgültig zu einem enorm temporeichen Spektakel, eingebettet in eine äußerst vielschichtige, schwer durchschaubare Story.

Die Rollen der Hauptcharaktere bringen immer mehr Details hervor; so erfährt man einiges über die eigentliche Bedrohung, die Link-Arkhoide eventuell den Untergang bescheren wird. Von einer ultimativen Waffe ist die Rede, einem Machtkonstrukt, das die Verhältnisse des Krieges mit einem Mal auf den Kopf stellen könnte, und dessen Existenz erst jetzt ans Tageslicht kommt. Infolge dessen sind die einzelnen Parteien nun zum Handeln gezwungen; die Dschungelbewohner stellen sich dem Kampf, Zeides Söldnereinheit greift ins Geschehen ein und auch Slhoka wird sich seiner neuerlichen Funktion immer deutlicher bewusst und ist fest entschlossen, die Mission, die er einst mit seinem Freund Ar’n Arunja startete, würdevoll zu einem Ende zu bringen.

Insofern öffnet sich gleichzeitig ein viel breiterer Kosmos, der eine ganze Reihe neuer Charaktere in die Geschichte einfügt und darüber hinaus auch reich an geschickten Wendungen im Laufe der Handlung ist. Weiterhin gelten die wichtigsten Figuren als undurchschaubar, wenngleich ihre Motivationen prinzipiell eindeutig scheinen. Aber sowohl Svendai als auch die Dschungelbevölkerung sind eine geheimnisvolle Unkonstante, deren unscheinbares Dasein der Spannung zusätzlich zuträglich ist. Spannung geht zudem von den zahlreichen inhaltlichen Umbrüchen aus; Godderidge lässt es sich selten nehmen, den Plot durch radikale Einschnitte wieder auf den Kopf zu stellen, ohne dabei in irgendeiner Form für Konfusion zu sorgen.

Dies ist schlussendlich auch die wohl überzeugendste Kunst, die der Autor im zweiten Band meistert: „Die Gärten von Sangali“ ist gezeichnet von Überraschungen, Niederschlägen und vielfältigen Wendungen, bleibt als Story jedoch konstant homogen und in sich schlüssig. So gelingt es ihm einerseits, nach und nach etwas Licht in die vorab noch leicht verworrene Handlung zu bringen, andererseits aber auch, die mysteriöse Komponente der Erzählung samt der stetigen Unberechenbarkeit beizubehalten. Dank der erneut atemberaubenden Illustrationen seines Sidekicks Adrian Floch hat Godderidge somit erneut ein bildgewaltiges, spannendes und unheimlich abwechslungsreiches Comic-Werk erschaffen, das langsam alle gewöhnlichen Inhalte abstreift und sich zu einem eigenständigem, durch und durch überzeugenden Fantasy-Spektakel mausert. Respekt für diese tolle Symbiose aus mitreißender Erzählung und betörender Optik!

http://www.splitter-verlag.de/

Nibelungen-Festspiele Worms 2007. Teil 1

20. Juli bis 5. August 2007.

_Rückblick_

Nach nur fünf Jahren hat es Worms geschafft, sich bundesweit als Festspielstadt einen renommierten Namen aufzubauen. Trotz des durchweg miserablen Wetters 2006 während der Aufführungen konnte man eine Auslastung von 87 Prozent vorweisen, die Wochenenden waren zu 100 Prozent ausverkauft. Das Zuschauer- und Medieninteresse wächst von Jahr zu Jahr. Die Festspiele Worms gehören zu den führenden Theater- und Festivalereignissen neben Bayreuth und Salzburg. Immer mehr Prominente kommen auch zu den Premieren. Während die Besucherzahlen bei vielen Kulturereignissen überwiegend stagnieren oder sogar rückläufig sind, verzeichnen die Nibelungenfestspiele eine ständig steigende Nachfrage. Knapp 6000 Menschen kamen 2006 auch zu den Veranstaltungen im Rahmenprogramm (Lesungen, Konzerte und Theaterbegegnungen). Unzufriedene und Kritiker an der Durchführung der Festspiele – die es seit Anbeginn natürlich auch immer gab – werden innerhalb der Wormser Bevölkerung von Jahr zu Jahr weniger. Die Bewohner sind fast ausnahmslos stolz und begeistert. In Umfragen nach den Aufführungen 2006 bekundeten drei Viertel der Befragten die Ansicht, dass das ganze Projekt auch eine große Bereicherung für die Stadt Worms darstellt. Nur ein Viertel vertrat nicht diese Ansicht. Immerhin sind die Standpunkte klar, denn nur weniger als ein Prozent der Befragten hatte keine eigene Meinung dazu. Worms ist stolz auf seine Festspiele und genießt diese ereignisreiche Zeit. Manche fahren deswegen zur eigentlichen Urlaubszeit nicht mehr in Urlaub, denn sich in dieser Zeit hier aufzuhalten, macht Spaß und bringt Gewinn. Wer ausgerechnet dann wegfährt, verpasst einfach etwas.

Gegen Ende 2006 ging es dann bereits in die Öffentlichkeitsarbeit für die Saison 2007. Das neue Werk von Moritz Rinke mit dem Titel „Die Nibelungen – Die letzten Tage von Burgund“ war fristgemäß auch bereits fertig. Inszeniert wurde es erneut von Dieter Wedel. Es ist die Fortsetzungsgeschichte der Aufführung von 2006. Nach Siegfrieds Tod will Kriemhild Rache üben. Obwohl Worms 2006 mit rund 2030 Sonnentagen auf Platz 1 der sonnenverwöhnten Städte in Rheinland-Pfalz lag, konnte man das für die Nibelungen-Aufführungen im August nicht gerade sagen. In der Hoffnung auf besseres Wetter wurde die Premiere auf den 20. Juli 2007 vorverlegt, wodurch dann allerdings aufgrund anderer Verpflichtungen nicht alle Ensemble-Schauspieler erneut spielen konnten. Drei Rollen – König Etzel, Rüdiger von Bechelarn und Dietrich von Bern – mussten neu besetzt werden. Die Preise wurden aufgrund der Mehrwertsteuer-Erhöhung je Plätze um vier Euro herausgesetzt. Zu Beginn des Kartenverkaufs im Dezember gab es bereits 4000 Vorbuchungen und die Samstage waren wieder allesamt ausverkauft. Anfang Mai waren bereits 40 % der Karten von den 16 Aufführungen verkauft, mehr als im vorigen Jahr zur gleichen Zeit. Anfang Juli waren dann bereits 70 % verkauft. Bis zur Premiere dann 80 %, die Wochenenden sowieso. Dennoch wird immer wieder auch bemängelt, dass ALG-II-Empfänger wie auch mittlerweile der durchschnittliche Rentner finanziell sich solche Ausgaben nicht leisten können. Die Bilanz nach den Aufführungen war sehr erfolgreich: Die Auslastung lag bei 93 %, alle Wochenende waren zu 100 % ausverkauft.

Bei den Festspielen in Worms mischen sich Theater, Film und der Dom als großartige Kulisse zu einem einzigartigen Event-Spektakel. Man kehrt im Grunde zu den Ursprüngen des Theaters zurück und spielt quasi auf dem Marktplatz. Die Spielstätte des tausendjährigen Kaiserdoms ist im Grunde einer der Hauptdarsteller. Dieter Wedel brachte diesmal kein Historienspiel auf die Bühne, sondern zeichnete die heutige Sicht der Dinge. Keine einzige Szene ist aus der ursprünglichen Version erhalten geblieben und das Ganze somit die ungewöhnlichste Nibelungen-Interpretation, die es bislang gab. Ein Polit-Thriller, ein „Mafia-Thriller“ im Stil der 20er Jahre, der im Vorfeld schon für große Spannung sorgte. Keine mittelalterlichen Gewänder mehr, sondern schwarze Kleider für die Damen, die Herren Sonnenbrillen und dunkle Anzüge. Beim Nibelungenforscher Jürgen Breuer stieß diese Interpretation aber auf Kritik, da er die Gesamtheit der Aussage des Nibelungenliedes auf den Kopf gestellt sieht. Seiner Ansicht nach lassen sich überflüssige Umgestaltungen nicht als Interpretation bezeichnen und inhaltliche Veränderungen sollten grundsätzlich tabu bleiben. Dem Lied seien Neuerfindungen von Figuren und Gestalten schädlich. Von der Festspielseite – wie aber auch von anderen Nibelungenforschern – wurde diese Kritik aber nicht nachvollzogen. Denn Sinn eines erfolgreichen Theaters sei es, Diskussionen in Gang zu setzen. Die Aktualität des alten Epos liegt ja gerade darin, dass es immer wieder neu interpretiert wurde. Schon zur Pressekonferenz, auf der Besetzung und neues Stück vorgestellt wurden, kamen zahlreiche Agenturen, Fernsehsender und Journalisten aus ganz Deutschland.

Die Absprachen mit dem Dompropst mussten in diesem Jahr noch kalkulierter als sonst verlaufen, damit der Zeitplan auch stimmt. Denn auf dem „Platz der Partnerschaft“, wo sich der Backstage-Bereich befindet, standen Gerüste für umfangreiche Domsanierungen. Bis Ende Mai sollten diese Arbeiten tatsächlich dann auch abgeschlossen sein, um Platz für Catering-Zelte und Garderoben zu schaffen. Allerdings fand noch das Jazzfestival an diesem Platz statt, das erst zum 1. Juli endete, was mächtig Stress bereitete. Gleich am nächsten Tag wurden die Bühne abgebaut und in Windeseile Container und ein Zelt für Schauspieler und Techniker errichtet. Auch wurden vorzeitig gegen die jährliche Lärmbelästigung für die Anwohner Maßnahmen ergriffen. Auf Aufforderung der Struktur- und Genehmigungsbehörde (SGD) wurde ein Lärmgutachten in Auftrag gegeben. Nach den gesetzlichen Richtlinien dürfen Veranstaltungen in dieser Art über 22 Uhr hinaus nur an zehn Tagen im Jahr stattfinden, bzw. es gibt für besondere Ereignisse wie die Festspiele auch Ausnahmen. Allerdings darf man in den Nachtstunden dennoch nicht über 55 Dezibel kommen. Deswegen endeten die Aufführungen auch strikt um 23.45 Uhr. Das Schauspielerzelt durfte darüber hinaus bis um ein Uhr als notwendiger Rückzugsraum zur Verfügung stehen. Im Vorfeld wurden um die 100.000 Euro in eine „leisere“ Technik investiert und Ansagen wurden nur noch über Ohrmikrophon mitgeteilt. Mit dem Einsatz moderner Lautsprecher-Systeme kann der Schall sehr genau auf bestimmte Punkte gerichtet werden. Auch die Tribüne wurde mit schallundurchlässigem Holzwerkstoff hinter und über den Zuschauern verkleidet. Ein in der Nähe der Tribüne stehender Messwagen maß dann alle Geräusche und schickte die Aufzeichnungsprotokolle an die SGD. Das hatte auch bestens funktioniert, nur bei der Premierenfeier war es mit 65 Dezibel kurzfristig lauter als erlaubt. Auf einer im Vorfeld eigens einberufenen Anwohnerversammlung wurde über diese Maßnahmen informiert und auch gemeinsam die fertig gestellte Tribüne besichtigt. Die Bedenken der Vorjahre wurden dabei schon ausgeräumt, die Maßnahmen positiv beurteilt und gegenseitiges Verständnis gezeigt. Zudem wurde wie in den Vorjahren für eine Verkehrsberuhigung gesorgt. Die Schlossgasse hat in dieser Zeit eine Schranke, für deren Öffnung die Anwohner Münzen erhalten. Im Juni hatte dann der Aufbau begonnen. Innerhalb kürzester Zeit standen die 15 Meter hohe Tribüne und der Bühnenunterbau (400 Quadratmeter große Bühne, Bühnenbreite 30 Meter, Bühnentiefe 13 Meter mit 2,50 Meter Höhenunterschied, der angeglichen wurde) und dann folgte auch schon die Montage von Licht und Ton. Das Bühnenbild benötigte 400 Liter Farbe und zudem 1500 Quadratmeter Teppichboden, außerdem zwölf Stellwände für verschiedene Ansichten. Diffizil war das Aufhängen der Scheinwerfer, denn es konnten keine Löcher dafür in den Dom gebohrt werden; somit waren diese frei hängend mit Seilen am Dach befestigt. 110.000 Einzelteile wurden verbaut. Im Vergleich zur Hebbel-Inszenierung – ebenfalls am Nordportal – wies die neue Tribüne 1610 Sitzplätze auf 45 Stufen auf, also 160 mehr als vor zwei Jahren. Die Tribünenzugänge wurden, um das Kommen und Gehen zu erleichtern, von zwei auf drei erhöht. Auch die Seitenbühnen wurden um die Hälfte vergrößert, weil mehr Bühnenelemente zum Einsatz kamen. Da der Platz auf der Nordseite viel kleiner ist als auf der Südseite, wurden für die Filmeinspielungen rollende Leinwände eingesetzt.

Die Proben für das Stück – in diesem Jahr wieder auf dem kleineren Nordportal des Wormser Doms (wo nach den Aufführungen von Karin Beier erstmals Dieter Wedel ebenso inszenierte) – begannen Anfang Juni. Da das Wormser Spiel- und Festhaus, wo immer geprobt wurde, wegen Neubau abgerissen werden wird, musste ein neuer Ort gefunden werden. Das Wormser EWR hatte rechtzeitig eine Halle in der Klosterstraße erworben und für kulturelle Zwecke umgebaut. Für die Nibelungenfestspiele ist diese Halle der Hauptstandort für die nächsten drei Jahre. Auch Maske, Kostüme und der Waffenmeister hatten dort Quartier bezogen. Geprobt wurde dann dennoch – da sich die Arbeiten fürs neue Festspielhaus verzögern – wie zuvor im bisherigen Festspielhaus bis zum Wormser Jazzfestival und danach ging es erst an den Dom, wo „open air“ weitergefeilt wurde. Dies wurde wegen Regens doch noch mal um einen Tag verschoben. Als es dann so weit war, sorgte noch mal ein Schauer für eine Pause. Das Wetter war auch im Juli dieses Jahres sehr wechselhaft, einige Tage später wurde dann bei 42 Grad geprobt. Kühlaggregate begannen zu ächzen und einzelne Maschinen fielen aus. 400 Flaschen Wasser mussten von außerhalb angefordert werden, um die beteiligten 200 Personen mit Flüssigkeit zu versorgen. Um die Lärmbelästigungen für Anwohner zu verringern, wurde in diesem Jahr wie oben erwähnt bei diesen Proben auf Ansagen über die großen Lautsprecher verzichtet. Auch durften Anwohner sich Proben exklusiv aus dem Zuschauerraum ansehen. Von 240 Eingeladenen waren aber nur 60 der Einladung gefolgt. Die Proben beginnen schon als Tradition mit der ersten Leseprobe des gesamten Stückes. Für die meisten Schauspieler ist das inzwischen so als käme man nach Hause. Herzlich drückt man sich unter den Bekannten, aber die Neuen werden ebenso freundlich begrüßt. Mit Spannung wurde dann bereits die erste öffentliche Festspielprobe erwartet, bei der die Presse erste Eindrücke gewinnen konnten. Es war u. a. eine Szene mit Brünhild (Annika Pages), Gunther (Roland Renner), Gernot (Sven Walser), Giselher (Andre Eisermann) und Hagen (Dieter Mann), zu denen Kriemhild (Jasmin Tabatabai) stieß, die Siegfrieds Sarg hinter sich herschleppt und die Verwandten des Mordes anklagt. Auch die rheinland-pfälzische Kulturministerin Doris Ahnen schaute sich diese öffentliche Probe in der ersten Reihe mit an.

Die ganze Schauspieler-Crew wird jedes Jahr von Anfang an in das öffentlich-gesellschaftliche Leben der Stadt Worms eingebettet. So waren alle wieder an einem gemeinsamen Tisch beim Jahresempfang von Oberbürgermeister Michael Kissel im Herrnsheimer Schloss zugegen, wo Tilo Keiner diesmal zugleich auch seinen Geburtstag feierte. Schwerpunkt der vielen Themen der dortigen Rede des Oberbürgermeisters sind natürlich auch die Nibelungen, und die Schauspieler gehören ganz klar zum Profil von Worms. Viele der Schauspieler ließen es sich auch nicht entgehen, während des Jazzfestivals in Worms das Konzert des Stargeigers Nigel Kennedy anzuschauen. Beim Straßenfest in der „Unteren Kämmergass“ und umliegenden Straßen gaben die Festspielstars Autogramme und standen Gesprächen mit der Bevölkerung direkt zur Verfügung. Auch gab es erneut ein Fußballspiel zwischen Stars und einer ausgewählten Wormser Mannschaft, die sich dafür bewerben konnte. Die Auswahl des Festspielensembles trat in diesem Jahr gegen die Frauenmannschaft der Wormatia Worms an, wobei das Nibelungen-Ensemble nach Elfmeterschießen mit 9:8 gewann. Zuvor hatte es am Ende 4:4 gestanden. Zum Nibelungenteam gehörten Tilo Keiner (Sindold), Sven Walser (Gernot), Frank Röth (Ortwin von Metz und Initiator), Sascha Kaiser (Kaufmännischer Leiter), Jens Thiele (Sponsoring), Stefan Lubojansky (Fahrer von Wedel) und weitere Mitglieder aus dem künstlerischen Team, der Kleindarsteller, der Technik von Ton, Licht und Bühnenbild. Für die zweite Halbzeit kam Moritz Rinke direkt vom Frankfurter Flughafen mit hinzu. Unter den Zuschauern waren auch alle Schauspieler, die nicht mit antraten. Fürs nächste Jahr plant die Ensemble-Mannschaft sogar ein richtiges Turnier, das sich über die ganze Festspielzeit erstrecken wird.

Die Filmeinspielungen während der Aufführungen erfolgten wie bisher mit Unterstützung des ZDF und wurden an vier Tagen im Andreasstift und Schloss Herrnsheim mit der Schauspieler-Crew gedreht. TV-Teams sind immer schon im Vorfeld der Festspiele mit dabei. Beiträge kamen am 6. Juli im ZDF-Mittagsmagazin (inklusive Interview mit Jasmin Tabatabai), am 7. Juli auf 3-sat im „Theater-Foyer“ sowie im SWR ein Bericht über die Dreharbeiten der Filmeinspielungen, am 20. Juli wieder im ZDF in „Leute heute“ mit André Eisermann und Jasmin Tabatabai in der mittelalterlichen Taverne „Pfister-Zunft“ am Wormser Rhein. Im ZDF liefen deutschlandweit vom 11. Juli bis zur Premiere täglich zweimal Werbetrailer für die Festspiele auf unterschiedlichen Sendeplätzen. Möglich war das, weil das ZDF ein Medienpartner der Festspiele ist. Fürs SWR-1 wurde mit Ilja Richter eine zweistündige Live-Sendung übertragen, zu der die Wormser ins EWR-Kesselhaus kommen konnten.

Die Festspiele erobern zunehmend auch die überregionalen Zeitschriften. Beispiele: In der „Revue“ gab es drei Seiten, die „Bunte“ folgte, ebenso die „Brigitte“. Allesamt zu verfolgen, ist gar nicht möglich, denn das Wormser Theater-Ereignis gehört zu den ganz großen Sommer-Open-Airs.

_Premiere 20.Juli_

Natürlich war im freien Verkauf die Premiere seit Monaten ausverkauft, aber die Festspiele überraschten damit, dass sie kurzfristig vor der Premiere noch einmal 90 Karten für den freien Verkauf zum regulären Kategoriepreis zuzüglich 75 Euro zur Verfügung stellten. Wer rechtzeitig kauft, hat aber auch sonst im Grunde kein Problem, an Premieren-Tickets zu kommen. Dazu muss man aber gleich zum Vorverkaufstermin Anfang Dezember zuschlagen oder sich noch früher vormerken lassen. Es gibt Vormerkungen bis 2009. Eine Woche nach Vorverkaufsbeginn sind normalerweise die freien Premierenkarten weg. Die wichtigste Frage auch vier Wochen früher als sonst im Jahr war dennoch auch dieses Jahr: Bleibt es trocken zur Premiere? Im vergangenen Jahr stand die Premiere unter heftigen Regengüssen. Die Nachrichten meldeten 80 % Wiederholungswahrscheinlichkeit. Zwar lagen Regencapes unter jedem Sitz, aber keiner wollte erneut im Regen sitzen. An anderen Aufführungsterminen kosteten diese Capes 1,50 Euro. Wegen Unwetter war bislang insgesamt nur eine Veranstaltung vorzeitig abgebrochen worden, das war im letzten Jahr. Das Warten auf die Promis für den Lauf über den „roten Teppich“ vorm Premierenabend war fast ebenso spannend, gab es doch bis kurz vor Schluss Zusagen, Absagen, Zusagen. Dutzende Fotografen, Journalisten, Schaulustige wie auch zahlreiche Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes sind dann vor Ort, wenn sich die Promis über den 40 Meter langen Teppich bewegen. Die Prominenten werden mit Skoda-Limousinen des VIP-Bringdienstes vorgefahren, und es schien glücklicherweise auch die Sonne. Nach dem Lauf über den Teppich unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen kommt dann direkt der Empfang des Oberbürgermeisters und nach der Premierenaufführung noch die Premierenfeier, für einen Teil der Promis im abgetrennten „Ensemble-Zelt“. Wieder abgesagt hatten u. a. in diesem Jahr Topmodel Eva Padberg und Schauspielerin Gudrun Landgrebe. Estefania Küster (Ex-Gefährtin von Dieter Bohlen) kam ebenfalls nicht – ohne Absage. Gekommen waren u. a. ZDF-Intendant Markus Schächter, ZDF-Moderatorin Annika de Buhr, Moderatorin Caroline Beil, Fernsehmoderator Cherno Jobatay, der frühere Wormser Kulturdezernent Gunter Heiland, Heylshof-Kurator Alfred Pointner, Skispringer Martin Schmitt, der Trainer von Bayern Leverkusen, Michael Skibbe, Fußballweltmeister von 1954 Horst Eckel, der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende im Bundestag Wolfgang Bosbach, der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag Fritz Rudolf Körper, die rheinland-pfälzische Kulturministerin Doris Ahnen, SPD-Landtagsabgeordnete Kathrin Anklamm-Trapp, Schriftstellerin Charlotte Link, Sängerin Ina Deter, an Schauspielern u. a. Eva Habermann, Uwe Bohm (der schon zweimal von Wedel angefragt wurde, den Siegfried zu spielen, aber nie Zeit hatte), Robert Dölle (Siegfried-Darsteller vom letzten Jahr), Peter Weck (auch Vorsitzender des Festspiel-Kuratoriums), Joachim Nimtz, Mario Ohoven, Janin Reinhardt, Inez Björg-David, zudem der Wormser Domprobst Engelbert Prieß, Autor Moritz Rinke, Oberbürgermeister Worms Michael Kissel und Jan van Weyde, Verleger von Bastei-Lübbe, Stefan Lübbe. Auch zwei Premieren-Karten-Gewinner der Wormser Zeitung wurden mit den Limousinen zum roten Teppich vorgefahren (mehr zu Gewinnspielen der WZ ganz am Ende des Essays). Insgesamt waren dies aber weniger bedeutende Persönlichkeiten als noch im letzten Jahr. Bis auf wenige Tropfen Regen blieb das Wetter dafür bestens. Für das Festbüfett sorgten 28 Köche, deren Küchenchef Wolfgang Veits-Dittmann ist. 2,8 Tonnen Essen (z. B. 150 Kilo Ochsenlenden, 100 Kilo Crepe-Teig, 250 Kilo Obst und Gemüse, fünf Paletten Sekt und 2500 Sektgläser) standen für die Premiere bereit. Zusätzlich zu den Köchen gehörten 50 Personen zum Service. Nachts um eins zur Premierenfeier gab es auch Kulturprogramm. Eine Soulsängerin sang im Park, während alle sich im Hauptzelt mit den köstlichen Leckereien bestückten. Richtiggehender Geheimtip war ein Schokobrunnen, an dem Kiwistücke, Erdbeeren und Ananasecken bereitlagen, um an Holzspießchen in die immer weiter fließenden Schokoladenfluten getaucht zu werden. Die Getränke – selbst in den Pausen – müssen trotz der überhöhten Premierenpreise von den Nicht-VIPS selbst bezahlt werden. Noch nachts um zwei Uhr sammelten Kamerateams um das Ensemble-Zelt Stimmen ein. Die Premiere ist einfach eine riesengroße Sommerparty, bei der vor allem auch über das Stück leidenschaftlich debattiert wird. Auch nach der Premiere erscheinen noch wichtige Gäste zu den Aufführungen, z. B. Vertreter der Landesregierung, die sich für künftige Unterstützung ihren eigenen Eindruck einholen. Innenminister Karl Peter Bruch wie auch Jens Beutel (OB der Stadt Mainz) waren sehr angetan von der Inszenierung sowie dem Heylshof-Ambiente.

Das neue Stück war ein großes Risiko. Nicht nur wegen der Inszenierung an der Dom-Nordseite mit weniger spektakulären Bildern, sondern durch mehr Konzentration auf die Beziehungen innerhalb der Rollen, vor allem auch, weil die Nibelungen seit letztem Jahr zweigeteilt waren und der zweite Teil fast nichts mehr mit dem klassischen Stoff zu tun hat. Die moderne Fassung ist dieses Jahr sehr radikal. Das von den Nazis missbrauchte Epos ist hier eher ein antifaschistisches Stück geworden. Auch die Rückseite des Programmhefts wirbt mit „Welcher Staat mordet nicht im Interesse des Staates?“ Am Burgunderhof herrscht ein korruptes Regime, überall der Geheimdienst, der auf „political correctness“ achtet und selbst vor Gewalt gegenüber den „Oberen“ bei Zuwiderhandlung nicht zurückschreckt, sehr viele Soldaten in Nazi-ähnlichen Uniformen. Der Hof als Ledermann-Träger erinnert deutlich an Gestapo und Staatssicherheit. Gleich nach dem Begräbnis von Siegfried verschwistern sich Kriemhild und Brünhild, die noch mehr als Kriemhild um Siegfried trauert. Mit Gunter hat sie nun auch endgültig nichts mehr am Hut. Zwar endet diese Frauenkumpanei schnell mit dem spektakulären Selbstmord von Brünhild aus Trauer um Siegfried, und so lässt sich Kriemhild auch durchaus schnell auf Etzel ein. Allerdings nicht aus Racheplänen heraus, sondern um noch einmal etwas Neues anzufangen, das ihrem Stand gemäß ist und ihr guttut. Auch hat sie einen Sohn mit Siegfried, der allerdings bei Hagen zurückbleibt. Etzels Hof sieht aus wie in Russland zu kommunistischen Zeiten – auch mit den entsprechenden sowjetischen Militär-Uniformen und den roten Streifen -, Hunnenkönig Etzel dagegen fährt schon in einer amerikanischen Stretch-Limousine vor, zusammen mit seiner Privatsekretärin, die auch nach der Hochzeit mit Kriemhild seine Geliebte bleibt. Wedel bringt da sehr viel Persönliches mit ein. Etwas Sex ist bei Wedel immer dabei – Gunther sitzt nackt in der Badewanne und steigt auch nackt heraus, eine Magd sitzt mit in der Wanne. Busen werden öfter kräftig betatscht. Dass trotz der engen Beziehungen zur Katastrophe kommt, liegt weniger an Kriemhilds Rache, sondern an politischen und wirtschaftlichen Kumpanei-Interessen zwischen Etzel und Hagen. Es trifft vor allem das Fußvolk, das aussieht wie die Wehrmachtssoldaten vor Stalingrad. Es herrscht auch nicht die bekannte Nibelungen-Treue, wo alle Hagens wegen in den Tod stürzen, sondern ganz gegenteilig wird Hagen von Gunter und seinen Brüdern wegen seines korrupten Verhaltens entlassen. Auch sterben nicht alle Burgunder in diesem Stück. Der anständigste ist natürlich Kriemhilds Bruder Giselher, gespielt von Eisermann. Dass Hagen König Gunther umbringt – natürlich mit der Knarre -, stammt nicht aus der Vorlage von Autor Moriz Rinke, das hat Wedel dazuerfunden. Das Ende ist tatsächlich zu abrupt. Plötzlich lodern Flammen, Schüsse fallen, alles geht sehr schnell und Kriemhild huscht von der Bühne. Manche blieben wegen der Komplexität etwas ratlos zurück. Aber auch für die Fortsetzung des Stückes vom letzten Jahr gab es wieder lang anhaltenden siebenminütigen Applaus.

Das Medienecho konnte dieses Jahr noch weiter gesteigert werden. Zwar druckten 72 Zeitungen einfach wieder die Besprechung der dpa nach, aber viele überregionale wie lokal naheliegende Blätter brachten auch eigene Premierenberichte. Wie schon in vergangenen Jahren sind diese dann eher kritisch als positiv. Viele finden einfach auch, dass ein Filmemacher (Wedel) kein Theater machen dürfe – nur entweder oder. Rinke habe deswegen eigentlich ein Fernsehspiel geschrieben. Eigentlich eine nicht wirklich begründbare Ansicht. Aber so geht es tatsächlich allen Filmregisseuren, die Theater machen – ob Eichinger, Färberböck oder Doris Dörrie, niemand findet da Gnade. Obwohl mir das Stück gut gefällt, muss ich anmerken, dass auch mich immer der Gedanke beschleicht, wann endlich der „Nibelungen-Film“ von Wedel kommt. Wedel gilt zudem in seinen Inszenierungen als zu schamlos. Aber Diskussion und verschiedene Ansichten gehören zu gutem Theater einfach auch dazu. Einzig Jasmin Tabatabai wurde einhellig für ihre Rolle der Kriemhild überall gelobt, wobei in Worms der Publikumsliebling dieses Jahr Ilja Richter war. Aber tatsächlich spielten alle grandios. Und auf die Zeitungsfeuilletons folgten auch die „Gazetten“-Berichte der Regenbogen-Presse (z. B. „Gaza“, „Bunte“, „Frau im Spiegel“, „Revue“). Dort steht immer weniger das Stück im Vordergrund, sondern der Promiklatsch mit bunten Premierebildern. Kritik an Worms gibt’s dort deswegen keine. Auch die Fernseh- und Radiosender beurteilten das Stück wesentlich besser als die Feuilletons der großen Blätter. Im Grunde ist es nicht so wichtig, wie die Kritiken ausfielen. Für Worms war wichtig, dass es erneut bundesweit präsent war; dies bringt Menschen hierher und zahlt sich für Hotels und Gastronomie aus.

Am Tag nach der Premiere setzt sich bereits das Kuratorium zusammen und bespricht schon das nächste Jahr – ohne aber schon alles zu entscheiden. Zwar war auch in diesem Jahr das Wetter sehr wechselhaft – alle paar Tage sehr heiß oder kalt und regnerisch. Aber keine einzige Veranstaltung musste unterbrochen oder abgesagt werden.

_Besetzung_

Die Besetzung ist auch in diesem Jahr wieder hochkarätig ausgefallen.

_Jasmin Tabatabai_ spielt die Kriemhild im zweiten Jahr. Sie wurde am 8. Juni 1967 in Teheran geboren und ist in Persien aufgewachsen. Schon in ihrer Schulzeit an der Deutschen Schule in Teheran übte sie sich in Schauspielkunst. Noch vor der Machtübernahme von Revolutionsführer Khomeini kam sie nach Deutschland. Ihr Abitur machte sie 1986 im bayrischen Planegg. Danach studierte sie an der Hochschule für Musik und Kunst in Stuttgart. Ihre Karriere als Filmschauspielerin begann 1991 mit dem Kinofilm „Kinder der Landstraße“. Den ersten kommerziellen Erfolg – und auch den Durchbruch in ihrer Karriere – hatte sie 1997 in „Bandits“. Mehr zu ihr gibt es weiter unten auch unter „Rahmenprogramm“ und dort unter „Theaterbegegnungen“, wo sie einen Soloauftritt mit Gitarre hatte. An weiteren Filmen überzeugte sie mit „Late Show“ von Helmut Dietls oder als laszive Sängerin Billie in Xavier Kollers Tucholsky-Adaption „Gripsholm“. 2001 kam ihr Debüt-Album „Only Love“ heraus. 2002 kam ihre Tochter Angelina Sherri Rose zur Welt. 2005 wurde sie für ihre Rolle in dem Kinofilm „Fremde Haut“ – sie spielt eine junge Iranerin, die aus ihrem Heimatland fliehen muss, weil sie der Homosexualität bezichtigt wird und ihr nun die Todesstrafe droht – als beste Hauptdarstellerin für den deutschen Filmpreis 2006 nominiert. Mit der letztjährigen Nibelungenaufführung kehrte sie zur Bühne zurück. In diesem Jahr brachte sie gleich zu Beginn der Proben ihre kleine Tochter mit und wohnte nicht mehr am Stadtrand, sondern mitten in der City, so dass sie zu Fuß zur Bühne gehen konnte. Mit Heino Ferch drehte sie gerade den Kinofilm „Meine schöne Bescherung“ über das Weihnachten einer Patchwork-Family. Zudem hat sie ihre neue CD produziert, mit der es im Oktober und November auf Tournee geht. Der Titel ist „I ran“, was auch „Iran“ gelesen werden könnte – eine Doppeldeutigkeit, die auf ihre iranischen Wurzeln verweist.

_Annika Pages_ spielt Brünhild im zweiten Jahr. In der Originalversion isst und trinkt Brünhilde nach Siegfrieds Tod drei Tage nichts mehr und ist dann verschwunden. In der Rinke-Fortführung dagegen hat sie einen richtigen Abgang als die Siegfried am meisten Liebende. Zusätzlich zur Brünhild gestaltete sie im diesjährigen Kulturbegleitprogramm auch einen Liederabend. Pages spielte in diversen Kino- und Fernsehfilmen, unter anderem auch in „Die Affäre Semmeling“ von Dieter Wedel, in der sie an der Seite Robert Atzorns dessen Freundin Doris Berg spielt, oder „Peter Strohm“, „Die Verbrechen des Professor Capellari“, „Mann sucht Frau“ und „Unser Opa ist der Beste“. Geboren wurde sie 1968, besuchte die Staatliche Hochschule für Musik in Hannover, danach erhielt sie eine Gesangsausbildung in Hamburg und München sowie eine Tanzausbildung an der Royal Academy of Dancing in Hamburg und London, hatte Engagement am Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg, am Staatstheater Stuttgart, Schauspielhaus Zürich sowie am Deutschen Theater Berlin. Nach einer zehnjährigen Schauspielzeit an den Kammerspielen in München wechselte sie an das Bayrische Staatstheater, wo sie bis 2004 engagiert war. Am Deutschen Theater Berlin war sie in Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ zu sehen. 1994 bis 2004 spielte sie erst an den Kammerspielen München, dann am Bayrischen Staatsschauspiel. Auch ein Hörbuch „Cocktails der Verführung“ hat sie aufgenommen. Der Kabarettist Georg Ringswandl hat einen Text mit dem Titel „Annika Pages – Wo der Barthel den Most holt“ über sie verfasst. Für das richtige individuelle Outfit in der diesjährigen Wormser Aufführung fuhr sie zu Probenbeginn selbst nach Mannheim, um beim Festspiel-Sponsor Engelhorn ihre Kleider auszusuchen. In der Eisdiele am Markplatz trinkt sie regelmäßig ihren Latte Macchiato, wo man sie täglich antrifft, aber auch wegen ihrer beiden Kinder – die sie dabeihat – öfter im Tierpark wie auch in der Jugendbücherei. Immer wenn es regnet, geht sie dahin und liest. Abends zum Essen geht sie natürlich wie die meisten ins Restaurant „Carbonara“. Mit dabei in Worms war auch ihre Mutter, die ansonsten auf die Kinder aufpasste.

_Anouschka Renzi_ spielt Sylva, die ehemalige Geliebte von König Etzel. Das ist keine große Rolle, aber eine sehr schöne. Dass Etzel Kriemhild heiratet, ist für Sylva fatal. Renzi ist Tochter der Schauspielerin Eva Renzi und Adoptivtochter von Paul Hubschmid. Renzi wurde am Lee Strasberg Institute in New York ausgebildet und war in vielen Theater- und Fernsehproduktionen zu sehen. Ihr erstes Engagement war am Theater „Volksbühne“ in Berlin. Bekannt ist sie auch durch ihre Arbeiten an „Peer Gynt“ mit Peter Zadek geworden und durch Wedels „Die Affäre Semmeling“ und „Der Schattenmann“. Vom Fernsehen her kennt man sie außerdem aus „Tatort“, „Soko Leipzig“, „Ein Fall für zwei“ oder „Klinikum Berlin-Mitte“. Sie erhielt die Rollenanfrage, als sie in Bochum die Hedda Gabler spielte, und wurde völlig überrumpelt mit diesem Angebot, zu dem man nicht „nein“ sagen konnte. Da sie eine kleine Tochter mit einem Ehemann aus der Pfalz hat, ist ihr Worms nicht unbekannt. Zudem saß sie Im letzten Jahr auch schon auf der Zuschauerbühne zu den Nibelungen, betrat aber auch mit anderen die Heylshoftreppe als VIP-Gast. Schon dabei entlud sich ein Blitzlichtgewitter der Regenbogenpresse-Fotografen.

_Dieter Laser_ spielt König Etzel. Begonnen hat er unter Gustav Gründgens am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Neben Engagements an Theaterhäusern (München, Zürich, Berlin, wo er die Schaubühne Berlin mitbegründete) und bei den Salzburger Festspielen übernahm er bisher über 70 Hauptrollen in Film- und Fernsehproduktionen an der Seite von Stars wie Burt Lancaster, Glenn Close oder Julie Christie. Zuletzt war er zu sehen in „Ich bin die Andere“ mit Katja Riemann. Da er in der Nibelungenaufführung Kriemhild liebt, bereitete es ihm besonderes Vergnügen, täglich auf seinem Arbeitsweg am Straßenschild „Kriemhildenstraße“ vorbeizulaufen. Auch die anderen Nibelungennamen-Straßenschilder sind ihm aufgefallen. Anzutreffen war er sonst eher weniger. Er saß lieber stundenlang in seiner Privatwohnung und blieb zurückgezogen.

_Dieter Mann_ ist in der Rolle des Hagen zum ersten Mal bei den Festspielen mit dabei. Eine Freilichtarbeit in diesem Umfang hatte er noch nicht gemacht. Als ehemaliger Intendant des Deutschen Theaters Berlin wurde er danach durch seine Rollen in über 80 Filmen deutschlandweit populär. In „Der Untergang“ war er in der Rolle des Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel zu sehen. Im Film „Kasper Hauser“ hatte er bereits schon einmal mit André Eisermann zusammengearbeitet. Der Ausschlag, das Angebot Dieter Wedels anzunehmen, ging von Götz Schubert aus, der in Worms früher schon den Siegfried spielte und am Deutschen Theater arbeitet. Die Nibelungen-Festspiele in Worms kannte er inhaltlich zuvor allerdings bislang nur von der Aufzeichnung des ZDF. Eine Traumrolle ist der Hagen für ihn nicht. Worms nahm er mit allen Sinnen auf und war in ganz normalen Gaststätten anzutreffen. Angesehen hat er sich ansonsten den Judenfriedhof, die Reste der Stadtmauer, natürlich das Dominnere, das Museum im Andreasstift und dessen Sammlung von Gläsern aus dem vierten Jahrhundert (denn er ist selber Sammler von Gläsern).

_Roland Renner_ spielt König Gunther im zweiten Jahr und seine Rolle hatte im neuen Stück noch mehr Facetten als im Jahr zuvor. Renner absolvierte seine Schauspielausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule in München. Es folgten Engagements an den großen Bühnen im deutschsprachigen Raum: Schauspielhaus Köln, Schauspielhaus Zürich, Deutsches Schauspielhaus Hamburg und an den Salzburger-Festspielen. Wilfried Minks engagierte ihn für seine Produktion von Peter Turrinis „Tod und Teufel“ sowie die Dostojewski-Adaption „Der Idiot“, beides am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Mehrfach hat er mit Johann Kresnik zusammengearbeitet: in Hamburg bei dem Projekt „Gründgens“, am Schauspiel Hannover in Büchners „Woyzeck“ und der „Antigone“ des Sophokles, bei den Salzburger Festspielen in „Peer Gynt“ nach Henrik Ibsen. Neben seiner Theaterarbeit wirkte er auch an Fernseh- und Kinoproduktionen mit, u. a. „Zwei Tickets nach Hawaii“ von Markus Imboden oder ein „Tatort“ in der Regie von Thomas Jauch.

_Jörg Pleva_ ist in der Rolle des Dietrich von Bern zum ersten Mal mit dabei. Er hatte Wedels Angebot, dabei zu sein, angenommen, ohne zu wissen, wen er spielen wird. Dietrich von Bern ist bei Wedel ein sehr verletzter Kriegsveteran mit Halskrause und verzerrter Stimme. Mit solchen Rollen scheint es nun auch weiterzugehen; in einem nächsten Engagement spielt er erneut einen Kriegsveteran im Rollstuhl. Pleva wirkte in Wedels jüngstem Fernsehfilm „Mein alter Freund Fritz“ mit und ist aus „Tatort“, „Der Kommissar“ oder „Das Millionenspiel“ von 1970 bestens bekannt. Im letzten Jahr hatte er sich die Festspiele noch als Zuschauer angesehen und spielte auf der Bühne ganz in der Nähe in Heppenheim. In Worms selbst war er nicht viel unterwegs. Am liebsten saß er im Foyer seines Hotels, um Zeitungen oder Nietzsche zu lesen.

_Ilja Richter_ spielt Rüdiger von Bechelaren, den Gesandten von Etzel. Der gebürtige Berliner und ehemalige „Disco“-Moderator (1971 bis 1982) machte sich am Theater als Schauspieler, Autor und Regisseur einen Namen. Aber auch in zahlreichen Filmen hat er mitgewirkt sowie Kolumnen in der „taz“ geschrieben. Nach Worms spielt er die Hauptrolle in „Kiss me, Kate“ in Düsseldorf. In diesem Jahr erscheint auch ein Kinderbuch „Bruno – von Bären und Menschen“ von ihm und er gibt seine ersten Pop-Konzerte mit den Musikern von Manfred Krugs Band. Letztes Jahr war er noch im Publikum bei den Festspielenn dabei. Worms kannte er bereits durch seine Tourneen, zuletzt mit „My Fair Lady“ im Festhaus. Fast hätte es doch nicht geklappt, dieses Jahr dabei zu sein, denn er stand im Juni noch in Düsseldorf mit dem Stück „Blattschuss“ auf der Bühne. Aber Wedel stellte seinen Probenplan darauf ein, und so fuhr Richter wochenlang von Düsseldorf um 7.25 Uhr nach Worms und mittags um halb drei wieder zurück.

_Tilo Keiner_: Keiner wurde 1962 geboren, stammt aus Düsseldorf und besuchte zwei Jahre die London Academy of Music and Dramatic Art. Seit 1986 spielt er Theater in Köln, Nürnberg und Trier. Neben Engagements am Ernst-Deutsch-Theater in Hamburg und vor dem Schauspielhaus Bochum stand er von 1993 bis 1995 am Schauspielhaus Nürnberg auf der Bühne. Seit 1995 wirkt er in deutschen und englischsprachigen Film- und Fernsehproduktionen mit. Neben zahlreichen Fernsehserien wie „SOKO 5113“ oder „Girlfriends“ verfügt er auch über Hollywood-Erfahrung, wo er mit Steven Spielberg in „Der Soldat James Ryan“ arbeiten konnte. Im deutschen Kino spielte er in „Der Ärgermacher“. In Stuttgart spielte er seit zwei Spielzeiten im „Abba“-Erfolgsmusical „Mamma Mia“. Auch bei mehreren Inszenierungen von Karin Beier, die noch 2005 in Worms die Nibelungen aufführte, hat er mitgewirkt. Dort spielte er die Rolle des Hunnen Werbel. Auch 2006 war er bei den Nibelungenspielen dabei und hatte sogar vier Rollen: Sindold, den Mundschenk, den finnischen König Jukka Thor, einen Sachsenkönig und einen üblen Burgunder. Dieses Jahr spielte er wieder Sindold. Außerdem gab er Aufführungen mit Jasmin Tabatabai als Sänger. Er war häufig in Worms aufzufinden – ob im Schwimmbad, im Fitnessstudio, im Silbersee oder Eiscafé – und stellte sich gerne den Fragen der Bevölkerung. Mit seinem Vermieter Wolfgang Melzer ging er auch regelmäßig laufen. Auch radelte er einfach den Rhein entlang. Solchen Ausgleich braucht er einfach, zumal er auch diplomierter Sportlehrer ist.

_André Eisermann_: Im Februar verstarb am Rosenmontag nach einer Herzoperation sein Vater Helmut Eisermann im Alter von 58 Jahren in Worms. André Eisermann konnte ihn noch am Krankenbett besuchen. Wie die ganze Familie war er Schausteller, zog mit einer Büchsenwurfbude durch die Republik und hatte sich erst 2004 zur Ruhe gesetzt. Bis zu seinem Tode war er Gast bei allen Nibelungen-Festspiel-Premieren. Schon Helmut Eisermanns Mutter Dorit, der der legendäre „Time Tunnel“ (eine Attraktion auf Volksfesten) gehörte, war bereits mit 58 Jahren, ebenfalls an einem Rosenmontag, verstorben. Der in Berlin lebende André Eisermann überlegt nun wieder, ganz nach Worms zu ziehen. Er wohnt auch während der Festspiele bei seiner Mutter. In der diesjährigen Saison spielte Eisermann Kriemhilds Bruder Giselher, wie in den ersten vier Produktionen schon. Letztes Jahr dagegen war er in der Rolle des Burgwächters zu sehen. Er hat für die Aufführung seine blonden Haare schwarz gefärbt, damit man ihn noch mehr mit seiner Schwester Kriemhild (Jasmin Tabatabai) identifizieren konnte. Er hat mit den Festspielen seinen großen Jugendtraum verwirklicht, denn schon immer träumte er davon, Theater vor dem Dom zu spielen. In Worms ist er vielen bekannt, aber oft kommen diese Bekannten nicht zu den Festspielen. Er wird eher auf seine Schauspielerei angesprochen, nicht auf die Rolle, die er bei den Festspielen innehat. Die meisten Besucher kommen nach wie vor von außerhalb. Der große Hype um Eisermann – aufgrund der Filme „Kaspar Hauser“ und „Schlafes Bruder“ – hat abgenommen, worüber er als Person eher froh ist als dem hinterherzutrauern. Solche Filme sind auch schwer zu toppen. Sehr gerne hätte er aber „Das Parfüm“ gespielt, weil er mit dieser Rolle an diese Filme hätte anknüpfen können. In der deutschen Fassung eines Disney-Films sprach er „Quasimodo“. 1998 brachte er mit dem verstorbenen George Taboris Mozarts Zauberflöte in einem Zirkus auf die Bühne. Sein Herz gilt aber den Festspielen in Worms, denen er noch viele Jahrzehnte vorhersagt. Seinen anderen großen Traum, in Worms am Tiergarten einen Nibelungen-Park zu errichten, hat er auch noch nicht aufgegeben. Er möchte das Thema Nibelungen auch populär und unterhaltsam an die Leute bringen. Anzutreffen in Worms war er vor allem im Fitnessstudio, im Tierpark-Café (das seiner Tante gehört), wo er mitunter hilft, Eis zu verkaufen, oder aber auch einfach als Gast sitzt. Seine eigene Garderobe zu den Festspielen hat er seit einigen Jahren im Lioba-Haus gegenüber dem Dom.

_Sven Walser_ spielt Gernot. Er hat unter anderem Engagements in Wien, Zürich und München. Zuletzt war er im Fernsehen in „Speer und er“ zu sehen. Da er vor seiner Schauspielerei Schwimm-Profi war, konnte man ihn abseits der Proben meist im „Heinrich-Völker-Bad“ in Worms seine Bahnen ziehen sehen. In den ersten Wormser Probewochen fuhr er allerdings zudem ständig noch zu Auftritten am Deutschen Theater in Berlin und schloss seine Dreharbeiten in Hamburg ab. Im Herbst steht er bereits wieder in München auf der Bühne.

_Frank Röth_ spielt Ortwin von Metz (eine Art Sicherheitschef am Hof von König Gunther). Aufgewachsen in der Nähe von Worms in Lampertheim, später in Weinheim und Bensheim (alles umliegende Orte), wirkte er in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen mit, u. a. „Tatort“, in Edgar Reitz Zweiteiler „Zweite Heimat“ sowie in der amerikanischen TV-Serie „Dirty Dozen“. Auch schrieb er mehrere Drehbücher für die ZDF-Krimireihe „Sperling“. In Worms saß er am liebsten an der „Strandbar 443“ mit Blick auf den Rhein.

_Laina Schwarz_ spielt die Rolle der Magd. Sie ist festes Ensemble-Mitglied im Jungen Schauspielhaus Düsseldorf. Sie sprang ganz kurzfristig für die verhinderte Nina Kolberg ein und verzichtete spontan auf ihren Teneriffa-Urlaub. Als Anfängerin sind ihr solche Angebote natürlich sehr wichtig, auch wenn sie nur wenig Text sprechen musste. Die Rolle der Magd ist die einer Hausangestellten, einer stillen Mitwisserin der Tragödie am Hof, die aber nicht eingreifen darf. In Düsseldorf spielt sie als nächstes im „Parzival“ die Rolle der Hexe Kundrie.

_Mark Hinkel_ spielt den jungen Hauptmann (den Sohn von Siegfried und Kriemhild). Er spielte zuvor u. a. bei den „Thurn und Taxis Schlossfestspielen“ im Stück „Der Name der Rose“ und im Tourneeprojekt „Antigona“ der mexikanischen Starregisseurin Perla de la Rose. Er ist der Bruder von Jörn Hinkel, Wedels Regieassistent. Dadurch war er in den vergangenen Jahren schon Besucher der Festspiele.

_Dominique Voland_, eine der beiden Lebensgefährtinnen von Dieter Wedel, spielt die Rolle der Dietlinde von Bechelaren, die vom eigenen Vater hilflos an König Gunther verschachert wird. Sie ist zum vierten Mal auf der Bühne dabei. Im letzten Jahr spielte sie eine Gefährtin Brünhilds auf Island. Ursprünglich hat sie eine klassische Ballettausbildung absolviert und am „Theater des Westens“ oder der Staatsoper Berlin getanzt. Später war sie Mitglied der Jazzdance-Company „MM Dancers“. Ihre erste Schauspielerei war bei Wedels TV-Mehrteiler „Affäre Semmeling“, dem weitere Rollen folgten.

_Andreas Bisowski_ steht in kleinen Rollen seit Beginn der Festspiele auf der Bühne, am deutlichsten als „Hans, der Bote“, den er auch im letzten Jahr schon spielte. Im Gegensatz zur komödiantischen Variante ist diese Rolle dieses Jahr ernster angelegt. In Worms grillt er am Rhein und sonnt sich am Kiesstrand. Ansonsten ist er im Fitnessstudio „Black & White“ anzutreffen, wo er in die Sauna geht, Salat isst oder Badminton spielt. Außerhalb der Festspiele spielt er in einer Krimiserie bei SAT.1 und in der TV-Serie „Der Landarzt“. Aber er schreibt auch. Im Stadttheater Heidelberg läuft eine Operette von ihm und für Jahresende ist ein Musiktheater in Berlin geplant.

_Weitere Mitwirkende_

_Dieter Wedel_: Intendant. Sein Vertrag besteht bis 2008, aber er hat mittlerweile grundsätzliches Interesse bekundet, auch danach mit den Festspielen verbunden zu bleiben. Er wird seinen Vertrag wohl bis zur Spielzeit 2011/12 fortsetzen. Dieter Wedel studierte Theaterwissenschaft, Publizistik und Geschichte an der Freien Universität Berlin. 1965 promovierte er zum Doktor der Philosophie. 1972 hatte Wedel seinen ersten großen Erfolg mit dem Dreiteiler „Einmal im Leben – Geschichte eines Eigenheims“. 1978 machte Wedel sich selbstständig und drehte als Regisseur und Produzent zahlreiche sozialkritische Fernsehspiele. Seit 2002 leitet er die Nibelungenfestspiele in Worms, zunächst als Regisseur, danach auch als Intendant. Wedel wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter 1993 mit der Goldenen Kamera, dem Adolf-Grimme-Preis und 1996 mit der Goldenen Romy. Im Februar wurde im ZDF sein Film „Mein alter Freund Fritz“ ausgestrahlt, den er 2006 während der Festspiele in Worms-Pfeddersheim geschnitten hatte (siehe dazu auch den letztjährigen [Festpielbericht).]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=71 Die Wormser behandeln diesen deswegen als ein „Wormser Produkt“, denn neben dem Staraufgebot mit Ulrich Tukur als Chefarzt Dr. Seidel, Veronica Ferres als dessen Ehefrau, Uwe Bohm als Krankenhaus-Verwaltungsdirektor und dem Tatort-Kommissar Maximilian Brückner als Fritz spielten die Schauspieler, die auch in Worms vor dem Dom spielten: Wiebke Puls, Robert Dölle, Valerie Niehaus, Wolfgang Pregler, Robert Joseph Bartl und Michael Wittenborn. Auch Wedels engste Mitarbeiter durften ran: Regie-Assistent Joern Hinkel, Wedels Öffentlichkeitsmitarbeiterin Monika Liegmann, die Freundin des Nibelungen-Autors Moritz Rinke, Dorka Gryllus, und Wedels Lebensgefährtin Monique Voland. Es „wormserte“ also gewaltig, denn allesamt begegnete man diesen Menschen ständig in der Nibelungenstadt. Sein neuester Zweiteiler wird dagegen in der ARD laufen. „Gier“ über einen Millionenbetrüger, der in Südafrika im Knast saß. Über die Besetzung ist noch nichts bekannt, aber Wedel bezieht in seinen Filmen zumindest auch Komparsen der Festspiele aus der Wormser Bevölkerung mit ein. Am 22. September erhält Dieter Wedel auf dem Alzeyer Winzerfest die „Georg-Scheu-Plakette“, den Weinkulturpreis der Stadt Alzey, der jährlich vergeben wird. Er geht an Personen, die sich in herausragender Weise Verdienste um die Region erworben haben. Für Wedel entschied sich die Jury, weil er mit der Inszenierung der Nibelungenfestspiele in Worms der gesamten Region Rheinhessen einen wertvollen kulturellen Impuls gegeben hat.

_Moritz Rinke_ ist Autor des diesjährigen wie letztjährigen Stückes. Zum ersten Mal stand er öffentlich allerdings eher im Hintergrund. Er ist nur als Gast zur Premiere erschienen und stand zum Abschluss der Heylshof-Interviews, welche die Wormser Zeitung mit den Beteiligten öffentlich veranstaltet, Rede und Antwort und signierte hinterher auch die neuen Bücher. Die Theaterfassungen der beiden Stücke 2006 und 2007 sind aktuell mit einem Nachwort des Dramaturgen John von Düffel als |Rowohlt|-Taschenbuch erschienen. Inzwischen hat er es neben Hebbel als Nibelungenautor auch in die Schulbücher geschafft. Mit seinem neuen zweiten Teil wollte er eigentlich noch etwas früher ansetzen, zu einer Zeit, als Siegfried noch lebt. Allerdings bestand Wedel auf einem richtigen Zweiteiler (was sicherlich auch sinnvoller war). Der Text, der in Buchform vorliegt, ist somit auch nicht identisch mit der Aufführung. Es ist allerdings auch üblich, dass Autoren ihre Texte loslassen und die Bühnenaufführungen anders sind als die geschriebene Vorlage. Seine Aktivitäten für die Nibelungen sind nun beendet, es wird keinen Rinke mehr geben in den nächsten Jahren.

_Rainer Hofmann_ ist erstmals als Dramaturg dabei. Er ist ansonsten künstlerischer Leiter des Festivals „Politik im Freien Theater“, das alle drei Jahre von der Bundeszentrale für politische Bildung veranstaltet wird; das nächste Mal 2008 in Köln. Er sprang kurzfristig für John von Düffel ein, der ausfiel, weil er Vater geworden ist. Ein Dramaturg bei den Nibelungenfestspielen steht bei den Proben dem Regisseur als Gesprächspartner bei, um über Spannungsbögen im Stück zu diskutieren. Außerdem ist der Dramaturg für die Gestaltung des 80-seitigen Programmheftes zuständig, in dem es in diesem Jahr auch einen Text von John von Düffel zur Entstehung des aktuellen Stücks gab wie auch u. a. ein Interview von Hofmann mit Dieter Wedel.

_Katharina Börner_: Chefmasken-Bildnerin. Insgesamt sind fünf für das Schminken der Schauspieler zuständig.

_Maria Reder_ ist seit 20 Jahren freischaffende Maskenbildnerin für Fernsehen und Theater, zuletzt im ZDF für die Serie „Bianca“. Seit sechs Jahren ist sie schon zuständig für die Schauspieler der Nibelungenfestspiele.

_Hannelore Dressler-Schneider_: Maskenbildnerin

_Nicola Olbs_: Maskenbildnerin

_Phil Hinze_: Maskenbildner

_Cornelia Ehrlich_: Leiterin der Statisterie. Zu Statisten selbst noch weiter unten mehr.

_Joern Hinkel_: Regie-Assistent von Dieter Wedel. Offiziell stand er dieses Jahr zum ersten Mal auch mit auf der Bühne – als Pastor. Gleich zu Beginn wurde ein lateinisches Gebet gesprochen, für das er zusammen mit Jasmin Tabatabai und Laina Schwarz eigens Lateinstunden absolvieren musste. Inoffiziell war er aber auch schon in den letzten Jahren unerkannt auf der Bühne mit dabei. Im vergangenen Jahr spielte er einen bayrischen Gesandten und einen finnischen Übersetzer. Außerhalb seiner Wormser Festspielaktivitäten – für die er vor eineinhalb Jahren fest nach Worms auch zog – hat er mehrere Opern inszeniert und einen Dokumentarfilm über einen Volksmusikforscher gedreht.

_Ulrich Mieland_: Geschäftsführer Nibelungenfestspiele. Als Geschäftsführer trägt er die gesamtwirtschaftliche Verantwortung und bildet eine Schnittstelle zwischen Intendanz und der Stadt Worms als Gesellschafterin. Außerdem führt und berät er das Team, kontrolliert die Aufbauarbeiten am Dom und achtet darauf, dass die Budgets eingehalten werden, was nicht immer möglich ist. Einnahmen sind z. B. wetterbedingt bei Open-Air-Events, Ausgaben dagegen feststehend.

_James McDowell_ ist künstlerischer Betriebsdirektor Nibelungenfestspiele. Er fügt die Künstler, Techniker und Mitarbeiter zu einem homogenen, funktionierenden Organismus zusammen. Seine größe Sorge gilt immer dem Wetter.

_Michael Kissel_: Oberbürgermeister der Stadt Worms

_Sascha Kaiser_: Kaufmännische Leitung
(mehr weiter unten unter „Sonstiges“ bei den „Umstrukturierungen)

_Simone Schofer_: Pressesprecherin der Festspiel-Gesellschaft. Spätestens zwei Tage vor der Premiere klingelt das Handy ununterbrochen. Termine werden koordiniert, Anfragen beantwortet. Auch nach der Premiere gibt es noch viele Interview-Anfragen. Die gesamte Presse muss im Vor- wie Nachfeld betreut werden. Allein zur letzten Fotoprobe hatten sich 40 Fotografen und neun Kamera- und Radioteams angemeldet. Vor der Fotoprobe gab es 46 Schauspieler-Interviews in zwei Stunden im 15-Minuten-Takt.

_Moni Liegmann_: Pressereferentin von Dieter Wedel

_Petra Simon_: Festspielmitarbeiterin und verantwortlich für das Kulturprogramm

_Angelika Rosin_: Festspielmitarbeiterin, kümmert sich um die Anwohner, Spezialarrangement und die Hostessen

_Technik-Crew_: unverändert zu 2006 unter _Michael Rütz_ (Technischer Leiter)

_Jörg Grünsfeld_: Tontechnik (zu Tontechnik selbst weiter unten bei Sonstiges)

_Christian Ruppel_: Tontechnik – verantwortlich für Material und Personal

_Juliane Eckstein_: Leiterin der Requisite

_Jens Kilian_: Bühnenbild

_Ilse Welter-Fuchs_: Kostümentwürfe. Es sind etwa 300 Kostüme, die bis zur Premiere fertig sein mussten. Im Grunde sind diese allesamt aufwändig im Stil der 20er Jahre gestaltet, was eines komplizierten Schnittaufbaus bedarf. Der 20er-Jahre-Anzug ist auf den Körper abgeformt und die Damengarderobe wird im Schrägschnitt verarbeitet, was viel mehr Stoffs als normal bedarf.

_Kerstin Matthies_ ist seit sechs Jahren Kostümbildnerin und hat an der Kunsthochschule in Hannover studiert. Bis zur Generalprobe wird die Kleidung immer wieder noch ausgebessert.

_Gerlinde Schiedrich_ leitet die Schneiderei. Stress vor der Premiere bereiteten ihr die zu klein angelieferten Uniformen der Soldaten an Etzels Hof, die zum Teil erweitert werden mussten. Auch Stiefel mussten kurz vor Schluss noch mit Gummibändern ausgekleidet werden, damit aus ihnen die Hosen nicht mehr herausrutschen konnten. Zudem mussten die Kleider der Etzel-Dienerinnen noch Ärmel bekommen und so manche Rocklänge angepasst werden. Auch Ilja Richters Reiterhose musste in eine Kniebundhose umgeändert werden.

_Klaus Figge_ ist Kampf-Choreograph der Festspiele. Verantwortlich ist er z. B. auch für eine kurze Filmsequenz mit einem zwölf Jahre alten Wormser Jungen, der den Sohn Siegfrieds spielt und Fechtunterricht erhält. Auch gibt es immer wieder kurze Szenen, wo Gernot oder Gunther zusammengeschlagen werden. Im Gegensatz zum letzten Jahr sind die Kämpfe aber weniger aufwendig. Figge machte schon als Kind Sportfechten und hatte im Sportstudium als Schwerpunkt Fechten und Kampfakrobatik. Danach hatte er einen Lehrauftrag an der Folkwang-Schauspielschule in Essen für Fechten und Akrobatik. Anschließend hat er sich ganz den Bühnenkämpfen mit Hieb- und Stichwaffen und Schlägereien sowie dem Theaterfechten zugewandt.

_Wolfgang Siuda_ ist musikalischer Leiter der Festspiele. Dieses Jahr war auch die Musik ohne Mittelalter-Anteile moderner als im Vorjahr. Es gab wieder verschiedene Motive und Musikwelten – eine für Etzel und eine für den Burgunderhof. Außerdem ein Gewalt- und Mordmotiv. Vorrangig wurde die Musik diesmal im Studio produziert. Livemusik gab es nur noch in geringerem Umfang durch die Wormser Trommler und eine Gitarrenspielerin und einen Bläser.

_Detlev Hahne_ ist Inspizient, der die ganzen Umbauten auf der Bühne koordiniert.

_Ilona Rühl_ ist Souffleuse und sitzt nicht mehr im Souffleusen-Kasten, sondern direkt in der ersten Reihe. Eigentlich musste sie bei den Aufführungen noch nie zum Einsatz kommen. Ihre eigentliche Arbeit läuft während der Proben.

_Patrick Gagneur_: Organisationsstab der Festspiele (u. a. für Aufbaukoordination)

_Marcus Dominiak_ ist zuständig für die Logistik der Festspiele.

_Anita Bauer_: Kantinenköchin. Bevorzugt wurde von den Schauspielern Rohkost-Salat, wozu das Dressing selbst gemacht wurde. Tomate-Mozarella war der Renner am Buffet. Natürlich gab es auch warme Mahlzeiten (eher vegetarisch). An Fleisch gab es nur Pute oder Hühnchen.

_Isabelle Bloedorn_ ist seit Anfang Juli in Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau bei den Festspielen. Sie lernte zuerst einmal Excel, um die Garderobe anzulegen, und verteilte in umliegenden Städten das Festspielprogramm oder unternahm Botengänge. Ihre Ausbildung erstreckt sich über zwei Jahre. Dabei ist entgegen anderen Ausbildungsstätten bei den Festspielen der Glamourfaktor extrem hoch. Sie hat alle Schauspieler um sich und überblickt die Telefonate der VIPs, die zur Premiere kommen.

_Olaf Kujawa_ ist Projektmanager für Gastronomie und Catering und fungierte als Schnittstelle zwischen dem Lufthansa-Party-Service und den Festspielen (mehr über Catering noch weiter unten bei Sonstiges). Er kommt aus dem Event- und Konzertbereich und arbeitete für Jürgen Drews, Otto Waalkes, DJ Ötzi und Nena. Sein größtes Catering war mit 4500 Personen für ein Schweizer Pharmaunternehmen. Außerdem organisiert er internationale Events für Hotels und Kreuzfahrtschiffe. Während der Festspiele war er im Heylshof anzutreffen, quasi als „Parkwächter“, der für den gesamten Ablauf zuständig ist.

_Christoph Noeller_ ist Leiter des Bereichs Sponsoring, einem der wesentlichen Bausteine der Festspiele. Zwar hat man anfangs ohne Sponsoren begonnen, aber das wäre auf Dauer nicht möglich gewesen. Die monetären Zuwendungen haben sich bei 1,3 bis 1,4 Millionen Euro eingependelt. Darüber hinaus werden Kooperationen aber auch im Rahmen von Leistung und Gegenleistung marketingtechnisch genutzt. Derzeit sind es 20 bis 25 Sponsoren. Da sich die Festspiele am Markt etabliert haben, ist die Tendenz steigernd. Schon jetzt wurden die Weichen für 2008 gestellt. Seit es Sponsoren gibt, ist noch keiner von ihnen wieder abgesprungen.

_Dimitry Shokhtov_: Fahrer bei den Festspielen. Er bekam diesen Job zufällig über seine Freundin, die gerade bei den Festspielen Praktikum macht. Im eigentlichen Beruf studiert er in Mannheim Diplom-Slavistik (Russisch) und BWL. Er wartet immer ab, ob die Schauspieler sich während der Fahrt unterhalten wollen. Aber meistens wollten sie das. Eine Diskussion mit Ilja Richter über den Kommunismus und die Frage, was wäre, wenn es die Revolution nicht gegeben hätte, wurde so intensiv, dass Richter am Schluss fast seinen Zug verpasst hätte.

_Pierre Günther_ kommt von der Security. Er bewachte während der Proben den Eingang zum Festspielgelände und achtet darauf, dass keine Privatpersonen hineingelangten und vor allem, dass keine Fotos gemacht wurden. Diese Paparazzis hielten sich aber zurück.

_Matthias Karch_: Leiter des Ticketverkaufs. Die beliebtesten Karten sind die der Kategorie 1 für 89 Euro. Diese – vor allem die Reihen 1 bis 10 – gehen am schnellsten weg, ansonsten werden die Veranstaltungen freitags und samstags bevorzugt. 25 % der Kartenkäufer kommen aus Worms, der größte Anteil dagegen ist überregional aus dem gesamten Bundesgebiet wie auch Schweiz und Österreich. Allerdings gehen auch Bestellungen aus Japan, Südafrika, Belgien oder Frankreich ein. Insgesamt gibt es 6000 Vorverkaufsstellen im deutschsprachigen Raum.

_Markus Reis_ ist seit mehreren Jahren VIP-Betreuer der Festspiele. Zum Arbeitsfeld gehören die Hotelbuchungen, das Abholen vom Flughafen und vor allem zuerst die Klärung der Frage, wer auf die VIP-Liste kommt. Dazu werden Zeitschriften, Internet, Klatschmagazine bis zum Politik- und Wirtschaftsteil der Zeitungen gesichtet. Diese Auswahlliste wird dann Dieter Wedel vorgelegt. Am Schluss stehen um die 420 Prominente auf der Liste, die zur Premiere eingeladen werden. 2006 kamen dann etwa 40 davon zur Premiere. In diesem Jahr sprachen auch Agenturen Markus Reis von sich aus an und fragten, ob der oder die nicht eingeladen werden könne.

_Uschi Oswald_ ist die Sekretärin der kaufmännischen Geschäftsleitung der Festspiele. Am Premierentag war sie zudem zum bereits vierten Mal für die Akkreditierung der VIPs zuständig.

_Statisten:_

Im April fand im Lincoln-Theater das Casting für die Statisten statt, zum Bewerben sind keine Schauspiel-Erfahrungen Voraussetzung. Die Proben nehmen allerdings viel Zeit in Anspruch. Für Berufstätige ist jeden Nachmittag und Abend nach der Arbeit zu Proben eine echte Doppelbelastung. Andere opfern ihren ganzen Sommerurlaub. Aber für viele ist es eine Erfahrung, die viel Kraft gibt. Über die Hälfte der Mitwirkenden kommt jedes Jahr wieder und manche fahren dafür täglich 30 Kilometer. Pro Probetag gibt es zehn Euro, pro Aufführung 25 Euro. Wegen des Geldes ist also sicher niemand mit dabei. Die meisten allerdings sind aus Worms. Noch nie kamen so viele zum Casting wie in diesem Jahr und nur ca. 30 von den 85 Bewerbern konnten ausgewählt werden. Erstaunlich viele hatten diesmal Vorkenntnisse, denn die Festspiele haben unter Kleindarstellern einen guten Ruf erlangt. Insgesamt waren dieses Jahr 80 Statisten dabei, die 50 „Stammstatisten“ von vorherigen Jahren wurden vorrangig genommen. Einige personelle Beispiele: Bereits seit sechs Jahren dabei ist _Ingrid Winter_, Hotelangestellte in Worms. Der Rest sind Schüler, Studenten, Hausfrauen, Berufstätige und Rentner. Einer der Neulinge war _Rüdiger Glaser_, selbstständiger Anlageberater aus Nordheim. Er war als Soldat und Arbeiter zu sehen. _Wolfgang Steinhauer_, Arzt, war schon vor Jahren durch Zufall als Statist bei einem Taviani-Film in Rom dabei. Er spielte jetzt einen General. _Iwan Wolfram_ und _Thorsten Kublank_ haben sich in den Jahren sogar zu Assistenten der Statistenleiterin _Cornelia Ehrlich_ hochgearbeitet.

_Helfer hinter den Kulissen_

Da sind noch etwa 100 „stille“ Helfer am Werkeln. Es werden Leitern gestellt, gebügelt, Beleuchter sind im Einsatz, Lichttechnik, Kabel werden getragen und Kulissen geschoben, Podeste hoch und heruntergefahren. Jeder kann sich denken, dass in solcher Weise jede Menge Arbeit anfällt. Jeden Morgen um elf Uhr fanden für Interessenten Backstage-Führungen statt.

_Tierische Darsteller_

Immer wieder spielen auch Tiere mit. Dieses Jahr die zwei Brieftauben „Tristan“ und „Isolde“. Verantwortlich ist der „Vogelflüsterer“ Christian Krey aus Wiesbaden. Bereits 2004 und 2005 trainierte er die Falken-Dame „Lisa“, die mit einem goldenen Schlüssel von einem nahen Balkon zu Siegfried fliegen musste. In diesem Jahr flogen die zwei Tauben aus ihrem Käfig von der Bühne hinaus, um den Dom aus den Blicken der Zuschauer 15 Kilometer „nach Hause“ nach Lampertheim. Da aber Dunkelheit oder Wetterverhältnisse durchaus Probleme machen können, war auch Ersatz für beide vorgesehen. Das Pferd „Parador“ war vorgesehen, dessen Szene dann aber doch gestrichen wurde. Er sollte das Pferd „Sidestep“ ersetzen, das in den drei vergangenen Jahren auf der Bühne zu sehen war. Im letzten Jahr waren zunächst vorgesehene Hunde erst bei der Generalprobe ebenfalls aus dem Stück gestrichen worden. Zu Beginn der Aufführung wurden auch jeweils 250 Schmeißfliegen eingesetzt, die gekühlt im Kühlschrank lagerten und gelähmt in Siegfrieds Sarg gelegt wurden, dort auftauten und bei dessen Öffnung herausflogen, um die Verwesung der Leiche zu verdeutlichen. Das konnte aber höchstens in den ersten Reihen gesehen werden.

_Hostessen_: In der Regel freundliche Studentinnen zwischen 18 und 25 Jahren von der FH Worms. In diesem Jahr 22 Frauen, die nicht mehr ausgeschrieben werden, da die Mundpropaganda ausreicht. Das Casting ist bereits im Januar und die Stellen sind sehr früh vergeben.

1500 Kilowatt Strom werden übrigens für die Festspiele benötigt, was die Totalversorgung eines kleinen Dorfes sicherstellen würde.

|Fortsetzung mit [Teil 2]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=81 |

Hiaasen, Carl – Reinfall, Der

Dass der Plan, ihre schon im zweiten Jahr vor sich hin dümpelnde Ehe durch eine romantische Kreuzfahrt neu zu entfachen, gescheitert ist, weiß Joey Perrone spätestens dann, als Gatte Chaz sie des Nacht über Bord der „Sun Duchess“ stürzt. Wider Erwarten überlebt sie den Aufprall und macht sich schwimmend voller Zorn und Überlebenswillen auf den langen Weg zur leider gar nicht nahen Küste von Florida.

Dort wäre sie höchstens als Rest einer Haifischmahlzeit angetrieben, hätte sie nicht der mitternächtlich angelnde Ex-Cop Mick Stranahan zufällig aus dem Wasser gefischt. Er haust auf einer kleinen Insel, wo sich Joey heimisch zu machen beginnt: Sie will sich an ihrem Ehemann rächen – und das keineswegs vor Gericht, sondern persönlich.

Warum hat Chaz Perrone sie umbringen wollen? Ein Motiv gibt es eigentlich nicht, denn an Joeys beachtliches Vermögen kommt er auch im Fall ihres Todes nicht heran. Weder Joey noch Stranahan, den die Langeweile dazu treibt, sich dem Rachefeldzug seines ‚Gastes‘ anzuschließen, ahnen zunächst von der Verbindung zwischen Chaz und dem kriminellen Großgrundbesitzer Samuel Johnson Hammersnut, genannt „Red“, der in den Everglade-Sümpfen riesige Plantagen von Arbeitern bearbeiten lässt, die er wie Sklaven hält. Red leitet giftgeschwängerte Abwässer in das naturgeschützte Gelände, und Chaz, der als Biologe für den Staat arbeitet, vertuscht dies, wofür er gut bezahlt wird.

Joey und Stranahan beschließen, Chaz durch Erpressung in Angst und Schrecken zu versetzen. Leider wendet sich ihr Opfer an seinen Boss, der daraufhin den Schläger Tool zu Chaz‘ Leibwächter ernennt. Chaz selbst wird vom misstrauischen Detective Karl Roolvag beschattet, der nicht glauben mag, dass Joey ohne ‚Nachhilfe‘ über Bord ging.

Ohne voneinander zu wissen, gehen die genannten Personen ihren Plänen nach. Natürlich kommt man einander bald ins Gehege, was eine Kette fataler, gewaltreicher und bizarrer Geschehnisse auslöst, die in einem Finale münden, das nur grotesk genannt werden kann …

Seit vielen Jahren führt Carl Hiaasen seinen Kampf gegen die skrupellosen Seilschaften, die möglichst den gesamten US-Staat Florida in eine betonierte Urlaubs- und Wohnanlage verwandeln wollen. 90 Prozent der ursprünglichen Urlandschaft wurden bereits zerstört und zersiedelt, und auch den Rest wollen sich kriminelle Geschäftsleute unter den Nagel reißen, wobei sie von gut geschmierten Politikern gern unterstützt werden.

Der Kampf ist ungleich, denn die wenigen Verteidiger der ökologisch kostbaren Sumpfgebiete werden als lästige Feinde des notwendigen Fortschritts dargestellt und stehen auch sonst auf weitgehend verlorenem Posten. Hiaasen hat sich dennoch nie davon abhalten lassen, in dem Versuch, das scheinbare Unvermeidliche zu verhindern, seinen ganz persönlichen Weg zu gehen. Sehr richtig geht er von der Prämisse aus, dass den meisten Menschen von Alligatoren bevölkerte Sümpfe recht gleichgültig sind und faktenreiche Aufklärungsaktionen sie bloß langweilen. Also verpackt er seine Botschaft in spannenden, sarkastisch-witzigen und gern gelesenen Thrillern, die das Problem also unterhaltsam angehen und trotzdem nie verniedlichen.

„Der Reinfall“ gehört zu den Hiaasen-Romanen, mit denen sich der Autor weiter aus dem Fenster lehnt als sonst. Die weiterhin fortgesetzte Vernichtung Floridas scheint ihn zu beflügeln, wenn er sich als Schurken keinen Drogendealer oder den im Krimi-Genre der Gegenwart so beliebten Serienkiller wählt, sondern einen Plantagenbesitzer, der in Obst und Gemüse macht. Bei näherer Betrachtung sind freilich auch in diesem Gewerbe mafiöse Machenschaften üblich, und „Red“ Hammersnut ist deshalb als Bösewicht überaus glaubhaft.

Joey Perrone will sich an ihrem mörderischen Gatten rächen, während Mick Stranahan sie unterstützt, als er erfährt, dass dieser ein Biologe in Staatsdiensten ist, der helfen soll, die gefährdeten Sümpfe zu bewahren. Stattdessen hat sich Chaz Perrone auf die Seite des ‚Feindes‘ geschlagen und treibt auf seine Weise den Ausverkauf der Natur mit voran. Das kann und will Stranahan nicht dulden.

Das Fundament ist gelegt, als Katalysator für das Folgende fügt Hiaasen noch den verrückten Tool hinzu, und dann nimmt die Geschichte ihren höchst irrwitzigen Gang. Was schon im Plan recht unausgegoren klang, entwickelt sich zum totalen Fiasko. Sowohl Stranahan und Joey als auch Hammersnut, Charles und Tool verlieren die Kontrolle über die Ereignisse. Was schiefgehen kann, geht auch schief, und Hiaasen beschreibt das mit dem ihm eigenen Einfallsreichtum.

Die Handlung wirkt in ihrer Abgedrehtheit umso besser, als der Verfasser über einen echten Sinn für Humor verfügt (der stabil genug ist, die Übersetzung zu überstehen). Das plumpe Kalauern, mit dem uns z. B. deutsche „Comedians“ belästigen, ist Hiaasens Sache nicht. Sein Witz ist einfallsreich und knochentrocken, und er unterstreicht das Geschehen, ohne ihm die Spannung zu rauben. Die Stimmung kann schnell ins Gewalttätige umschlagen, was daran erinnert, dass Umweltzerstörung kein Kavaliersdelikt ist.

Durch das turbulente Garn führt ein alter Bekannter: Mick Stranahan war schon in mehreren Hiaasen-Romanen die Hauptfigur. Er stellt das Alter Ego seines geistigen Vaters dar, das dieser dort kräftig zuschlagen lassen darf, wo er selbst sich zurückhalten muss. Stranahan ist der Stachel im Fleisch des korrupten Florida-Establishment, weshalb man ihn auch mit 39 Jahren nach dem politisch unkorrekten Feuergefecht mit einem kriminellen Richter zwangspensioniert hat. Damit hat er sich nur oberflächlich abgefunden. Finanziell leidlich abgesichert, hat er sich an den Rand der Gesellschaft zurückgezogen. Doch die Zivilisation folgt ihm so zügig, dass er nur ohnmächtig zuschauen kann, wie sich seine Zufluchtsstätten in überteuerte, uniformierte Wohnslums verwandeln.

Die Wut über den Ausverkauf treibt Stranahan regelmäßig in seltsame Abenteuer. Lässt er sich erst nur von Joey Perrone um den Finger wickeln – Stranahan kann trotz sechs gescheiterter Ehen nicht von den Frauen lassen -, steigt er voll in deren Racheplan ein, nachdem Chaz Perrones ‚Verrat‘ an der Natur offenbar wird.

Chaz schildert Hiaasen als Verkörperung des Versagens, dessen sich der Staat Florida schuldig macht. Ebenso intensiv wie ungeschickt bemüht man sich seit einigen Jahren, den kläglichen Rest der Everglade-Sümpfe zu bewahren. 8 Milliarden Dollar lässt man sich das kosten – Geld, das freilich in allerlei dunklen Kanälen versickert. Wieso das so ist, demonstrieren Zeitgenossen wie Chaz Perrone, ein miserabler Biologe, der sich seinen Doktortitel von einem Gangster kaufen ließ, dem er dafür gefälschte Gutachten liefert.

„Red“ Hammersnut darf dafür die Abwässer seiner Plantagen weiterhin ungeklärt in die Sümpfe abfließen lassen. Er ist der moderne Nachfahre jener Raubbarone, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert die USA als ihren Privatbesitz betrachteten, den sie ausbeuten und zerstören konnten, wie es ihnen beliebte. Heute sind die Gesetze scheinbar gegen sie, doch Hiaasen lässt uns durch Hammersnut vorführen, wie der Staat an der Nase herumgeführt wird. Die Zeche zahlt wie immer der brave, dumme Bürger, der sich an die Regeln hält, die für einen Hammersnut keine Gültigkeit besitzen.

Joey Perrone ist eine Frau, die endlich aufwacht. Bisher hat sie nach Mr. Right und einem Leben in traulichen Zweisamkeit getrachtet. Wie sehr sie gescheitert ist, musste sie erst der Sturz in den Ozean lehren. Nun will sie Vergeltung, ohne freilich zu ahnen, welche Aktivitäten sie damit in Gang setzt. Aber Joey ist lernfähig und in der Lage, sich den veränderten Verhältnissen anzupassen. Sie bekommt sogar ihren Kick an der Seite Stranahans, der eine anarchische Seite des Daseins verkörpert, die ihr bisher verschlossen geblieben ist.

Tool reiht sich in die Schlange der bizarren Killergestalten ein, die Hiaasen seit Jahren auf seine Romanhelden loslässt. Schon der Name macht deutlich, wo Tool in der Gesellschaft steht: ganz unten – ein Werkzeug, das sich einsetzen lässt, ohne sich um Gesetze oder Moral zu kümmern. Tool ist im Grunde eine Furcht erregende Gestalt, doch Hiaasen schildert ihn als fast sympathischen Schuft, der mit diversen, recht peinlichen Problemen zu kämpfen hat und gar nichts mit den glanzvollen Hollywood-Bösewichten gemeinsam hat. In dem Chaos, das ein Leben in Florida bedeutet, wirkt ausgerechnet Tool wie ein ruhender Pol. Er tut, was man ihm sagt, und kümmert sich um die großen Dinge dieser Welt einen Dreck. Das bewahrt ihn allerdings auch nicht vor einem Schicksal, das ihm im unpassenden Moment dicke Knüppel zwischen die Beine wirft, um ihm letztlich ein absurdes Happy-End zu gönnen.

Carl Hiaasen wurde 1953 in Florida geboren, ging hier zu Schule, studierte (bis 1974) Journalistik und ging anschließend zum „Miami Herald“. Bei dieser Zeitung ist er noch heute angestellt und schreibt Kolumnen und Berichte, in denen er jene Sünden anprangert, mit denen wir auch in seinen Romanen immer wieder konfrontiert werden. Zu schaffen macht Hiaasen besonders der unentwirrbare Filz aus Politik, Wirtschaft und Verbrechen, der Florida in Sachen Korruption und Umweltzerstörung einen traurigen Spitzenplatz in den USA garantiert.

Da Hiaasen die Erfahrung machen musste, dass seine wütenden Attacken im täglichen Mediengewitter mehr oder weniger untergingen, begann er ab 1981 Romane zu schreiben, die in spannender Thrillerform und scheinbar fiktiv die genannten Missstände auch jenem Publikum nahe zu bringen versuchen, das gemeinhin nur den Sportteil einer Zeitung zur Kenntnis nimmt.

Hiaasen schrieb seine ersten drei Romane mit dem Journalisten-Kollegen William D. Montalbano, bevor er sich mit „Tourist Season“ (dt. „Miami Terror“) 1986 quasi selbstständig machte. Schon früh begann er damit, die bittere Medizin, die er verabreichen wollte, zu versüßen, indem er dazu überging, immer groteskere Plots für seine ohnehin actionbetonten Geschichten zu entwerfen. Ironie und Sarkasmus, die jederzeit in blanken Zynismus umschlagen können, demaskieren die Welt, wie Hiaasen sie in Florida vorfindet, als Tollhaus.

Die Rechnung ging auf: Weil Hiaasen sein Talent, wirklich krude Geschichten mit knochentrockenem und dadurch um so wirksamerem Witz zu entwerfen, rasch zur Perfektion entwickelte, fand er sein Publikum, das ihm – aus gutem Grund – treu geblieben ist.

http://www.manhattan-verlag.de

_Carl Hiaasen auf |Buchwurm.info|:_
[„Dicke Fische“ 1895
[„Unter die Haut“ 2455

Palmiotti, Jimmy / Gray, Justin / Higgins, John / Hurst, S. J. – The Hills Have Eyes – Der Anfang

Wes Craven wird gerne als einer der noch lebenden Altmeister des US-Horror-Kinos gehandelt. Das Remake seines Films „The Hills Have Eyes“ darf sich auf jeden Fall sehen lassen. Das Original kam 1977 in die Kinos, das Remake 2006. Die Geschichte über eine amerikanische Familie, die während einer Reise durch die Wüste von New Mexiko in die Fänge von Mutanten gerät, war hart, blutig und ungeheuer spannend. Endlich einmal wieder ein Horror-Film, bei dem man die Fingernägel ins Sitzpolster graben konnte! Im März dieses Jahres folgte dann die Fortsetzung des Remakes, „The Hills Have Eyes 2“. Wer Spaß an den Mutanten-Szenarios hatte, bekommt jetzt das passende Lesefutter dazu. Der kürzlich bei |Cross Cult| erschienene Comic-Band erzählt die Vorgeschichte und füllt die Lücke zwischen dem ersten Film und der Fortsetzung aus.

Die Hauptfigur ist ein großer, kräftiger Mutant namens Hades, der sich zum Anführer der schlagkräftigen Truppe entwickelt, die sich in den verlassenen Bergwerken versteckt. Erzählt wird aus seiner Perspektive, der Leser blickt dem Monster sozusagen direkt über die Schulter. Viel Neues hat die Geschichte nicht zu bieten. Wer die Filme kennt, wird sich schnell in dem Comic-Szenario zurechtfinden und wissen, wohin der Hase läuft. Spaß macht das Lesen trotzdem. Die beiden streitenden Parteien, die Mutanten und das Militär, begegnen sich nämlich nicht als jeweils homogene Gruppe, sondern sie sind auch untereinander zerstritten. Eine gewisse Orientierungslosigkeit ist die Folge, die Schuld bleibt an der Atombombe hängen. Die Story ist durchdrungen von Grausamkeiten auf beiden Seiten der Kriegslinie. Die Dialoge sind akzeptabel und das Artwork und die Aufmachung des Comics sehen prima aus. Sicherlich eines der hochwertigeren Fan-Produkte, dem man nicht nur die Begeisterung für den Film, sondern auch für Comics – und das ist hier wichtiger – anmerkt.

http://www.cross-cult.de/

Kuhn, Krystyna – Engelshaar

Hannah Roosen hat es nicht einfach. Ihren alten Job beim bei Psychologischen Notdienst der Polizei musste sie aufgeben, nachdem sie den Selbstmord eines jungen Mädchens nicht verhindern konnte. Die Schuldgefühle quälen sie und sie hofft, dass es ihr mit ihrem neuen Job bei der gerade gegründeten Arbeitsgruppe des Frankfurter Vermisstendezernats V11 endlich wieder besser geht.

Doch wie das Schicksal es will, muss sie sich bei ihrem ersten Fall erneut mit einem jungen Mädchen beschäftigen, genauer gesagt mit zweien. Jelena Epp ist allerdings tot, ihre beste Freundin Marina Klaasen verschwunden. Die beiden stammen aus Kirgisien und sind gemeinsam mit einer strenggläubigen Glaubensgemeinschaft, der Bruderschaft Ebenezer, nach Deutschland gekommen. Während Marina sich deren konservativen Regeln beugt, findet Jelena Anschluss bei einer russischen Gang von Jugendlichen und beginnt ein Verhältnis mit Kolja, dem Kopf der Bande.

Die Arbeitsgruppe vom V11, die neben der Polizeipsychologin noch eine Computerexpertin, einen psychiatrischen Gutachter und die Kommissare Fischer und Liebler als Mitglieder zählt, steht vor einem Rätsel. Als Vorzeigeprojekt des Innenministers, das dessen Ruf vor der Landtagswahl aufpolieren soll, stehen sie schon kurz nach ihrer Gründung vor dem Nichts. Wo ist das Motiv zu suchen? In der religiösen Gemeinde, die Jelena wegen ihres Lebenswandels ausgestoßen hatte? In der Gang der russischen Jugendlichen, weil Kolja aufgrund von Jelenas Aussage in Haft sitzt?

Ein schwieriger Fall, den Hannah Roosen und ihre Kollegen da zu knacken haben. Krystyna Kuhn macht es ihnen nicht leicht, indem sie einen geschickt verschachtelten, aber zumeist übersichtlichen Krimi schreibt. Die Handlung ist originell, spannend und geschickt aufgebaut. Es wäre ein Einfaches gewesen, den Täter in einer der beiden verdächtigten Gruppen – die religiösen Gemeinde und die Jugendgang – anzusiedeln, doch Kuhn lässt sich nicht auf diese Ebene herab. Sie behandelt sowohl die Gläubigen als auch die jungen Russen mit Respekt und verzichtet auf gängige Vorurteile. Das führt dazu, dass die Suche nach dem Täter zwar komplex, aber sehr realistisch verläuft und durch ihre Tiefe besticht.

Der eigentliche Täter entpuppt sich als Randfigur, der nur wenig Bedeutung beigemessen wird. Dennoch ist das Motiv nachvollziehbar und überrascht, da es nicht in übliche Krimi-Muster passt. Es geht viel tiefer und Kuhn schafft es, die Beweggründe des Täters sehr plausibel und einfühlsam darzustellen. Sie lässt dem Menschlichen hinter dem Mord sehr viel Raum, so dass es als Leser schwerfällt, den Täter zu verurteilen.

Was den Roman, neben der Handlung, so lesenswert macht, ist die Hauptperson und Ich-Erzählerin Hannah Roosen. Hannah ist keine Heldin, sie ist eine ganz normale Frau und Mutter eines pubertierenden Fünfzehnjährigen. Während in anderen Büchern von Krystyna Kuhn entweder eine lebenslustige Singlefrau („Fische können schweigen“) oder eine eiskalte Karrierefrau („Wintermörder“) im Mittelpunkt standen, präsentiert die Autorin in „Engelshaar“ eine sehr alltägliche Frauenfigur.

Hannah ist ständig überarbeitet, hat zu wenig Zeit für ihren Sohn, in ihrer Ehe kriselt es und ihr neuer Job setzt ihr zu. Sie hat das Gefühl, nicht richtig ernst genommen zu werden, und arbeitet deshalb umso härter. Sie geht geradezu in dem Fall auf, und das kommt wiederum dem Leser zugute. Er ist hautnah am Geschehen und sieht alles durch Hannahs psychologisch geschultes Auge.

Da die Polizeipsychologin auf eine sehr menschliche Art in der Ich-Perspektive erzählt, konzentriert sich das Buch weniger auf die trockenen Ermittlungen als vielmehr auf die zwischenmenschlichen Töne des Geschehens. Gut sortiert und anschaulich dargestellt, überzeugen sie vor allem dank Hannahs sympatischem Erzählstil.

Anders als bei anderen Büchern der Autorin fehlt in „Engelshaar“ der teilweise sehr bissige Humor von Kuhn. Der Schreibstil ist Hannah angepasst, die zwar durchaus auch mal witzig sein kann, vordergründig aber eine vom Leben eingespannte Frau ist. Kuhn drückt sich gewählt aus, ohne überkandidelt zu klingen. Sie schafft mit ihrer treffsicheren Art für Sätze und Wörter ein dichtes Erzählnetz, das sehr mitreißend ist

Mit „Engelshaar“, dem dritten von mittlerweile vier Kriminalromanen, untermauert Krystyna Kuhn ihre Stellung als eine von Deutschlands aufstrebenden Krimiautorinnen. Sie schafft es, ihre anderen Bücher weder in Bezug auf die Handlung noch in Bezug auf Hauptperson zu kopieren. Hannah Roosen glänzt nicht durch Originalität, sondern durch Bodenständigkeit und unglaubliche Authentizität. Dadurch, dass sie in ihren Büchern ihren Schreibstil der jeweiligen Protagonistin anpasst, ist jeder Roman der Autorin ein ganz neues Erlebnis!

http://www.piper-verlag.de

_Krystyna Kuhn auf |Buchwurm.info|:_

[„Fische können schweigen“ 2882
[„Wintermörder“ 4037

Kuch, Roselyne – Die drei ??? Kids – Das Schloss-Geheimnis

_Schatzsuche in Rocky Beach_

In den letzten Monaten hat das bewährte Trademark „Die drei ???“ einen gehörigen Knacks bekommen. Ein ewig währender Rechtsstreit zwischen der Hörspielplattform |Europa| und dem Buch- und Spiellabel |Kosmos| hat dazu geführt, dass die Fanlager kurzzeitig entzweit wurden, weil |Europa| infolge des Urteils nunmehr nicht mehr den Original-Namen für ihre neuen Produkte verwenden darf. |Kosmos| sind letztendlich als Sieger aus der Geschichte hervorgegangen, so dass die Hörspielreihe fortan unter dem Titel „Die Dr3i“ weiterläuft. Fans sehen dies zwar nicht so gerne, haben den Wandel jedoch mittlerweile toleriert, zumal auf beiden Seiten weiterhin Qualitätsmaterial um die Jungs aus Rocky Beach aufgefahren wird. Der Spielverlag ergänzt dabei jedoch nicht bloß die Buchreihe, sondern hat mit „Die drei ??? Kids – Das Schloss-Geheimnis“ ein weiteres Kinderspiel um das berüchtigte Detektiv-Trio veröffentlicht – das insgesamt vierte im Bunde, nachdem in Rocky Beach spieltechnisch ganze sechs Jahre lang Ruhe herrschte.

Justus, Bob und Peter verschlägt es dieses Mal in das Schloss des Grafen O’Connor, in dessen Keller sich 16 einbruchssichere, verriegelte Türen befinden, die allesamt ein Geheimnis verbergen. Mit Glück und Geschick jagen die drei Detektive nach einem rätselhaften Schatz, dessen Entdeckung jedoch von der Überrumpelung unterschiedlicher Farbcodes abhängt. Erst wenn dies geschehen ist, können die Türen geöffnet und die Schatzkarte zusammengesetzt werden.

_Spielmaterial_

• 16 Türen
• 3 Farbwürfel
• 26 Münzen
• 16 Farbcode-Streifen
• 1 Spielanleitung

Das Spielmaterial ist vorwiegend zweckdienlich gestaltet. Die 16 Türkarten, auf deren Rückseite sich die einzelnen Teile der Schatzkarte befinden, sind zwar mit einer netten Grafik ausgestattet, dafür allerdings nicht wirklich stabil konstruiert. Ähnliches lässt sich auch für die Farbcode-Streifen sowie die Münzen sagen, die nach mehreren Partien bereits erste Abnutzungserscheinungen zeigen. Gerade im Hinblick auf die angesprochene Zielgruppe wäre ein bisschen mehr Liebe fürs Detail ebenso zu wünschen gewesen wie etwas dicker kartonierte Spielmittel. Schließlich wird „Das Schloss-Geheimnis“ sicherlich öfter auf den Tisch kommen, und da wäre eine langfristige Ausrichtung definitiv sinnvoller. Zumindest diesbezüglich fehlt es an Überzeugungskraft.

_Vorbereitungen_

Zu Beginn des Spiels werden die 16 Türen gemischt und schließlich zu einer Spielfläche von vier mal vier Karten mit der verdeckten Seite nach oben gelegt. Auf jedes Türschloss wird nun in beliebiger Anordnung ein Farbcode gelegt. Die Münzen werden aussortiert und zu einem Nachziehstapel bereitgelegt. Schon kann das Spiel beginnen.

_Spielablauf_

Die Spieler versuchen nun, mit den drei farbigen Würfeln die Farbcodes zu erwürfeln. Insgesamt hat jeder Spieler pro Runde bis zu drei Würfe, bei denen er selber entscheiden kann, ob er einzelne Würfel liegen lässt. Sobald er dabei einen treffenden Farbcode gesammelt hat, kann er die darunter liegende Karte aufdecken. Je nachdem, um welchen Teil der Schatzkarte es sich dabei handelt, erhält er nun die darauf abgebildete Anzahl Münzen ausgezahlt. Anschließend übergibt er die Würfel an seinen linken Nachbarn, der nun ebenfalls sein Glück versucht.

Während des Spiels gilt es auch noch einige Sonderregeln zu beachten. So enthält jeweils ein Würfel die Farben Schwarz und Weiß, die beide als Joker gelten. Jedoch muss Schwarz nicht immer ein Freifahrtschein sein; sollte der führende Spieler nämlich einen dunklen Würfel rollen, muss er dafür eine Münze an den letztplatzierten Mitspieler entrichten und gleichsam seinen Zug sofort beenden.

_Ende des Spiels_

Das Spiel endet sofort, wenn der letzte Farbcode erwürfelt wurde. Nun setzen alle Spieler die Teile der Schatzkarte gemeinsam zusammen. Als Letztes werden die Münzen gezählt. Derjenige, der die meisten Geldstücke besitzt, hat das Spiel gewonnen.

_Persönlicher Eindruck_

Nun, meines Erachtens wird hier ein wenig zu stark mit dem etablierten Namen „Die drei ???“ geworben. Rein inhaltlich hat das Spiel nämlich nicht im Geringsten etwas mit den drei Ermittlern aus Rocky Beach zu tun, da sie einerseits nicht persönlich auftauchen und andererseits auch keine erkennbaren Verbindungen rekonstruiert werden können. Dieser Fakt wird sicherlich so manchen Fan der Reihe ein wenig enttäuschen, wenngleich er nichts an den guten Eindrücken des lockeren Spielverlaufs ändert.

Im Grunde genommen ist „Die drei ??? Kids – Das Schloss-Geheimnis“ nämlich ein eines Glücksspiel mit einigen bekannten Elementen des Klassikers „Kniffel“, jedoch insofern modifiziert, als die Würfelresultate durch die Farbcodes vorgegeben sind. Inwiefern man hier erfolgreich ist, hängt zunächst zu einhundert Prozent vom Würfelglück ab. Jedoch kann man schon ein wenig taktieren, indem man Würfel zurückhält und ein gewisses Risiko eingeht, um ein bestimmtes Resultat zu erzielen. Aber da man ja niemals weiß, welchen Teil der Schatzkarte man aufdeckt bzw. wie lukrativ dieser nun gerade ist, ist Glück hier die entscheidende Kraft, die über Sieg und Niederlage bestimmt.

Trotzdem: Die Aufmachung ist ganz nett und Elemente wie das gemeinsame Zusammenbauen der Schatzkarte ein recht kommunikativer Part, der den Spielspaß ein wenig in die Höhe setzt. Mit einer Spielzeit von 10 bis 15 Minuten hat man auch genau richtig angesetzt. Da das Spiel aber insgesamt sehr simpel gestrickt ist, wird es hier wohl kaum zu Überforderungen kommen.

Zu kritisieren sind lediglich die fehlende Verbindung zu den echten Fragezeichen Justus, Bob und Peter sowie der leichte Mangel an wirklich fortschrittlichen Spielideen. Die Basis zu “
„Das Schloss-Geheimnis“ kann nämlich auch in diversen anderen Titeln, die auf diese Altersgruppe zugeschnitten sind, gefunden werden. Allerdings überwiegt letzten Endes schon der Spaß am Würfeln, wenngleich eine echte Sucht auszuschließen ist. Ein nettes Spiel, aber kein herausragender Titel.

http://www.kosmos.de

Hohlbein, Wolfgang – Horus

_Handlung_

Die ägyptische Katzengöttin Bast(et) kommt im Jahre 1888 nach London, um ihre Schwester Isis zu suchen, die sich in der Hauptstadt des britischen Empires aufhalten soll. Doch kaum hat sie das Schiff verlassen, wird sie von einem Falken angegriffen, den sie gerade so abwehren kann. Sind Isis und sie nicht die einzigen ägyptischen Götter in London?

Auf der Suche nach ihrer Schwester gelangt Bast ins Londoner East End. Doch dort treiben nicht nur Gottheiten ihr Unwesen, sondern auch ein Serienkiller: Jack the Ripper. Schon bald findet sich die Katzengöttin in einem Wirbel aus alten Verbindungen, Gefühlen, Verdächtigungen und unbändigem Hunger wieder …
Hohlbein, Wolfgang – Horus weiterlesen

Mark Hebden – Geisterstadt am Amazonas

Hebden Geisterstadt Cover kleinDrei Abenteurer begeben sich auf eine moderne Schatzsuche in den Norden Perus. In einer verfallenen Geisterstadt geraten sie nicht nur aneinander, sondern müssen sich auch vor der gefährlichen Natur in Acht nehmen … – ‚Kleiner‘ aber gelungener Abenteuerroman, der aus dem uralten Plot von der riskanten Suche nach dem versunkenen Schatz spannend das Beste macht.
Mark Hebden – Geisterstadt am Amazonas weiterlesen