Cast, P.C. – Ausersehen (Tales of Partholon 1)

_Tales of Partholon_

Band 1: _“Ausersehen“_
Band 2: „Verbannt“ (September 2011)
Band 3: „Gekrönt“ (Januar 2012)

_Gerade ist Shannon Parker_ eine noch unterbezahlte Lehrerin an der Highschool und auf dem Weg zu einer außergewöhnlichen Auktion, bei der sie hofft, ein paar antike Stücke zu ersteigern, als sich ihr Leben auf einmal grundlegend ändert.

Kurz nachdem sie eine wertvolle Amphore ersteigert hat, gerät Shannon in einen Wirbelsturm und wacht Tage später in einer ihr komplett unbekannten Umgebung wieder auf. Zu ihrer Verwirrung trägt bei, dass sie plötzlich mit „My Lady“ angesprochen wird, ist dies die neue Anrede, die in Krankenhäusern üblich ist? Denn genau hiervon geht Shannon aus, nach einem schweren Unfall in einem Krankenhaus wieder aufzuwachen.

In dieser Sache täuscht sich Shannon aber sehr, sie ist nicht in einem Krankenhaus, sondern in einer Parallelwelt und hier hält man sie für die Hohepriesterin der mächtigen Göttin Epona, Rhiannon. Lediglich Rhiannons erste Dienerin Alanna weiß darüber Bescheid, dass Shannon aus einer Parallelwelt kommt und unwissentlich mit Rhiannon den Platz getauscht hat.

Dieser erste Shock ist nicht einmal verdaut, als sich die nächste Hiobsbotschaft ankündigt, Rhiannons Verlobter ClanFintan ist im heimischen Tempel, um mit Rhiannon die Handfeste, eine Ehe auf Zeit, einzugehen.

Shannon versucht die ganze Sache mit Humor zu nehmen, bis sie schockiert feststellen muss, welcher unglaublichen Sagengestalt sie das Jawort geben soll! Der ihr versprochene Stammesführer ClanFintan ist nämlich keinesfalls ein normaler Mann, sondern gehört der Rasse der Zentauren, halb Mensch – halb Pferd, an. Wie so eine Ehe funktionieren, beziehungsweise vollzogen werden soll möchte Shannon sich nun so gar nicht vorstellen.

Als Shannon dann aber von Visionen heimgesucht wird und erschreckende Bilder zu sehen bekommt, beginnt sie zu begreifen, dass sie alleine dazu auserwählt wurde, Partholon Rettung zu bringen. Erbarmungslos bestialische, Vampiren ähnliche Dämonen bedrohen das Volk Partholons und Shannon nimmt die Herausforderung an. Doch dazu ist sie auch auf die Unterstützung von ClanFintan und seinem Volk angewiesen.

_Kritik_

Mit dem Roman „Ausersehen“ hat die erfolgreiche Autorin P. C. Cast den ersten Band ihrer mitreißenden Trilogie um Partholon veröffentlicht. Mit einem ebenso spannenden wie humorvollen und erotischen Plot zieht die Autorin ihre Leserinnen schnell in ihren Bann.
Mit einem anschaulichen und sehr angenehmen Schreibstil macht die Autorin es ihren Lesern leicht, der Geschichte zu folgen und die lebendige Beschreibung der Parallelwelt Partholon macht es dazu ebenso mühelos, das Kopfkino am Laufen zuhalten. Auch der Humor kommt in „Ausersehen“ nicht zu kurz, oft schafft es P. C. Cast durch amüsante Umschreibungen und besonders durch die Gedankengänge ihrer Hauptdarstellerin die Leser zum Lachen zu bringen. Auch die Mischung der verschiedenen Elemente, wie ein grausamer Feind, eine bezaubernde und spritzige Liebesgeschichte, Elemente, die an keltische Sagen erinnern, und überzeugende Protagonisten, ist der Autorin nahezu vollkommen geglückt.

Aufgeteilt ist das Buch in drei unterschiedlich lange Teile, die jeweils bestimmte Ereignisse im Blickpunkt haben. Ein angenehmer Satzbau und die Unterteilung in verschiedene Kapitel machen den Roman angenehm überschaubar.

Der Plot und die verschiedenen Charaktere werden dem Leser unterhaltsam und amüsant nahegebracht, bevor die Autorin einen steigenden Spannungsbogen gekonnt in das Geschehen einwebt und von diesem auch nicht wieder ablässt. Wer nicht schon von der magischen Welt Partholons und den anziehenden Figuren gefesselt wurde, wird nun spätestens an das Geschehen gebunden.

Erzählt wird Shannons Geschichte aus ihrer eigenen Perspektive. Durch diese Wahl der Betrachtungsweise werden die verschiedenen Stimmungen der sympathischen Protagonistin nachvollziehbar übermittelt und der Leser lernt mit Shannon die exotische Welt Partholons, deren Bräuche und Eigenarten kennen.

Die Darstellung und Entwicklung der verschiedenen Figuren ist der Autorin ausgezeichnet gelungen. Ansprechend, lebendig und äußerst authentisch werden die Figuren beschrieben und die Entwicklung infolge der Ereignisse passt zu den einzelnen Protagonisten.

Die Hauptperson Shannon sprüht gerade zu vor Witz und nimmt auch sich selber dabei das eine oder andere Mal auf die Schippe. Aber auch Freundlichkeit, Leidenschaft, Zuverlässigkeit und Aufrichtigkeit gehören zu ihren hervorstechenden Charaktereigenschaften. Shannon steht mit beiden Beinen fest im Leben und stellt sich den ihr gestellten Herausforderungen couragiert.

Weitere wichtige Charaktere wie beispielsweise ClanFintan und Alanna sind ebenfalls erstklassig konzipiert. Ebenfalls ausgestattet mit einer Fülle an Eigenschaften wirken auch diese lebendig und ansprechend.

Teilweise bleiben die Rand- und Nebenfiguren dabei etwas im Schatten, was dem Lesegenuss allerdings keinen Abbruch tut.

Wahrhaftig grausam sind die Antagonisten, vampirartige Wesen, die so erbarmungslos und brutal vorgehen, dass dieses Buch erst ab einem gewissen Alter gelesen werden sollte. Ein Jugendbuch ist dieses daher ganz sicher nicht mehr.

_Fazit_

Mit dem ersten Teil der Trilogie der |Tales of Partholon|, „Ausersehen“, hat die Autorin P. C. Cast einen vielversprechenden Auftakt vorgelegt. Ihre Mischung aus überzeugenden und ansprechenden Figuren, einer ordentlichen Portion Humor, etwas Erotik und einem beängstigenden Feind ist der Autorin brillant gelungen. Besonders weiblichen Leserinnen der Fantasy kann ich „Ausersehen“ ans Herz legen.

_Autorin_

P. C. Cast ist in Illinois geboren und pendelte während ihrer Jugend oft nach Oklahoma. Dort hat sie ihre Liebe für Quarter Horses und Mythologie entdeckt. Im Gegensatz zu anderen Kindern konnte sie zuerst reiten und lernte danach das Gehen. Später las sie jedes Buch, das sie in die Hände bekommen hat, bis ihr Vater der Zehnjährigen den „Herrn der Ringe“ geschenkt hat. Nach Tolkiens Meisterwerk hat sie Anne McCafferys „Pern“-Romane für sich entdeckt, und damit war ihre Leidenschaft für Fantasy vollends entbrannt.

Fünf Tage nach ihrem Highschoolabschluss ging sie zur Air Force, wo sie angefangen hat, professionell Reden zu halten und zu schreiben. Nach ihrer Zeit dort hat P. C. Cast 15 Jahre lang unterrichtet, bis sie sich ganz dem Schreiben widmen konnte.

Weltweit ist sie mit den „House of Night“-Romanen bekannt geworden, die P. C. Cast zusammen mit ihrer Tochter schreibt. Ihr allererster Roman – der erste Teil der |Tales of Partholon| – ist zunächst bei einem kleinen amerikanischen Verlag erschienen. Für die Autorin sehr überraschend, gewann ihr Erstlingswerk verschiedene Preise und gehörte zu den Finalisten des National Reader’s Award. Seitdem ist P. C. Cast mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Sie hat sich riesig darüber gefreut, dass sie die Welt, die sie in ihrem ersten Roman geschaffen hat, in weiteren Teilen der „Partholon“-Reihe weiterentwickeln konnte.

Die New-York-Times-Bestsellerautorin lebt mit ihrer fabelhaften Tochter, ihrer verwöhnten Katze und ihren Scotties – besser bekannt als Scottinators – in Oklahoma. Die Tochter studiert. Die Katze hat sich gegen Weiterbildung entschieden. Die Scottinators haben noch keine Zukunftspläne geschmiedet. (Verlagsinfo)

|Taschenbuch: 528 Seiten
ISBN-13: 978-3899418552
Originaltitel: Divine by Mistake|
[www.talesofpartholon.de]http://www.talesofpartholon.de
[www.mira-taschenbuch.de]http://www.mira-taschenbuch.de

_P. C. und Kristin Cast bei |Buchwurm.info|:_
|House of Night|
Band 01: [„Gezeichnet“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6374
Band 02: [„Betrogen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6277
Band 03: [„Erwählt“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6550
Band 04: [„Umgezähmt]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6755
Band 05: [„Gejagt“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6949

Lode, Cjristoph – Bruderschaft des Schwertes, Die

_Konstantinopel 1309._ Der kaiserliche Hauptmann Raoul von Bazerat lebt mit seiner Frau Jade und der gemeinsamen Tochter Naje im byzantinischen Reich, das seit Jahren von Unruhen erschüttert wird. Während Raoul gegen die Osmanen kämpft, die seine Heimat bedrohen, wird seine fünfjährige Tochter von beunruhigenden Visionen geplagt.

Als Raoul nach einer Seeschlacht gegen Piraten wieder zu seiner Frau Jade und seiner kleinen Tochter Naje zurückkehrt, muss der Hauptmann feststellen, dass beide entführt wurden. Schnell ist der Täter ausgemacht, der mysteriöse persische Kaufmann Barzin Ardeshir hat mithilfe des geheimnisvollen und fanatischen Schwertbrüderordens Raouls Familie verschleppt.

Die Spuren führen Raoul und seinen treuen Freund Narses hoch in den weit entfernten Norden, fern der ihnen bekannten Welt. Raoul will seine Frau und seine geliebte Tochter so schnell wie möglich aus den Fängen Ardeshirs befreien, denn nicht nur den persischen Kaufmann umgibt ein großes Geheimnis, auch Jade und Naje umgibt ein Geheimnis, das so alt wie die Welt selber ist …

_Kritik_

Mit seinem Roman „Die Bruderschaft des Schwertes“ hat der Autor Christoph Lode einen spannenden, historischen Roman geschrieben, der geschickt mit mysteriösen Fantasyelementen verwoben ist. Seine Figuren schickt der Autor auf eine spannende Reise, die in Konstantinopel ihren Anfang findet und an der Ostseeküste Litauens endet.

Dem detaillierten, zeitgemäßen und flüssigen Sprachstil des Autors kann der Leser mit Leichtigkeit folgen und sich so in die spannende und mystische Handlung fallen lassen. Der Satzbau ist klar gegliedert und auch die Länge der einzelnen Kapitel ist angenehm für den Lesefluss.

Die Umgebung, sei es das prächtige Konstantinopel oder auch das wilde Litauen, hat der Autor bildgewaltig und eindrucksvoll beschrieben. So ist es ein Leichtes, sich beim Lesen diese Orte lebhaft vor Augen zu führen. Auch die geheimnisvolle Atmosphäre, die der Autor erschafft, schlägt den Leser schnell in seinen Bann. So fiebert man mit den verschiedenen Protagonisten mit und erlebt die Gefühle fast hautnah.

Verschiedene dramatische so wie rätselhafte Nebengeschichten bieten zusammen mit dem unterhaltsamen Plot eine fesselnde Geschichte, an deren Ende alle Fäden zusammenlaufen.

Erzählt wird der Roman aus der Perspektive eines Beobachters, der zwischen den Charakteren wechselt. Folgen kann der Leser dem Wechsel spielend, da dieser nie überraschend kommt, sondern immer ein neues Kapitel dem vorangeht. Schnell lernt der Leser so die verschiedenen Figuren kennen und auch das zu verstehen, was diese zu ihrem Handeln bewegt.

Viel Zeit für ausschweifende Erklärungen bleibt dem Leser nicht, vielmehr katapultiert Christoph Lode seine Leser direkt in das Geschehen und die Hintergründe der Geschichte klären sich so im Verlauf auf. Der Spannungsbogen ist so direkt am Anfang des Buches deutlich präsent und entwickelt sich stetig weiter. Langatmige Passagen kommen so kaum vor.

Seinen Protagonisten haucht der Autor eine Menge Leben ein. Die einzelnen Figuren überzeugen durch eine Vielzahl an Eigenschaften. Auch das Äußere wurde ansprechend beschrieben, sodass der Leser auch hier keine Probleme haben dürfte, sich dieses bildlich vorzustellen.

Den Dreh- und Angelpunkt dieses Romans bietet der kaiserliche Hauptmann Raoul von Bazerat. Schnell wird klar, dass seine Feinde zurecht schnell das Weite suchen sollten. Einem Untergebenen gegenüber tritt er hart aber dennoch fair auf. Dieses sichert ihm den vollen Gehorsam seiner Leute und so kann Raoul sich immer auf seine Krieger verlassen. Lediglich für seine Frau Jade und die gemeinsame Tochter Naje bleibt während der Unruhen rund um Konstantinopel wenig Zeit.

Raouls Frau Jade umgibt ein altes Geheimnis, stammt sie doch von einem verloren geglaubten Volk ab. Sicher ist nur, dass ihre Abstammung nicht bekannt werden darf, schließlich regieren mittlerweile die Christen das Reich. Während der Entführung durch den geheimnisumwitterten Ardeshir, erfährt Jade viel Leid und so stehen auch bald ihre Ehe und ihre Gefühle für Raoul auf der Kippe.

Die kleine Naje ist ein entzückendes kleines Mädchen von fünf Jahren. Dass sie von verwirrenden Visionen geplagt wird, nimmt sie recht leicht und auch ihre Fähigkeiten, die sich sehr schnell entwickeln, nimmt sie kindgerecht auf. Trotz der Gefahr, in die sie sich begibt, schleicht sie sich mit ihrer spielerisch kindlichen Art schnell in die Herzen der Leser.

Selbstverständlich kommt ein spannender Roman nicht ohne eine gewisse Anzahl an Bösewichten aus, diese bekommen hier durch Barzin Ardeshir ein gefürchtetes Gesicht. Um seine zerstörerischen Ziele zu erreichen, schreckt Ardeshier vor nichts zurück. Unterstützung erfährt der mysteriöse Bösewicht durch den fanatisch christlichen Schwertbrüderorden.

Das Cover fällt in seiner Gestaltung auf jeden Fall ins Auge. In dunklen Blautönen gehalten, fallen die goldene Schrift und auch das abgebildete Schwert angenehm ins Auge.

_Fazit_

Christoph Lode hat mit seinem Roman „Die Bruderschaft des Schwertes“ einen sehr unterhaltsamen Roman geschrieben, der durch historische sowie geschickt eingewobene Fantasy-Elemente besticht. Auch die interessant konzipierten Charaktere tragen hier zum Lesespaß deutlich bei.

„Die Bruderschaft des Schwertes“ kann ich aufgeschlossenen Lesern historischer Bücher sehr empfehlen. Ich selber habe dieses Buch von der ersten bis zur letzten Seite genossen.

_Autor_

Christoph Lode, geboren 1977, ist in Hochspeyer bei Kaiserslautern aufgewachsen und lebt heute mit seiner Frau in Mannheim. Er studierte in Ludwigshafen am Rhein und arbeitete in einer psychiatrischen Klinik bei Heidelberg. Heute widmet er sich ganz dem Schreiben. Bereits mit seinen ersten beiden historischen Romanen, „Der Gesandte des Papstes“ und „Das Vermächtnis der Seherin“, sorgte er ebenso für Furore wie mit der großen Fantasy-Trilogie „Pandämonia“. (Verlangsinfo)

|Taschenbuch: 512 Seiten
ISBN-13: 978-3442473762|
[www.randomhouse.de/goldmann]http://www.randomhouse.de/goldmann

Hendrix, Lisa – Unsterbliche Liebe (Nachtkrieger 1)

_Nachtkrieger:_

Band 1: _“Unsterbliche Liebe“_
Band 2: „Ewige Begierde“
Band 3: „Immortal Champion“ (noch ohne dt. Titel)
Band 4 – 9: – geplant –

_Neun Krieger, zum ewigen Leben verdammt,_ und ein Fluch zwingt sie, sich jeden Tag bei Sonnenaufgang in ein Tier zu verwandeln. Jeder in die Gestalt seines Fylgja, des Tieres, das ihm zum Schutzgeist bestimmt wurde. So ziehen sie einsam und voller Sehnsucht nach einem normalen Leben durch das Land …

England 1095. Ivar, in dieser Zeit unter dem Namen Ivo de Vassy bekannt, dient König William dem Eroberer als Spion. Was niemand auch nur ahnt, jeden Tag bei Sonnenaufgang verwandelt sich Ivo in einen Adler. Ein normales Leben scheint für Ivo ein für die Ewigkeit unerfüllter Traum zu sein. Bis zu jenem Tag als König William II Ivo Alnwick Castle als Lehen zuteilt und Ivo die dort herrschende Adelige Alaida zur Ehefrau verspricht. Ivo ist selbstverständlich völlig klar, dass es der pure Wahnsinn ist, sich auf dieses Geschäft einzulassen, wie soll Ivo einer Ehefrau den jemals seine zweite Gestalt auf lange Sicht verheimlichen?

Ivo sucht Rat bei seinem einstmaligen Anführer und Freund Brand, der Ivo erfolglos versucht, das Lehen und eine Ehefrau auszureden. Ivo, der voller Sehnsucht nach einer echten Heimat ist, überzeugt schließlich Brand und Ari, ebenfalls ein Gestaltwandler, ihn zu unterstützen. Als Ivo dann Alaida, eine gescheite wie auch eigenwillige Frau, kennenlernt, ist es um ihn geschehen. Was er nicht ahnt, nicht nur der Fluch birgt große Gefahr für sein Glück, auch eine bedrohliche alte Weissagung bringt ihn und Alaida in tödliche Gefahr.

_Kritik_

Die Autorin Lisa Hendrix hat mit „Unsterbliche Liebe“ den ersten Teil ihrer auf neun Teile ausgelegten Reihe um die Nachtkrieger veröffentlicht. Hier geht es um eine Saga, in der neun Krieger von einer bösen Hexe verflucht werden ihr Leben als unsterbliche Gestaltwandler zu leben. Im ersten Band spielt der Krieger Ivar die Hauptrolle.

Mit einem schnörkellosen und mühelos zu lesenden Schreibstil wird der Leser in die Geschichte um die neun Verfluchten eingeführt. Bewegend beschreibt die Autorin die Lebensumstände der verwünschten Krieger und die Probleme, die sich für diese ergeben. Auch eine greifbare Beschreibung der Landstriche trägt dazu bei, dass sich der Leser ein authentisches Bild machen kann. Viele Wendungen gab es in dem Roman nicht und so blieb er bis kurz vor Ende recht vorhersehbar. Vielmehr ist in diesem ersten Band viel Wert darauf gelegt worden, das Leben mit dem Fluch und die daraus resultierenden Probleme zu beschrieben. Stellenweise tritt die Geschichte da etwas auf der Stelle, da die Autorin immer wieder erklärt, warum die Verfluchten eine Entdeckung fürchten. Lediglich zum Schluss gab es einige Überraschungen, auf die der Leser nicht unbedingt gefasst sein durfte.

Abwechslungsreich ist auch die Kombination aus dramatischer Fantasy vor einem historischen Hintergrund gewählt. Auch wenn der historische Teil stark verklärt beschrieben wurde, ist es anhand einer zeitgemäßen Ausdrucksweise und dem historischen Hintergrund sehr unterhaltsam zu lesen. Aus dem Genre der Fantasy betrachtet, gibt es hier dann sogar etwas Neueres, ein Fluch, der die Wikingerkrieger um Anführer Brand zwingt, einen Teil des Tages als Tier mit kaum noch menschlichem Bewusstsein zu verbringen. Dies macht ein Leben unter Menschen fast unmöglich, immerhin ist gerade im Mittelalter die Kirche noch sehr mächtig und das Entdecken hätte schnell tödlich enden können oder zumindest unbeschreibliche Qualen mit sich gebracht.

Die Geschichte plätschert bis kurz vor Ende eigentlich nur dahin und verliert sich oftmals in Erklärungen. Erst zum Ende hin, als Alaida erkennt, was der ihr Angetraute ist, zieht die Spannung mächtig an. Im ersten Band liegt der Fokus der Autorin deutlich daran, das Leben der Krieger mit dem Fluch zu beschreiben.

Die Protagonisten hat Lisa Hendrix sehr ansprechend konzipiert, nicht nur die beiden Hauptdarsteller Ivo und Alaida sind sehr einnehmend skizziert, auch verschiedenen Nebenfiguren wie Brand, Ari und Merewyn sind lebendig und sympathisch gezeichnet.
Der künftige Burgherr Ivo ist mit ausreichend Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein ausgestattet, um das ihm gegebene Lehen und die dazugehörige Ehefrau direkt und ohne viel Federlesen in Besitz zu nehmen. Dennoch ist er einfühlsam und Ivo ist daran gelegen, seine Frau glücklich zu machen und auch für seinen Untertanen zu sorgen. So ist er ein gerechter und angesehener Lehnsherr und bei seinen Leute beliebt.

Alaida ist eine für ihre Zeit etwas zu couragierte und selbstbewusste Frau. Allerdings trägt sie Herz und Zunge auf dem rechten Fleck und zieht so die Leser schnell in ihren Bann.

Die Beziehungen zwischen den Charakteren sind klar definiert und überzeugend beschrieben.

Die Gestaltung des Covers mit den bläulichen Flügeln, die für den Adler in Ivo stehen, und die durch Spotlack hervorgehobene Schrift hätte ein echter Eyecatcher sein können, wäre ein meinen Geschmack treffendes männliches Model genommen worden.

In einem Nachwort zum geschichtlichen Hintergrund werden die realen Schauplätze sowie die historisch verbürgten Personen aufgezeigt.

_Fazit_

Mit dem ersten Band um die unsterblichen Nachtkrieger „Unsterbliche Liebe“ ist der Autorin Lisa Hendrix ein unterhaltsamer Fantasy Roman gelungen, den sie interessant in einen historischen Kontext verwoben hat. Trotz kleinerer Schwächen ist „Nachtkrieger – Unsterbliche Liebe“ lesenswert und besticht nicht nur durch die Saga an sich, sondern auch durch individuelle und lebendige Darsteller.

Die auf neun Teile angelegte Reihe hat mit „Unsterbliche Liebe“ einen interessanten Auftakt geboten, und gespannt darf der nächste Teil erwartet werden. Er wird 200 Jahre später in Sherwood Forest spielen wird, „Ewige Begierde“ heißen und im März 2012 erscheinen.

_Autorin_

Bevor Lisa Hendrix sich als Schriftstellerin selbstständig machte, arbeitete sie unter anderem als Sekretärin, als Englischlehrerin in Japan und als Forschungsassistentin auf einem Schiff in der Beringsee. Sie hat in den USA bereits mehrere Liebesromane veröffentlicht, bevor sie sich mit ihrer Serie „Nachtkrieger“ der Romantic-Fantasy zuwandte. Insgesamt soll die Reihe neun Bücher umfassen, von denen jedes in einem anderen Jahrhundert spielen wird. Mehr Informationen unter: [www.lisahendrix.com]http://www.lisahendrix.com

|Taschenbuch: 480 Seiten
ISBN-13: 978-3426508404
Originaltitel: Immortal Warrior|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de/home

Scott, Rob – 15 Meilen

_Das geschieht:_

Samuel Doyle, Polizeibeamter in Richmond im US-Staat Virginia, ist ein Getriebener: Er trinkt, ist tablettensüchtig und betrügt seine Ehefrau, die ihm gerade das zweite Kind geboren hat. Dass man Doyle gerade zur Mordkommission versetzt hat, erhöht seinen Stress, zumal dem unerfahrenen Ermittler als erster Fall die Klärung eines bizarren Geschehnisses übertragen wird: 15 Meilen vor den Toren der Stadt wurden auf einer einsamen und völlig verwahrlosten Farm zwei Leichen entdeckt. Captain Carl James Bruckner gehörte einst zum US-Marine Corps und zeichnete sich im Vietnamkrieg durch besondere Tapferkeit aus. Mit seiner Ehefrau Claire und der geistig behinderten Tochter Molly lebte er seit Jahren völlig zurückgezogen. Nachbarn gibt es nicht, niemand weiß, welche Tragödie sich auf dem Hof abgespielt hat.

Mit den beiden älteren Bruckners starben ihr Vieh und ihre Haustiere, deren Kadaver überall im Haus und in den Stallungen ausliegen. Claires Leiche wurde in Katzenstreu mumifiziert. Karls Körper steckt in einer Truhe; aus seinen Schultern wurden Fleischstücke geschnitten. Molly ist spurlos verschwunden.

Was ist hier geschehen? Doyle, der alles richtig machen will, gerät ins Schwimmen. Die Indiziendecke ist dünn, erste Untersuchungsergebnisse deuten Ungeheuerliches an: Offenbar war Bruckner in Vietnam an einen schlecht geplanten Einsatz beteiligt, der den meisten Kameraden das Leben kostete. Die Schuldigen wurden nie zur Rechenschaft gezogen. Einer von ihnen stellt sich in Richmond als zukünftiger Präsident der USA vor. Wollte sich Bruckner rächen?

Als klar ist, was die Farmtiere umbrachte, bricht Panik aus. Alles deutet darauf hin, dass Molly ahnungslos weiterhin versucht, das Attentat durchzuführen. Nur Doyle ahnt die wesentlich gefährlichere Wahrheit, aber auch ihn hat inzwischen erwischt, was auf der Bruckner-Farm umgeht …

_Die tausend Tücken des Objekts_

Diese Rezension ist ein Drahtseilakt: Eigentlich lässt sie sich überhaupt nicht schreiben, ohne die Katze beim Namen zu nennen, die Autor Scott schließlich aus dem Sack lässt. Er entfesselt keinen Geisterspuk, weder Zombies noch (Gott bewahre!) Vampire geistern durch die hochsommerlichen Sümpfe von Virginia. „15 Meilen“ erzählt stattdessen die Geschichte eines ‚realen‘ Horrors, der seinen Weg in eine unvorbereitete und entsetzte Menschenwelt findet.

Insofern führt der Klappentext, der in das Versprechen „Gänsehaus garantiert – Rob Scott ist der neue Star des Horrorgenres!“ mündet, den Leser in eine gänzlich falsche Richtung. Andererseits ignoriert der erfahrene, weil durch böse Erfahrung klug gewordene Leser Klappentexte ohnehin; sie werden heute in der Regel von Knechten der Werbe-Branche geschrieben, die das Buch dazu höchstens überflogen haben.

Ohne solchen Dummsprech kann sich der Leser viel unbefangener auf einen tatsächlich etwas anderen Horror-Roman einlassen. „15 Meilen“ bietet Mystery-Grusel, wie ihn Michael Crichton selig oder das erfolgreiche Duo Preston & Child liefer(te)n: Scott entwirft ein Rätsel an der Grenze zum Absurden bzw. zum Übernatürlichen, das er nach und nach und möglichst spannend auflöst. Das Wirken jenseitiger Mächte wird dabei als Verkettung jederzeit erklärbarer Ereignisse geschildert.

Die Kunst besteht darin, den Leser dadurch nicht zu enttäuschen, sondern im Gegenteil zu faszinieren. Dies ist durchaus möglich, wenn der Rätsel Lösungen überraschen können und der Weg bis dahin spannend ist. Beide Hürden kann Scott nehmen.

|Auf Nummer Sicher gehen – und es übertreiben|

„15 Meilen“ ist Scotts erster Solo-Roman. Dies lässt verstehen, dass er es richtig machen und auf Nummer Sicher gehen wollte. Auf keinen Fall sollte diese Geschichte simple Horror-Action werden. Scott ist ehrgeizig. „15 Meilen“ soll nicht nur spannend und gruselig sein, sondern auch Tiefgang bieten.

Diesen verbindet der Autor mit seiner Hauptfigur. Schon in der Inhaltsbeschreibung wurden einige der Bürden aufgezählt, die auf „Sailor“ Doyles Schultern lasten. Obwohl dies mehr als genug Stoff für den Entwurf einer interessant gebrochenen Existenz sein dürfte, ist die Liste keinesfalls vollständig. Weitere seelische Altlasten brechen über den armen Doyle herein, der ohnehin die meiste Zeit damit beschäftigt ist, den endgültigen Einsturz seines maroden Privatlebens aufzuhalten.

Es überrascht kaum, dass Scott es übertreibt, zumal er einen unguten Hang zum Exkurs hat. So reicht es ihm nicht, Doyle mit einer tragisch verunglückten Schwester zu schlagen. Wo die Erwähnung der Tatsache und der daraus resultierenden psychischen Probleme gereicht hätte, lässt Scott Marie in zwei Rückblenden quasi auferstehen. Ihr Schicksal hat mit der eigentlichen Handlung nichts zu tun und lässt gleichgültig. Wenn der Leser dies bemerkt, reagiert er gereizt, zumal uns Scott noch auf weitere nutzlose Abwege führt.

|Detective Doyle: Schmerzensmann oder Idiot?|

Schon die Einleitung ist durchaus eine Zumutung: 41 Seiten sitzen Doyle und seine Kollegen in einer Kneipe und saufen. Was in Doyles Welt einführen soll, gerinnt so zur Abfolge von Wiederholungen. Viel effektiver wäre es gewesen, in die Handlung einzusteigen und Doyles Probleme und Dämonen nach und nach einfließen zu lassen, zumal seine Schwierigkeiten mit dem Geschehen nur am Rande oder gar nicht zu tun haben.

So funktioniert es jedenfalls nicht: Doyle dröhnt und schüttet sich zu, bleibt dabei jedoch als Fahnder stets am Ball. Der Fall wird gelöst, obwohl die nörgelnde Gattin, die unzufriedene Geliebte, die tote Schwester, der lästige Vorgesetzte, die verlockend hübsche neue Kollegin und andere Hindernisse sich in Doyles Hosenboden verbeißen.

Solche künstlichen Verwicklungen sind im Grunde überflüssig. Der Detective mag unerfahren sein, aber er kann seinen Job. Wenn wir ihn bei seiner Polizei-Arbeit beobachten, kommt „15 Meilen“ endlich in Schwung. Selbst Sohn eines Polizisten und auch mit der Kulisse Virginia vertraut, versteht es Scott, die Ermittlungen anschaulich darzustellen.

Das Finale ist ambivalent: Einerseits schildert Scott eine spannende Jagd auf Leben & Tod, während er andererseits seinen Helden dabei mit Rauschgift und Medikamenten vollpumpt, an einer tödlichen Krankheit leiden, von gleich mehreren Giftschlangen beißen, einem religiösen Irren in die Arme laufen sowie sich anschießen und von einer Brücke stürzen lässt. Jedes Mal, wenn es ihn trifft, beteuert Doyle glaubhaft, am Ende zu sein, und taumelt doch dem nächsten Desaster und der Auflösung jeglicher Glaubwürdigkeit entgegen.

|CSI-Ekel ist steigerbar|

In seinem Element ist Scott, wenn er den zentralen Ort des Geschehens nicht einfach beschreibt, sondern zelebriert. Die Bruckner-Farm wird zur Stätte eines Grauens, das umso stärker wirkt, weil es vor allem im Menschenhirn nistet. Zwar sorgt die Natur in ihrer evolutionären Gleichgültigkeit für Tod, Hitze, Fliegen und Fäulnis, doch an den wirklich finsteren Ereignissen ist sie unschuldig.

Was sich im Haus der Bruckners abgespielte, ist dabei so traurig, lächerlich und bizarr wie das wahre Leben. Die Ereignisse liefen dort ohne das spätere Grauen bereits aus dem Ruder. Bis dies offenbart und schlüssig beschrieben wird, wirft Scott leider erneut seine Nebelkerzen und führt den inzwischen längst misstrauisch gewordenen Leser nicht elegant in die Irre, sondern packt ihn am Schlafittchen und zerrt ihn dorthin.

Sollte es Scott gelingen, seinen Hang zum Aus- und Abschweifen zu bändigen oder durch eine energische Redaktion kontrollieren zu lassen, dürften seine nächsten Romane deutlich besser geraten. Wie dies aussehen könnte, lässt sich einfach vorstellen: „15 Meilen“ minus 200 Seiten ergäben ein Grusel-Garn, das dem pompösen Klappentext wesentlich besser entspräche!

_Autor_

Robert Scott (geb. 1968 in New York) studierte zunächst Musik. Sein Instrument war die Gitarre, mit der er sich als Künstler seinen Lebensunterhalt verdiente, bevor er ein Studium der Erziehungswissenschaften anschloss.

Schriftsteller wurde Scott, nachdem er in seinem Schwiegervater Jay Gordon ebenfalls einen Liebhaber epischer Fantasy entdeckte. Sie beschlossen, eine eigene Serie zu schreiben. Aus diesem Plan entwickelte sich nach mehrjähriger Vorbereitung der |Eldarn|-Zyklus, der als Trilogie endete, als Gordon 2005 einer schweren Krankheit erlag.

Als „Rob Scott“ veröffentlichte Scott 2010 seinen ersten Solo-Roman und wechselte dabei von der Fantasy zum Horror. In diesem Genre hatte er seit 1985 diverse Kurzgeschichten veröffentlicht. Hauptberuflich arbeitet Scott heute als Direktor einer Schule im US-Staat Virginia, wo er mit seiner Familie lebt.

|Taschenbuch: 527 Seiten
Originaltitel: 15 Miles (London : Victor Gollancz Ltd./Orion Publishing Group 2010)
Übersetzung: Andreas Brandhorst
ISBN-13: 978-3-453-52740-9|
[www.randomhouse.de/heyne]http://www.randomhouse.de/heyne

Parker, Robert B. – Rough Weather (Spenser 36)

_Die Spinne im Netz: Spenser unter Superreichen_

Spenser wird der superreichen Heidi Bradshaw engagiert, auf der Hochzeit ihrer Tochter Adelaide für mehr Sicherheit zu sorgen. Das kommt dem Bostoner Privatdetektiv spanisch vor, denn Heidis Privatinsel verfügt ja schon über einen privaten Sicherheitsdienst. Doch wie sich herausstellt, ist Spensers Anwesenheit vor dem Traualtar notwendiger denn je …

Eine deutsche Übersetzung liegt noch nicht vor.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren “ er hat bis zu seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 60 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wurde vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten Chandler-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Die superreiche Gesellschaftsdame Heidi Bradshaw, rund 40, engagiert Spenser, um auf der Hochzeitsfeier ihrer Tochter Adelaide für mehr Sicherheit zu sorgen – sie „hätte gerne einen starken Mann an ihrer Seite“. Angesichts des fetten Schecks, den sie vorab ausstellt, sagt Spenser nicht nein, wundert sich aber doch: Heidis Privatinsel Tashtego Island verfügt selbst über einen gut bestückten Sicherheitsdienst. Wovor also hat sie Angst?

Um gegen die eventuellen Verführungsversuche der mal wieder geschiedenen Heidi gefeit zu sein, nimmt Spenser seine Lebensgefährtin Dr. Susan Silverman mit auf die Insel. Susan staunt nicht schlecht über die noble Hütte, in der man sie unterbringt. Im Wohnzimmer könnte man locker eine Partie Golf spielen. Und jedes Schlafzimmer verfügt selbstredend über sein eigenes Bad.

Lediglich die Qualität der Gäste lässt zu wünschen übrig. Pikiert bemerken Spenser und Susan, dass Heidi auf höchst subtile Weise sticheln und herabsetzen kann. Dann jedoch wird ihre Aufmerksamkeit von einem Gast der Extraklasse abgelenkt: der Graue Mann ist angekommen, wie stets ganz in Grau gekleidet. Spenser erkennt den Auftragsmörder Rugar sofort wieder, der ihm vor zehn Jahren (1997 in „Small Vices“) fast den Garaus gemacht hätte. Spenser glaubt nicht so recht, dass das gleichzeitige Auftauchen von Rugar und seiner selbst ein Zufall ist. Ein Sturm zieht auf. Ein echter.

Die Trauungszeremonie findet in der zur Kapelle umdekorierten Bibliothek statt. Spenser und Susan sitzen auf den von Heidi angewiesen Plätzen. Kaum hat der Reverend die Zeremonie begonnen, stürmen sechs maskierte Bewaffnete herein und halten die Gäste in Schach. Rugar schießt den Reverend in den Kopf und als auch der Bräutigam protestiert, hat auch dessen letztes Stündlein geschlagen. Die Braut sinkt ohnmächtig zu Boden.

Es ist bemerkenswert, dass der Graue Mann sofort weiß, wo Spenser sitzt. Er soll die Braut hinaus zum Helikopter tragen. Obwohl der Privatdetektiv wie stets bewaffnet ist, kann er doch nichts gegen sieben Bewaffnete ausrichten. Schon gar nichts, wenn Susan als Geisel bedroht wird. Er drückt ihr die Hand und folgt den Anweisungen. (Wo sind nur die Wachen geblieben?) Er setzt die Braut in den geöffneten Helikopter. Doch der Pilot weigert sich, bei diesem Sturm zu fliegen: Der Wind würde das Fluggerät zu Boden werfen und zerstören.

Da im Haus der Strom ausgefallen ist, ist es stockfinster, als Spenser von einem der Bewaffneten zum Haus geleitet werden soll, zu den anderen Geiseln. Doch Spenser überlistet den Ortsunkundigen. Nach einem heftigen Fight landet sein Gegner am Fuße der Klippen. Nun muss es Spenser nur noch gelingen, Susan davor zu bewahren, in die Hand des Grauen Mannes zu fallen, sonst hätte Spenser verspielt.

Vorsichtig nähert sich der Privatdetektiv wieder dem Haupthaus …

_Mein Eindruck_

Ein hammerharter Actionauftakt für diesen Roman! Doch nachdem die ganze Sache überstanden ist, tauchen die ersten Fragen auf. Ein derart aufwendiges Kidnapping ist überhaupt nicht Rugars Stil. Der Graue Mann hält sich viel lieber im Hintergrund und arbeitet alleine. Zweitens hätte es ja gar nicht all des Brimboriums bedurft, um Adelaide zu entführen. Das hätte Rugar ja auch erledigen können, wenn sie gerade vom Shopping kam. Also, was sollte der Scheiß?

Das fragen sich nicht nur Spenser und Susan, sondern Captain Healy von der Staatspolizei und Agent Epstein vom FBI. Und da sie Besseres zu tun haben, als dumme Fragen zu stellen, macht sich Spenser an die Arbeit, um dieses Rätsel aufzuklären. Er hat das Gefühl, dass er diese Scharte auswetzen muss. Hilflos musste er mit ansehen, wie die junge Frau entführt wurde. Ob sie wohl noch am Leben ist?

Seltsamerweise wendet sich Heidi Bradshaw mit keiner Silbe an ihn. Sie fragt nicht nach seinem und Susans Wohlergehen, obwohl sie ihn doch eingeladen hatte. Wozu eigentlich genau, fragt er sich. Hat sie womöglich mit der Organisation der Entführung und den Morden selbst zu tun? Das gilt es herauszufinden. Spenser setzt er sich zusammen mit seinem Kumpel Hawk auf Heidis Fährte und stößt auf einige höchst unerfreuliche Fakten.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Spur zurück zum Auftraggeber führt. Und nicht das erste Mal, dass der Auftraggeber selbst der schlimmste Finger in diesem ganzen Schlamassel ist. Aber Heidi Bradshaw denkt wohl, sie könne einen kleinen Privatdetektiv, den ihr ein Anwalt empfohlen hat, mit Sex um den Finger wickeln, mit ihrem Geld beeindrucken und mit ihrem Sicherheitsdienst – immerhin sechs Bewaffnete! – einschüchtern. Da gerät sie aber bei Spenser an den Falschen. Er zerlegt ihren neuen Leibwächter zu Kleinholz.

Zusammen mit Hawk unterläuft er einen weiteren Anschlagsversuch. Vier Volltrottel, die nicht mal die englische Sprache beherrschen, wollen sie erledigen? Lachhaft! Wenig später liegt der Drahtzieher des Anschlags tot auf der Hauptstraße – kein schöner Anblick für die braven Bostoner Bürger. Aber wer steckt hinter diesem Amateur?

Auf der Suche nach Adelaide Van Meer, Heidi Bradshaws Tochter aus ihrer zweiten Ehe – sie ist inzwischen dabei, Ehemann Nummer drei um sein Geld zu bringen – stößt Spenser auch auf den unglückseligen Bräutigam Maurice: Der junge Mann war schwul, während Adelaide lesbisch ist. Na, da haben sich ja zwei Turteltäubchen gefunden, denkt Spenser.

Doch etwas scheint mit der zwanzigjährigen Frau ernsthaft nicht zu stimmen. Ihre Schwester erzählt, sie habe versucht, sich auf dem College mit 20 Schlaftabletten umzubringen. Warum sollte sie so etwas tun? Und welcher Arzt betreut eigentlich diese merkwürdige Familie? Die Antworten sind höchst beunruhigend. Der Arzt ist ein Quacksalber und Adelaide wurde seit Jahren sexuell missbraucht. Rugar ist bestimmt nicht dafür verantwortlich, so gut kennt er den Auftragsmörder jedenfalls. Doch wer dann?

Je mehr Spenser findet, desto gruseliger wird dieser Fall. Und das erinnerte mich an den „Jesse Stone“-Krimi „Sea Change“ (2006; siehe meinen Bericht), in dem es ebenfalls um einen wahrhaft grauenerregenden Fall von Kindesmissbrauch geht. Mehr sei nicht verraten.

_Unterm Strich_

Nach dem actionreichen Auftakt von rund 60 Seiten erfährt der Fall eine unerwartete und erfreuliche Wendung nach der anderen. Die Fülle von Erkenntnissen, unterbrochen von diversen Konfrontationen, wirkt wie ein Sog auf das Bewusstsein des Lesers. Doch wenn man meint, man hätte jetzt endlich alle Antworten, bekommt die Story eine erneute, finstere Wendung. Erst das finale Gespräch Spensers mit Rugar und Adelaide beantwortet alle Fragen. Doch was fängt man nun mit dem Kidnapper und Mehrfachmörder an?

Wieder einmal gewährt Parker einen Blick in den Abgrund, den der amerikanische Traum ermöglicht. Heidi Bradshaws Selbsterfindung beruht auf Sex, Lügen und Erpressung. Nachdem sie einen anderen Namen angenommen hat, gewährt sie Sex und nimmt dann die hörigen Ehemänner systematisch aus. Doch ihr Hunger bleibt ungestillt: Sie hat es auch auf die Familie ihres Schwiegersohns abgesehen. Wenn Spenser sie damit konfrontiert, streitet sie alles ab. Denn Leugnen ist die einfachste Möglichkeit, ihr eigenes Verhalten zu entschuldigen.

Die Struktur der Story gleicht der des Vorgängerbandes „Now & Then“, doch die Aussage ist eine andere. Statt der Sozialkritik an dem Terrorismusunterstützer Perry Alderson lesen wir nun die Kritik an einer ganzen Oberschicht: den Gesellschaftsdamen, die sich wie Vampire von der Lebenskraft ihrer Ehemänner ernähren – und dabei auch zerstörte Kinderleben zurücklassen. Auch dies lässt der American Dream zu, doch der Preis für seine Verwirklichung wird in Leben entrichtet.

„Rough Weather“ trägt seinen Titel zu Recht, denn der Leser wird nicht nur vom ersten Abschnitt gebeutelt, sondern auch von den Erkenntnissen, die danach folgen. Inhaltlich und stilistisch ist der Roman seinem Vorgänger „Now & Then“ überlegen, und deshalb vergebe ich gerne vier von fünf Punkten. Für die volle Punktzahl hätte ich jedoch mehr Action erwartet. Wer jedoch stattdessen mit viel Humor und einer Portion Erotik zufrieden ist, wird voll auf seine Kosten kommen.

|Taschenbuch: 301 Seiten plus Leseprobe zu „The Professional“
ISBN-13: 978-0425230176|
[Verlagshomepage]http://us.penguingroup.com/static/pages/publishers/adult/berkley.html

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066
[„Gunman’s Rapsody“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6836
[„Wilderness“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6956

„Cole & Hitch“:

1) „Appaloosa“ (2005)
2) „Resolution“ (2008)
3) „Brimstone“ (2009)
4) „Blue-Eyed Devil“ (2010)

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) [„Night and Day“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6873
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) [„Melancholy Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6834
5) [„Blue Screen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6835
6) [„Spare Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6852

Die „Spenser“-Reihe:

01 [„The Godwulf Manuscript“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6921
02 [„God Save The Child“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6951
03 [„Mortal Stakes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6922
04 [„Promised Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6923
05 [„The Judas Goat“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6953
06 [„Looking for Rachel Wallace“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6954
07 „Early Autumn“
08 „A Savage Place“
09 [„Ceremony“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6952
10 „The Widening Gyre“
11 „Valediction“
12 [„A Catskill Eagle“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7066
13 [„Taming a Sea-Horse“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6839
14 „Pale Kings and Princes“
15 „Crismon Joy“
16 [„Playmates“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6867
17 [„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
18 „Pastime“
19 „Double Deuce“
20 [„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
21 [„Walking Shadow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6820
22 [„Thin Air“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6872
24 [„Small Vices“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6829
25 „Sudden Mischief“
26 „Hush Money“
27 „Hugger Mugger“
28 [„Potshot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6821
29 [„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
30 [„Back Story“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6842
31 [„Bad Business“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6840
32 [„Cold Service“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6844
34 [„Hundred Dollar Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6838
35 [„Now and Then“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7117
36 [„Rough Weather“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7118
37 [„Chasing the Bear“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6837
38 [„The Professional“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6866
39 [„Painted Ladies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6843
40 „Sixkill“

Montgomery, L. M. / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Anne in Four Winds – Ein neuer Anfang (Folge 20) (Hörspel)

_Taschentuchalarm: Erlösung und Abschied_

Eine neuartige Operationsmethode könnte Dick Moore helfen, sein Gedächtnis zurückzuerlangen. Anne ist außer sich vor Zorn, als Gilbert ihr davon erzählt. Die Ehe der beiden wird auf eine harte Probe gestellt und auch die Freundschaft mit ihren Nachbarn ist bedroht. Wird Leslie Moore einwilligen, ihren Mann operieren zu lassen?

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die 1. Staffel: |Anne auf Green Gables|

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: [Verwandte Seelen 4852
Folge 3: [Jede Menge Missgeschicke 4911
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die 2. Staffel: |Anne auf Avonlea|

Folge 5: [Die neue Lehrerin 5783
Folge 6: [Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen 5806
Folge 7: [Eine weitere verwandte Seele 5832
Folge 8: Das letzte Jahr als Dorfschullehrerin

Die 3. Staffel: |Anne in Kingsport| (Frühjahr 2009)

Folge 9: Auf dem Redmond College
Folge 10: Erste Erfolge als Schriftstellerin
Folge 11: Die jungen Damen aus Pattys Haus
Folge 12: Viele glückliche Paare

Die 4. Staffel: |Anne in Windy Poplars| (Herbst 2009)

Folge 13: [Die neue Rektorin 6084
Folge 14: [Ein harter Brocken 6085
Folge 15: [Das zweite Jahr in Summerside 6110
Folge 16: Abschied von Summerside 6111

Die 5. Staffel: |Anne in Four Winds| (Frühjahr 2010)

Folge 17: [Ein neues Zuhause 7113
Folge 18: [In guten wie in schlechten Zeiten 7114
Folge 19: [Verwirrung der Gefühle 7115
Folge 20: [Ein neuer Anfang 7116

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Dr. Gilbert Blythe: Simon Jäger (Josh Hartnett)
Diana Wright: Uschi Hugo (Neve Campbell)
Marilla Cuthbert: Dagmar von Kurmin
Rachel Lynde: Regina Lemnitz (Kathy Bates, Whoopi Goldberg)
Dora Keith: Maria Hinze
Jane Inglis: Cathlen Gawlich:
Paul Irving: David Turba
Dr. David Blythe: Engelbert von Nordhausen (Samuel L. Jackson)
Captain Jim Boyd: Hasso Zorn
Cornelia Bryant: Ulrike Möckel
Fraulein vom Amt: Evelyn Maron
Und viele andere.

Regie führten Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Am Jahresanfang verspürt Anne Freude auf ihr zweites Kind, das wohl im Spätherbst zur Welt kommen wird. Aber ihre erste Sorge gilt immer noch Leslie Moore, die sich im letzten Herbst fast umgebracht hätte, weil ihr die unerfüllte Liebe zu Owen Ford so viel Kummer bereitete. Doch Leslie ist an den halbdebilen Dick Moore gebunden. Scheidungen gibt es hier in Four Winds nicht.

Da schlägt Gilbert eine neuartige Operation an Dick Moores Kopf vor. Diese könnte seine Heilung bedeuten. Anne denkt jedoch zuerst an Leslie und was dies für ihre Freundin bedeuten könnte, Gilbert hingegen beruft sich auf seine Pflicht als Arzt. Schließlich hat er den hippokratischen Eid geleistet, oder? Ein handfester Streit im Hause Blythe ist die Folge. Doch Kapitän Jim findet, man sollte in dieser Sache erst einmal Leslie Moore informieren. Da hat er Recht.

Diese kommt drei Tage später mit ihrer Einwilligung und gibt Gilbert Geld für die Operation, das sie sich von Jim geliehen hat. Doch auch Cornelia Bryant ist gegen die Operation. Diesmal ist es an Anne, Dick Moore und Gilbert zu verteidigen. Anfang Mai kommt die Nachricht, die Moores seien in Montreal im Krankenhaus und die Aussichten auf Heilung stünden nach der Operation gut.

Ende des Monats trifft bei Anne eine erstaunliche Nachricht von Leslie ein: Dick Moore sei vor 14 Jahren in Havanna gestorben! Der für Dick gehaltene Mann ist in Wahrheit sein Cousin George – und somit ist Leslie endlich frei! Die Frauen sind baff. Doch sie sehen sofort die ungeheuren Chancen, die sich Leslie nun eröffnen. Sofort schreibt Anne an Owen Ford, er möge kommen.

Und Annes Baby? Der kräftige Junge soll nach Kapitän Jim Boyd James Matthew heißen. Doch noch ist das Jahr nicht zu Ende …

_Mein Eindruck_

Spätestens jetzt wird das herrschende Prinzip in der Gestaltung der Handlung deutlich: Es lautet „Gleichgewicht durch Ausgleich der Gegensätze“. Annes Ehe war bislang von der Trauer um ihr erstes Baby überschattet, doch Mutter Natur kann sie inzwischen mit der Hoffnung auf ein zweites Kind getröstet.

Gleichermaßen verhält es sich mit Leslie: Die lebendig Begrabene, die in Owen Ford bereits einen Lichtstrahl erblickt und wieder verloren hatte, erhält nun durch die Nachricht, ihr „Mann“ sei gar nicht Dick Moore, sondern dessen Cousin George eine ungeheure Erlösung. Der Medizin sei’s getrommelt und gepfiffen!

Stante pede darf die Liebe wieder zu ihrem Recht kommen (wobei dieses Recht, wie schon angemerkt, ohne Scheidungsrecht auskommen muss), und Anne ruft Owen Ford herbei. Ist er noch frei? Es sieht ganz danach aus. Und so könne sich nicht nur Liebes-, sondern auch gleich noch Eheglück einstellen. Ein geglücktes „Projekt“ fürwahr!

Kann soviel Glück auf einem Haufen von Bestand sein? Selbstverständlich nicht, denn das verstieße ja gegen das montgomerysche Gesetz vom Ausgleich. Deshalb gilt es am Ende dieses ereignisreichen Jahres, dem Gott der Zeit das ihm zustehende Opfer darzubringen. Und so nehmen wir denn abschied von Kapitän Jim. Haltet die Taschentücher bereit und betet für sein Wiedersehen mit der geliebten Margaret! Ein Schuft, wer dabei grinst …

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die zwanzigjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich jugendlich. Manchmal darf sie aber auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen, besonders mit „verwandten Seelen“.

Unter den weiteren weiblichen Sprecherinnen ragen die der Marilla Cuthbert (Dagmar von Kurmin) und der Rachel Lynde (Regina Lemnitz) heraus, die Anne regelmäßig im Sommer und zu Weihnachten besucht. Regina Lemnitz ist die Inkarnation der Plaudertasche und der wandelnden Gerüchteküche. Und sie ist natürlich die beste Freundin von Marilla Cuthbert, die die Witwe in ihr Haus aufgenommen hat. Die beiden älteren Sprecherinnen sprechen die Rollen der beifälligen bzw. kritischen Mentorin ausgezeichnet.

Captain Jim Boyd wird von Hasso Zorn gesprochen. Dessen Stimme passt derart perfekt zu dieser wichtigen Figur der Geschichte, als wäre Käptn Jim extra für ihn erfunden worden. Ulrike Möckel muss hingegen mit der renitenten Cornelia Bryant einen völlig anderen Charakter darstellen. Es fällt uns nicht leicht, die misandriene Nachbarin zu mögen, obwohl sie doch zu Annes besten Freundinnen zählt.

Melanie Pukaß spricht die zentral werdende Rolle der Leslie Moore. In ihrer mittelhohen Stimme schwingt erwartungsgemäß eine tiefe Melancholie mit, die mitunter in eine bittere Schärfe kippen kann, wenn sie das Schicksal für ungerecht hält. In Folge 4 jedoch ändert sich dies und ihre Stimme nimmt endlich ein paar fröhlich-heitere Klangfarben an.

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1885, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander. Um die Epoche zu verdeutlichen, ist kein einziges Auto zu hören, sondern nur eine Kutschen.

Von der Natur aus betrachtet haben wir es in dieser Folge mit zwei grundverschiedenen Landschaften zu tun: Da ist zum einen das idyllische Avonlea, wo die Vöglein sich hörbar die gute Luft reinpfeifen und ein sanftes Lüftchen weht – wenn nicht gerade eine Krähe spottet.

An der Küste jedoch sind die Sitten rauer: Der Wind weht ständig, ihm eifern die Wellen an der Küste nach, und die Möwen haben ständig was zu meckern. Heißen ja auch alle Emma, wie der Dichter sagt. Nur gut, dass in Jims Kamin stets ein wärmendes Feuerchen prasselt.

Die Figuren äußern selbstverständlich jede Menge Arten von Gefühlsäußerungen, angefangen vom Schluchzen übers Lachen, Rufen und Keuchen. Auf diese Weise erwachen die Dialoge zu intensivem, emotionalem Leben – also genau das, was die ANNE-Hörspiele ausmacht.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama, Rührung und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer.

Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Besonders fiel mir die Variation von Heiterkeit und Rührung, von Verträumtheit und Aufbruchsstimmung auf.

Als Intro erklingt die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

|Unterm Strich|

Taschentücher raus und die Tränensäcke festgehalten! So lautet das Kommando für diese letzte, allerletzte Folge der Anne-Hörspiele. Das Herz hüpft Anne und Leslie, als sie die Nachricht von der Erlösung der jungen Nachbarin vernehmen, und im Herbst kommen Baby und Liebe in die richtigen Bahnen. Sogar die Politik jubelt: Die Liberalen gewinnen. Owen Ford und Leslie Moore werden zu Weihnachten quasi Maria und Joseph, und sogar Cornelia Bryant heiratet – ist es zu fassen!

Zwecks Ausgleich müssen die Freunde von Kapitän Abschied nehmen, der mit der ersten Ausgabe des Romans seines Lebens friedlich entschlafen ist. Offenbar hat er seine Lebensaufgabe erfüllt. Anne und Gilbert ziehen, ebenso die beiden Fords. Das Leben geht weiter und fordert sein Recht. Annes Abschied vom Leuchtturm, der sich als ihre Kirche herausstellte, ist sentimental, doch kurz. Auf zu neuen Ufern.

|Das Hörbuch|

Man merkt dem Hörspiel die Mühe und Liebe an, die darauf verwendet wurden. Besonderes Vergnügen hat mir die akustische Umsetzung des Buches bereitet. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht und quasselt, das man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den „Spider-Man“-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln.

In dieser letzten Staffel kommen drei bemerkenswerte Figuren hinzu: der ausgezeichnet gesprochene Kapitän Jim Boyd, die Männerfeindin Cornelia Bryant und schließlich die schöne Quasi-Witwe Leslie Moore, die zu Annes und Gilberts neuem „Projekt“ geworden ist.

|1 Audio-CD mit 54 Minuten Spielzeit
ISBN-13: 9783785742747|
[www.titania-medien.de]http://www.titania-medien.de
[www.luebbe-audio.de]http://www.luebbe-audio.de

Montgomery, L. M. / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Anne in Four Winds – Verwirrung der Gefühle (Folge 19) (Hörspiel)

_Wechselfälle des Lebens: Freud und Leid_

Annes Freundschaft mit ihrer schönen Nachbarin Leslie Moore ist und bleibt schwierig. Erst ein schwerer Schicksalsschlag bringt die beiden einander endlich näher. Für zusätzliche Aufregung sorgt ein Sommergast: der Schriftsteller Owen Ford. Alle Bewohner des Traumhauses sind begeistert von dem netten jungen Mann, aber nicht nur sie …

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die 1. Staffel: |Anne auf Green Gables|

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: [Verwandte Seelen 4852
Folge 3: [Jede Menge Missgeschicke 4911
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die 2. Staffel: |Anne auf Avonlea|

Folge 5: [Die neue Lehrerin 5783
Folge 6: [Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen 5806
Folge 7: [Eine weitere verwandte Seele 5832
Folge 8: Das letzte Jahr als Dorfschullehrerin

Die 3. Staffel: |Anne in Kingsport| (Frühjahr 2009)

Folge 9: Auf dem Redmond College
Folge 10: Erste Erfolge als Schriftstellerin
Folge 11: Die jungen Damen aus Pattys Haus
Folge 12: Viele glückliche Paare

Die 4. Staffel: |Anne in Windy Poplars| (Herbst 2009)

Folge 13: [Die neue Rektorin 6084
Folge 14: [Ein harter Brocken 6085
Folge 15: [Das zweite Jahr in Summerside 6110
Folge 16: Abschied von Summerside 6111

Die 5. Staffel: |Anne in Four Winds| (Frühjahr 2010)

Folge 17: [Ein neues Zuhause 7113
Folge 18: [In guten wie in schlechten Zeiten 7114
Folge 19: [Verwirrung der Gefühle 7115
Folge 20: [Ein neuer Anfang 7116

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Dr. Gilbert Blythe: Simon Jäger (Josh Hartnett)
Diana Wright: Uschi Hugo (Neve Campbell)
Marilla Cuthbert: Dagmar von Kurmin
Rachel Lynde: Regina Lemnitz (Kathy Bates, Whoopi Goldberg)
Dora Keith: Maria Hinze
Jane Inglis: Cathlen Gawlich:
Paul Irving: David Turba
Dr. David Blythe: Engelbert von Nordhausen (Samuel L. Jackson)
Captain Jim Boyd: Hasso Zorn
Cornelia Bryant: Ulrike Möckel
Und viele andere.

Regie führten Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Endlich ist es März, und das Eis im Hafen von Four Winds beginnt zu schmelzen. Im April nimmt Kapitän Jim Boyd seinen Leuchtturm wieder in Betrieb. Anne Blythe hat einen runden Bauch und arbeitet dennoch fleißig im Garten. Cornelia Bryant, ihre Nachbarin, behauptet, Billy Booth sei vom Teufel besessen, habe er doch das neue Kleid seiner Frau verbrannt. Also alles wie gehabt.

Jede Menge Geschenke für das Baby treffen ein, und im Juni kommt schließlich Marilla Cuthbert selbst, um Anne bei der Geburt beizustehen. Zusammen mit der Hebamme Susan Baker und Dr. Gilbert Blythe bringen sie das Kind zur Welt. Doch leider ist das kleine Mädchen sehr schwach, sagt Gilbert, der Mediziner, und noch am selben Abend stirbt die kleine Joy. Die Trauer im Hause Blythe scheint keine Grenzen zu kennen. Trotz der Trauer beneidet Leslie Moore, die schöne Nachbarin, Anne um ihre Mutterschaft, denn ihr selbst war dies bisher nicht vergönnt.

Nach einer Zeit der Versöhnung mit diesem Schicksalsschlag durch Gespräche mit Kapitän Jim und Leslie Moore erfährt Anne, dass Leslie einen Gast aufnehmen werde: Owen Ford sei der Enkel der Erbauer von Annes Häuschen und selbst Schriftsteller. Wie interessant! Während Anne von dem dunkeläugigen jungen Mann fasziniert ist, findet dieser jedoch seinerseits Leslie Moore wunderschön. Als Kapitän Jim wieder mal eine seiner Geschichten erzählt und er Ford seine Notizen zeigt, meint dieser, daraus könne man einen Roman machen. Und er könne ihn gleich hier schreiben. Gesagt, getan.

Als Ford im September endlich mit dem Buch fertig ist und Anne das Manuskript lesen darf, merkt sie gleich zufrieden, dass Ford sich eine gewisse dichterische Freiheit herausgenommen hat: Er hat Leslie Moore anstelle von Kapitän Jims tragischer Liebe Margaret gesetzt. Dadurch erhält das Buch aber eine gewisse Erhabenheit, die den Leser rührt.

Bei Fords Abschied vertraut er Anne an, dass er Leslie über alles liebe, doch sie sei ja nicht frei, und da wolle er ihr nicht noch mehr Leid durch ein unerfüllbares Liebesgeständnis zufügen. Anne bittet ihn, nichts zu sagen. Am nächsten Morgen ist das Haus der Moores leer, und Anne fürchtet das Schlimmste. Womöglich hat sich Leslie ihrerseits in Ford verliebt und will nun ihrem unglücklichen Leben ein Ende setzen…

_Mein Eindruck_

Freud und Leid liegen auch in Four Winds nahe beieinander. Die Freude auf das erste Kind schlägt bei Anne binnen kürzester zeit in Trauer um das kleine gestorbene Menschenwesen um. Es dauert lange, bis sie sich von diesem Schlag erholt hat, und erstaunlicherweise lässt sich in dieser schweren Zeit kein einziger Kirchenmann bei ihr blicken. Dieser wird vollauf von Kapitän Jim und Gilbert Blythe ersetzt.

Als hätten die himmlischen Mächte ein einsehen gehabt, schicken sie den Schriftsteller Owen Ford, mit dem Anne endlich mal wieder ein „Projekt“ auf die Beine stellen kann: einen Roman! Und nicht irgendeine Geschichte, sondern quasi die Lebensgeschichte des besten Freundes der Blythes – Kapitän Jims.

Es kann nicht ausbleiben, dass der junge Mann die beiden Damen Anne und Leslie in die titelgebende „Verwirrung der Gefühle“ stürzt. Das wäre recht amüsant, zumal ja auch Anne ihrem Gilbert untreu (in Gedanken!) werden könnte. Doch die Dramaturgie lässt diese humorvolle Möglichkeit ungenutzt verstreichen. Offensichtlich sind die Gefühle eine viel zu ernste Sache, als dass man sie frivol aufs Spiel setzen könnte. Das war wohl auch der Standpunkt der Autorin.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die zwanzigjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich jugendlich. Manchmal darf sie aber auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen, besonders mit „verwandten Seelen“.

Unter den weiteren weiblichen Sprecherinnen ragen die der Marilla Cuthbert (Dagmar von Kurmin) und der Rachel Lynde (Regina Lemnitz) heraus, die Anne regelmäßig im Sommer und zu Weihnachten besucht. Regina Lemnitz ist die Inkarnation der Plaudertasche und der wandelnden Gerüchteküche. Und sie ist natürlich die beste Freundin von Marilla Cuthbert, die die Witwe in ihr Haus aufgenommen hat. Die beiden älteren Sprecherinnen sprechen die Rollen der beifälligen bzw. kritischen Mentorin ausgezeichnet.

Captain Jim Boyd wird von Hasso Zorn gesprochen. Dessen Stimme passt derart perfekt zu dieser wichtigen Figur der Geschichte, als wäre Käptn Jim extra für ihn erfunden worden. Ulrike Möckel muss hingegen mit der renitenten Cornelia Bryant einen völlig anderen Charakter darstellen. Es fällt uns nicht leicht, die misandrine Nachbarin zu mögen, obwohl sie doch zu Annes besten Freundinnen zählt.

Melanie Pukaß spricht die zentral werdende Rolle der Leslie Moore. In ihrer mittelhohen Stimme schwingt erwartungsgemäß eine tiefe Melancholie mit, die mitunter in eine bittere Schärfe kippen kann, wenn sie das Schicksal für ungerecht hält. In Folge 4 jedoch ändert sich dies und ihre Stimme nimmt endlich ein paar fröhlich-heitere Klangfarben an.

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1885, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander. Um die Epoche zu verdeutlichen, ist kein einziges Auto zu hören, sondern nur eine Kutschen.

Von der Natur aus betrachtet haben wir es in dieser Folge mit zwei grundverschiedenen Landschaften zu tun: Da ist zum einen das idyllische Avonlea, wo die Vöglein sich hörbar die gute Luft reinpfeifen und ein sanftes Lüftchen weht – wenn nicht gerade eine Krähe spottet.

An der Küste jedoch sind die Sitten rauer: Der Wind weht ständig, ihm eifern die Wellen an der Küste nach, und die Möwen haben ständig was zu meckern. Heißen ja auch alle Emma, wie der Dichter sagt. Nur gut, dass in Jims Kamin stets ein wärmendes Feuerchen prasselt.

Die Figuren äußern selbstverständlich jede Menge Arten von Gefühlsäußerungen, angefangen vom Schluchzen übers Lachen, Rufen und Keuchen. Auf diese Weise erwachen die Dialoge zu intensivem, emotionalem Leben – also genau das, was die ANNE-Hörspiele ausmacht.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama, Rührung und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer.

Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Besonders fiel mir die Variation von Heiterkeit und Rührung, von Verträumtheit und Aufbruchsstimmung auf.

Als Intro erklingt die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

|Unterm Strich|

Die Wechselfälle des Lebens lösen diesmal die Problematik Leslie Moores ab. Anne bekommt und ihr erstes Kind, was sie als harte Prüfung empfindet. Doch sie kommt darüber hinweg, nicht zuletzt durch den Zuspruch Kapitän Jims und Leslies. Als der Schriftsteller Owen Ford als Gast in Leslies Haus logiert, deutet sich die Möglichkeit einer Erlösung der leidgeprüften Nachbarin an.

Doch statt einfach der Liebe größere Priorität einzuräumen und miteinander Ehebruch zu begehen, halten sich Owen und Leslie an die Vorschriften von Moral und Anstand – und trennen sich. Wer weiß – vielleicht hätte man sie ja geteert und gefedert. Owen hätte jedenfalls seine beginnende Schriftstellerkarriere vergessen können, wenn der Ehebruch ruchbar geworden wäre. Das Festhalten an Moral und Anstand soll sich schon in der nächsten Folge als Vorteil herausstellen …

|Das Hörbuch|

Man merkt dem Hörspiel die Mühe und Liebe an, die darauf verwendet wurden. Besonderes Vergnügen hat mir die akustische Umsetzung des Buches bereitet. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht und quasselt, das man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den „Spider-Man“-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln.

In dieser letzten Staffel kommen drei bemerkenswerte Figuren hinzu: der ausgezeichnet gesprochene Kapitän Jim Boyd, die Männerfeindin Cornelia Bryant und schließlich die schöne Quasi-Witwe Leslie Moore, die zu Annes und Gilberts neuem „Projekt“ geworden ist.

|1 Audio-CD mit 61 Minuten Spielzeit
ISBN-13: 9783785742730|
[www.titania-medien.de]http://www.titania-medien.de
[www.luebbe-audio.de]http://www.luebbe-audio.de

Montgomery, L. M. / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Anne in Four Winds – In guten wie in schlechten Zeiten (Folge 18) (Hörspiel)

_Lebendig begraben: Die Geschichte der Leslie Moore_

Folge 17: Anne Shirley steckt mitten in den Vorbereitungen für ihre romantische Hochzeit mit Gilbert Blythe im Obstgarten von Green Gables. Es wird der letzte Sommer für die beiden in ihrem Heimatdorf Avonlea sein, denn der Umzug nach Four Winds steht an. Dort wird Gilbert die Landarzt-Praxis seines Onkels übernehmen…

Folge 18: Anne und Gilbert freunden sich immer mehr mit ihren Nachbarn in Four Winds an. Miss Cornelia entpuppt sich dabei als grundgute Seele und Captain Jim, der Leuchtturmwächter, als großer Geschichtenerzähler. Nur die Bewohner des Hauses am Bach scheinen sich vor den Neuankömmlingen zu verstecken. Anne wittert ein Geheimnis…

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die 1. Staffel: Anne auf Green Gables

Folge 1: Die Ankunft
Folge 2: Verwandte Seelen
Folge 3: Jede Menge Missgeschicke
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die 2. Staffel: Anne auf Avonlea

Folge 5: Die neue Lehrerin
Folge 6: Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen
Folge 7: Eine weitere verwandte Seele
Folge 8: Das letzte Jahr als Dorfschullehrerin

Die 3. Staffel: Anne in Kingsport (Frühjahr 2009)

Folge 9: Auf dem Redmond College
Folge 10: Erste Erfolge als Schriftstellerin
Folge 11: Die jungen Damen aus Pattys Haus
Folge 12: Viele glückliche Paare

Die 4. Staffel: Anne in Windy Poplars (September 2009)

Folge 13: Die neue Rektorin
Folge 14: Ein harter Brocken
Folge 15: Das zweite Jahr in Summerside
Folge 16: Abschied von Summerside

Die 5. Staffel (Schluss): Anne in Four Winds (April 2010).

Folge 17: Ein neues Zuhause
Folge 18: In guten wie in schlechten Zeiten
Folge 19: Verwirrung der Gefühle
Folge 20: Ein neuer Anfang

_Lebendig begraben: Die Geschichte der Leslie Moore_

Anne und Gilbert freunden sich immer mehr mit ihren Nachbarn in Four Winds an. Miss Cornelia entpuppt sich dabei als grundgute Seele und Captain Jim, der Leuchtturmwächter, als großer Geschichtenerzähler. Nur die Bewohner des Hauses am Bach scheinen sich vor den Neuankömmlingen zu verstecken. Anne wittert ein Geheimnis …

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die 1. Staffel: |Anne auf Green Gables|

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: [Verwandte Seelen 4852
Folge 3: [Jede Menge Missgeschicke 4911
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die 2. Staffel: |Anne auf Avonlea|

Folge 5: [Die neue Lehrerin 5783
Folge 6: [Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen 5806
Folge 7: [Eine weitere verwandte Seele 5832
Folge 8: Das letzte Jahr als Dorfschullehrerin

Die 3. Staffel: |Anne in Kingsport| (Frühjahr 2009)

Folge 9: Auf dem Redmond College
Folge 10: Erste Erfolge als Schriftstellerin
Folge 11: Die jungen Damen aus Pattys Haus
Folge 12: Viele glückliche Paare

Die 4. Staffel: |Anne in Windy Poplars| (Herbst 2009)

Folge 13: [Die neue Rektorin 6084
Folge 14: [Ein harter Brocken 6085
Folge 15: [Das zweite Jahr in Summerside 6110
Folge 16: Abschied von Summerside 6111

Die 5. Staffel: |Anne in Four Winds| (Frühjahr 2010)

Folge 17: [Ein neues Zuhause 7113
Folge 18: [In guten wie in schlechten Zeiten 7114
Folge 19: [Verwirrung der Gefühle 7115
Folge 20: [Ein neuer Anfang 7116

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Dr. Gilbert Blythe: Simon Jäger (Josh Hartnett)
Diana Wright: Uschi Hugo (Neve Campbell)
Marilla Cuthbert: Dagmar von Kurmin
Davy Keith: Albert Werner
Captain Jim Boyd: Hasso Zorn
Cornelia Bryant: Ulrike Möckel
Leslie Moore: Melanie Pukaß
Dick Moore: Tom Vogt
Marshall Elliott: Andreas Mannkopff

Regie führten Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Kapitän Jim Boyd besucht Anne und Gilbert in deren neuem Heim; es ist fast fertig eingerichtet. Sie erwidern den Besuch, und nachdem sie im Nebel ein paar seltsamen Gestalten wie dem rauschebärtigen Marshall Elliott begegnet sind, machen sie es sich bei Jim und seinem Kater, dem „Ersten Maat“, am Treibholzfeuer gemütlich. Er zeigt ihnen seine Kuriositätensammlung aus aller Welt. Dass er seine Erzählungen in einem kleinen Büchlein zusammengefasst hat, bringt Anne auf eine Idee, bei der sie an Paul Irving denkt…

Es folgen drei Tage übler Oktobersturm. Kaum ist die Luft rein, nutzt Anne die Gelegenheit zu einer Strandwanderung. Dabei lernt sie eine junge Frau kennen, die in einem grauen Haus in der Nachbarschaft wohnt: Leslie Moore. Anne findet, sie sei die schönste Frau, die sie je gesehen hat, aber was macht sie dann hier draußen in der Weltabgeschiedenheit der kanadischen Küste?

Doch Leslie hasst ihre Schönheit, denn die habe sie ins Unglück gestürzt. Seit 14 Jahren ist sie mit dem schwachsinnigen Dick Moore ohne Gedächtnis verheiratet und jetzt schon 30. Anne beschließt auf Gilberts Anraten hin, Cornelia Bryant nach Leslies Schicksal zu befragen. Offensichtlich müssen Leslies Selbsthass und Traurigkeit einen bestimmten Grund haben. Cornelia erzählt es ihr.

|Leslies Geschichte|

Leslies Vater Frank West heiratete Rose Elliott, ein „verkommenes Subjekt“, und war stolz auf seine Tochter, doch dann starb Leslies geliebter Bruder Kenneth in einem Brunnen. Dass sie ihm nicht helfen konnte, betrübte sie so, dass sie mit zwölf Jahren schwermütig wurde. Dies wiederum machte ihren Vater so trübsinnig, dass er sich umbrachte. Sie fand den Erhängten selbst, ein weiterer Schock. Nach dem Tod ihrer Großmutter erbte sie Geld, um zur Schule gehen zu können, und es ging ihr relativ gut. Bis Dick Moore kam.

Leslie wollte Dick nicht, doch Dicks Vater war reich und hielt den Pfandschein für Leslies Elternhaus. Diese Schuld würde er tilgen, wenn sie Dick heiraten würde. Und so wurde sie von ihrer Mutter Rose, die ein Jahr später starb, an Dick Moore verschachert. Nach der Hochzeit heuerte Dick auf einem Schiff an, segelte nach Havanna und verschwand dort. Ein Jahr später fand ihn dort Kapitän Jim: ohne Verstand, ohne Erinnerung und ohne Papiere. Seitdem er Dick zurückbrachte, pflegt sie den lebenden Leichnam, und weil sie kein Geld hat, hat sie ihren Hof verpachten müssen.

Anne ist von dieser Lebensgeschichte tief gerührt und beschließt, etwas zu unternehmen. Nach einem rauschenden Weihnachtsfest und Silvester mit ihren Lieben muss sie sich aber selbst auf eine andere Aufgabe vorbereiten: Sie erwartet im Frühjahr ihr erstes Kind …

_Mein Eindruck_

Dieser Folge führt in das Kernthema der Staffel ein, nämlich Leslie Moores Unglück. Die schöne, aber kinderlose Frau bildet den kontrastierenden Schatten zum Glück Annes und ihres Heims, indem sie aufzeigt: Solche Schicksale hat es im 19. Jahrhundert eben auch gegeben, insbesondere dann, wenn die Menschen nicht ständig an der Verbesserung ihrer selbst und ihres menschlichen Umfelds arbeiteten, wie es Anne tut.

Leslie Moores war schon früh von Tod und Verlust gekennzeichnet, und selbst als sie ein kleines Erbe erhielt, gereichten ihr dies und ihre Schönheit keineswegs zum Vorteil, sondern im Gegenteil zur Aufmerksamkeit von Dick Moore. Leslie hat, weil unmündig, nichts zu melden, als ihre Mutter sie an ihn verschachert, um ihr Heim zu retten. Hier prangert die Autorin die Unterdrückung der entmündigten Frau generell und der Kinder im besonderen an.

Als wäre dies nicht genug Unglück, folgte in Leslies Ehe auch noch die Rückkehr ihres Gatten als schwachsinniger Pflegefall. Scheidung kommt überhaupt nicht in die Tüte, wie es scheint. Doch das Hörspiel verliert zum Thema der vorzeitigen Trennung von Eheleuten kein Wort, so dass der Eindruck entsteht, hier solle eine Heile-Welt-Idylle aufrechterhalten werden.

Erst in Folge 4 wird das Problem gelöst. Dazu müssen jedoch alle Beteiligten ihren Segen geben. Und das stellt sich als gar nicht so einfach heraus.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die zwanzigjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich jugendlich. Manchmal darf sie aber auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen, besonders mit „verwandten Seelen“.

Unter den weiteren weiblichen Sprecherinnen ragen die der Marilla Cuthbert (Dagmar von Kurmin) und der Rachel Lynde (Regina Lemnitz) heraus, die Anne regelmäßig im Sommer und zu Weihnachten besucht. Regina Lemnitz ist die Inkarnation der Plaudertasche und der wandelnden Gerüchteküche. Und sie ist natürlich die beste Freundin von Marilla Cuthbert, die die Witwe in ihr Haus aufgenommen hat. Die beiden älteren Sprecherinnen sprechen die Rollen der beifälligen bzw. kritischen Mentorin ausgezeichnet.

Captain Jim Boyd wird von Hasso Zorn gesprochen. Dessen Stimme passt derart perfekt zu dieser wichtigen Figur der Geschichte, als wäre Käptn Jim extra für ihn erfunden worden. Ulrike Möckel muss hingegen mit der renitenten Cornelia Bryant einen völlig anderen Charakter darstellen. Es fällt uns nicht leicht, die misandrine Nachbarin zu mögen, obwohl sie doch zu Annes besten Freundinnen zählt.

Melanie Pukaß spricht die zentral werdende Rolle der Leslie Moore. In ihrer mittelhohen Stimme schwingt erwartungsgemäß eine tiefe Melancholie mit, die mitunter in eine bittere Schärfe kippen kann, wenn sie das Schicksal für ungerecht hält. In Folge 4 jedoch ändert sich dies und ihre Stimme nimmt endlich ein paar fröhlich-heitere Klangfarben an.

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1885, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander. Um die Epoche zu verdeutlichen, ist kein einziges Auto zu hören, sondern nur eine Kutschen.

Von der Natur aus betrachtet haben wir es in dieser Folge mit zwei grundverschiedenen Landschaften zu tun: Da ist zum einen das idyllische Avonlea, wo die Vöglein sich hörbar die gute Luft reinpfeifen und ein sanftes Lüftchen weht -wenn nicht gerade eine Krähe spottet.

An der Küste jedoch sind die Sitten rauer: Der Wind weht ständig, ihm eifern die Wellen an der Küste nach, und die Möwen haben ständig was zu meckern. Heißen ja auch alle Emma, wie der Dichter sagt. Nur gut, dass in Jims Kamin stets ein wärmendes Feuerchen prasselt.

Die Figuren äußern selbstverständlich jede Menge Arten von Gefühlsäußerungen, angefangen vom Schluchzen übers Lachen, Rufen und Keuchen. Auf diese Weise erwachen die Dialoge zu intensivem, emotionalem Leben – also genau das, was die ANNE-Hörspiele ausmacht.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama, Rührung und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer.

Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Besonders fiel mir die Variation von Heiterkeit und Rührung, von Verträumtheit und Aufbruchsstimmung auf.

Als Intro erklingt die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

_Unterm Strich_

Die zweite Folge dieser letzten Staffel der Anne-Hörspiele konfrontiert den Hörer mit der erschütternden Lebensgeschichte von Leslie Moore, einer Quasi-Witwe, die in einem ausweglosen Schicksal des Lebendigbegrabenseins gefangen zu sein scheint. Dabei war ihre Biografie kein ungewöhnliches Frauenlos im 19. Jahrhundert. Ganz klar, dass sie für Anne und Gilbert ein neues „Projekt“ ist.

Die beiden Eheleute freuen sich ihrerseits auf ein freudiges Ereignis, nämlich die Geburt ihres ersten Kindes. Warum Kapitän Jim die beiden zum „Volk Josephs“ zählt, hat sich mir nicht ganz erschlossen (habe wohl zu fleißig Notizen gemacht). Dieses Volk scheint jedenfalls die besondere Eigenschaft zu haben, gerne zu lachen, die sonnige Seite des Lebens vorzuziehen und zu versuchen, dies auch für ihre Mitmenschen zu erreichen. Kein übles Völkchen, sollte man meinen. Wenn man es heutzutage nur fände.

|Das Hörbuch|

Man merkt dem Hörspiel die Mühe und Liebe an, die darauf verwendet wurden. Besonderes Vergnügen hat mir die akustische Umsetzung des Buches bereitet. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht und quasselt, das man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den „Spider-Man“-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln.

In dieser letzten Staffel kommen drei bemerkenswerte Figuren hinzu: der ausgezeichnet gesprochene Kapitän Jim Boyd, die Männerfeindin Cornelia Bryant und schließlich die schöne Quasi-Witwe Leslie Moore, die zu Annes und Gilberts neuem „Projekt“ wird.

|1 Audio-CD mit 64 Minuten Spielzeit
ISBN-13: 9783785742723|
[www.titania-medien.de]http://www.titania-medien.de
[www.luebbe-audio.de]http://www.luebbe-audio.de

Quartey, Kwei – Trokosi

_Ermittlung auf dem Lande: Von Hexen und Heilern_

Eine strangulierte Medizinstudentin im Buschland von Ghana. Ein dubioser Dorfpriester, der verbotene Rituale pflegt. Unschuldige junge Frauen, die als Götterbräute, Trokosi, versklavt werden. Und ein Inspector, der nur widerwillig ermittelt.

Denn er hat Angst. Angst vor dem Busch, in dem einst seine Mutter verschwand; Angst vor den Abgründen, die sich vor ihm auftun, aber auch Angst um seinen schwerkranken Sohn, dem kein Heiler, sondern nur ein Londoner Herzchirurg helfen kann. Ein Spannungsroman, in dem das alte, abergläubische Afrika mit seinen Traditionen und das moderne Afrika aufeinanderprallen. (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Der Arzt Dr. Kwei Quartey wurde in Ghana geboren und als Sohn einer afroamerikanischen Mutter und eines ghanaischen Vater aufgezogen. Beide Eltern waren Uni-Dozenten. Von seiner Englischlehrerin Miss Mensah, der herzlich im Nachwort dankt, angespornt, wollte Quartey schon früh schreiben, doch er studierte erst Medizin, um Arzt zu werden.

Heute lebt er in Pasadena, Kalifornien, wo er eine Wundbehandlungsklinik leitet und der leitende Arzt eines Nothilfezentrums ist. Doch jeden Morgen, bevor er zur Arbeit geht, schreibt er an seinen Krimis.

Mehr über sich erzählt er auf [seiner Homepage]http://www.kweiquartey.com/about-kwei-quartey/qa

Er hat zwei weitere „Darko Dawson“-Romane geschrieben:

1) „Children of the Street“ (kommt im Juli 2011)
2) „Men of the Rig“ (kommt 2012)

_Handlung_

Die junge Medizinstudentin Gladys Mensah wird in der ländlichen und rückständigen Region Obervolta in Ghana erwürgt aufgefunden. Efia, eine Trokosi – Braut der Götter – des hiesigen Priesters, hat sie gefunden und ruft den heiler Isaac Kutu herbei. Erst dieser alarmiert den Dorfpolizisten Inspektor Fiti, der wiederum den Fall der Behörde in Ho mitteilt.

Doch Kriminalinspektor Darko Dawson wird nicht von Ho aus angefordert, sondern vom Gesundheitsministerium in Accra, also viel weiter oben. Offenbar ist der Fall von Gladys Mensah ganz besonders wichtig: Sie war am AIDS-Bekämpfungsprogramm der Regierung beteiligt. Da sie bereits im dritten Jahr studierte, hatte der Staat bereits eine Menge Geld in sie investiert. Und keiner soll sagen können, man könne das AIDS-Bekämpungsprogramm sabotieren. Also ereilt Dawson der Ruf, und er macht sich auf die Fahrt in jenes Land, aus dem er selbst stammt.

Jede Nacht treiben ihn die Albträume um, aus denen er schreiend neben seiner Frau Christine erwacht. Der Geist seiner Mutter ruft ihn auf, ihren mysteriösen Tod endlich aufzuklären, und führt ihn jedes Mal in einen dunklen Wald. Sie reiste von einem Besuch bei ihrer Schwester Osewa in Ketanu wieder zurück nach Accra, kam dort aber nie an. Ein Unfall kommt als Todesursache nicht infrage, denn das wäre gemeldet worden. Schließlich funktioniert die britisch geschulte Polizei und Bürokratie Ghanas.

Deshalb ist Dawson ein wenig beklommen, als er in Ketanu eintrifft. Aber ist geschult und tut seine Pflicht. Ganz im Gegensatz zu Inspektor Fiti, der jemanden aus Ho erwartet hat, mit dem er umgehen kann. Über kurz oder lang müssen die beiden aneinandergeraten. Denn Dawson hat keinerlei Respekt vor einem Heiler (lies: Hexendoktor) und einem Priester, der den ganzen Tag besoffen ist und nachts die Götterbräute vergewaltigt, die für ihn arbeiten.

Tante Osewa gibt ihm zunächst keinen Hinweis: Sie wisse nichts, habe aber die Getötete gekannt, die ja schließlich fast täglich durchs Dorf kam. Erst mit der Befragung der Eltern der Getöteten erhält Dawson einen Hinweis: Sowohl Gladys‘ Tagebuch als auch ihr silbernes Armband sind verschwunden. Beides hatte sie stets dabei. Dawson macht sich sofort auf die Suche danach – und stößt ausgerechnet an der Uni von Accra, wo Gladys studierte, auf die Spur des Tagebuches.

Unterdessen macht es sich Inspektor Fiti einfach und verhaftet den halbwüchsigen Samuel, um aus ihm ein Geständnis herauszupressen. Denn Tante Osewa hat ihn zuletzt zusammen mit Gladys in den Wald gehen sehen. Und Tante Osewa ist eine ehrenwerte Frau. Oder etwa nicht?

_Mein Eindruck_

„Trokosi“ entpuppte sich zu meiner großen Erleichterung nicht als blutige Variante von „Apocalypse Now“, sondern als ein Krimi klassischer Machart. Die Hardboiled-Vorbilder wie Raymond Chandler sind durchaus erkennbar, aber es gibt, wie zu erwarten, einige signifikante Abweichungen von dieser amerikanischen Tradition, die der ghanaische Autor in den USA assimiliert hat.

Da der Ermittler die wichtigste Figur in einem Krimi ist, kommt viel darauf an, wie er beschrieben und dargestellt ist. Darko Dawson entspricht nicht dem Klischee vom einsamen Streiter für Gerechtigkeit, der vom Leben desillusioniert ist. Vielmehr hat er eine glückliche Familie, in der ihm nur der herzkranke Sohn Hosia Sorgen macht. Für dessen Herzoperation sparen er und seine Frau Christine. Sie hegen also Hoffnung.

Weil sie auf die westliche Medizin setzen, kollidieren ihre Vorstellungen mit denen von Christines Mutter. Diese unternimmt einen folgenschweren Versuch, Hosias Herzbeschwerden von einem Wunderdoktor traditioneller Art heilen zu lassen. Dabei wird der sich wehrende Hosia schwer am Kopf verletzt. Das wiederum bringt Darko so in Rage, dass er sich eigenmächtig zur Verhaftung des heilers hinreißen lässt. Wir lernen: Darko hat eine gewalttätige dunkle Seite. Der Gedanke liegt nahe, dass es mit dem Verschwinden seiner Mutter zu tun hat. Dieser Mann hat großen Bedarf an Erlösung …

Den Weg dorthin bildet die Ermittlung. Es ist ein steiniger Weg, auf dem die alte Tradition, die das Hinterland beherrscht, mit der rationalen Realität der Großstadtmoderne im Dauerkonflikt liegt. Musste Gladys Menah sterben, weil sie die Moderne vertrat? Der Verdacht drängt sich Darko mehrmals auf. Doch die Wahrheit ist so finster wie die uralte Seele des Menschen.

Es gibt jedoch eine weitere Eigenschaft, die Darko von anderen Ermittlern unterscheidet. Er hat ein so feines Gehör entwickelt, dass er sofort merkt, wenn sich jemand verstellt und lügt. Dabei verändert sich nämlich die Klangfarbe der Stimme, zum Beispiel von sanft zu rauh usw. Mit diesem Ermittlungsinstrument stößt er an den unerwartetsten Orten auf Lügen und verborgene Wahrheiten. Mehr darf dazu nicht verraten werden, ohne die Spannung zu zerstören.

In kühler, scheinbar objektiver Prosa, wie wir sie von Raymond Chandler kennen, erzählt der Autor von den Schrecken, die das Hinterland im griff halten. Da ist der alte Priester, der seine Götterbräute als Sex- und Arbeitssklavinnen hält; da sind die Dörfler, die ihm ihre Töchter als Opfer an die Götter übergeben. Kein Wunder, dass die Trokosi nicht gegen ihn aufbegehren – das würde ja erstens die Eltern beschämen und zweitens die Götter herausfordern.

Und da ist der wohlfeile Hexenglaube, der jederzeit benutzt werden kann, um eine alleinstehende, allzu selbstbewusste Frau (wie Gladys‘ Mutter Elizabeth) zu diffamieren und zu brandmarken. Darko muss sie vor einem angeheuerten Mob retten, der „die Hexe“ erschlagen will. Weiß sie etwa zuviel über den wahren Täter?

Als Ermittler mag Darko vielleicht seine Fehler haben – er kifft, wenn er Sorgen hat und nicht mehr weiter weiß -, doch er verfügt über eine scharfe Beobachtungsgabe. Mit Hilfe dieser weiteren Gabe gelingt es ihm, den Täter schließlich doch noch zu überführen. Und zugleich damit das Verschwinden seiner Mutter aufzuklären. Erst als dies erreicht ist, findet der Geist seiner Mutter, der ihn à la „Hamlet“ heimgesucht hat, Ruhe. Aber um welchen Preis?

_Die Übersetzung _

Die Übersetzung ist fehlerfrei und ausgezeichnet gelungen. Dem Buch ist ein Glossar sowohl vorangestellt als auch angefügt. Es erklärt sämtliche landesspezifischen Begriffe und sogar die Aussprache von bestimmten Buchstabengruppen wie gy, dj, dz („dsch“) und ky („tsch“).

Die Broschurausgabe, die der Lübbe-Verlag als erstes herausgebracht hat, enthält auf den Umschlaginnenseite sogenannte Adinkra-Symbole. Sie sehen etwas schamanistisch aus. Aber sie werden in zweierlei Hinsicht wichtig. Die ermordete Gladys Mensah trug eine Bluse mit diesen Symbolen. Und die Sicht- bzw. Nichtsichtbarkeit dieser Symbole aus einer Distanz von 300 Metern entscheidet über die Glaubwürdigkeit einer Zeugenaussage. Raffiniert, was Inspektor Darko Dawson aus dieser kniffligen Aufgabe macht!

_Unterm Strich_

Die Lektüre dieses waschechten Krimis bescherte mir eine positive Überraschung. Nicht nur wurde ich dazu gebracht, den verzwickten Fall mitzulösen, sondern auf eine Reise in die vorchristliche Zeit mitgenommen, als Hexendoktoren, Flüche und Götterbräute zum leben der Landbevölkerung gehörten.

Diese Phänomene machen den Roman nicht nur einzigartig, sondern bilden auch den Gegensatz zum modernen Ghana. Der Autor stellt auf dieser Grundlage die Frage, wie sich diese Altlasten mit der Moderne vereinen und versöhnen lassen. Geht das überhaupt und ist es wünschenswert, scheint er zu fragen. Würde Ghana ohne diese Vergangenheit nicht seinen Charakter verlieren?

Die Lösung des Falls kam entgegen meinen Erwartungen – schließlich handelt es hier bloß um Bauern, oder? – relativ überraschend und mit einem gelinden Schock. Bis zum Schluss bleibt offen, wer der Täter unter den zahlreichen Verdächtigen ist. Erst als Darko Dawson sich intensiv um die ständig unterdrückten Frauen von Ketanu bemüht, um sie vor Schaden zu bewahren, kommt er der Lösung näher. Damit deutet der Autor zaghaft an, dass der Schlüssel zur Zukunft des Landes in der Befreiung der Frau liegt – eine in vielen konservativen Ohren geradezu ketzerische Andeutung.

|Hardcover: 349 Seiten
Originaltitel: Wife of the Gods
ISBN-13: 978-3785760192|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

Cornwell, Bernard – Sharpes Trafalgar. Richard Sharpe und die Schlacht von Trafalgar, 21. Oktober 1805 (Sharpe 4)

_|Sharpe|:_
01 [„Sharpes Feuerprobe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5208
02 [„Sharpes Sieg“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5829
03 [„Sharpes Festung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7099
04 _“Sharpes Trafalgar“_
05 „Sharpes Beute“
06 „Sharpes Aufstieg“
07 „Sharpes Mission“
08 „Sharpes Trophäe“
09 „Sharpes Gold“
10 „Sharpe’s Escape“ (noch ohne dt. Titel)
11 „Sharpe’s Fury“ (noch ohne dt. Titel)
12 „Sharpe’s Battle“ (noch ohne dt. Titel)
13 „Sharpes Rivalen“
14 „Sharpes Degen“
15 „Sharpe’s Skirmish“ (noch ohne dt. Titel)
16 „Sharpes Feind“
17 „Sharpes Ehre“
18 „Sharpes Geheimnis“
19 „Sharpe’s Christmas“ (noch ohne dt. Titel)
20 „Sharpes Triumph“
21 „Sharpes Rache“
22 „Sharpes Waterloo“
23 „Sharpe’s Ransom“ (noch ohne dt. Titel)
24 „Sharpe’s Devil“ (noch ohne dt. Titel)

Als wir Richard Sharpe am Ende von [„Sharpes Festung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7099 zurückließen, hatte er gerade sein letztes Abenteuer auf indischem Boden bestanden. Drei Romane lang schlug er sich also in Indien durch, nahm an mehreren Schlachten teil (ruhmreich natürlich) und wurde in den Offiziersstand befördert – im 19. Jahrhundert kein unbedingt leichtes Unterfangen für einen einfachen Soldaten. Doch nun wird es für Sharpe langsam Zeit, Indien den Rücken zu kehren und sich nach England einzuschiffen, um sich dort seinem neuem Regiment anzuschließen. Natürlich ist das einfacher gesagt als getan, denn eine Schiffspassage geht bei Richard Sharpe nicht ohne Abenteuer vonstatten. Und ohne Schlacht von historischen Ausmaßen schon gar nicht. Man bedenke, wir schreiben das Jahr 1805 …

Das Abenteuer geht schon los, bevor Sharpe überhaupt den Fuß aufs Schiff, die „Calliope“, gesetzt hat. Denn als er Möbel und Truhen für die Passage kauft, sitzt er einem Betrüger auf. Bei seinem Versuch, sein Geld wiederzuergaunern, macht er die Bekanntschaft von Captain Joel Chase. Die beiden sind sich sofort sympatisch, doch ist die aufblühende Männerfreundschaft nur von kurzer Dauer, da Chases Schiff die „Pucelle“ ist und ein anderes Ziel anläuft. So findet sich Sharpe also auf der „Calliope“ unter dem biestigen Captain Cromwell wieder. Die Tage sind lang und das Essen mies.

Glücklicherweise befindet sich jedoch auch eine wunderschöne Frau an Bord, die von ihrem Mann – einem verknöcherten und langweiligen Lord – angeödet ist. Sharpe und Lady Grace beginnen eine Affäre, aus der sich tatsächlich so etwas wie Liebe entspinnt. Doch was, wenn die beiden entdeckt werden? Kann man auf einem Schiff überhaupt ein Geheimnis bewahren?

Noch dazu wird die „Calliope“ von einem französischen Schiff aufgebracht. Sie kann allerdings von Chase und seiner „Pucelle“ zurückerobert werden und so kommt Sharpe doch noch in den Genuss, mit dem Captain zu segeln – was eine ungemeine Verbesserung zu der bisherigen Reise mit Cromwell darstellt. Und da sie geradewegs auf die Seeschlacht von Trafalgar zusteuern, ist es wohl auch besser mit einer Mannschaft zu segeln, die ihrem Captain treu ergeben ist.

Bernard Cornwell hat sich hier einmal aufs Wasser gewagt: |Sharpe goes Hornblower| sozusagen. Und ja, „Sharpes Trafalgar“ bietet genau das, was Titel und Cover versprechen: Die Schlacht von Trafalgar nimmt ungefähr ein Viertel des Romans ein – wird also mehr als ausgiebig geschildert. Dabei lebt der Roman im Ganzen fast ausschließlich vom ungewohnten (zumindest im „Sharpe“-Universum) Setting. Genüsslich schildert Cornwell das eintönige und wenig glamouröse Leben an Bord und bringt interessante und realistische Details. Zum Beispiel das stetig schlechter werdende Essen an Bord je länger ein Schiff unterwegs ist. Oder auch die Tatsache, dass offensichtlich jedes Schiff zahlreiche Lecks hat, was für eine Landratte kein wirklich beruhigender Gedanke ist.

Auch die Schlacht von Trafalgar entbehrt dabei jeglicher verklärender Romantik. Schon Cornwells Hinarbeiten auf den Moment der ersten Kanonenschüsse ist eine nervenaufreibende Geschichte. Bisher waren in Seeschlachten die teilnehmenden Parteien immer in Linien aufeinander zu gesegelt, um sich dann paarweise ineinander zu verhaken. Nelson jedoch wählt eine andere Taktik: Während der Feind eine Linie bildet, greift die englische Flotte als Keil an. Das bedeutet einerseits, dass das Schiff an vorderster Front eine Weile allein dem Feind ausgeliefert ist. Es bedeutet aber auch, dass die Engländer eine halbe Stunde lang auf den Feind zusegeln und sich beschießen lassen müssen. Diese kaltblütige Taktik führte schließlich zum Erfolg, doch wie verlustreich sie ist, schildert Cornwell ausgiebig. Als die „Pucelle“ endlich ins Geschehen eingreifen kann, ist sie kaum mehr als eine schwimmende Nuss – die Aufbauten sind stark beschädigt und auch die Mannschaft dezimiert. Das Nervenaufreibende daran ist vor allem die unglaubliche Langsamkeit. Auf einem Schiff geht es eben nicht zu wie bei „Fluch der Karibik“, wo man den Zuschauer gern glauben machen möchte, dass sich Schiffe bewegen wie gepimpte Autos beim Tokyo Drift. Stattdessen bekommt man hier eher den Eindruck eines behäbigen Elefantenrennens: „Alles geschah so langsam. Sharpe fand das schwer zu ertragen. Es war nicht wie bei einer Schlacht an Land, wo die Kavallerie über das Feld preschte und die Artillerie das Schlachtfeld beschoss. Diese Seeschlacht fand in lethargischem Tempo statt und es gab einen sonderbaren Kontrast zwischen der stattlichen, bedächtigen Schönheit der aufgetakelten Schiffe und dem Lärm ihrer Geschütze.“ Was nichts anderes heißt, als dass bei einem Elefantenrennen eben doch einiges zu Bruch gehen kann.

Vieles ist Cornwell in diesem „Sharpe“-Abenteuer gelungen: Das Setting auf See bringt neuen Schwung in die Reihe und Cornwell versteht es hier wieder, überzeugende Nebencharaktere auftreten zu lassen. Allen voran wäre da Captain Chase zu nennen, der nicht nur dem Leser sofort sympatisch ist, sondern der offensichtlich auch einen großen Eindruck auf Sharpe macht. Seine Art, Männer zu führen – mit Freundlichkeit und Lob anstatt mit der Peitsche -, ist etwas, dem Sharpe in seiner neuen Funktion als Offizier nacheifern möchte. Und so beobachtet er Chase, wann immer er kann, um von ihm zu lernen: „Sharpe beobachtete Chase, denn er nahm an, dass er noch viel über die Feinheiten der Menschenführung lernen konnte. Er bemerkte, dass der Captain seine Autorität nicht unterstrich, indem er auf Strafen zurückgriff, sondern dass er hohe Leistungen erwartete und sie belohnte.“ Vieles, was Chase hier vorlebt, wird Sharpe später kopieren. Mit ähnlichem Erfolg.

Doch was wird nun aus der heißen Affäre zwischen Lady Grace und Ensign Sharpe? Das wird natürlich nicht verraten. Es sei nur so viel gesagt: Dieses Mal hat er ausnahmsweise ein Quäntchen mehr Glück ins Liebesdingen als in vorangegangenen Büchern. Aber zu viel nun auch wieder nicht, er soll der Armee schließlich treu bleiben!

|Taschenbuch: 414 Seiten
Originaltitel: Sharpe’s Trafalgar
ISBN-13: 978-3404163694|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

_Bernard Cornwell auf |Buchwurm.info|:_
[„Stonehenge“ 113
[„Die Galgenfrist“ 277
[„Der Bogenschütze“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 1) 3606
[„Der Wanderer“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3617
[„Der Erzfeind“ (Auf der Suche nach dem Heiligen Gral 3) 3619
[„Das Zeichen des Sieges“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6223
[„Das brennende Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6656

Krämer, Manfred H. – Raben vom Mathaisemarkt, Die

Tatort Bergstraße! Der Schriesheimer Mathaisemarkt wird überschattet von einem mysteriösen Mord: Eines Morgens findet der Betreiber des größten transportablen Riesenrades der Welt einen Mann auf ebendiesem Riesenrad. Raben umschwirren den dort aufgehängten Mann, der offensichtlich bereits seinen letzten Atemzug getan hat. Die resolute Elke Lukassow von der Heidelberger Polizei wird gemeinsam mit ihrem Kollegen Frank Furtwängler, kurz Frankfurt, zum Tatort gerufen. Schnell veranlasst sie, dass der am Riesenrad aufgehängte Mann hinab gelassen wird, um zu überprüfen, ob dieser tatsächlich tot ist. Als die Polizisten den toten Mann vor sich haben, bemerken sie, dass es sich bei dem Opfer um den bekannten Lokalpolitiker Ludwig Helland handelt, dem man die Taschen voll mit Geldscheinen gestopft hat. Über 13000 Euro finden sich an der Leiche. Was hat dieser bizarre Mord zu bedeuten?

Lothar Zahn, kurz Tarzan, plagen derweil ganz andere Sorgen: Ein Besuch im Casino hat die Spielleidenschaft in ihm geweckt. Zudem hat er dort einen alten Bekannten getroffen – nämlich Magic, der behauptet, ein todsicheres System fürs Roulette entwickelt zu haben. Mit Tarzans Hilfe sahnt er in einem illegalen Casino, in dem zu der Zeit die Einsatzlimits ausgesetzt waren, kräftig ab. Auch Tarzan macht Gewinne und versucht kurz darauf auf eigene Faust sein Glück – doch ohne Erfolg. Er verspielt sein ganzes Geld, trifft vor der Tür des Casinos aber auf einen Mann, der ihm ebenfalls das perfekte System verspricht, wenn er ihm denn 500 Euro dafür gibt. Da er gleichzeitig seine Kreditkarte als Sicherheit bietet, geht Tarzan auf den Deal ein, hebt 500 Euro für den Mann und weiteres Geld zum Spielen ab, doch wieder verliert er und der dubiose Kerl vor dem Casino ist natürlich längst über alle Berge. Tarzan ist verzweifelt! Als seiner Freundin Solo beim Geldabheben die Karte eingezogen wird, entdeckt sie das Debakel auf den gemeinsamen Konten und schmeißt Tarzan kurzerhand raus. Der wiederum sucht Zuflucht bei Magic, der ihm einen Job in einem „Gästehaus“ anbietet, das illegales Casino und Puff gleichermaßen ist.

Wie der Zufall es will, hängen natürlich beide Handlungsstränge zusammen, und so entdeckt Tarzan in seinem neuen Job wichtige Informationen über Ludwig Helland und diejenigen, die hinter dessen Ermordung stecken. Als er Lukassow, den alle nur wenig liebevoll den „Rottweiler“ nennen, darüber informiert, beschließt sie, einen verdeckten Ermittler in das Gästehaus einzuschleusen. Doch als dieser enttarnt wird, schwebt nicht nur er in Lebensgefahr, sondern natürlich auch Tarzan, der geholfen hat, ihn einzuschleusen. Die Zeit rennt der Polizei davon, denn der Rottweiler hat bei einem kleinen Stelldichein mit ihrer neuen Liebschaft eine wichtige SMS von Tarzan übersehen …

_Tatort Bergstraße_

Im vorliegenden Buch ermitteln Tarzan und Solo in ihrem dritten Fall. Bekannt wurden sie durch die Ereignisse in „Tod im Saukopftunnel“. Seitdem betreiben sie ein eigenes Ermittlerunternehmen, das dubiose Geschäfte in Transportunternehmen aufdeckt. Die beiden leben in einem kleinen Boot, das im Altrhein von Lampertheim an Land liegt und dringend reparaturbedürftig ist. Umso nötiger haben sie ein bisschen Kleingeld, das Tarzan versucht, mit seiner Zockerei zu beschaffen. Auf den ersten Blick passen die beiden überhaupt nicht zusammen: Die schlanke Solo mit ihren kurzen roten Haaren passt so gar nicht zu dem beleibten Tarzan, der zwar schon an mehreren Marathons teilgenommen hat, es aber immer noch nicht geschafft hat, seine überflüssigen Pfunde loszuwerden. Die beiden sind unglaublich sympathisch und stehen mitten im Leben. Beide zeichnen sich durch Eigenarten und liebevolle Fehler aus, sodass man gerne mehr von ihnen liest.

Auch das kuriose Ermittlerduo bestehend aus dem Rottweiler und Frankfurt ist dem treuen Bergstraßenkrimi-Leser bereits ans Herz gewachsen. Lukassow mit ihren Haaren auf den Zähnen entdeckt nun endlich zarte Gefühle für ihren neuen Bekannten und denkt wehmütig bei ihren Einsätzen daran, dass sie gerade die anvisierte Veranstaltung im Hemsbacher Programmkino „Brennnessel“ verpasst. Und als Tarzan ihr eine wichtige SMS schickt, vergnügt sie sich lieber mit ihrem Hubert im Bett anstatt die SMS zu lesen und die Fahndung nach Tarzan und dem enttarnten Ermittler einzuleiten. Endlich zeigt die Lukassow menschliche Schwächen, die sie dem Leser noch näher bringen. Der baumlange Frankfurt an ihrer Seite kann einem dennoch Leid tun, denn all ihre schlechten Launen lässt sie grundsätzlich an ihm aus – die beiden sind wirklich ein großartiges Duo!

In seinem dritten Bergstraßenkrimi bietet Manfred H. Krämer zudem einen interessanten Fall auf: Ein bekannter Lokalpolitiker wird ermordet am Riesenrad aufgefunden. Die Ermittlungen führen seine dunkle Seite zutage, sodass recht schnell klar wird, dass Helland einiges zu verbergen hatte und sich nicht nur Freunde gemacht hat. Der ominöse „Zar“, der ein gigantisches Kulturprojekt für Mannheim finanziert, hat ebenfalls seine Finger im Spiel. In einem zweiten Handlungsstrang kämpft Tarzan gegen seine Spielleidenschaft und darum, seine große Liebe wiederzugewinnen. Auch wenn natürlich von Beginn an klar ist, dass Magic und die Casinos mit dem Mord an Helland zusammen hängen – schließlich würde Krämer diese Geschichte sonst nicht dermaßen ausbreiten – bleibt dennoch lange unklar, wo die Verbindung zwischen beidem liegt. Erst nach und nach offenbart uns Krämer diese Zusammenhänge und vor allem die Rollen von Magic und Zar in diesem Spiel. Der Spannungsbogen ist dadurch sehr gut gelungen und hält den Leser stets bei Laune.

Gespickt wird die Geschichte von allerlei Lokalkolorit, der dem Bergsträßer Leser sehr positiv ins Auge fällt. Der Mord ist in Schriesheim geschehen, was an der Bergstraße zwischen Weinheim und Heidelberg liegt. Mit Tarzan und Solo begeben wir uns immer mal wieder nach Lampertheim, dann werden die Weinheimer Kollegen hinzugerufen und am Ende ermitteln die Beamten rund um den Mannheimer Hafen. Wer sich in dieser Gegend auskennt, wird immer wieder nette Anspielungen aus der Gegend, lokale Sprechweisen und Begebenheiten entdecken, die zum besonderen Lesegenuss beitragen. Wer allerdings mit dieser Gegend rein gar nichts zu tun hat, dürfte sich aus diesem Grund nicht so sehr von diesem Kriminalfall angesprochen fühlen.

_Rabenschwarz_

Auch der dritte Fall rund um Solo, Tarzan und den Rottweiler ist ausgesprochen kurzweilig gelungen und mit einigem Wortwitz geschrieben. Zwar bietet Manfred Krämer nicht den ausgefeiltesten Kriminalfall auf (wie auch auf nur 250 Seiten?), doch ist der Spannungsbogen solide und die Charaktere gefallen ebenfalls gut. Wer zudem die Gegend rund um Schriesheim gut kennt, wird sicherlich Gefallen an den Bergstraßenkrimis von Manfred Krämer finden. Allerdings schränkt der verwendete Lokalkolorit die Zielgruppe doch auch auf diejenigen Krimifans ein, die die Bergstraße ein wenig kennen …

|Taschenbuch: 256 Seiten
ISBN-13: 978-3453433915|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

Lumley, Brian – Necroscope 5 – Totenwache

_Necroscope:_

Band 1: [„Erwachen“ 779
Band 2: [„Vampirblut“ 843
Band 3: [„Kreaturen der Nacht“ 2371
Band 4: [„Untot“ 2963
Band 5: [„Totenwache“ 3000
Band 6: [„Das Dämonentor“ 4368
Band 7: [„Blutlust“ 4459
Band 8: [„Höllenbrut“ 4610

Nachdem in den vergangenen zwei Bänden von Brian Lumleys „Necroscope“-Reihe hauptsächlich Historisches referiert wurde und der Leser (bzw. Hörer) ganz viel über die Vampire Thibor und Fetor erfahren durfte, zieht die Handlung in Band 5, „Totenwache“, deutlich an. Lumley nimmt die Zügel auf, schnalzt mit der Zunge und bringt in diesem durchaus dicht konstruierten Teil einige Handlungsstränge zu Ende, die über die vergangenen Bände mitgeschleift wurden. Das hat Vor- und Nachteile …

Doch zunächst zur Handlung: Nachdem es in der Vergangenheit so aussah, als könnte die Zusammenarbeit zwischen englischem und russischem Geheimdienst tatsächlich von Erfolg gekrönt sein, reißt Lumley nun das Ruder merklich herum. Denn während der Chef der Russen zusammen mit den Engländern in Rumänien versucht, Thibors Grab (und alles, was sich noch darinnen befinden könnte) endgültig auszuräuchern, plant seine Vertretung im heimischen Bronitzi heimlich den Aufstand: Ivan Girenko hält nämlich gar nichts von dieser neu erwachten Völkerfreundschaft und hält Krakowitsch für einen Verräter. Drum hintergeht er dessen Pläne, entführt Alec Kyle und lässt diesem durch eine Mischung aus Drogen und Telepathie all seine Geheimnisse entlocken.

Währenddessen versuchen die Agenten an der englischen Heimatfront endlich Yulian Bodescus habhaft zu werden. Zu diesem Zweck starten sie einen großangelegten Angriff auf dessen Elternhaus. Doch Yulian wäre wohl kein ordentlicher Vampir, wenn er nicht irgendwie entkommen könnte. Bis die Engländer seine Spur wieder aufnehmen können, ist es allerdings schon fast zu spät: Denn Yulian hat es auf den Sohn von Harry Keogh abgesehen und überfällt die Wohnung von dessen Mutter. Die dort platzierten Agenten werden praktisch überrannt und die Lage scheint aussichtslos. Doch Klein Harry hat auch ein paar Talente. Und obwohl er noch ein Baby ist, gelingt es ihm, sich selbst und seine Mutter zu retten. Den Rest darf dann der Papa übernehmen, der mit den eilig herbeigerufenen Toten Klarschiff macht.

„Klarschiff machen“ könnte fast der Untertitel dieses Hörbuchs sein, denn viele Handlungsstränge, die Lumley in den vergangenen Teilen aufgebaut hat, werden nun zu einem Höhepunkt – und dann eben einem Ende geführt. Sicherlich lässt er sich auch das ein oder andere Schlupfloch, denn schließlich ist hier ja noch lange nicht das Finale von „Necroscope“ erreicht. Und dennoch hat man das Gefühl, nun eine erste Etappe abgeschlossen zu haben. Was jedoch etwas irritiert, ist die Tatsache, dass Lumley das Wort „Ende“ wohl immer wörtlich nimmt. Der Abschluss eines Handlungsstrangs bedeutet bei ihm in der Regel, den Großteil des Personals umzubringen. Das geschieht zwar immer mit einem großen Knall, viel Action und literweise Blut. Trotzdem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier teilweise das Potenzial von Charakteren verschenkt wird. Denn diese werden durchaus lange vorbereitet und eingeführt, um dann nie wirklich mehr zu werden als ein kurzes Zwischenspiel für eine Actionszene. Da darf die Frage schon gestattet sein, warum Charaktere so detailverliebt eingeführt werden, wenn sie dann nie eine tragende Rolle spielen dürfen. Das grenzt an Verschwendung und ist außerdem ein sehr abruptes Ende für die bisher aufgebaute Spannung.

Ebenfalls zu bemängeln ist Lumleys dilletantischer Umgang mit weiblichen Charakteren. Für ihn (und für seine Figuren) scheinen Frauen nur für zwei Dinge gut zu sein: entweder, um sie zu vergewaltigen oder um sie vor der Schlechtigkeit der Welt zu bewahren. Letzteres impliziert, das sie eben nicht selbst mit der bösen Realität umgehen können und möglichst im Unklaren gelassen werden müssen, was tatsächlich vor sich geht. Schlimmer noch: Lumleys Frauen haben in der Regel auch gar kein Interesse, irgendwie gestaltend in die Handlung einzugreifen. Das ist besonders bei Brenda, Klein Harrys Mutter, ärgerlich. Nun muss es nicht immer gleich Sarah Connor sein – die Übermutter, die ihren kriegswichtigen Sohn vor kampfeslustigen Terminatoren beschützt. Aber ein bisschen Einsatz wäre schon von Vorteil. Was könnte man aus Brenda nichts alles machen?! Aus der naiven, jung verheirateten Frau, die plötzlich Witwe wird und mit einem kleinen Sohn allein da sitzt. Die feststellt, dass dieser Sohn seltsame Fähigkeiten hat. Die schließlich selbst beim Geheimdienst aktiv wird. Stattdessen erfährt man nichts, aber auch gar nichts über Brenda. Sie ist eine langweiliger, nichtssagender Charakter, damit auch ja nicht die Gefahr besteht, der Fokus könne für einen Moment auf jemand anderen als die heldenhaften russischen und englischen Geheimagenten fallen. (Wobei diese nicht immer wirklich heldenhaft sind, sondern sich meist mit abstrusen Plänen selbst in Gefahr bringen, doch das nur nebenbei.) Wohl gemerkt: „Necroscope“ darf ruhig Männerliteratur bleiben – mit viel Blut und Gemetzel. Doch eine etwas realistischere Charaktergestaltung ist auch kein zu hoch gegriffener Wunsch.

Bleibt zu sagen, dass Lutz Riedel wieder eine reife Leistung abliefert. Seine Stimme ist tief und markant – wie gemacht für einen Stoff wie „Necroscope“, der hart und gnadenlos rüberkommen muss. Darüber hinaus ist die Tatsache, dass es diesmal schlicht mehr Handlung gibt, natürlich ein Pluspunkt. Besonders die beiden großen Actionszenen – einmal der Angriff auf Yulians Haus und dann Yulians Eindringen in Brendas Wohnung – bieten Spannungsliteratur pur. Dass Lumley außerdem so viele losen Enden zu einem abschließenden Ende bringt, stimmt natürlich auch den Leser versöhnlich. So kann man neugierig in den nächsten Band einsteigen und gespannt sein, in welche Richtung Lumley das Ruder nun drehen wird. Im Moment jedenfalls ist alles offen.

|313 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3785732069|
http://www.lpl.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.festa-verlag.de
http://www.andymatern.de/

_Brian Lumley auf |Buchwurm.info|:_
|Titus Crow|
Band 1: [„Sie lauern in der Tiefe“ 893

Craig Russell – Tiefenangst (Lesung)

In Hamburg wird ein weiblicher Torso angespült. Ist es ein weiteres Opfer des so genannten Network-Killers, der seine weiblichen Opfer im Internet aufspürt, sie vergewaltigt, tötet und dann ins Wasser wirft? In diesem Fall ermitteln bereits Hauptkommissar Jan Fabel und seine Kollegen. So werden sie auch zum Fundort des Torsos gerufen. Kurz darauf meldet sich der Hamburger Senator Müller Voigt bei Fabel, da er zu wissen glaubt, dass es sich bei der noch nicht identifizierten Leiche um seine Geliebte – Meliha – handelt, die seit Tagen spurlos verschwunden ist. Müller-Voigt erzählt Fabel seine Geschichte und gesteht, schon seit einiger Zeit ein Verhältnis mit Meliha zu haben. Meliha war angeblich Journalistin, die die Umweltorganisation Pharos im Visier gehabt hat. Müller-Voigt vermutet, dass Meliha bei ihren Nachforschungen zu viel herausgefunden hat und nun ausgeschaltet worden ist.

Doch als Fabel beginnt, Melihas Geschichte zu überprüfen, stellt er fest, dass sie ihrem Geliebten nicht nur einen falschen Namen genannt hat, sondern auch eine falsche Adresse. Als kurz darauf auch der Senator ermordet aufgefunden wird, verdichten sich die Hinweise, die zu der Umweltorganisation Pharos führen. Doch diese schottet sich mit aller Macht von der Öffentlichkeit ab. Den obersten Boss der Organisation, Dominik Korn, kennt man praktisch nur dem Namen nach und auch seine rechte Hand, Peter Wiegand, lässt niemanden hinter die Kulissen von Pharos blicken.

Auch wenn bei den Todesopfern zuhause kurioserweise nie Handys oder Computer gefunden werden, kommt die Polizei ihrem Network-Killer immer näher. Sie überprüfen diejenigen Menschen, die in einem Internetforum zuletzt Kontakt mit den Opfern aufgenommen haben. Unklar ist aber weiterhin, ob der Network-Killer-Fall mit Pharos zusammen hängt. Hier tappt die Polizei weiter im Dunkeln, zumal sie der mysteriösen Umweltorganisation nicht das Geringste nachweisen kann …

_Der Tod kommt per Internet_

In „Tiefenangst“, dem bereits sechsten Fall von Jan Fabel und seinen Kollegen von der Hamburger Polizei, hat sich Craig Russell zwei Themen herausgepickt, um die herum er seinen Kriminalfall aufzieht: Zum einen geht es um das Internet, die Kommunikation im Internet und darum, dass sich in Chatforen Menschen kennen lernen, die sich mitunter auch im wahren Leben treffen und dort eventuell auch auf ihren Mörder stoßen können. Denn im Internet kann man sein wahres Gesicht noch viel besser verschleiern als in der Wirklichkeit, und so prangert Craig Russell diese Form der Kommunikation an und macht deutlich, welche Gefahren sich dahinter verbergen können. Doch ganz ehrlich: Wem ist das in der heutigen Zeit noch neu? Muss da ein Craig Russell herkommen, um mit dem Zaunpfahl zu wedeln und seinen Lesern bzw. Hörern davon berichten, wie gefährlich das Internet sein kann? Spätestens seit Stephanie zu Guttenbergs Fernsehauftritten dürften die Gefahren des Internets nun hinlänglich bekannt sein.

Bleibt Craig Russells zweites Thema, der Ökoterrorismus. Die Organisation Pharos ist undurchsichtig und stinkt gen Himmel. Wer dort Mitglied werden möchte, muss sich ganz dem Projekt verschreiben und all sein Vermögen der Organisation übergeben. Grundidee des Ganzen ist, dass der Mensch mit seinem Tun immer wieder in die Umwelt eingreift und sie verändert, und das prangert Pharos an und möchte verhindern, dass der Mensch weiterhin die Umwelt mit seinem Wirken zerstört. Doch gleichzeitig befinden sich im Hauptgebäude von Pharos die modernsten Computer, die Jan Fabel bislang gesehen hat. Ist das nicht ein Widerspruch? Sehr merkwürdig auch, dass die Journalistin Meliha, die Pharos ins Visier genommen hat, spurlos verschwunden ist und es scheint, als habe es sie nie gegeben. Jemand hat gründlich hinter ihr aufgeräumt und versucht, ihre Identität auszulöschen. Doch mit viel Glück stehen Fabel und seine Kollegen doch irgendwann in Melihas Wohnung und können dort nach Spuren suchen.

Die Spurensuche ist recht spannend gelungen. Auch dass die Polizei praktisch gleichzeitig in zwei Fällen ermittelt – nämlich dem Network-Killer-Fall und dem Fall der verschwundenen Meliha – ist durchaus gelungen, auch wenn man natürlich früh ahnt, dass beides zusammen hängt und am Ende die Organisation hinter den Morden steht (zu denen sich im Laufe der Geschichte natürlich noch einige hinzugesellen).

Der Spannungsbogen ist daher ganz nett gelungen, auch wenn mir die Grundidee des Buches nicht so zugesagt hat, da ich sie bereits zu abgegriffen finde. Unterstützt wird die Spannung durch David Nathans gelungenen Vortrag, der mit seiner tiefen Stimme und den stets passenden Nuancen immer wieder zu der düsteren Atmosphäre beiträgt. Besonders gelungen fand ich auch die dramatische Musik, die am Ende einiger Kapitel eingespielt wurde und mir dabei immer wieder einen Schauer über den Rücken hat laufen lassen. Die Atmosphäre in diesem Hörbuch ist wirklich hervorragend gelungen, was in erster Linie natürlich David Nathan – der nicht nur als Hörbuchsprecher hinlänglich bekannt ist, sondern vor allem als Synchronsprecher von Johnny Depp oder Christian Bale – zu verdanken ist, der wie immer eine mehr als solide Sprecherleistung abliefert.

Aber zurück zum Inhalt: Durch die parallele Ermittlung in zwei Fällen ist die Geschichte mitunter leider recht verwirrend, da man nicht so recht weiß, worauf alles hinaus laufen soll. Am Ende präsentiert uns Craig Russell eine Auflösung, mit der ich zugegebenermaßen nicht gerechnet habe, die mich allerdings auch nicht vollauf überzeugen konnte. Zwar war alles in sich stimmig, doch empfand ich die Auflösung als etwas zu „platt“.

_Was am Ende übrig bleibt_

Unter dem Strich ist „Tiefenangst“ ein recht solider Thriller, der sich rund um das Internet und eine mysteriöse Umweltorganisation dreht. Spannend wird es, als die Polizei beginnt, der verschwundenen Freundin eines Hamburger Senators nachzuforschen, denn ab dem Moment gibt Craig Russell wohldosiert immer mal wieder neue Hinweise, die zur Aufklärung des Falles beitragen. Dadurch baut sich immer mehr Spannung auf und man wird zum Mitraten animiert. Nichtsdestotrotz konnte mich der Fall nicht wirklich überzeugen, denn als die Polizei beginnt, die verschiedenen Männer zu treffen, mit denen die Opfer des Network-Killers zuletzt Kontakt hatten, franst der Fall etwas aus und wird unübersichtlich. Da verliert man schnell den Faden, gerade bei einem Hörbuch. Auch die Auflösung fand ich nicht vollauf überzeugend. Diesem zwar soliden, aber doch eher mittelmäßigen Fall steht der gelungene Vortrag David Nathans gegenüber, der zusammen mit der leider etwas spärlich eingesetzten dramatischen Musik für eine düstere Atmosphäre sorgt und das Zuhören doch wieder zu einem Genuss macht.

Download-Version mit 7:34 h Spieldauer
Originaltitel: A Fear of Dark Water
www.audible.de

auch erschienen als:

6 Audio-CDs mit 454 Minuten Spieldauer
Sprecher: David Nathan
ISBN-13: 978-3-7857-4464-2
www.luebbe.de

Perry Rhodan – Im Mahlstrom der Sterne (Silber Edition 77, Teil 2 von 4)

_|Im Mahlstrom der Sterne|:_

Teil 1: 375 MB, 4:28 h, 51 Tracks
Teil 2: _326 MB, 3:53 h, 44 Tracks_
Teil 3: – erscheint am 28.06.2011 –
Teil 4: – erscheint am 19.07.2011 –

_Die Handlung:_

In der langen Geschichte der Menschheit war Perry Rhodans Plan ohne Beispiel: Die Erde, die Urheimat der Terraner, und der Mond sollten mit einem Sprung durch den Hyperraum an eine neue Heimat versetzt werden. Eine Heimat, die den Flotten der Laren und Überschweren, den neuen Herrschern der Milchstraße, entzogen sein sollte. Doch der tollkühne Sprung endete nicht in der erhofften Sicherheit: Erde und Mond rematerialisierten zwar reibungslos im Normalraum, aber nicht an dem vorgesehenen Zielpunkt. Perry Rhodan und die Menschheit fanden sich in einem unbekannten Teil des Universums wieder, Millionen, möglicherweise sogar Milliarden Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Die Menschheit steht erneut am Anfang. Sie macht sich auf, ihre neue Heimat zu erkunden – und muss erkennen, dass eine dunkle Macht über dem „Mahlstrom der Sterne“ herrscht … (Verlagsinfo für die komplette |Silber Edition 77| )

|Dieser Teil:|

Die BOX-7149 stürzt doch nicht in die Sonne, sondern schafft eine Notlandung auf dem naheliegenden Planeten Goshmo-Castle. Nach einem Angriff der Bewohner, treffen Reginald Bull und sein Team auf ein mächtiges Wesen, das aussieht wie Zeus aus der Erd-Mythologie.

Das Wesen zeigt sich wenig hilfreich, sondern möchte die Terraner zu seiner Unterhaltung behalten …

_Mein Eindruck:_

Das Autorenteam driftet hier immer weiter vom eigentlichen Zyklus-Plot, dem Kampf gegen die Laren, ab. Das ist in diesem Fall gar nicht schlimm und macht sie frei, um interessanten Ideen nachgehen zu können.

Der Kampf gegen die „Eingeborenen“ und die Auseinandersetzung mit „Zeus“ ist kurzweilig erzählt und durchweg spannend. Auch wenn dieser Teil der |Silber Edition 77| die Haupthandlung nicht vorantreibt, so werden die Erfahrungen von Bullys Team und die Bekanntschaft mit „Zeus“ sicher noch eine wichtige Rolle spielen. Einziger Kritikpunkt für mich ist die recht schnelle Sinneswandlung von „Zeus“. Das war mir irgendwie zu einfach.

_Mein Hör-Eindruck:_

Der lispelnde Gucky und der quakend krächzende Wissenschaftler Goshmo-Khan lassen den Hörer schnell Andreas Laurenz Maier als Sprecher wiedererkennen. Wieder liest er spannend und engagiert, aber seine Stimmfarbe ist dabei oftmals unangenehm im Ohr.

Wenn er den telepathisch begabten Matten-Willy spricht, dann klingt es hoch, krächzig und viel zu leise, falls man das Hörbuch im Auto hört. Genauso hoch und kratzig klingt es, wenn er die Gedanken von „Zeus“ im Kopf von Fontain spricht. Unfreiwillig komisch klingt es, wenn Gucky den Namen „Zeus“ ausspricht. Hier kann der Hörer förmlich den Regen sehen, der auf das Mikro des Sprechers dabei niedergeht.

Wie immer abgesehen von der Wahl der einzelnen Stimmfarben, bietet Maier gute Unterhaltung, die der interessanten Handlung gerecht wird.

|Die Effekte – Der Hintergrund|

Jedes Kapitel beginnt mit einer kleinen Melodie oder ein paar Sound-Effekten. Danach folgt bei einigen Kapiteln noch ein Ambient-Teppich als Untermalung für den Hintergrund, der wird er aber auch gern mal spontan mitten in einem Track verlegt. Dieser Teppich fällt manchmal kaum, manchmal gar nicht und manchmal stark auf, weil er in der Lautstärke variiert, was dann teilweise den Sprecher unterstützt oder von ihm ablenkt.

|Die MP3s|

Die Qualität der MP3s entspricht dem Eins-A-Medien-Standard: 192 kbps, 41,1 kHz und Joint Stereo. Die 44 Tracks sind fortlaufend nummeriert, wobei die Tracknummer im Dateinamen vorn steht und im ID3-Tag am Ende. Auch sämtliche Namen der an der kompletten |Silber Edition| beteiligten Autoren wurden mit in das ID3-Tag der Dateien geschrieben. Dies macht den Eintrag in der Playlist einiger Abspielgeräte so lang, dass nur noch die Autorennamen zu sehen sind und der Titel am Ende abgeschnitten wird.

Diesmal ziert die grafisch aufpolierte Front von Band 678 „Zeus Anno 3460“ die ID3-Tags. Das Bild liegt dem Hörbuch zusätzlich als JPG- und als PDF-Datei in der Auflösung 1448 x 1444 bei.

Der Download ist auch als One-Track-Version erhältlich.

_Mein Fazit:_

Die Handlung schweift weiter ab, aber auf interessante und spannende Weise. Der Sprecher klingt bei der Auswahl an Stimmlagen für die Charaktere nicht immer angenehm im Ohr. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.

|MP3-Download mit ca. 326 MB Größe
Spieldauer der Lesung: 3:53 h
Anzahl der Tracks: 44
Sprecher: Andreas Laurenz Maier
ISBN-13: 978-3943013061|
[www.einsamedien.de]http://www.einsamedien.de
[www.perry-rhodan.net]http://www.perry-rhodan.net

|Hinweis:| Die |Silber Edition 77| wird zusammen mit dem letzten Download-Teil ab dem 19. Juli 2011 auch komplett auf zwei MP3-CDs im Handel erhältlich sein.

Marx, André – Die drei ??? – The Haunted Ship (American English)

Die Zeiten ändern sich. Wurden früher die Geschichten der drei Fragezeichen vom Englischen ins Deutsche übersetzt, geschieht dies heute umgekehrt. Allerdings nicht etwa zum Zwecke der Veröffentlichung im angloamerikanischen Sprachraum, auch diese Varianten einiger ausgewählter Stories, sind für den deutschen Markt bestimmt. Es sind bereits eine ganze Reihe Fälle diesen Weg gegangen – Das „Geisterschiff“ war mit einer der ersten, welcher diesem sprachlichen re-engineering unterzogen wurde. Der Kosmos-Verlag leistet damit seinen Beitrag der lernwilligen Zielgruppe modernes Alltagsenglisch („Ab dem 4. Lernjahr – mit Vokalbelhilfe“ weiß das Cover zu berichten) in Form des beliebten Jugend-Detektiv-Trios näher zu bringen.

_Zur Story_

Dichter Nebel liegt über der Bucht von Rocky Beach, als Peter und Kelly mit dem roten MG auf der Küstenstraße unterwegs sind. Die Stimmung steht nicht grade zum Besten. Man zofft sich grade. Beinahe überfahren sie dadurch eine Joggerin, welche sie vollkommen aufgelöst bittet sie zum Strand herunter zu begleiten – sie bräuchte dringend Zeugen. Für was sagt sie zunächst nicht. Dort angelangt ist aber nichts Außergewöhnliches zu entdecken, dabei schwört die Frau Stein und Bein, dass sie dort grade ein leibhaftiges Geisterschiff hat vorüberfahren sehen. Einen unter zerfetzten Segeln dahinziehenden Dreimaster, ohne Besatzung und noch dazu aschfahl-gespenstisch aus sich heraus leuchtend. Wie dem auch sei: Der Spuk ist jetzt aber offenbar vorüber und die Bucht Rocky Beachs präsentiert sich gespensterfrei wie eh und je.

Justus ist von der Geschichte fasziniert, als er sie am nächsten Tag von Peter geschildert bekommt. Interessanterweise hat ein Nachlass, den Onkel Titus gerade von Mr Qin erstanden hat ebenfalls Bezug zu Schiffen bzw. Piraten. Sogar einem der beiden berühmtesten aus der Gegend Kaliforniens: Hawk und Duncan, welche sich Zeit ihres Lebens gegenseitig bekämpft haben, was Duncan seinerzeit einen Arm und seinen größten Schatz kostete. Diesen hat Hawk so gut versteckt, dass er seither verschollen ist. Hawk ist übrigens der Ururururgroßvater von Mr Qin, der ausgerechnet dessen Sachen an Familie Jonas verkaufte. Befinden sich vielleicht handfeste Hinweise auf den Verbleib des Schatzes darunter? Bei einem buchstäblichen Nacht-und-Nebelausflug bekommen die drei auch endlich das Geisterschiff selbst zu Gesicht: Es ist die „Stormrider“, Duncans Flaggschiff.

_Eindrücke_

Die Elemente, welche André Marx in seiner Geschichte verwendet sind innerhalb der Serie alles andere als neu. Die Versatzstücke aus dem Fall „Phantomsee“ (geheimnisvolle Seemannskiste und daraus resultierend ein Rätsel über lange zurückliegende Ereignisse bzw. einen verschollenen Schatz) oder „Roter Pirat“ (Piratenthematik generell, sowie auch Leuchtturm im speziellen) sind überdeutlich. Nicht zu vergessen auch der dichte Nebel, wie er in diversen Storys als atmosphärenbildender, stummer wie verschleiernder Verbündeter – auf beiden Seiten: Gut wie Böse – häufiger auftritt: Alles selbstverständlich schon einmal, in dieser oder ähnlicher Form, dagewesen. Allerdings ist es bekanntlich nicht zuletzt die Mischung, welche über Wohl und Wehe entscheidet – und das ist hier nicht anders. Das Gesamtkonzept ist stimmig und trifft den von Fans so goutierten Stil quasi mit einer Punktlandung.

Figurenzeichnung, Spannungsbogen, Pace und Showdown passen ebenso, wie die kleinen Querverbindungen innerhalb der Serie, Peters Freundin Kelly Madigan und mal wieder ihre nervige Tante Eleonora (bekannt aus dem Fall „Poltergeist“) etwa. Auch versteckte Anspielungen auf Dinge außerhalb, real oder fiktiv, sind zu finden z.B. tragen die für die Lösung des Falles nicht unwichtigen Buddelschiffe allesamt Raumschiff-Namen aus der SciFi-Serie „STAR TREK“. Ein netter kleiner Gag, für welche Marx in der Fangemeinde bekannt und berühmt ist. Da sieht man es ihm auch nach, dass die Sache mit einem ausgewachsenen Dreimastschoner als Piratenschiff ein wenig überzogen ist. Realiter waren diese eher klein und vor allem wendig, grade in den tückischen Gewässern Kaliforniens. Eine Brigg, Brigantine oder Schaluppe dürften also wesentlich wahrscheinlicher sein, zumal wenn man sich damit so nah an die zerklüftete Küste wagt.

So ein stattlicher Dreimaster wirkt natürlich wesentlich anziehender und phantasieanregender, vor allem wenn sich ein solcher auch noch quasi vor Justus‘ superkritischem Auge in Luft auflösen kann, ohne dass der Oberschlauberger dafür eine Erklärung parat hat. Diese fällt im Übrigen wesentlich nachvollziehbarer aus, als in der gleichnamigen EUROPA-Hörspieladaption, wo das unter anderem aufgrund von Kürzungen zur Vorlage nicht so recht hinhaut. Doch das ist ein anderes Thema. Insgesamt geht der Plot bis zum Schluss gut und nachvollziehbar auf, wenngleich natürlich einige Klischees unbedingt bedient werden müssen. Klar. Das erwartet der – langjährige und erfahrene – Drei-Fragezeichen-Leser schließlich auch. Die Geschichte hat übrigens durch die Übersetzung ins Amerikanische nicht gelitten, sogar Marx‘ Stil blitzt weiterhin unverkennbar durch, wenngleich sich so mancher Satzbau vielleicht doch einen Tick zu „Deutsch“ liest.

_Fazit_

Um die Mission die Zielgruppe für das spielerische Sprachtraining zu gewinnen, erfolgreich abzuschließen, braucht man das nötige Rüstzeug. Das bringt „Das Geisterschiff“ in Form einer tollen, spannenden Geschichte sicherlich schon von Haus aus mit. Des weiteren ist positiv anzumerken, dass es sich bei der Übersetzung eben um das lebendigere, „rundere“ American English und nicht um das doch zuweilen recht dröge britische handelt, mit dessen „stiff upper lip“ man ehedem Generationen von Schülern traktierte und bestimmt dem einen oder anderen den Spaß am Erlernen des Englischen vergällte. Heute gibts Entertainment statt stupider Vokabelpaukerei – eine deutliche pädagogische Verbesserung.

|Hardcover: 146 Seiten
OT: „Die drei ??? ® und das Geisterschiff“
Basierend auf Figuren von Robert Arthur
Erzählt von André Marx
Ins Amerikanische übersetzt von C. Vivien Arnold
Redaktion: Ina Pfitzer
ISBN: 978-3-440-10790-4|
[www.kosmos.de]http://www.kosmos.de

Über 80 weitere Rezensionen zu den |Drei ???| gibts in unserer [Datenbank]http://buchwurm.info/book zu entdecken.

Lumley, Brian – Necroscope 4 – Untot (Lesung)

In Band 3 von Brian Lumleys Endlossaga „Necroscope“ breitete der Autor die Lebensgeschichte von Thibor Ferenczy vor dem geneigten Leser aus und erläuterte ausführlich, wie dieser vor tausend Jahren zum Vampir wurde. Wer jetzt allerdings glaubt, dass damit in Band 4 nun die Geschichte um Harry und das E-Dezernat weitergehen kann, der irrt. Denn Lumley hält noch mehr Backstory für den Leser bereit.

Zwar ist Thibor mittlerweile ein Vampir, doch war er noch nie der Typ, der sich leicht unterordnen kann. Und so begehrt er sofort gegen seinen „Meister“ Fetor auf, der ihn daraufhin in den Kerker wirft und durch ein wenig Hungerfolter zur Vernunft bringen will. Doch so leicht ist Thibor natürlich nicht einzuschüchtern. Er harrt aus und wartet auf seine Chance, bis es ihm gelingt auszubrechen und Fetor zu überwältigen. Doch ist er Fetor tatsächlich für immer los? Und was ist eigentlich Fetors Geschichte?

Wie gut, dass Harry mit den Toten kommunizieren kann, denn so ist es ihm ein Leichtes, Fetor zu finden und auch seine Version der Geschichte zu hören. Und nachdem Brian Lumley dann en detail alles über walachische Untote erzählt hat, was der Leser jemals wissen wollte (oder eben auch nicht), darf es auch wieder zurück ins Jahr 1977 gehen.

Denn das englische E-Dezernat fürchtet immer noch eine vampirische Bedrohung. Und so wird ein geheimes Treffen mit dem russischen Pendant arrangiert, um herauszufinden, was die jeweiligen Abteilungen wissen und ob der Gefahr nicht irgendwie beizukommen ist. Man bedenke: Wir befinden uns mitten im Kalten Krieg, da ist es schon beachtlich, dass Ost und West so zusammenarbeiten. Doch scheinbar gehen beide Seiten von der Maxime „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ aus und erkennen in den Vampiren das größere Übel. Trotzdem ist dieses Treffen natürlich mehr als geheim. Es wird beschlossen, gemeinsam nach Rumänien zu fahren, um an der Quelle zu forschen.

Laut Harry geht die Gefahr aber nicht nur von Thibor und Fetor aus. Denn auch Yulian, mit Thibors Blut infiziert, fällt im heimischen Devon immer mehr dem Wahnsinn anheim. Im elterlichen Keller stellt er blutige Experimente an und übernimmt bald eine Gewaltherrschaft über den Haushalt. Zwar wird er vom Geheimdienst überwacht, doch sobald er dies bemerkt, hetzt er dem armen Agenten seinen Bluthund Vlad auf den Hals. Und so wird bald klar: Yulian ist abgrundtief böse. Allerdings hat diese Bosheit bisher kein wirkliches Ventil, kein Ziel. Er verletzt und tötet aus einer Art kindlichen Neugier, doch vermutlich braucht es noch die Kontaktaufnahme durch Thibor, um Yulians Niederträchtigkeit eine Richtung zu geben. Doch wehe, wenn er losgelassen …

_Wieder passiert nicht viel_ in diesem Teil der Serie. Es gibt die drei beschriebenen Handlungsstränge: Das Treffen der russischen und englischen Geheimdienste, Yulians beginnender Blutdurst und Thibors bzw. Fetors Geschichte. Letztere bilden den Hauptteil von „Untot“ und auch wenn der Showdown zwischen Thibor und Fetor auf dessen Burg durchaus spannend daherkommt, so möchte man doch Lumley irgendwann zurufen, mit diesen historischen Einschüben endlich fertig zu werden. Zwar ist es durchaus interessant, mehr über Thibor zu erfahren, doch treten nach insgesamt 8 CDs mit Thibor’schem Größenwahn beim Hörer dann doch Ermüdungserscheinungen auf. Irgendwann wirkt dieser Handlungsstrang schier endlos und man wünscht das Ende herbei.. Dass Lumley trotzdem nicht davon lassen mag, immer und immer wieder auf Fetors Burg zurückzukehren, nimmt das Tempo aus der Erzählung und den Fokus weg von der eigentlichen Handlung, die im Jahr 1977 spielt. Diese Zeitebene tritt zunehmend in den Hintergrund, was schade ist, da mit Yulian ein viel versprechender Bösewicht in den Startlöchern sitzt, der aber einfach nicht zum Zug kommen darf. Ein echtes Manko.

In dieser Unausgewogenheit und dem Fehlen eines zentralen Konflikts äußert sich dann auch die Tatsache, dass „Untot“ zusammen mit „Kreaturen der Nacht“ und „Totenwache“ eigentlich einen Band bildet (nämlich „Wamphyri!“). Die Geschichte künstlich auseinanderzureißen, hat dem Roman (bzw. den Romanen) nicht gut getan.

Auch für Harry Keogh wird sich Lumley wohl demnächst etwas einfallen lassen. Eine Figur, die jeden Toten befragen kann – und dadurch praktisch alles weiß – ist natürlich für einen Autor verlockend, doch birgt sie auch die Gefahr, jedes Problem des Plots einfach lösen zu können. Und das ist irgendwann für den Leser nicht mehr zufriedenstellend, weil zu einfach. Doch vielleicht wird Harry gar nicht mehr lange in seiner momentanen Form erhalten bleiben. Er ist an seinen Sohn gebunden, doch in dem Maße, wie dessen kognitive Fähigkeiten wachsen, verdrängt er Harry. Überhaupt der Sohn: Welche Fähigkeiten wird er wohl von seinem Vater geerbt haben? Wird auch er ein Necroscope sein? Oder werden Vater und Sohn miteinander verschmelzen? Fragen und über Fragen und damit genug Stoff für weitere Bände.

Lutz Riedels Interpretation des Stoffes ist ein absoluter Ohrenschmaus. Zwar überzeugt sein russischer Akzent nicht ganz, doch das ist auch schon der einzige Kritikpunkt, der dem Hörbuch anzulasten ist. Riedels tiefe, fast kratzige Stimme verleiht der Handlung die Ecken und Kanten, die sie braucht. Er ruft mit Leichtigkeit Grauen beim Leser hervor. Kurzum: Seine Stimme eignet sich hervorragend fürs Horrorgenre. Bitte mehr davon!

_Abschließend lässt sich sagen_, dass Thibor und Fetor nun hoffentlich endlich abgehakt sind. Wir haben genug Geschichte über uns ergehen lassen. Jetzt wird es Zeit, dass es im nächsten Band mal wieder etwas Action gibt!

|306 Minuten auf 4 CDs
Aus dem Englischen übersetzt von Hans Gerwien
ISBN-13: 978-3785732052|
http://www.lpl.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.festa-verlag.de
http://www.andymatern.de/

_Brian Lumley auf |Buchwurm.info|:_

|Necroscope|

Band 1: [Erwachen 779
Band 2: [Vampirblut 843
Band 3: [Kreaturen der Nacht 2371
Band 4: [Untot 2963
Band 5: [Totenwache 3000
Band 6: [Das Dämonentor 4368
Band 7: [Blutlust 4459
Band 8: [Höllenbrut 4610

|Titus Crow|

Band 1: [Sie lauern in der Tiefe 893

Bullington, Jesse – traurige Geschichte der Brüder Grossbart, Die

_Das geschieht:_

Vermutlich in einem der deutschen Länder – sämtliche Zeitgenossen weigern sich später, sie als Landsleute anzuerkennen – werden die Zwillingsbrüder Hegel und Manfried Großbart um 1340 geboren. Die ersten 25 Jahre ihres Lebens verdingen sie sich als Grabräuber. Nach dem Tod der Mutter satteln sie um und überfallen lebende Zeitgenossen. Schon der erste Versuch gipfelt in einem Gemetzel, dem die flüchtenden Brüder ein Massaker an ihren Verfolgern folgen lassen.

Über die Alpen zieht es sie in den warmen Süden Europas und weiter nach Ägypten, wo ihr Vater es angeblich zu einem kleinen Königreich gebracht hat – eine barmherzige Lüge der Mutter, weshalb die Großbarts unverdrossen daran gehen, unter Anwendung brutaler Gewalt ihre eigene Vision von einem bequemen Dasein zu verwirklichen. Nicht nur die Zahl ihrer Opfer steigt kontinuierlich. Sie geraten an Menschen fressende Ungeheuer, einen Pest-Dämonen und eine Hexe, die sie obendrein mit einem Fluch belegt. Stets den Großbarts hart auf den Fersen reitet Bauer Heinrich, der sich für den Mord an seiner Familie rächen will.

In Venedig, wo sie sich von den Strapazen der Alpenreise erholen, wird den Großbarts der Boden heiß unter den Füßen, als die Kunde ihrer Übeltaten sich verbreitet. Bevor sie verhaftet werden können, schiffen sie sich nach Ägypten ein. Dort wollen sie das eine oder andere Grabmal schänden. Stattdessen sorgt eine zaubermächtige Sirene für unerwartete Turbulenzen und weitere gewaltsame Todesfälle. Unerschütterlich morden und lügen die Großbarts sich durch das Chaos, das ihnen auch in Ägypten treu bleibt, wo sie einen bizarren Kreuzzug geraten und Heinrich, der wütende Pest-Dämon und zwei grässliche Homunkuli sie endlich einholen …

_Ein ganz besonderer Blick in die Vergangenheit_

Das Mittelalter ist ab 1350 nicht nur eine exotische Ära, sondern zeigt eine Welt im Ausnahmezustand. Ursprünglich in Asien ausgebrochen, rast die Pest, der „Schwarze Tod“, ab 1347 durch Europa. Ganze Landstriche werden entvölkert, 25 Mio. Menschen – ein Drittel der Gesamtbevölkerung – sterben. Die Überlebenden sind durch das erlebte Grauen gezeichnet. Kaum eine Familie ist ohne Opfer und die Angst vor der Seuche so groß, dass sie in Hysterie umschlägt. Ohne Kenntnis der Ursachen oder medizinisch wirksamer Gegenmittel, auf der verzweifelten Suche nach Heilung oder wenigstens einer Erklärung verfallen die Menschen Scharlatanen und Weltuntergangs-Propheten. Auf der Suche nach ‚Schuldigen‘ brennen ‚Ketzer‘ und Juden. Als dieser Pestzug 1351 abklingt, folgen nach kurzen Jahren der Ruhe neue Wellen. Die Ratlosigkeit und die daraus resultierende Angst erhalten sich bis in die Neuzeit, und noch heute, da die Krankheit beinahe ausgerottet sowie heilbar ist, sorgt schon das Wort „Pest“ für Gänsehaut.

Eine ohnehin aus den Fugen geratene Welt wird bei Jesse Bullington zur Kulisse eines bemerkenswerten Fantasy-Romans. Nicht Schwertkämpfer, Dämonen-Fürsten oder von Tolkien plagiierte Orks/Zwergen/Elben/Etc.-Klone treiben ihr Unwesen in einer verfremdeten Märchen-Welt, sondern simple Menschen als Produkte ihrer turbulenten Gegenwart. Bullington, der als studierter Historiker das Mittelalter nicht nur als simple Folie benutzt, sondern in Kenntnis der historischen Realität einsetzt, gelingt das Kunststück, die zeitgenössische Gedankenwelt so zu verfremden, dass sie die zeitgenössische Realität umso deutlicher herausstellt. Darüber hinaus gelingt ihm eine ungemein unterhaltsame Geschichte.

|Gott, der Teufel und der arme Mensch|

Die Welt des Mittelalters muss man mit der Allgegenwärtigkeit von Religion und – aus heutiger Sicht – Aberglauben gleichsetzen. Gott und vor allem der Teufel und seine Geschöpfe waren überall. Die Kirche lehrte die Lebenden, sich dem schlauen, in vielen Verkleidungen auftretenden Bösen zu entziehen. Für die Toten bzw. deren Seelen wurde gebetet, denn das Höllenfeuer loderte stets in Reichweite. Angesichts einer Lebenserwartung, die durchschnittlich bei 35 oder 40 Jahren lag, war der Tod den Zeitgenossen eine Selbstverständlichkeit.

Nur der bedingungslose Glaube bot einen Ausweg, während sehr reale Missstände als Ausdruck einer vorgegebenen Ordnung zu akzeptieren waren. Also sind die Großbarts einerseits durchaus ehrlich fromm und andererseits ungebildete, grobe, schmutzige Lumpen. Im Mittelalter war dies kein Widerspruch. Die meisten Zeitgenossen Hegels und Manfrieds würden aus heutiger Sicht in diese Kategorie fallen.

Gleichzeitig steckte die Wissenschaft in den Kinderschuhen. Das Mittelalter war vor allem in Europa sprichwörtlich dunkel, während Forschung und Lehre ausgerechnet in den ‚heidnischen‘ arabischen Ländern blühte. Der Zusammenhang zwischen Ansteckung und Hygiene blieb unerkannt, Zauberei bzw. Hexerei galt als Tatsache, und die meist unbekannte Welt wurde von gefährlichen Kreaturen bevölkert. Bullington geht nur einen Schritt weiter und nimmt diesen Aberglauben für bare Münze. Die Großbarts oder Bruder Martin entsetzen sich daher nicht vor eingebildeten, sondern vor ‚echten‘ Ungeheuern und Dämonen.

|Zwei brutale Schelme auf privatem Kreuzzug|

Hegel und Manfried Großbart begeben sich auf eine lange Reise, die ihnen jedoch keine geistige Reifung bringen wird. Bullington karikiert das Motiv der Queste, wie er überhaupt sorgfältig darauf achtet, jeglichen Gedanken an positive Werte zu tilgen. Moralische Integrität, Frömmigkeit, Liebe – immer verbergen sich hinter solcher Anständigkeit Bigotterie, Lüge und Eigennutz. In dieser Beziehung ist Bullington modern: Seine Leser sollen durch die Lektüre nicht belehrt werden. Mit Vorsicht sei deshalb das umfangreiche Literaturverzeichnis betrachtet: Zwischen tatsächlich existierenden Werken verbergen sich geschickt erfundene Werke, die eine Existenz von Grossbart-Überlieferungen vorspiegeln

Hegel und Manfried sind Räuber und Mörder, aber als solche passen sie in ihre Welt. Selbst der unglückliche Heinrich paktiert für seine Rache mit einer Hexe und einem Dämonen. So kann man den Zwillingen nicht wirklich böse sein. Zwischen Anfällen eingetrichterter (und köstlich fehlinterpretierter) Glaubensstärke sind sie konsequent ehrlich. Sie wollen ihren Zipfel von der Wurst. Nach einem Leben in Elend haben sie begriffen, dass niemand mit ihnen teilen wird. Also nehmen sie sich, was sie begehren, und geben sich dabei nicht einmal den Anschein, Robin Hoods zu sein. Wenn eine ganze Welt sich in ein Irrenhaus verwandelt, sind Hegel und Manfried exemplarische Bewohner.

Der Zug ins „Gypterland“ ist ihr einziger Traum oder besser: eine vage Wunschvorstellung. Mitte des 14. Jahrhunderts lagen die ‚klassischen‘ Kreuzzüge ins längst sarazenische Morgenland schon viele Jahrzehnte zurück. Geblieben waren nur geschönte Erinnerungen an ein hehres Ziel, das tatsächlich in eine endlose Kette blutiger Sinnlosigkeiten ausgeartet war. Als die Großbarts 1365 tatsächlich ihr Ziel erreichen, geraten sie in den aberwitzigen „Kreuzzug gegen Alexandria“, den König Peter I. von Zypern angezettelt hat. Dieser will nicht die Wiege der Christenheit befreien, sondern lässt Alexandria sowie 1366 Tripolis und Tartus überfallen, plündern und zerstören – ein reales, durch und durch verlogenes Unternehmen, dem schließlich sogar der Papst seine Unterstützung verweigerte.

|Eine traurige Geschichte aber ein tolles Buch|

„Die traurige Geschichte …“ erzählt nicht nur eine kurzweilige Geschichte, die ihrem Titel erst auf der letzten Seite gerecht wird und selbst dabei heiter wirkt. Weitere und längst nicht selbstverständliche Vorteile tragen zur Freude des Lesers bei. Da ist vor allem die fabelhafte Übersetzung hervorzuheben. Der Name Eva Bauche-Eppers sorgt für Erwartungen, denn diese Frau versteht ihr Handwerk, was u. a. daraus ersichtlich wird, dass sie 2003 für ihre Übertragung von China Miévilles Roman „Perdido Street Station“ mit dem Kurd-Laßwitz-Preis ausgezeichnet wurde. Sie mit der Übersetzung zu beauftragen, war eine wirklich gute Entscheidung, weil die Vorlage sprachlich eine Herausforderung darstellt. Bullington wandelt bunt auf einem schmalen Grat zwischen ‚originaler‘ mittelalterlicher und lesbar moderner Ausdrucksweise. Bauche-Eppers vermag ihm dorthin zu folgen. Die Übersetzung wirkt durch geschickt eingeflochtene altertümliche oder altertümlich erscheinende Redewendungen und Ausdrücke zeitgemäß, ohne es zu sein, es sein zu müssen oder den Leser zu überfordern. „Die traurige Geschichte …“ liest sich reibungslos, und der historisch oder sprachlich Bewanderte freut sich über Neu- und Wiederentdeckungen als Boni.

Das Auge isst nicht nur in der Küche mit. Auch der Leser freut sich über Bücher, die ihm solide aber geschmeidig in der Hand liegen, bei Öffnen und Blättern nicht spröde krachen sowie schön aufgemacht sind. „Die traurige Geschichte …“ bietet sich durch ihren Umfang für ein Paperback geradezu an, weshalb ihm dieses Gewand gut steht. Hier musste kein Text durch Großschrift, Leerseiten und gewaltige Zeilenabstände künstlich aufgeblasen werden. Darüber hinaus gibt es nicht nur ein ‚richtiges‘, also gemaltes Cover, sondern eigens angefertigte Innenzeichnungen. Man kann es prosaisch auch so ausdrücken: Hier bekommt der Leser wirklich etwas für sein Geld!

_Autor_

Jesse Bullington wurde in Boulder, US-Staat Colorado geboren. Nach einem Umzug wuchs er zunächst in Pennsylvania auf, bevor die Familie für mehrere Jahre in die Niederlande übersiedelte. Nach der Rückkehr in die USA beendete Bullington die High School und studierte Englische Literatur und Geschichte an der Florida State University. Beide Fächer schloss er 2005 ab.

Bereits in seiner High-School-Zeit lernte Bullington den Fantasy-Autoren Jeff Vandermeer kennen. Sie wurden Freunde, und Vandermeer wurde Bullingtons Mentor, als dieser eigene schriftstellerische Pläne entwickelte. Mit der Arbeit an seinem Debütroman „The Sad Tale of the Brothers Grossbart“ (dt. „Die traurige Geschichte der Brüder Grossbart“) begann Bullington unmittelbar nach dem Studium. Das opulente, inhaltlich wie formal vom Fantasy-Mainstream abweichende Werk erregte bei Kritik und Publikum großes Aufsehen.

|Paperback: 541 Seiten
Originaltitel: The Sad Tale of the Brothers Grossbart (New York : Orbit 2009)
Übersetzung: Eva Bauche-Eppers
Cover: Oliver Wetter
Deutsche Erstausgabe: Mai 2011 (Bastei-Lübbe-Verlag 2011/Paperback Nr. 28550)
ISBN-13: 978-3-404-28550-1|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de
[jessebullington.com]http://jessebullington.com

Nygaard, Hannes – TATORT: Borowski und die einsamen Herzen

Begeisterte die TATORT-Serie schon über vier Jahrzehnte hinweg ein Millionenpublikum vor dem Fernseher, läutete der |Emons|-Verlag jüngst eine neue Ära ein: Die wohl bekannteste deutsche Krimiserie schaffte im Herbst 2009 auch den Sprung in die Literatur. Basierend auf Drehbüchern bereits gesendeter Folgen, werden seither eine ganze Reihe Fälle ausgewählter und beliebter Ermittler auch als Roman angeboten. Erfolgreich: Der ersten Welle von Veröffentlichungen folgten unlängst weitere. „Borowski und die einsamen Herzen“ gehört zur zweiten Tranche aus dem Frühjahr 2010. Das ungleiche Kieler Ermittlerteam, bestehend aus Hauptkommissar Klaus Borowski und Kriminalpsychologin Frieda Jung, bekommt seinem ersten gemeinsamen Fall.

_Zur Story_

Während der Frühling und die dazugehörigen Gefühle so langsam einziehen, welche auch den eigenbrötlerischen Kommissar Borowski nicht so kaltlassen, wie er es gerne hätte, ereignen sich in kurzer Folge zwei vollkommen unromantische Messermorde. Diese liefen nach gleichem Schema ab, was recht schnell die Theorie von einem Serientäter heraufbeschwört. Beide Opfer weisen nämlich deutliche Gemeinsamkeiten auf – sie hatten sogar ziemlich ähnlich lautende Kontaktanzeigen über den „Kieler Boten“ aufgegeben, was nahelegt, dass dort vielleicht verwertbare Hinweise zu finden sind. Die Analyse sämtlicher Annoncen des infrage kommenden Zeitraums fördert allerdings nicht viel Brauchbares zutage, außer vielleicht, dass „Durchschnittsmann“ Borowski sehr gut in das Beuteschema des vermeintlichen Serienkillers passt.

Da Borowski ziemlich auf der Stelle tritt, und ihm auch die kärglichen Erkenntnisse der Spurensicherung nicht wirklich weiterhelfen, wird ihm Kriminalpsychologin Frieda Jung zur Seite gestellt, was der zuweilen knötterige Kommissar mit gemischten Gefühlen sieht. Einerseits ist er ein Einzelgänger mit seinen ganz eigenen kriminalistischen Ermittlungsmethoden, andererseits hat er tief in seinem Innersten ein Auge auf die hübsche Frieda geworfen, die ihm aber nicht nur die kalte Schulter zeigt, sondern auch seine eigenen Unzulänglichkeiten. Zudem pflegt sie auch noch eine ganz andere Herangehensweise an den Fall. Von ihr stammt schlussendlich die Idee, dass sich Borowski als Lockvogel zur Verfügung stellt und selbst eine Kontaktanzeige aufgibt – der begibt sich aber erst in die abgrundtiefen Niederungen der Partnersuche, als sich noch ein dritter Mord ereignet.

_Eindrücke_

Anders als absolute Serienlieblinge vom Schlage Thiel/Boerne, welche selbst bekennende TATORT-Muffel begeistern können, ist der eigenwillige Klaus Borowski doch etwas sperrig und nicht jedermanns Geschmack. „Love it or leave it“ ist ein oft strapaziertes Motto, welches man hier aber getrost anwenden kann. Dabei ist es mit ihm, wie mit seinem alten VW-Passat: Da steckt mehr unter der Haube, als man auf den ersten Blick bemerkt. So benötigt der tüchtige und intelligente Kieler Ermittler sicherlich etwas Eingewöhnung, bis man mit ihm klarkommt. Das gilt für den Fernsehzuschauer übrigens gleichermaßen wie für den Leser der Adaption. Aber grade die Ecken und Kanten, speziell seiner Hauptfigur, machen den Kieler TATORT so interessant.

Dabei hat es Hannes Nygaard im Roman, dank der ihm hier zur Verfügung stehenden stilistischen Mitteln uns Einsicht in Borowskis Seele zu gewähren, sogar etwas einfacher, als Drehbuchautor Thomas Schwank und nicht zuletzt auch Borowski-Darsteller Axel Milberg, welche dem Kommissar bisher auf dem Bildschirm Kontur zu verliehen und halfen Sympathiepunkte zu sammeln. Mit dem Effekt, dass der literarische Borowski leichter zugänglich erscheint, als sein TV-Pendant, bei dem es schon einige Zeit braucht, bis man sich an seine nordisch-herbe Art gewöhnt hat und eventuell sogar Gefallen daran findet. Dennoch ist der Roman nah genug an der Vorgabe, um den Ton und die Atmosphäre daraus hinüberretten zu können.

Auch der Fall an sich ist mit Bedacht gewählt, handelt es sich bei diesem zwar nicht um einen absoluten Überflieger doch immerhin um jenen, an welchem Frieda Jung endgültig als Sidekick etabliert wird – und als Love Interest für Borowski. Im Roman wirkt sie allerdings etwas farblos und geht als Charakter ein wenig unter, während Schauspielerin Maren Eggert der Kriminalpsychologin in der TV-Fassung wesentlich mehr Präsenz und Profil zu verleihen versteht, als es hier gelingen mag. Insgesamt ist die Umsetzung aber stimmig und bis in die Dialoge hinein werkgetreu und realitätsnah. Nur eine Sache will partout nicht passen und das ist Borowskis Auto, welches angeblich über einen nachträglich eingebauten Hybridantrieb verfügen soll. Dieses Kunststück bei einem 80er-Jahre-Passat der Baureihe B1 fertigzubringen, darf man ins Reich der Fabel verbannen.

_Fazit_

Ein ziemlich typischer „Borowski“, was durchaus positiv verstanden werden will, und zudem einer, der sehr viel Persönliches über den Chefermittler preisgibt. Eventuell zu viel, denn einen Teil des Reizes des Kieler TATORT (zumindest im Fernsehen) besteht sicher darin, sich die nicht unschrullige, gelegentlich gar mysteriös wirkende, Hauptfigur Fall für Fall mehr zu erarbeiten und ihn vielleicht grade dadurch für sich zu entdecken. Der Roman ist da viel direkter und enthüllender. Was einem mehr liegt, muss jeder selbst entscheiden. Handwerklich ist der Adaption, bis auf ein paar Kleinigkeiten, jedenfalls nichts wirklich anzulasten: Ein routiniert nach Hause gebrachter, realitätsnaher Kriminalroman, der auch (noch) Nicht-Fans der Serie interessieren könnte.

|Taschenbuch: 154 Seiten
Roman zur gleichnamigen ARD-Reihe TATORT
Nach einem Drehbuch von Thomas Schwank
ISBN-13: 978-3-89705-745-6|
[www.emons-verlag.de]http://www.emons-verlag.de

_TATORT beim Buchwurm:_
[„Blinder Glaube“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5914
[„Strahlende Zukunft“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5956
[„Todesstrafe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6346
[„Aus der Traum“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6547
[„Tempelräuber“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6549
[„Die Blume des Bösen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6803
[„A gmahde Wiesn“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6804
[„Erntedank“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7000

Mina, Denise – In der Stille der Nacht

_Das geschieht:_

Eddy, Pat und Malki, drei perspektivlose Loser aus dem schottischen Glasgow, lassen sich für eine Entführung anheuern. Einen gewissen „Bob“ sollen sie kidnappen, doch als sie nervös und überstürzt in das vom Auftraggeber angegebene Haus stürmen, finden sie dort nur die pakistanische Immigrantenfamilie Anwar vor. In ihrer Panik schnappen sie sich Aamir, den Vater, und verschleppen ihn.

Die polizeiliche Ermittlung müsste eigentlich Detective Sergeant Alex Morrow übernehmen. Ihr Vorgesetzter DSI MacKechnie, mit dem sie im Streit liegt, übergeht sie und übergibt den Fall dem weniger begabten aber pflegeleichten Karrieristen Grant Bannerman, den Morrow noch heftiger verabscheut. Dennoch kann sie die offensichtlichen Fehler des Kollegen weder ignorieren noch ihre Neugier zügeln.

Wer ist „Bob“, für den absurde 2 Mio. Pfund Lösegeld gefordert werden, die nun für den Vater zu zahlen sind? Hat die Familie etwas mit der Entführung zu tun? Hinter der kultivierten Kulisse der Anwars treten diverse Brüche hervor. Die in ihrem schottischen Umfeld nur scheinbar integrierte Gesellschaft praktiziert neuerdings wieder den islamischen Glauben. Die misstrauische Polizei wittert terroristische Umtriebe, und auch Morrow hält Omar und Billal, Aamirs Söhne, für verdächtig.

Inzwischen gerät Aamir in Lebensgefahr. Der Auftraggeber weigert sich, ihn statt „Bob“ in seine Obhut zu nehmen. Die drei Kidnapper stehen mit einer überzähligen Geisel dar. Während der besonnene Pat eine Eskalation zu verhindern sucht, denkt der psychotische Eddie an Mord. Nachdem Bannerman mit seiner nassforschen Methode scheitert, holt MacKechnie Morrow im Wettlauf mit der Zeit zurück ins Ermittlungs-Boot. Doch eine wahre Lügen-Flut vernebelt den Fall, während Aamir beschließt, sich gegen seine Peiniger zu wehren …

_Schottische Umtriebe im Dauerregen_

In die noch zahlenschmale Riege schottischer Kriminalpolizisten reiht sich hiermit eine weitere Serien-Ermittlerin ein: Alex Morrow ist die Apotheose sämtlicher mürrischer, psychisch aus dem Lot geratener, von den Kollegen gemiedener und von den Vorgesetzten gehasster, privat auf Grund gelaufener Krimi-Helden. Was genau ihr zugestoßen ist, hält uns die Verfasserin zunächst vor. Als sie die Katzen nach und nach aus dem Sack lässt, haben wir das Interesse bereits verloren.

Dies ist das erste mehrerer Warnsignale, die schließlich in der erstaunlichen Erkenntnis münden, dass „In der Stille der Nacht“ ein guter Krimi aber keine erfreuliche Lektüre darstellt. Zwar ist der Plot gut konstruiert und wird mit den dem Genre geschuldeten Verzögerungen und Verwicklungen entwickelt. Das Ergebnis lässt dennoch seltsam kalt.

Liegt es daran, dass Denise Mina sich höchstens am Rande für das Krimi-Element ihrer Geschichte interessiert? Moderne Krimis schwelgen gern und manchmal zu ausgiebig in Gesellschaftskritik und Politikverdrossenheit. Bis zur Seifenoper ist der Weg nicht weit und die Fahrbahndecke schlüpfrig. Doch nicht deshalb kommt Mina ins Rutschen. Sie meint es in jeder Sekunde bitterernst mit ihrem doppelten Psychogramm einer exotisch-dysfunktionalen Familie und einer gestörten Polizistin.

|Spaß bleibt ausdrücklich ausgeschlossen!|

„Bitterernst“ ist das Stichwort. Denise Mina suhlt sich förmlich in der Gefühlskälte der Gegenwart. Auch Ian Rankin oder Stuart MacBride, die ihre Krimis ebenfalls in Schottland ansiedeln, verschließen nie die Augen vor den Schattenseiten des modernen, globalisierten, urbanen Alltags. Sie gönnen ihren Lesern allerdings Erholungspausen, die sie mit durchaus schwarzem Humor so unterhaltsam gestalten, dass die grundsätzliche Stimmung ihrer Geschichten darunter nicht leidet.

Mina verweigert ihrer Leserschaft jede Ablenkung. Immer neue Abgründe deckt sie stattdessen auf. Dies sorgt u. a. für einen Krimi, dessen gesamtes, kriminelles wie kriminologisches Figurenpersonal unsympathisch ist. Damit erregt die Autorin zweifellos unser Interesse, aber sie stößt ihre Geschichte gleichzeitig und buchstäblich in eine Grauzone. Trübsinnig schleppt sie sich dahin, während die ermittelnde Beamtin diverse Gangster trifft, sich mit dem Chef anlegt, den Kollegen hasst und den Gatten schurigelt. Für alle diese Finsternis gibt es gute Gründe, aber da wir unter ihnen förmlich begraben werden, wollen wir lieber flüchten als uns auf sie einlassen.

|Noch mehr Elend als Hirngepäck|

Eine ‚Glanzleistung‘ stellt übrigens wieder einmal die ‚Übersetzung‘ des Titels dar. In der Nacht des Überfalls auf die Familie Anwar geht es alles andere als still zu, und auch in den nächsten Nächten bleibt es turbulent. Tatsächlich spielt der Originaltitel „Still Midnight“ auf die Geisterstunde in der Seele von Aamir Anwar an, der als Flüchtlingskind erlittenen Gräuel auch nach Jahrzehnten nur oberflächlich verarbeitet hat aber nie überwinden konnte; als Entführungsopfer wird er in diese dunkle Zeit zurückgeworfen.

Mina entwirft sehr aufwendig, solide recherchiert und politisch überaus korrekt das Psychogramm eines Mannes, der in Pakistan geboren wurde, mit der Familie nach Uganda auswanderte und dort in einen Bürgerkriegsterror geriet, dem er allein entkommen konnte. Nach Aamirs Ansicht hat er sich das Leben auf Kosten der Mutter erkauft; Mina zeichnet folgerichtig das Bild eines Mannes, der sich für sein Überleben schuldig fühlt. Dazu gehören seitenlange Rückblenden auf Aamirs Kindheit, die sicherlich (bzw. selbstverständlich) ernst gemeint aber – so ketzerisch es klingen mag – langweilig sind. In Aamirs Kopf läuft immer und immer wieder der Film des erlittenen Schicksals ab. Der Leser hat schon nach dem ersten Mal begriffen.

|Die Sorgen der nächsten Generation|

Immerhin widersteht Mina der Verlockung, den Plot mit einer 9/11-Motivdecke zu unterfüttern. Nahe hätte es gelegen: Eine islamische Familie steckt in einem nicht nur latent misstrauischen Umfeld. Das daraus resultierende Unrecht böte zuverlässig Stoff für ein gegenseitiges Aufschaukeln von Verdacht und Gewalt. Hier bricht Mina mit den Erwartungen. Die Anwars sind nur zum Teil fromm, und Terrorismus spielt keinerlei Rolle. „In der Stille der Nacht“ bleibt in diesem Punkt ganz Krimi, das Verbrechen ungemein irdisch.

Tatsächlich sind die Anwars bereits besser integriert als ihnen lieb ist: Die schottische Unterwelt kennt keine Berührungsängste. Mina gelingt die Darstellung einer gänzlich glanzlosen kriminellen Realität: Brutale Proleten scheffeln Geld mit der gleichgültigen Ausbeutung und Misshandlung von Menschen. Sie haben keinen Stil, kennen keine Ganovenehre. Nicht nur für die Polizei, sondern auch für diese ‚etablierten‘ Verbrecher sind Eddy, Pat und Malki Instrumente, derer man sich bedient und entledigt.

Ähnlich trostlos sieht bei Mina der Polizeialltag aus. Jeder ist sich selbst der Nächste. Von oben wird getreten und der Druck nach unten weitergegeben. Seilschaften werden gebildet und gepflegt, Konkurrenten gemobbt, Ermittlungsergebnisse eifersüchtig gehortet. Alex Morrow gliedert sich perfekt in dieses Umfeld ein. Sie ist höchstens noch ein wenig hinterlistiger. Den Unterhaltungswert dieser Geschichte steigert das freilich nicht.

|Am Ende ist alles umsonst|

Die rumpelt ohnehin in Düsternis ihrem Finale entgegen. „In der Stille der Nacht“ ist ein „Whodunit“, denn unsere drei untalentierten Entführer haben einen Hintermann, der bis zum Schluss unsichtbar und unbekannt bleibt. Weil Mina mit dem sprichwörtlichen Zaunpfahl nicht nur winkt, sondern kräftig um sich schlägt, ist außerdem schnell klar, dass jemand in der Anwar-Sippe Dreck am Stecken hat. Pflichtschuldig werden beide Fragen beantwortet. Der Leser fragt sich unwillkürlich, ob dieser Sieg der Gerechtigkeit notwendig ist: Wäre die Strafe für alle Beteiligten nicht größer, beließe Mina sie im breit ausgemalten Elend?

Oder sind es die beiden angeflanschten Happy-Endings, die uns irritieren? Nachdem wir von der Autorin über 400 Seiten wie das Schnitzel im Paniermehl in Tristesse gewälzt wurden, bricht plötzlich die Wolkendecke über DS Morrow auf. Wen es interessiert, wie und ob der seelische Notstand beendet wird, darf sich auf ihren neuen Fall freuen, der 2011 unter schönen Titel „The End of the Wasp Season“ (dt. „Blinde Wut“) erschienen ist.

_Autorin_

Denise Mina wurde 1966 im schottischen Glasgow geboren. An der dortigen Universität studierte sie Jura. Dort nutzte sie ihr Doktoranden-Stipendium, um einen ersten Kriminalroman zu schreiben. „Garnethill“ (dt. „Schrei lauter, Maureen“) erschien 1999 und wurde von der „Crime Writers‘ Association“ mit einem „John Creasy Dagger“ für das beste Krimi-Debüt des Jahres ausgezeichnet. Mina baute „Garnethhill“ 2000 und 2001 zur Trilogie aus.

Zwei nicht seriengebundenen Krimis folgte 2005 „The Field of Blood“ (dt. „Der Hintermann“), der erste, 2010 für das britische Fernsehen auch verfilmte Roman um die Journalistin Patricia „Paddy“ Meehan. 2009 begann Mina eine dritte Serie um die Glasgower Kriminalpolizistin Alex Morrow.

Mina schreibt nicht nur Kriminalromane, sondern auch Comics. So textete sie ein Jahr für die Serie „Hellblazer“ und lieferte die Vorlagen für verschiedene Comic-Romane. Weiterhin verfasst sie Texte für Radio und Fernsehen und legte 2006 ein erstes Theaterstück vor.

|Taschenbuch: 477 Seiten
Originaltitel: Still Midnight (London : Orion Books 2009)
Übersetzung: Conny Lösch
ISBN-13: 978-3-453-43490-5

Als eBook: Juli 2010
ISBN-13: 978-3-641-04750-4|
[www.randomhouse.de/heyne]http://www.randomhouse.de/heyne
[www.denisemina.co.uk]http://www.denisemina.co.uk

_Denise Mina bei |Buchwurm.info|:_
[„Refugium“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=928
[„Der Hintermann“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4192

Bec, Christophe – Challenger-Tiefe, Die (Carthago 2)

_|Carthago|:_
01 [„Die Lagune der Fortuna“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=7102
02 [„Die Challenger-Tiefe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=7103

_Story:_

Kim Melville und ihre Mannschaft scheinen nach der Attacke des urzeitlichen Megalodons aussichtslos den Tiefen des Meeres ausgeliefert, als in letzter Sekunde schließlich doch noch die unverhoffte Rettung naht. Doch das Team um den Abenteurer London Donovan hat mehr im Sinn als lediglich die Rettung der Passagiere des Forschungstrupps. Unter dem Regeiment des österreichischen Multimillionärs Wolfgang Feiersinger, in dessen Schuld Donovan infolge eines gefährlichen Rettungsversuchs am Kailash-Massiv immer noch steht, plant die Mission, tatsächlich ein Exemplar des Megalodons einzufangen und für wissenschaftliche Zwecke auszunutzen. Feiersinger und seine Begleiter sind in ihren Aussagen überzeugend und verfügen über ein sehr ausgeprägtes Wissen um die Entwicklung einiger urzeitlichen Lebewesen, die allgemein als ausgestorben gelten. Doch gegen Melville sprechen noch mehrere Fakten: Feiersinger hat ihre Tochter in den Karpaten verscharrt und verwendet sie als Druckmittel gegen die renommierte Meeresbiologin …

_Persönlicher Eindruck:_

Analog zur ersten Episode aus Christophe Becs aktueller Serie „Carthago“ steuert der Autor auch im zweiten Teil „Die Challenger-Tiefe“ mit höchstem Tempo vorwärts und hält an den stringenten Entwicklungen von „Die Lagune auf Fortuna“ konsequent fest. Die bis dato noch nicht vorhergesehene, zwingend notwendige Wendung erfolgt unterdessen direkt zu Beginn des angeschlossenen Strangs. Melville und ihr Team werden aus ihrer misslichen Lage befreit und zur Kompromissbereitschaft gezwungen – ein Teil des Plots, auf den Bec sich im weiteren Verlauf nahezu ausschließlich konzentriert. Und ausgerechnet dieser Umstand trägt nicht gerade dazu bei, dass „Carthago“ im Hinblick auf den Spannungsaufbau weitere Fäden aufnimmt.

Denn so knapp und bündig der Einschnitt in die Story auch eingeworfen wird, so langatmig gestaltet sich letzten Endes die weiterführende Ausschmückung. Die Diskussionen zwischen Feiersinger, Donovan und Melville machen die Geschichte zwar vorerst aufschlussreich, ziehen sich dann aber immer weiter in die Länge, ohne die Story damit entscheidend voranzubringen. Das Pro und Contra scheint klar, die letztendliche Entscheidung ist aber auch nur aufgeschoben, schließlich vorhersehbar und im Hinblick auf den gesamten Komplex auch noch gehörig spannungsarm. Selbst die zwischendurch eingeworfenen Nebenschauplätze, die das bereits zuvor angestachelte Mysterium um „Carthago“ belebt haben, können hier keine Entlastung erzielen, zumal die Verbindung zur eigentlichen Story in keinem Fall faktisch hergestellt wird. Und auch das ist ein Problem.

Herausreißen muss es daher Eric Henninot, dessen fabelhafte Illustrationen der Story einen wunderbaren Phantastik-Anstrich verpassen und den Inhalt viel farbenfroher gestalten, als Bec es mit seinen textlichen Ausführungen zu füllen vermag. „Die Challenger-Tiefe“ bringt die Serie daher nur insofern weiter, dass die Story neue Gesichtspunkte geschenkt bekommt, die eine inhaltliche Stagnation vermeiden. Eine bis dato noch nicht ganz ausgereifte Handlung jedoch kontinuierlich weiterzuentwickeln kann der Autor aber mit dieser nicht ganz so gut gelungenen Fortsetzung jedoch nicht,

|Graphic Novel: 56 Seiten
ISBN-13: 9783868691016|
[www.splitter-verlag.eu]http://www.splitter-verlag.eu

_Christophe Bec bei |Buchwurm.info|:_
|Prometheus|
01 [„Atlantis]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=6432
02 [„Blue Beam Project“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=6433