Kürthy, Ildikó von – Schwerelos

|“Wenn man die dreißig hinter sich gelassen hat, tut man gut daran, wichtige Termine auf den sehr späten Vormittag zu legen, um dem eigenen Gesicht genügend Zeit zu geben, sich zu entrunzeln und daran zu erinnern, dass irgendwo unter dieser alten Haut auch noch ein paar Bindegewebszellen stecken, die gefälligst allmählich ihren Dienst anzutreten haben.“|

Ildikó von Kürthy, freie Journalistin aus Hamburg und die Meisterin der gepflegten Frauenlektüre, legt nun endlich mit ihrem neuen Frauenroman nach. Nachdem sie mit ihren Verkaufsschlagern „Mondscheintarif“ oder auch „Freizeichen“ bewiesen hat, dass sie die Frau von heute, Anfang oder Mitte 30, so treffend beschreiben kann, dass sich fast jede Leserin in diesem Alter in der einen oder anderen Szene wiederfindet (oder auch in fast allen), erfindet sie mit Rosemarie Goldhausen, kurz Marie, eine neue Anti-Heldin, die man auf leider nur 251 Seiten kennen und lieben lernt.

_Ja oder nein – das ist hier die Frage_

Marie begräbt ihre Lieblingstante, die den gleichen Namen getragen hat wie sie. Rosemarie war erst 77 und stand mitten im Leben. Gerade war sie mit ihrem neuen Freund nach Kapstadt geflogen, doch sollte sie aus diesem Urlaub nicht zurückkehren. Obwohl die beiden Rosemaries den gleichen Namen hatten, hatten sie doch wenig gemeinsam. Während die Tante ihr Leben in vollen Zügen genossen und keine Minute mit einem Mann verschwendet hat, mit dem sie nicht vollkommen zufrieden war, gibt sich die junge Marie mit Frank zufrieden, obwohl die große Liebe und die Schmetterlinge im Bauch in der Beziehung fehlen. Sie geht ihr Leben ganz pragmatisch an, will kein Risiko eingehen und lässt sich dadurch viele Chancen entgehen. „Werd‘ endlich unvernünftig!“ rät ihr daher die geliebte Tante vor ihrem Tod.

Und diesen Rat nimmt Marie nun ernst. Als Frank ihr nach fast zehn Jahren Beziehung endlich den ersehnten Heiratsantrag macht, sagt Marie nicht im vollen Überschwang der Gefühle „ja“, sondern erbittet sich Bedenkzeit. Damit stößt sie Frank zwar vor den Kopf, aber sie erkennt, dass sie diese Zeit tatsächlich zum Nachdenken braucht. Auch mit ihrem Job bei einem stinklangweiligen Fachverlag ist sie unglücklich. Die literarischen Werke, die sie dort als Lektorin betreuen muss, widmen sich immer wieder der Esoterik oder der Bachblütentherapie, Risiken will man in dem Verlag nicht eingehen. Doch dann ist Maries Chefin im Urlaub, und Marie hat die einmalige Gelegenheit, einen Autor an Land zu ziehen, der den ultimativen Eheratgeber geschrieben hat. Der Verlagsleiter kocht vor Wut – allerdings nur so lange, bis der Ratgeber alle Bestsellerlisten stürmt und sich dort monatelang halten kann.

Während Marie darüber nachdenkt, ob Frank der richtige Mann fürs Leben ist, hilft sie ihrer Cousine, die schwanger ist, aber nicht weiß, von welchem Mann, bei der Geburtsvorbereitung. Glücklicherweise wünscht sich Maries bester Freund Erdal unbedingt ein Kind, obwohl er mit einem Mann zusammenlebt und schwul ist – das passt doch wunderbar zusammen. Und so begleiten Erdal und Marie ihre Cousine schon bald zum Geburtsvorbereitungskurs, wo Marie neidvoll feststellen muss, dass Erdal seine Gebärmutter besser fühlen kann als die meisten schwangeren Frauen im Kurs. Maries beste Freundin betrügt derweil ihren Mann mit einem bekannten Stadtpolitiker, womit sie vollkommen zufrieden ist. Als Marie sich dann auch noch in einen gutaussehenden Fernsehmoderator verliebt, ist das Chaos in ihrem Leben eigentlich perfekt, aber am Ende sorgt ihre tote Tante dafür, dass alles gut wird …

_Mittdreißigerin auf Abwegen_

„Schwerelos“ beginnt einmal ganz ungewöhnlich. Marie steht auf dem Friedhof und liest auf dem Grabstein am offenen Grab ihren eigenen Namen – allerdings falsch geschrieben, weil der Grabstein ein besonderes Schnäppchen war, das ihre Mutter gemacht hat. Nur leider ist der Stein so schmal, dass „Rosemarie Goldhausen“ nur mit zwei Trennstrichen draufpasst, von denen einer auch noch fehlt. Erst einige Seiten später klärt Ildikó von Kürthy auf, dass Marie ihre Tante begräbt und nicht etwa sich selbst. In vielen Rückblenden erfahren wir mehr über das Verhältnis von Marie und ihrer Tante und über die Freundschaft zwischen zwei so ungleichen Frauen. Doch obwohl die Tante tot ist, erinnert sich Marie immer wieder an ihre Ratschläge und fängt erstmals an, diese auch zu befolgen. Denn sie merkt, dass sie zwar fast 37 Jahre alt ist, aber doch ihr Leben nicht voll auskostet. Und das soll sich nun ändern.

Diese Rückblenden sind leider ein Problem des Buches, denn von Kürthy wechselt unvermittelt und ziemlich häufig die Zeitebenen, sodass man manchmal nur schwer folgen kann und deswegen auch nicht immer sortiert bekommt, welche Ereignisse in der Vergangenheit liegen und welche aktuell passieren. Hier habe ich zugegebenermaßen manchmal den Faden verloren.

Gut gefallen hat mir dagegen die Hauptfigur Marie, die wieder einmal herrlich unperfekt ist und mit sich und ihrem Leben hadert. Natürlich haben alle anderen Frauen eine bessere Figur und niemand sieht morgens so zerknittert aus wie sie selbst, und im Übrigen ist ihr Job sterbenslangweilig, genau wie ihre Beziehung auch. Je weiter wir Marie auf ihrem Weg begleiten, umso mehr eröffnet sich uns ein eher trostloses Bild ihres Lebens. Sie hat den sicheren Weg ohne Aufregungen und ohne Überraschungen gewählt, „schwerelos“ fühlt sie sich dabei niemals. Doch die Tante mit ihren guten Ratschlägen krempelt Maries Leben nun sogar postum um, denn der plötzliche Tod ihrer Tante bringt Marie erstmals so richtig ins Grübeln.

Diese Wandlung gefiel mir ausgesprochen gut, zumal sie absolut nachvollziehbar war, denn jede(r) kennt Beziehungen, die herrlich bequem sind, aber auch nicht mehr. Oftmals verharrt man in diesen Beziehungen, weil ja doch alles ganz gut läuft und man der Meinung ist, dass es besser ist als ein neuer Partner, der vielleicht total aufregend ist, diese Aufregung aber womöglich auch mit anderen Frauen ausleben will. Gemeinsam mit Marie suchen wir nach Abwechslung und nach dem Mann, der bei Marie wieder für Schmetterlinge im Bauch sorgt. Mit Marie hat Ildikó von Kürthy eine Frauenfigur gezeichnet, die nicht nur unperfekt ist und sich somit prima zur Identifikationsfigur eignet, sondern die auch bereit ist, ihr Leben auf den Kopf zu stellen, selbst wenn das mal unangenehm werden kann. Sie scheut sich nicht länger vor Risiken und macht sich aktiv daran, ihr Leben auf die Reihe zu bringen. Diese Eigenschaft gefiel mir wunderbar, da wir hier nicht die jammernde Frau Anfang 30 kennen lernen, die nichts anderes will als in ihrem eigenen Elend zu versinken.

Auch die anderen Charaktere sind herrlich sympathisch gezeichnet; selbst die tote Tante lernen wir gut kennen – einmal in den Rückblenden, aber auch in Maries Erinnerungen und in den vielen weisen Sprüchen, die ihre Tante Marie mit auf den Weg gegeben hat. In „Schwerelos“ gibt es auch ein nettes Wiedersehen mit dem schwulen Halbtürken Erdal, der bereits in „Höhenrausch“ seinen großen Auftritt hatte. Hier lebt er nun glücklich und zufrieden mit seinem Freund Karsten zusammen. Zwar plagen ihn nach wie vor die Asthmaanfälle, aber als Marie ihm tatsächlich ein „Baby besorgen“ kann, ist für Erdal alles perfekt, und er widmet sich gleich liebevoll seiner neuen Vaterrolle – oder ist es doch eher die Mutterrolle?

_Witz komm raus, du bist umzingelt_

Der Grund, warum ich immer wieder zu Ildikó von Kürthys Büchern greife, ist neben ihren herrlich menschlichen und komplizierten Frauenfiguren vor allem ihr Wortwitz und ihr Talent, Situationen zu überzeichnen und wunderbare Metaphern zu finden. Allerdings ist die Wortwitzdichte in dem vorliegenden Buch zugegebenermaßen nicht so groß wie in von Kürthys früheren Werken. Dennoch nimmt die Autorin insbesondere das Altern und auch überflüssige Pölsterchen aufs Korn.

Zwei Beispiele:

|“Ausgerechnet Veronica Ferres findet sich, wie ich der ‚Bunten‘ entnahm, sehr ansehnlich: ‚Ich liebe meine Falten, denn jede einzelne bedeutet gelebtes Leben.‘ Dasselbe könnte man natürlich auch über jeden verlorenen Zahn sagen, über Tränensäcke, Alterskurzsichtigkeit und über Schlupflider, die einem zunehmend die Sicht versperren.“|

|“Ich frage mich wirklich, wie diese Frauen das machen: Passen Minuten nach der Entbindung wieder in ihre 27er Miss-Sixty-Jeans und rennen leichtfüßig zwei Wochen später hinter ihrem Jogging-Kinderwagen an der Alster entlang. Für mich immer noch demütigend ist die Szene, wie Heidi Klum vier Wochen nach der Geburt ihres zweiten Kindes in Unterwäsche für Victoria’s Secret über den Laufsteg schwebte. Man sah ihr nichts an. Und ich? Ich habe noch nicht mal ein einziges Kind bekommen – was man mir leider auch nicht ansieht.“|

Immer wieder überspitzt Ildikó von Kürthy die beschriebenen weiblichen Problemzonen dermaßen komisch, dass ich mich beim Lesen köstlich amüsieren kann. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, die Schlupflider so zu vergrößern, dass sie die Sicht versperren. Auch der Gedanken an die frisch gebackene Mutter, die direkt nach dem Kreißsaal in ihre bauchfreie Minijeans steigt und nur 14 Tage später um die Alster joggt, ist so herrlich überzeichnet, dass die eigentlich belanglose Szene dadurch unheimlich an Witz gewinnt.

Auch einem Thema wie die Frau beim Sex, die in Gedanken den Einkaufszettel zusammenstellt oder darüber nachdenkt, dass sie den Anfang ihrer Lieblingsserie verpasst, das bereits tausendfach in einschlägigen Frauenzeitschriften abgehandelt wurde, gewinnt von Kürthy noch eine neue Seite ab:

|“Ich nutze die Zeit während des Beischlafs lieber sinnvoll. […] Als ich das letzte Mal mit Frank geschlafen habe, auch schon wieder ein paar Wochen her, habe ich mich zum Beispiel gefragt, warum Barbapapas keine Beine haben und wie sie sich eigentlich fortbewegen. Eine interessante Fragestellung, die meines Wissens noch nirgends hinreichend beantwortet wurde. Immerhin war ich so taktvoll, dieses Problem mit mir selbst auszumachen und mich ein wenig über mich selbst zu wundern – allerdings nur so lange, bis mich Frank kurz nach Abschluss des Aktes als solchem unvermittelt fragte: ‚Sag mal, lebt Inge Meysel eigentlich noch?'“|

Hier wälzt Marie ihrer Meinung nach echte Probleme, aber auch ihr Herzbube ist mit den Gedanken offensichtlich ganz woanders, wie sonst kann er kurz nach dem Akt schon an die verschrumpelte Grand Dame des deutschen Fernsehens denken?

_Kurzes Lesevergnügen_

Leider hat frau „Schwerelos“ nur allzu schnell durchgelesen; schon nach drei bis vier Stunden heißt es wieder Abschied nehmen von Marie und ihren Freunden und Problemen. Aber natürlich versöhnt das Ende die Leserin und lässt sie zufrieden zurück. Ausgeschmückt wird das schrecklich pinkfarbene Buch von einigen Zeichnungen aus der Feder Tomek Sadurskis, die stets zu den beschriebenen Szenen passen, aber alle Pink als Grundfarbe aufweisen. Meinen Geschmack haben die Zeichnungen jetzt nicht so sehr getroffen, dennoch lockern sie die Optik des Buches ganz nett auf.

„Schwerelos“ ist ein locker-flockiges Lesevergnügen, das von seinen fantastischen Charakteren und Ildikó von Kürthys erfrischendem Schreibstil lebt. Mit ihrem Wortwitz sorgt die Autorin immer wieder für kleine bis große Schmunzler, zumal frau sich immer wieder in den Beschreibungen wiederfindet. Einzig die verwirrenden Zeitsprünge störten den Lesefluss etwas, sodass es „Schwerelos“ unter dem Strich nicht aufnehmen kann mit von Kürthys hochbejubelten Werken „Mondscheintarif“ und „Freizeichen“. Nichtsdestotrotz hat Ildikó von Kürthy ihren Ruf als Meisterin des Frauenromans wieder einmal erfolgreich verteidigt!

_Mehr von Ildikó von Kürthy auf |Buchwurm.info|:_
[„Freizeichen“ 838
[„Höhenrauch“ 2672

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Ward, J. R. – Ewige Liebe (Black Dagger, Band 3)

Band 1: [„Nachtjagd“ 5283
Band 2: [„Blutopfer“ 5301

_Inhalt:_

|Düster, erotisch, unwiderstehlich – die letzten Vampire kämpfen um das Schicksal der Welt.|

Sie sind eine der geheimnisvollsten Bruderschaften, die je gegründet wurden: die Gemeinschaft der |Black Dagger|. Und sie schweben in tödlicher Gefahr: Denn die |Black Dagger| sind die letzten Vampire auf Erden, und nach jahrhundertelanger Jagd sind ihnen ihre Feinde gefährlich nahe gekommen. Doch Wrath, der ruhelose und maßlos attraktive Anführer der |Black Dagger|, weiß sich mit allen Mitteln zu wehren. Die Schlacht beginnt!

Band 3: Die Bruderschaft der |Black Dagger| konnte eine Schlacht für sich entscheiden, doch der Krieg gegen die Gesellschaft der Lesser tobt mit unverminderter Härte weiter. Nun, da Wrath den ihm angestammten Königsthron bestiegen hat, lastet der Schutz der Vampire nur noch auf wenigen Schultern. Immer gnadenloser werden die Methoden der Untoten, und ausgerechnet in dieser gefährlichen Lage droht die Bruderschaft, ihren stärksten und verlässlichsten Kämpfer zu verlieren: Rhage, der Schöne, der Unbesiegbare hat sich unsterblich verliebt – in Mary, die nicht nur ein Mensch, sondern auch unheilbar krank ist. Kann Rhage die Liebe seines Lebens retten und gleichzeitig weiter der Bruderschaft dienen? Und wird die Jungfrau der Schrift diesen Bruch der Traditionen hinnehmen? Rhage hat keine Wahl, er muss alles auf eine Karte setzen …

_Meine Meinung:_

Wer denkt, es ginge in diesem Band nahtlos mit Wrath und Beth weiter, sieht sich enttäuscht – nicht aber von diesem Roman, denn J. R.Ward zaubert das nächste „Paar“ aus dem Ärmel. So kommen denn Wrath und Beth nicht in diesem Serienroman vor bzw. abzählbar selten als Statisten. Wer jetzt denkt, dass damit die düster-erotische Atmosphäre der ersten beiden Bände unterbrochen wird, kann erleichtert aufatmen, denn die Autorin führt ihre Linie stringent fort.

Wieder leitet das Glossar mit den Begriffen und Eigennamen den Romantext ein, der mit Butch O’Neal beginnt. Der suspendierte Polizist, der durch Beth Bekanntschaft mit der Bruderschaft der |Black Dagger| machte, kann nicht mehr in seine Welt zurück und lebt nun mit den Brüdern, Wrath und Beth unter einem Dach zusammen. Besondere Freundschaft schließt er mit Vishous und Rhage (ein besonders gutaussehender Vampir) und leidet unter seiner Liebe zu der Vampirin Marissa, die sich aber seit Wochen von ihm fernhält, ohne ihm den Grund zu nennen.

Mit Mary Luce wird eine neue Person in die Serienhandlung eingeführt. Sie arbeitet in einer Anwaltskanzlei, lebt in einem kleinen Haus (umgebaute Scheune), war ehemals an Leukämie erkankt, arbeitet ehrenamtlich bei einer Selbstmord-Hotline und erhält dort merkwürdige Anrufe. Dann taucht John Matthew, ein schmächtiger, junger und stummer Mann, bei ihr auf. Bella, Marys schöne Nachbarin und Vampirin, erkennt ihn anhand seines Armbandes mit merkwürdigen Zeichen als Vampir vor der Transition. Die Zeichen bedeuten „TEHRROR“, der Name eines Kriegers. Womit J. R. Ward mit einem Schlag zwei weitere Charaktere einführt.

Bella nimmt sofort Kontakt mit den Black Daggern auf. Sie und Mary bringen John auf das Anwesen der Bruderschaft, die seit zwei Monaten Tohrment „Tohr“ anführt, da Wrath den Königsthron bestiegen hat. Auf Rhage lastet ein Fluch – im Kampf oder wenn er sich in emotionaler Erregung jedweder Art befindet, verwandelt er sich in ein Ungeheuer, bzw. das Ungeheuer, das in ihm lebt, tritt dann aus ihm heraus: jenes drachenähnliche Wesen mit dem Gebiss eines Tyrannosaurus‘ und messerscharfen Klauen, das auch als großes Tattoo seinen Rücken schmückt.

Als Mary Rhage das erste Mal erblickt, ist sie fasziniert von seiner Schönheit. Aber auch Rhage will sie unbedingt wiedersehen – zum Unwillen von Wrath und Tohr. Er trifft sich einige Male mit Mary, beide fühlen sich sexuell voneinander angezogen, doch Rhage hat Angst, dass das Untier aus ihm herausbricht, wenn er mit Mary schläft und sie dadurch gefährdet – und hält sich deswegen zurück. Mary wiederum, die nichts von dem weiß, was er wirklich ist und was in ihm schlummert, missversteht sein merkwürdiges Verhalten und schließt daraus, dass er, der von so strahlender Schönheit ist, sich nicht für eine Frau wie sie – eher unscheinbar und unattraktiv, so sieht sie sich zumindest – interessieren kann. So zieht auch sie sich verletzt zurück.

Dann bricht die Leukämie wieder in ihr aus und Rhage zieht es erneut in ihre Nähe. Sie wird Zeugin seines Kampfes mit Lessern und erfährt so, dass er ein Vampir ist. Nur von dem Untier in ihm sagt er ihr nichts. Er nimmt Mary zu ihrer Sicherheit mit auf das Anwesen der Bruderschaft, das Mary so schön wie ein russisches Zarenschloss erscheint. Wrath maßregelt Rhage dafür, dass er die Regel gebrochen und einen Menschen auf das Anwesen gebracht hat, gestattet ihm zwar, Mary dazubehalten, weil Rhage sie als seine „Partnerin“ bezeichnet, stellt ihm aber Bestrafung für den Verstoß in Aussicht.

John suchen erotische Träume heim, in denen er das Blut seiner Partnerinnen trinkt und diese seines – was ihn verunsichert. Tohr bietet ihm an, bei sich und seiner Shellan zu leben und bei den Black Daggern zu trainieren. Dann zeigt er John, dass er die gleiche runde Narbe wie er auf der Brust hat, und sagt ihm, dass er einer von ihnen sei.

Die Lesser, deren Rekrutierungszentrum und zehn Männer von Wrath und seinen Männern vernichtet wurden, formieren sich neu und beginnen in der Einöde mit dem Bau eines neuen Zentrums, mit der Möglichkeit, Gefangene (Vampire) unter Verschluss und Folter zu halten. Billy R., der zu ihnen gestoßen ist, macht eine schmerzhafte Erfahrung mit „Omega“; ebenso Mr. O, der für seinen fehlgeschlagenen Einsatz bestraft wird.

In diesem Band geht es vorrangig um Rhages und Marys Geschichte, den neuen Charakter John Matthew und die Lesser. Von daher wir die Serie immer komplexer und interessanter, und was das Positive dabei ist: Sie verliert keinen Deut an Fahrt, sondern die Handlungen der drei Bände bewegen sich auf gleichbleibendem Level. Diese Serie sei daher jedem Leser empfohlen – ob nun Vampirliteraturliebhabern oder einfach nur Leseratten, die sich gut unterhalten lassen möchten.

_Fazit:_ „Ewige Liebe“ ist ein temporeicher und spannender Serienband – mit der schon gewohnten Prise Erotik und Düsterkeit. Eine ausgewogene Mischung mit einer Handlung, die Lust auf mehr macht.

_Die Autorin:_

Jessica Rowley Pell Bird (geboren 1969 in Massachusetts, New England) ist sowohl unter ihrem Geburtsnamen Jessica Bird als auch unter ihrem Pseudonym J. R. Ward schriftstellerisch tätig. Sie ist die Tochter eines Bankvorstandes und einer Architekturzeichnerin und hält ein Diplom in Rechtswissenschaften. Sie ist seit 2001 mit dem Unternehmensberater Neville Blakemore verheiratet und lebt mit ihm mittlerweile in Louisville, Kentucky.

Ihren ersten Roman „Leaping Hearts“ veröffentlichte sie 2002 und erhielt 2007 den |Romantic Times Reviewer’s Choice Award| für „Lover Awakened“ aus der |Black Dagger|-Serie sowie im gleichen Jahr den |RITA Award| des Schriftstellerverbands „Romance Writers of America“ für ihr Buch „From the First“. Für beide Awards war sie darüber hinaus bereits vielfach nominiert.

|Die Black-Dagger-Serie:|

Dark Lover (September 2005) – „Nachtjagd“ (Part 1) und „Blutopfer“ (Part 2)
Lover Eternal (März 2006) – „Ewige Liebe“ (Part 1) und „Bruderkrieg“ (Part 2)
Lover Awakened (September 2006) – „Mondspur“ (Part 1) und „Dunkles Erwachen“ (Part 2)
Lover Revealed (März 2007) – „Menschenkind“ (Part 1) und „Vampirherz“ (Part 2)
Lover Unbound (September 2007) – „Seelenjäger“ (Part 1, deutsch im März 2009)
Lover Enshrined (Juni 2008)

|Originaltitel: Lover Eternal (Teil 3)
Taschenbuch, 272 Seiten
Aus dem Amerikanischen von Astrid Finke
Titelfoto von Dirk Schulz / Titelgestaltung von Animagic Bielefeld
ISBN-13: 978-3-453-52302-9|

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AnimagiC 2024

Schweizer, Frank – Grendl

_Inhalt:_

Das Universum endet im Nichts und die Menschheit steht vor den Toren zum Himmel, zur Hölle oder wo auch immer die Seelen nach dem Tod hingehen. Max Merkur, der gerade sein Philosophiestudium erfolgreich abgeschlossen hat, kommt das Ereignis des jüngsten Gerichts denkbar ungelegen. Noch in der Wartehalle für Katholiken trifft Max Merkur auf den Teufel Lutherion, einen Agenten des TSD (Teuflischer Sicherheitsdienst).

Der höllische Geheimdienst ist wenig begeistert vom Ende der Welt und setzt alles daran, das Ereignis rückgängig zu machen. Die sogenannte Weltformel soll das Universum wiederherstellen. Doch noch fehlt eine wichtige Komponente: Der Sinn des Lebens. Max Merkur soll helfen, eben diesen Sinn zu finden, und reist mit Lutherion durch Zeit und Raum, um mit den bemerkenswertesten und berühmtesten Philosophen der Menschheit zu sprechen. Ein wahnwitziges Abenteuer nimmt seinen Lauf …

_Meine Meinung:_

Satiren und humorvolle Phantastik-Geschichten sind spätestens seit den Romanen von Douglas Adams und Terry Pratchett keine Neuheit mehr und zogen bereits zahllose Plagiate nach sich. Auch die Hölle war bereits mehrfach Zielobjekt witziger Erzählungen, wie die Bücher von Robert Asprin und Andrew Harman beweisen. Das hielt Frank Schweizer jedoch nicht davon ab, selbst ein Werk voller Spannung, Witz und Ironie zu schreiben, das sich hinter den Werken dieser berühmten Kollegen nicht zu verstecken braucht.

Dabei hält sich Schweizer nicht mit einem langen und unnötigen Vorgeplänkel auf, sondern wirft Leser und Protagonisten direkt in das Geschehen, das nicht nur hervorragend recherchiert, sondern auch flüssig und humorvoll erzählt wurde. Der verblüffte Max Merkur und sein teuflischer, gerissener Begleiter Lutherion sind das ideale Gespann, um das Ende der Welt rückgängig zu machen und durch flotte Dialoge den Leser zum Lachen zu reizen. Doch Frank Schweizer gelingt es auch mit einer guten Portion Situationskomik zu unterhalten und lässt ganz nebenbei auch interessante Informationen und Ansichten zur Philosophie einfließen. Auf dem Gebiet kennt sich der promovierte Philosoph bestens aus, langweilt die Leser aber nicht mit Unmengen an Fakten und Daten, denn in erster Linie soll dieser Roman ja unterhalten, und das gelingt ihm auf unnachahmliche Art und Weise. Die Tradition des |Otherworld|-Verlags, am Ende der Bücher ein ausführliches Personenregister zu führen, kommt diesem Roman sehr zugute und ermöglicht es dem Leser, auf voller Länge den Überblick zu behalten.

Die Gestaltung des Bandes ist einfach grandios. Der sorgfältig gebundene Band mit Goldprägung steckt in einem Schutzumschlag, den ein kunstvolles Gemälde des Künstlers Jan Balaz ziert.

_Fazit:_

„Grendl“ ist ein urkomisches Weltuntergangsszenario, das die Teufel nicht gar so schlecht dastehen lässt. Viele Autoren versuchen, witzige Bücher zu schreiben – Frank Schweizer ist es auf Anhieb gelungen.

_Der Autor:_

Frank Schweizer (geb. 1969) studierte Philosophie und Germanistik in Stuttgart. Nach seiner Promotion über den österreichischen Autor Adalbert Stifter arbeitete er in einer Comicredaktion. Seit 2003 ist er in Stuttgart freier Autor. Daneben unterrichtet er an verschiedenen Lehranstalten Deutsch als Fremdsprache, Literatur und Philosophie und war auch schon als Lektor tätig. Er hat verschiedene Bücher über Philosophie verfasst („Wie Philosophen sterben“ (2003), „Nur einer hat mich verstanden – Philosophenanekdoten“ (2006), „Das Leben von Descartes“ (Hrsg. und Übersetzung)) und veröffentlichte wissenschaftliche Aufsätze und Gedichte in verschiedenen Zeitschriften.

|192 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen
Illustrationen von Jan Balaz
ISBN-13: 978-3-9502185-5-8|
http://www.otherworldverlag.com

_Florian Hilleberg_

Salvatore, R. A. / Merlau, Günter / Elias, Oliver – Drizzt – Der gesprungene Kristall (Die Saga vom Dunkelelf 7)

_Inhalt:_

Drizzt hat im Eiswindtal eine neue Heimat und in Bruenor Heldenhammer und dessen Ziehtochter Cattie-Brie gute Freunde gewonnen. Doch da zieht eine neue Bedrohung herauf: Die Barbarenstämme haben sich zusammengeschlossen, um die nahegelegenen Zehnstädte zu unterwerfen. Der Dunkelelf riskiert sein Leben, um die Menschen, die ihn meiden und verabscheuen, zu warnen. Im letzten Moment schließen sich Menschen und Zwerge zusammen, um die Armee der Barbaren zurückzuwerfen.

Währenddessen findet der abtrünnige Zauberlehrling Akar Kessel den „gesprungenen Kristall“, ein Artefakt mit großer magischer Kraft. Dadurch fällt Akar dem Wahnsinn anheim und erhält Kontakt zu einem mächtigen Dämon. Eine unkalkulierbare Gefahr droht den Völkern vom Eiswindtal …

_Meine Meinung:_

Endlich ist die langerwartete Fortsetzung der derzeit anspruchvollsten Fantasy-Hörspielserie erhältlich. |Lausch| hat keine Kosten und Mühen gescheut, die neuen Folgen von |Drizzt| qualitativ an den ersten Zyklus anschließen zu lassen. Scheint Drizzt in Folge sechs endlich seinen Frieden gefunden zu haben, so muss er sich bald eines Besseren belehren lassen.

Und wieder trumpft |Lausch| mit gewaltigen Schlachten auf, die Dank einer exorbitanten Geräuschkulisse die Fantasie des Hörers beflügeln. Untermalt wird das Geschehen von einem donnernden Soundtrack, komponiert von Günter Merlau selbst; eine Musik, wie man sie höchstens in teuren Kinoproduktionen zu hören bekommt. Zu guter Letzt leisten die Sprecher, allen voran Tobias Meister, eine erstklassige Arbeit. Der Schauspieler, der unter anderem Brad Pitt synchronisiert, geht hörbar in seiner Rolle als Dunkelelf auf. Bruenor wird wieder von Uwe Hügle gesprochen, der einen überaus überzeugenden Zwerg abgibt. Als Barbar Wulfgar ist Bernd Hölscher zu hören, und die erwachsene Cattie-Brie wird einfühlsam und natürlich von Annabelle Krieg verkörpert. Drehbuchautor Oliver Elias, der die Vorlage R. A. Salvatores zu einem spannenden Skript umschrieb, hat darüber hinaus gleich eine der Hauptrollen übernommen und spielt den wahnsinnig gewordenen Zauberlehrling Akar Kessel.

Trotzdem der Hörer hier eine klassische Fantasy-Geschichte serviert bekommt, ist die Story ein wenig anders angelegt als die letzten Episoden. Beschäftigten sich die vorangegangenen Folgen mit der Charakterisierung Drizzts und seiner Erkundung der Oberwelt, so geht es hier um die Verteidigung von Heimat, Familie und Freunden. Erwähnenswert ist darüber hinaus, dass dieses Hörspiel mit einem Cliffhanger endet und quasi den ersten Teil eines Zweiteilers bildet.

Die Coverillustration ist nicht ganz so kunstvoll ausgefallen wie die Titelbilder der ersten sechs Hörspiele. Dafür ist das Booklet so pompös ausgestattet wie eh und je. Wunderschöne Illustrationen zieren die Seiten des Inlays, das zudem ein umfangreiches Glossar enthält sowie das Kriegslied der Barbaren, das diese eindrucksvoll im Hörspiel zum Besten geben.

_Fazit:_

„Der gesprungene Kristall“ ist ein gelungener Start der neuen Staffel von |Drizzt|. Ein erstklassig inszeniertes Fantasy-Hörspiel mit klangvoller Musik und Spitzensprechern. Allerdings endet das Vergnügen mit einem offenen Ende und ist somit unmittelbar mit Folge acht verbunden.

_Die Inszenierung:_

|Es spielen und sprechen:|

Tobias Meister, Uwe Hügle, Annabelle Krieg, Gerd Samariter, Ronny Schmidt, Helmut Gentsch, Oliver Elias, Bernd Hölscher, Klaus Dittmann, Peter Woy, Klaus Robra, Jens Pfeifer, Konrad Halver, Roland Floegel, Wolfgang Berger, Günter Merlau, Philipp Otto, Frieder Schölpple, Frederik Bolte, Katinka Springborn, Patrick Holtheuer, Willy Kniep, Thomas Birker, Olaf von der Heydt

Spielbuch: Oliver Elias
Produktion, Regie & Musik: Günter Merlau
Sounddesign & Aufnahmen: Frederik Bolte, Frieder Schölpple, Jens Pfeifer
Layout & Gestaltung: Oliver Graute
Illustration: Tim Seeley, Todd Lockwood, Oliver Graute

|78 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3939600213|
[Verlagsspezial]http://www.merlausch.de/index.php?option=com__content&task=view&id=201&Itemid=1
http://www.merlausch.de

Die ersten beiden Staffeln der Serie auf |Buchwurm.info|:

Folge 1: [„Der dritte Sohn“ 2978
Folge 2: [„Im Reich der Spinne“ 3055
Folge 3: [„Der Wächter im Dunkel“ 3082
Folge 4: [„Im Zeichen des Panthers“ 4458
Folge 5: [„In Acht und Bann“ 4422
Folge 6: [„Der Hüter des Waldes“ 4488

_Florian Hilleberg_

Spillane, Mickey / Collins, Max Allan – Ende der Straße, Das

_Das geschieht:_

Nach dreißig Jahren hat Captain Jack Stang genug vom Polizeidienst. Die Zeiten haben sich geändert und ihn, der sich einen Namen als rabiater „Shooter“ machte und nie daran glauben mochte, dass Gangster auch Menschen sind, definitiv zurückgelassen. Sein altes Revier wird abgerissen, Stang fühlt sich entwurzelt, als Tierarzt Dr. Thomas Price ihn aufsucht und mit einer seltsamen Geschichte zwei Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückwirft.

Einst war Jack Stang unsterblich verliebt in die junge EDV-Spezialistin Bettie Brice. In ihrem Job musste sie eines Tages zufällig auf etwas gestoßen sein, das sie definitiv nicht sehen sollte, denn die Mafia entführte sie. Die Befreiung scheiterte, Bettie schien in dem Fluss ertrunken zu sein, in den der Wagen der Kidnapper während der Verfolgungsjagd stürzte. Doch Prices Vater zog sie flussabwärts aus dem Wasser – ohne Gedächtnis und blind. Aus der Presse erfuhr er von Betties Status als Zielobjekt der Mafia. Er adoptierte die junge Frau, stattete sie mit einem reichen Erbe aus und siedelte sie in Florida und damit weit vom Schuss an. In der Seniorenwohnanlage Sunset Lodge, in der hauptsächlich pensionierte Polizeibeamte leben, führt sie seither ein behütetes Leben.

Nun ist Price senior gestorben. In seinem Testament hat er verfügt, dass Stang an seine Stelle treten und auf Bettie aufpassen soll. Die alte Liebe flackert wieder auf, obwohl Bettie sich an ihren Jack nicht erinnert. Doch auch die Mafia ist immer noch auf der Hut, Betties Todesurteil weiterhin gültig. Stang muss noch einmal aktiv werden, um einem unglaublichen Komplott auf die Schliche zu kommen, das ein ihm wohlbekannter Schurke eingefädelt hat. Der Gegner schläft nicht, aber Jack Stang ist entschlossen, sich sein spätes Glück mit Bettie zu bewahren – um jeden Preis …

_Der Tod ist keineswegs das Ende_

Wenn alte und womöglich erfolgreiche Schriftsteller das Zeitliche segnen, wird der Nachlass intensiv gesiebt. Es geht nicht um versteckte Goldmünzen, sondern um wesentlich Lukrativeres: Wohl jeder Autor hat mindestens eine Schublade, in der er Texte hortet, die er nie fertigstellte oder mit denen er so unzufrieden war, dass sie unveröffentlicht blieben. Hat er sich nicht früh genug von diesen Manuskripten trennen können, muss er sich auf Wolke Sieben tüchtig ärgern, denn solches Material kommt unweigerlich zur Veröffentlichung.

Mickey Spillane starb als sehr alter und vermögender Mann. Allerdings blieb er weder körperlich noch geistig von den Malaisen des Alters verschont. Seine Arbeitsweise hatte sich schon früher gravierend geändert; was er einst nach eigener Auskunft in wenigen Tagen geschrieben bzw. in die Maschine gehackt hatte, schritt nun langsam voran, wurde vielfach überarbeitet und blieb oft doch Stückwerk.

Seit mindestens zehn Jahren arbeitete Spillane an „Dead Street“, und die Idee ist sogar noch älter, wie Max Allan Collins in seinem Nachwort berichtet. Als Spillane im Juli 2006 starb, lagen acht von elf Kapiteln und Notizen für den Schluss vor. Der Schriftsteller hatte Collins gebeten fertigzustellen, was er selbst nicht mehr abschließen konnte. Das betraf übrigens nicht nur „Das Ende der Straße“. In den nächsten Jahren wird Spillane deshalb auf dem Buchmarkt mit ‚Neutiteln‘ präsenter denn je sein.

_Ein Cop ist ein Cop ist ein Cop ist ein …_

„Das Ende der Straße“ ist der erste der ‚postumen‘ Spillane-Romane. Erzählt wird eine ebenso simple wie solide Geschichte: Ein alter Cop stößt auf einen offenen Fall und muss noch einmal alle Register seines Könnens ziehen. Das schließt Spillane-typisch kriminalistische Erfahrung und kurzentschlossene Gewalt gleichrangig ein.

Jack Stang (1923-1996) hieß ein Polizist, mit dem Spillane eng befreundet und der in den 1950er Jahren einer Karriere als Schauspieler nicht abgeneigt war. Der Autor sah im Freund die ideale Verkörperung seiner Bestseller-Figur Mike Hammer, doch Stang kam in Hollywood nicht an. Mit „Das Ende der Straße“ setzte ihm Spillane ein kleines Denkmal. ‚Sein‘ Jack Stang ist ein Relikt aus der Vergangenheit – gerade heraus, wenig diplomatisch, der Rächer stets dicht unter der Oberfläche des Gesetzeshüters. Mit Mike Hammer teilt Stang die Liebe zum alten Automatik-Colt des Kalibers 45; keine raffinierte, sondern eine effektive Waffe, deren brutale Wirkung Spillane mit der ihm eigenen Wortgewalt (Achtung: doppeldeutig!) zu schildern weiß.

Dabei ist „Das Ende der Straße“ kein Roman, der in Brutalitäten schwelgt. Über dem Geschehen hängt stattdessen ein Hauch von Abschied und Resignation. Die Zeiten ändern sich, doch das Neue kann erst kommen, wenn das Alte endgültig abgewickelt ist. In der „toten Straße“, die Jack Stang gen Florida verlässt, treiben sich noch einige Gespenster der Vergangenheit herum. Erst wenn er die vertrieben hat, kann Stang mit Bettie ein neues Leben beginnen.

Zu viel Vergangenheit oder zu viel Drama?

Vielleicht hätte Spillane sogar ein wenig heftiger auf die Tube drücken sollen. Seine Geschichte kommt erst richtig in Fahrt, als die Fetzen zu fliegen beginnen. Bis es so weit ist, irritieren den Leser des 21. Jahrhunderts diverse Anachronismen, die „Das Ende der Straße“ als Produkt einer vergangenen Ära outen.

Der Plot ist höchstens unter dem Prädikat „Trash-Crime“ goutierbar. Das von Spillane entworfene Komplott um Mafiosi und Terroristen ist lächerlich; würde das organisierte Verbrechen so wirr und umständlich arbeiten, hätte es sich ohne Einmischung durch die Polizei oder die Bundesbehörden selbst erledigt. In diesem Punkt ist sich Spillane treu geblieben: Realistisch waren seine Krimis nie. Wenigstens die wütenden bzw. unkontrollierten Attacken gegen Kommunisten, Liberale, Feministen und andere Weicheier erspart Spillane dieses Mal sich und seinen Lesern; sie machen Platz für fast altersmilde Klagen über den kriminellen Wahnsinn des globalen Terrors, die womöglich von Collins eingefügt wurden.

Auch Betties Schicksal ist reiner Pulp, den der Leser nur unter Ausschaltung des Logiksektors verkraftet. Alte Liebe mag nicht rosten, doch sie kommt besser nicht so theatralisch oder sentimental daher wie in diesem Fall. Kein Auftritt vergeht ohne schmalzige Oden an Betties unverwelkte Schönheit, obwohl der Leser definitiv begriffen hat, dass Captain Stang unsterblich verliebt ist.

_Profi am Werk_

Zu den abstrusen gesellen sich erfreulicherweise gelungene Einfälle. Bizarr aber unterhaltsam ist Spillanes Schöpfung einer Rentnerstadt, die hauptsächlich von Ex-Polizisten bevölkert wird. Sie setzen ihren Dienst wie gewohnt fort und sind dabei besser bewaffnet als manche militärische Kampfeinheit. Sunset Lodge wirkt wie eine Karikatur, doch Spillane gestaltete die Siedlung nach einem realen Vorbild, das ihn sehr faszinierte. Fast direkt gegenüber platziert er eine entsprechende Siedlung, die von ‚pensionierten‘ Mafiosi bevölkert ist. Diese Konstruktion stellt man sich in der Realität lieber nicht vor, obwohl es auch dafür Vorbilder gibt.

Wie hätte Spillane das Finale gestaltet? Collins inszeniert es als Verbeugung vor dem Altmeister der offenen Gewalt, der für seine freiherzigen Schilderungen unverhohlener Selbstjustiz garstig kritisiert wurde. Captain Stang lässt die 45er sprechen und schafft das Böse zumindest aus seiner Welt. Ein wenig ungelenk muss Collins den absurden Plot um geraubtes Uran noch einmal aufgreifen; er bleibt klugerweise vage, denn dieser Anachronismus lässt sich nicht damit aus der Welt schaffen, indem der Verfasser Stang eifrig sein Handy benutzen und nach verschollenen Disketten – es sind tatsächlich noch Floppy-Disks … – fahnden lässt.

Obwohl Collins Mickey Spillane direkt neben Raymond Chandler, Dashiell Hammett und Agatha Christie (!) stellt und viele lobende oder besser ehrfürchtige Worte über den verstorbenen Freund und Lehrmeister verliert, ist „Das Ende der Straße“ kein Abschied auf der Höhe eines literarischen Gipfels. Diesen Roman konnte auch Collins nicht in der Gegenwart erden. Er lässt aber anklingen, was Spillane für das Genre in den 1950er und 60er Jahren bedeutet haben muss, und kündet von einer gewissen schriftstellerischen Weiterentwicklung (die Spillane vermutlich entrüstet abgestritten hätte, weil sie seinem raubauzigen Image widersprach). Außerdem ist er lesbar. Wirklich gut ist er nicht. Seinen eigentlichen Zweck wird er jedoch erfüllen und wie alle Spillane-Werke gutes Geld einbringen.

_Der Autor_

Frank Morrison „Mickey“ Spillane, geboren am 9. März 1918 in Brooklyn, New York: ein Selfmademan nach US-Geschmack, aus kleinen Verhältnissen stammend, in 1001 miesen, unterbezahlten Jobs malochend, doch mit dem amerikanischen Traum im Herzen und nach allen Mühen den gerechten Lohn – Geld, Ruhm, Geld, Anerkennung und Geld – einstreichend.

Vorab stand ein Intermezzo im II. Weltkrieg, in dem Spillane angeblich als Fluglehrer und aktiver Kampfflieger tätig war; die Beweislage ist freilich dünn. Eine Beschäftigung als Comic-Zeichner ist dagegen belegt. 1946 ins Zivilleben zurückgekehrt, machte sich Spillane voller Elan an den Durchbruch. Er berücksichtige alles, was gegen den zeitgenössischen Sittenkodex verstieß, und schrieb in neun Tagen „I The Jury“ (1947, dt. „Ich, der Richter“), das erste Abenteuer des raubeinigen Privatdetektivs Mike Hammer, dessen Name Programm war. Der erhoffte Aufruhr war genauso heftig wie der Verkaufserfolg. Spillane ließ seinem Erstling weitere Hammer-Brachialwerke folgen und wurde ein reicher Mann.

Für einige Jahre hielt er sich schriftstellerisch zurück, fuhr Autorennen, arbeitete als Zirkusartist und gründete eine Filmgesellschaft. Hier gönnte er sich den Spaß, Mike Hammer in dem B-Movie „The Girls Hunters“ (1963, dt. „Der Killer wird gekillt“ / „Die Mädchenjäger“) höchstpersönlich zu mimen. In den 1960er und 70er Jahren wurde Spillane wieder aktiver. Mit dem Geheimdienst-Söldner „Tiger Man“ schuf er sogar einen noch grobschlächtigeren Charakter als Mike Hammer. Aber die Kritik verschweigt gern, dass Spillane auch als Jugendbuch-Autor hervortrat. Für „The Day the Sea Rolled Back“ wurde er 1979 gar mit einem „Junior Literary Guild Award“ ausgezeichnet.

1971 hatte Spillane die Hammer-Serie beendet, sie aber 1989 unter dem erhofften Mediendonner wieder aufleben lassen. Natürlich war Hammers große Zeit längst vorüber; Brutalität und Menschenverachtung gehörten inzwischen zum normalen Unterhaltungsgeschäft. Aber der böse Bube erwies sich als zäh, kehrte 1996 in „Black Alley“ (dt. [„Tod mit Zinsen“) 657 noch einmal zurück und überlebte sogar Spillanes Tod am 17. Juli 2006: In „The Goliath Bone“ räumte er 2008 noch einmal kräftig in der Verbrecherwelt auf.

|Originaltitel: Dead Street
Übersetzung von Lisa Kuppler
222 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-86789-049-6|
http://www.rotbuch.de

Sapkowski, Andrzej – Schwert der Vorsehung, Das (Geralt-Saga, Vorgeschichten 2)

_Die Geralt-Saga:_

Vorgeschichte: _1_ [Der letzte Wunsch 3939
Vorgeschichte: _2_ [Das Schwert der Vorsehung 5327

_Roman 1_: [Das Erbe der Elfen 5334
_Roman 2_: [Die Zeit der Verachtung 5751

_Eigentlich_ hätte Geralt von Riva es besser wissen sollen, als sich an einer Drachenjagd zu beteiligen. Dass er dennoch in diesem seltsam zusammengewürfelten Haufen gelandet ist, der bereits vor der Sichtung des Drachen unterschwellig seine diversen Rivalitäten austrägt, liegt schlicht daran, dass seine ehemalige Geliebte Yennefer ebenfalls mit den Drachenjägern unterwegs ist. Aber auch das hätte er besser wissen sollen …

_“Das Schwert der Vorsehung“_ ist eigentlich nicht der zweite, sondern der dritte Band des Hexer-Zyklus. Das hat mich bereits irritiert, als ich [„Der letzte Wunsch“ 3939 las, bis endlich die Information bei mir eintrudelte, dass von den fünf Geschichten des eigentlich ersten Bandes vier ihren Weg in die deutsche Übersetzung des zweiten gefunden haben. Das wirft die Frage auf, ob dafür Geschichten aus dem zweiten Originalband womöglich weggefallen sind; da ich aber des Polnischen nicht mächtig bin, kann ich es leider nicht überprüfen.

Der nach deutscher Bezeichnung zweite Band jedenfalls scheint keine davon zu enthalten. Denn obwohl auch hier einzelne Geschichten erzählt werden, sind diese voneinander längst nicht so unabhängig, wie das in „Der letzte Wunsch“ noch der Fall war. Hier ist für den roten Faden keine übergeordnete Rahmenhandlung mehr nötig, da die Geschichten nicht mehr als Rückblick erzählt werden, sondern als fortlaufende Handlung, wenn auch mit vielen zeitlichen Lücken.

Zentrale Figur ist natürlich immer noch Geralt. Eigentlich sollte die Verwandlung in einen Hexer ihn auch seiner Gefühle beraubt haben. Aber offensichtlich ist da etwas ganz gehörig schiefgegangen, denn abgesehen von seinen Gefühlen für Yennefer, die ihm ein befreiter Flaschengeist angehängt hat und die deshalb nicht zählen, hat Geralt erstaunlich viele Skrupel, wenn es um das Töten von Geschöpfen geht, die allgemein als Monster bezeichnet werden. Auch empfindet er Mitgefühl für Essi, und die Beziehung zu seiner Mutter, falls man denn überhaupt von einer solchen sprechen kann, scheint ebenfalls nicht frei von gefühlsmäßigen Komplikationen.

Yennefer, die Zauberin, ist schön, stolz und mächtig, hat aber ein paar Ansichten, die mich bestenfalls den Kopf schütteln ließen. Mir ist sie nicht sonderlich sympathisch; der Himmel weiß, was Geralt an ihr findet, Essi ist wesentlich liebenswerter. Immerhin aber scheint selbst Yennefer zumindest manchmal so etwas wie ein Gewissen zu besitzen, und ihr Schmerz angesichts der Tatsache, dass sie keine Kinder haben kann, erhält auch sie bis zu einem gewissen Grad menschlich.

Außerdem ist der Barde Rittersporn wieder mit von der Partie, mit seinem losen Mundwerk, seinen zahllosen Liebschaften und seinem ewigen Geldmangel. Der etwas aufgeplusterte und leichtfertige Bursche ist zu einem großen Teil für den Schmunzeleffekt zuständig und für die diversen augenzwinkernden Seitenhiebe gegen die Welt der Märchen.

Im Vergleich zum Vorgängerband hat sich in der Charakterzeichnung also einiges getan, obwohl man sie noch nicht als wirklich tiefschürfend bezeichnen kann. Noch begnügt sich der Autor zu sehr mit Andeutungen und hält Geralts Vergangenheit größtenteils bedeckt. Andererseits könnte sich das mit dem Auftreten der kleinen Prinzessin, die bisher nur eine Nebenrolle spielte, spürbar ändern.

Ausgesprochen förderlich für die Vertiefung der Charaktere waren vor allem zwei der sechs Geschichten: die zweite und die vierte des Bandes. Hier nehmen die zwischenmenschlichen Beziehungen deutlich mehr Raum ein als bisher üblich. Tatsächlich thematisiert die zweite nahezu ausschließlich die Beziehung zwischen Geralt und Yennefer und verzichtet dafür sogar auf Action. Die vierte erzählt von Geralt und Essi, allerdings eingebettet in weitere Ereignisse. Beiden Geschichten ist eine eher melancholische Grundstimmung zu eigen, allerdings ohne dramatisch oder schwülstig zu werden. Sapkowski ist schlicht geblieben und hat so verhindert, dass sich die beiden Erzählungen mit dem Grundtenor der restlichen beißen.

Dazwischen findet sich die Geschichte vom Doppler, einem Wesen, das sein Gegenüber nahezu vollständig kopieren kann, bis hin zu dessen Art zu denken und zu handeln. Ein solcher Doppler hat beschlossen, die Identität des Kaufmanns Biberveldt anzunehmen, weil ihm das Leben außerhalb der Stadt zu kalt und ungemütlich ist. Eine ganze Reihe von turbulenten Verwicklungen und verrückten Situationen folgt, ehe es gelingt, die Sache wieder einzurenken, und der Leser hat einen Heidenspaß dabei.

Eine recht bunte Mischung also, die sich ziemlich von den doch etwas actionlastigen Abenteuern aus dem ersten Band unterscheidet. Das gilt sogar für die Geschichte über die Drachenjagd, die zwar durchaus Action nach gewohnter Manier bietet, sich aber unter anderem dadurch abgrenzt, dass Geralt in einer so großen Gruppe reist und letztlich selber kaum aktiv wird. Das Hauen und Stechen besorgen hier vorwiegend andere …

Die letzten beiden Erzählungen nehmen noch zusätzlich eine Sonderstellung ein. Denn hier wird deutlich die Vorbereitung auf Sapkowskis „Erbe der Elfen“ spürbar: Geralt begegnet Ciri, der Prinzessin, die seine Vorherbestimmung ist, der er nicht entkommen kann, obwohl er es bereits mehrfach versucht hat. Zwar sind diese beiden, vor allem die letzte, etwas schwierig zu lesen, denn die Rückblenden oder Fieberträume, die hier vorkommen, sind nur durch einen Absatz gekennzeichnet, mehr aber auch nicht. Gelegentlich kam es zu Verwirrungen und ich war mir nicht mehr sicher, ob Geralt nun gerade im Hier und Jetzt ist oder in einem seiner Träume. Das hat der Thematik aber keinen Abbruch getan.

_Zusammenfassend_ kann ich sagen, dass mir der zweite Band des Hexer-Zyklus besser gefallen hat als der erste. Das Spektrum der Geschichten ist breiter gefächert, der innere Zusammenhang ist deutlicher spürbar. Und obwohl es mich nicht wirklich gestört hat, dass beide Bücher vorwiegend aus Kurzgeschichten bestanden, begrüße ich doch die Tatsache, dass das nachfolgende „Erbe der Elfen“ als Roman geschrieben wurde. Es erleichtert die Darstellung größerer Zusammenhänge und erlaubt mehr Komplexität. Immerhin hat Sapkowski bereits mehrere Wesen vorgestellt, die mehr waren als nur bloße menschenfressende Ungeheuer, darunter die Dryaden und die Meermenschen. Und längst zeigt die Erzählung mehr als nur Geralts Berufsausübung und die damit verbundenen Kämpfe. Dem darf ruhig auch formell Rechnung getragen werden.

_Andrzej Sapkowski_ ist Literaturkritiker sowie Schriftsteller und nebenbei Polens bekanntester Fantasy-Autor. Der Hexer-Zyklus diente bereits als Grundlage für einen Kinofilm und eine Fernsehserie sowie für das polnische Rollenspiel „Wiedzmin“. Auch das Computerspiel „The Witcher“ stammt von Sapkowski, ebenso die Narrenturm-Trilogie um die Abenteuer des jungen Medicus Reinmar von Bielau. „Das Erbe der Elfen“, der erste Band des Romanzyklus über Geralt von Riva, erscheint Anfang November 2008.

|464 Seiten, kartoniert
Zweiter Band der Geralt-Saga
Aus dem Polnischen von Erik Simon
ISBN-13: 978-3-423-21069-0|
http://www.der-hexer.de
http://hexer.wikia.com
http://www.dtv.de
http://www.sapkowski.pl
http://www.thewitcher.com

_Mehr von Andrzej Sapkowski auf |Buchwurm.info|:_

[„Narrenturm“ 1884
[„Gottesstreiter“ 3367
[„Lux perpetua“ 4568

Hendee, Barb & J. C. – Dhampir 2: Seelendieb

Band 1: [Halbblut 4873
Band 2: Seelendieb

Nachdem Magiere, der Halbelf Leesil und ihr Elfenhund Chap das kleine Städtchen Miiska vor einer Horde Vampire retten konnten und Magiere dadurch erfahren hat, dass sie eine Dhampir ist, eine Vampirjägerin, will sie nur noch eines: ihre Taverne in Miiska wiederaufbauen und in Ruhe gelassen werden. Doch diese Ruhe währt nicht lange, denn auch in der Hauptstadt Bela kommt es zu mysteriösen Morden und die Tochter des Ratsherrn wird übel zugerichtet aufgefunden. Nachdem sich Magieres Gabe und ihre Taten in Miiska weit herumgesprochen haben und auch die Stadt Bela von der Existenz einer Vampirjägerin erfahren hat, bittet diese Magiere um Hilfe.

Obwohl Magiere sich vorerst weigert, ihr ruhiges Leben in Miiska erneut aufzugeben, weiß sie doch, dass ihr keine andere Wahl bleibt. Die Stadt Miiska besitzt nach dem Brand im Lagerhaus kaum noch Geld, und auch Magiere hat nicht genug davon, um die Steuern, welche die Stadt von ihr in ihrer Not verlangt, zu bezahlen. Deshalb bleibt ihr und ihren Gefährten nichts anderes übrig, als den Auftrag anzunehmen und der Hauptstadt zu Hilfe zu eilen … ohne zu wissen, dass sie dort ein alter Bekannter erwartet.

_Eindrücke:_

Für Unwissende: „Dhampire“ sind, ähnlich wie Vampire, Geschöpfe, welche in den früheren Volkssagen auftauchten und denen man die Fähigkeit nachsagt, Vampire auch dann sehen zu können, wenn sie unsichtbar sind. Sie sind eine Mischung aus Mensch und Vampir und dazu geboren, Vampire mit Hilfe ihrer Fähigkeiten zu jagen und zu töten. Die Legende der Dhampire stammt allerdings nicht aus Barb und J. C. Hendees Feder, da Dhampire schon in einigen alten Sagen und Geschichten vorkommen. Nur sind sie eben heute lange nicht mehr so bekannt wie richtige Vampire.

Der zweite Teil der „Dhampir“-Reihe schließt beinahe nahtlos an seinen Vorgänger an. Alles beginnt im Prolog, wo der Leser Zeuge davon wird, wie die Ratstochter aus Bela umgebracht wird. Kurz darauf befinden wir uns aber schon wieder in Miiska, während des Wiederaufbaus von Magieres und Leesils Taverne, dem „Seelöwen“. Der Wiederaufbau geht rasch vonstatten und es scheint im ersten Moment, als hätten Magiere, Leesil und Chap endlich ihre Ruhe und können ihr restliches Leben in Miiska verbringen. Doch schon bald kommt es zu mysteriösen Morden in der Hauptstadt Bela, und erneut sind Magieres Fähigkeiten als Vampirjägerin gefragt.

Gleichzeitig lernen wir die Vampire kennen, welche von Magiere und Leesil gejagt werden: Toret, Chane und Saphir – wie schon im ersten Teil ein Dreiergespann, und alle drei leben zusammen in einem großen, zweistöckigen Haus in der Stadt. Toret alias Rattenjunge ist der Herr von Saphir und Chane; und während Saphir mit ihrem Schicksal zufrieden ist, versucht Chane, der in seinem früheren Leben ein Adliger war, seinem Herrn zu entfliehen. In der Hoffnung, so auf sich aufmerksam zu machen, beginnt er, in Bela Adlige zu morden und diese schlimm zugerichtet liegen zu lassen.

Auch wenn die Geschichte im zweiten Teil ähnlich ist wie im ersten, unterscheiden sich die Bücher in einer Sache: Der erste Teil der Reihe, „Halbblut“, ist ein reiner, fantastischer Abenteuerroman. „Seelendieb“ dagegen hat zwar auch noch etwas von einem Abenteuerroman, allerdings erinnert er größtenteils an einen Krimi. Magiere, Leesil und Chap sind die meiste Zeit dabei, Nachforschungen wegen der Morde anzustellen und herauszufinden, wer der Mörder ist. Die richtigen Abenteuer, so wie ich es noch vom ersten Teil gewohnt war, halten sich dabei eher in Grenzen.

Die Charaktere, die in „Dhampir 2: Seelendieb“ zur Geschichte hinzukommen, sind dabei Saphir und Chane. Saphir ist eine blonde Frau, die von Toret zur Vampirin gemacht wurde. Ihren Namen hat sie von ihrer Augenfarbe. Sie wird in der Geschichte sehr hochnäsig und dumm dargestellt, ebenso wie Toret – Hauptsache, der Leser findet die Bösen nicht sympathisch. Eine kleine Ausnahme dabei bildet allerdings Chane. Er verachtet Toret und Saphir und wird von beiden letztendlich nur ausgenutzt. Obwohl vor allem Chane auf schlimme Weise mordet, erscheint er den Lesern wesentlich sympathischer als seine zwei Gefährten.

Magiere und Leesil verändern sich im zweiten Teil der Reihe eigentlich kaum. Magiere bleibt die Unnahbare und Leesil der Spaßvogel. Dennoch lernen wir nun auch eine andere Seite Leesils kennen. Nachdem im ersten Teil ein großes Geheimnis aus Leesils Herkunft gemacht wurde, erfahren wir nun mehr über seine Vergangenheit und darüber, wieso er nur ungern darüber spricht.
Die größte Veränderung geht allerdings in der Freundschaft zwischen Leesil und Magiere vor sich. Während die beiden im ersten Teil noch gute Freunde waren, entwickelt sich deren Freundschaft zueinander immer mehr in Richtung Liebe. Das merkt man vor allem bei Leesil, der schon am Anfang des zweiten Teils den Leser merken lässt, dass er mittlerweile mehr für Magiere empfindet. Was Magiere angeht, da sieht man diese Veränderung zwar auch, allerdings nicht ganz so offensichtlich. Seitdem sie von Leesils Blut getrunken hat, macht sie sich immer mehr Sorgen um ihn und hat Angst, dass sie ihn eines Tages mit ihrer Gabe umbringen könnte.

Die Geschichte ist, wie schon bei „Dhampir 1: Halbblut“, wieder einmal voller Kampfszenen. Diese haben mir schon im ersten Teil der Reihe nicht gefallen, und im zweiten Teil hat sich das leider auch nicht gebessert. Sie treten einfach ein wenig zu häufig auf für meinen Geschmack. Diese Szenen werden von Barb und J. C. Hendee sehr ausführlich erzählt, was teilweise nicht nur dazu führt, dass die einzelnen Handlungen im Kampf gar nicht richtig nachvollziehbar sind, sondern vor allem dafür sorgt, dass die Spannung im Buch nachlässt.

Der Schreibstil von Barb und J. C. Hendee ist im Großen und Ganzen in Ordnung. Bis auf die ausführlichen Kampfszenen wird die Geschichte spannend aus den verschiedenen Sichten der Charaktere erzählt. Das Einzige, was ab und zu stört, sind Wiederholungen in der Formulierung. Vor allem Sätze wie „Magiere trug ihr Falchion an der Hüfte“ erscheinen in diesem Buch etwas öfter als notwendig.

Das Buch ist so in sich abgeschlossen, dass man gut nach dem zweiten Teil aufhören kann, die Reihe weiter zu verfolgen. Aber trotzdem gibt es noch einige offene Fragen, die genügend Stoff für einen dritten Teil bereithalten.

_Fazit:_ „Dhampir 2: Seelendieb“ bietet gute Unterhaltung für zwischendurch – nicht mehr und nicht weniger. Teilweise ähnelt es sehr seinem Vorgänger und hat auch durchaus seine Macken. Dennoch macht man nichts falsch, wenn man einmal einen Blick riskiert.

_Die Autoren:_ Barb und J. C. Hendee leben zusammen in Colorade, in der Nähe der Rockey Mountains. Beide sind hauptberuflich Englisch-Lehrer in Denver.

|Originaltitel: Thief of Lives
Ins Deutsche übertragen von Andreas Brandhorst
413 Seiten, Paperback
ISBN-13: 978-3-8025-8156-4|
http://www.egmont-lyx.com
http://www.nobledead.com

Albrodt, Erik – Fluch der Unsterblichkeit (Twilight Mysteries, Folge 1)

_Inhalt:_

Doktor Morten Zephyre und seine Assistenten Nina und Dave sind auf dem Weg zu einem wichtigen Termin, als ihnen ein Mann vor das Auto läuft. Noch während Zephyre den Toten reanimiert, fällt ein Schuss und ein Schaulustiger stürzt tot zu Boden. Kurz darauf erwacht der Angefahrene aus seinem todesähnlichen Zustand.

Was zunächst wie ein klarer Fall aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als äußerst mysteriös, denn der Ermordete schrie auf, bevor der Schuss ertönte und sein Kopf explodierte, bevor ihn das Projektil traf, was ein Filmmitschnitt eindeutig belegt. Von der Polizei erhalten Doktor Zephyre und seine Freunde die Adresse des angefahrenen Mannes namens Jason Sanders. Der Besuch verläuft unspektakulär, doch beim Verlassen des Geländes sehen sie den Mann, der bei dem Unfall des Schuss abgegeben hat. Dave überwältigt ihn und der Mann, Mark Richards, berichtet den drei Gefährten von einer übernatürlichen Kreatur und dem „Fluch der Unsterblichkeit“ …

_Meine Meinung:_

Die Serie |Twilight Mysteries| des neuen Labels |Daydream-Factory| wird von Erik Albrodt geschrieben. Der Autor ist bekannt als Verfasser und Produzent der Hörspielserie |Generation 6| und hat auch den Titel „Killing Beauties“ verwirklicht; beide Projekte sind in der |Hörfabrik| erschienen. Nun ist sein erstes Hörspiel im eigenen Label herausgekommen. Mit „Fluch der Unsterblichkeit“ präsentiert Albrodt eine fast schon klassische Horror-Geschichte, in deren Mittelpunkt eine Art Geisterjäger steht, der mit seinen beiden Assistenten übernatürliche Vorfälle klärt.

Im Stil der Fernsehserien „Akte X“ und „Twilight Mysteries“ werden die Protagonisten mit einem unheimlichen Energie-Vampir konfrontiert. Der Plot wurde nicht neu erfunden, aber spannend und humorvoll inszeniert. Insbesondere Dave und Nina sorgen für einige auflockernde Sprüche, die zuweilen ein wenig über das Ziel hinausschießen und eher albern wirken. Zudem wurde gerade während der Szene, in der das Bildmaterial gesichtet wird, viel Wert auf eine schonungslos brutale Darstellung des Mordes gelegt, was nicht jedermanns Geschmack treffen dürfte. Außerdem kann die Folge nicht als typischer Erstling betrachtet werden, denn die Hauptfiguren werden nur oberflächlich vorgestellt und laut einiger Andeutungen scheinen sie auch nicht zum ersten Mal mit übersinnlichen Phänomenen konfrontiert zu werden.

Doktor Zephyre wird kühl und besonnen von Thomas Nero-Wolff gesprochen, der in der Serie |Faith| den Mentor der Titelheldin mimt. Seine junge, hübsche und ausgeflippte Gehilfin Nina spricht Kellina Klein, die sehr lebendig wirkt und vor allem zum Ende hin, als Nina dem Alkohol ausgiebig zuspricht, eine grandiose Darbietung liefert. Dave Edwards, glaubhaft dargestellt von Kim Hasper, ist der leicht naive Pausenclown des Trios. Doch auch die anderen Sprecher wurden sehr sorgfältig ausgewählt. Das Intro spricht Klaus Sonnenschein, als Richards ist David Nathan zu hören, während Jason Sanders kongenial von Tobias „Richard Diamond“ Kluckert vertont wird. Die Musik passt zur Story, hält sich aber sonst dezent im Hintergrund.

Beim aufmerksamen Studieren des Booklets zeigt sich, dass dieses Hörspiel ein Zusammentreffen der Independent-Hörspielproduzenten ist. Thomas Birker von |Dreamland| ist der Co-Produzent, Wolfgang Strauss und Simeon Hrissomallis von der |R&B Company| haben ebenfalls tatkräftig mitgeholfen und sind darüber hinaus auch in kleinen Nebenrollen zu hören, ebenso wie Horst Kurth von der |Hörfabrik|.

Die Trackeinteilung ist sehr benutzerfreundlich, und zu guter Letzt gibt es auch einen interessanten Ausblick auf die zweite Episode. Das plakative Layout stammt von Thomas Rippert und dürfte seinen Zweck, im Hörspielregal aufzufallen, erfüllen. Allerdings ist die Illustration sehr trashig, nichtssagend und wenig ansprechend. Das Booklet selbst bietet nur wenig Informationen zur Serie.

_Fazit:_

„Fluch der Unsterblichkeit“ ist ein beeindruckendes Debüt des neuen Labels |Daydream-Factory|. Professionelle Sprecher und eine sorgfältige Abmischung trösten über einige Klischees und Albernheiten in der Handlung hinweg.

|Die Sprecher und ihre Rollen:|

Klaus Sonnenschein: Intro
Thomas Nero-Wolff: Morten Zephyre
Kim Hasper: Dave Edwards
Kellina Klein: Nina Salenger
Bert Stevens: Inspektor Morris
Tobias Kluckert: Jason Sanders
David Nathan: Mark Richards
Birgit Bockmann: Norma Richards
Wolfgang Strauss: Moderator 1
Bodo Venten: Moderator 2
Simeon Hrissomalis: Schreiender Mann
Horst Kurth: Autofahrer

|54 Minuten auf 1 CD
Titelillustration von www.photocase.com
Titelgestaltung von Thomas Rippert
ISBN-13: 978-3939066125|
http://www.daydream-factory.de/
http://www.ts-dreamland.de/

_Florian Hilleberg_

Nagula, M. / Anton, U. / Ellmer, A. / Effenberger, S. A. / Hagitte, Chr. / Bertling, S. / Sieper, M. – Operation Kristallsturm (Perry Rhodan – Sternenozean, Folge 19)

_Mondra, unsere Agentin im Weltraum_

|Lübbe Audio| vertont die Abenteuer des Kadetten Kantiran und des Sternenadminstrators Perry Rhodan, die in der Unterserie „Sternenozean“ im Perry-Rhodan-Universum spielen. Bislang sind achtzehn Hörspiele veröffentlicht, doch will Lübbe offenbar vierzig Hörspiele produzieren. Dies ist die dritte Staffel.

Folge 19: Unbekannte Mächte zapfen die sechsdimensionale Energie der toten Superintelligenz ARCHETIM in der Sonne an. Als im Rahmen der „Operation Kristallturm“ ein Forschungsschiff zur Aufklärung dieser Vorkommnisse startet, entdeckt TLD-Agentin Mondra Diamond einen gefährlichen Saboteur an Bord …

_Die Reihe_

„Perry Rhodan“ ist die größte SF-Heftchen- und Roman-Reihe der Welt. Eine Vielzahl von Autoren schreiben seit Jahrzehnten für die Reihe, und koordiniert wird dieser Aufwand vom |Pabel|-Verlag in Rastatt. Auch Andreas Eschbach fühlte sich geehrt, einen oder zwei Bände beitragen zu dürfen.

Es gab vor der aktuellen |Lübbe-Audio|-Reihe schon Vertonungen der PR-Silberbände, doch nicht in der stilvollen Inszenierung des |STIL|-Tonstudios. Die Vorlage für das vorliegende Abenteuerhörspiel lieferten die Romane „Die Gotteskriegerin“ von Michael Nagula, „Zwischen den Äonen“ von Uwe Anton und „Operation Kristallsturm“ von Arndt Ellmer.

Die 1. Staffel:

1) [Der Sternenbastard 3030
2) [Die Mascantin 3031
3) [Der Hyperschock 3035
4) [Planet der Mythen 3058
5) [Havarie auf Hayok 3263
6) [Das Blut der Veronis 4468

Die 2. Staffel:

7) [Der Gesang der Motana 3627
8) [Sonderkommando Kantiran 3639
9) [Tau Carama 3656
10) [Überfahrt nach Curhafe 3664
11) [Entscheidung in Vhalaum 3682
12) [Die Femesängerin 3699

Die 3. Staffel:

13) [Der Flug der Epha-Motana 4589
14) [Terraner als Faustpfand 4592
15) [Die Sekte erwacht 4595
16) [Der Todbringer 4609
17) [Kampf um den Speicher 4633
18) [Die mediale Schildwache 4661

Die 4. Staffel:

19) Operation Kristallsturm
20) Das Land unter dem Teich
21) Attentat auf Hayok
22) Kybb-Jäger
23) Auf dem Weg nach Magellan
24) Jenseits der Hoffnung

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Erzähler: Christian Schult (Richard Belzer in „Law & Order: New York“)
Perry Rhodan: Volker Lechtenbrink (Schauspieler, Sänger, Synchronsprecher: Kris Kristofferson, Burt Reynolds als ‚Logan‘)
Atlan: Volker Brandt (Stimme von Michael Douglas)
Mondra Diamond: Heide Domanowski (Bitty Schram in „Monk“ & „Thief“)
Julian Tifflor: Friedhelm Ptok
Homer G. Adams: Hasso Zorn
Myles Kantor: Klaus-Peter Grap
Reginal Bull: Lutz Riedel (dt. Stimme von Timothy Dalton)
Marla Sarasi: Sabine Arnhold
Malcolm Scott Daelian: Romanus Fuhrmann
Biopositronik: Thomas Nicolai
Schiffsführer: Bodo Wolf
Sowie Thorsten Van Der Aik, Rudolf Hartmann und Klaus Herbert.

Volker Lechtenbrink wurde 1944 in Cranz/Ostpreußen geboren. Bereits als Achtjähriger sprach er im Kinderfunk und stand zwei Jahre später auch schon auf der Bühne. 1959 wurde er durch den Antikriegsfilm „Die Brücke“ (Regie: Bernhard Wicki) bundesweit bekannt. Er besuchte die Schauspielschule in Hamburg und ist heute in zahlreichen TV-Serien zu sehen. Darüber hinaus ist er am Theater tätig, geht auf Tourneen oder wirkt als Intendant. (Verlagsinfo)

Die Hörspieladaption stammt von S. A. Effenberger. Regie, Musik, Ton und Programmierung lagen in den Händen von Christian Hagitte und Simon Bertling vom Ton-Studio |STIL|. „Die Musik wurde exklusiv für die Perry-Rhodan-Hörspiele komponiert und vom Berliner Filmorchester unter der Leitung von Christian Hagitte live eingespielt. Die elektronischen Klänge und Effekte wurden speziell für die Hörspiele vom |STIL|-Team durch den Einsatz von Computertechnik generiert“, heißt es im Booklet. Executive Producer der Reihe ist Marc Sieper.

Am Schluss erklingt der Song „Post #1“ von |Radiopilot|. Musik und Text stammen von Lukas Pizon und Rafael Triebel. Mehr Info: www.radiopilot.de und MySpace.

_Vorgeschichte_

Die Lage des Jahres 1332 Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist in der Galaxis so bedrohlich und zugleich offen wie seit Jahren nicht mehr. Und alles bewegt sich auf eine einzige Veränderung hin: die Erhöhung des Hyperphysikalischen Widerstandes, kurz Hyperimpedanz genannt. Dieser „Hyperimpedanzschock“ trifft die Galaxis mehrfach. Durch ihn fällt jede hochwertige Technologie aus. Dies kündigt sich durch eine stark verminderte Höchstgeschwindigkeit der Raumschiffe und eine reduzierte Reichweite des interstellaren Hyperfunks an. Auch das Gesicht der Galaxis verändert sich. Durch die Hyperimpedanz ausgelöst, kommt es zu schweren Hyperstürmen und Raumbeben. Bisher unter Hyperkokons verborgene Sternenhaufen stürzen in die Galaxis zurück.

In dieser Zeit sind Perry und Atlan noch immer im Sternenozean von Jamondi verschollen, jenem optisch nicht wahrnehmbaren Sternhaufen, der direkt neben dem Sektor Hayok aufgetaucht ist – aus einem Hyperkokon, in den er offenbar seit Jahrmillionen gehüllt war. Es gibt Verbindungen zwischen der Galaxis und Jamondi, die sich den Menschen bisher noch nicht erschließen. Fieberhaft arbeiten terranische Wissenschaftler an Erklärungen für die angestiegene Hyperimpedanz.

|Unterdessen auf Terra|

Zeitgleich hat sich unverhofft auf Terra eine neue Religion herausgebildet: der Endzeitkult um den Gott Gon-Orbhon, der immer mehr Menschen erfasst. Der Kult redet den Untergang herbei und predigt Hass auf die Maschinen. Fast täglich verüben Sektenanhänger Selbstmordanschläge auf terranische Einrichtungen und gefährden so die öffentliche Sicherheit Terras. Mondra Diamond, Sonderauftragte der Regierung, ermittelt gegen die Sekte und ihre Anführer. In einer spektakulären Aktion kann sie das Attentat gegen den Wirtschaftsminister Terras, Homer G. Adams, vereiteln. (Folge 15).

Am Brennpunkt Hayok ist dank des Riesenraumschiffs |Praetoria| zumindest für kurze Zeit Ruhe eingekehrt. Nach der Einnahme des Sternenarchipels unter Führung der Liga-Ministers für Verteidigung Reginald Bull kann nun endlich mit der Wiederherstellung des interstellaren Hyperfunks und der Vorbereitung der „Operation Kristallsturm“ begonnen werden …

_Handlung_

Aus dem Sternenozean kommt die Meldung, dass ein Planet aus dem Hyperraum in den Normalraum gestürzt sei, aber ohne Sonne. Die Erkaltung des Planeten ist absehbar und damit der Tod seiner möglichen Bewohner. Tifflor und Adams entsenden Reginald Bull zur Erkundung. Dieser berichtet, es handle sich um den Planeten Ash-Irtumo, der von Humanoiden namens Motana bewohnt sei.

Es fänden sich auch Spuren einer igelartigen Rasse, die von den Motana als Kybb-Cranar bezeichnet werden. Bull fordert ein Dutzend Atomsonnen an, um den Planeten zu wärmen, was ihm bewilligt wird. Wie sich bei der Erforschung der Motana herausstellt, waren Perry Rhodan und Atlan, zwei hochgestellte Persönlichkeiten der Terranischen Föderation, hier. Sie haben sie knapp verpasst.

Unterdessen stellt Myles Kantor auf dem Merkur mit Hilfe der Forschungsstation |Volkan Center| etwas Beunruhigendes fest: Von der toten Superintelligenz Archetim in der Sonne führt ein Energiestrahl direkt zur Großen Magellanschen Wolke. TLD-Agentin Mondra Diamond bekommt Kantors Top-Secret-Bericht zu lesen. Was mag das zu bedeuten haben? Wenn eine fremde Macht die Energie der Superintelligenz anzapft, dann wohl, um ihre eigene Intelligenzmacht zu vergrößern. Und wenn es sich um Gon-Orgon, den Gott des gleichnamigen Kultes handelt und er ins Solsystem käme, könnte er hier die mentale Kontrolle übernehmen. Grauenhaft!

Zwei Maßnahmen werden veranlasst. Erstens soll die Operation Kristallsturm zur Großen Magellanschen Wolke fliegen und Gon-Orgon aufspüren. Zweitens soll ein Experiment zeigen, ob sich die Energie der Superintelligenz speichern lässt. Dazu fliegt Mondra mit einem Kugelraumer zur Sonne jenseits der Merkurbahn. Ihr zur Seite stehen das Container-Gehirn Malcolm Scott Daelian sowie eine Biopositronik an Bord ihres Schiffes. Wenn die Sekte Gon-Orgons die Operation Kristallsturm sabotieren will, dann schlägt sie wahrscheinlich jetzt zu.

Tatsächlich stößt Mondra, während sich das Speichern der Solarenergie dem Ende nähert, auf einen Attentäter, der Sprengladungen an den Energiemeilern des Schiffes befestigt. Doch auch er hat sie entdeckt und feuert als Erster …

_Mein Eindruck_

Die neue Staffel versucht, an die bisherigen Staffeln anzuknüpfen. Deshalb sind erst einmal Zurückverweise zu finden, doch währen diese zum Glück nicht allzu lange. Vielmehr passieren gleich ein paar neue Ereignisse, die Maßnahmen erfordern. Das Erscheinen Ash-Irtumos im Normalraum führt die Terraner auf die Fährte Perry Rhodans. Blöd, dass sie ihn knapp verpasst haben. Was nun diese Rückkehr in den Normalraum verursacht haben könnte, erfahren wir allerdings nicht.

Wichtiger ist jedoch die Entdeckung des „sechsdimensionalen Energiestroms“ (klar, dass wir den Strom nicht wahrnehmen können, wenn unsere jämmerliche Realität nur vier Dimensionen aufweist), der von einer feindlichen Macht in der nächsten Galaxie – die ja bloß läppische 179.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist – angezapft wird. Recht ungemütlich wäre die Vorstellung der Orgonisten, dass es sich bei dieser Macht tatsächlich um einen Gott handelt, der gerade seine geistigen Batterien auflädt. Ein kleiner Hausbesuch auf der Erde wäre dann sicherlich nicht willkommen.

Wozu die Terraner nun unbedingt die Energie der Superintelligenz in der Sonne anzapfen und speichern wollen, habe ich nicht begriffen. Wahrscheinlich habe ich da nicht aufgepasst, war krankgeschrieben oder musste gerade niesen. Wie auch immer: Endlich kommt James-Bond-Ersatz Mondra Diamond wieder zum Einsatz. Dass sie ihren so niedlich trompetenden Klonelefanten Norman dabei hat (als blinder Passagier hat er sich an Bord geschlichen, der Schlaumeier!), darf uns nicht zu der Vorstellung veranlassen, sie sei auf den Trost von Kuscheltieren angewiesen.

O nein, unsere Frau im Weltraum ist eine taffe Agentin, die mit der Knarre in der Hand die Menschheit zu verteidigen weiß. Ins Schwitzen kommt sie lediglich, wenn sich Attentäter als widerspenstig erweisen und das Raumschiff, auf dem sie sich gerade befindet, wegen Überlastung auseinanderbricht. Danach sind dringend eine Dusche und ein Drei-Wetter-Haarfestiger nötig. Frau muss auch in der härtesten Zeit gut aussehen. Fragt sich bloß, für wen, Mondra, für wen?

_Die Inszenierung_

Im Rahmen einer guten Radiostunde erlebt der Hörer hier ein mal mehr, mal weniger actiongeladenes Drama, das es in puncto Produktionsqualität mit einer Star-Wars-Episode aufnehmen kann. Die SF-Handlung versucht, für flotte Unterhaltung zu sorgen. Diesmal ist dies allerdings erst im letzten Drittel der Fall, denn die ersten zwei Drittel gehen für den Aufbau der Konfliktsituation und die Vorbereitung der Handlungsansätze drauf. Deshalb tat ich mich mit dieser Episode etwas schwer und fand sie wenig unterhaltend.

Ein Erzähler wie Christian Schult hat eine recht hohe Autorität und wir glauben ihm seine Geschichte nur allzu gern, wenn er von Mondra, Gon-Orgon und irgendwelchen „Superintelligenzen“ erzählt. Offensichtlich sollte man sich einmal näher mit dem PR-Universum beschäftigt haben, um die ungewöhnlicheren Wesen und Gegebenheiten (s. o.) verständlich zu finden.

|Musik|

Mit einer schmissigen Titelmelodie und raunenden Stimmen, die Schicksalhaftes verkünden, fängt die Sternenoper an. Insgesamt verrät die Musik ebenso wie die Geräuschkulisse eine ganze Menge Aufwand für eine simple Sternenoper, aber es lohnt sich: Das Hörspiel klingt höchst professionell produziert. Ich könnte Gegenbeispiele nennen, in denen die Musikbegleitung in die Hose ging, aber sie stammen alle nicht vom Studio |STIL|.

|Geräusche|

Die größte akustische Leinwand bemalen die tausend elektronisch erzeugten Sounds, die der ganzen Handlung erst das kosmische Science-Fiction-Feeling verleihen. Ohne sie könnte es sich ebenso gut um Fantasy auf einem fernen Planeten handeln, wie sie z. B. Jack Vance fabriziert hätte. Diese Sounds kommen besonders in der Schießerei an Bord der |Rainbow-1| zum Tragen, wo Mondra den Saboteur stellt. Hier könnte ich mir sehr gut einige charakteristische Sound-Samples aus |Star Trek| oder |Star Wars| vorstellen, doch diese Vorgaben vermeiden die Sounddesigner mit peinlicher Genauigkeit. Sie hätten ja sonst womöglich Lizenzgebühren zahlen müssen.

Richtig nett ist der Trompetensound des Klon-Elefanten Norman, der sicherlich zu den witzigsten Einfällen der Sounddesigner gehört. Den muss man aber selbst gehört haben, denn er ist schwer zu beschreiben.

|Song|

Am Schluss erklingt der Song „Post #1“ der deutschen Band |Radiopilot|. Mit dreieinhalb Minuten Länge ist er von durchschnittlicher Popsonglänge. Nach den obligaten Perry-Rhodan-Zitaten hören wir einen elektronisch verzerrten deutschen Text von erstaunlicher Banalität. Er ist mit einem Drum-&-Bass-Rhythmus unterlegt, der wie ein stockender Herzschrittmacher klingt, welcher gerade den Geist aufgibt. Ich kann nicht behaupten, dass ich diesen Song sonderlich eindrucksvoll fand. Aber wahrscheinlich soll das Ganze unheimlich innovativ wirken.

|Das Booklet …|

… umfasst neben den oben genannten Credits auch jede Menge Werbung für die vorhergehenden Episoden der Serie. Außerdem findet sich in der CD-Box ein Einleger mit Werbung für die Band |Radiopilot|. Offenbar findet hier eine Art Reklameaktion auf Gegenseitigkeit statt. Das interessiert mich aber nicht die Bohne.

_Unterm Strich_

Was ist bloß aus unseren Helden Perry Rhodan, Kantiran und Zephyda geworden? Das mag sich so mancher fragen, der es nun mit der neuen Staffel zu tun bekommen. Keine Spur von ihnen lässt sich finden, denn Reginald Bull hat sie knapp verpasst. Vielmehr muss nun Mondra Diamond, der weibliche James Bond aus Episode 17, einspringen und den Ballermann sprechen lassen.

Was die Qualität des Inhalts angeht, so darf man wohl kaum tiefschürfende und daher langweilige Monologe erwarten. Vielmehr ist im letzten Drittel kämpferische Agenten-Action angesagt. Vorher muss man sich aber mit drögen Meldungen über in den Normal „gestürzte“ Planeten auseinandersetzen – oder abfinden. Manchmal geht es zu wie an Bord des Todessterns und man erwartet jeden Moment, den Dunklen Lord Darth Vader auftreten zu hören. Das wäre nett gewesen, denn jedes Stück braucht einen großen Schurken, an dem sich die Helden beweisen können.

|63 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3595-4|
http://www.perryrhodan.org
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stil.name
http://www.perry-rhodan-game.com
[Ausführlicher Überblick über diesen Zyklus der Heftromanserie]http://www.perrypedia.proc.org/Der__Sternenozean__%28Zyklus%29

Festa, Frank (Hg.) – Necrophobia II: Die graue Madonna

18 klassische und moderne, meist selten und manchmal gar nicht veröffentlichte Kurzgeschichte erfassen das weite Spektrum der Phantastik. Mancher gruselig unterhaltsamer Schatz wird gehoben, oft stößt des Lesers Spaten auch auf taubes Gestein: Die Reise durch die literarische Dunkelheit lohnt dennoch auf jeden Fall!

_Inhalt_

|Graham Masterton: Die graue Madonna| („The Grey Madonna“, 1995), S. 9-27: Im belgischen Brügge verlor Dean auf tragische Art seine Gattin; sie hatte sich Rat suchend an die denkbar falsche Person gewandt, die der untröstliche Ehemann zu seinem Unglück ebenfalls findet …

|Christopher Fowler: Die langweiligste Frau der Welt| („The Most Boring Woman in the World“, 1995), S. 29-41: Eine vernachlässigte und betrogene Hausfrau und Mutter schwelgt in Rachevisionen, deren Umsetzungen näher rücken …

|Stefan Grabinski: Szamotas Geliebte| („Kochanka Szamoty“, 1922), S. 43-60: Endlich erhört sie den vor Liebe Verrückten, doch wen hat er eigentlich woher zu sich gerufen?

|David H. Keller: Da unten ist nichts!| („The Thing in the Cellar“, 1952), S. 61-69: Jedes Kind fürchtet sich vor dem Ding in der Dunkelheit, doch was geschieht, wenn es wirklich existiert …?

|Guy de Maupassant: Die Tote| („La morte“, 1887). S. 71-76: Im Laufe einer denkwürdigen Nacht auf dem Friedhof erfährt der Geliebte, um wen tatsächlich er so untröstlich trauert …

|F. Paul Wilson: Schockwellen| („Aftershock“, 1999), S. 77-127: Im Augenblick des eigenen Todes zeigen sich geliebte Verstorbene: eine Erfahrung, die bizarres Verhalten nach sich zieht …

|Clark Ashton Smith: Necropolis – Das Reich der Toten| („The Empire of the Necromancers“, 1932), S. 129-141: Zwei mächtige, aber moralfreie Zauberer schaffen sich ein Heer aus Zombie-Sklaven, doch sie treiben es schließlich so toll, dass sogar die Toten rebellieren …

|Simon Clark: Die Geschichte des Totengräbers| („The Gravedigger’s Tale“, 1988), S. 143-153: Was der faule Totengräber dieses Mal aus der Erde holte, hätte er besser lagern sollen, denn es erweist sich als nicht richtig tot …

|Margaret Irwin: Das Buch| („The Book“, 1930), S. 155-174: Wer es liest und seinen Anweisungen folgt, wird reich und berühmt – bevor der eigentliche Preis gefordert wird …

|Brian McNaughton: Ringard und Dendra| („Ringard and Dendra“, 1997), S. 175-219: Ein junges Paar sucht Zuflucht bei einem Hexenmeister, was wie erwartet für teuflische Folgen sorgt …

|Karl Hans Strobl: Das Auge| (1926), S. 221-230: Der berühmte Schriftsteller fühlt sich im Wahn beobachtet, und ein kleiner Junge rückt ihm in seiner Neugier ein wenig zu nahe …

|Storm Constantine: So ein nettes Mädchen| („Such a Nice Girl“, 1997), S. 231-257: Wer war Emma wirklich? Die unbedarfte Nachbarin findet es heraus, was ihr mehr Wissen über schwarze Magie beschert, als sie verkraften kann …

|Montague Rhodes James: Pfeife, und ich komme zu dir, mein Freund!| („Oh, Whistle, and I Come to You, My Lad“, 1904), S. 259-284: Als ein neugieriger Urlauber in die am Strand gefundene antike Pfeife bläst, erscheint des Nachts ein unerfreulicher Besucher …

|Cornell Woolrich: Papa Benjamin| („Papa Benjamin“, 1962), S. 285-340: Wer die Voodoo-Götter beleidigt, darf sich über spektakuläre Strafmaßnahmen nicht wundern …

|John Keir Cross: Das Glasauge| („The Glass Eye“, 1946), S. 341-361: Es gibt kein Leid auf dieser Welt, das nicht durch noch größeres Unglück übertroffen werden könnte …

|Algernon Blackwood: Der Schrecken der Zwillinge| („The Terror of the Twins“, 1914), S. 363-372: Der zornige Vater hielt die Geburt seiner Zwillingssöhne schon immer für einen Irrtum der Natur, den er nach seinem Tod zu korrigieren gedenkt …

|Mort Castle: Party-Time| („Party Time“, 1984), S. 373-376: Wenn Söhnchen nur zu bestimmten Anlässen aus dem Keller gelassen wird, so gibt es dafür gute Gründe …

|Graham Masterton: Der Hexenkompass| („Witch-Compass“, 2000), S. 377-412: Er erfüllt dir zuverlässig deine Wünsche, aber du bist womöglich nicht glücklich mit dem Ergebnis, denn du zahlst deinen speziellen Preis dafür …

|Frank Festa: Nachwort|, S. 413-415

_Sie kommen wieder, aber lange hat’s gedauert_

Viel, sehr viel Zeit ist verstrichen, bis diese neue Sammlung alter und aktueller Storys im |Festa|-Verlag erschien. Fast musste man als enthusiastischer Leser des [ersten „Necrophobia“-Bandes 1724 schon bangen, dass diese der phantastischen Kurzgeschichte gewidmete Reihe eingegangen war, bevor sie sich überhaupt zur Reihe entwickeln konnte. So ist es glücklicherweise nicht gekommen, doch die dreijährige Pause verdeutlicht einmal mehr, dass der ‚kurze Horror‘ in Deutschland einen schweren Stand hat.

Dabei nahm Herausgeber Frank Festa deutschsprachige Storys der Gegenwart erst gar nicht in seine Sammlung auf. Er begründet das mit deutlichen Worten: „Nun, ich habe schon öfter erklärt, dass ich lieber die Originale veröffentliche als deren Kopien, und zurzeit sehe ich wirklich keinen eigenständigen, unamerikanisierten Horrorautor im deutschen Sprachraum.“ (S. 414) Die Anhänger der deutschen Phantastik werden dies energisch und empört bestreiten, der Rezensent gibt Festa Recht und setzt noch eins drauf: Deutscher Grusel ist nicht nur Nachahmung, sondern Horror auf Groschenheft-Niveau, der seine Existenz dem Reservat der aktuellen Kleinverlage verdankt, die ihm mit viel Liebe, aber wenig Sinn für Qualität eine unverdiente Scheinblüte bescheren.

_Sie kommen nicht nur in der Nacht_

Das trifft auf die Mehrzahl der in „Necrophobia II“ versammelten Storys glücklicherweise nicht zu. Aus zwölf Jahrzehnten stammen sie und dokumentieren damit die Entwicklung, die das Genre nahm. Eine ‚akademische‘ Präsentation ist dem Herausgeber dabei fern; „Necrophobia II“ gehorcht keiner inhaltlichen und erst recht keiner chronologischen Systematik, Unterhaltung ist Trumpf. Alte und neue Geschichten stehen nebeneinander, thematisch decken sie – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – das breite Spektrum des Genres ab. Monster, Vampire, Phantome, Wahnsinn: Alles ist da, ein lange, gut bestückte Tafel für den gierigen Leser. Welchem Leser welche Story besser gefällt, ist natürlich Ansichtssache. An dieser Stelle können nur einige (subjektive) Hinweise und Hintergrundinformationen folgen.

_Gespenster, Gespenster …_

Die gute, alte Gespenstergeschichte wird in dieser Sammlung gleich mehrfach erzählt. Sie hat sich im Kern nicht geändert: Im Leben blieb der verstorbene Mensch ‚unvollendet‘, sodass er (oder sie) nun als Geist spuken und für Abhilfe sorgen oder sich rächen möchte.

Handwerklich perfekt drechselt Montague Rhodes James [1862-1936] seine Gruselmär vom Tempelritter-Schutzgeist. Sehr typisch für den Verfasser, trifft dessen Zorn einen völlig Unschuldigen: James-Gespenster unterscheiden nicht zwischen Gut und Böse; sie haben es auf alle Lebenden abgesehen. Vermutlich kann nur ein Autor, der rein gar nicht an Gespenster glaubt, sie so perfekt, d. h. spannend, witzig und ohne Beachtung ‚literarischer‘ Qualitäten heraufbeschwören wie James! Weniger elegant und nüchtern im Ton, aber mindestens ebenso konsequent ist David H. Keller [1880-1966], der gar nichts von einem Happy End hält, nur weil sein (niemals auch nur zipfelhaft sichtbar werdender) Keller-Schrecken Kinder als Beute bevorzugt. Wie man diesen Plot als makaberen Scherz zelebriert, zeigt uns Mort Castle [*1946].

Wesentlich ‚psychologischer‘ geht James‘ Zeitgenosse Algernon Blackwood [1869-1951] an das Thema heran. Das Gespenst des Vaters hat ein Motiv für sein Tun, das grausam und grauenvoll ist, was Blackwood einmal mehr ungemein stimmungsvoll darzustellen weiß. Graham Masterton [*1946] stellt unter Beweis, dass das Konzept des Gespenstes auch heute keineswegs unmodern geworden ist. F. Paul Wilson [*1946], mit seinen „Handyman Jack“-Geschichten sonst eher für grobschlächtigen Horror bekannt, erstaunt mit einer ‚aktuellen‘ und doch höchst klassischen Gespensterstory.

_Rückkehr als Leiche_

Noch erschreckender als das Gespenst wirkt die Vorstellung vom oder von der Toten, der oder die in persona aus dem Grab zurückkehrt und nicht nur durch das Erscheinen, sondern auch durch den Anblick (und den Geruch) Entsetzen verbreiten. Sehr drastisch spielt das Simon Clark [*1958] durch, der freilich gleichzeitig belegt, dass Horror und (friedhofserdeschwarzer) Humor erstaunlich gut korrespondieren.

Deutlich allegorischer beschäftigt sich Guy de Maupassant [1850-1893] mit dem Thema Tod. Die Erlebnisse seines Helden mögen sich so ereignet haben oder die Ausgeburt eines kranken Hirnes sein; eine Entscheidung, die dem Leser überlassen bleibt, ohne dass diese an der ‚Moral‘ der Geschichte etwas ändern würde. Ähnlich diffus bleibt Stefan Grabinski [1887-1936], der dem Schrecken indes eine perfide Präsenz verleiht; sein Geist gehört zu den wahrlich seltsamen seiner Art.

Grabinskis Geschichte balanciert auf der Schneide zwischen ‚reinem‘ Spuk und dem Grauen, das derjenige beschwört, der sich mit dem Jenseits einlässt und dabei meist mehr abbeißt, als er oder sie zu schlucken vermag. Margaret Irwin [1889-1969], Cornell Woolrich [1903-1968] und noch einmal Graham Masterton thematisieren das schaurige Angebot, das scheinbar eine ‚Abkürzung‘ zu Reichtum und Macht bietet, bis die Macht im Hintergrund ihren Preis einfordert. (Die Woolrich-Story gehört zu den Ausgrabungen Festas; leider hält sie in der Umsetzung nicht, was der Plot verspricht, und sie transportiert zahlreiche zeitgenössische Rassismen.) Storm Constantine [*1956] überrascht mit einer Nachwuchs-Magierin, die zur Abwechslung einmal erfolgreich bleibt; ohne Opfer geht es jedoch ebenfalls nicht ab.

_Wahn und Wirklichkeit_

Der letzte Schritt zum ‚realen‘ Grauen ist der Verzicht auf Übernatürliches. John Keir Cross [1911-1967], Karl Hans Strobl [1877-1946] und Christopher Fowler [*1953] erzählen von Menschen in der Krise, deren Stress sie geistig zu zerbrechen droht oder schon zerbrochen hat. Die Folgen sind furchtbar, weil hier der Mensch und nur der Mensch die Verantwortung für daraus resultierende Wahnsinnstaten trägt.

Aus dem Rahmen fallen die Storys von Clark Ashton Smith [1893-1961] und Brian McNaughton [1935-2004]. Sie mischen Horror mit Fantasy zur „Dark Fantasy“, wobei Smith trotz des schwülstigen, künstlich altmodischen Tonfalls fesselt, während McNaughton ein weiteres Mal mit seiner (zudem aus dem früheren |Festa|-Sammelband „Psycho-Express“ von 2000 recycelten) haltlos zwischen Pathos und Klamauk schwingenden Mär langweilt: neben „Papa Benjamin“ ist diese Story die einzige echte Enttäuschung in „Necrophobia II“.

Damit lässt sich leben. Das grundsätzliche Konzept der „Necrophobia“-Reihe hat seine Tragfähigkeit bewiesen. Bleibt zu hoffen, dass es bis zum dritten Teil nicht wieder so lange dauert.

_Impressum_

Originalzusammenstellung
Übersetzung: Andreas Diesel (4), Sigrid Langhaeuser (3), Jutta Swietlinski (2), Alexander Amberg (2), Felix Lake, Felix F. Frey, Friedrich v. Oppeln-Bronikowski, Heiko Langhans, Otto Knörrich (je 1)
Cover: Markus Vesper
Deutsche Erstausgabe: Juli 2008 (Festa Verlag Nr. 1521/Horror TB, Bd. 20)
415 Seiten
EUR 13,95
ISBN-13: 978-3-86552-061-6
http://www.festa-verlag.de

Feehan, Christine – Dunkle Macht des Herzens (Die Legende der Karpathianer 2)

Shea O’Halloran ist Amerikanerin und Chirurgin. Eigentlich ist sie aber das Lovechild der missglückten Beziehung eines Karpathianers und ihrer Mutter, was sie selbst zur Halb-Karpathianerin macht. Da sie bisher sicher noch nichts von Rumänien oder den Karpaten gehört hat und ihre Mutter schon seit Jahren tot ist, hat sie natürlich keine Ahnung von ihrem zweifelhaften Glück. Der Leser dagegen weiß sofort: Shea ist das nächste Opfer, das sich Schnulzen-Autorin Christine Feehan ausgesucht hat, um es mit einem wilden, ungezügelten und wahnsinnig männlichen Karpathianer zu verkuppeln.

Über Jahre hinweg hat sie Visionen von einem gequälten und gefolterten Mann. Shea findet das eigenartig, macht sich aber keine größeren Sorgen. Erst als ein paar Vampirjäger in ihrem Büro auftauchen (diese Dilettanten erinnern mehr und mehr an die Amateure aus „Fright Night“, sind aber leider lange nicht so unterhaltsam oder amüsant) und sie das Tagebuch ihrer Mutter zur Hand nimmt, um darin zu lesen, dass ihr verschollener Vater deren Blut getrunken hat (wir ignorieren der Einfachheit halber die Frage, wie Shea das noch nie auffallen konnte), beginnt es in ihrem Hirn zu arbeiten. Sie begibt sich nach Rumänien, angeblich, weil sie hofft, dort ein Heilmittel für ihre seltsame Blutkrankheit (hier darf die geneigte Leserin gern einmal mit den Augen rollen) zu finden. So richtig erklärt Feehan zwar nicht, wieso Shea nun gerade zu diesem Zeitpunkt unbedingt nach Rumänien muss, aber die Hauptsache ist schließlich, dass Shea am richtigen Ort ist, um sofort den Mann zu befreien, der so lange ihre Träume heimgesucht hat.

Es stellt sich heraus, dass es sich um einen gepfählten und praktisch lebendig begrabenen Vampir, pardon: Karpathianer, handelt. Jaques ist, verständlicherweise, etwas neben der Spur, und während die brillante Chirurgin versucht, das Leben des so armselig Zugerichteten zu retten, bringt er sie wiederholt fast um. Trotzdem verlieben sie sich natürlich unsterblich ineinander, und als Jacques halbwegs wiederhergestellt ist, machen die beiden sich daran, die Vampirjäger zu finden und ihnen das Handwerk zu legen. Dabei kommen ihnen irgendwann Raven und Mikhail zu Hilfe, und somit ist auch für Wiedererkennungswert innerhalb der Serie gesorgt. Raven ist mittlerweile schwanger, pikanterweise mit der (zukünftigen) Gefährtin Gregoris, was zu einigen unappetitlichen Szenen führt, in denen Gregori von seiner Liebe (oder sagen wir: Lust) zu diesem Fötus übermannt wird. Da kann es den Leser nur noch schütteln.

Natürlich geht alles gut aus, Shea und Jacques finden zueinander – immer und immer wieder, sodass der Mittelteil des Hörbuchs eigentlich nur aus aneinandergereihten Sexszenen besteht, die nur den Zweck haben, die Leserin von der ungeheuren Potenz des Protagonisten zu überzeugen. Das ist natürlich keineswegs abendfüllend, und so ist auch „Dunkle Macht des Herzens“, genau wie der Vorgänger [„Mein dunkler Prinz“, 5240 ein Hörbuch, das die Welt nun wirklich nicht gebraucht hat.

Dabei muss man zugeben, dass Feehan auf ihre Hauptcharaktere ein wenig mehr Zeit verwendet als noch im Erstling. Wir erfahren tatsächlich ein bisschen über Shea, was sie etwas greifbarer erscheinen lässt. Letztlich ist sie aber auch nichts weiter als eine Schablone: unerfahren, naiv, furchtsam, aber im Grunde bereit, für „ihren“ Mann ihr Leben zu lassen. Damit ist sie ein fragwürdiges Vorbild für die Leserin, die offensichtlich angehalten ist, jegliche Bildung, die sie (eventuell) genossen hat, über Bord zu werfen und sich stattdessen ihrem Mann zu unterwerfen, um ihm Kinder zu gebären. Schaurig.

Feehans Held Jacques hat einige Ecken und Kanten, hervorgerufen durch das jahrelange Verbuddeltsein. Offensichtlich hat er sich eine ziemliche psychische Störung eingefangen, und so schwankt er ständig, ob er Shea nun fressen oder flachlegen soll. Diese Abgründe in Jacques‘ Charakter könnten ihm sprichwörtliche Tiefe geben, wenn Feehan es verstünde, sie vernünftig auszuloten. Stattdessen ist sie unfähig, seine Qual als etwas anderes als nervtötende Unausgeglichenheit erscheinen zu lassen. Seine Stimmungsschwankungen sind kaum mehr als ein Ausdruck dafür, dass sich Feehan nicht entscheiden kann, wohin sie mit dem Charakter eigentlich will. Im Geiste ist er ein Neanderthaler (ein Wort, das Feehan selbst gern in Zusammenhang mit ihren Karpathianern benutzt), ausgestattet mit einer unberechenbaren Aggressivität – etwas, das Feehan fälschlicherweise mit Leidenschaft gleichsetzt. Er ist die starke Schulter, an die sich das plötzlich erschwachte Weibchen vertrauensvoll lehnen darf, während er, leicht dem Wahnsinn anheimgefallen, sämtliche Bösewichte der Welt von ihr fernhält.

Es wird schnell klar, dass Christine Feehan hier „Mein dunkler Prinz“ noch einmal aufrollt. Mit anderen Charakteren erzählt sie in „Dunkle Macht des Herzens“ noch einmal exakt die gleiche Geschichte, offensichtlich für Leserinnen, die es bevorzugen, immer wieder dasselbe vorgesetzt zu bekommen. Beide Geschichten sind deckungsgleich und lassen sich schlicht auf folgende Formel reduzieren: Amerikanerin, sexuell unerfahren, gerät an lüsternen Typen, der sie sofort zu seiner unsterblichen Geliebten erklärt. Den beiden stellen sich ein paar konstruierte Konflikte in den Weg, die fix gelöst werden, damit die Protagonisten nach erfolgreichem Tagwerk in die Kissen sinken können. Gähn.

Feehan hat vielleicht etwas an ihrer Charakterdarstellung gefeilt, aber auch in „Dunkle Macht des Herzens“ ist sie unfähig, tragfähige Handlungen und Probleme zu erfinden. Stattdessen bietet sie Luftblasenkonflikte, die allein durch ausgiebiges Reden gelöst werden und deren Konfliktpotenzial offenbar von den Charakteren, nicht aber vom Leser verstanden wird. Und so zaubert sie gegen Ende dann auch überraschend einen Bösewicht aus dem Hut, der in einem lang angelegten Monolog erklärt, warum er eigentlich böse ist. Man möchte der Autorin zurufen, dass solcherart unbeholfene Auflösung heutzutage höchstens noch ironisch gebrochen präsentiert wird. Feehan meint diese Szene aber durchaus ernst, offensichtlich, weil sich hier ihre schriftstellerische Begabung erschöpft. Es ist ihr einfach unmöglich, ihre (ohnehin kaum vorhandene) Handlung überraschend oder raffiniert zu gestalten. Folglich ist „Dunkle Macht des Herzens“ nur etwas für sehr unbedarfte Seelen, die sich damit zufrieden geben, immer und immer wieder dasselbe Menu aufgetischt zu bekommen.

Es scheint, als verlöre auch die Sprecherin des Hörbuchs – Dana Geissler – mit zunehmender Laufzeit das Interesse an der Geschichte. Von Zeit zu Zeit finden sich (zugegeben kurze) Sprech- oder gar Übersetzungspatzer, die von der Produktion nicht ausgebügelt wurden. In manchen Fällen ist sich Geissler bis zum Ende des Satzes wohl auch nicht ganz sicher, welchen Charakter sie gerade spricht. Wobei anzumerken wäre, dass gerade die Männer ihr überhaupt nicht gelingen. Vor allem Mikhail klingt so heiser und krächzend, dass sich beim Hören unweigerlich ein Hustenreflex einstellt.

Kurzum, „Dunkle Macht des Herzens“ ist minimal besser gelungen als „Mein dunkler Prinz“. Auf beide Hörbücher kann man aber dennoch getrost verzichten.

|Originaltitel: Dark Desire, 1999
299 Minuten auf 4 CDs
Bearbeitete Fassung
ISBN 978-3-7857-3601-2|
http://www.luebbeaudio.com
http://www.christinefeehan.com

Saintcrow, Lilith – Teufelsbraut (Dante Valentine – Dämonenjägerin 1)

Die Erfahrung, dass man mit dem Teufel nicht handeln sollte, hat bereits Dr. Faust gemacht. Dante Valentine, die Heldin von Lilith Saintcrows Dark-Fantasy-Roman „Teufelsbraut“, schreckt aufgrund ihres unerschrockenen Naturells nicht davor zurück, einen Auftrag von Luzifer anzunehmen. Das wird sie allerdings schnell bereuen …

Dante Valentine lebt in einer Welt, in der magische Wesen und Menschen, die mit Magie umgehen können, weit verbreitet sind. Sie selbst ist eine so genannte Nekromantin, das heißt, sie kann Tote für eine bestimmte Zeit zum Leben erwecken, um beispielsweise Erbrechtsfragen oder die Identität der Opfer zu klären. An und für sich ist die junge Frau aber auch für jeden anderen Job zu haben, denn die Hypothek für ihre Wohnung muss irgendwie zurückgezahlt werden.

Eines Abends steht ein Dämon vor ihrer Haustür und zwingt sie, ihm zu seinem Herren Luzifer in die Hölle zu folgen. Der Teufel höchstpersönlich möchte Dante sprechen und erteilt ihr den Auftrag, den auf der Erde wütenden Dämonen Santino zu vernichten und das Artefakt, das dieser gestohlen hat, in die Hölle zurückzubringen. Darüber hinaus hat sie auch ein persönliches Interesse an Santinos Vernichtung: Der Dämon hat ihre beste Freundin Doreen auf dem Gewissen und Dante will ihren Tod rächen.

Allerdings hat sie nicht damit gerechnet, dass Luzifer darauf besteht, ihr den Dämonen, der bei ihr angeklopft hat – den geheimnisvollen Japhrimel -, zur Seite zur stellen. Sie ist eine Einzelkämpferin und will Santino alleine erledigen. Doch sie hat nicht mit ihren Freunden und der Macht des abtrünnigen Dämons gerechnet …

Lilith Saintcrows Roman fällt aus dem Rahmen der aktuellen Mode von Vampirromanen, denn es gibt keinen einzigen Blutsauger in ihrer Geschichte. Sie löst sich von den Vorstellungen, die man mit Dark Fantasy im Allgemeinen derzeit verbindet und erschafft eine ganz eigene Welt, die neben ihrer sauberen Ausarbeitung durch ihre Originalität besticht. Es kommt sehr viel Magie in verschiedenen Formen vor und sie hat verschiedene Arten von Menschen mit jeweils unterschiedlichen Kräften entworfen. Andere Lebewesen spielen kaum eine Rolle, insgesamt ist alles sehr menschlich gehalten, nur eben „menschlich“ in anderem Sinne. Saintcrow hat sich zudem eine komplette Historie für ihre Welt ausgedacht und reichert das Ganze mit ausgefeilten Science-Fiction-Elementen wie Hightech-Waffen und -transportfahrzeugen an. Der Schauplatz, den die Autorin entwirft, ist auf den ersten Blick so fremd, dass man tatsächlich eine Weile braucht, um sich darin zurechtzufinden. Glücklicherweise gibt es am Ende des Buches ein umfassendes Glossar, welches das Verständnis erleichtert, auch wenn es nicht ganz vollständig scheint.

Vor dieser außergewöhnlichen Kulisse wird eine Geschichte angesiedelt, welche die Coolness eines amerikanischen Agententhrillers besitzt und die düstere Stimmung eines Mafiafilms. Diese Atmosphäre ist eigentlich Grund genug, um das Buch nicht so schnell zuzuschlagen, aber tatsächlich kreiert Saintcrow eine überaus spannende Handlung, die flott voranschreitet und so gut wie keine Längen aufweist. Es gibt immer wieder überraschende Wendungen, die neue, unerwartete Ereignisse in der dem Leser fremden Welt hervorbringen. Man weiß nie, was einen erwartet, und die Autorin weiß damit gut zu spielen. Leider wird sie gegen Ende der Geschichte ein wenig zu schnell, was das Erzähltempo angeht. Die große Schlacht im Finale wird rasch abgehandelt, hätte aber gerne etwas umfassender und vor allem detaillierter beschrieben sein können.

Im Mittelpunkt des Geschehens steht die junge Dante Valentine, die frech und angriffslustig ist. Sie ist alles andere als ein guter Mensch, denn sie ist nachtragend und greift gerne und schnell zu ihrer Waffe, einem magisch aufgeladenen Schwert. Trotzdem ist sie sehr sympathisch, da jede ihrer Handlungen verständlich erklärt wird. Sie ist die Erzählerin und berichtet aus der Ich-Perspektive von ihren Erlebnissen. Insgesamt konzentriert sich die Autorin stark auf die Gegenwart von Dante. Die Vergangenheitserlebnisse, die interessant gewesen wären, werden häufig sehr schnell erzählt – leider. Gerade ihre Kindheit und Jugend wären die eine oder andere ausgefallene Episode wert gewesen. Immerhin ist Dante unter anderen Umständen großgeworden als ihre Leser. An dieser Stelle versäumt Saintcrow es, mehr in die Tiefe zu gehen. Da dies aber das erste Buch einer Reihe ist, wird man später vielleicht noch in den Genuss weiterer Erinnerungen kommen.

Die Nebenfiguren werden natürlich durch die Augen der Protagonistin betrachtet. Ihre gute Auffassungsgabe und ihr teilweise scharfes Vokabular sorgen dafür, dass die Charaktere gut beschrieben werden. Da es nur eine begrenzte Anzahl von ihnen gibt, sind sie einfach zu unterscheiden, und vor allem die Erdhexe Eddie sorgt immer wieder für den einen oder anderen Lacher. Dantes Erzählstil ist genauso frech wie sie selbst, aber trotzdem gewandt und treffsicher. Sie wird ab und an etwas vulgär, aber da sie als temperamentvoll geschildert wird, passt es genau ins Schema. Insgesamt ist das Buch sehr flüssig geschrieben und begeistert durch die leichte Verständlichkeit.

„Teufelsbraut“ zieht den Leser in den Bann und gibt ihn erst nach über 400 Seiten wieder frei. Lilith Saintcrow – im Übrigen der echte Name der Autorin und kein Pseudonym – hat eine originelle und interessante Welt geschaffen, in der sie eine rasante Geschichte um eine junge Frau auf einem Rachefeldzug ansiedelt. Trotzdem lässt sie Platz für ruhige Momente, so dass man nebenbei Dante Valentine, von der in Deutschland bald weitere Bände veröffentlicht werden sollen, kennen und lieben lernt.

|Originaltitel: Working for the Devil
Übersetzt von Katrin Mrugalla und Richard Betzenbichler
Broschiert, 429 Seiten
ISBN-13: 978-3-8025-8175-5|
http://www.egmont-lyx.de
http://www.lilithsaintcrow.de

Joseph Delaney – Der Kampf des Geisterjägers (Spook 4)

Hexenzauber und nächtliche Action

Der 13-jährige Tom Ward ist der siebte Sohn eines siebten Sohns und daher zum Geisterjäger qualifiziert. Der Spook nimmt ihn in die Lehre und zeigt ihm, was Tom über Hexen, Boggarts und Poltergeister wissen muss. Mehrere schwere Kämpfe muss Tom bestehen. Zum Glück kann sich Tom auf die Hilfe von Alice stützen. Dummerweise ist sie ebenfalls eine Hexe …

Toms Bruder Jack und dessen Familie sind von den Hexen aus Pendle verschleppt worden, mitsamt den Truhen von Toms magiebegabter Mutter, die sein Erbe sind. Während Alice sich auf die Spur der Hexen setzt, bereitet Tom mit seinem Lehrmeister Gregory und dem Priester Stocks den Angriff auf die Hexenstadt vor – nicht nur um Jacks Familie zu befreien und Alice zu helfen, sondern um dem Unwesen der drei Hexenklans von Pendle ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod.
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Die drei ??? und der schwarze Skorpion (Folge 120)

Die drei Fragezeichen sind schon seit meiner Kindheit absoluter Kult und waren auch damals Stammgast in meinem Kassettenrecorder. Schnell waren die Kassetten so abgenudelt, dass ich inzwischen auf die CD-Version umgestiegen bin, damit mir diese Geschichten noch länger erhalten bleiben. Bei den drei Fragezeichen handelt es sich um ein Detektivtrio aus Rocky Beach, nämlich um Justus, Peter und Bob. Justus ist sozusagen das Oberhaupt der drei Detektive, er ist etwas dick geraten, gleicht dieses kleine Handicap aber durch seine Intelligenz aus. Peter ist eher ein sportlicher Typ, outet sich in vielen Situationen aber als kleiner Hasenfuß, weil er der Erste ist, der auf Flucht plädiert. Bob ist zuständig für Recherchen und Archiv und sorgt dafür, dass die drei Detektive (die im Übrigen jeden Fall übernehmen) genügend Informationen über ihre Fälle bekommen. Am 10. Oktober ist bereits das 125. Hörspiel erschienen. Nach einigen rechtlichen Querelen und nachdem wir mit der Serie „Die Dr3i“ gequält wurden, darf die Originalserie seit Frühjahr 2008 dankenswerterweise fortgesetzt werden, sodass wir uns nun alle (etwa) vier Wochen auf ein neues Hörspiel freuen dürfen.

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Laymon, Richard – Show, Die

_Inhalt:_

Die drei Freunde Slim, Rusty und Dwight sind ganz aus dem Häuschen, als eine reisende Vampirshow ihren Auftritt in der Nähe ihres Heimatstädtchens ankündigt. Endlich ergibt sich die einmalige Chance, einen leibhaftigen Vampir aus der Nähe zu sehen. Sogar eine Vampirin, die betörend und faszinierend schön sein soll. Doch es gibt zwei wesentliche Probleme: Die Show beginnt erst um Mitternacht und für Minderjährige ist der Zutritt verboten. Die Freunde sind fest entschlossen, sich davon nicht abhalten zu lassen, und machen sich gegen Mittag bereits auf den Weg zu der abgelegenen Lichtung, wo die Show stattfinden soll. Ab hier beginnt für das Mädchen und die zwei Jungs ein Alptraum, der um Mitternacht, bei der Vampirshow, seinen grausigen Höhepunkt erreichen soll …

_Meine Meinung:_

„Die Show“ gehört zu den letzten Veröffentlichungen des Autors, der im Februar 2001 verstarb und zu den erfolgreichsten amerikanischen Autoren zeitgenössischer Horror-Literatur zählt. Seine Bücher sind hart, brutal und stecken doch voller hintergründigem Humor. Dabei beginnt „Die Show“ recht harmlos, wie ein Jugendabenteuer der frühen sechziger Jahre.

Slim, Rusty und Dwight sind drei Teenager an der Schwelle zum Erwachsenwerden und wollen einmal in ihrem Leben einen richtigen Vampir sehen. Dwight erzählt die Geschichte aus der Ich-Perspektive und zieht den Leser bereits nach den ersten Seiten in die schwül-heiße Atmosphäre eines Spätsommertages, der für die Teenager in einem Desaster enden soll.

Laymon besaß einen wundervoll prägnanten, flüssigen Schreibstil und ein Talent dafür, wirklichkeitsnahe Dialoge zu schreiben. Seine Protagonisten sind völlig normale Jugendliche, die ihrer Abenteuerlust frönen. Allerdings muss man in den Büchern des Autors damit rechnen, dass hinter jeder Ecke ein Psychopath lauert, und so versteht sich von selbst, dass die Story nicht so glimpflich abläuft, wie man zuweilen annehmen möchte. Ansonsten wäre das Buch sicherlich nicht in der Reihe |Heyne Hardcore| erschienen.

Die titelgebende Vampirshow spielt die ersten 400 Seiten eher eine sekundäre Rolle, was dem Lesespaß indes keinen Abbruch tut. Im Gegenteil, denn Laymon entwirft ein unheimlich spannendes, kurzweiliges Szenario, in dem Slim, Dwight und Rusty von einem Fettnäpfchen ins Nächste tappen und langsam ahnen, dass die Leute von der reisenden Vampirshow vermutlich nicht ganz so harmlos sind wie anfangs angenommen. Gekonnt spielt Richard Laymon mit den Gefühlen des Lesers und schickt ihn auf eine Achterbahnfahrt der Emotionen, bangend zwischen Momenten haarsträubender Spannung und Erleichterung. Dabei lässt der Verfasser die Bombe sprichwörtlich am Ende platzen und haut dem Leser ein Finale um die Ohren, das für wahre Adrenalinschübe sorgt.

Auf die Dauer ein wenig ermüdend sind die häufigen hormonell bedingten sexuellen Gedankenspiele des Protagonisten, die man nur dadurch entschuldigen kann, dass dieser gerade mal sechzehn Jahre alt ist. Was Laymon hier präsentiert, ist allerdings kein reinrassiger Vampir-Schocker, sondern ein kompromissloser Psychothriller, der den Leser einmal mehr in die Abgründe menschlicher Seelen entführt. Was die Existenz der Blutsaugerin betrifft, so überlässt es der Autor dem Leser zu urteilen, wer oder was sich hinter der geheimnisvollen Valeria verbirgt. Und diese Entdeckungstour sollte sich kein Liebhaber gut geschriebener Thrillerkost entgehen lassen.

In Sachen Aufmachung sind die Bücher der Reihe |Heyne Hardcore| unübertroffen. Auch bei dem vorliegenden Buch überzeugen die hervorragende Papierqualität, ein gefälliger Satzspiegel und eine einfallsreiches Illustration den Käufer. Das Motiv zeigt ein lädiertes Werbeplakat der Vampir-Show mit dem englischen Originaltitel des Romans. Titel und Logo wurden leicht erhaben gedruckt und machen aus dem Band ein edel gestaltetes Taschenbuch.

_Fazit:_

„Die Show“ ist ein Pageturner, der in einem Zeitraum von gut 27 Stunden spielt und ein packendes Szenario entwirft, das den Leser erst wieder loslässt, wenn er das unerträglich spannende Finale endlich hinter sich gelassen hat. Rasant, subtil, authentisch und zum Schluss einfach „hardcore“.

_Der Autor:_

Richard Laymon wurde 1947 in Chicago geboren und studierte in Kalifornien englische Literatur. Er arbeitete als Lehrer, Bibliothekar und Zeitschriftenredakteur, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete und zu einem der bestverkauften Spannungsautoren aller Zeiten wurde. 2001 gestorben, gilt Laymon heute in den USA und Großbritannien als Horror-Kultautor, der von Schriftstellerkollegen wie Stephen King und Dean Koontz hoch geschätzt wird.

|Originaltitel: The Travelling Vampire Show
Originalverlag: International Scripts / Schlück
Übersetzt von Thomas A. Merk
Ausgezeichnet mit dem Bram Stoker Award
Taschenbuch, 528 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-67512-4|
http://www.heyne-hardcore.de
http://www.ains.net.au/~gerlach/rlaymon2.htm
http://www.heyne.de

_Richard Laymon auf |Buchwurm.info|:_

[„Das Spiel“ 3491
[„Die Insel“ 2720
[„Rache“ 2507
[„Vampirjäger“ 1138
[„Nacht“ 4127
[„Das Treffen“ 4499
[„Der Keller“ 5289

_Florian Hilleberg_

Kern, Claudia – Sturm (Der verwaiste Thron 1)

_Ana ist die Tochter des Fürsten von Somerstorm_, und als solche hat sie eine glänzende Zukunft vor sich. Ihr Fürstentum ist reich, sie ist mit dem Sohn des mächtigsten Fürsten im ganzen Reich verlobt, und heute ist der Tag, an dem sie volljährig wird.

Doch der Tag endet im Desaster! Ana findet sich auf der Flucht wieder, mit nichts als einem Kleid am Leib und einem Pferd unter sich. Ihre Eltern, sämtliche Geburtstagsgäste, die Gaukler und Musikanten, sie alle sind tot, die heimatliche Burg ist nun von Wesen besetzt, von denen die Menschen geglaubt hatten, sie wären für immer verbannt oder gar tot: den Nachtschatten. Allein ihr wortkarger Leibwächer Jonan ist noch bei ihr, doch sie traut ihm nicht, und in einem unbeobachteten Augenblick stiehlt sie sich davon – ein Fehler …

Ihr Bruder Gerit hat ebenfalls überlebt und sich auf dem Dach des höchsten Turmes versteckt. Doch natürlich bleibt er dort nicht lange unentdeckt. Schwarzklaue, der König der Angreifer, lässt ihn herunterholen, will ihn töten. Sein General Karvellan jedoch hält ihn davon ab. Gerit landet in der Küche, wo ihn täglich neue Misshandlungen und Demütigungen erwarten. Mit der Zeit kann er sich durchsetzen, er fängt an zu spionieren. Und dann geschieht das völlig Unerwartete: Seine Feinde schicken ihn mit einem Auftrag aus der Burg …

In Westfall rüstet man derweil zum Krieg. Der Fürst hat nach seinem Sohn geschickt, der sich zum Studium auf den Inseln der Meister aufhielt, und ihm den Oberbefehl über die Reiterei übergeben. Der junge Rickard soll vorausreiten und den Gegner überraschen, der Vater will mit dem Heer folgen. Rickard ist das gar nicht recht, denn in den Berichten aus Somerstorm hieß es, die Tochter des Fürsten sei entkommen. Deshalb würde er eigentlich viel lieber nach seiner Verlobten suchen, doch er wagt es nicht, sich dem Befehl seines Vaters zu widersetzen. Um nicht völlig tatenlos zu bleiben, bittet er seinen Freund Craymorus darum, die Suche für ihn zu übernehmen.

Craymorus wurde eigentlich von den Meistern der Insel mit Rickard nach Westfall geschickt, um den Fürsten dort im Hinblick auf die Nachtschatten zu beraten. Der lehnt einen Berater strickt ab, und so ist Craymorus dankbar für die Aufgabe, die Rickard ihm erteilt. Allzu viel kann er allerdings nicht ausrichten. Denn kaum haben der Fürst und sein Sohn Westfall verlassen, erscheint König Cascyr auf der Burg. Und er hat eine völlig andere Aufgabe für Craymorus …

_Das klingt nach einer Menge Handlungsstränge._ Im Grunde sind es aber nur drei:

Einer dreht sich um Gerit. Der Junge hat seinen Vater wie einen Feigling sterben sehen. Das hat sein Weltbild mindestens ebenso erschüttert wie das Massaker selbst. Die Distanzierung von seinem Vater und der feste Wille zum Mut retten ihm das Leben. Und sie helfen ihm, sich unter den Nachtschatten zu behaupten, auch wenn er zuerst noch einmal einen kleinen Schubs nötig hat. Nicht, dass er sich richtig wohlfühlen würde, zu fremd sind diese Wesen und ihre Art zu denken. Und doch geht eine Veränderung mit ihm vor, schleichend und unbemerkt. Mit der Zeit hört er auf, in den Nachtschatten primitive, grausame, blutrünstige Tieren zu sehen …

Der zweite Handlungsstrang beschäftigt sich mit Ana und Jonan. Wie Gerit ist auch Ana von ihrem Vater enttäuscht. Einer der Geburtstagsgäste hat sie vor allen Anwesenden schwer beleidigt, und ihr Vater hat ihr nicht beigestanden. Ana beschließt, dem Beispiel ihrer Mutter zu folgen und ihr Geschick selbst in die Hand zu nehmen. Für eine verwöhnte Fürstentochter erweist sie sich dabei als überraschend robust und gleichzeitig als erwartungsgemäß naiv und unerfahren. Jonan hat damit seine liebe Not. Nicht nur, dass Ana stets anderer Meinung zu sein scheint als er. Sie ist auch stur, und da er in ihren Diensten steht, ist er gezwungen, ihren Wünschen nachzugeben, was es ihm nicht gerade leicht macht, immerhin ist Jonan ein hervorragender Kämpfer. Alles andere, was man über ihn erfährt, verliert sich in Andeutungen, was Jonan sozusagen zum geheimnisumwitterten Beschützer macht.

Der dritte Strang schließlich erzählt von Rickard und Craymorus. Ein recht ungleiches Paar hat sich da angefreundet. Rickard ist lebhaft, unbekümmert und gutmütig, allerdings nicht sehr geduldig. Er ist als Krieger erzogen worden, von Wissenschaften und Magie versteht er nur wenig, und es interessiert ihn auch nicht. Mit Craymorus versteht er sich deshalb so gut, weil er sich trotz Craymorus‘ großem Wissen in dessen Gesellschaft nicht benachteiligt fühlt. Denn Craymorus ist ein Krüppel. Trotz metallener Beinschienen kann er nur an Krücken gehen. Als Zehnjähriger stürzte er auf der Flucht vor Nachtschatten eine Klippe hinunter, was ihm beide Beine zerschmetterte – ein traumatisches Erlebnis, das ihn nie losgelassen hat. Als er seine Zuflucht, die Insel der Meister, verlassen muss, holt ihn die unselige Mischung aus Angst und Hass wieder ein.

_Insgesamt ist die Charakterzeichnung auf ungewöhnliche Weise durchwachsen._ So ist Rickard knapp und präzise gezeichnet, bleibt aber dennoch ein wenig blass, was daran liegen mag, dass über sein Gefühlsleben kein Wort verloren wird, oder daran, dass er nach seinem Aufbruch Richtung Somerstorm so gut wie nicht mehr auftaucht. Craymorus dagegen ist in seiner Angst und seinen Selbstzweifeln äußerst menschlich und lebendig geraten. Das gilt ebenso für Gerits Entwicklung. Ana ist wiederum eher schwach gezeichnet, da sie sich über einen großen Zeitraum der Handlung unter Daneels Einfluß befand. Daneel ist einer jener Nebencharaktere, die stark auf die Handlung einwirken, obwohl sie weder näher beschrieben oder charakterisiert sind noch besonders viel tun. Zu diesen Personen gehört auch die Zofe Mellie, die gegen ihre Fürstin intrigiert. Oder König Cascyr, der einzig über einen Titel und eine Garde verfügt und dennoch seine gesamte Umgebung unter Druck setzt.

So kommt es, dass neben Craymorus und Gerit vor allem die eher schwach ausgearbeiteten Nebencharaktere das Interesse an der Geschichte wachhalten. Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass sie gewisse Zusammenhänge innerhalb der Geschichte herstellen. Zum Beispiel fehlen Daneel sämtliche Zähne, was Gerit bereits zu Beginn der Geschichte zu der Frage veranlasst, ob Daneel wohl einst zur ewigen Garde gehörte. Die ewige Garde ist die Leibgarde des Königs, ihre Mitglieder sind nicht nur Krieger, sondern auch Magier. Und im Verlauf der Geschichte zeigt sich, dass Daneel tatsächlich eine ungewöhnliche Fähigkeit besitzt …

Sehr gelungen fand ich auch die Verknüpfung der kurzen Vorreden am Anfang jedes Kapitels, die als Zitate aus einem Buch über die verschiedenen Provinzen des Reiches formuliert sind, mit der eigentlichen Geschichte. Immer wieder findet der Leser die kurzen, teilweise ironischen Charakterisierungen von Land und Leuten tatsächlich in den handelnden Personen wieder.

Manch anderer Zusammenhang wird dagegen eher stiefmütterlich behandelt. Das gilt für Anas Familie, deren Herkunft bestenfalls gestreift wird, ebenso wie für den historischen Hintergrund der Welt insgesamt. Hier liefert die Autorin lediglich Bruchstücke. Es werden vier Königreiche erwähnt, ein roter König sowie ein Krieg, der offenbar vor dreizehn Jahren zu Ende ging. Wer genau damals gegen wen Krieg geführt hat und warum, darüber schweigt das Buch sich aus, ebenso darüber, ob König Cascyr einst eines der vier Königreiche regierte, und wenn ja, was aus den anderen Königen wurde. Auch über den Krieg, der offenbar vor der Geburt der Menschheit stattfand, wird kaum ein Wort verloren. Damals vertrieben die Vorangegangenen – Craymorus nennt sie an einer Stelle auch Götter – die Nachtschatten aus dem Land. Über das Wie und Warum erfährt der Leser nichts. Die Folge dieser Lückenhaftigkeit besteht in einer Flut von Fragen, was natürlich ganz der Absicht der Autorin entspricht. Klar scheint nur: Die Nachtschatten wollen die Welt zurückerobern. Der König will die Macht der Provinzfürsten für sich. Und Mellie will ihre Mutter rächen.

Im Übrigen besteht diese Welt vor allem aus Betrug, Verrat, Feigheit, Neid und Arroganz. Auch Grausamkeiten gibt es genug, und beleibe nicht nur auf Seiten der Nachtschatten! Die Beschreibungen sind nicht unbedingt detailliert ausgefallen, aber ausgesprochen drastisch. Wen spritzendes Blut eher abschreckt, der sollte sich überlegen, ob er dieses Buch wirklich lesen will.

Wer dagegen mit derartigen Szenen keine Probleme hat, dem kann ich das Buch durchaus empfehlen. Es bietet eine Vielzahl an Geheimnissen und Verwicklungen. Ana gerät auf ihrer Flucht immer wieder mal in Gefahr, ebenso wie Gerit. Allein die Konflikte, die in Craymorus‘ Wesen angelegt sind, lassen jede Menge Möglichkeiten offen, wie sich diese Figur entwickeln kann. Und ich gestehe, dass sowohl Gerit als auch Jonan mich am Ende des Buches überrascht haben und ich auf die Fortsetzung ziemlich gespannt bin.

_Claudia Kern_ lebt in Bonn und ist in vielen Bereichen tätig. Unter anderem ist sie Mitbegründerin von |Space View|, war Serienredakteurin beim Fernsehen, schreibt für Computerspiele und arbeitet als Übersetzerin. Auch für Conventions ist sie tätig, zum Beispiel für |FedCon|. „Sturm“ ist ihr Romandebüt und der erste Band ihres Zyklus |Der verwaiste Thron|, dessen zweiter Band „Verrat“ für Februar nächsten Jahres angekündigt ist.

|367 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-442-24420-1|
http://www.claudiakern.com
http://www.blanvalet-verlag.de

Sallis, James – Deine Augen hat der Tod

Der amerikanische Autor James Sallis wurde für seinen Thriller „Driver“ gerade mit dem Deutschen Krimi-Preis ausgezeichnet. Der Münchner Verlag |Liebeskind| veröffentlicht nun einen weiteren, deutlich älteren Roman des Autors. „Deine Augen hat der Tod“ erschien bereits 1997 als amerikanische Originalausgabe, also deutlich vor „Driver“. Die Frage, die bleibt, ist, ob Sallis damals auch schon so gut schrieb, dass das Ergebnis eine solche Auszeichnung rechtfertigt.

Hauptperson der Geschichte ist David, ein ehemaliger Geheimagent, der sich zur Ruhe gesetzt hat und ein friedvolles Leben mit seiner Freundin Gabrielle verbringt. Eines schönen Morgens erhält er einen Anruf seines ehemaligen Arbeitgebers, der ihn darum bittet, einen Agenten namens Luc Planchat zu eliminieren.

Planchat gehörte zum selben Ausbildungsjahrgang wie David und hat sich ebenfalls von der Agentur losgesagt. Trotzdem wurde er weiter beobachtet, und es scheint, als ob es in Planchats Leben ein paar Unregelmäßigkeiten gibt. Mysteriöse Mordfälle werden ihm in die Schuhe geschoben, und da Planchat zu den Besten gehörte, ist es nur schwer möglich, ihn aufzutreiben. Nur einer kann das: David. Obwohl er lieber weiterhin in Ruhe leben möchte, macht er sich auf den Weg. Er durchquert halb Amerika auf der Suche nach einem Phantom und kommt dabei immer wieder in heikle Situationen. Er weiß, er wird verfolgt, aber genau das wollte er erreichen …

„Deine Augen hat der Tod“ ist ein sehr komplexer Roman. Obwohl die Handlung ein wenig wie ein Roadmovie anmutet – und die Geschichte auch Züge davon aufweist -, handelt es sich letztendlich eher um die Charakterstudie eines Mannes, der von seiner Vergangenheit verfolgt wird und anstatt dagegen anzukämpfen eher resigniert wirkt. Auf noch nicht mal zweihundert Seiten packt der Autor neben dieser Charakterstudie außerdem eine überaus komplexe Handlung sowie Davids persönliche Gedanken und Erinnerungen – eigentlich Stoff für ein Buch, das mindestens doppelt so dick ist, und genau das ist des Pudels Kern.

Sallis reduziert alles, was die Geschichte ausmacht, auf das Nötigste. Beschreibungen von Situationen sind selten, die Schauplätze werden zumeist nur umrissen. Während Letzteres keinen wirklich störenden Effekt hat, sondern aufgrund seiner Intensität Lob verdient, ist Ersteres an mehr als einer Stelle störend. Um es ganz ehrlich zu sagen: „Deine Augen hat der Tod“ verlangt seinem Leser einiges ab. Durch die Kürze fehlt häufig Hintergrundwissen, das man sich nicht immer in ganzem Umfang erschließen kann, was wiederum dazu führt, dass einige Ereignisse unverständlich bleiben. Sie können nicht dem Handlungskontext zugewiesen werden, manchmal bleibt sogar unklar, was denn nun überhaupt passiert ist und wer die Beteiligten – neben David – waren. Bei manchen Autoren mag so etwas wie ein geschickter Schachzug aussehen, aber in diesem Fall gelingt es Sallis nicht, das Verhältnis zwischen vermittelten und zurückgehaltenen Informationen ausgewogen zu gestalten. Selbst nach erneuter Lektüre bleiben einige Fragen offen, und das ist nicht unbedingt der Königsweg, um einen Leser bei Stange zu halten.

Der Verzicht auf den Ballast hat allerdings auch eine positive Folge. Das Buch wird spannend, die Handlung schreitet flott voran und enthält keine Längen. Das ändert nichts an der Tatsache, dass das Geschehen häufig zu komplex ist für jemanden, der sich mit dem Procedere bei einer solchen Agentur wie Davids nicht auskennt. Einige Handlungen Davids wirken auf den ersten Blick seltsam. Er denkt nun mal immer noch wie ein Agent. Leider breitet Sallis viel zu wenig aus, was diese Denke ausmacht, so dass auch hier Fragezeichen zurückbleiben. Dass das Buch trotzdem einigermaßen verständlich und vor allem gut lesbar bleibt, ist vor allem Sallis‘ Schreibstil zu danken, gegen den man nun wirklich nichts einwenden kann.

Der Autor schreibt mit seinen 64 Jahren Lebenserfahrung sehr gewandt und – wenn man bedenkt, wie kurz er sich hält – geradezu virtuos. Sein Stil hat etwas ganz Eigenes, wenn man sich erst mal an die Einsilbigkeit, die vielen Sprachbilder und die Chiffriertheit gewöhnt hat. Er schöpft aus einem sehr großen Wortschatz und findet stets die treffenden Bezeichnungen, um mit wenigen Worten ein Bild vor dem inneren Auge des Lesers entstehen zu lassen. Ähnlich verhält es sich mit der Hauptperson. Das Wissen über David zieht der Leser hauptsächlich aus dem, was der ehemalige Agent denkt. Seine Gedanken werden, ähnlich einem inneren Monolog, auf den Buchseiten ausgebreitet. So etwas kann natürlich auch leicht danebengehen, aber Sallis‘ wortkarger, jedoch intensiver Stil sorgt dafür, dass David sehr viel Tiefe und Authentizität erlangt.

„Deine Augen hat der Tod“ ist eine zwiespältige Angelegenheit. Die Handlung ist sehr komplex, das Verständnis stellenweise mühsam zu erarbeiten. Auf der Habenseite steht allerdings ein Schreibstil, der unglaublich ganzheitlich, intelligent und ausgefeilt wirkt. Ob man das Buch letztendlich lesen will, ist sicherlich Geschmacksache. Wer ein Fan von undurchsichtigen Handlungen ist, wird sich hier wohlfühlen. Wer dagegen leicht verständliche, aber spannende Krimiliteratur bevorzugt, der sollte sich lieber nicht auf dieses Experiment einlassen.

|Originaltitel: Death will have your Eyes
Aus dem Englischen von Bernd W. Holzrichter
Gebunden, 192 Seiten
ISBN-13: 978-3-935890-56-4|
http://www.liebeskind.de

Kammerer, Iris – Varus

„Varus, gib mir meine Legionen zurück“, soll Kaiser Augustus gerufen haben, als er von der Vernichtung seiner drei Legionen im fernen Germanien hörte. Im Herbst 2009 jährt sich die [Varusschlacht]http://de.wikipedia.org/wiki/Varusschlacht zum zweitausendsten Male. Die Diskussion um den Schauplatz der Schlacht wird immer wieder kontrovers geführt. Die heutige Forschung favorisiert Kalkriese bei Bramsche im Landkreis Osnabrücks als den Ort, an dem die dreitägige Vernichtungsschlacht stattgefunden haben soll. Doch auch andere Landkreise und Gemeinden lassen die Diskussion um die Lokalisierung immer wieder aufleben.

Spektakulär und aufregend sind in jedem Fall die Funde an Waffen, Münzen, Ausrüstung und Alltagsgegenstände in Kalkriese, die auch dort im Museum zu bestaunen sind. Auch Knochen von Tieren und Menschen hat man in verschiedenen Gruben auf dem Gelände in der unmittelbaren Nähe eines künstlich errichteten Walles gefunden. Diese Schädel tragen eindeutige Kampfspuren – ein Beweis für die Theorie des endlich gefundenen Schlachtfeldes oder nur ein Indiz dafür, dass hier eine kleinere Gruppe von versprengten Legionären den Tod fand?

Als gesichert kann es angesehen werden, dass drei Legionen des Statthalters [Publius Quinctilius Varus]http://de.wikipedia.org/wiki/Publius__Quinctilius__Varus sowie Hilfstruppen und ziviles Personal, Handwerker, und auch der Tross des Zuges, der aus Frauen und Kindern der Legionäre bestand, bis auf wenige Überlebende abgeschlachtet wurden. Drei Legionen zusammen mit den Hilfstruppen (drei Reiterabteilungen und sechs Kohorten) entsprechen ca. 20.000 Mann, wie es die Quellenlage berichtet, dazu kommt noch der Tross mit mehreren tausend Zivilisten. Römische Historiker berichten von einer beispiellos grausamen Schlacht, in der keine Gnade gewährt wurde. Römische Offiziere, die lebend in die Hände der Germanen fielen, wurden als Blutopfer den germanischen Göttern geweiht. Es gehörte wohl zur Strategie des Arminius, die besiegten Gegner abzuschrecken.

Die eigentliche Frage, die sich stellt, ist jedoch: Wie konnte diese Vereinigung der germanischen Stämme, die auch untereinander, alles andere als friedlich miteinander umgingen, gelingen? Welch tiefes Vertrauen muss Varus gegenüber [Arminius]http://de.wikipedia.org/wiki/Arminius – der immerhin die römische Staatsbürgerschaft besaß und dort den Rang eines Ritters innehatte – empfunden haben, galt Varus doch als politisch erfahrener Stratege, der schon im fernen Osten ein Gebiet sozusagen ‚befriedet‘ hatte? War es Blindheit, Dummheit oder pure Arroganz und Überheblichkeit?

Die Autorin Iris Kammerer hat sich in ihrem Roman „Varus“, erschienen im |Heyne|-Verlag, genau diese Frage gestellt und nach einer Antwort darauf gesucht.

_Inhalt_

Im Herbst des Jahres 9 n. Chr. war Germanien mit seinen vielen unterschiedlichen Stämmen zwar nicht befriedet, aber doch von der römischen Weltmacht unterworfen. Es entstanden die ersten Siedlungen, die sich später zu großen Städten entwickeln sollten, z. B. Bonna (Bonn), Confluentes (Koblenz) und Bingium (Bingen). Germanische Hilfstruppen dienten an der Seite der römischen Legionen, und selbst junge Anführer aus den Reihen der Germanen erhielten hohe Dienstgrade, Macht und Geld, so dass sie juristisch faktisch römische Bürger, gar Ritter wurden.

Arminius, ein Fürst der Cherusker, wurde schon als Jugendlicher den Armen seiner germanischen Eltern entrissen und als Geisel einer römischen Erziehung unterzogen. Als ausgebildeter römischer Offizier erkämpfte er sich in einigen Feldzügen Loyalität und hohes Ansehen in den Augen seiner Vorgesetzten und Gönner. Trotz seiner militärischen Ausbildung und seiner in Kämpfen erlernten römischen Strategien und Taktiken vergaß er doch nie seine cheruskerischen Wurzeln.

Als er den römischen Staathalter Publius Quinctilius Varus in Germanien kennenlernte, gewann er nach und nach das Vertrauen des älteren und erfahrenen römischen Senators und Politikers. Varus setzte in Germanien unter seinem Oberbefehl strikt seinen eigenen Willen durch; Gesetze, Steuern und Tribut wurden von den Stämmen eingefordert, und ehemalige Bundesgenossen wurden durch die Repressalien zunehmend kritischer und unzufriedener.

Als Segestes, ebenfalls ein Fürst der Cherusker, Varus davor warnt, dass germanische Fürsten vereint unter Arminus den Aufstand gegen die römische Besatzung planen, glaubt Varus ihm kein Wort. Im Gegenteil, er wird sogar ärgerlich, und auch seine hellhörigen Stabsoffiziere, die diese Warnung ernster als der Statthalter nehmen, werden ignoriert. Selbst als Varus den vermeintlichen Verräter zur Rede stellt und dieser die Anklage ins Lächerliche zieht, kommen dem Statthalter keine Zweifel.

Annius, ein ehemaliger römischer Legionär, der nach einer Verletzung nun als Schreiber im Generalsstab tätig ist, findet ebenfalls Hinweise und ihm fallen Merkwürdigkeiten auf, und auch einzelne ihm bekannte Offiziere sehen sich hilflos einem möglichen Aufstand ausgesetzt. Als Annius Mitleid mit der germanischen Sklavin Thiudgif hat und diese bei einem Würfelspiel gewinnt, sieht er endlich in seinen Leben wieder eine Aufgabe, vielleicht sogar eine Zukunft, für die es sich zu leben lohnt.

Trotz aller Warnungen, Anzeichen, Hinweise und laut ausgesprochenen Zweifeln der Offiziere setzt sich Varus durch und zieht mit seinen drei Legionen und den germanischen Hilfstruppen in das Winterhauptquartier in der Nähe von Xanten. Langsam und schwerfällig setzen sich die Legionen mitsamt dem Tross in Bewegung. Der Weg ist beschwerlich und führt über schmale Pfade durch Moore und an Sümpfen vorbei. Dichte Wälder machen es unmöglich, das Gelände strategisch klug überblicken zu können. Hinzu kommt noch der anhaltende Regen, der die Wege schlüpfrig und die Kleidung der reisenden Legionen schwer und klamm macht.

Es kommt zu schweren Kämpfen, die Nachhut der Legionen wird immer wieder in kleinere Kämpfe verwickelt. Germanische Bogenschützen nehmen aus dem Schutz der Wälder heraus den Tross und die Soldaten unter Beschuss und machen keinen Unterschied zwischen Römern und Germanen, die als Angehörige den Zug begleiten.

Diese Taktik erschrickt die römischen Veteranen, und sie ahnen, dass sich die Warnungen des Segestes nun bewahrheiten. Das mitgeführte Kriegsgerät und die Wagen mit Materialien für eventuelle Befestigungsanlagen werden von den aufständischen Germanen vernichtet. Angst macht sich breit, nicht nur unter den Legionären, denn auch ihre Frauen und Kinder sind Ziel der brutalen und rücksichtslosen Angriffe, die oftmals aus dem Hinterhalt kommen.

Auch Annius wird in die Kämpfe verstrickt und muss sich vom Tross und von Thiudgif trennen, um einen letzten Befehl des Varus zu befolgen. Thiudgif dagegen flieht zusammen mit einer Schar Frauen in die Wälder, um auf eigene Faust entweder zu ihrem Vater zu gelangen oder aber eine römische Festung erreichen zu können. Die Verluste an Soldaten und Ausrüstung nehmen dramatisch zu, und durch einen Boten des Arminius wird Varus nun auch klar, dass er zusammen mit über 20.000 Männern, Frauen und Kindern mit einer gnadenlosen Schlacht konfrontiert werden wird, die in einer tödlichen Falle enden muss, und er allein ist dafür verantwortlich …

_Kritik_

Iris Kammerer hat der Tragödie um Varus eine erzählerische Wucht verliehen, die unter die Haut geht. Eher langsam, aber vielseitig konfrontiert sie die Leser mit dem Verdacht eines Verrats und führt ihre dramatischen Protagonisten konzentriert und wohlüberlegt in die Handlung ein.

Aus fast jeder Perspektive kommen die Einzelschicksale vor dem Leser zur Entfaltung. Annius, der sich nach Ruhe innerhalb einer Familie sehnt und nach seiner Verletzung noch immer nicht weiß, welchen Weg er gehen muss, ist genauso verloren wie seine Vertraute Thiudgif, die zwischen den Kulturen leben muss und langsam ihre Sympathie für den Feind entdeckt. Anfänglich wirkt sie hilflos, verloren, unselbständig, aber mehr und mehr gewinnt sie an Selbstvertrauen hinzu, und als sie auf der Flucht in die Wälder eine Gruppe von Frauen anführt, erwachen ihre Stärke und ihr couragiertes Selbstbewusstsein.

In vielen kleinen Nebensequenzen wird dem Leser aus der Sicht von römischen Offizieren die Verzweiflung und die Angst bildlich vor Augen geführt, wenn beispielsweise ein Speerhagel auf die römischen Legionäre niedergeht oder der fast hilflose Tross unter vielen zivilen Opfern aufgerieben wird. Die Handlung, die stets spannende Dialoge bereithält, wechselt auch immer wieder in die Perspektive der kämpfenden römischen Soldaten, die atemberaubend geschildert wird.

Es gibt Momente im Buch, die den Schrecken in unserer Fantasie zum Leben erwecken. Sicherlich fehlen uns Zeitzeugen und Texte, welche die Grausamkeit dokumentieren, die die Legionäre erleben mussten, aber Iris Kammerer fängt die wahrscheinlichsten Empfindungen auf und beschreibt diese so atmosphärisch dicht, dass man fast glauben mag, selbst diese Hoffnungslosigkeit zu empfinden. Aber nicht nur die Kampfszenen, die im Detail erzählt werden, sind spannend dargestellt, sondern ebenso die Dialoge der Offiziere und einfachen Legionäre.

Arminius, der ja in seiner militärischen Laufbahn die Taktik und die Strategie der römischen Militärmacht kennengelernt und selbst erlernt hat, weiß auch um ihre Fehler und Schwächen. Selbst die psychologische Komponente ist ihm dabei nicht fremd, und er setzt gerade dieses Element skrupellos, aber bewusst ein. Eine Szene soll Beispiel von dieser Kampfsituation geben: Man stelle sich vor, es ist Nacht und die Legionen haben mehr schlecht als recht in dem unwegsamen Gelände versucht, ein Lager zu errichten; der Wald ist nur wenige hundert Meter entfernt, es regnet und ist stockfinster. Im Schein von Fackeln sieht man am Waldrand die Leichen der Frauen und Kinder in den Bäumen im Wind schaukeln, man hört die Schmerzensschreie von Frauen und Kindern, die vielleicht die eigenen sind; unter Folter werden diese verstümmelt und zur Schau gestellt. Die Legionäre können nicht viel tun; hilflos, wütend und erschreckt stehen sie erstarrt da und lauschen den letzten Lauten hilfloser Angehöriger. Ein Römer fragt den anderen: „Woher haben sie diese Grausamkeiten?“ Woraufhin der römischer Gesprächspartner und Freund leise erwidert: „Von uns!“ Wenig später werden die campierenden römischen Truppen von erbeuteten Katapulten mit Leichenteilen der Gefangenen beschossen.

Was diese Menschen durchmachten mussten in dieser mehrtägigen Schlacht, können wir uns nicht vorstellen, aber Iris Kammerer formt den Schrecken in erzählerischen Bildern, obwohl die Wahrheit noch schrecklicher gewesen sein mag, wenn wir den Historikern Glauben schenken möchten.

„Wer Wind sät, wird Sturm ernten“ – das ist eine Botschaft, die deutlich auch in „Varus“ transportiert wird. Die Eroberungspolitik und der Versuch, fremden Ländern seine Politik, Religion und gesamte Kultur aufzuzwingen, kann einfach kein gutes Ende nehmen. Die Selbstkritik der römischen Protagonisten und die Erkenntnis begangener Fehler treten auch in diesem Roman sehr hervor.

Für manche Menschen mag Arminius – oder „Hermann“ wie er manchmal genannt wird – ein Held sein, ein heroischer Freiheitskämpfer, der sich der Besatzungsmacht entledigte. Diese Meinung allerdings wird im vorliegenden Buch nicht vertreten. Arminius wird ohnedies nur wenig Raum gegeben, was auch gut so ist. In „Varus“ geht es primär um den titelgebenden Feldherrn, dessen Fehler, Dummheit oder Überheblichkeit tausende von Menschen das Leben kostete. Es geht aber auch um die Legionäre als Menschen, die feststellen, dass sie die nächsten Tage nicht überleben werden. Für Arminius empfindet man keinerlei Sympathie oder gar Verständnis, zu deutlich sind die von ihm hervorgerufenen Schrecken. Trotzdem weist die Autorin aber auch daraufhin, dass die Römer alles andere als unschuldig sind. Diese Botschaft hat Frau Kammerer wirklich großartig übermittelt.

Einziger kleiner Kritikpunkt ist, dass nicht erzählt wird, wie es weitergeht nach der Varusschlacht, welche Politik und welche Reaktionen es nach dieser Tragödie gibt und welchen weiteren Weg Arminius geht. Aber das könnte auch noch Inhaltsstoff für weitere Romane ergeben, auch wenn Frau Kammerer diese Geschichte eigentlich nicht weitererzählen möchte, beispielsweise aus der Sicht des Cheruskerfürsten Arminius. Wer mehr über die Zeit nach der Schlacht erfahren möchte, dem empfehle ich die Trilogie um den Tribun Cinna, der vor der eigentlichen Schlacht von Germanen gefangen genommen und festgehalten wird.

_Fazit_

„Varus“ ist ein historischer Roman, der wirklich gut anhand der vorliegenden Quellen recherchiert und erzählt wurde. Er ist abwechslungsreich und spricht mit einer atmosphärischer Stimme, die nicht zu überhören ist. „Varus“ ist kein leiser Roman, sondern ein Buch, das zwar Unterhaltung bietet, aber doch vielschichtig, informativ und spannend auf Aktion und Reaktion eingeht. So still auch die Einleitung zunächst erscheinen mag, so explosiv wuchtig eskaliert die Erzählung im Hauptteil, und auch der Schlussakt bildet ein gutes und nachvollziehbares Ende. Ein Nachwort, eine kleine Zeittafel und Erklärungen von Waffen und Ausrüstung sowie Alltagsgegenständen runden den Roman hervorragend ab.

Im Lauf der nächsten Monate wird es viele Romane, Sachbücher und auch Reportagen über die „Varusschlacht“ geben, die immer noch Stoff für Mythen, Legenden und geschichtlichen Überraschungen bereithält. „Varus“ von Iris Kammerer kann ich zu diesem Thema beruhigt weiterempfehlen, denn die Autorin versteht es, erzählerische Freiheiten mit Fakten zu vermischen, ihrer Leserschaft Hochspannung zu kredenzen und im Leser das Interesse daran zu wecken, mehr über das Schicksal des Publius Quinctilius Varus zu erfahren.

_Die Autorin_

Iris Kammerer, 1963 in Krefeld geboren, arbeitete nach dem Studium der Klassischen Philologie und Philosophie als Texterin, Redakteurin und Beraterin. Seit 2004 ist sie freie Autorin. Bisher erschienen die erfolgreiche Trilogie um den römischen Offizier Cinna („Der Tribun“, „Die Schwerter des Tiberius“ und „Wolf und Adler“) sowie der im Mittelalter angesiedelte Roman „Der Pfaffenkönig“. Iris Kammerer lebt zusammen mit ihrem als Sachbuchautor tätigen Mann Helmut Kammerer in Marburg.

|Taschenbuch, 464 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-47089-7|
http://www.iris-kammerer.de/
http://www.heyne.de

Crown, Ellen B. – Top Secret 1: Herz aus Eis

_Besetzung_

Erzähler: Klaus D. Klebsch
Jade Morgrave: Christine Pappert
W. Ashton Rawleigh: Thomas Karallus
Charles Desmond: Wolfgang Condrus
Mr. Barker: Andreas Borcherding
Ramon Gúajero: Walter v. Hauff
Miguel Lopez: Wolfgang Bahro
Carlos Sanchez: Michael Scherntaner
Sheriff: Norbert Gastell
Lt. Sergej Vechayew: Peter Groeger

Buch & Idee: Ellen B. Crown
Bearbeitung: Marc Chainiaux / Peter Brandt

_Story_

Vor einer Insel im Pazifik wird in der abgetrennten Hand eines auf merkwürdige Art und Weise umgekommenen Drogenschmugglers die Marke eines seit nunmehr 40 Jahren vermissten Kriegsstrategen entdeckt. Dieser Umstand ruft die Organisation Trinity auf den Plan, die sich eigenartigen Phänomenen wie diesem verschrieben hat und nun zwei ehemalige Agenten rekrutiert, um der Sache nachzugehen. Doch die widerspenstige Jade Morgrave und der ewige Störenfried Ashton Rawleigh lassen sich nicht so leicht in die Dienste des Unternehmens stellen. Erst mit Nachdruck kann Mr. Baker, die rechte Hand von Firmenchef Charles Desmond, die beiden überzeugen, ihr bisheriges, chaotisches Leben hinter sich zu bringen und wieder für die Regierung zu arbeiten.

Als das Duo schließlich nach Südamerika aufbricht, sammeln sich einige Ungereimtheiten um das eigentliche Projekt. Morgrave und Rawleigh begeben sich in Lebensgefahr und stellen ihre Auftraggeber in Frage. Doch in Wirklichkeit ist es etwas ganz anderes, das die heimliche Inselidylle aus der Ruhe bringt …

_Persönlicher Eindruck_

Mystery-Serien und finstere Thriller mit übersinnlichen Inhalten sind derzeit das Top-Thema auf dem Hörspielmarkt, jüngst wieder bestätigt in der Kai-Meyer-Adaption „Die Alchimistin“, deren üppige Ausstattung und majestätische Gestaltung in diesem Jahr gänzlich neue Standards in der Szene gesetzt hat. Derartige Entwicklungen sind auch in der Hörspiel-Schmiede der |vghaudio| und |Maritim-Produktionen| nicht spurlos vorbeigezogen. Neben den vielen Kriminalformaten, mit denen sich der Verlag in letzter Zeit einen Namen gemacht hat, erscheint nun mit „Top Secret“ ebenfalls eine eher düstere Thriller-Reihe, die jedoch in einem äußerst modernen Setting angesiedelt ist. „Akte X“ im Hörspielformat? Nicht ganz, aber so ähnlich …

In Sachen Aufbereitung und Inszenierung knüpft „Top Secret“ jedenfalls schon einmal an die wichtigsten Vertreter der Zunft an und glänzt mit effektvollen Sounds, einer ansprechenden musikalischen Untermalung und ambitionierten Sprechern. In der Auftaktstory „Herz aus Eis“ hat man sich auch direkt ein recht interessantes Thema ausgesucht und es mit den Inhalten einer modern aufbereiteten Kriminal-/Thriller-Handlung kombiniert. Drogenschmuggel, verschollene Persönlichkeiten, zwei ignorante, zunächst weniger sympathische Agenten in der Rolle des Hauptdarstellers und eine Spur Übersinnliches – hier treffen schon einmal ein paar Welten aufeinander, die im literarischen Bereich oftmals getrennt voneinander agieren.

Aber auch die Strukturierung ist bewundernswert dynamisch. Rasche Szenenwechsel, in diesem Rahmen eine ziemlich ausführliche Einführung von Personen und der Organisation, die auch in den kommenden Serientiteln noch eine Rolle spielen wird, und dazu dezente Andeutungen zu Hintergründen und Komplexen, ohne dabei jedoch schon aufs Ganze zu gehen. Schritt für Schritt wird hier ein spannendes Konzept erstellt, in dem langsam aber sicher alle Darsteller ihren Platz finden und welches sich schon zu Beginn als Storyboard für einen potenziellen Mehrteiler vorstellt, ohne dabei jedoch die eigentliche Tragweite der Handlung bewusst zu machen. Hier ist nämlich dann doch das entscheidende Manko von „Herz aus Eis“: Der Detailreichtum ist so immens groß, dass die Geschichte es zum Ende hin kaum mehr schafft, alle Inhalte konsequent abzuarbeiten. Während man sich nämlich in langsamen Schritten auf ein großes Finalszenario vorbereitet, muss man irgendwann verbittert feststellen, dass die Story abrupt und ohne irgendeine Form von Vorwarnung endet – und das kann, zumindest in dieser Form, kaum akzeptiert werden.

Unverständlich ist das rasche Ende der Handlung vor allem vor dem Hintergrund der allgemein knappen Spielzeit. Da wird eine komplette Halbzeit dafür aufgebracht, Rawleigh und Morgrave zu überreden, ins Team einzusteigen, hierbei werden ferner auch manche nutzlosen Dialoge integriert, und wenn es schließlich drauf ankommt, das Konstrukt schön weit aufzuspannen und die Spannung zum Siedepunkt zu bringen, entscheidet sich die Autorin dazu, erst gar nicht mehr in die Tiefe zu gehen und quasi mittendrin abzubrechen. Seltsam, aber leider wahr!

Aus diesem einzigen Grund ist der Auftakt zur neuen Serie im Grunde genommen schon ein klassischer Fehlstart. Viele gute Ansätze werden mit der urplötzlich aufgeworfenen Endsequenz ebenso wieder begraben wie das richtig kraftvolle Potenzial des Plots. Dabei hat „Top Secret“ wirklich alles, was ein gutes Hörspiel benötigt: gute Sprecher, ein funktionierendes Gerüst und einen Hang zur Perfektion bei der Inszenierung. Warum wurde also bei der Ausarbeitung der Story zum Ende hin gespart? Tja, diese Frage kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Dennoch: Schade um die zunächst vergebene Chance, eine gute neue Serie mit einem Paukenschlag zu eröffnen.

|50 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-86714-141-3|
http://www.maritim-produktionen.de/

Marc Levy – Kinder der Hoffnung

Frankreich, 1940. Das Land ächzt unter der Besatzung der Militärmacht Deutschland unter der Führung der Nationalsozialisten. Als Frankreich besiegt und ein Waffenstillstand vereinbart wurde, schlug die Geburtsstunde der Widerstandsbewegungen in Frankreich, der Résistance. Sie kämpfte gegen die deutsche Besatzungsmacht und kollaborierenden französischen Institutionen und auch gegen Sympathisanten innerhalb der Bevölkerung. Die Résistance war hervorragend und streng organisiert. Es gab innerhalb der Widerstandsbewegung kleinere operierende Gruppen, die Bahn- und Nachschubverbindungen sabotierten, Anschläge auf Soldaten und Offiziere verübten sowie Kasernen und Stützpunkte zerstörten.

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