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Peinkofer, Michael – Erben der schwarzen Flagge, Die

Seit dem Film [„Fluch der Karibik“]http://www.powermetal.de/video/review-369.html mit Johnny Depp in seiner hervorragenden schauspielerischen Darstellung des etwas schrulligen und sonderbaren Käpt’n Jack Sparrow hat das Piratengenre eine wahre Wiederbelebung durchgemacht. In der Literatur kennen wir natürlich den Piraten „John Long Silver“ von Stevensons „Schatzinsel“, auch der immer bekanntere Freibeuter Klaus Störtebecker entführt den Leser in eine wilde, freie und ab und an romantische Abenteuergeschichte voller Gefahren, Schätze und Liebe.

Trotzdem bleibt dabei immer etwas Mystisches und Sagenhaftes im Verborgenen. Die Geschichtsschreibung weiß im Grunde nicht viel über die Piraterie, auch wenn es diese schon seit Anbeginn der Seefahrt geben mag. Fakten und Mythen vermengen sich unzertrennlich und bilden so den Stoff für Romane und Filme, die fast schon zur Tradition nicht nur unserer Kindheit gehören.
Einige Romane lassen sowohl den historischen Kontext als auch die klassische Abenteuergeschichte geradezu aufblühen, und schon entstehen Erzählungen, die geradezu Seemannsgarn sind.

Die karibische See ist oft und gerne Schauplatz einer Piratengeschichte, siehe „Fluch der Karibik“. Auch der Film beherbergt durchaus historisch einwandfreie Fakten. Tortuga und Port Royal waren im späten 17. Jahrhundert wirklich Piratenstädte, fernab von der Zivilisation mitsamt ihren Gesetzen und ihrer Gerichtsbarkeit.

Der deutsche Autor Michael Peinkofer hat mit „Die Erben der schwarzen Flagge“ einen solchen Piratenroman veröffentlicht.

_Die Story_

Die karibische See im späten 17. Jahrhundert. Spanien ist zur Weltmacht geworden, auch zu einer beeindruckenden Seemacht und führt immer wieder Kriege mit anderen europäischen Ländern, um die alleinige Macht in den Weltmeeren zu erreichen. Spanien hält verschiedene Kolonien in der Karibik, wo Kriegsgefangene und Sklaven brutale Frondienste leisten müssen.

Nick Flanagan ist einer dieser Sklaven, und zusammen mit vielen anderen Männern aus aller Herren Länder muss er für die Spanier Silber abbauen. Ein Menschenleben zählt nichts in den Sklavencamps von Maracaibo, und die meisten Gefangengen verlassen das Lager nicht lebend. An Flucht von dieser Insel ist nicht zu denken, und so geben sich die gefangenen Sklaven selbst auf.

Nick Flanagan, der schon seit seiner Kindheit ein Sklave ist, verfolgt nur ein einziges Ziel: die Flucht aus dem Sklavencamp. Als sein Vater durch die körperliche Anstrengungen und brutalen Misshandlungen durch die Aufseher immer schwächer wird, tötet Nick einen der Peiniger. Der Gouverneur der Insel lässt die Tat nicht ungestraft und den Vater von Nick zu Tode foltern, als Strafe und Mahnung für die anderen.

Kurz vor der Folter, im Gefängnis, löst der Ziehvater die Geheimnisse um die Herkunft von Nicks Träumen und Erinnerungen auf, und nimmt ihm das Versprechen ab, seiner Bestimmung zu folgen, um herauszufinden, wer seine wirklichen Eltern waren. Nick gelingt eines Tages zusammen mit seinem besten Freund die Flucht aus dem Sklavencamp und sie treffen auf Bukaniere – auf Piraten, denen sie sich anschließen.

In der karibischen See erzählt man sich von einem Fluch, einen Piraten mit dem Namen Bricassart, der unsterblich sein soll und im Besitz eines schwarzen Schiffes ist, der |Leviathan|. Dieser ist eine große Gefahr für die Galeonen, welche die Schätze der Neuen Welt ins spanische Königreich bringen sollen, und auch Nick, der inzwischen für die Spanier zu einer ernsthaften Gefahr auf den Handelsrouten geworden ist, wird zum Ziel des geheimnisumwitterteren Freibeuters.

Nick, inzwischen zum gewählten Kapitän bei den Bukanieren geworden, kann die zwölf Jahre in Sklaverei nicht vergessen und fasst einen Entschluss. Zusammen mit seiner Mannschaft will er zurück nach Maraciabo, um die Sklaven zu befreien und den Gouverneur der Insel seines wertvollsten Schatzes zu berauben, seiner Tochter Elena; diese soll im Austausch für Lösegeld als Geisel der Seeräuber dienen.

Der Gouverneur aber ist nicht gewillt, das Lösegeld zu zahlen, stattdessen verbündet sich dieser mit dem berüchtigten Seeräuber Bricassart, um Nicks habhaft zu werden, doch Bricassart hat seine ganz eigenen Pläne.

_Kritik_

Es gibt durchaus Parallelen zu „Fluch der Karibik“, wie man leider deutlich erkennen kann. Der Autor Michael Peinkofer bediente sich dafür bei den klassischen Instrumenten dieses Genres: Rache, Leidenschaft, Liebe und auch des schwarzen Zaubers des Voodoo.

„Die Erben der schwarzen Flagge“ ist ein unterhaltsamer Abenteuerroman, den man zwischendurch lesen mag, aber den man genauso schnell auch wieder vergisst. Die Charaktere, allen voran Nick Flanagan, sind gar typisch gezeichnet – schwarz und weiß, gut und böse. Die Erzählungen rund um die Piraterie mitsamt ihrer Gefechte auf See, ihrer Fechteinlagen und den unverzichtbaren Liebesschwüren sind pure Unterhaltung, ohne wirklich den Leser fesseln zu können.

Einzig und allein die Passagen, in denen der Pirat Bricassart die Hauptrolle spielt, haben mich fasziniert und ein wenig fesseln können. Dieser Charakter hätte meiner Meinung nach viel weiter und noch mysteriöser ausgebaut werden können.

Der Roman birgt keine Überraschungen, nicht einmal bezieht er sich auf wirklich gut recherchiertes Material. Gerade ein historischer Roman sollte doch dieser Erwartungshaltung gerecht werden. Einzig und allein die Schauplätze und Regionen hat Michael Peinkofer gut recherchieren können. Wie schon in der Einleitung erwähnt – Port Royal und Tortuga waren Piratenstädte, doch keine Person in „Die Erben der schwarzen Flagge“ ist historisch verbürgt.

Die Geschichte entwickelt sich von Kapitel zu Kapitel haarsträubend voraussehbar und übertreibt zum Schluss des Romans noch mit aberwitzigen, phantastischen Einlagen, die mich noch mehr enttäuscht haben.

Für einen Piratenroman ist „Die Erben der schwarzen Flagge“ abschließend beurteilt eher schlecht und wenig kurzweilig. Es gibt weitaus bessere, z. B. von Wilbur Smith. Hier wird man eher fündig.

_Michael Peinkofer_ studierte in München Germanistik, Geschichte und Kommunikationswissenschaft. Ab 1995 arbeitet er als freier Übersetzer, Autor und Filmjournalist. Bekannt wurde Michael Peinkofer durch den Roman [„Die Bruderschaft der Runen“. 1024

http://www.bastei-luebbe.de

Sidor, Steven – Skin River

Seit anderthalb Jahren ist Buddy Bayes Besitzer der Black Chimney Tavern. Außerhalb Gunnars, einer kleinen Stadt im Nordosten des US-Staates Wisconsin einsam gelegen, ist die Kneipe ein beliebter Treffpunkt für Urlauber, Jäger und Fischer. Sie ist aber auch ein Versteck für Bayes, der in seiner Heimatstadt Chicago den Gangster Red um viel Geld betrogen hat und sich nun verborgen halten muss, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Buddy hat sich eingelebt und in der jungen Mutter Margot auch eine Freundin gefunden; er ist zufrieden.

Natürlich meidet er tunlichst öffentliche Aufmerksamkeit. Daher ist es schlecht, dass ausgerechnet er die Überreste der jungen Melissa Teagles im Skin River treibend findet. Sie ist dem „Ziegenhäuter“ in die Hände gefallen, einem psychopatischen Serienkiller, der seine Opfer mit dem Messer jagt und zerlegt. Die Existenz eines unsichtbar bleibenden Killers, der womöglich zu den Einheimischen gehört, übersteigt das Verständnis des kriminalistisch nur bedingt fähigen Sheriffs Glen Rafferty. Er hält sich an Buddy Bayes, den Neuling in der Gemeinde, der sich ihm als Verdächtiger anbietet.

Notgedrungen muss sich Bayes selbst als Detektiv versuchen. Leider fehlt ihm jede Erfahrung. Seine ungeschickten Ermittlungen bringen den düpierten Red und seine Schergen auf seine Spur. Sie wollen das unterschlagene Geld, und sie wollen Bayes strafen. So wird der Kneipenwirt plötzlich von zwei Seiten unter Druck gesetzt. Zu allem Überfluss wird der „Ziegenhäuter“ auf Bayer aufmerksam. Er stellt ihm eine Falle und plant seine Form von Vergeltung, denn er hat ein Auge auf Margot geworfen …

Solche Thriller liest man gern: Eine einfache und bewährte Story wird mit diversen Hakenschlägen in einen rasanten Thriller verwandelt. „Skin River“ ist stets für eine Überraschung gut. Der Plot wird ordentlich gegen den Strich gebürstet: Die Hauptfigur selbst ist es, die ihren Untergang einleitet. Längst hat der von ihm gefoppte Gangster seine Niederlage als böse Erfahrung abgehakt – er denkt gar nicht daran, seine Zeit damit zu vergeuden, nach Buddy zu suchen. Der hat sich völlig unnötig in der Wildnis eingegraben und tritt jetzt denkbar ungeschickt seinem Gegner noch einmal auf die Füße.

Auf dieser Welt geht eben schief, was schiefgehen kann. „Murphys Gesetz“ ist ein wichtiges Element dieses Romans. Kein Zufall ist so irrwitzig, dass es ihn nicht geben könnte. Bemerkenswerterweise erscheint dem Leser dies nie seltsam, übertrieben oder unlogisch: Sidor hat seine Geschichte vor allem in ihren ersten beiden Dritteln fest im Griff.

Danach wird das bisher so dichte Handlungsgefüge ein wenig löchrig. Der Verfasser muss einen Weg finden, die einzelnen Fäden seiner Story, die er so kundig gesponnen hat, für das Finale zu einem soliden Knoten zu verknüpfen. Hier zeigen sich leichte Schwächen, denn Sidor wählt den einfachen Weg und inszeniert eine wilde Verfolgungsjagd, die einerseits in eine mörderische Abrechnung zwischen Bayes und dem Gangster und andererseits in der Entlarvung des „Ziegenhäuters“ mündet. Das ist wiederum sehr spannend, aber nicht raffiniert.

Das trifft auch auf die Figurenzeichnung zu. Selten treten uns die Protagonisten eines Thrillers so plastisch vor das innere Auge wie hier. Mit Buddy Bayes hat Sidor einen zwielichtigen „Helden“ geschaffen. Anfänglich schildert er uns einen sympathischen Zeitgenossen, der mit seiner verbrecherischen Vergangenheit abgeschlossen hat. Bayes hat einen Schurken betrogen, das ist ja nicht so „schlimm“. Nun führt er eine Kneipe, kommt gut mit seinen Gästen aus und knüpft sogar zarte Bande zu einer schönen Frau.

Dann holt besagte Vergangenheit ihn nicht etwa ein. Bayes weckt sie, denn er hat noch eine zweite, deutlich düsterere Seite. Wenn er in Chicago prüft, ob man ihm auf den Fersen ist, kommt plötzlich der „alte“ Bayes zum Vorschein – ein gewiefter Krimineller, für den Gewalt ein alltägliches „Instrument“ ist. Dieser Bayes droht, schlägt und schießt. Er ist deshalb kein Psychopath, sondern erledigt nüchtern seinen „Job“. Erst weil wir diesen Bayes kennen gelernt haben, erscheint uns die gewaltige Schießerei in und um Buddys Kneipe nicht unwahrscheinlich: Die Situation ist nicht unbedingt neu für unseren bedrängten Mann, und deshalb meistert er sie.

Die zweite zentrale Gestalt des „Skin River“-Dramas ist der „Ziegenhäuter“, ein Psychopath der ganz finsteren Sorte. Sidor schildert ihn erfreulich realistisch nicht als diabolisch genialen Übermenschen, der auf überkomplizierte Art killt und quasi nebenbei die verfolgende Polizei mit sardonischen Scherzen neckt. Sein „Ziegenhäuter“ ist ein Mensch, der von seinem dunklen Trieb beherrscht wird. Mit diesem Drang hat er sich arrangiert, er ist ein „organisierter“ Serienmörder, der seine Spuren verwischt und es im Laufe vieler Jahre auf eine bedrückend beeindruckende Jagdstrecke gebracht hat, ohne auch nur in Verdacht zu geraten.

Doch seine psychische Situation ändert sich. Sidor schildert einen „Ziegenhäuter“, der die Kontrolle über sich zu verlieren beginnt. Die inneren Stimmen in seinem Kopf werden so laut, dass er sich nicht mehr darauf konzentrieren kann, seine Tarnung als liebenswert unkonventioneller Außenseiter in der Gemeinde Gunnar aufrechtzuerhalten. Er wird schlampig, versteckt seine Opfer nicht mehr, sondern präsentiert sie. Größenwahn erfüllt ihn. So würde er sich irgendwann sogar dem engstirnigen Sheriff Rafferty verraten, doch da ist Buddy Bayes. Zwar ist der „Ziegenhäuter“ verrückt, doch dumm ist er nicht. Deshalb legt er falsche Spuren, die Bayes in Verdacht geraten lassen.

Schließlich erfolgt der geistige Zusammenbruch so schnell, dass dem „Ziegenhäuter“ solche Schlichen und seine Maske gleichgültig werden. Der Wahn beherrscht ihn vollständig. Diesen Prozess weiß Sidor eindringlich zu schildern. Der „Ziegenhäuter“ ist auf der einen Seite selbst ein Opfer. Die berühmt-berüchtigte „gestörte Kindheit“ hat ihn geprägt und die Saat für seinen Krankheit gelegt. Auf der anderen Seite ist der „Ziegenhäuter“ womöglich ein Psychopath von Geburt an. Sidor legt sich hier nicht fest und folgt damit der Forschung, die weiterhin nicht wirklich weiß, wie ein Serienmörder „entsteht“ oder „funktioniert“.

Zu guter Letzt bleibt vom „Ziegenhäuter“ nur das groteske Zerrbild eines Menschen. Sidor schildert ihn etwa wie den alten Ed Gein, den berüchtigten Mörder und Leichenschänder, der u. a. als Vorbild für den Horrorfilmklassiker [„Texas Chainsaw Massacre“]http://www.powermetal.de/video/review-58.html diente. Seine letzten Jahre verbrachte Gein in einem Sanatorium für geisteskranke Kriminelle: ein geistig zerbrochener, täuschend friedlicher Mann, der nach Ansicht seiner Ärzte jedoch weiterhin von seinen Dämonen getrieben wurde. Der „Ziegenhäuter“ ist so wahnsinnig geworden, dass sich die in ihm aufgestaute Gewalt nicht mehr gegen unschuldige Opfer, sondern gegen sich selbst entlädt: Die Bestie zerstört sich selbst.

Auch den Randfiguren schafft Sidor detaillierte Biografien. Hier übertreibt er es in seinem Eifer allerdings, denn der Aufwand lohnt sich nur bedingt. So wichtig werden Figuren wie Sheriff Rafferty, Margot oder Gangster Red nicht, dass sie uns so aufwändig vorgestellt werden müssten. Andererseits fällt auch hier auf, wie geschickt der Autor Klischees vermeidet. Er vervollständigt damit das erfreuliche Bild eines Thrillers, der es keineswegs verdient, im Meer jener Durchschnittskrimis zu versinken, die Monat für Monat auf den deutschen Buchmarkt geworfen werden. Das kann leider leicht geschehen, denn sowohl die Aufmachung als auch der alles und gleichzeitig nichts sagende Covertext verschleiern erfolgreich, welches Kleinod hier auf seine Leser wartet!

Viel ist noch nicht bekannt über Steven Sidor, der bisher nur zwei Romane geschrieben hat und ein drittes Werk für 2007 ankündigt. Auch seine [Website]http://www.stevensidor.com zeichnet sich in biografischer Hinsicht durch bestürzende Kargheit aus. Den knappen Verlagsinfos lässt sich entnehmen, dass Sidor das Grinnell College besuchte und an der University of North Carolina in Chapel Hill studierte. Er arbeitete anschließend in der Betreuung psychisch kranker Menschen. Heute lebt Sidor mit seiner Familie in der Nähe von Chicago.

http://www.knaur.de

Gardner, Craig Shaw – Battlestar Galactica: Das Geheimnis der Zylonen (Band 2)

Passend zur Neuauflage der legendären Science-Fiction-Serie „Kampfstern Galactica“ erscheint nun bei |Panini Books| auch eine Buchserie, die sich mit neuen Schlachten zwischen Menschen und Zylonen beschäftigt. Nachdem vor kurzem bereits die offizielle Vorgeschichte in Romanform veröffentlicht wurde, beginnt die neue Reihe nun mit dem ersten Band „Das Geheimnis der Zylonen“. Allerdings beginnt sie auch schwächer als erwartet …

_Story_

20 Jahre nach dem Krieg gegen die Zylonen befinden sich die Kolonien immer noch in der Phase des Wiederaufbaus. Diese wird seit einiger Zeit verstärkt von einzelnen Plünderern genutzt, die quer durchs Universum ihre Beutezüge starten und vor allem bei den Vertretern der Kolonien auf Ablehnung stoßen. Einer von ihnen ist Tom Zarek, ein Verlierertyp, dessen letzter Ausweg ihn auf das Schiff des störrischen Kapitäns Nadu gebracht hat. Unter seiner Regie soll Zarek schon bald eine Mission zu einer seltsamen Raumstation machen, auf der zwei Piloten Nadus plötzlich verschwunden sind. Allerdings endet Toms erster Auftritt als Führungskraft in einer Katastrophe: Auf der merkwürdigen Forschungsstation befinden sich neben einem alternden Wissenschaftler auch einige Zylonen, die sofort durchschaut haben, dass die Plünderer Böses im Schilde führen und daraufhin kurzen Prozess machen. Als einzigem Überlebendem gelingt es Tom, seinen Transporter an einen entlegenen Winkel des Planeten, auf dem die Forschungsstation angesiedelt ist, zu fliegen, doch bevor er notlanden muss, kann er noch einen letzten Funkspruch übermitteln, der schließlich den Kampfstern Galactica auf den Plan ruft.

Dieser begibt sich mit voller Besatzung auf sofortigem Wege zu diesem versteckten Außenposten und schickt unter der Leitung von Admiral Sing erfahrene Leute wie Adama und Tigh zum Ort des Geschehens. Obwohl sich die zylonischen Kräfte ihnen gegenüber bei der Ankunft friedlich verhalten, spüren die beiden, dass hier etwas verdammt faul ist. Spätestens als dann ein längst tot geglaubter Zerstörer am Himmel erscheint und in Adama und Tigh Erinnerungen an die unerbittliche Schlacht gegen die Zylonen weckt, wird ihnen bewusst, dass ein weiterer Krieg gegen die Kampfroboter unmittelbar bevorsteht …

_Meine Meinung_

Nach den sehr positiven Eindrücken der kürzlich angelaufenen TV-Serie hatte ich mir von diesem Roman wirklich einiges erwartet. Und Craig Shaw Gardner lässt sich anfangs auch nicht lange bitten und kommt in allen drei untergeordneten Handlungseinheiten schnell auf den Punkt – bis zu der Stelle, an dem schließlich alle Beteiligten sich auf bzw. in der näheren Umgebung der Raumbasis befinden. Dann jedoch mangelt es an geschickten Überleitungen, um die zuvor ausgelöste Spannung aufrechtzuerhalten. In einem zähen Geplänkel marschieren Adama und Tigh durch die fremde Station, in der seit Jahren Zylonen und Menschen Seite an Seite gelebt haben, und immer wieder bekunden sie dabei ihr Misstrauen. Doch die Handlung wird parallel nicht mehr entsprechend vorangetrieben. Ähnlich verläuft es in der Geschichte um Tom Zarek. Kurz nachdem er das blutige Gemetzel zwischen seine ehemaligen Gefährten und den plötzlich auftauchenden Zylonen bezeugen musste und anschließend gerade noch flüchten konnte, werden seine Aktionen nach und nach belangloser und haben mehr etwas von einer permanenten Hinhaltetaktik als von einem spannungsvollen Sub-Plot, der nur darauf wartet, wieder in die Hauptgeschichte eingebunden zu werden.

Generell kippt die Handlung in der Mitte der Story mit der Abnahme der Action. Ging es zuvor noch mehrmals richtig rund, werden die Dialoge im zweiten Abschnitt des Buches stets langweiliger, weil sie einfach keine Informationen hergeben, die für die Geschichte wichtig sein könnten. Immerzu zeigt die eine Seite ihre Zweifel, während die andere beteuert, ihre Forschungen in friedlicher Absicht zu betreiben. Dieses permanente Hickhack hätte man sicher kürzer gestalten können, zumal dem Autor am Ende die Zeit fehlt, um den actionlastigen Höhepunkt gebührend auszukosten. Nachdem alle Stränge zusammengeführt wurden, kommt es nämlich erwartungsgemäß zum großen Aufeinandertreffen zwischen den Zylonen des Zerstörers und den Menschen von der Galactica, doch statt hier die epischen Ausmaße der Original-Vorlage aus den späten Siebzigern zu wählen, rasselt man zum Ende hin nur noch Fakten herunter und vernachlässigt somit sowohl die zunächst demonstrierte Detailverliebtheit als auch den wichtigsten Aspekt, die Spannung an sich. Zwar mögen die Dinge, die als Überleitung zum nächsten Roman berichtet werden, recht vielversprechend klingen, aber wenn dieser schwierige Weg es sein muss, der für einen solchen Cliffhanger erforderlich ist, dann wurde hier das Ziel verfehlt.

Immerhin, „Das Geheimnis der Zylonen“ hat seine Momente und lässt den begeisterten Galactica-Fan zumindest teilweise auf seine Kosten kommen. Der Moment zum Beispiel, als plötzlich ein ganzes Zylonen-Battalion auftaucht und die Plünderer alles andere als gebührend empfängt, bewirkt eine kurze Gänsehaut-Situation, weil man hier sofort ein entsprechendes Bild vor Augen hat. Aber von diesen kurzen Blitzlichtern kann leider nicht die komplette Geschichte zehren.

Dementsprechend enttäuscht darf man letzten Endes auch von diesem schwachen Auftakt sein, wenngleich nach den Ereignissen der letzten Seiten von „Das Geheimnis der Zylonen“ der kleine Hoffnungsfunke bestehen bleibt, dass man in der Fortsetzung dann richtig loslegt. Hoffentlich – es wäre wirklich schade, wenn das Qualitätssiegel Galactica durch eine vergleichbar schwache Romanserie getrübt würde.

http://www.paninicomics.de

Gillian Flynn – Cry Baby

Die Werbekampagne des Scherz-Verlages für den Debütroman der hübschen Autorin Gillian Flynn war groß und edel angelegt: Im Börsenblatt blickte einem eine dunkelrote zweiseitige Anzeige entgegen, das Buch wird in einem ansprechend bedruckten Pappkarton und mit einem schicken Schutzumschlag angeliefert und ist schon auf den ersten Blick ein Hingucker. Doch auch wenn man in das Buch hineinschaut und -liest, wird man feststellen, dass einem nicht zu viel versprochen wird durch die schicke Optik, sondern dass dieses Werk in der Tat etwas ganz Besonderes ist…

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Stroud, Jonathan – Drachenglut

Jonathan Stroud gehört zurzeit für das Genre der fantastischen Jugendbücher zu den angesagtesten Schriftstellern Großbritanniens. Doch Stroud hat sich längst in ganz Europa und darüber hinaus einen Namen gemacht. Mit der [Bartimäus-Trilogie 353 hat er eine großartige Jugendbuchreihe abgeliefert, die zu Recht mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet und beim Lesepublikum begeistert aufgenommen wurde. Mit „Drachenglut“ hat Boje nun ein früheres Werk des Autors veröffentlicht, das in England bereits 1999 erschien ist.

Obwohl es auf dem Buchrücken als „Fantasy vom Feinsten“ angepriesen wird, sollte der Leser keinen Vergleich zu „Bartimäus“ ziehen, um nicht anschließend enttäuscht zu werden. „Drachenglut“ richtet sich zwar aufgrund der einfachen Sprache auch vorrangig an junge Leser, doch der Roman spielt im Gegensatz zu „Bartimäus“ in der realen Welt und weist nur einige wenige fantastisch-mystischen Elemente auf – auch wenn dies das optisch ansprechende Cover mit einem glühenden Drachenauge und der Klappentext auf dem Buchrücken aus verkaufstechnischen Gründen nicht unbedingt zu erkennen geben.

_Inhalt_

Tom Aubrey ist erst seit kurzem Pfarrer des kleinen Ortes Fordrace und schon jetzt mit seiner hektischen Art bei einigen der verschlafenen Gemeindemitgliedern nicht so gut angesehen. Er bringt neues Leben in die Gemeinde hinein und damit genau das, was die konservativen Dörfler am wenigsten wünschen. Die Startschwierigkeiten sind jedoch plötzlich alle vergessen, denn mit einem eigenartigen Fund ändert sich die Situation drastisch. Bauarbeiter, die das Fundament der Kirche ausbessern und die zum Teil maroden Wände stützen wollen, stoßen nämlich über einen im Erdreich vergrabenen Gegenstand. Nachdem der Pfarrer informiert und die Grube gesichert ist, stellt sich der Fund als riesiges Kreuz heraus, das mit feinen Reliefs versehen ist. Der eingravierten Symbolik nach könnte es aus der Keltenzeit stammen – lange bevor das Dorf gegründet wurde. Leider ist einer der Balken abgebrochen, so dass das Kreuz nicht vollständig geborgen werden kann.

Dennoch ist das Dorf Feuer und Flamme und alle Bewohner sind in Aufruhr. So etwas hat man hier lange nicht mehr erlebt. Die Presse stürzt sich gierig auf jede noch so kleinen Neuigkeit und Museumswärter reisen extra aus der Nachbarstadt an, um das Kreuz so schnell wie möglich untersuchen zu können. Tom fühlt sich in seinem Element und genießt es, sich vor der Gemeinde als fähiges Kirchenoberhaupt beweisen zu können.

Doch die Erfolgsmomente schwinden genauso schnell, wie sie gekommen sind. Nur einen Abend nach dem grandiosen Fund wird in der Kirche eingebrochen. Zunächst scheint nichts gestohlen, doch dann bemerkt Pfarrer Tom Aubrey, dass aus dem gegrabenen Loch ausgerechnet das fehlende Balkenstück entfernt wurde. Das kann kein Zufall sein, irgendjemand will nicht, dass die Bewohner mehr über die Funktion des Kreuzes in Erfahrung bringen kann. Vom Ehrgeiz gepackt, forscht der Pfarrer auf eigene Faust nach und gerät immer mehr hinter die Geheimnisse des keltischen Kreuzes.

Parallel zur Handlung um Tom wird die Perspektive auf eine weitere Person namens Michael gerichtet. Auch er wohnt wie Tom Aubrey in Fordrace. Zusammen mit seinem Bruder Stephen und seiner älteren Schwester Sarah, die im Übrigen eine Beziehung zu Tom pflegt, versucht er sein Leben ohne den schützenden Einfluss seiner Eltern zu arrangieren. Michael spaziert gerne zum Wirrin, einem Höhenrücken etwas abseits gelegen, um dort die Seele baumeln zu lassen und seinen Gedanken nachzuhängen. So auch an dem Tag, an dem das Kreuz ausgegraben wird. Dies hätte er besser nicht getan, denn was er nicht weiß, ist, dass unter dem Wirrin seit Jahrhunderten ein Drache schlummerte – der nun durch die Aushebung des Kreuzes erwacht. Zwar kann er sich noch nicht selbst erheben, aber er schickt Michael seine düsteren Träume und kann auf ihn eine Macht übertragen, die ihm besondere, äußerst machtvolle Fähigkeiten verleiht.

Michael ist zunächst völlig überfordert und kann seine Kräfte nicht richtig einordnen. Verstört kehrt er zu Stephen und Sarah zurück. Diese erkennen ihren Bruder nicht wieder. Sie vermuten sogar, dass er zu Drogen gegriffen hat. Doch Michael lässt Stephen schließlich in seine Augen blicken und zeigt ihm, was nun tief in seinem Inneren brodelt: die Macht des Drachen, die sich in seinen nun rötlich pulsierenden Pupillen widerspiegelt.

Die Fäden von Tom und Michael laufen schließlich beide zusammen und die vier Hauptcharaktere finden sich in einem Strudel der Ereignisse wieder, der ihnen alles abverlangt. Und nicht alle sind stark genug, um sich dem Angebot einiger düsterer Gesellen, den Drachen aus seinem Schlaf zu wecken, entgegenzustellen.

_Bewertung_

Schon nach der Lektüre der ersten Seiten wird klar, dass Jonathan Stroud mit „Drachenblut“ nicht an seinen „Bartimäus“-Erfolg anknüpfen kann. Natürlich lässt sich der vorliegende Roman nicht direkt mit seinem Bestseller vergleichen, da er ein völlig anderes Genre bedient und nur vereinzelt fantastische Motive eine Rolle spielen. Aber sowohl was die Gestaltung der Charaktere, des Plots als auch der Stilistik angeht, spielt der Roman in einer deutlich niedrigeren Liga. Dies sollte nicht heißen, dass „Drachenblut“ ein schlechtes Buch geworden wäre. Im Gegenteil, die Hauptfiguren sind sympathisch und werden miteinander in eine spannende Konstellation gesetzt. Zwar bleiben sie, nicht zuletzt durch die Kürze des Romans, insgesamt recht blass, ihre Motivationen sind allerdings stets nachvollziehbar. Auch die Geschichte vermag den Spannungsbogen bis zum Ende zu halten. Da im Laufe des Geschehens immer mehr Geheimnisse um die Symbolik und Bedeutung des Kreuzes gelüftet werden, die die Ereignisse in ein neues Licht rücken, fiebert der Leser mit Tom, Michael, Stephen und Sarah und ihren jeweiligen Interessen. Überraschungen und unerwartete Wendungen darf man nur wenige erwarten, und selbst diese sind meist vorhersehbar. Dafür gestaltet sich der Plot dann doch zu klassisch. Stroud beherrscht also sein Handwerk und hält den Leser bei der Stange; ihn faszinierend in seinen Bann zu schlagen, gelingt ihm aber nicht.

Als größter Minuspunkte muss dabei auch das Ende gewertet werden, das leider den geweckten Erwartungen nicht entsprechen kann, ein anderer finaler Ausgang wäre wünschenswerter gewesen.

_Fazit_

Wer seine Ansprüche nicht zu hoch ansetzt und keinen neuen „Bartimäus“ erwartet, wird mit „Drachenglut“ gut unterhalten. Der Roman erreicht auf keiner Ebene den Witz und Charme von Strouds Bestseller, sondern präsentiert sich lediglich als nette Unterhaltungsliteratur – nicht mehr und nicht weniger.

Das Buch ist solide geschrieben, die Übersetzung ins Deutsche ordentlich und für einen entspannten Lesenachmittag durchaus zu empfehlen. Eine Meisterleistung ist Stroud jedoch nicht geglückt. Zu bedenken gilt hier, dass es eben etliche Jahre vor seinem großen Wurf erschienen ist. Dass der Roman in Deutschand nachveröffentlicht worden ist, lässt sich unter dem Gesichtspunkt von Strouds wachsender Beliebtheit durchaus nachvollziehen – aber eher unter verkaufstechnischen als unter qualitativen Gründen.

http://www.boje-verlag.de/
http://www.drachenglut-dasbuch.de/

Buticchi, Marco – dritte Prophezeiung, Die

Das Interesse von Verschwörungsfanatikern an den Templern ist nach wie vor ungebrochen und auch die katholische Kirche ist immer wieder für einen packenden Thriller gut. So bedient der gefeierte italienische Autor Marco Buticchi sich zweier erfolgversprechender Komponenten für seinen Thriller „Die dritte Prophezeiung“. Und wenn man den Lobpreisungen auf den Umschlagseiten glauben darf, so hält man hier das Buch des italienischen Dan Brown in Händen, der nun endlich der Erste sein könnte, der den großen Brown von seinem Bestsellersockel stoßen könnte. Die Erwartungen sind also hoch, wenn man das Buch aufschlägt und zu lesen beginnt. Schauen wir uns an, was uns zwischen den Buchdeckeln geboten wird:

Zu Beginn begegnen wir im Jahre 1918 dem Unteroffizier Igor Drostin, der der Hinrichtung der Familie Nikolaj Romanows beiwohnt und später in den Kleidern der Romanows eine wertvolle Entdeckung macht, nämlich zahlreiche kostbare Juwelen, von denen er einige auf die Seite schafft. Seinem Enkel Josif Drostin vermacht Igor ein paar abgenutzte Schreibhefte, in denen er verschlüsselt den Weg zu den vergrabenen Juwelen offenbart. Doch noch ahnt Josif nichts von seinem anstehenden Glück und verzweifelt immer mehr an seiner frustrierenden Arbeit in der Fabrik, bei der er zusätzlich von einem cholerischen Vorgesetzten gequält wird. Bevor Josif es allerdings zu großem Reichtum bringt, muss er einige Schicksalsschläge überstehen; seine Freundin wird ermordet und er selbst wird als mutmaßlicher Mörder gesucht. Der Zufall will es aber, dass Josif in russischen Mafiakreisen immer weiter aufsteigt und es schließlich zum mächtigsten Waffenhändler bringt. Ein besonders gefährlicher Auftrag führt Josif allerdings auf eine Kreuzfahrt, die zum Himmelfahrtskommando auszuarten droht.

Im Jahre 1978 beginnt die Erzählung um Pat Silver und seinen besten Freund Derrick Grant, die bei einer manipulierten spiritistischen Sitzung das Herz von Maggie Elliot und Annie Ferguson erobern wollen. Als Pat mit seinem Schauspiel beginnt, fällt Maggie jedoch tatsächlich in Trance und verkündet in einer fremden Sprache, dass sich die Prophezeiung zu erfüllen droht. In den Jahren darauf hat Maggie immer wieder ihre Ahnungen, in denen sie zukünftige Geschehnisse sehen kann und beispielsweise auch das Attentat auf Papst Johannes Paul II. im Jahre 1981 voraussieht. Diese Gabe verhilft Maggie zu einer erstaunlichen Fernsehkarriere, nur privat läuft es alles andere als rosig. Denn ihre heimliche Liebe zu Pat Silver steht unter keinem guten Stern; die beiden kommen einfach nicht zusammen, sodass Maggie schließlich Timothy Hassler heiratet. Pat kann sie allerdings nie vergessen. Der jedoch dreht ein krummes Ding nach dem anderen und verdient sich eine goldene Nase durch seine illegalen Computertricks. Doch das Schicksal der vier Collegefreunde wird eng miteinander verbunden bleiben und auf einer noblen Kreuzfahrt schließlich ein fulminantes Finale hervorbringen …

Diese beiden Haupterzählstränge, die zunächst nichts miteinander zu tun haben, verbinden sich, als Derrick Grant seine drei Jugendfreunde auf die Kreuzfahrt mit dem größten Passagierschiff der Welt einlädt. Auf diesem Schiff reist nämlich auch Josif Drostin, der eine gefährliche Ladung zu übergeben hat.

Eine weitere Erzählebene widmet sich Geschehnissen, die einige hundert Jahre in der Vergangenheit liegen. Hier erleben wir im Jahre 1291 in Akkon das Ende des letzten Großmeisters der Templer mit. Die weiteren historischen Ereignisse schildern die gefährliche Reise des jungen Ritters Bertrand de Rochebrune, der dem Gemetzel in Akkon entfliehen konnte, aber in den darauffolgenden Jahren noch viele Abenteuer zu überstehen hat. Spät offenbart uns Marco Buticchi schließlich auch das Bindeglied zwischen den historischen Ereignissen im ausklingenden 13. und beginnenden 14. Jahrhundert und den Geschehnissen am Ende des 20. Jahrhunderts. Bis dahin heißt es für den Leser Rätsel raten …

In seinem packenden Verschwörungsthriller hat uns Marco Buticchi offensichtlich viele Geschichten zu erzählen. Stilistisch hat er sich in der Tat von Dan Brown und seinen Erfolgen inspirieren lassen, denn er fügt seinem Buch die gleichen erfolgversprechenden Komponenten hinzu und schlägt ein unglaubliches Erzähltempo an, das durch die schnellen Wechsel der Schauplätze immer weiter gesteigert wird. Immer dann, wenn es in der Gegenwart besonders spannend wird, springt Buticchi zurück in die Vergangenheit, wo wir Bertrand de Rochebrune auf seinen Reisen begleiten. Die Wechsel zwischen den verschiedenen Erzähl- und Zeitebenen schaffen allerdings oft genug auch einige Verwirrung, da Buticchi viele Lebensjahre seiner Protagonisten beleuchten will. So zieht sich alleine die Geschichte um Maggie Elliot und ihre Freunde vom Jahre 1978 bis zum Jahre 1999.

Im vorliegenden Roman erwartet einen folglich eine wahre Informationsflut, der man stellenweise kaum folgen kann. Marco Buticchi bemüht sich zwar, seinen Charakteren Leben einzuhauchen, allerdings empfand ich viele der präsentierten Auskünfte als überflüssig. Nehmen wir nur allein die unglückliche Liebe zwischen Maggie Elliot und Pat Silver, die sich über viele Jahre hinzieht und in einem Seitensprung auf dem Luxusdampfer endet. Auf vielen Seiten breitet Buticchi Pat Silvers kriminelles Berufsleben aus, er umschreibt ausschweifend die Eheprobleme zwischen Maggie Elliot und Timothy Hassler, aber all dies bringt die Erzählung kein Stück voran. Diese Handlungen im Leben der Figuren haben nichts mit der eigentlichen Geschichte zu tun, also nichts mit dem geplanten Anschlag auf das Kreuzfahrtschiff. Derlei schmückendes Beiwerk findet sich an vielen Stellen im Buch und stört sowohl den Spannungsaufbau als auch die Glaubwürdigkeit. Meiner Meinung nach hätte sich Marco Buticchi wie sein großes Vorbild Dan Brown auf das Wesentliche konzentrieren sollen. Im Übrigen hat Buticchi an so mancher Stelle eher schlecht geklaut, denn seine Bösewichte verpackt Buticchi so dürftig, dass selbst der ungeübte Leser diese Verräter schnell enttarnt haben dürfte.

Gelungen fand ich in weiten Teilen den Spannungsbogen des Buches, der durch die schnellen Szenenwechsel immer weiter ansteigt und dafür sorgt, dass man das vorliegende Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. Auf der anderen Seite hätte ich mir gewünscht, dass Buticchi seine Erzählebenen enger miteinander verknüpft. Zwar offenbart der Autor uns die Verbindung zwischen den Ereignissen im 13./14. Jahrhundert und denen im ausklingenden 20. Jahrhundert, aber mir persönlich war diese Verbindung zu locker. Es ist nicht deutlich geworden, welchen inhaltlichen Sinn die historischen Exkurse hatten und insbesondere hat Buticchi uns nicht klar gemacht, was genau hinter dem Anschlag auf das Kreuzfahrtschiff steckt. In vielen Szenen treffen wir auf mysteriöse Gestalten, die sich hinter einer Kutte verborgen halten und die offensichtlich zum Templerorden gehören, aber ihre Beweggründe sind mir nicht klar geworden.

So kann Marco Buticchi in Ansätzen zwar überzeugen und man entdeckt auch das schriftstellerische Potenzial, das in ihm steckt. An vielen Stellen hätte man sich allerdings ein strafferes Lektorat gewünscht und insbesondere auch den roten Faden, der die einzelnen Ereignisse miteinander verknüpft und den Leser durchs Buch führt. Denn an vielen Verzweigungen seiner Handlungsstränge lässt Buticchi uns alleine stehen und zeigt uns nicht deutlich genug, wo es eigentlich langgehen soll. Viele Fragen bleiben am Ende offen, die einen etwas unbefriedigt zurück lassen, auch wenn „Die dritte Prophezeiung“ durchaus Unterhaltungswert hat und nett zu lesen ist. Aus der Masse der zahllosen Verschwörungsthriller hebt sich das vorliegende Buch allerdings leider nicht ab.

http://www.piper.de

traditionelles asiatisches Brettspiel – Oshi – The Game Of Influence

_Ein Geschenk für den Kaiser_

Als die Göttin Amaterasu einst den japanischen Kaiser aufsuchte und mit einigen kaiserlichen Reliquien beschenkte, brachte sie ihm auch ein Stück ihrer Weisheit mit, nämlich das Spiel „Oshi“. Anhand dieses strategischen Brettspiels sollt der Kaiser lernen, seinen Einfluss gezielt einzusetzen und seine Macht weise einzusetzen. Er sollte lernen, dass Einfluss Macht bedeutet, doch wenn man ihn für falsche Zwecke verwendet, kann selbst die mächtigste Person in die Knie gezwungen werden.

_Spielidee_

In „Oshi“ besitzt jeder Spieler acht Türme, die er auf einem neun mal neun Felder großen Spielfeld bewegen muss, um die Türme des Gegners zu verdrängen und schließlich über den Rand hinauszustoßen. „Oshi“ wird von zwei Spielern gespielt und ist vom Aufbau her vergleichbar mit dem Schachspiel, zumal die Türme individuell verschiedene Eigenschaften haben. Beide Spieler verwalten Türme in drei verschiedenen Größen, die unterschiedlich weit ziehen und unterschiedlich viele Steine gleichzeitig verschieben können. Dementsprechend haben diese Türme auch einen jeweils anderen Wert zwischen 1-3 Punkten, je nach Höhe. Ziel des Spiels ist es schließlich^, gegnerische Türme im Gesamtwert von 7 Punkten aus dem Spiel zu schubsen – doch dies ist leichter gesagt als getan …

_Spielmaterial_

• 1 Spielbrett
• Jeweils 4 einstöckige Türme in den Farben Rot (Ochsenblut) und Weiß (Elfenbein)
• Jeweils 2 zweistöckige Türme in den Farben Rot und Weiß
• Jeweils 2 dreistöckige Türme in den Farben Rot und Weiß
• 1 Spielbrett aus Holz
• 1 Spielregel

Der Aufbau des Spielmaterials ist recht seltsam. Da kommt „Oshi“ schon mit einem richtig feinen, massiven Holzspielbrett daher und erhöht damit die Erwartungen an die Spielsteine ungemein, und dann sind leider nur ein paar leichte, wenn auch hübsche Plastikfiguren in der Schachtel enthalten und erzielen dadurch auch einen ziemlich komischen Kontrast. Die Spielbarkeit ist davon jetzt zwar nicht betroffen, aber wenn schon ein solch tolles Spielbrett, dann hätte man auch zu einem geringen Aufpreis auch einige Holzfiguren verwenden können.

_Spielverlauf_

In jedem Spielzug darf man nun eine seiner Spielfiguren über das Feld bewegen und muss dabei versuchen, die gegnerischen Figuren in die Enge zu treiben. Mit einem einstöckigen Turm darf man ein Feld weit ziehen, mit einem zweistöckigen zwei Felder und mit einem dreistöckigen drei Felder. Weiterhin darf man mit dem einstöckigen Turm eine andere Figur verschieben (auch eine eigene), mit einem zweistöckigen Turm zwei Figuren und mit einem dreistöckigen entsprechend drei Figuren. Man hat dabei die Wahl, ob man bloß eine Figur weitersetzt und sich günstiger positioniert oder ob man doch besser andere Figuren ins Spiel mit einbezieht und so die Bedingungen auf beiden Seiten verändert. Ziel ist es vor allem, die höherstöckigen Türme des Gegners außer Gefecht zu setzen, weil sie als Angriffswaffe am effizientesten sind – und natürlich auch die meisten Punkte einbringen. So schiebt man nun hin und her, drängt die Türme des Gegenspielers Schritt für Schritt in die Enge und treibt sie schließlich über den Spielfeldrand ins Aus. Wem es dabei als Erstem gelingt, Türme mit einem Gesamtwert von sieben Punkten auszuschalten, der hat das Spiel gewonnen.

_Meine Meinung_

Ähnlich wie zuletzt [„Othello“, 3223 so überzeugt auch „Oshi“ durch einen leicht verständlichen Spielaufbau, ebenso simple Spielregeln und gleichzeitig unzählige strategische Zugmöglichkeiten, die das Spiel bereits nach dem ersten Test zum Dauerbrenner machen. Dabei sind deutliche Parallelen zum klassischen Schachspiel nicht von der Hand zu weisen, wenngleich der Reiz bei „Oshi“ gerade deswegen größer ist, weil prinzipiell bis zur letzten Runde und selbst bei zahlenmäßiger Unterlegenheit immer noch alles offen ist und man quasi in einem unerwarteten, geschickten Konter das Feld von hinten aufrollen kann. Toll ist außerdem, dass man sofort nach Öffnen der Schachtel loslegen kann; das Spiel ist schnell vorbereitet und eine Partie im Grunde genommen auch schnell gespielt. Wobei man jedoch den Suchtfaktor nicht unterschätzen sollte, der „Oshi“ auch schnell zum füllenden Abendprogramm avancieren lässt.

Aus all diesen Gründen entfällt an dieser Stelle nun auch jegliche inhaltliche Qualitätsdebatte. „Oshi“ ist schlicht und einfach ein fantastisches, unheimlich unterhaltsames Strategiespiel und fesselt einen erbarmungslos an den Spieltisch. Als Alternative zu den altbekannten Brettspielklassikern kann ich dieses asiatische Pendant nur bedingungslos empfehlen.

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Buchna, Hendrik – Die Dr3i – Das Haus der 1.000 Rätsel (Folge 5)

_Besetzung_

Erzähler – Thomas Fritsch
Jupiter Jones – Oliver Rohrbeck
Peter Crenshaw – Jens Wawrczeck
Bob Andrews – Andreas Fröhlich
Jack Doolan – Eckart Dux
Harold – Gernot Endemann
Miss Lana – Sabine Schmidt-Kirchner
Mademoiselle Nadine – Jennie Appel
Toby Grissom – Lothar Grützner
Frank Mortimer – Karl-Friedrich Gerster

_Story_

Der alternde Filmstar Jack Doolan verbringt einige Nächte in einem mysteriösen Hotel und erhält dort tagtäglich neue seltsame Pakete von einem bislang unbekannten Bewohner. Peter, Bob und Jupiter werden auf den kuriosen Fall eingesetzt und sollen nun herausfinden, was sich hinter merkwürdigen Gegenständen wie einem Gürtel, einer Karte und einer Klaviertaste tatsächlich verbirgt. Als Scheinenkel des Filmstars buchen sie ein Zimmer im gleichen Hotel und begeben sich alsbald auf Spurensuche. Bei der Forschung nach neuen Hinweisen gelingt es ihnen jedoch kaum, Fortschritte zu erzielen. Immer wieder gibt ihnen der mysteriöse Unbekannte, der sich hinter all diesen Vorfällen verbirgt, neue Rätsel auf und bringt die Köpfe des Detektivtrios gleich mehrfach zum Rauchen. Als es den dreien schließlich doch gelingt, aus dem Wust an Filmzitaten und versteckten Hinweisen Informationen zu beziehen, wähnen sie sich bereits auf der richtigen Spur. Als sie aber schließlich im Kellergewölbe des Hotels eintreffen, wird ihnen erst bewusst, dass die ‚Royal Mountain Residence‘ wahrhaftig ein Hotel der 1.000 Rätsel ist …

_Meine Meinung_

Der neueste Fall des berüchtigten Detektivgespanns aus Rocky Beach beschäftigt sich einmal mehr mit Kuriositäten aus der Filmbranche. In diesem speziellen Fall sind jedoch kaum Hintergründe bekannt, so dass das Trio erst einmal blind ermittelt, ohne überhaupt zu wissen, wonach es sucht. Aus einer Vielzahl ungewöhnlicher Begebenheiten und Geschehnisse müssen sie dabei filtern, welche Ursache hinter den Paketsendungen an Mr. Doolan steckt und welche Rolle sie in diesem abgedrehten Spiel übernehmen sollen. Als ihnen schließlich klar wird, dass sich jemand einen seltsamen Scherz erlaubt hat und einen sichtlichen Spaß daran entwickelt, die jungen Männer auf falsche Fährten und in die Irre zu führen, steigt der detektivische Ehrgeiz in Jupiter, Peter und Bob. Mit aller Macht versuchen sie, die Rätsel, die ihnen der Fremde stellt, zu lösen und ihre Reputation als Ermittler einmal mehr unter Beweis zu stellen. Ausgerechnet ihr Wissen über historische Momente des Kriminalfilms soll ihnen schließlich dabei helfen, erste Erfolge zu erzielen.

Die bereits fünfte Episode unter dem neuen und immer noch gewöhnungsbedürftigen Banner „Die Dr3i“ ist leider kein besonders spannendes, dennoch aber ein recht unterhaltsames Hörspiel. Als Zuhörer wird man von Beginn an vor eine Reihe von Tatsachen gestellt, die von den drei Protagonisten dazu genutzt werden, sämtliche Filmklassiker zu zitieren oder in minimalen Inhaltsangaben und Szenenbeschreibungen darauf hinzuweisen, dass ihnen der jeweilige Streifen geläufig ist. Da es sich hierbei jedoch nicht um besserwisserische Kommentare und ebenso wenig um Profilierungen jedweder Art handelt, hat das Ganze einen eher informativen, manchmal auch humorvollen Inhalt, weil die Detektive bestimmte Ereignisse ihres aktuellen Falles mit legendären Momenten der Filmgeschichte in Verbindung bringen und dabei teils ziemlich humorvolle Kombinationen erstellen. Leider jedoch können diese positiven Eindrücke nicht auf den Spannungsaufbau der Handlung übertragen werden. Der nämlich leidet schon ein wenig darunter, dass scheinbar kein ernsthafter Auslöser hinter den Ermittlungen steckt, was wiederum dazu führt, dass Jupiter und Co. hier eher hobbytechnisch, nicht jedoch als erfahrene Detektive auftreten.

Der gesamte Rahmen der Geschichte ist arg locker gestaltet, beginnend bei der geselligen Stimmung im cineastischen Umfeld der drei Detektive bis hin zu den ebenfalls nur sporadisch ambitionierten Ermittlungen der Jungs aus Rocky Beach. Die Story erreicht infolge dessen auch zu keiner Zeit das sphärische Level der alten Hörspiele, weil es eher nur nebensächlich unter der Rubrik Kriminalerzählung firmiert. Aber wie bereits angedeutet, der Unterhaltungswert von „Das Haus der 1.000 Rätsel“ ist alleine schon wegen der vielen Querverweise auf das in dieser Reihe gerne zitierte Hollywood nicht zu unterschätzen und macht das Hörspiel letztendlich mit leichten Einschränkungen dennoch zu einer lohnenswerten Investition. Man muss halt nur in Kauf nehmen, dass die Story hinsichtlich Ideen und Spannung das eingangs angedeutete Potenzial im Verlauf des Plots ein wenig einbüßt und nicht in erster Linie gefällt, weil die Detektivarbeit hier eventuell herausragend dargestellt wäre. „Das Haus der 1.000 Rätsel“ hat andere Qualitäten, die mir persönlich zwar nicht ganz so lieb sind wie die brisanteren Fälle der Spürnasen, aber selbst in dieser Reihe ihre Berechtigung besitzen. Besserer Durchschnitt eben, aber als solcher auch keine wirkliche Enttäuschung.

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Pullman, Philip – Graf Karlstein

Das Bergdorf Karlstein in der Schweiz zu Beginn des 19. Jahrhunderts: Die 14-jährige Hildi arbeitet als Dienstmädchen im Schloss des finsteren Grafen Karlstein. Sie nutzt jede sich bietende Gelegenheit, um ihre Mutter, die den nahe gelegenen Gasthof führt, zu besuchen. Der einzige Trost auf dem düsteren Anwesen mit seinem unsympathischen Herrn sind die Nichten des Grafen. Die 10-jährige Charlotte und die 13-jährige Lucy sind Waisen, die vor einem Jahr vom Grafen notgedrungen aufgenommen wurden. Hildi versteht sich gut mit den jungen Fräuleins, die am liebsten zu später Stunde Gruselgeschichten lesen.

Eines Abends belauscht Hildi zufällig ein Gespräch des Grafen. Der Inhalt ist furchtbar: Der Graf hat vor zehn Jahren einen Pakt mit dem Höllenfürsten Samiel geschlossen, der ihm zu Reichtum und Macht verhalf. In wenigen Tagen, in der Nacht vor Allerseelen, verlangt Samiel seine Bezahlung in Form einer Menschenseele. Der Graf plant, ihm seine beiden ahnungslosen Nichten in einer Jagdhütte auszuliefern. Hildi warnt die Fräuleins und verhilft ihnen zur Flucht, hinaus in die eisige Kälte des Waldes.

Von jetzt an schweben die drei Mädchen in großer Gefahr. Der Graf nimmt sofort die Suche auf, denn wenn er die Mädchen nicht rechtzeitig findet, wird Samiel ihn selber als Opfer holen. Während Hildi scheinbar ahnungslos zurückkehrt und insgeheim fieberhaft nach einem Ausweg sucht, kommen noch weitere Personen ins Spiel: Der verwegene Zauberer Doktor Cadaverezzi hält im Gasthof seine Vorstellung ab und wird in die Flucht der Mädchen verwickelt, ebenso wie Hildis Bruder Peter, der aus dem Gefängnis geflohen ist. Können die Mädchem dem windigen Zauberkünstler vertrauen? Schaffen sie es, dem Grafen zu entkommen? Und wessen Seele wird sich Samiel mit seiner Wilden Jagd holen …?

Ein Schauerroman für Kinder, an dem auch junggebliebene Erwachsene ihre Freude haben – mit diesen Worten lässt sich Philip Pullmans Frühwerk auf den Punkt bringen. Dieser kleine aber feine Roman verdankt seine Entstehung einem Theaterstück, das der Autor, damals noch als Lehrer tätig, mit sichtlichem Vergnügen für seine Schulgruppe schrieb und aufführen ließ.

|Zwischen Grusel und Parodie|

Es sind gar schaurige Elementen, die Philip Pullman auf den Plan ruft. Ein düsteres Schloss mit einem noch düstereren Hausherrn sorgt für eine unheilvolle Atmosphäre. Es ist ein kalter Oktober, Allerseelen steht vor der Tür und die abergläubische Bevölkerung fürchtet sich vor der Wilden Jagd des höllischen Samiel. Auch flüchtige Verbrecher, windige Scharlatane, kriecherische Diener, Gefangenschaft und Identitätsverwechslungen dürfen nicht fehlen, gehören sie doch in das typische Schema eines altmodischen Schauerromans. Dass junge Leser sich trotzdem nicht zu Tode gruseln und Erwachsene ihre hintergründige Freude erleben können, liegt an dem satirischen Einsatz all dieser Mittel. Fast jede Figur, insbesondere die Bösewichte, ist bis zur Karikatur überzeichnet und fordert den Leser zum Amüsieren heraus, allein schon durch die meist bewusst lächerlichen Namen. Da sind der abstoßende Graf, der in seiner ständigen Nervosität an den Fingernägeln knabbert, der unterwürfige Handlanger Schniefelwurst, der gleich mehrmals unerfreuliche Bekanntschaft mit eiskaltem Flusswasser machen muss, der tollpatschige Wachtmeister Snitch und sein nicht weniger ungeschickter Kollege Gendarm Winkelburg und die garstige Dienerin Frau Müller. Für frischen Wind sorgt der charismatische, wortgewandte und durch und durch zweifelhafte Schausteller Doktor Cadaverezzi, der nicht nur durch seinen komplizierten Namen, sondern auch durch seine fabelhaften Ausreden und seine Wendigkeit die Polizisten zur Verzweiflung bringt; sein gutmütiger und einfach gestrickter Gehilfe Max, der nur Augen für seine Dauerverlobte Eliza besitzt, und die energische Lehrerin Miss Augusta Davenport, die auch in den heikelsten Situationen die Handschrift ihres Zöglings Fräulein Lucy rügt.

Abwechslung bringt auch die Erzählform hinein, da zwar hauptsächlich aus Hildis Perspektive berichet wird, zwischendurch aber auch andere Personen zu Wort kommen, wobei natürlich jedes Kapitel im Tonfall genau auf seinen Sprecher abgestimmt ist – etwa wenn der wenig schreibkundige Max seinen Bericht seiner Verlobten diktiert, die ihn offenbar währenddessen immer wieder von Abschweifungen abhalten muss. Gegen Ende spitzen sich die Ereignisse dramatisch zu, und auch wenn man niemals einen schlimmen Ausgang befürchten muss, sorgt das Erscheinen des dämonischen Samiel dennoch für eine effektvolle Gänsehaut.

Es sind zwar junge Leser im Jugendalter, für die der Roman in erster Linie geschrieben ist, doch auch Erwachsene mit Sinn für Humor können die Geschichte mit bestem Gewissen genießen. Die Legenden der Wilden Jagd und vor allem der Freischütz und Samiel sind Kindern und Jugendlichen nicht unbedingt bekannt, sodass vorhandenes Hintergrundwissen belohnt wird und jeder Gruselfreund zumindest einen Blick in das Werk werfen sollte. Philip Pullman gelingt ein wunderbarer Ausgleich zwischen Spannung und Humor. Seine Figuren müssen schwierigste Hindernisse überwinden und geraten immer wieder in Lebensgefahr, doch auf fast jeder Seite wird der Leser gleichzeitig zum Amüsieren angeregt. Die Personen handeln teilweise mit einer hinreißenden Umständlichkeit oder denken in den unmöglichsten Situationen an unwichtige Dinge wie die Etikette. Manche Stellen sind von einer so niedlichen Naivität, dass man kaum weiß, ob man lachen oder den Kopf schütteln soll ob der Verhaltensweisen – und entscheidet sich meist für beides, etwa wenn die gefangene Charlotte in ihrem Zimmer aus lauter Einsamkeit Freundschaft schließt mit einem Perückenkopf aus Holz, dem sie ihr ganzes Leid erzählt. „Herr Holzkopf“, wie sie ihren neuen „Freund“ von nun an nennt, hört ihr „mit bewundernswerter Geduld zu“ und darf daher auch auf der Flucht natürlich nicht fehlen, auch wenn sich seine Mitnahme umständlich gestaltet.

|Bunte Vielfalt an Charakteren|

Der größte Sympathie- und Identifikationsträger ist natürlich die Haupterzählerin Hildi. Das junge Mädchen, das so harte Arbeit verrichten muss, schließt man bereits nach den ersten Seiten ins Herz. Auch die beiden Fräuleins Lucy und Charlotte entpuppen sich als liebenswerte Mädchen, wie Hildi nicht makellos, sondern eher bodenständig und emotional. Die Mädchen erlauben sich auf ihrer Flucht Schwächen und zeigen ihre Ängste, geraten in Fallen und machen Fehler – sie sind keine perfekten Heldinnen, sondern normale, verängstigte Mädchen, die mit allen Mitteln ihrem grausamen Onkel entkommen müssen und dabei teilweise an ihre Grenzen stoßen. Ein interessanter Charakter ist Hildis Bruder Peter. Der Achtzehnjährige ist ein begabter Schütze, der wegen Wilderei ins Gefängnis gesperrt wurde und nach seiner Flucht im Keller des Gasthofes untergetaucht ist. Hier wartet er auf das kommende Wettschießen, dessen Sieg ihm ein neues Leben einbringen könnte. Obwohl Peter die meiste Zeit der Handlung über nicht auf der Bildfläche präsent ist, bildet sein Schicksal unterschwellig eine weitere Spannungskomponente. Der Leser fragt sich automatisch nicht nur nach dem Ausgang des dramatischen Samiel-Paktes, sondern erhofft sich auch für Hildis Bruder eine positive Wendung. Für das liebenswerte Pärchen Max und Eliza drückt man die Daumen, dass es endlich mit der ersehnten Hochzeit klappen möge, und beim windigen Doktor Cadaverezzi ahnt man bereits sehr früh, dass er am Ende eine bedeutendere Rolle spielen wird als nur die des amüsanten Schaustellers.

|Keine echten Schwächen|

Auch bei strenger Betrachtung lassen sich nur wenige Aspekte des Romans bemängeln. Im parodistischen Sinne passend, aber für erfahrene Leser vielleicht etwas unbefriedigend ist der Schluss, der sehr viele Fäden zusammenlaufen lässt und wie in einem Märchen einen erhellenden Sinn ergibt. Dabei spielt der Zufall keine geringe Rolle und man fühlt sich an Trivialromane erinnert, in denen jeder Hauptcharakter mit einem persönlichen Happy-End belohnt wird. Da das Werk jedoch gerade auch dieses Genre aufs Korn nimmt, sind diese Entwicklungen nachvollziehbar und sollten mit einem Augenzwinkern gelesen werden. Ein wenig schade ist dagegen die knappe Abhandlung des Endes. Auf den letzten beiden Seiten werden die weiteren Verläufe der Schicksale zusammengefasst; dabei wird leider nicht auf Peter eingegangen, obwohl er keine geringe Rolle in der Handlung einnimmt und man gerne noch mehr über ihn erfahren hätte. Etwas gewöhnungsbedürftig ist auch die Zusammenstellung der verschiedenen Perspektiven. Es gelingt dem Autor zwar geschickt, sich der passenden Tonfälle zu bedienen, doch es fordert jeweils eine kleine Einlesezeit, bis man sich an den neuen Erzähler gewöhnt hat. Ein wenig zu effekthaschend erscheint auch der übertriebene Gebrauch von Cliffhangern – kaum dass ein Charakter sich in einer heiklen Lage befindet, wird zum nächsten Kapitel übergeblendet oder sogar von einer anderen Person weiterberichtet. Für den geringen Umfang von nicht einmal 250 Seiten ist das Buch überladen mit Motiven, Handlungssträngen und immer neuen Einfällen, die gut und gerne ein Epos füllen könnten und die auf dem gedrängten Raum das Wohlwollen des Lesers fordern. Dank der humorvollen und sich selbst nicht wirklich ernst nehmenden Umsetzung aber ist man bereit, dieses Übermaß zu akzeptieren und den Klamauk mit Vergnügen zu verfolgen.

_Als Fazit_ bleibt ein wunderbarer Kinder- und Jugendroman in der Tradition alter Schauerromane, der auch für Erwachsene perfekte Unterhaltung bietet. Auf gelungene Weise verbindet das Werk Humor mit Grusel, parodiert bekannte traditionelle Elemente des Schauerromans und hält die unheimlichen Elemente in einem kindgerechten Rahmen. Wer Spaß an märchenhaften Romanen hat und sich für romantisch-unheimliche Sagen interessiert, sollte an diesem Frühwerk des heutigen Bestseller-Autors auf keinen Fall vorübergehen.

_Der Autor_ Philip Pullman, geboren 1946 in Großbritannien, reiste in seiner Kindheit durch Simbabwe, Australien, London und Wales, studierte später Anglistik in Oxford und arbeitete als Lehrer. Der Durchbruch als Schriftsteller gelang ihm mit seiner Trilogie „His Dark Materials“ (Der Goldene Kompass, Das Magische Messer, Das Bernsteinteleskop), einer Jugend-Fantasyreihe. Daneben verfasst er auch Kinder- und Bilderbücher und doziert nebenbei am Westminster College in Oxford. Weitere Werke von ihm sind u. a.: die Sally-Lockhart-Reihe, „Lila lässt die Funken fliegen“, „Ich war eine Ratte“ und „Das Eiserne Herz“.

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Schneider, Brian – Magic: The Gathering – Zeitspirale – Themendeck »Kreuzritter der Hoffnung«

_Roman-historischer Hintergrund_

Ob es jetzt eine Horde Goblins ist, die aus Barracken eines längst vergessenen Zeitalters ausgespuckt wurden, oder ein kräftiger Sturm, der salzige Luft über den Kontinent treibt: Aus den Rissen im Zeitgefüge kommen immer neue Bedrohungen auf die zivilisierten Völker von Dominaria zu. Diese seltsamen und bedrohlichen Gegner lassen die Nationen ihre Grenzen vergessen und vereinigen die bunt zusammengewürfelten Haufen zu einer neuen, starken Streitmacht. Aber anachronistische Gegner sind nicht alles, was den Rissen im Zeitgefüge entsteigt. Legendäre Streitkräfte kehren zurück, um Seite an Seite mit den mutigen Überlebenden der Gegenwart zu kämpfen. Gemeinsam kämpfen die Helden aus Benlaia, Icatia, D’Avenant, Zhalfir und Foriys um das Überleben der Zivilisation in einer Welt, in der das Chaos herrscht.

_Vereinigt gegen die finsteren Mächte_

Im zweiten Themendeck der „Zeitspirale“-Ergänzung trifft man auf eine illustre Heldentruppe, die sich aus Vertretern der verschiedenen Völker zusammensetzt. Foriysische Abfänger kämpfen Seite an Seite mit Ausruferinnen aus Icatia; die benalische Kavallerie streitet unter der Führung eines zhalfirnischen Kommandanten, und in dieser bunten Völkerversammlung beweisen sich berittene Kräfte wie die Ritter des Heiligenscheins sowie der gefürchtete himmlische Kreuzritter als effektive Angriffswaffen, um die Risse im Zeitgefüge wieder zu reparieren. Doch obwohl die unterschiedlichen Kreaturen in „Kreuzritter der Hoffnung“ einige majestätische Vorzüge haben, ist der Weg zur Schadensbegrenzung mit diesem Deck noch immer ein sehr schwerer.

_Karteninhalt_

• 23x Ebene
• 3x Icatianische Speerschleuderer (zeitverschoben)
• 3x Benalische Kavallerie (common)
• 2x Herumziehender Schwarzseher (common)
• 3x Ritter des Heiligenscheins (uncommon)
• 1x Icatianische Ausruferin (common)
• 2x Vorreiter en-Kor (uncommon)
• 2x Zhalfirinischer Kommandant (zeitverschoben)
• 1x Wolkenjagdturmfalke (common)
• 2x Heilder aus D’Arvenant (common)
• 2x Foriysischer Abfänger (common)
• 2x Meister der Reiterei (uncommon)
• 1x Himmlischer Kreuzritter (uncommon)
• 1x Windumhang-Reiter (uncommon)
• 1x Penatarchischer Paladin (rare)
• 1x Elfenbeinriese (common)
• 2x Messingmüke (common)
• 3x Blick der Gerechtigkeit (common)
• 1x Befestigen (common)
• 1x Göttliche Versammlung (common)
• 1x Sarpadische Reiche, Band VII (rare)
• 2x Donner-Totem (uncommon)

_So spielt man das Deck_

Dieses Set ist mit einem ganzen Satz sehr starker Kreaturen bestückt, die sowohl über eine enorm große Offensiv- als auch über eine ausgeprägte Defensivkraft verfügen. Dafür sind die Zaubersprüche der beinahe komplett aus weißen Karten bestehenden Packung nicht ganz so effektiv, sieht man mal vom netten Nebeneffekt der göttlichen Versammlung ab, mit der man für jede kontrollierte Kreatur wieder zwei neue Lebenspunkte erhält.

Die effektivste Kraft der „Kreuzritter der Hoffnung“ ist dabei das Blocken. Mit Kreaturen wie dem foriysischen Abfänger, der immerhin einen Defensivpunktewert von 5 hat, ist man gegen jeden Angriff gefeit. Gleichzeitig kann man blockende Gegner mit einer Vielzahl von Flankenangriffen schwächen, einem wesentlichen Bestandteil der Angriffskraft der meisten enthaltenen Kreaturen. Mit dieser speziellen Fähigkeit kann man die Blocker permanent schwächen (sofern sie nicht auch über ‚Flankenangriff‘ verfügen) und ihre geschwächte Abwehr in einem weiteren Offensivschlag dann endgültig durchbrechen – starke Angreifer, allen voran der Elfenbeinriese und die Meister der Reiterei, gibt es in diesem Themendeck schließlich reichlich.

Sollte man selber geblockt werden, kann man den Kampf auch ganz umgehen, nämlich mit dem Windumhang-Reiter, der beim Blocken keinen Schaden erleidet. Zerstörerisch sind indes auch die Wolkenjagdfalken. In Verbindung mit dem pentarchischen Paladin können sie dem Gegner in jeder Runde von Neuem die stärkste bleibende Karte entreißen und ihn derart sowohl entscheidend schwächen als auch den Aufbau einer starken Kreaturenarmee im Keim ersticken.

Angriff ist die beste Verteidigung, lautet die Devise in „Kreuzritter der Hoffnung“. Der taktische Aufbau des eigenen Spiels sollte so aussehen, dass man in jeder Runde mächtige Attacken auf den Gegner niederprasseln lässt und ihn mit seinen starken Kämpfern und Rittern niedermäht. Für Blocks ist man dabei exzellent gewappnet und hat dazu auch noch einige entscheidende Mittel in der Hinterhand, die dem Konkurrenten die Entscheidung, ob er überhaupt blocken soll, weiter erschweren. Manchmal ist ein solcher Block nämlich von Anfang an tödlich. Allerdings ist Schnelligkeit gefragt, denn sobald man einmal leicht dezimiert wird, hat man nicht mehr sonderlich viel entgegenzusetzen, zumal die Auswahl an (Spontan-)Zaubern nicht wirklich erquickend ist. Wer also tatsächlich zum Ritter geschlagen werden möchte, der sollte in seinen jeweiligen Zügen beherzigen, dass ein aggressives Angriffsverhalten als Spieler dieses Decks das strategische A und O ist.

_Fazit_

Auch das Themendeck „Kreuzritter der Hoffnung“ ist in erster Linie für fortgeschrittene Spieler konzipiert und wegen seines eher einseitigen Aufbaus auch gar nicht so leicht zu spielen – jedenfalls nicht, wenn die strikten Pläne plötzlich durchkreuzt werden. Das Problem besteht nämlich darin, dass man für spontane Aktionen sehr unflexibel ausgestattet ist und seinen vollen Fokus auf die starke Kampfkraft legen muss. Diese zu beherrschen, gilt es zu erlernen und im Training gegen vergleichbare Decks, beispielsweise die „Remasuri-Entwicklung“ zu testen. Doch meiner Meinung nach ist man, was die Handlungsmöglichkeiten anbelangt, ein wenig eingeschränkt und zu sehr darauf angewiesen, dass der Gegner nicht schon zu Beginn seine mächtigsten Waffen einsetzt und einem selber die stärksten Kämpfer entzieht. Aus diesen Gründen finde ich die Zusammensetzung des Decks als spielbereites Set nicht ganz so glücklich, auch wenn es die vielen neuen Eigenschaften der „Zeitspirale“ für die einzelnen Kreaturenkarten nutzt. Zum Kennenlernen spezifischer Kreaturen und eben jener neuen Spezialfähigkeiten ist „Kreuzritter der Hoffnung“ hingegen ungleich wertvoller, weil hier einerseits eine sehr breite Palette weißer Kreaturenkarten enthalten ist, und zum anderen Sondereigenschaften wie ‚Aufblitzen‘ und ‚Flankenangriff‘ in nahezu allen Variationen genutzt werden. Als Anschaffung würde ich das Deck deswegen natürlich auf jeden Fall empfehlen; als unverändertes Spieldeck indes nicht.

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Seghers, Jan – Braut im Schnee, Die

|Jan Seghers ist das Pseudonym für den Frankfurter Journalisten Matthias Altenburg, unter dem er Kriminalromane schreibt. Nach „Ein allzu schönes Mädchen“ veröffentlichte er den Krimi „Die Braut im Schnee“, in dem ebenfalls der leicht verschrobene Hauptkommissar Marthaler ermittelt.|

Die Leiche einer jungen Zahnärztin wird, in grotesker Weise ausgestellt, vor ihrem eigenen Haus gefunden. Die Frau, die kaum Freunde gehabt zu haben schien, führte ein biederes Leben. Sie kannte nur die Arbeit und ihren entfernt lebenden Verlobten, einen schüchternen Installateur. Das Ermittlerteam um Marthaler kann sich überhaupt keinen Reim aus dem Verbrechen machen, doch ihr Chef Herrmann schießt sich sehr schnell darauf ein, dass ein wegen sexueller Vergehen vorbestrafter Fotograf der Schuldige ist, und zieht alle Polizeikräfte für die Fahndung nach dem Fotografen ab.

Marthaler, der noch nie ein gutes Haar an seinem Chef gelassen hat, ist mit diesem Vorgehen nicht einverstanden, was zu seiner vorübergehenden Suspendierung führt.

Als Marthaler wieder im Dienst erscheint, ist der Fall immer noch nicht gelöst. Im Gegenteil gibt es ein zweites Opfer, doch dieses Mal ist der Täter beobachtet worden …

In einem lobenden Zitat am Anfang des Buches wird erwähnt, dass es Henning Mankell war, der Jan Seghers zum Schreiben brachte. Wenn das wahr ist, dann wundert es nicht, dass man die eine oder andere Parallele zwischen Ermittlerschwergewicht Wallander und Marthaler entdeckt. Beide sind alleinstehend und eher etwas zurückgezogen, haben Figurprobleme und widersetzen sich ihren Vorgesetzten.

So weit, so gut, denn Marthaler ist im Vergleich von Wallanders manchmal schon entrückt wirkender Depressivität weit entfernt und wirkt menschlicher und alltagsnaher als der beliebte schwedische Polizist. Was ihn sympathisch macht, ist, dass er keineswegs ein Übermensch ist, sondern wie der nette Nachbar von nebenan wirkt. Ein wenig verschroben manchmal, aber an und für sich ein freundlicher Kerl. Manchmal vielleicht ein wenig zu freundlich, wenn es darum geht, in ihm eine herausragende Persönlichkeit zu sehen, die im Gedächtnis bleibt.

Ähnliches gilt für die Handlung. Die ist auch ein sehr freundlicher Kerl, lässt an einigen Stellen aber die Originalität missen. Damit ist sie in Bezug auf den Punkt Authentizität natürlich auf der sicheren Seite, denn man kann ihr nicht den Vorwurf machen, sie würde mit überzogenen, unrealistischen Ereignissen prahlen.

Allerdings nagt es an der Spannung, wenn man als Leser das Gefühl hat, Ähnliches schon einmal in einem anderen Buch gelesen zu haben. Und da hilft es noch nicht einmal, wenn der Ermittleralltag wirklichkeitsgetreu dargestellt wird, indem man zwischen dem ersten Mord und der Aufklärung über ein halbes Jahr verstreichen lässt. Die harmlose Mischung aus Marthalers Privatleben und den Mordermittlungen inklusive einiger weniger Perspektivwechsel hat zwar ihre kleinen Höhe- und Wendepunkte, läuft aber nie zur Höchstform auf.

Der Schreibstil beweist, dass Seghers alias Altenburg sein Handwerk gelernt hat. Es gibt keine Unannehmlichkeiten und das Buch lässt sich flüssig lesen, auch wenn es an der einen oder anderen zu ausschweifenden Ortsbeschreibung ruckelt.

Insgesamt ist „Die Braut im Schnee“ aber ein sehr angenehmes Buch. Nicht besonders aufregend, aber auch nicht schlecht. Ein netter Krimi für zwischendurch, aber keiner, der sonderlich lange im Gedächtnis haften bleibt.

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Foon, Dennis – Stadt der vergessenen Kinder, Die (Das Vermächtnis von Longlight, Band 2)

Band 1: [„Die Stunde des Sehers“ 2211

Roan hat fast schon zu hoffen gewagt, dass es ihm und seinen Freunden gelungen wäre, die Kinder aus Fairview in Sicherheit zu bringen. Doch eines Tages fallen die Kinder aus heiterem Himmel alle gleichzeitig in Ohnmacht, und alle Versuche Alandras, sie wieder aufzuwecken, scheitern. Roan erkennt, dass er sich aus seiner Deckung hervorwagen muss, will er den Kindern helfen. Und schließlich ist da ja auch noch seine Schwester Stowe, die er retten muss …

Stowe wurde von den Meistern darin ausgebildet, ihre Fähigkeiten einzusetzen. Doch obwohl sämtlichen Meistern bewusst ist, dass Stowes Kraft schon jetzt die ihre weit übersteigt, sind sie sich doch nicht über das Ausmaß ihres Könnens im Klaren: Stowe kann ihren Körper verlassen! Und auf diese Weise entdeckt sie, dass sie die ganze Zeit, seit sie in Metropolis ist, belogen und benutzt wurde. Sie beschließt, sich zu rächen, aber das ist nicht einfach, wenn man keiner Menschenseele trauen kann. Und dann stellt sich auch noch heraus, dass sie süchtig ist. Nach Staub …

Schon dieser kurze Inhaltsabriss zeigt, dass die Handlung, die sich im ersten Band noch nahezu ausschließlich um Roan drehte, diesmal zweigeteilt ist:

Roan ist durch die Ereignisse des ersten Bandes bereits ziemlich gereift. Er hat Entscheidungen getroffen, Verantwortung übernommen. Das heißt aber nicht, dass er nicht immer noch dazu lernt! Unter anderem sieht er sich durch die Ereignisse gezwungen, seine Ansichten über die Bluttrinker zu revidieren. In der Art, wie er mit seinen neuen Erkenntnissen umgeht, zeigt sich deutlich das Potential, das zu nutzen er letztlich gezwungen sein wird. Denn seine Bestimmung ist es, Krieg gegen Metropolis zu führen. Und das, obwohl er sich jetzt schon zwischen seinen beiden Hauptverpflichtungen – dem Schutz der Kinder und der Rettung seiner Schwester – zu verzetteln droht, und obwohl er die Anwendung von Gewalt in seinem Innersten noch immer vehement ablehnt.

Stowe taucht zum ersten Mal als eigene Person mit Gedanken und Gefühlen auf. Sie ist ein überaus mutiges Mädchen und sehr charakterstark, ihre einzige Schwäche ist ihre Sucht nach Staub. Unter dem Druck der feindseligen Umwelt, in der sie sich befindet, ist sie noch schneller gereift als ihr Bruder. Tatsächlich ist zwischen Stowe und ihrem Bruder kein großer Altersunterschied mehr zu spüren, obwohl sie vier oder fünf Jahre jünger ist als Roan. Aber natürlich wurde ihr von ihren Lehrern nur das beigebracht, was sie unbedingt lernen musste, um die Aufgaben zu erfüllen, die die Meister nicht selbst bewältigen können, weil ihnen die Fähigkeiten dazu fehlen. Daraus resultiert eine gewisse Unerfahrenheit, die Stowe trotz ihrer Stärke zunehmend in Bedrängnis bringt …

Neben Stowe bringt der zweite Handlungsstrang auch noch andere Personen ins Spiel:

Kordan, einer von Stowes Lehrern, ist dagegen ein ziemlicher Hanswurst. Seine Fähigkeiten sind eher mäßig, dafür ist sein Charakter umso mieser, geprägt hauptsächlich von Feigheit und Neid gegenüber Stowe.

Willum, ihr anderer Lehrmeister, dagegen ist absolut undurchschaubar. Er behandelt Stowe freundlich und geduldig, gibt aber nicht das Geringste von sich preis. Es ist schwer, ihn nicht zu mögen, aber trauen will man ihm auch nicht so recht.

Der wichtigste Neuzugang ist Darius, der Bewahrer und Erzbischof der Stadt Metropolis. Seine Herrschaft trägt durchaus Anzeichen von Irrsinn – Kinder werden verschleppt und als Ersatzteillager missbraucht, nur um die herrschende Klasse uralter Greise am Leben zu halten! Die Bewohner der Stadt, über die er der nahezu uneingeschränkte Alleinherrscher ist, sind fast alle durch eine Art implantiertem Computerchip gleichgeschaltet. Die Stadt selbst ist sowohl auf realer Ebene als auch im Traumfeld nach außen hin geradezu verbarrikatiert. Dennoch kann man Darius nicht direkt als größenwahnsinnig bezeichnen. Seine Ziele – Unsterblichkeit und absolute Kontrolle über uneingeschränkt alles – mögen aberwitzig sein, er selbst aber ist völlig klar im Kopf, kalt, berechnend und skrupellos, und das macht ihn nur umso gefährlicher! Mit Darius und seiner Stadt Metropolis hat der bisher so anonyme Feind ein Gesicht bekommen.

Und nicht nur der Gegner hat sich deutlicher herauskristallisiert, auch der geschichtliche Hintergrund wurde präziser beleuchtet. Stowe fragt Willum und erhält einige Antworten, Roan findet auf seinem Weg mit dem Geschichtenerzähler einige Dinge heraus. Die verschiedenen Gruppen, denen Roan bisher begegnet ist – sein eigenes Dorf, die Bewohner der Oase, die Brüder und Kiras Dorf -, werden allmählich in Zusammenhang zueinander gesetzt. Das Bild, das daraus entsteht, zeigt: Der verheerende Krieg, der das Land so vollkommen zerstört hat, ist noch gar nicht zu Ende! Und jede der Gruppen, die darin verwickelt ist, scheint ihr eigenes Süppchen zu kochen. Mit diesen Leuten soll Roan gegen Metropolis in den Krieg ziehen? Dann hat er aber noch eine ganze Menge Arbeit vor sich!

Ein zusätzlicher Effekt, den die Einbettung der Ereignisse in einen historischen Zusammenhang mit sich bringt, ist die Vermeidung von Schwarz-Weiß-Effekten. Das Tun der Charaktere rund um Roan und Beule wird nachvollziehbarer, macht sie menschlicher. Auch die „Guten“ sind nicht perfekt, und die „Bösen“ waren zumindest früher einmal Leute wie alle anderen auch. Bei manchen, wie zum Beispiel Saint, ist es gar nicht möglich, sie eindeutig der einen oder anderen Seite zuzuordnen.

Eine interessante Facette des Buches bildet der Staub. Dieser Stoff, den die Staubesser benutzen, um das Traumfeld zu erreichen, stammt nicht ursprünglich von der Erde und ist deshalb begrenzt. Seine Beschreibung klingt wie die einer bewusstseinserweiternden Droge. Der Streit um die Folgen, die sich aus seiner Benutzung ergaben, war der Auslöser für den Krieg. Roan allerdings besitzt die Fähigkeit, das Traumfeld ohne Staub zu erreichen. „Er kann gehen, wohin er will“, sagt Mabatan über ihn, also auch an Orte, die andere nicht erreichen oder aber nicht wieder verlassen können. Hier wird der fließende Übergang zwischen Fantasy und Science-Fiction deutlich. Elegant und ohne Holpern, frei von logischen Brüchen und ganz unaufdringlich durchzieht diese Mischung das Buch und verzahnt alles miteinander.

Kurz gesagt: Im zweiten Band des Zyklus hat sich einiges weiterbewegt. Der historische Hintergrund sowie die Verhältnisse in Metropolis und die Ereignisse rund um Stowe haben viele neue und interessante Aspekte in die Geschichte eingebracht. Die lebensfeindliche Umwelt sowie die Häscher des Erzbischofs – nebenbei, man beachte: Erzbischof! Nicht König oder General oder Präsident! – halten die Ereignisse um Roan unter steter Spannung, während Stowe ständig sowohl die Entdeckung ihres Wissens als auch ihrer geheimen Fähigkeiten fürchten muss. Die Charaktere sind vielfältig und frei von plakativen Klischees.

Mit anderen Worten: Dennis Foons |Das Vermächtnis von Longlight| entwickelt sich zu einem kleinen Juwel und ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass es sich lohnt, gelegentlich nach weniger bekannten Namen zu greifen und nicht immer nur nach solchen, die einem ständig überall begegnen.

Dennis Foon wurde in Detroit, Michigan, geboren und lebt seit 1973 in Kanada. Er war Mitbegründer eines Jugendtheaters und schrieb zahlreiche Drehbücher für Film und Fernsehen, u. a. für die TV-Serie „Die Fälle der Shirley Holmes“, aber auch Theaterstücke. Seine Drehbücher und Dramen wurden vielfach ausgezeichnet, für das Stück „Invisible Kids“ erhielt er den British Theatre Award. Der dritte Band des Zyklus unter dem Titel „The keeper’s shadow“ erschien im September letzten Jahres. Bis das Buch auf Deutsch erscheint, wird es also wohl noch eine Weile dauern.

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Gaudin, Jean-Charles / Danard, Jean-Paul – Marlysa (Band 6): Die Lebensfrau

_Story_

Nach den harten Prüfungen auf der ‚anderen Seite‘ reist Marlysa durch ihre Welt und hält sich durch die Teilnahme an Turnierkämpfen über Wasser. Eines Tages entdeckt sie auf dem Weg eine Kutsche, die von den Männern des Grafen von Arkon angegriffen wird. Kurzerhand steigt die maskierte Lanzenreiterin in den Kampf ein und rettet eine ältere Frau, die mit der Kutsche gereist ist. In Campion angekommen, steht Marlysa das nächste Turnier bevor; doch noch während sie gegen den korrupten Marquis kämpft, tauchen die Reiter von Arkon ein weiteres Mal auf, um auch die kürzlich gerettete alte Dame zu töten. Mit Hilfe eines Druiden gelingt den beiden die Flucht und damit auch der Anfang einer neuen Reise, die von einer legendären Prophezeiung begleitet wird. Jene Frau, die Marlysa in der Kutsche gerettet hat, ist die lange gesuchte Lebensfrau, die nach ihrem Erscheinen genau sechs Tage leben soll und dabei von Minute zu Minute jünger wird. Am sechsten Tag soll sie als Säugling einem Wasserfall übergeben werden, um so den Untergang Arkons und den ersehnten Frieden zu bewirken. Doch die Männer des Grafen sind unerbittlich und scheuen in ihrer kompromisslosen Jagd vor keiner Brutalität zurück …

_Meine Meinung_

Mit „Marlysa“ hat der |Splitter|-Verlag nun eine weitere französische Serie mit ins Programm aufgenommen, dieses Mal allerdings eine, die bereits seit einiger Zeit sehr erfolgreich angelaufen ist. Der erste, insgesamt fünfteilige Zyklus der Fantasy-Reihe von Jean-Charles Gaudin wurde noch über |Carlsen| Comics veröffentlicht, bevor sich der neue |Splitter|-Verlag des Themas annahm und ihn nun mit diesem wunderbaren ersten Hardcover-Album ins Rennen schickte.

Es handelt sich bei „Marlysa“ dabei um keine durchgängige Serie, sondern um einzelne, abgeschlossene Episoden, in die man jederzeit einsteigen kann. Allerdings empfiehlt es sich natürlich, einiges an Hintergrundwissen über die ersten Ausgaben der Reihe zu sammeln, schließlich werden hier einige vergangene Ereignisse, zum Beispiel die Ursache für Marlysas Maske oder die Abenteuer auf der anderen Seite, nicht näher beleuchtet. Nur in einer kurzen Szene, in der Marlysa ihren Kontrahenten den verborgenen Teil ihres Gesichtes zeigt – dies jedoch natürlich mit dem Rücken zum Leser – wird angedeutet, dass ihr Gesicht einst grässlich entstellt wurde. Doch für den Verlauf der neuen Geschichte mit dem Titel „Die Lebensfrau“ ist dies auch nicht von besonderer Relevanz.

Gaudin entführt seine Leser in eine mittelalterlich inspirierte Fantasy-Welt und dies mit einer spannenden, teils humorvollen, teils aber auch sehr emotionalen Erzählung, die erfrischenderweise gänzlich ohne Klischees auskommt. Sowohl die Titelfigur als auch ihre Begleiterin lassen sich in keine gängige Comichelden-Kategorie eingliedern und erfüllen zwei eher ungewöhnliche Rollen. Zumindest als Heldinnen sind sie erst einmal unscheinbar, wobei ihre Kontrahenten sich auch nicht gerade durch Intelligenz auszeichnen und aufgrund ihrer Auffassungsgabe kaum dazu in der Lage wären, einzuschätzen, mit welch gewieften Damen sie es zu tun haben. Und dennoch ist es nicht das übliche Spielchen Heldenfigur vs. Dummerchen-Garnison. Die fiesen Schergen des Grafen kennen kein Erbarmen und schrecken in ihrer Naivität auch nicht vor blutigen Attentaten und grausamen Erpressungen zurück. Allerdings ist die direkte Auseinandersetzung zwischen den beiden Seiten auch nicht der Kern des Comics. Viel interessanter ist nämlich der ständige Konflikt, den die Lebensfrau in ihrem kurzen Dasein mit sich selber austragen muss. Sie ist sich gar nicht sicher, ob sie ihrer Bestimmung folgen soll, denn dies würde gleichzeitig auch ihr vorzeitiges Ende und den Verzicht auf alle Vorzüge, die ihr besonders das Leben im jüngeren Erwachsenenalter beschert, bedeuten. Je weiter ihre Verjüngung voranschreitet, desto skeptischer betrachtet sie die vorbestimmte Zukunft und betrachtet ihr Schicksal aus zweierlei Perspektive. Doch im Grunde genommen hat sie keine Wahl, will sie ihre Freunde vor größerem Schaden und weiterem Ärger mit dem Grafen von Arkon bewahren.

Dies alles hat der Autor in eine spannende, wunderschön illustrierte Fantasy-Geschichte eingebunden und damit tadellos den neuen Zyklus um die maskierte Titelfigur begonnen. Das Debüt von „Marlysa“ beim |Splitter|-Verlag setzt mit derselben Überzeugungskraft genau dort an, wo die vorherigen fünf Bände aufgehört hatten: astreine französische Comic-Kunst mit sympathischen Charakteren und einer wunderbaren Rahmen- und Haupthandlung. Wäre schön, bald schon wieder mehr von Gaudin und der Maskenfrau zu hören!

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Magic: The Gathering – Zeitspirale – Themendeck Remasuri-Entwicklung

_Roman-historischer Hintergrund_

Als die Welt von Rath sich mit Dominaria überlagerte, ermöglichte das die Invasion der Phyrexianer. Sie brachte Volraths Felsenburg mit sich – und damit auch den größten Remasuri-Schwarm, der sich in den Lavahöhlen tief unter der Burg eingenistet hatte. Ein Jahrhundert später entdeckten die Magier, die sich zum Springflutprojekt zusammengeschlossen hatten, die Überreste dieses Schwarms und erschufen auf magische Weise neue Remasuris. Auf der Suche nach einer Königin wurden die Remasuris von Mirari angezogen – dem berüchtigten Artefakt, das sich den Wünschen seines jeweiligen Besitzers anpasste. Doch nachdem die Göttin Karona und der Mirari wieder weg waren, breiteten sich die Remasuris langsam in ganz Dominaria aus und bildeten kleinere Schwärme ohne Königin. Heutzutage sind sie wie ausgehungerte Wolfsrudel, die sich von den Alten und Schwachen in den verwüsteten Landstrichen Dominarias ernähren.

_Die endgültige Rückkehr der Remasuris_

Nach ziemlich langer Zeit sind die Remasuris nun endlich auch wieder ein Teil eines neuen „Magic: The Gathering“-Themensets. Im Rahmen der aktuellen Erweiterung „Zeitspirale“ taucht gleich ein riesiger neuer Schwarm dieser tödlichen Biester wieder aus der Versenkung auf und bildet gleichzeitig das Gros der Kreaturen dieses neuen Ergänzungssets. Dies war für die Macher des Fantasy-Sammelkartenspiels natürlich ein willkommener Grund, ihnen ein komplettes Themendeck zu widmen, welches nun die tödlichen neuen Waffen der wiedergekehrten Geschöpfe offenbart. Wie der Name schon sagt, haben die stets im Kollektiv auftretenden Remasuris in der Verborgenheit eine echte Entwicklung durchgemacht, die sich nicht nur in der Geburt neuer Vertreter ihrer Art darstellt, sondern auch in den vielen neuen Eigenschaften, die den Remasuris inmitten der „Zeitspirale“ zur Verfügung stehen. Wer bereits in der Vergangenheit positive Erfahrungen mit diesen Wesen gemacht hat, sollte sich daher auch auf jeden Fall einmal mit dem Themendeck „Remasuri-Entwicklung“ auseinandersetzen, in dem eine ganze Reihe Basis- und Spezialkarten dieser Spezies enthalten ist und das zum die vielen Vorzüge eines reinen Remasuri-Decks vorstellt.

_Karteninhalt_

• 6x Gebirge
• 8x Wald
• 8x Ebene
• 1x Edelsteinmine (zeitverschoben)
• 2x Immerändernde Weite (common)
• 2x Zweiköpfiger Remasuri (common)
• 3x Kochenbrecherremasuri (common)
• 2 Wütender Remasuri (uncommon)
• 4x Gemmenhautremasuri (common)
• 1x Pilzremasuri (rare)
• 2x Machtremasuri (uncommon)
• 3x Klapperschlangenremasuri (common)
• 3x Stachelbesetzter Remasuri (uncommon)
• 3x Beobachtender Remasuri (common)
• 1x Lungenremasuri (rare)
• 2x Stachelremasuri (zeitverschoben)
• 1x Harmonieremasuri (uncommon)
• 2x Vensers Remasuri (common)
• 1x Das Schicksal vermeiden (zeitverschoben)
• 2x Stärke durch Überzahl (common)
• 1x Vermodern (common)
• 2x Seelenkreislauf

Die Mischung der Karten dieses Themendecks ist ziemlich ausgewogen und bietet auch eine ganze Reihe unommon-Karten, wie üblich zwei rare-Karten sowie insgesamt vier der zeitverschobenen Karten, die für die „Zeitspirale“ aus älteren Editionen wiederbelebt und mit einer leichten Regelmodifikation versehen wurden. Bezogen auf den Seltenheitswert der Karten gehört die „Remasuri-Entwicklung“ damit auch zu den lukrativeren Sets, was alleine schon einmal ein triftiger Grund wäre, sich erst mit diesem Set zu verstärken und dann erst zu den Boostern zu greifen.

_So spielt man das Deck_

Die Stärke der Remasuris liegt im Kollektiv. Die individuellen Spezialfähigkeiten eines Wesens einer jeden Remasuri-Rasse übertragen sich sofort auch auf die übrigen Remasuris, sobald die entsprechende Karte ins Spiel gebracht wird. Deshalb sollten die ersten Schritte mit diesem Deck auch defensiver Natur sein, denn zunächst gilt es einmal, eine umfassende Bruderschaft aufzubauen, um dann zu einem späteren Zeitpunkt mit den gesammelten Eigenschaften im Gesamtverbund richtig effektive Angriffe zu starten bzw. sich im Falle eines Blocks sofort mit gefährlichen Mitteln zur Wehr zu setzen.

So gilt es zunächst einmal, ein Kollektiv aufzubauen und deswegen auch behutsam mit den Remasuris in den Auseinandersetzungen umzugehen. Jede zerstörte Kreatur kostet nämlich nicht nur einen Schadenspunkt, sondern schädigt zudem auch noch das Kollektiv. Dieses jedoch zu bilden, ist gar nicht mal so leicht, denn alleine auf sich gestellt sind die Remasuris bei weitem nicht so effektiv und auch leichte Beute für gezielte Angriffe. Also sollte man zu Beginn auch besser einige Remasuris mit einer stärkeren Verteidigung ins Spiel zu bringen, um nicht ständig ohne Gegenwehr dem Gegner unterliegen zu müssen. Empfehlenswert sind hier Figuren wie der Knochenbrecherremasuri, der Beobachtende Remasuri sowie der Machtremasuri, die sofort nach Eintritt die Verteidigungs- und Angriffswerte verbessern.

Hat man langsam aber sicher einige Remasuris ins Spiel gebracht, kommt die Zeit der besonderen Kreaturen. Der Stachelbesetzte Remasuri fügt angreifenden und blockenden Kreaturen zum Beispiel sofort einen Schadenspunkt zu. In Kombination mit dem Klapperschlangenremasuri können dabei sogar gegnerische Kreaturen im selben Maße Schaden erleiden wie die Zahl der eigenen Stärke wächst. Und dann ist da noch der Lungenremasuri, der dafür sorgt, dass man gerade gestorbene Remasuris wieder oben auf die Bibliothek legen und im nächsten Zug erneut ziehen darf.

Der Aufbau der eigenen Partie schreitet also folgerichtig erst einmal behäbig voran und konzentriert sich in erster Linie darauf, eine gesunde Verteidigung zu erstellen. Im Anschluss nutzt man dann immer häufiger die Stärken, die man von den übrigen Remasuris als Bonuskraft auferlegt bekommen hat, und holt schließlich mit Karten wie dem Lungenremasuri zum finalen Schlag aus.

_Fazit_

Die „Remasuri-Entwicklung“ ist definitiv ein Set für fortgeschrittene „Magic: The Gathering“-Spieler und erfordert vor allem Kenntnisse im defensiven Bereich. Nun wird sich der Profispieler natürlich lediglich die besten Karten des Themendecks herauspicken und damit sein eigenes, schon aus älteren Editionen zusammengestelltes Remasuri-Deck erweitern. Doch das Themendeck als solches gegen ein vergleichbares aus der „Zeitspirale“ hat mal wieder einen ganz besonderen Reiz und ist ein sehr gutes Training, um sowohl den Umgang mit den Remasuris als auch mit den neuen Karten überhaupt zu erlernen.

Dabei ist die „Remasuri-Entwicklung“ gerade dann ein starkes Deck, wenn es einem gelingt, eine starke Defensive aufzubauen, denn im größeren Kollektiv sind die Remasuris nahezu unschlagbar und ihre gemeinsam genutzten Eigenschaften ein tödlicher Effekt für den Gegner, der sich an den starken Geschöpfen die Zähne ausbeißen wird. Genau gegenteilig kann es einem ergehen, wenn man von Beginn an immer wieder Rückschläge hinnehmen muss und seine ersten Remasuris nicht behaupten kann. In diesem Fall wird das Kollektiv vor der eigentlichen Entstehung gestoppt und man muss sich mit den wesentlich schwerer zu spielenden Single-Eigenschaften der einzelnen Karten abfinden – und genau dies ist für jeden Angreifer ein gefundenes Fressen, um den Gegner gar nicht erst richtig ins Spiel hineinkommen zu lassen.

Grundsätzlich heißt dies natürlich, dass das Themendeck bei entsprechend glücklicher Nutzung und Anordnung der Bibliothek enorm schlagkräftig ist und im Kampf mit gleichwertigen Gegnern bei geschicktem Spiel sehr effektiv und mit hoher Wahrscheinlichkeit siegreich sein kann. Dies ist für ein Themendeck jetzt aber keine wirkliche Besonderheit. Das Spezielle an der „Remasuri“-Entwicklung ist indes, dass man sie zudem noch sehr vielfältig aufwerten kann, und zwar mit Karten so mancher vorangegangener Editionen und Ergänzungs-Sets. Auch dies ist nicht sonderlich neu, doch da die Remasuris gerade im Kollektiv eine hohe Gesamtstärke haben, offenbart sich hier eine absolut lohnenswerte Gelegenheit, mitsamt den vielen neuen Kreaturen die eigene Sammlung weiter zu verbessern und natürlich die Geschöpfe an sich kennen zu lernen. Die Voraussetzungen hierfür werden mit diesem neuen Themendeck auf nahezu fantastische Art und Weise geschaffen, so dass es definitiv ein Frevel wäre, als „Magic: The Gathering“-Begeisterter an der „Remasuri-Entwicklung“ vorbeizusehen. Eine sehr starke Ergänzung!

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Keene, Brian – Reich der Siqqusim, Das

|“Auferstehung“|, S. 3-246: Eigentlich sollten die aktuellen Experimente mit dem Nuklearbeschleuniger der Havenbrook National Laboratories in Hellerton, US-Staat Pennsylvania, das Wissen um die Bausteine des Universums erweitern. Stattdessen öffneten sie eine Pforte zwischen den Dimensionen, die besser verschlossen geblieben wäre: Aus der „Leere“, in die sie einst verbannt wurden, kommen die Siqqusim, die der Mensch als „Dämonen“, „Teufel“ und unter vielen anderen Namen kennt, auf die Erde zurück. Sie werden körperlich, indem sie in die Leichen toter Menschen und Tiere fahren. Intelligente und bösartige Zombies führen einen blutigen Krieg gegen die verhassten Menschen, die auf der ganzen Welt massakriert und gefressen werden.

Eine kleine Gruppe verzweifelter Männer und Frauen stemmt sich gegen den Untergang. Da ist Jim Thurmond, der seinen Sohn Danny retten will, nachdem ihn dessen letzter telefonischer Hilferuf aus New Jersey erreichte, wo er mit seiner Mutter lebt. Ihm schließt sich der Pfarrer Thomas Martin an, der Gott in der derzeitigen Apokalypse sucht. Zu ihnen stoßen Frankie, eine drogensüchtige Prostituierte, die aus den Ruinen der Stadt Baltimore entkam, und Professor William Baker, der wissenschaftliche Leiter von Havenbrook und mitverantwortlich für das Inferno. Man schlägt man sich durch ein Land der Sterbenden und der Toten, die sich mit buchstäblich teuflischer Schläue auf die Spur der Reisenden setzen. Doch immer noch ist der schlimmste Feind des Menschen der Mensch selbst – hier in Gestalt des Colonels Schow. Er schwingt sich zum Herrscher seines eigenen Reiches auf, das er mit seinen Soldaten als Diktator beherrscht und dessen „Bürger“ er in Sklaven verwandelt …

|“Stadt der Toten“|, S. 247-490: Nachdem Schow geschlagen und Danny gerettet werden konnte, können sich die wenigen Überlebenden aus „Auferstehung“ in den festungsartig gesicherten Ramsey Tower in New York durchschlagen. Hier hat sich der Milliardär Darren Ramsey zum Schutzherrn von 300 Menschen ernannt, die den Zombies entkommen konnten. Nur Leibwächter Bates weiß, dass Ramsey unter einem ausgewachsenen Messiaskomplex leidet und allmählich den Bezug zur Realität verliert. Bates trifft bereits Vorkehrungen, denn er glaubt nicht an die Sicherheit des Turms.

Inzwischen setzt Dämonenfürst Ob den Feldzug zur Eroberung der Erde fort. Ramsey Tower ist ihm ein Dorn im Auge, denn hier hält sich das verhasste „Fleisch“ hartnäckig gegen die Attacken der Siqqusim. Ob bereitet deshalb einen massiven Angriff vor. Er zieht das Millionenheer der Zombies, die einst New Yorks Bürgerschaft bildeten, zusammen und rüstet es mit schweren Waffen aus. Ob steht unter Zeitdruck, denn in der „Leere“ warten bereits die Dämonenstämme der Elilum und Teraphim voller Ungeduld auf ihren Durchbruch in die reale Welt. Doch Ob will seine Rache an den verhassten Menschen und ihrem Schöpfer auskosten und sperrt sich gegen die Invasion seiner „Kollegen“, die den endgültigen Untergang der Erde einleiten würden.

Während Ob seine Truppen formiert, hält Ramsey in seinem Wahn eine Eroberung des Towers für unmöglich. Bates sucht und findet einen möglichen Fluchtweg, doch sein irrsinniger Chef kann ihn austricksen. Der Sturm auf Ramsey Tower findet statt und wird zur letzten Schlacht zwischen Menschen und Dämonen. Zwischen allen Fronten kämpfen wieder Jim Thurmond, Sohn Danny, Frankie und einige neue Mitstreiter um ihr Leben, das von den Untoten ebenso bedroht wird wie von den Lebenden, die selbst angesichts des nahen Endes von Egoismus und Eigennutz getrieben werden …

Da sind sie wieder einmal – die Zombies, noch mehr als die Werwölfe proletarische Schmuddelkinder des Horrorgenres. Sie sind schrecklich anzuschauen (und zu riechen) und benehmen sich auch so. Allerdings endet hier die Ähnlichkeit zwischen den „klassischen“ Zombies, deren Gestalt und Verhalten von George A. Romero definiert wurden, und den Siqqusim, die Brian Keene auf die Menschheit loslässt. Während Erstere von diffusen Urinstinkten und der Gier nach Menschenfleisch getrieben werden, sind Letztere buchstäblich von Dämonen beseelt, die nach äonenlanger Verbannung in menschliche Leichen fahren und weder blöd noch unbeholfen, sondern sehr zielorientiert ihren Gemeinheiten frönen.

Die daraus entstehende Apokalypse schildert Keene auf eigentlich wenig originelle Weise. Was die Zombiefizierung der Welt tatsächlich bedeutet, erfahren wir nur nebenbei. Keene konzentriert sich lieber auf einige Figuren, die stellvertretend für die Menschen der (nordamerikanischen) Welt mit der neuen Situation konfrontiert werden. Sie begeben sich auf ihre private Questen, deren Ziele die Ankunft an einem hoffentlich sicheren Ort bzw. die Rettung geliebter Familienmitglieder darstellen. Bis es so weit ist, bildet der Weg dorthin eine Kette gefährlicher Abenteuer – ein simples Handlungsgerüst, das freilich gut funktioniert, wenn es so geschickt mit Inhalt gefüllt wird wie durch Keene.

Wobei die Kompromisslosigkeit, mit der Keene zu Werke geht, eine wichtige Rolle spielt. Er verzichtet auf eine politisch korrekte Dämpfung des Schreckens. Schwangere Frauen, Kleinkinder, Priester, Ärzte, Polizisten und andere normalerweise sakrosankte Respektspersonen reihen sich nahtlos ein in sein Kaleidoskop des Grauens. Sie werden konsequent ausgelöscht, wenn ihre Stunde gekommen ist, und wirken besonders abstoßend, wenn sie als Untote wiederkehren, denn Keene spart nie mit Einzelheiten, wenn gemordet oder gemetzelt wird.

Die wenig innovative aber funktionierende Handlung wird durch diverse hübsche & hässliche Einfälle horribel aufgeladen. Damit sind nicht einmal die Splattereffekte gemeint, obwohl diese mit viel Liebe zum faulig-blutigen Detail und mit immer neuen Schauerlichkeiten beschrieben werden (bis man sich – darf man es so ausdrücken? – daran „satt“ gelesen hat).

Nein, Keene hat sich Gedanken zum Zombie-„Leben“ gemacht, die längst überfällig waren, aber auch in den aktuellen Filmen ignoriert werden. Wieso sind Zombies so stark, obwohl sie doch sichtlich verwesen und verfallen? Wie überleben sie, obwohl sie ihrer Nahrung – Menschenfleisch – irgendwann nicht mehr in erforderlicher Quantität habhaft werden können? Keene „erklärt“ diesen Widerspruch überzeugend: „Seine“ Zombies fressen Menschen, weil sie ihnen schmecken. Ansonsten hält sie eine unbekannte Kraft zusammen, die den Verlust lebenswichtiger Organe oder Gliedmaßen kompensiert. So können sie quasi bis zum Skelett verfaulen und trotzdem agil bleiben.

Keene berücksichtigt außerdem einen weiteren, eigentlich naheliegenden Gedanken: Wenn tote Menschen neu „belebt“ werden, gibt es keinen logischen Grund, dass Tiere ausgespart bleiben – sie sind ebenfalls Lebewesen! Die Notlage der lebenden Menschen verschärft sich um ein Vielfaches, wenn sie nunmehr auch den Attacken untoter Hunde, Katzen oder Vögel ausgesetzt sind. Keene geht noch einen Schritt weiter: Die beliebte Flucht in die zombiefreie Wildnis fällt bei ihm aus, denn dort, wo keine untoten Menschen auf ihre Opfer lauern, hausen jetzt neu „belebte“ Bären, Hirsche und andere Wildtiere, die ihre Ernährungsroutinen radikal umgestellt haben. Einige grandiose Szenen verdanken ihre Wirkung dem bizarren Effekt dieser Tierzombies: So wird der unglückliche Baker einmal von blutgierigen Eichhörnchen und Karnickeln durch die Wälder gehetzt. Hitchcock hatte Recht, als er Vögel als potenzielle Gegner der Menschen brandmarkte. Frankie erlebt Grausiges, als sie von den in ihren Käfigen und Gehegen verhungerten und wieder belebten Kreaturen des Zoos in Baltimore gejagt wird; ein Zombie-Löwe ist ein wahrlich erschreckender Gegner!

„Auferstehung“, der 2003 entstandene erste Teil von „Das Reich der Siqqusim“, ist der mit Abstand bessere Teil der Saga. Keene bleibt vage mit seiner Hintergrundgeschichte, was klug ist, wie wir erkennen, wenn er sie in „Stadt der Toten“ doch enthüllt. Zwei Jahre später als Teil 1 geschrieben, nahm sich Keene die Kritik seiner Leser zu Herzen; leider meldeten sich offensichtlich nur jene zu Wort, die mit der reizvollen Diffusität der „Auferstehung“ und dem offenen Ende dieses Buches überfordert waren und Aufklärung forderten.

Die Handlung setzt nahtlos im Finale des Vorgängerbandes ein und nimmt den sattsam bekannten Verlauf: Alles rennt, rettet, flüchtet sich vor den Zombiehorden, die stets aus allen Richtungen herbeiströmen und doch zuverlässig ins Leere greifen, bevor sie unseren Helden das wortreich angedrohte Ende bereiten können.

„Wortreich“ ist das Stichwort für weitere Kritik: In „Stadt der Toten“ werden die Zombies erstaunlich schwatzhaft. Das schließt ihren Anführer Ob ausdrücklich ein. Wirklich nur grinsen kann man bei der Lektüre einer Szene, in der er sich genötigt sieht, ausgerechnet einer völlig unwichtigen Nebenfigur (und uns Lesern) haarklein die Geschichte der Siqqusim sowie die Planungen zur Übernahme der Universums – Gottes Sturz vom Himmelsthron eingeschlossen – zu erzählen. (Dazu weiter unten mehr.)

Solche unfreiwillig komischen Momente mehren sich leider; Keene wusste offensichtlich, wieso er „Aufstehung“ in Momentaufnahmen einer Gesamthandlung gestaltete, die sich die Leser selbst zusammenreimen konnten und mussten. Für die Inszenierung einer biblisch-monumentalen Konfrontation zwischen Gut & Böse fehlt ihm offenkundig das schriftstellerische Format. „Stadt der Toten“ verkommt in dieser Hinsicht zum Kasperle-Theater.

Auch sonst kommt die Story im breiten Mittelteil buchstäblich zum Stillstand. Die Lebenden verbarrikadieren sich in einem festungsgleichen Hochhaus, das von den Siqqusim belagert wird. Wie die Geschichte nunmehr ablaufen wird, ist einfach zu erraten, vor allem für diejenigen unter uns, die Romeros „Land of the Dead“ gesehen haben; der Horrorfilm-Altmeister hat sich anscheinend stark von „Stadt der Toten“ „inspirieren“ lassen …

Natürlich gelingen Keene neuerlich Szenen, die im Gedächtnis bleiben. Sex mit Zombies ist beispielsweise ein bisher im Horrorgenre unerwähnt gebliebener Aspekt. (Nicht, dass wir ihn vermisst hätten …) Auch Frankies Sturz in ein schmutziges Schwimmbecken, das zu allem Überfluss von einer hungrigen Wasserleiche bevölkert wird, jagt Schauder über Leserrücken. Doch andere Konfrontationen stellen nur Wiederholungen sattsam bekannter Schnetzeleien dar, deren Wirkung verpufft ist. Überstrapaziert wird vom Verfasser in „Stadt der Toten“ auch das Prinzip des Cliffhangers: Immer wenn unsere Menschenhelden in einer schier aussichtslosen Situation stecken, bricht die Handlung ab und schwenkt zu einem anderen Punkt des Geschehens. Irgendwann tauchen die Verdammten wieder auf und wir erfahren, dass besagte Not gar nicht so groß war, weil … und es folgt eine enttäuschende Erklärung. „Stadt der Toten“ wirkt verglichen mit „Auferstehung“ wie Routine oder eine Pflichtübung, zu der sich der Verfasser von seinem Verlag oder seinen Lesern überreden ließ.

Normalbürger werden mit dem Unbeschreiblichen konfrontiert: Es ist ein bewährtes Prinzip, das uns in holzschnitthafter Prägnanz vor allem aus Hollywoods Horror- und Katastrophenfilmen vertraut ist. Am Beispiel von Menschen, die eben keine omnipotenten Superhelden sind, werden Grundzüge der menschlichen Psyche herausgearbeitet. Keene wandelt hier auf vertrauten Pfaden. Da haben wir u. a. den schlichten „Mann aus dem Volk“, der Himmel und vor allem Hölle in Bewegung setzt, um seinen über alles geliebten Sohn zu retten. Zu ihm gesellen sich: die Nutte mit Herz, die sich im Rahmen dieser edlen Mission bewähren und somit „reinwaschen“ darf; der reuevolle Wissenschaftler, der zu neugierig war und das Verderben über die Welt brachte; der standhafte Pfarrer, der noch in der Apokalypse einen göttlichen „Sinn“ findet. Konfrontiert werden sie mit weiteren Klischeefiguren wie dem überschnappten Militär, der Kaiser von China (oder Ähnliches) werden will; dem geilen Spießer, der endlich die Sau rauslassen kann; dem feigen Mitläufer; dem Psychopathen, der mit den Untoten um die Wette murksen darf. Zombies sind Monster, so Keenes Credo, aber die Menschen stehen ihnen auf ihre Art wenig nach. Der Verfasser ist ein Pessimist, der nicht davon ausgeht, dass eine elementare Krise den Zusammenhalt fördert. (Anmerkung: In einem Spektakel wie diesem lässt man dem Verfasser die Klischees insgesamt durchgehen; im Detail muss Keene freilich für die Erfindung der schrecklichsten Kinderfigur gegeißelt werden, mit der man in den letzten Jahren gequält wurde. Danny – „Ich will meinen Daddy!“ – ist ein schafsblödes Balg, das prompt dann in Schreckstarre verfällt, ins Stolpern gerät oder sich in einer Telefonzelle verläuft, wenn gerade tausend geifernde Zombies um die Ecke biegen.)

Keenes Siqqusim-Zombies wurden weiter oben bereits für ihre Bedrohlichkeit gelobt. Erste Kritik schimmerte ebenfalls durch: Je länger die Dämonen wüten, desto deutlicher fällt auf, dass sie geistig wohl doch keine Leuchten sind. Diese Vermutung wird in „Stadt der Toten“ zur traurigen Gewissheit. Hier reden die Zombies nicht nur, sie kalauern plötzlich wie deutsche Comedians auf einem ihrer spätpubertären TV-Gipfeltreffen. Die dümmsten Sprüche fließen ihnen von den verrottenden Lippen, während sie in Stücke geschossen, gesäbelt oder gefahren werden. Nun mögen Dämonen nicht zu den Intellektuellen dieser oder einer anderen Welt zählen. Man sollte in einem Horrorroman allerdings nicht über sie lachen müssen. Bei näherer Betrachtung wirken sie in „Stadt der Toten“ so „böse“ wie die klassischen |Marvel|-Schurken: Erst stellen sie sich hin und beschreiben ausführlich, was sie gleich anrichten werden, dann tun sie es, wobei ihr Mund auch nicht stillsteht, und anschließend stoßen sie sich in die Rippen und schwelgen in lustvollen Erinnerungen daran, was für verkommene Mistkerle sie sind. Das kommt so lächerlich an, wie es klingt; keineswegs singulär in ihrer Wirkung ist eine Szene, in welcher der Siqqusim-Fürst schwer beleidigt ist, weil die Menschen nicht wissen, wer sie drangsaliert: „Ich werde siebzehn Mal im Alten Testament erwähnt! Siebzehn Mal! Ich bin Ob der Obot! Ich führe die Siqqusim an! … Ich bin Ob, der aus dem Kopf spricht!“ Schon traurig, wenn man mit solchen Referenzen vor eine Menschheit tritt, die nicht mehr so bibelfest wie einst ist …

Im Finale findet Keene, das muss zu seiner Ehrenrettung gesagt sein, zur alten Form zurück. So konsequent & kohlrabenschwarz endete sicher kaum ein Roman zum Thema Weltuntergang. Üblicherweise blitzt irgendwo ein Lichtlein auf: Es wird trotz aller Qualen weitergehen. Hier nicht, und obwohl Keene tröstliche Visionen eines kitschigen Kinderbibel-Paradieses einschneidet, mildert es nicht die Wucht eines Endes aller Dinge, das beeindruckt und überzeugt: ganz großes Kino, Mr. Keene!

|Exkurs: Die deutsche Inkarnation|

„Das Reich der Siqqusim“ glänzt in seiner deutschsprachigen Ausgabe mit äußeren und inneren Werten. Was Erstere angeht, so orientierte man sich im |Otherworld|-Verlag offenbar an der US-amerikanischen Erstauflage, die im kleinen aber feinen Haus |Delirium Books| erschien. So erhält der Leser (und Sammler) für sein Geld nicht nur ein gebundenes, sondern ein richtig gut gebundenes Buch; wer fragt, was denn da der Unterschied sei, nehme eine dieser lieblos produzierten Schwarten in die Hand, die von modernen Buchfabriken auf den Markt geworfen werden und schon beim ersten Öffnen unheilverkündend krachen, weil man sie mehr schlecht als recht und viel zu eng in ihre Einbände presste.

Dazu gibt es ein Schutzcover aus steifem, d. h. widerstandsfähigem Papier und mit einem schaurig-schönen Titelbild von Anne Stokes – kein Foto aus einem billigen Bildstock! Zwei fies anzuschauende Innenillustrationen steuerte Jan Balaz bei. Ein Lesebändchen findet man auch, und ein Personenverzeichnis am Ende des Buches hilft, die zahlreichen Figuren zuzuordnen, sollte die Übersicht verloren gehen.

Die Übersetzung kann sich sehen bzw. lesen lassen – dieses knappe Urteil beschreibt gute, i. S. von „unsichtbare“ Textarbeiter im Hintergrund, die fremde Wörter so flüssig in unsere Muttersprache übertragen, dass es bei der Lektüre gar nicht auffällt. Wenn man als Leser überhaupt über etwas stolpert, dann vielleicht über die ungewöhnlich kleine Schrift. In diese 500 Seiten wurde deutlich mehr Text als üblich gepackt, was den Eindruck unterstreicht, dass einem mit „Das Reich der Siqqusim“ wirklich etwas für sein Geld geboten wird! Diverse Seiten fallen durch ihren noch einmal engeren Zeilenabstand aus dem Gesamtbild; auch eine Anzahl unkorrigiert gebliebener Rechtschreibfehler zeigt, dass es mit der (Schluss-)Redaktion wohl (noch) ein wenig hapert – das ewige Problem kleiner Verlage, die mit viel Enthusiasmus und Liebe, aber wenig Geld zu Werke gehen (müssen).

_Brian Keene_ (geboren 1967) wuchs in den US-Staaten Pennsylvania und West Virginia auf; viele seiner Romane und Geschichten spielen hier und profitieren von seiner Ortkenntnis. Nach der High School ging Keene zur U.S. Navy, wo er als Radiomoderator diente. Nach Ende seiner Dienstzeit versuchte er sich – keine Biografie eines Schriftstellers kommt anscheinend ohne diese Irrfahrt aus – u. a. als Truckfahrer, Dockarbeiter, Diskjockey, Handelsvertreter, Wachmann usw., bevor er als Schriftsteller im Bereich der Phantastik erfolgreich wurde.

Schon für seinen ersten Roman – „The Rising“ (2003), eine schwungvolle Wiederbelebung des Zombie-Subgenres – wurde Keene mit einem „Bram Stoker Award“ ausgezeichnet. Ein erstes Mal hatte er diesen Preis schon zwei Jahre zuvor für das Sachbuch „Jobs In Hell“ erhalten. Für seine Romane und Kurzgeschichten ist Keene seitdem noch mehrfach prämiert worden. Sein ohnehin hoher Ausstoß nimmt immer noch zu. Darüber hinaus liefert er Scripts für Comics nach seinen Werken. Außerdem ist Keene in der Horror-Fanszene sehr aktiv. Sein Blog „Hail Saten“ gilt als bester seiner Art; die Einträge wurden in bisher drei Bänden in Buchform veröffentlicht.

Brian Keene hat natürlich eine Website, die sehr ausführlich über sein Werk und seine Auftritte auf Lesereisen informiert (www.briankeene.com). Über den Privatmann erfährt man allerdings nichts; es gibt nicht einmal die obligatorische Kurzbiografie.

|Originaltitel: The Rising (North Webster : Delirium Books 2003) & City of the Dead (North Webster : Delirium Books 2005)

Übersetzung: Michael Krug|

http://www.otherworld-verlag.de

Ange (Autor) / Varanda, Alberto (Zeichner) – Legende der Drachenritter, Die – Band 1: Jaina

_Story_

Seit der Ankunft der Drachen hat sich die gesamte Welt verändert. In ihrer Umgebung verödet das Land und Menschen und Tiere verwandeln sich durch ihren Einfluss in grässliche Monster. Einzig Jungfrauen bleiben vom grausamen Schicksal verschont und sind somit die einzigen, die die Drachen töten könnten.

Aus diesem Wissen heraus entstand kurzerhand der Orden der Drachenritter, eine Truppe junger Frauen, die den Mut und den Willen besitzen, sich gegen die mächtigen Kräfte der Riesenechsen zu stellen und ihnen im Kampf gegenüberzutreten. Eine von ihnen ist die junge Jaina, eine verwegene Heldin, die sich gemeinsam mit ihrer Knappin Ellys auf den Weg gemacht hat, ihrer Bestimmung und ihrer vor sechs Monaten ausgezogenen Schwester zu folgen und endgültig das Ende der Verödung herbeizuführen. Doch Jaina wird allerorts mit Skepsis empfangen, denn nicht jeder ist davon überzeugt, dass Frauen in der Rolle von Rittern die Heimat retten können …

_Meine Meinung_

„Die Legende der Drachenreiter“ markiert bereits die zweite Zusammenarbeit des Autorenteams Ange (Anne und Gerard) mit dem bewährten Zeichner Alberto Varanda und ist nach „Das verlorene Paradies“ auch schon die nächste neue Comic-Serie, die dieses Jahr über den |Splitter|-Verlag veröffentlicht wird.

In dieser vielversprechenden Serie wird das Schicksal eines gebeutelten Landes beschrieben, das erst vor kurzem von einigen furchtbaren Drachen heimgesucht wurde. Niemand weiß, wo sie herkamen, noch ist bekannt, welche Ziele sie verfolgen, denn bis auf Vernichtung und monströse Verzauberungen haben sie den noch verbliebenen Menschen und Tieren nichts weiter hinterlassen. Während die Zahl der mutierten Lebewesen von Tag zu Tag steigt, hat sich eine Riege von Jungfrauen zusammengeschlossen, um der Gefahr zu trotzen und sich ihrer zu entledigen, dies jedoch nicht mit Unterstützung aller Bedrohten.

So trifft die Protagonistin Jaina von Beginn an ständig auf Widerstand und muss sich sowohl mit rechthaberischen Taugenichtsen als auch mit einigen mysteriösen Priestern auseinandersetzen, die sie nicht für würdig befinden. Die Vorstellung davon, dass eine Frau den Frieden bringen und das Land retten soll, scheint für einen Teil der männlichen Bevölkerung befremdend und realitätsfern und kann deswegen auch nicht geduldet werden. Doch jenseits der Emanzipation verschaffen sich Jaina und ihre Knappin Ellys Gehör, gehen ihren Weg und treffen schließlich auch auf einen Drachen. Allerdings bringt dieses Aufeinandertreffen auch für beide eine fürchterliche Gewissheit. Jaina erfährt mehr über den Verbleib ihrer Schwester, und Ellys realisiert, dass sie auf dem Weg hierhin einen schweren Fehler begangen hat.

Obwohl es sich im Grunde genommen um eine abgeschlossene Geschichte handelt, scheint „Jaina“ in der Tat nur ein erster Vorgeschmack auf die Dinge, die da noch kommen werden, zu sein. Der Comic liefert die Hintergründe über die Ereignisse, die sich im Vorfeld zugetragen haben und bietet so den Einstieg in die Welt der Drachenritter und ihrer Gegner. Aus diesem Grund kommt auch der Spannungsaufbau noch etwas behäbig voran, entwickelt sich jedoch zum Ende hin mit einigen rasant inszenierten Überraschungen und stellt letztendlich auch all diejenigen zufrieden, die von „Die Legende der Drachenritter“ einen spannenden Fantasy/Abenteuer-Comic erwartet haben. Selbst die mal wieder bemühten Klischees, bezogen auf die Stellung der femininen Fraktion, wirken diesbezüglich weniger störend und fügen der Geschichte stattdessen sogar eine leicht humoristische Note hinzu. Und da man sich zum Ende hin genau von eben jenen Klischees deutlich löst, ist es schon fast wieder überflüssig, diese überhaupt noch mit in die Diskussion aufzunehmen.

Ergo: Eine neue Serie beim |Splitter|-Verlag, ein neuer Volltreffer. Ganz so stark wie „Ishanti“ oder „Marlysa“ ist der erste Band der „Legende der Drachenritter“ zwar noch nicht, aber man darf guter Hoffnung sein, dass sich hier mit wachsendem Umfang eine weitere lohnenswerte Fantasy-Reihe entwickelt. Fürs Erste hat „Jaina“ auf jeden Fall voll und ganz überzeugt.

http://www.splitter-verlag.de/

Alan Byrne – Die Abenteuer von Phil Lynott & Thin Lizzy

Der unmissverständliche Titel dieses Buches macht schon vor Beginn des Lesevergnügens klar, das sich der Autor hier nicht nur mit der Geschichte der Band THIN LIZZY auseinandergesetzt hat, sondern sich darüber hinaus auch eingehend mit jenem Charakter befasst, der diese Formation quasi personifizierte: Phillip Parris Lynott.

In insgesamt 15 Kapiteln, die den Werdegang von Lynott und seiner Band chronologisch abhandeln, lässt Autor Alan Byrne die Geschichte jenes Mannes noch einmal Revue passieren, der zeit seines Lebens immerzu mit genialen Kompositionen aufhorchen hat lassen, jedoch nahezu zeitgleich auch von seinen persönlichen Problemen gestoppt wurde. Recherchiert und aufgearbeitet wurde die Geschichte des Künstlers Lynott, begonnen bei seiner Herkunft und weit über seinen Tod am 4. Jänner 1986 hinaus. Zudem wurde auch mit Bildmaterial nicht gespart, so dass neben unzähligen gelungenen Live-Shots auch einige Impressionen aus dem Privatleben des Phillip Lynott in diesem Buch zu bestaunen sind.

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Pickard, Nancy – Schneeblüte

|Wenn man sich die Preise anschaut, die Nancy Pickard für ihre Kriminalromane bereits eingeheimst hat, erwartet man eigentlich eine spannende Geschichte in „Schneeblüte“. Eigentlich …|

1987 findet der junge Rex zusammen mit seinem älteren Bruder Patrick und seinem Vater, dem Sheriff des kleinen Örtchens Small Plains, die Leiche einer jungen Frau im Schnee. Es wird nie geklärt, wer sie ist oder woher sie kam, denn niemand im Dorf scheint sie zu kennen.

In der gleichen Nacht wollen Abby und Mitch zum ersten Mal miteinander schlafen, doch als Mitch aufsteht, um aus der Hauspraxis von Abbys Vater, der der örtliche Arzt ist, Präservative zu holen, kehrt er nicht mehr zurück. Als Abby am nächsten Morgen bei seinen Eltern klingelt, erfährt sie, dass sie ihn weggeschickt haben, weil er sie angeblich nicht mehr sehen wollte.

Siebzehn Jahre vergehen. Abby und Rex sind mittlerweile erwachsen und die Identität der jungen Toten ist immer noch nicht geklärt. Sie liegt in einem anonymen Grab auf dem Friedhof von Small Plains und hat über die Jahre den Status einer Wunder vollbringenden Jungfrau bekommen.

Es ist der Tod von Mitchs Mutter, der Abby aufweckt und sie daran erinnert, dass die junge Frau immer noch anonym ist. Sie versucht Rex, der mittlerweile das Amt seines Vaters übernommen, zu überreden, den Fall nochmals aufzurollen. Zufällig taucht zur gleichen Zeit Mitch wieder auf, dem man nach dessen Verschwinden vor siebzehn Jahren nachsagte, er könnte das Mädchen umgebracht haben. Abby, die sich immer noch von ihm angezogen fühlt, steht vor einem großen Konflikt …

„Schneeblüte“ ist eines dieser Bücher, die man nach der Lektüre mit einem schalen Beigeschmack zur Seite legt und feststellt, dass man doch nur Zeit verschwendet hat.

Nancy Pickards Roman weist eine Handlung auf, die durchaus schlüssig ist. Sie beginnt mit einem in der Vergangenheit liegenden Leichenfund, der dessen Beteiligte auch nach Jahren noch beschäftigt. Die Autorin versucht auch Spannung aufzubauen, indem sie die wirklichen Wesenszüge einiger Figuren im Dunkeln lässt und dem Leser Einblicke gewährt, die die Hauptpersonen nicht haben.

Trotzdem kommt während des Lesens kaum Spannung auf. Das Buch zieht sich in die Länge, weist immer wieder unnötige Passagen auf (in denen es vornehmlich um die weiblichen Probleme von Abby geht) und hat so gut wie keine sich steigernden Spannungsstufen. Seite für Seite tröpfelt das Geschehen vor sich hin, mal mehr, mal weniger vorhersehbar.

Vorhersehbar ist ein Wort, das man im Zusammenhang mit diesem Buch nicht nur einmal verwenden kann. Die Charaktere sind leider recht einfach gestrickt, geradezu oberflächlich, langweilig. Abby erscheint wie die lockerluftige Dauersinglechaotin eines Frauenromans, und das ist nicht gerade die perfekte Besetzung für ein Buch, das sich „Thriller“ nennen lassen möchte.

Hinzukommt eine klischeehafte Schwarzweißzeichnung der Dorfbevölkerung. Es gibt den Bad Boy, der vom College fliegt, wovon aber niemand etwas wissen soll, und der selbst nach siebzehn Jahren immer noch etwas unreif wirkt und zu Gewalt neigt. Es gibt die Dorfseelen, die Dorfhexen und all diese unbescholtenen Bürger, deren einziger Fauxpas zu sein scheint, in den Fall von vor siebzehn Jahren verwickelt gewesen zu sein, was ihnen aber niemand ansieht, weil sie sich wie normale Menschen benehmen. Nancy Pickard scheint voll und ganz auszuklammern, dass selbst die beste Dorfseele ihre Abgründe hat und dass die Menschen eben nicht immer nur nett zueinander sind.

Dummerweise ist der Schreibstil Pickards genauso belanglos wie die Handlung und die Personen. Gerade Letztere fallen an dieser Stelle noch mal negativ auf, da die Autorin zu exzessiven Personenbeschreibungen neigt, die sie nicht in den Erzählfluss einbettet. An solchen Stellen entstehen Brüche, die nicht hätten sein müssen und vielleicht hätten verhindert werden können, wenn Pickard sich dazu aufgerafft hätte, etwas spannender zu schreiben. Stattdessen reiht sie einen wenig tiefgründigen Satz an den anderen und stürzt den Leser damit in verzweifelte Langeweile.

Beim besten Willen, nein. Es ist sehr schwierig, an „Schneeblüte“ auch nur ein gutes Haar zu lassen. Die Handlung schleppt sich so langsam dahin wie ein trister Tag im Herbst, die Charaktere sind sehr oberflächlich und der Schreibstil glänzt durch seine Langeweile. Langeweile ist wohl der beste Begriff für ein Fazit zu diesem Buch von Nancy Pickard, denn viel mehr weiß selbiges nicht zu bieten.

http://www.rowohlt.de

Harris, Lawrence H. / Avalon Hill – Axis & Allies – Battle of the Bulge

_Die Schlacht in den Ardennen_

Zum Ende des zweiten Weltkriegs startete die deutsche Wehrmacht unter dem Decknamen ‚Wacht am Rhein‘ eine der letzten Gegenoffensiven und verwickelte dabei sowohl die britische als auch große Teile der amerikanischen Besatzung in eines der blutigsten Gefechte der Kriegsgeschichte. An der belgisch-deutschen Grenze, im Gebiet der Eifel, begann ein radikaler Vormarsch, der die deutsche Armee bis nach Antwerpen führen sollte, wo man den Hafen einnehmen und so verhindern wollte, dass das angloamerikanische Bündnis neue Truppen in Belgien landen konnte. Die überraschende Attacke führt auf Seiten der Deutschen schnell zum Erfolg und hätte beinahe auch das Ziel, die alliierten Mächte zu teilen, erreicht. Doch nach einer verhängnisvollen Schlacht im Hürtgenwald und einem letzten Aufbäumen gelang den verbündeten Westmächten ein effektiver Gegenschlag, der die Pläne der Deutschen vereitelte. Die deutschen Kräfte konnten ihre eigenen Truppen nicht mehr mit Vorräten und Waffen versorgen und waren gezwungen, sich den Alliierten geschlagen zu geben. Dennoch: Man hatte eine riesige Beule in der feindlichen Front geschaffen und einen der denkwürdigsten Angriffe der deutschen Kriegshistorie gestartet.

Genau dieses Szenario wird nun auch vom neuesten Brettspiel aus der „Axis & Allies“-Edition aufgegriffen. In „Battle of the Bulge“ stehen sich die westlichen Alliierten und die Divisionen der deutschen Offensive erneut gegenüber. Vertreter beider Seiten haben hier die Aufgabe, ihr taktisches Geschick unter Beweis zu stellen und bei der Nachstellung dieser Schlacht ein jeweils besseres Ende herauszuschlagen als das tatsächliche aus dem Jahre 1944. Und dieses Mal gibt es wirklich kein Erbarmen mehr.

_Spielidee_

Wiederum stehen sich die beiden großen Kriegsfronten gegenüber und versetzen zwei Spieler in ein vergangenes Szenario, welches nun im Spiel einen ganz anderen Verlauf haben kann. In insgesamt acht Runden fechten Deutsche und Alliierte um die Vorherrschaft in den Ardennen, sowohl am Boden als auch in der Luft. Die Ziele orientieren sich dabei am Verlauf dieses historischen Ereignisses, so dass am Ende derjenige gewonnen hat, der die Geschichte zu seinen Gunsten verändern konnte. Während die Deutschen Gebiete im Wert von 24 Punkten erobern müssen und damit erfolgreicher abschneiden würden als vor 60 Jahren, gilt es für die Vereinigung aus amerikanischen und britischen Einheiten, genau diesen Vorstoß zu verhindern. Jede Seite hat also individuell einen offensiven bzw. defensiven Auftrag, der in diesen acht Spielrunden zu erfüllen ist. Gelingt dies nicht, hat automatisch der Gegenspieler gewonnen.

_Spielmaterial_

• 1 Spielbrett
• 1 Regelheft
• 12 12-seitige Würfel
• 1 Rundenmarker
• 1 Siegpunktmarker
• 1 Axis-Nachschubtafeln
• 3 Allies-Nachschubtafeln
• 2 Rundenblaufstafeln
• 72 Einsatzkräfte der Deutschen (darunter 23 Infanterie, 16 Panzer, 23 Artillerie, 6 Trucks, 3 Kampfflugzeuge, 1 Bomber)
• 69 Einsatzkräfte der Amerikaner (darunter 20 Infanterie, 12 Panzer, 17 Artillerie, 12 Trucks, 9 Kampfflugzeuge, 2 Bomber)
• 16 Einsatzkräfte der Briten (darunter 4 Infanterie, 4 Panzer, 4 Artillerie, 3 Kampfflugzeuge, 1 Bomber)
• 36 Frontmarker
• 6 Kampfstreifen
• 110 Nachschubmarker
• 135 Plastikchips

Hinsichtlich der Masse ist „Axis & Allies – Battle of the Bulge“ mal wieder ein echtes Fest. Insgesamt 157 kleine Plastikminiaturen enthält die graphisch sehr schön aufgemachte Schachtel zu „Battle of the Bulge“, dazu reichlich Marker, Tafeln und die von der Idee her vorbildlichen Kampfstreifen. Zwar sind die Miniaturen qualitativ nicht so hochwertig, wie man es vom Tabletop kennt, doch da die wichtigsten Details enthalten sind und sich das Material zum Spielen bestens eignet, kann man darüber geflissentlich hinwegsehen. Die Bespielbarkeit ist bei „Battle of the Bulge“ das Maß aller Dinge und dank des übersichtlichen Aufbaus der Tafeln auch weitestgehend gewährleistet. Lediglich der Spielplan bereitet einem manchmal Probleme, weil die einzelnen Spielflächen, gekennzeichnet durch Sechsecke, zwischen den Frontlinien, Straßenverbindungen und den darauf gesetzten Armeen kaum noch richtig zu erkennen sind. Und da es an den Kampfschauplätzen manchmal recht eng wird, ist dies zwischenzeitlich ein echter (wenn auch der einzige) Nachteil des Basisaufbaus dieses Spiels.

_Die Einheiten_

Auf beiden Seiten stehen in unterschiedlichen Mengen Infanterieeinheiten, Panzer, Artilleriegeschütze, Kampfflugzeuge, Bomber und Trucks zur Verfügung, die allesamt verschiedene Fähigkeiten haben. Abgesehen vom Truck handelt es sich hier einzig und allein um Angriffseinheiten mit verschiedenen Kampfstärken und Bewegungsmöglichkeiten. Eine einfache Infanterieeinheit kann sich zum Beispiel pro Zug nur in ein benachbartes Sechseck bewegen und hat auch nur eine Kampfkraft von einem Würfel. Bei einem Panzer sieht das natürlich schon anders aus; er ist mobil und kann beliebig viele Sechsecke über Verbindungsstraßen weiterziehen und hat zudem auch eine stärkere Kampfkraft (zwei Würfel). Die Artillerie ist sogar noch stärker und bringt einem beim Angriff drei Würfel, wobei die Bewegung wiederum nur auf ein angrenzendes Sechseck beschränkt ist. Allerdings können sowohl Infanterie als auch Artillerie mit Hilfe der Trucks an andere Orte auf dem Spielfeld befördert werden, solange es sich dabei um Zonen handelt, die nicht von Feindeshand geführt werden. Ein Truck hat somit die Aufgabe der grundlegenden Versorgung mit Nahrung, Benzin und neuen Bodeneinheiten.

Die beiden Flugzeugtypen gelangen erst später ins Spiel, nämlich in der fünften Spielrunde. Damit verfolgen die Macher den Hintergrund, die Schlacht so authentisch wie nur möglich nachzustellen, und weil einst das Wetter einen vorzeitigen Luftkampf nicht erlaubte bzw. dieser erst nach Fortschreiten des Konflikts gestartet wurde, kommen auch im Brettspiel die fliegenden Einheiten erst im späteren Verlauf zum Zuge.

Als Letztes gibt es noch Versorgungs- bzw. Nachschubmarker, die ebenfalls nur mittels der Trucks transportiert werden können. Sie dienen quasi als Zahlungsmittel für eine Bewegung oder einen Angriff, und ohne sie ist man von Sechseck zu Sechseck dazu gezwungen, die dort stationierten Einheiten passiv zu behandeln.

_Das Spielfeld_

Auf dem Spielbrett ist ein Teilausschnitt der Landkarte Westeuropas abgebildet, der auf der westlichen Seite durch die Grenze zwischen Frankreich und Belgien und auf der östlichen Seite von Städten wie Bitburg (Süden) und Monschau (Norden) begrenzt ist. Das Feld ist in aneinander grenzende Sechsecke unterteilt, zeigt verschiedene, kreuzende Hauptverbindungswege, weitere Städte mit unterschiedlicher Wertigkeit, die von den Deutschen erobert werden müssen, die Front zu Beginn des Kampfs sowie Abbildungen der Starteinheiten, die die Spieler in der Vorbereitungsphase des Spiels in Nähe der Frontlinie positionieren müssen. Weiterhin sind Barrieren wie Flüsse eingezeichnet, die nur von der Infanterie überquert werden können. Alles in allem handelt es sich hierbei um eine sehr realistische, wenn auch etwas blass dargestellte Graphik des Ardennengebiets, auf der jedoch auch deutlich wird, dass die deutschen Armeen noch sehr weit von ihrem Ziel Antwerpen, welches nicht mal mehr auf der Karte zu sehen ist, entfernt waren.

_Vorbereitungen_

Nachdem sich die Spieler entschieden haben, welche Seite sie im Spiel bewegen werden, nehmen sie dementsprechend ihre Einheiten auf. Der Spieler der Deutschen bekommt alle schwarzen Einheiten, der Spieler der Alliierten alle grünen (USA) und beigefarbenen (England). Anschließend verteilt man Teile seiner Einheiten auf den Nachschubtafeln und, so wie dort angegeben, in die Nähe der Startfrontlinie auf dem Spielplan. Diese Startfrontlinie wird nun mit den entsprechenden Markern noch einmal verdeutlicht und mit ihnen auch im späteren Spiel weiter verschoben. Als Letztes positioniert man die Kampfstreifen so unter das Spielbrett, dass sie mit ihrem Fingerloch am unteren Ende herausragen.
Für den weiteren Spielablauf empfiehlt sich nun noch, dass beide Spieler in direkter Nähe zu ihren Armeen sitzen.

_Spielverlauf_

„Battle of the Bulge“ wird in insgesamt acht festgeschriebenen Spielrunden ausgetragen, wobei sich die Spielrunden insofern voneinander unterscheiden, dass ab der fünften Runde die Phase Luftkampf hinzukommt. Gehen wir vom Verlauf ab dieser Runde aus, sieht der Ablauf des Spiels in chronologischer Form wie folgt aus:

• Luftkampf
• Bodenkampf
• Bewegung und Nachschub
• Kampfentwicklungen kennzeichnen

|1.) Luftkampf|

Zu Beginn dieser Phase werfen beide Spieler einen Würfel und entscheiden nun, wer mit dem Luftkampf beginnt. Der Startspieler nimmt nun alle seine Flugzeuge und positioniert sie auf eines der Sechsecke auf dem Spielfeld – dies darf auch eine vom Gegner kontrollierte Zone sein. Anschließend tut es ihm der zweite Spieler gleich. Jetzt kommt es direkt zum Kampf, und dies in drei untergeordneten Phasen, die jedoch nicht dringend ausgetragen werden müssen. Ein ‚Dogfight‘ findet zum Beispiel nur dann statt, wenn auf einem Feld zwei gegnerische Flugeinheiten gelandet sind. Beide Spieler nehmen nur entsprechend der Anzahl ihrer Flieger Würfel und bekämpfen sich damit gegenseitig. Jede Würfelzahl von 1-6 ergibt einen Treffer. Um zu markieren, wie diese Treffer verteilt werden, nimmt man nun den Kampfstreifen für die Flugzeuge unter dem Brett so weit heraus, dass die Anzahl der Flugzeuge einer Seite damit übereinstimmt. Nach einem vorgeschrieben Schema werden nun die Treffer verteilt. Jedes getroffene Flugzeug wird sofort zerstört.

Anschließend greifen die Bodentruppen der von Fliegern besetzten Sechsecke an. Für jeden Typ einer Einheit (Infanterie, Artillerie, Panzer) verwendet man einen Würfel und landet auf dem herausgezogenen Kampfstreifen möglicherweise erneut Treffer. Sollten diese Aktion dennoch einige Flugzeuge überlebt haben, startet nun der Luftangriff auf dieses Gebiet. Für jeden Bomber darf man vier Würfel zur Hand nehmen; jedes Kampfflugzeug bringt einen Kampfwürfel. Entsprechend der Anzahl der gegnerischen Einheiten in diesem Sechseck werden nun die Kampfstreifen aller vertretenen Einheiten herausgezogen. Würfelergebnisse zwischen 1-6 sind Treffer; sollte eine Angriffseinheit einmal getroffen werden, darf sie auf ein angrenzendes Feld zurückgedrängt werden. Zwei oder mehr Treffer vernichten diese Einheit. Wenn sich der Kampf auf mehr als sechs Ziele konzentriert, werden zunächst die Treffer ausgewürfelt und mit den zugehörigen Würfeln in einem zweiten Wurf noch die Verteilung der Schäden ausgehandelt.

|2.) Bodenkampf|

Auch im Bodenkampf wird zunächst die Initiative, d. h. der Startspieler ausgewürfelt. Der Gewinner greift als Erster an und wählt nun Schritt für Schritt den Standort des Angriffs und das Ziel. Er kann jedoch nur dann angreifen, wenn er einen Versorgungsmarker an seinem aktuellen Standort ausliegen hat. Diese wendet er schließlich im Falle eines Angriffs und richtet den auf der Rückseite abgebildeten Pfeil zum Zielfeld aus. Es ist auch möglich, direkt zwei anliegende Felder zu attackieren, allerdings müssen hierzu die Einheiten aufgeteilt und auch ein zweiter Marker bezahlt werden. Will man jedoch schneller voranschreiten, ist dieser Vorgang unabwendbar.

Für jedes Ziel werden nun die einzelnen Kampfstreifen vorbereitet, also pro angegriffener Einheit um jeweils eine Position vorgezogen. Anschließend nimmt man abhängig von der eigenen Gesamtkampfkraft Würfel und startet damit den Kampf. Anschließend teilt man den Gegnern Schaden zu, verschiebt und vernichtet sie möglicherweise und führt das Ganze im nächsten Kampfszenario fort. Jede Einheit darf pro Runde nur einmal am Kampf beteiligt sein; ergeben sich keine Möglichkeiten des Angriffs mehr, ist der Gegenspieler an der Reihe. Am Ende der Bodenkampfphase werden alle umgedrehten Versorgungsmarker vom Spielfeld entfernt.

|3.) Bewegung und Nachschub|

In dieser Phase frischt man nun seine Einheiten auf und bewegt sich nach erfolgreichem Kampf weiter vorwärts. Hierbei müssen die Regeln zur Bewegungsreichweite der verschiedenen Einheiten beachtet werden. Wer seine Einheiten von einem Sechseck in ein angrenzendes verschiebt, muss für die gesamte Truppe einmalig einen Versorgungsmarker entrichten. Der Fortbewegung sind dabei auch Grenzen durch feindliche Gebiete gesetzt. Sobald man beispielsweise mit einem Panzer eine größere Strecke der Straße voranzieht und auf einem angrenzenden Feld zu einem Gegner landet, muss man die Bewegung dort sofort stoppen. Dies ist besonders entscheidend, wenn es darum geht, später einen Keil durch die gegnerische Defensive zu schlagen. Ein Loch, das von nur einem Sechseck bestimmt wird, ist daher noch keine Voraussetzung zum Durchmarsch.

Weiterhin muss noch beachtet werden, dass in jedem Sechseck nur zwölf Einheiten und davon höchstens drei Artillerie, sechs Infanterie und sechs Panzer erlaubt sind.

Bei einer Fortbewegung in ehemals feindliches Gebiet besteht die Möglichkeit, Trucks und Versorgungsmarker des Gegners vorzufinden. Diese gehen nun in den eigenen Besitz über und können im nächsten Zug verwendet werden.

Sobald die Bewegungen abgeschlossen sind – der Spieler der Deutschen darf übrigens immer als Erster ziehen – kann man abhängig von der jeweiligen Spielrunde neue Truppen an den Rand der eigens besetzten Gebiete rekrutieren. Die zugehörigen Tafeln geben ganz genau vor, wann man wo welche Einheit hinzufügen darf. Dies ist auch die einzige Möglichkeit, große Verluste wieder auszugleichen, weil zu keinem anderen Zeitpunkt neue Truppen ins Spiel kommen.

Nun darf man zusätzlich noch alle freien Trucks einsetzen. Sie haben eine Tragfläche für sechs Einheiten oder Marker und lenken diese entlang der Straßen bis zu einem gewählten Ort. Auf ihrem Weg (höchstwahrscheinlich zur Front) dürfen sie noch freie Plätze mit weiteren Infanterie- und Artillerieeinheiten sowie Versorgungsmarkern füllen, dürfen ihre gesamte Ladung allerdings erst wieder am Zielort abladen. Für einen Truck muss man keine Kosten aufbringen; er ist nicht nur die einzige Möglichkeit, Versorgungsmarker weiterzutransportieren, sondern auch alleine dazu imstande, Truppen schneller an die Front zu bringen. Um einen weiteren Nachschub mit Markern zu gewährleisten, bekommen die Alliierten pro Runde elf und die Achsenmächte neun neue Versorgungsmarker, die sie mit ihren Trucks auf dem Spielfeld verteilen können.

|4.) Kampfentwicklungen kennzeichnen|

Im letzten Zug einer Runde wird das Spielbrett auf den neuesten Stand gebracht. Die Frontlinie wird verschoben, sobald sich hier Veränderungen aufgetan haben, und gleichzeitig wird auch der Fortschritt der Siegpunkte, die der Spieler der deutschen Armee für die Eroberung bestimmter Städte erhält, dokumentiert. Zum Schluss wird der Rundenmarker ein Feld weiter geschoben, bis schließlich die achte Runde und damit das Spiel endet.

_Endabrechnung_

Am Ende des Spiels werden nun die eroberten Städte gewertet. Sollte es dem Spieler der Wehrmacht tatsächlich gelungen sein, so viele Teile des feindlichen Gebiete einzunehmen, dass er damit 24 Siegpunkte erzielt hat, hat er das Spiel gewonnen und damit mehr Erfolg gehabt als die echten Streitkräfte im Jahre 1944. Andernfalls haben die alliierten Besatzungskräfte mit ihren geschickten Defensivtaktiken den Sieg errungen.

_Meine Meinung_

In Kritiken und Beschreibungen zu „Axis & Allies“ wird immer darauf eingegangen, dass das Spiel mitunter 5-6 Stunden dauern kann, also auch nur etwas für langatmige Interessenten ist. Der Verlag, |Avalon Hill|, macht daraus keinen Hehl und schreibt auch direkt auf die Vorderseite der Schachtel, dass eine Spielzeit von 3-4 Stunden auf jeden Fall möglich ist. Genau dort pendelt sich „Battle of the Bulge“ auch ein, wenngleich die Erfahrung gezeigt, hat, dass die erste Partie noch wesentlich länger dauert, weil es zunächst noch einige Unklarheiten mit den Regeln, im Speziellen mit der Verteilung des Angriffsschadens gibt.

Nun stellt sich eingangs natürlich erst einmal die Frage, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt bzw. ob nicht irgendwelche Längen den Verlauf einer Partie überschatten. Ich persönlich konnte mir das nach dem ersten groben Überblick über den Ablauf eines Spiels gar nicht vorstellen, weil acht Runden als ziemlich schnell absolviert eingeschätzt wurden, zumal die Alliierten in der Angriffphase der ersten Runde passiv bleiben. Wie sich dann aber herausstellte, nimmt eine Runde bereits nach mehrmaliger Aufstockung immer eine gute halbe Stunde in Beschlag, weil andauernd geschoben, gewürfelt und natürlich auch taktiert wird. Doch zurück zur Frage: Wird das Ganze dann nicht langweilig, gerade auch weil die Parallelen zu Klassikern wie „Risiko“ sehr deutlich sind?

Eine Antwort auf diese Frage zu finden, war indes sehr leicht, denn schon nach den ersten echten Schlachten auf dem Spielfeld von „Axis & Allies – Battle of the Bulge“ hat mich das Ganze ob der hochwertigen strategischen Komponente vollends überzeugt. Das System mit der Verteilung der Schadenspunkte ist, wenn man es erstmal durchschaut hat, absolut innovativ und originell, die Spannung eigentlich über die ganze Zeit am Siedepunkt, weil sich die Partie meistens tatsächlich erst in der letzten Runde entscheidet, und die Idee, eine reine Defensivkraft gegen die von Osten kommende Offensive der Deutschen zu setzen, fantastisch umgesetzt. So ist „Battle of the Bulge“ nämlich gleich 2 in 1: Einmal nämlich ein Spiel, in dem man rücksichtslos erobern kann, und zum anderen natürlich eine echte Verteidigungsschlacht, bei der meist der Erfolg der Luftwaffe das entscheidende Zünglein an der Waage ist.

Dennoch hat sich nach und nach die Meinung entwickelt, dass die Voraussetzungen nicht für beide Spieler gleich ist. Die Alliierten sind nicht nur besser besetzt, unter anderem eben in Sachen Luftwaffe, sondern haben im direkten Kampf deutliche Vorteile, weil sich die zu erobernden Gebiete – zumindest die lukrativen – in der Mitte des Spielplans befinden und es im Grunde genommen ein Leichtes ist, seine Einheiten dort zu versammeln und einen großen Verteidigungswall zu bilden. Der deutsche Spieler hingegen kann nur vorankommen, wenn er alle Einheiten eines Sechsecks eliminiert oder verschoben hat, und bleibt auch nur eine einzige übrig, können die Alliierten in der Bewegungsphase wieder nachrüsten und vorstoßen, so dass die Effizienz der gezielten Angriffe auf lange Sicht nicht wirklich gleich ist. Dies ist letztendlich nicht dramatisch, weil es sich im Prinzip lediglich um marginale Unterschiede handelt, aber aufgefallen ist es allemal.

Es sind ein paar Kleinigkeiten, die mir an „Axis & Allies – Battle of the Bulge“ ein wenig störend aufgefallen sind, wie etwa die vergleichsweise undeutliche Darstellung der Sechsecke oder das Chaos, das manchmal entsteht, wenn sich zu viele Einheiten auf einen zentralen Punkt konzentrieren. Doch im Grunde genommen wird davon weder der Spaß noch der Spielfluss in irgendeiner Weise negativ beeinträchtigt. Insgesamt überwiegt nämlich in wirklich allerlei Hinsicht die Begeisterung über diese fantastische Taktikschlacht in den Ardennen und damit auch über die Tatsache, dass alle Befürchtungen, das Spiel würde sich unnötig ziehen, bereits in der ersten Partie widerlegt wurden. Zu kritisieren ist lediglich der hohe Preis. Zwar wird in der üppig bestückten Schachtel einiges an Material geboten, doch Preise jenseits der 50-€-Marke halte ich persönlich für unangebracht; zumal es für vergleichbar günstigere Preise auch ähnlich fett aufgemachte Brettspiele mit weitaus edlerem Material gibt. Der enorme Spielspaß rechtfertigt einen Teil dessen, ist aber leider keine ausreichende Begründung für die Preispolitik. Diesen kleinen faden Beigeschmack muss man aber schließlich in Kauf nehmen, um diese Perle des kriegerischen Brettspiels kennen zu lernen.

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