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Peter V. Brett – Das Flüstern der Nacht (Dämonenzyklus 2) (Lesung)

Nur wenig Neues von Dämonen & Erlösern

Lange mussten die Bewohner von Thesa in Furcht vor der Dunkelheit leben. Erst seit sich der Tätowierte Mann den nächtlichen Dämonen mit magischen Siegeln entgegenstellt, hegen sie wieder Hoffnungen. Mehr noch: Sie folgen ihrem Erlöser voll Zuversicht in den Kampf. Doch aus dem Süden rückt ein Heer nach Thesa vor, das an seinen eigenen Erlöser glaubt. Haben die Thesaner nun einen neuen Feind? Und wer wird der wahre Erlöser sein?

Auch der zweite Teil der spannenden Trilogie erzählt von einer Welt voll Mystik und fantastischer Gestalten. Sprecher Jürgen Holdorf entwickelt mit nuancenreicher Stimme ein schaurig-schönes Panorama finsterer Dämonen und mutiger Helden.

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William Gibson / Simon Jaspersen – Cyberspace. Drei Lesungen

Cool & bizarr: Einbruch ins Cyber-Universum

Mit seinen Erzählungen läutete der in Kanada lebende Amerikaner William Gibson Anfang der achtziger Jahre die Bewegung des Cyberpunk ein, die mit fast allen Konventionen der damals darniederliegenden Sciencefiction aufräumte und dem Genre neue Kraft einflößte. Er arbeitete dabei keineswegs allein, sondern zusammen mit maßgeblichen Autoren wie Bruce Sterling und John Shirley, die heute noch Romane und Erzählungen schreiben und regelmäßig mit Preisen und Nominierungen bedacht werden.

Ist es daher ein Wunder, dass sich Hollywood-Drehbuchautoren auf Gibsons Erfolge besinnen und Studiobosse bzw. Regisseure eine Story nach der anderen verfilmen (lassen)? „Johnny Mnemonic“ und „New Rose Hotel“ wurden bereits verfilmt, bei „Chrom brennt“ ist es nur noch eine Frage der Zeit. Diese drei Erzählungen werden von David Nathan vorgelesen.
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Georges Simenon – Maigret – Die besten Fälle

Der Mann mit der Pfeife: Nostalgisches Krimivergnügen

Diese Sonderedition enthält fünf klassische Maigret-Hörspiele, die in den Jahren 1958 und 1961 von deutschen Rundfunksendern produziert wurden. Auffällig ist die aufwändige Produktionsweise des Bayerischen Rundfunks. Der Zuhörer kann fünf Fälle des Kommissars mit der Pfeife miterleben, als säße er im Kino.

Der Autor
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Anna Gavalda – 35 Kilo Hoffnung

Mit „35 Kilo Hoffnung“ begibt sich die französische Bestsellerautorin Anna Gavalda auf für sie eher ungewohntes Terrain. Kennt man sie hierzulande vor allem wegen ihrer beiden Romane „Ich habe sie geliebt“ und „Zusammen ist man weniger allein“ sowie aufgrund des Erzählbandes „Ich wünsche mir, dass irgendwo jemand auf mich wartet“, so hat sie 2004 mit „35 Kilo Hoffnung“ ein nicht minder bemerkenswertes Kinderbuch vorgelegt, das der WDR als Hörspiel produziert hat.

Zweisprachig

Beachtenswert ist dieses 51-minütige Hörspiel schon deswegen, weil es zweisprachig produziert wurde. CD 1 enthält die deutschsprachige Fassung, CD 2 die französische. So bekommt die schöne und herzliche Geschichte um den dreizehnjährigen David eine zusätzliche praktische Seite. Man wird ganz nebenbei dazu ermuntert, seine Französischkenntnisse ein wenig aufzupolieren.

Handlung

„35 Kilo Hoffnung“ dreht sich um den Schulversager David. David hasst die Schule wie nichts anderes in seinem Leben. Von Anfang an war die Schule ihm eine Gräuel. Seine Leidenschaft gilt eher dem Basteln. Schon seine Vorschullehrerin bescheinigt ihm in seinem Zeugnis: „Dieser Junge hat ein Gedächtnis wie ein Sieb, Finger wie eine Fee und ein riesengroßes Herz.“ Damit trifft sie den Nagel auf den Kopf. David bastelt mit viel Geschick und Liebe, während er in der Schule auf ganzer Linie versagt – in den Sprachen, in den Naturwissenschaften und vor allem beim Sport.

Niemand nimmt die kindliche Bastelleidenschaft von David so recht ernst, mit Ausnahme seine Großvaters Léon. Zusammen verbringen die beiden viel Zeit im Werkzeugschuppen des Großvaters – für David die schönsten Momente seines Lebens. Opa Léon versteht David. In den gemeinsamen Bastelstunden kann David seine Schulsorgen für eine Weile vergessen. Doch die Probleme lassen sich nicht immer verdrängen. Als David mit dreizehn wieder einmal von der Schule fliegt und kaum eine andere Schule Interesse daran zeigt, den Versager aufzunehmen, wird die Lage ernst.

David kann sich keine Schule vorstellen, in der er sich wohlfühlen würde, außer vielleicht das technische Internat, dessen Broschüre David in die Finger bekommt. Aber das ist viel zu weit weg. Noch bedrückender wird die Lage, als Opa Léon plötzlich schwer krank wird. Wie soll es für David nur weitergehen?

Mein Eindruck

Mit ihren bisherigen Romanen hat Anna Gavalda bereits sehr viel Gespür für ihre Figuren und deren Gefühlswelt bewiesen. Diese Feinfühligkeit wird auch beim Hören von „35 Kilo Hoffnung“ sehr greifbar. Anna Gavalda beweist erneut, dass sie ein Händchen für ihre Figuren hat und ein nicht minder ausgeprägtes Talent, Geschichten auf so menschliche Art und Weise zu erzählen, dass einem warm ums Herz wird. Wie so oft bei Anna Gavalda, geht es um einen Menschen in einer Problemsituation. Im Falle des dreizehnjährigen David drückt der Schuh in Sachen Schule, und die Art, wie Anna Gavalda dies dem Leser/Hörer vermittelt, wirkt sehr überzeugend und plastisch.

Davids Probleme mit der Schule werden sehr greifbar. Er ist nicht dumm, nur interessiert ihn das ganze Treiben in der Schule einfach nicht. In der Vorschule war er noch recht glücklich – kein Wunder bei einer Lehrerin, die sagt, dass jeder Tag, an dem man etwas mit seinen Händen erschafft, ein guter Tag ist. Für David gilt diese Philosophie schon, seit er denken kann, und so wirkt der rührende Moment, in dem David sich von seiner Vorschullehrerin verabschieden muss, wie eine Offenbarung an die erste große Liebe.

Danach geht es für David bergab. Er fügt sich nicht in die Klassengemeinschaft ein und flüchtet sich in die Rolle des Klassenclowns. Mit den Lachern auf seiner Seite, will er sich wenigstens ein Mindestmaß an Respekt verschaffen, denn wirklichen Respekt bekommt er sonst nur von Opa Léon. Die Eltern sind ratlos im Umgang mit David. Sie suchen nach Gründen für Davids Schulprobleme, gehen mit ihm von Arzt zu Arzt und versuchen ihm verzweifelt mit Druck Arbeitsmoral beizubringen – erfolglos.

Davids Gedanken in all diesem Chaos vermittelt Anna Gavalda sehr eindringlich. David wirkt wie mitten aus dem Leben gegriffen. Er hat Probleme, mit denen sich viele Kinder identifizieren können, so dass Anna Gavaldas Erzählung gerade auch für Kinder eine echte Bereicherung darstellt.

David nimmt sein Schicksal schließlich selbst in die Hand, anstatt sich weiter treiben zu lassen, und diese Entwicklung wirkt bis ins Mark glaubwürdig. Davids Geschichte ist weniger eine, die durch Problemschilderungen bedrückt, sondern mehr eine, die durch Problemlösungen Hoffnung aufkommen lässt und durch die Authentizität von Geschichte und Figurenzeichnung wird diese Hoffnung besonders greifbar.

Das Besondere an Anna Gavalda ist auch stets ihre Art zu erzählen. „Zusammen ist man weniger allein“ wird im Verlagstext beispielsweise mit „Die fabelhafte Welt der Amélie“ vergleichen. Die Poesie und Detailverliebtheit, die Anna Gavalda in ihrer Erzählweise an den Tag legt, lässt sich in der Tat mit den Darstellungsweisen von Jean-Pierre Jeunet bei „Amélie“ vergleichen. Und genau diese Poesie und Detailverliebtheit macht „35 Kilo Hoffnung“ ebenso wie die übrigen Gavalda-Erzählungen so unglaublich liebens- und lesenswert.

Anna Gavalda beschreibt die banalsten Alltäglichkeiten mit einer solchen Poesie, dass man als Leser ständig in sich hineinschmunzeln muss. Genauso ergeht es einem beim Hören von „35 Kilo Hoffnung“. Auch hier zaubert die Autorin dem Hörer ein fast permanentes Lächeln ins Gesicht. Und ich für meinen Teil muss gestehen, dass ich beim Ansehen von „Die fabelhafte Welt der Amélie“ jedes Mal genau das gleiche Lächeln im Gesicht trage.

Anna Gavalda unterstreicht die Erzählung mit einem feinen, fast zärtlichen Sinn für Humor und offenbart so ihr großes Herz für die Entwicklung ihrer Figuren. Diese gehen uns im Verlauf der Geschichte wirklich nah. Ich habe bislang kaum eine Autorin erlebt, die mir so zielsicher und ohne Kitsch und Überdramatisierungen ein paar Tränen entlocken kann. Anna Gavaldas gefühlvolle Art zu erzählen, wird auch in der Hörspielproduktion von „35 Kilo Hoffnung“ spürbar.

Das Hörspiel

Die Hörspielproduktion des WDR weiß Anna Gavaldas Erzähltalent sehr schön erlebbar zu machen. Besonders die musikalische Untermalung prägt sich ein. Sie greift wunderbar die Emotionen auf, die die Erzählung mit sich trägt, und macht sie noch greifbarer. Sie drängt sich nicht in den Vordergrund, sondern unterstreicht die Geschichte dezent und mit viel Gefühl. Auch die eingebundene Geräuschkulisse bleibt bei dezenter Untermalung, ohne zu viel Raum einzunehmen. So verbleibt der Erzählung viel Raum, sich zu entfalten und auf den Hörer zu wirken. Auch die Sprecherleistungen bieten keine Gelegenheit zur Kritik. Die Stimmen passen wunderbar zu den Figuren. Das gesamte Hörspiel erscheint ähnlich gefühlvoll inszeniert, wie die Geschichte geschrieben ist.

Was mich etwas verwundert, ist die Tatsache, dass es sich bei diesem zweisprachigen Hörspiel nicht um eine deutsch-französische Koproduktion handelt. Auch der französische Teil wurde vom WDR produziert und in exakt gleicher Weise inszeniert wie die deutschsprachige Variante. Dialoge, Musik, Geräuschkulisse – alles ist komplett analog zur deutschen Fassung, abgesehen davon, dass aus David plötzlich Grégoire wird. Das hat den Vorteil, dass sich das Hörspiel beim mehrmaligen Hören recht gut zum Aufpolieren eingerosteter Französischkenntnisse eignet. Selbst wer nicht bzw. nicht mehr viel Französisch spricht, verliert den roten Faden nicht, wenn er zuvor die deutsche Fassung gehört hat. Der französische Teil wurde mit Muttersprachlern aufgenommen und auch hier passen die Stimmen der Sprecher sehr gut zu ihren Rollen.

Unterm Strich

Bleibt alles in allem ein sehr guter Eindruck zurück. Mit „35 Kilo Hoffnung“ beweist Anna Gavalda auf eindrucksvolle Art, dass ihre feinfühlige und herzliche Erzählweise auch wunderbar für Kindergeschichten funktioniert – Kindergeschichten wohlgemerkt, die auch Erwachsenen ebenso viel Freude bereiten können. Mit der gleichnamigen WDR-Produktion legt der Audioverlag eine Hörspielvariante vor, die die Geschichte sehr schön vermittelt und in der Anna Gavaldas zu Herzen gehende Art zu erzählen ihre Entsprechung findet. Einen besonderen Reiz hat dabei sicherlich auch die zweisprachige Produktion, bietet sie doch genau den verlockenden Anreiz, den ich gebraucht habe, um endlich den jahrelang halbherzig gepflegten Vorsatz, meine völlig eingerosteten Französischkenntnisse wieder ein wenig auf Vordermann zu bringen, in die Tat umzusetzen. Merci beaucoup!

Die Autorin

Traurig, heiter, melancholisch, leicht: Die Titel von Anna Gavaldas Büchern klingen eher schlicht. „Ich wünsche mir, dass irgendwo jemand auf mich wartet“, hieß z. B. ihr erster Erzählband aus dem Jahre 1999, der sofort ein großer Erfolg wurde. Bis sie sich hauptberuflich dem Schreiben widmete, studierte sie Literaturwissenschaften an der Pariser Sorbonne, arbeitete in diversen Jobs – sie schrieb z. B. fiktive Heiratsanzeigen – und unterrichtete Französisch. Anna Gavalda wurde 1970 in Boulogne-Billancourt bei Paris geboren und lebt heute mit ihren Kindern im Department Seine-et-Marne. Ihr 2005 erschienener Bestsellerroman „Zusammen ist man weniger allein“ wurde – mit Audrey Tautou in der Hauptrolle – verfilmt. (Verlagsinfo)

2 CDs: CD1: Deutsch / CD2: Französisch

Als Audio-Ausgabe derzeit nicht erhältlich! (Stand: Juni 2016)

Als Buch erschienen bei Ars Edition und unter anderem bei Amazon.de zu bekommen.
ISBN-13: 978-3898134262

William Gibson – Neuromancer (Lesung)

„Case ist 24 und seine Karriere am Ende. Das Nervensystem des abgehalfterten Daten-Cowboys ist zerstört, er hat keinen Zugang mehr zur Matrix des Cyberspace. Bis er Molly kennen lernt, eine durch Implantate getunte Kämpferin. Ein unerwarteter Auftrag führt sie in die gefährliche Auseinandersetzung zwischen den künstlichen Zwillings-Intelligenzen Neuromancer und Wintermute …“ (Klappentext)

Der Autor

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Menge, Wolfgang / Roland, Jürgen – Stahlnetz 4: Saison

_Feinfühlig: Expedition in ein Mordhaus_

Wintersaison in einem Harzer Kurort. Die 25-jährige Helga Zeller wird erdrosselt in ihrer Wohnung aufgefunden. Im Haus sagt man der Toten Bösartigkeit und Falschheit nach. Doch was verbirgt sich tatsächlich hinter dem Gerede?

Die TV-Serie „Stahlnetz“, die der NDR produzierte, ist vom Design her eine Übernahme der US-Krimiserie „Dragnet“, von der auch die markante Titelmelodie stammt. Doch die Inhalte sind quasi urdeutsch und entstammen deutschen Kriminalakten. Besonderes Kennzeichen von „Dragnet“: nur die Fakten zählen! – Die Tonspur wurde fürs Hörspiel bearbeitet und digitalisiert.

_Die Autoren_

Jürgen Roland (Regie), bekannt u. a. für seine TV-Serie „Großstadtrevier“ und mehrere Kriminalspielfilme, die ihn zu einem Pionier und Mentor der deutschen TV-Krimilandschaft gemacht haben.

Wolfgang Menge (Buch) verarbeitete echte Unterlagen der Kripo und schrieb sie Schauspielern auf den Leib. Er ist besonders bekannt für die Comedy-Serie „Ein Herz und eine Seele“ (mit Heinz Schubert).

Zusammen legten die beiden Pioniere den Grundstein für die Endlosserie „Tatort“ der Fernsehanstalten der ARD. In jeder Folge ermittelt ein neues Kommissarengespann in einer anderen Region Deutschlands, insbesondere in Großstädten.

_Die Mitwirkenden_

Wer welche Rolle spielt, muss sich jeder Hörer zusammenreimen, denn die CD macht dazu keine Angaben:

Grit Boettcher
Hans Hessling
Richard Lauffen
Dieter Eppler
Klaus Kindler
Tilly Lauenstein
Werner Buttler
Thomas Braut
Marina Ried
Vasa Hochmann
Otto Lüthje

Über Produktionsleitung und Aufnahmeleitung macht die CD keinerlei Angaben, was ich schade finde. Die Titelmusik stammt wie stets von Walter Schumann und Ray Anthony – sie ist der amerikanischen TV-Krimiserie „Dragnet“ entnommen.

_Handlung_

In dem kleinen Harzer Kurort ist gerade Misswahl, als zwei der Besucher eine merkwürdige Meldung erhalten: Aus dem Haus der Familie Schinzel, wo einige der Skiortbesucher wohnen, stinkt es gewaltig. Ob man wohl die Polizei benachrichtigen soll? Na, klar doch.

Vor Ort bricht ein Helfer für den Dorfpolizisten Henry Wohlers die Tür zum Zimmer von Helga Zeller auf. Leichengestank schägt den Eintretenden entgegen, eine Scheibe wird eingeschlagen, um frische Luft einzulassen. Sieht so aus, als habe man Zeller den Schädel eingeschlagen, aber Wohlers‘ erster Eindruck ist ein Irrtum. Die Frau wurde erdrosselt. Auf ihrem Nachttisch findet sich ein Abschiedsbrief, aber nicht von ihr …

Nach Wohlers‘ Meldung rücken Kriminalkommissar Hauck und ein Staatsanwalt aus Goslar und Braunschweig an, um die Hintergründe des Mordes aufzuklären. Die Zeller muss schon fast sechs Wochen tot sein, denn sie wollte am 3.1. zurück nach Flensburg reisen. Tags zuvor wurde sie zum letzten Mal lebend gesehen. Schon bald schält sich aufgrund der Zeugenaussagen der Hausbewohner ein wenig schmeichelhaftes Bild von ihr heraus.

Die 25-Jährige hatte offenbar viele Männerbekanntschaften, die sie seit Mitte des vorhergehenden Jahres pflegte. Darunter war nicht nur ein Schrotthändler namens Dieberitz, der im Dezember heiratete, sondern auch Herbert Schinzel, der Sohn der Hauswirtin Clara Schinzel. Er hatte mit Zeller ein Verhältnis, bevor er vor drei Monaten seine jetzige Frau Gisela heiratete. Er wohnte neben Zellers Zimmer, und sofort fällt der Verdacht auf ihn.

Belastend wirkt sich beispielsweise ein mysteriöser Zettel aus, der neben einem 50-Mark-Schein lag, als er am Morgen des 3. Januar vor Frau Schinzels Tür gefunden wurde. Die 50 Mark sollten wohl die Miete der Zeller für den Februar sein, nimmt Hauck an. Der Zettel war jedoch in Sütterlinschrift geschrieben, wie man sie im Dritten Reich lernte und wie sie im Haus nur noch Herbert Schinzel beherrscht … Der Zettel aber sei verschwunden, behauptet seine Mutter. Genau wie der Koffer der Zeller.

Und dann ist da noch die Sache mit dem Schlüssel. Der Küchenschlüssel passt eigenartigerweise auch zum Zimmer der Zeller. Für den Kommissar ist die Sache klar wie Kloßbrühe, und er lässt Herbert Schinzel festnehmen, aber noch nicht in Haft nehmen. Denn erstens gibt ihm dessen Frau ein Alibi und zweitens müssen noch die diversen Männerbekanntschaften der Zeller überprüft werden. Und da ist immer noch die Frage offen, an die zunächst keiner der Beamten zu denken scheint: Wusste Gisela vom Verhältnis ihres Mannes mit der Zeller? Falls ja, dann …

_Mein Eindruck_

Man sieht also, dass es die Hauptaufgabe der Ermittler in diesem authentischen Fall ist, das soziale Umfeld des Mordopfers auszuloten. Bei diesem kniffligen Vorgehen sind die Beamten auf Fingerspitzengefühl angewiesen, und so wendet sich Wohlers nicht nur einmal an seine Frau, die etwas mehr Einfühlungsvermögen besitzt als er, zumal in Frauendingen. Ihre Meinung trägt zur Aufklärung des Falls bei.

Doch Empathie in allen Ehren – die Beamten müssen auch Durchsetzungskraft und Objektivität aufbringen. Sollen sie vielleicht nur einen Mann als Täter in Frage kommen lassen? Das wäre wohl ein Fall von Parteilichkeit, wenn nicht sogar von Sexismus. Warum sollte nicht auch eine Frau in der Lage sein, eine andere Frau zu erdrosseln, zumal im Affekt? Dem Krimiexperten kommt gleich zu Beginn der Vernehmungen die kühl-nüchterne Unbeteiligtheit von Gisela Schinzel bemerkenswert vor. Sie gibt sogar unumwunden zu, dass sie die Zeller nicht mochte – beim häuslichen Hintergrund nur zu verständlich. Aber kann man sie eines Mordes für fähig halten? Das wird sich noch herausstellen.

Wieder stellt dieser Fall die Grundprinzipien der ordnungsgemäßen Polizeiarbeit vor. Und er tut dies mit solcher Akribie, dass der Drehbuchautor den Polizisten Suhrbier einführt, der die Regeln sogar aus dem Lehrbuch herunterbetet. Dies ist das einzige Aufblitzen von ironischem Humor im ganzen Handlungsverlauf.

Denn das, was Helga Zeller unter Humor verstand und in einer Rückblende an den Tag legt, ist alles andere als lustig: Sie freut sich, dass ihre Nachbarin, Frau Pfeifer, offenbar zu betrunken ist, um unbeschadet die Treppe hinterzugehen. Nicht genug damit, tratscht sie dies auch noch im ganzen Haus herum – wie soll man da nicht wütend werden? Die Diffamierungen, auch von anderen, hören überhaupt nicht mehr auf. Mörderkandidaten gibt es also einige. Merke: Ein Mord kann auch im bestgeführten Haus(halt) vorkommen. Niemand ist sicher.

|Der Sprecher/Die Inszenierung|

Die Geräusche sind wie aus dem richtigen Leben und so, wie man sie aus einem Fernsehfilm kennt. Allerdings erscheinen sie sehr zurückgenommen – kein Vergleich mit dem aufdringlichen und überlagernden Bahnhofsambiente aus „Das Haus an der Stör“. Hier geht alles recht dezent zu, und den lautesten Hintergrund liefert sicherlich die Misswahl und die abschließende Aufführung der „Heiligen Johanna“ (siehe Titelbild). Irgendwo in der Mitte gehen zwei Herren durch den Schnee des Harzes, und ein gemischtes Paar tritt eine Erzhalde hinunter – denn es gibt einen Anachronismus am Ort: eine Erzgrube. Hier lässt so manches zutage fördern …

Da das Booklet keine Rollenzuweisungen ausweist, kann eine Einschätzung der Schauspieler- und Sprecherleistungen nur durch Vermutungen, gestützt auf berechtigte Annahmen, ausgeführt werden. Ich nehme an, dass Grit Boettcher die Rolle der Gisela Schinzel spricht. Sie tut dies auf eine eindringliche und recht ernst zu nehmende Weise, die ihrem späteren Image als Komödiantin ziemlich widerspricht. Am Schluss hat auch Polizeimeister Henry Wohlers, vermutlich gespielt von Hans Hessling, Mitgefühl für sie. Ich glaube nicht, dass ihre Rolle sich mit dem Thema des Stückes der „Heiligen Johanna“ deckt (dessen Auswahl durch den Autor sicherlich kein Zufall ist). Für Gisela wäre wohl schon eher die wütende Amazone „Penthesilea“ oder eine andere Figur von Kleist infrage gekommen gewesen. Aber sie hätte schlecht ins Kurprogramm gepasst.

In der Mitte tritt der obligatorische sorgenerfüllte Kurdirektor auf. Natürlich ist der Tod schlecht für den Tourismus, aber muss man dann gleich so ein Aufhebens darum machen? Das Argument kommt uns bekommt vor und erinnert an selige Zeiten, als Spielbergs Schocker „Der weiße Hai“ die Leute in Scharen vom Strand ins Kino lockte.

_Unterm Strich_

Diese Folge von „Stahlnetz“ ist solide Handwerksarbeit. Der Hörer kann dem Verlauf der Ermittlung ohne weiteres folgen, denn es wird einerseits die Einheit von Ort und Zeit eingehalten (was bei Rückblendentechnik selten der Fall ist), andererseits werden alle Anwesenden stets mit Name identifiziert, so dass man auch ohne Bild stets auf dem Laufenden gehalten wird, wer anwesend ist. Natürlich muss man bei den häufigen Szenenwechseln aufpassen, aber dafür sind die Szenen relativ lang und steuern stets auf eine nützliche, wertvolle Information zu.

Auf diese Weise baut sich ein Gebäude aus Hinweisen auf, sodass der gewiefte Hörer schon nach kurzer Zeit mit dem Finger auf den Täter oder die Täterin weisen könnte. Dieses Wissen entwertet aber nicht den Schluss, vielmehr trägt das Indiziengebäude dazu bei, ein soziales und emotionales Umfeld hervortreten zu lassen, das teilweise zur Erklärung der Mordtat beitragen kann. Dies ist der eigentliche Lerneffekt, den diese Episode, ganz im Sinne der beiden Stahlnetz-Designer Menge und Roland, vermitteln will. Und dabei beachten sie stets auch die Regeln der Spannungserzeugung.

Die Serie lieferte den deutschen TV-Zuschauern damit sowohl Unterhaltung als auch Dokumentation. Diese Kombination stieß ab 1958 auf ein enormes Echo und verschaffte dem Rezept eine lange Lebensdauer.

Die Tonqualität kann sich durchaus hören lassen. Stellenweise ist zwar bei großer Lautstärke noch das berüchtigte Knistern zu hören und die ganze Chose erklingt in Mono- statt Stereoton, aber im Großen und Ganzen erweist sich die digitale Überarbeitung als wahrer Segen für die Rettung solcher Schätzchen – ein Beleg dafür, dass schon damals das deutsche Fernsehen zu guten Leistungen in der Lage und nicht mehr unbedingt auf den Import ausländischer Krimikost wie „Dragnet“ oder „Kommissar Maigret“ angewiesen war.

Ganz am Schluss erklingt die Titelmelodie in voller Länge. PAMM-PA-RAMM-PAM! Mir schlackerten die Ohren, als das Bass-Saxophon durch die Lautsprecher dröhnte. Wer kann, sollte sich eine gehörige Dosis Krimi-Nostalgie verabreichen und die eine oder andere Episode der Stahlnetz-Serie reinziehen.

|74 Minuten auf 1 CD|
http://www.audioverlag.de
Folge 1: [„Das 12. Messer“ 3394
Folge 2: [„Das Haus an der Stör“ 3430
Folge 3: [„Verbrannte Spuren“ 3469

Harry Kemelman – Am Dienstag sah der Rabbi rot (Lesung)

Ein Rabbi-Krimi par excellence

An einem bislang unbescholtenen College in Boston, Massachusetts, ereignet sich eine Bombenexplosion, der offenbar einer der Dozenten zum Opfer fällt. Doch Rabbi David Small hält weder die fünf aufrührerischen Studenten für die Täter noch sich selbst, wie der Staatsanwalt behauptet, sondern findet etliche Ungereimtheiten in der Beweiskette. Um den Täter zu überführen, muss er seine talmudische Gelehrsamkeit bemühen.

Der Autor
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Dick Francis – Verrechnet (Lesung)

Britische Krimikunst der obersten Liga

Alexander Kinloch wird überraschend zu seinem kranken Stiefvater Sir Ivan nach London geholt. Dieser bittet Alex, ein wertvolles Rennpferd und einen Goldpokal vor seinen Gläubigern und seiner gierigen Tochter zu verstecken. Der Kampf um Erbe, Pferd und Pokal beginnt.

„Verrechnet“ eröffnet mit lakonischer Ironie einen faszinierenden Blick auf die Abgründe eines Familien-Clans. Die dichte und spannende Inszenierung fasziniert durch ein überraschendes Ende und die unvergleichliche Stimme von Rolf Hoppe als Sir Ivan. (Verlagsinfo)

Der Autor
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Stanislaw Lem – Die lymphatersche Formel (Hörspiel)

„Die lymphatersche Formel“ behandelt ein Thema, das seit E. A. Poe und Meyrinks „Der Golem“ zu großen Visionen in Literatur und Film geführt hat: den Wahnsinn eines genialen Wissenschaftlers, der fatale Konsequenzen hat.

Der Autor

Stanislaw Lem, geboren am 12. September 1921 in Lwòw, dem galizischen Lemberg, lebt heute in Krakow. Er studierte Medizin und war nach dem Staatsexamen als Assistent für Probleme der angewandten Psychologie tätig. Privat beschäftigte er sich mit Problemen der Kybernetik, der Mathematik und übersetzte wissenschaftliche Publikationen. 1985 wurde Lem mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur ausgezeichnet und 1987 mit dem Literaturpreis der Alfred Jurzykowski Foundation. Am bekanntesten wurde er für die literarische Vorlage für zwei Filme: „Solaris“, das 1961 veröffentlicht wurde.

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Bradbury, Ray – Leviathan \’99 (Hörspiel)

Ahabs Begegnung mit dem Monster der Leere

Ismael fliegt 2099 mit einer bizarren Mannschaft im Raumschiff „Cetus 7“ den Sternen entgegen. Dem Kapitän raubte vor 30 Jahren der Komet Leviathan das Augenlicht. Seitdem ist er – wie einst Ahab vom weißen Wal Moby Dick – besessen, sich mit dem Riesenkometen zu messen. Ob das wohl gut geht?

Der Autor

Raymond Bradbury, geboren 1920 (und immer noch quicklebendig!) in Waukegan, Illinois, ist einer der bekanntesten Erzähler der USA, und zwar nicht nur in der Science-Fiction, sondern auch im sogenannten Mainstream. Als Ray vierzehn Jahre alt war, übersiedelte seine Familie nach Kalifornien, wo er 1938 seinen Highschool-Abschluss machte. Diesen Verlust der Heimat hat er immer wieder verklärend thematisiert.

1937 kam er erstmals mit der Science-Fiction-Szene Kaliforniens in Kontakt, als er Ray Harryhausen (Film), Forrest Ackerman (Fandom) und Henry Kuttner (Autor) traf. Zum Teil konnte er seine Träume mit ihnen erfüllen. Harryhausen wurde zu einem der größten Trick- und Special-Effects-Könner auf dem Gebiet des phantastischen Films („Kampf der Titanen“ u.v.a.), während Bradbury später als Autor weit über die Grenzen des Genres hinaus bekannt wurde.

Die Schriftstellerin und Drehbuchautorin („Star Wars Episode V“) Leigh Brackett beeinflusste ihn wesentlich in seiner Entwicklung. 1943 wurde sein Stil poetischer, nostalgisch und zeigte einen Hang zum Makabren. Die damals großen Magazine wie die „Saturday Evening Post“ sollen sich angeblich um seine Storys gerissen haben. Er schrieb für John Huston 1955/56 das Drehbuch zu „Moby Dick“.

In letzter Zeit ist es still um Bradbury geworden, aber von ihm erscheinen immer noch aufwändig gemachte Novellen- und Storybände. Ridley Scott hat in seinem Film „Blade Runner“ eine Hommage eingebaut: Das Hotel, in dem der Showdown stattfindet, heißt „The Bradbury“. Und der Regen fällt wie in Bradburys Story „The Day It Rained Forever“ unablässig.

Seine wichtigsten Werke:

[Fahrenheit 451 400 (1953, verfilmt 1966 von F. Truffaut)
Der illustrierte Mann (1951, verfilmt 1968 mit Rod Steiger, dt. Titel: „Der Tätowierte“)
[Die Mars-Chroniken 1294 (1946-50, verfilmt 1980 mit Rock Hudson)

Die Sprecher und ihre Rollen

Ismael: Jürgen Goslar
Kapitän: Wolfgang Büttner
Quell: Günther Stutz
Redleigh: Heinz Stoewer
Rogers: Olaf Bison
Ellery Colworth: Anfried Krämer
Der Warner: Max Noack
Der Kleine: Yodok Seidl

Das Hörspiel hat Regisseur H. B. Fortuin 1969 für den Hessischen Rundfunk eingerichtet. Die Musik besorgte Tristram Cary.

Handlung

„Nennt mich Ismael.“ Man schreibt das Jahr 2099, und Ismael Jones, unser Erzähler, berichtet, dass er als erstes Kind im Weltraum geboren wurde und seine Eltern Ex-Marsianer waren. Sein Vater nannte ihn Ismael nach dem wandernden Gottessucher aus der Bibel. Und tatsächlich versteht sich Ismael als ein Wanderer, über Gras- und andere Meere, wie etwa die des unendlichen Kosmos, des Sternenmeers.

Eines Tages wird er im Raumfahrer-Wohnheim einem Zimmergenossen namens Quell zugewiesen. Quell ist drei Meter hoch und ein Telepath, er stammt von einer Inselwelt im Andromedanebel, wo Tiermenschen aufwachsen. Ismael fragt uns: „Was ist menschlich?“ Statt zu streiten, beschließen sie, lieber Freunde zu werden. Sie suchen eine neue Heuer, und ihre Wahl fällt auf die „Cetus 7“ (cetus = Wal), denn sie ist das größte jemals gebaute Raumschiff.

Hätten sie doch nur ein anderes Schiff gewählt! Ein „Warner“ namens Elias tut genau das: Er warnt sie vor dem Kapitän der Cetus 7, einem verrückten Albino, dem ein Unfall mit einem Kometen namens Leviathan die Augen ausgebrannt habe. Doch sie hören nicht auf ihn und helfen, das Schiff auszurüsten. Es ist eine seltsame Crew: zumeist Gnome und Zwerge, gezüchtete Genies, die allzu gerne spielen. Nur wenige Menschen sind an Bord, und der Käptn ist nirgends zu sehen. Vor dem Ablegen besuchen sie einen Gottesdienst und lauschen der Predigt des robotischen Pater Ellery Colworth, der schon seit hundert Jahren tot ist. Seine Botschaft: Alles ist Gottes Schöpfung, deshalb gilt es, alles Leben zu achten.

Am 2. August ’99 geht’s los. Vom Käptn hat Ismael nur ein seltsames Geräusch gehört: sein Körperradar, das der Blinde benötige, heißt es. Nach fünfzig Tagen nähert sich die Cetus 7, gesteuert vom Ersten Offizier Redleigh, einem Planeten im Sternbild Schwan. Doch statt ihn zu erkunden, befiehlt der Käptn eine Inspektion. Erstmals bekommt Ismael ihn zu Gesicht, den Albino mit dem Wärmesensor vor den Augen. Er kommt ihm unheimlich vor, wie „der Geist von Hamlets Vater, der neue Gespenster ausbrütet“.

Wer den Kometen Leviathan als Erster sichtet, bekommt eine Belohnung. Alle dreißig Jahre kommt das Ungetüm in diese Raumgegend, wo es einst dem Käptn das Augenlicht raubte. Dafür will er sich rächen und das Monster, diese „Lawine des Nichts“, für immer zerstören. Das ist der heilige Auftrag der Besatzung der Cetus 7. Und der Kapitän schwört sie gnadenlos darauf ein: den Kometen zerstören oder beim Versuch sterben. Es ist Wahnsinn.

Doch wo bleibt dabei die Achtung vor allen Geschöpfen Gottes, die Pater Colworth predigte, fragt der Erste Offizier. Das sei doch Gotteslästerung. Nichts da, bügelt der Kapitän die Kritik Redleighs nieder. Der Leviathan beging vielmehr als Erster eine Gotteslästerung an des Käptns Fleisch! Und für seine Rache sei er bereit, sich selbst zu opfern.

Die Monomanie des Kapitäns manifestiert sich immer wieder. Sie lassen einen Mond mit wundervollen toten Städten ebenso links liegen wie zwei irdische Raumschiffe. Nichts darf von der Jagd auf das Ungeheuer ablenken. Ismaels telepathischer Freund Quell ist von einer düsteren Vorahnung erfüllt; er „hört“ Stimmen von Toten und lässt sich eine Totenrüstung anfertigen (keinen Sarg).

Nach einem Hinweis von einem anderen Kapitän kommt es endlich zur finalen Konfrontation. Doch sie verläuft viel schrecklicher, als Ismael sich das hätte ausmalen können. Denn Leviathans furchtbare Kraft liegt nicht so sehr in seiner „körperlichen“ Erscheinung, sondern vielmehr in seiner Beeinflussung der Zeit …

Mein Eindruck

Die Zeit ist das zugrunde liegende Hauptthema der Erzählung, die 1968 zuerst veröffentlicht wurde. Das Universum wird hier endlich als das begriffen, was zu begreifen am schwersten fällt: Dass relativistische Zeit nicht immer die gleiche Rolle spielt und stets relativ zum Ort und zum Betrachter existiert.

Der Leviathan, der alle dreißig Jahre in die Nähe der Erde fliegt, ist wie ein Pendel der Regelmäßigkeit, während alles andere vergeht und verschwindet. Ganz besonders natürlich der Mensch. Deshalb muss der Kapitän aufbegehren. Allein schon der Flug mit Lichtgeschwindigkeit, den die Cetus unternimmt, entfernt die Besatzungsmitglieder mit relativistischer Geschwindigkeit von allen ihren momentanen Zeitgenossen. Sie stranden in ihrer eigenen Zeit, die sie wie in einer Kapsel mit sich nehmen: eine zusammengeschweißte Gruppe.

Sie begegnen auf ihrem Flug durch die Sternenmeere den „verlorenen Kindern der Zeit“: Radio- und Fernsehbotschaften aus dem Jahr 1939. Wir hören Reden des „Führers“, eine Ansprache von Chamberlain aus dem Jahr 1938, dann das Lied „Lili Marleen“ und dergleichen mehr. Doch für den Kapitän hat dies natürlich keine Bedeutung. Sollte es aber, ist er doch ebenfalls ein Rattenfänger, der seine Anhänger in den Untergang führt und den Rest der Welt mitreißt.

Und dann die erste Begegnung mit Leviathan. Seine unheimliche Weiße setzt Strahlen frei, die gemäß der Phantasie des Autors die Zeit krümmen. Die Cetus 7 gerät in ein Sargassomeer der Zeit, dümpelt in einer Flaute irgendwo im Abseits dahin, bevor sie sich aus eigener Kraft wieder befreit. Erneuter Angriff auf den Kometen, das große weiße Ungeheuer, zu dem der Kapitän es hochstilisiert.

Und als Ergebnis versprengt das große weiße Geheimnis die kleinen Menschlein in alle Zeiten, sei es in die Zeit Shakespeares oder in die Lincolns. Nur Quell in seiner Totenrüstung und Ismael, obwohl gestrandet in der Zeit, können hoffen, jemals wieder von einem Raumschiff gefunden zu werden. Und da Ismael uns Bericht erstattet, gelingt ihm das wohl auch. Er ist nicht nachtragend. Leviathan ist eben nur ein Geschöpf Gottes, nicht etwa Shiva selbst, der Gott der Zerstörung. Wer immer wieder vergeblich versucht, gegen das Universum aufzubegehren wie einst Faust und viele Heroen mehr, das sind gebrochene und wütende Menschen wie der Kapitän. Und dabei werden sie eins mit ihrem Ziel, das sie aufnimmt.

Besonders interessant ist vielleicht in diesem Zusammenhang, nun, da die Anklänge an „Moby Dick“ unübersehbar sind, dass es der Autor selbst war, der zusammen mit Regisseur John Huston das Drehbuch zur famosen Verfilmung von 1956 ablieferte. Diese Arbeit, die er 1955/56 in London verrichtete, hinterließ sicherlich einen bleibenden Eindruck bei Bradbury. Und nur ein Dutzend Jahre später wurde daraus die vorliegende Erzählung. Diese hat der Hessische Rundfunk in ein Hörspiel umgesetzt.

Die Sprecher

Es gibt drei oder vier Kategorien von Sprechern. Sie lassen sich gemäß ihrer Einstellung zum numinosen Leviathan einteilen. Da sind einmal die romantischen Träumer wie Ismael und Quell. Sie achten den Kometen als Gottes Schöpfung, bewundern auf eine passive Weise die Wunder des Weltraum. Ihnen diametral gegenüber steht der Kapitän, ein reiner Tatmensch, der keinen Zweifel an der Notwendigkeit zur Vernichtung des Kometen aufkommen lässt.

Und doch gibt es Zweifler. Zu ihnen gehört der Erste Offizier, der sogar an Meuterei denkt und den Kapitän, den er für offensichtlich wahnsinnig hält, mit der Pistole bedroht. In die gleiche Kategorie gehört der Warner Elias, dessen Worte Ismael und Quell in den Wind schlagen. Als letzte Kategorie könnte man diejenigen Crewmitglieder zählen, die kaum zu Wort kommen und einfach nur Mitläufer sind.

Der wichtigste Sprecher in diesem Reigen ist natürlich derjenige, der die Handlung am meisten bewegt: der Kapitän. Selbst wenn er nicht körperlich anwesend ist, so beherrscht sein Geist doch sein Schiff und die gesamte Besatzung. Durch die Weißheit seiner Haut, seine Blindheit, die Kyborg-Gerätschaften ist er als Über-Mensch ausgewiesen, und seine angeblichen Visionen heben ihn sowieso in den Status eines religiösen Führers empor. Einem solchen Mann zu trotzen, grenzt schon an Frevel.

Wolfgang Büttner füllt diese faustische Ahab-Figur mit einem enormen Stimme aus, die zum schmeichelnden Raunen ebenso fähig ist wie zum tobenden Brüllen. Das klingt dann sehr theatralisch. Und zudem kann er hier einen ellenlangen Monolog halten, als sei er Hamlet, der seines Vaters Tod kontempliert. Aber so wird „Ahab“ als ein gequälter Mensch sicht- und hörbar, der in der Vernichtung seines Zerstörers endlich Erlösung aus seiner Qual finden will. Untergang ist Befreiung. Galt das auch für Hitler? Diese Radiozitate aus den Jahren 1938/39 wurden nicht zufällig ausgewählt.

Jürgen Goslar als Ismael hingegen ist der genaue Gegensatz. Er hat stets etwas Heiteres, Insichruhendes in seiner Stimme, und wir können uns auf ihn verlassen, denn offensichtlich hat ihn „Ahabs“ Wahnsinn nicht angesteckt. Beim Angriff bleibt er als Einziger auf der Cetus 7 zurück. Er ist der außenstehende Beobachter, der nur berichtet, aber nicht wertet. Quell trägt ihm zu, was zwischen dem Kapitän und seinem Ersten Offizier vor sich geht. Wir müssen uns selbst einen Reim darauf machen, was passiert.

Musik und Geräusche

Die Musik wurde vollständig auf einem elektronischen Instrument erzeugt, das ich als Laie für einen Synthesizer halte. Für eine Orgel wären diese Töne und Klangfarben jedenfalls sehr ungewöhnlich, klassische Instrumente kommen überhaupt nicht vor. Da Synthis heutzutage völlig out sind, klingt diese Klanguntermalung ebenfalls antiquiert, und zwar so sehr, dass sie an „Raumpatrouille Orion“ erinnert und, wie die Kultserie, einen gewissen Retro-Charme ausübt. Die wenigen Geräusche, die vorkommen, sind nicht der Rede wert.

Unterm Strich

Obwohl das Hörspiel in der Art seiner Darstellungstechniken seine Entstehungszeit nicht verleugnen kann, so bietet es doch eine recht interessante Geschichte, die im Grunde von überzeitlicher Bedeutung ist: Der tätige Mensch muss es mit den Kräften des Kosmos aufnehmen, will er es wagen, dorthin vorzudringen. Und so ist das Scheitern immer ganz nahe im Bereich des Möglichen. Dass eine Raumreise aber auch die Begegnung mit dem Göttlichen sein kann, will jedoch dem Kapitän der „Cetus 7“ nicht in den Sinn: Er hält den Kometen Leviathan für eine Ausgeburt der Hölle.

Die recht geschickt und nah am Vorbild erzählte Geschichte ähnelt Herman Melvilles „Moby Dick“ bis ins Detail, denn Bradbury schrieb schließlich das Drehbuch für John Hustons famose Verfilmung des Romans. Wer sich jedoch ebenso deftige Action erhofft wie im Film, der wird vom Hörspiel ziemlich enttäuscht sein. Das Vergnügen ist eher intellektueller Natur, wenn auch die Regie versuchte, die Konfrontationen zur Erzeugung von Spannung zu nutzen. Der Erfolg dieser Bemühung hält sich in Grenzen.

Für Science-Fiction-Freunde ist das Hörspiel eine Gelegenheit, mal wieder eine Story aus dem Storyband „I sing the body electric!“ zu genießen. Doch schon 1968 war Bradburys Erzählkunst nicht mehr ganz taufrisch – kein Wunder, nach 30 Jahren ständiger Produktion (und der Mann schreibt heute noch!). Die große Erleuchtung oder Entdeckung sucht man deshalb in der Story vergeblich.

Originaltitel: Leviathan, 1968
Übersetzung von Hanns A. Hammelmann
80 Minuten auf 1 CD

[NEWS] Otfried Preußler – Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete

Sensation! Ein neuer Hotzenplotz erobert die Herzen seiner Fans und kapert nun auch Ihre Ohren. Das Hörspiel »Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete« basiert auf einem bisher unveröffentlichten Manuskript von Otfried Preußler, das vom WDR als vergnügliches Hörspiel adaptiert wurde.
Als der Räuber Hotzenplotz mal wieder aus dem Gefängnis ausgebrochen ist, sind Kasperl und Seppel fest entschlossen, ihn wieder einzufangen. Ihre Idee: Sie wollen den Räuber ein für allemal auf den Mond schießen! Dafür basteln sie aus einer Papprolle und einem Kartoffelsack eine Mondrakete. Ob der berüchtigte Hotzenplotz darauf reinfallen wird? (Verlagsinfo)

Audio-CD
Hörspiel: ca. 55 Minuten
Der Audio Verlag

[NEWS] Renate Bergmann – Das kann man doch noch essen. Renate Bergmanns großes Haushalts- und Kochbuch

Die Hausfrau heutzutage ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Da werden nur noch Tiefkühlpizzen aufgewärmt und wie man Fenster richtig putzt, das weiß keine. Ganz im Gegensatz zu unserer Online-Omi: »Ich schamponiere gerade die Teppichfransen ein, damit sie wieder schön weiß werden. Derweil der Schaum einzieht, mache ich mal den Hefeteig.« Und: »Ein Stich Butter muss immer ran ans Gemüse, sonst kann der Körper die Fittamine gar nicht verarbeiten.« Renate Bergmann weiß zu vielem etwas zu sagen und vor allem: alles besser. Ihre Weisheiten, Ideen, Ratschläge und Rezepte sind auf diesem amüsanten Hörbuch versammelt. (Verlagsinfo)

Lesung mit Carmen-Maja Antoni
2 CDs
ca. 2 h 38 min Spieldauer
dav

Steer, Dugald A. / Bette, Christoph – magische Drachenauge, Das (Die Drachenchroniken 1)

_Abenteuer in der Schule der geheimen Drachenschützer_

Dunkle Höhlen, feuerspeiende Geschöpfe und wertvolle Schätze – das ist die Welt der Drachenforscher. Der Autor schickt die Geschwister Daniel und Beatrice zusammen mit dem exzentrischen Dr. Drake auf eine abenteuerliche Reise, denn das Drachenauge, das unglaubliche Macht verleiht, ist in Gefahr.

Für Kinder vom Verlag empfohlen ab acht Jahren, besser aber erst ab zehn.

_Der Autor_

Der englische Schriftsteller Dugald A. Steer hat im Verlag |Templar Publishing| bereits die ersten Abenteuer von „Ernest Drake: Expedition in die geheime Welt der Drachen“ sowie „Das geheime Buch der Magie – Die Zauberkunst Merlins“ veröffentlicht. Dr. Drake tritt auch in „Das Drachenauge“ wieder auf.

[„Das geheime Buch der Magie – Die Zauberkunst Merlins“ 3890
[„Expedition in die geheime Welt der Drachen“ 3045

_Die Sprecher_

Timmo Niesner ist die deutsche Synchronstimme von Elijah Wood, beispielsweise als Frodo Beutlin in Peter Jacksons Verfilmung des „Herrn der Ringe“. Der zweite Sprecher ist Richard Hucke.

Die beiden Sprecher lesen eine von Christoph Bette bearbeitete Fassung vor. Bette führte auch Regie, nahm in den Mango Studios, Köln, auf und besorgte den Schnitt.

_Handlung_

Die ganze Angelegenheit beginnt um 6:15 Uhr am Freitagmorgen, den 7. Juli 1882 in London. Eine Kutsche lädt wenig später eine ominöse Kiste vor einem Laden im Wyvern Way ab und fährt dann weiter. Ein etwa sechzigjähriger Mann schaut aus dem Fenster des Ladens. Aus der Kiste steigt eine Rauchfahne auf … Die Kutsche des Lieferanten fährt weiter ins Regierungsviertel und hält vor dem Haus des Ministers Shillingford. Doch draußen bleibt eine Dame in der dunklen Kutsche sitzen und harrt der Dinge, die da kommen sollen.

|Ein Laden für Drachenbedarf|

Daniel Cooke wartet am Bahnhof vergeblich auf das Eintreffen seiner Eltern aus Indien. Nur seine Schwester Beatrice ist schon da. Sie gibt ihm einen Brief: Die Eltern seien verhindert und müssten noch länger in Indien bleiben. Statt ihres Onkels Algernon sollen sie diesmal zu ihrem Freund Dr. Ernest Drake in Sussex fahren, um dort den Sommer zu verbringen. Dessen Laden befinde sich im Wyvern Way. Als sie davor stehen, lesen sie das Ladenschild: „Dr. Drakes Drachenbedarf“. Oh je, Onkel Algernon hatte Beatrice gewarnt. Dieser Drake sei ein Träumer – und rede immerzu nur von einem: von Drachen. Bea hat eine sehr geringe Meinung von Drachologen. Aber das soll sich ändern.

Im Drachenladen herrscht große Unordnung, aber es ist niemand zu sehen. Daniel folgt allein den Stimmen von streitenden Männern und stößt in einer Kammer auf ein flatterndes Wesen, das Schwefelgeruch verbreitet. Gerade noch rechtzeitig, bevor der kleine Drache Daniel angreifen kann, schließt Dr. Drake die Tür zu dieser Kammer. Als Daniel seiner Schwester berichtet, da unten im Keller sei ein Drache, glaubt ihm die ernste junge Dame kein einziges Wort. Doch als sie auf einem Bild von anno 1868 ihre Eltern neben Dr. Drake stehen sieht, weiß sie wenigstens, dass sie hier an der richtigen Adresse sind. Allerdings dauert es noch Stunden, bis alles abfahrbereit ist.

|Die Schule für Drachologen|

In Sussex führt Dr. Drake eine kleine Schule für angehende Drachologen auf seiner Burg. In einer Woche beginne sein neuer Ferienkurs. Schnell werden er und Beatrice Freunde, was Daniel nicht wenig erstaunt. Am vierten Tag tauchen weitere Kursteilnehmer auf und bringen eine Kiste mit, die sie im Schuppen verstauen. Sorgfältig verschließen sie den Schuppen wieder. Was mag wohl darin sein, fragt sich Daniel. Er schaut heimlich nach und entdeckt das Drachenjunge, das er schon in Drakes Laden gesehen hat. Diesmal versucht es nicht, ihn anzugreifen. Stattdessen will es ihn hypnotisieren!

Dr. Drake unterbricht noch rechtzeitig den Bann des Drachen, füttert das Jungtier und beruhigt es durch Gesang. Er habe den Auftrag, es von einer Krankheit zu heilen, erzählt er. Daniels Ausrutscher bestraft er nicht, brummt ihm aber entsprechende Arbeiten auf. Außerdem soll er ein Protokollbuch führen. Auf einem morgendlichen Ausflug in den dichten Wald beobachtet er mit Drake einen weiblichen Drachen bei der Jagd auf Kaninchen.

Der Unterricht wird in der Burg fortgesetzt, wo inzwischen alle Kursteilnehmer eingetroffen sind, auch die zwei Kinder des Ministers Shillingford. Endlich erfährt Daniel auch von der Existenz der Geheimen Alten Gesellschaft der Drachologen, kurz GAGD, in der auch seine Eltern Mitglieder sind. Sie hat sich seit 750 Jahren dem Schutz der Drachen weltweit verschrieben. In Indien kümmern sich die Cooks um die krank gewordenen Nagas, erzählt Drake. Da die Gesellschaft über zwölf wertvolle Schätze verfüge, dürfen aber nur Eingeweihte von ihrer Existenz erfahren. Zurzeit gebe es keinen Drachenmeister, der den Kontakt zu den Drachen unterhalte, aber er, Dr. Drake, hoffe, bald von den Oberdrachen, d. h. von der Hüterin und ihren Freunden, dazu gewählt zu werden.

|Das Unheil beginnt|

Dazu kommt es allerdings nicht. Nach einem Ausflug finden die Kursteilnehmer die Burg verwüstet vor, der Jungdrache wurde ebenso gestohlen wie Drakes Tagebuch und einer der Schätze. Oh je, Drake schwant nichts Gutes. Der Räuber hat einen Brief hinterlassen. Er nennt sich Ignatius Crook, sei der Sohn des vormaligen Drachenmeisters. Er hat das Horn des hl. Gilbert gestohlen, und wenn er nun noch Drachenstaub findet und das magische Drachenauge, könnte Crook der neue Drachenmeister werden. Nicht auszudenken, welches Unheil über die Welt hereinbräche, wenn solch ein skrupelloser Schurke über die Drachen der Welt geböte!

Dr. Drake bittet die Kinder, ihm dabei zu helfen, dieses Unheil von der Welt abzuwenden und Ignatius Crook das Handwerk zu legen. Die Kinder, Daniel als erstes, stimmen zu, begeistert, aber auch ein wenig beklommen. Wer weiß schon, womit sie es jetzt zu tun bekommen?

Das Abenteuer beginnt.

_Mein Eindruck_

Die ersten beiden Kapitel wirken, als habe sie der Autor seinen beiden ersten Büchern über a) Drachologie und b) über Merlin nachgebildet. Da ist der weise alte Mann, der über streng gehütetes Wissen verfügt, und da sind die Kinder, die (stellvertretend für die Leser und Hörer) auf sehr vor- und umsichtige Weise in eben dieses Wissen eingeführt werden. Ein Teil dieses Wissens wird – zumindest im gekürzten Hörbuch – bereits vorausgesetzt, so etwa die Arten der Drachen, wie etwa Knucker und Europäische Drachen. Die Reise nach Cornwall kennen wir teilweise schon aus dem „Merlin“-Buch.

Doch diesmal kommen mehrere Faktoren hinzu, die diese Geschichte sehr viel spannender machen als all die erzählenden Lehrbücher davor: ein Bösewicht. Ach was! Zwei Bösewichte sowie ihre drakologischen Helfershelfer wie etwa der kleine fiese Flitz. Wie sich herausstellt, hat Ignatius Crook, dem man das Erbe seines Drachenmeistervaters verwehrt hat, eine feine Intrige gesponnen, die dazu führt, dass sich Dr. Drake um den Erhalt des magischen Drachenauges zu sorgen beginnt. Die vor Drakes Laden abgesetzte Kiste ist der Anfang einer langen Kette von fiesen Tricks, mit denen Crook – der Name spricht Bände – Drake zusetzt.

Drake muss befürchten, dass Ignatius das Drachenauge in die gierigen Finger bekommt, und reist nach Schottland. Dort geht dann die Post richtig gut ab. Erst ereignet sich ein prächtiger Drachenkampf, dann gehen die Drake-Getreuen in den Untergrund. Wie schon aus den Tolkien-Romanen „The Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ zu erfahren, spaziert man nicht einfach so in einen Drachenhort hinein. Todesfallen warten auf den ahnungslosen Wanderer und magische Sprüche sind allenthalben vonnöten, um allerlei Ungemach abzuwenden. Man denke nur an die Westpforte von Moria und die dort auszusprechende Losung („Freund“ bzw. „mellon“).

|VORSICHT, SPOILER!|

Der Höhepunkt der Handlung ist ganz schön actionreich. Der Sieg scheint mal auf der Seite Ignatius‘ zu liegen, dann auf der von Alexandra, schließlich aber bei Dr. Drake. Würde man diese lange Szene verfilmen, müsste man alles aufbieten, was für einen Film gut und teuer ist – ungefähr wie in der Verfilmung von „Eragon“. Sie hat nur ein Manko, abgesehen von den wechselnden Seiten: Daniel und die Kinder kommen nur sehr am Rande darin vor.

|SPOILER ENDE|

Ich fand die Handlung jedenfalls zu keiner Zeit langweilig. Sicher, manchmal wird ein wenig zu stark doziert, wenn Dr. Drake in seiner Schule lehrt. Aber das liegt wohl in der Natur der Sache. Und dass Daniel vom Drachen hypnotisiert wird, ist eher lustig als langweilig. Auch der Kampf gegen die Seeräuber und deren Ende durch eine gewaltige Seeschlange fällt in die Kategorie „gute Unterhaltung für Kids“. Am besten finde ich die ökologische Botschaft der Geschichte: Drachen sind gefährdet und müssen geschützt werden.

Um die Geschichte aufzulockern und die häufig hervorgehobene Bedeutung von Protokollbüchern zu belegen, sind in den erzählenden Text Zitate aus Dr. Drakes Drachentagebuch eingestreut. Diese Einzeiler haben mehr den Charakter von Warnungen und freundlichen Ratschläge – sozusagen die Stimme der Weisheit. Sie bilden ein weiteres Element sehr feiner Ironie.

_Die Sprecher_

Es ist schon bemerkenswert und etwas seltsam, aber ich konnte die beiden Sprecher überhaupt nicht auseinanderhalten. Das bedeutet hoffentlich nicht, dass ich einen Hörschaden habe, sondern nur, dass sich ihre Stimmen und Stimmlagen auf unglaubliche Weise ähneln. Im Folgenden spreche ich daher von den Sprechern in Personalunion.

Der Sprecher zischt und flüstert, äußert sich ärgerlich, herablassend oder spöttisch. Dadurch charakterisiert er nicht nur die Figuren, wie etwa Ignatius und Alexandra, sondern bringt auch die in der jeweiligen Situation angebrachte Emotion zum Ausdruck. Das Bemerkenswerte daran: Dies betrifft nicht nur menschliche Figuren, sondern auch Drachen.

Während der Jungdrache nichts zu melden hat, gewinnen die beiden weiblichen Oberdrachen umso mehr an Bedeutung. Der Jungdrache ist der Sohn der Drachin Scrammasax, die den Schlüssel zu den Schätzen hütet. Es ist insbesondere ihre Kollegin, die uralte Hüterin der Drachenschätze, die eindrucksvoll gestaltet ist. Sie spricht voll Würde, Autorität und Weisheit in einer recht tiefen Tonlage.

Auch länderspezifische Akzente spielen eine charakterisierende Rolle. Drakes Köchin beispielsweise ist eine Französin, sein Assistent Emory Cloth ist Amerikaner und rollt das R fast ebenso schlimm wie die Russin Alexandra Gorenitschka. Am Schluss tritt Onkel Algernon Cook doch noch auf. Mit seinem nervösen britischen Akzent kann man ihn sich sehr gut als verfeinerten Viktorianer vorstellen.

Das Hörbuch weist weder Musik noch Geräusch auf, daher brauche ich darüber keine Worte zu verlieren. Auch ohne diese Zutaten sollte der Text für Kinder ab zehn Jahren gut verständlich sein. Die Action, die im Drachenhort stattfindet, und die dabei entfaltete Gewalt empfehlen die Geschichte nicht für jüngere Kinder.

Den CDs liegt ein Tattoo-Sticker bei. Damit kann man in der Schule sicher gut renommieren.

_Unterm Strich_

Mir hat die Geschichte ausnehmend gut gefallen. Sie ist lehrreich, unterhaltsam, nicht leicht zu durchschauen und deshalb immer wieder überraschend und somit spannend bis zum Schluss. Über den ausgedehnten Actionhöhepunkt war ich ziemlich erstaunt, denn so etwas hätte ich mehr von einem Roman des „Eragon“-Kalibers erwartet als von einem Kinderbuch über fast ausgestorbene Drachen in Britannien.

Drachen spielen hier also eine ganz andere Rolle als in „Eragon“, im „Hobbit“ oder in Naomi Noviks Bestsellerzyklus über die Feuerreiter seiner Majestät, in dem die ganze Welt von Drachen erfüllt ist. Bei Steer sind Drachen eine bedrohte Spezies, die sich gut versteckt, und dementsprechend geheim ist auch die Gesellschaft der Drachenschützer. Wer sich mit diesem Geheimbund identifiziert, darf sich richtig exklusiv fühlen – und vielleicht trifft dies ja auch auf die Grünen im heutigen Großbritannien zu.

Die zwei Sprecher erledigen einen richtig guten Job, ohne dabei aber die Sprachakrobatik von Rufus Beck an den Tag zu legen. Sie charakterisieren die wichtigsten Figuren und präsentieren Emotionen je nach Erfordernis einer Szene – das ist das Minimum an Leistung, das man verlangen kann. Es gibt weder Geräusche noch Musik, die sie in diesem Bemühen unterstützen würden. Aber an keiner Stelle drängen sich die Sprecher in den Vordergrund oder stören durch Patzer. Insofern kann man mit ihrer Lesung durchaus zufrieden sein.

|Originaltitel: The Dragon’s Eye – Dragonology Chronicles Vol. 1, 2006
Aus dem Englischen übersetzt von Dorothee Haentjes-Holländer und Stefanie Mierswa
198 Minuten auf 3 CDs|

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