Archiv der Kategorie: Rezensionen

Yoshida, Sunao / Kyujo, Kiyo – Trinity Blood 3

[Band 1 2888
[Band 2 3060

_Story_

Seit nunmehr fünf Monaten lebt Esther Blanchett im Vatikan, zunächst als Novizin und nun, nach erfolgreicher Ausbildung, als ordentliche Schwester. In dieser Zeit war sie von Pater Tres und Abel Nightroad getrennt, arbeitet jetzt aber wieder an ihrer Seite. Doch Schwester Blanchett, die sich mittlerweile sehr in den tollpatschigen Priester Nightroad verguckt hat, ist skeptisch, was ihre neue Stellung angeht. Besonders das seltsame Verhältnis zwischen Kardinal Sforza, der Herzogin von Mailand, und Abel macht ihr zu schaffen, weil sie in ihr eine starke Konkurrentin sieht. Esther möchte gerne mehr über die Leiterin der Abteilung Ax in Erfahrung bringen und folgt Pater Nighroad auf Schritt und Tritt. Der wiederum ist gerade mit einem Attentat auf seine Vorgesetzte beschäftigt, welches augenscheinlich von einem Methusalem vollführt wurde. Mitten in den Verhandlungen mit zwei Vampiren, die offensichtlich zum näheren Täterkreis gehören, kommt Esther dem Pater schon wieder in die Quere, erlebt dabei jedoch auch ihre erste echte Bewährungsprobe als Angestellte des Vatikans.

_Meine Meinung_

Der dritte Teil der noch immer recht frischen Manhwa-Serie „Trinity Blood“ ist zugleich auch schon ein komplett neues Kapitel innerhalb dieser Reihe. Die Umstände bzw. die Voraussetzungen für die Story haben sich durch den neuen Aufenthaltsort der Protagonisten geändert, und so beginnt auch prinzipiell ein neues Abenteuer für Esther, Tres und Abel, welches nur noch sehr lose mit den Ereignissen der Reise in den Vatikan zusammenhängt.

Mittlerweile haben die drei Hauptfiguren ihre Stellung in der neuen Umgebung gefunden. Esther Blanchett hat sich konsequent hochgearbeitet, Tres ist ebenfalls seinen Weg gegangen und hat sich allerorts Respekt erarbeitet, und Abel Nightroad ist ebenfalls wieder in den Schoß seiner Heimat zurückgekehrt, wo er an der Seite von Schwester Catherina die Bedrohung durch die Vampire des ‚Reichs‘ bekämpft.

Das Trio trifft wieder aufeinander, als das Haus der Herzogin durch ein Attentat erschüttert wird. Nightroad und seine nun offizielle Gefährtin Esther begeben sich auf Geheiß ihrer Vorgesetzten auf die Suche nach den Verursachern, die offenkundig vampirischer Herkunft sind. Jedoch ist Schwester Blanchett mit ihrem Herzen nicht voll bei der Sache; sie empfindet Eifersucht für die Zuneigung, die Pater Nightroad Lady Catherina schenkt, und realisiert dabei, dass sie selber starke Gefühle für den unnahbaren Priester entwickelt. Doch in ihrem Bestreben, diese Beziehung zu analysieren, erleidet sie immer wieder Rückschläge und tritt gleich in mehrere Fettnäpfchen, so dass sie unbewusst vor ihrem offenbar Geliebten bloßgestellt wird. Andererseits gelingt es ihr aber auch, sich erstmals als Angestellte des Vatikans zu beweisen und Nightroad auch heimlich zu imponieren. Und auch der scheint seiner Begleiterin gegenüber nicht ganz abgeneigt zu sein.

Die Geschichte im dritten Band verläuft gleich auf mehreren Handlungsebenen, die jedoch allesamt auch direkt mit den Ereignissen zwischen dem Pater und der Schwester in Zusammenhang stehen. Weiterhin geht Sunao Yoshida dieses Mal etwas näher auf die Gegenseite ein und beschreibt ihre Motivationen. Und dennoch ist das Ganze von einigen Rätseln bestimmt, denn als Nightroad und die beiden Vampire Tovaras und Radu aufeinander treffen und auch freundschaftlich miteinander umgehen, ist kaum noch durchschaubar, auf welcher Seite die beiden wirklich stehen. Ebenso wenig wird die Rolle von Lady Catherina deutlich. Insgeheim plant sie Verhandlungen mit den Vertretern des ‚Reichs‘, wohl wissend, dass weitere Kontakte mit dem Vampirbund auf wenig Gegenliebe im Vatikan stoßen würden. Es stellt sich die Frage, ob die Dame wirklich so rechtschaffen ist, wie sie ihren Kollegen gegenüber auftritt. Oder ist doch alles nur Fassade? Und in welcher Beziehung stehen Nightroad und die Lady wirklich?

Alles in allem bleibt der Autor einige Fragen schuldig und verrät auch noch nicht so recht, in welche Richtung der Plot weitergeführt werden könnte. Zu viele Überraschungsmomente prägen den dritten Teil der Serie und zwischendurch auch einige kleine Ungereimtheiten. Dennoch gelingt es Yoshida, die Geschichte voranzubringen und das Verhältnis und die Interaktion der einzelnen Protagonisten zueinander zu intensivieren, dabei aber trotzdem einige Geheimnisse aufzubauen und als Letztes auch noch weitere, prägende Charaktere einzufügen. Insofern kann man auch bei der zweiten Fortsetzung von „Trinity Blood“ von einem absolut gelungenen Band reden, nicht minder spannend als die beiden Vorgänger, dieses Mal aber ein bisschen ernster und gewissermaßen auch weniger humorvoll. Doch der nicht ganz so offensichtlich präsente Witz wird hier größtenteils durch den Charme von Blanchett und Co. wieder wettgemacht und ist auch kein Anlass zur Skepsis. Eine gute Story ist nun mal eine gute Story – und diejenige in „Trinity Blood“ ist sogar sehr gut!

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Bennett, David – Den Himmel berühren

In drei Kapiteln präsentiert Verfasser David Bennett den Lesern sein Thema:

|“Senkrechte Welten – Ein Tag im Leben eines Wolkenkratzers“|: Im Mittelpunkt steht der Sears Tower, seit 2001 wieder höchstes Haus auf dem nordamerikanischen Kontinent. (Dass die höchsten Gebäude der Welt inzwischen in Asien emporragen, ist eine weitere Erkenntnis, die wir diesem Werk verdanken.) Er wurde in Chicago erbaut und reckt sich stolze 443 Meter in die Höhe. Verfasser Bennett geht es jedoch mehr darum, was sich im Inneren abspielt, dessen gewaltige Dimensionen einen exotischen Mikrokosmos mit eigenen Regeln und Gewohnheiten formen.

|“Hoch hinaus – Die Geschichte der Wolkenkratzer“|: Kaum ein Jahrhundert gibt es sie, obwohl man sich die Großstädte der Welt ohne sie nicht mehr vorstellen kann. Aber auch Hochhäuser haben tief angefangen – als Laternenkratzer gewissermaßen. Dieses Stadium haben sie aber rasch und gewissermaßen in 20-Jahres-Sprüngen hinter sich gelassen: Jedenfalls teilt David Bennett die Wolkenkratzer-Chronologie in diese Phasen ein. Als Laie findet man das überzeugend. Die wenigen, aber das Wichtige erfassenden Informationen verblassen ohnehin im Vergleich zum Bildmaterial. Historische Fotos von fabelhafter Qualität und sogar Ausklappseiten schwelgen in eindrucksvollen Gesamt- und Detailansichten.

|“Vertikale Realität – Der Bau der Hongkong Bank“|: So ganz klar wird nicht, wieso Bennett sich ausgerechnet dieses Gebäude als Beispiel dafür wählt, wie man heute ein Hochhaus baut; möglicherweise ist er einfach gerade anwesend gewesen … Sei’s drum, die Hongkong Bank kann als exemplarisch für den modernen Hoch-Bau gelten. Die unglaubliche Herausforderung wird selbst dem Nicht-Architekten sogleich deutlich. Wer sich bisher ernsthaft fragte, wie Wolkenkratzer der Schwerkraft trotzen, selbst wenn sie nicht von Flugzeugen gerammt werden, weiß nach der Lektüre mehr – und staunt fast ehrfürchtig! (Ausgenommen chronisch zivilisationskritische Weltverbesserer, die ihre Mitmenschen in Höhlen zurückzwingen möchten.)

Lässt sich die Geschichte der höchsten Häuser dieser Welt in einem (wenn auch großformatigen) Buch von gerade 120 Seiten darstellen? Kann diese Lektion um grundsätzliche technische Informationen ergänzt werden, ohne den Umfang des Werkes in die Höhe und die Nicht-Architekten unter den Lesern in die Flucht zu treiben? Ist es möglich, die kompakte Lehrstunde durch Foto-Impressionen zu ergänzen, die nicht einfach nur Seiten schinden, sondern zusätzliche Infos vermitteln sollen?

Tatsächlich ist das alles möglich, wenn man nur weiß, wie es gemacht wird. David Bennett, Ingenieur und Schriftsteller, hat sich sichtlich Gedanken darüber gemacht, wie er sein Thema dem Laien (der Fachmann murrt sicherlich wie üblich über viele weiße Flecken und Vereinfachungen) nahe bringen kann. Nicht dass dies in diesem Fall schwer wäre: Auch nach dem Fall der Twin Towers in New York haben Wolkenkratzer ihre Faszination nicht verloren. Wie sollten sie auch, symbolisieren sie doch diverse Träume des Menschen, den es seit jeher in die Höhe lockt. Sich über den alltäglichen Pöbel und den Straßenschmutz der Stadt erheben und gleichzeitig Kosten fürs Baugrundstück sparen: Wer könnte da schon widerstehen?

„Den Himmel berühren“ ist in gewisser Weise ein Zeugnis unschuldigerer Zeiten. Als es 1995 veröffentlicht wurde, war der Aufwärtsdrang der Architekten noch ungebrochen. Höher, immer höher sollte es gehen, Konzepte für 800-Meter-Wolkenkratzer wurden ernsthaft entwickelt. Wie bereits erwähnt wurde, steht heute das höchste Haus der Welt in Asien (Petronas Towers in Koala Lumpur, Malaysia, 450 m; kennen wir u. a. aus dem Kinofilm „Entrapment“/“Verlockende Falle“ von 1999 mit Sean Connery und Catherine Zeta-Jones). Zumindest in den westlichen Industrieländern ist mit dem Ende des World Trade Center in New York (zwei Mal 417 m übrigens) alles anders geworden. In Bennetts Werk gibt es sie natürlich noch, aber für diese aktuelle deutsche Billigausgabe hat sich der |Orbis|-Verlag tatsächlich die Mühe gemacht, einen Hinweis auf die Katastrophe vom September 2001 in den Text aufzunehmen. Respekt!

David Bennett ist Bauingenieur mit eigenem Beratungsbüro und hat sich – das dürfte keine Überraschung sein – auf Hochhäuser spezialisiert. Für diese macht er sich seit jeher auch publizistisch stark und hat zahlreiche (meist prächtig bebilderte) Sachbücher verfasst.

Vankin, Jonathan / Whalen, John – 50 größten Verschwörungen aller Zeiten, Die

Verschwörungen. Wer kennt und liebt sie nicht? Die oft phantasievollen Backgroundstorys und Was-wäre-wenn-Theorien zu mehr oder weniger großen Ereignissen, die eine alternative Wahrheit preisgeben, die jedoch oft nicht zu beweisen ist und nur auf widersprüchlichen Indizien beruht, welche nicht zur allgemein vertretenen Meinung passen. Nun, manchmal sind sogar offizielle Darstellungen und lieb gewonnene Lehrbuchmeinungen, an die man sich so gern klammert, hanebüchener und spekulativer, als jede konspirative Theorie es je sein könnte.

Der unumstrittene Vorteil von Lehrmeinungen: Sie werden von der breiten Masse jedoch als wahr anerkannt und akzeptiert. Wie das so ist im Leben, hängt die wahrgenommene Realität beinahe ausschließlich von unserem eigenen Standpunkt ab und dem, was uns als „wahr“ auch von dritter Seite suggeriert und zuweilen – etwa durch die Massenmedien – regelrecht eingetrichtert wird. 50 der beliebtesten und sich hartnäckig haltenden Komplotte und Intrigen haben die Autoren Vankin und Whalen zusammengetragen und kommentiert.

_Zum Inhalt_

Die Spanne der geschilderten, nie zufrieden stellend geklärten Vorfälle reicht buchstäblich von Akte X bis Zion. Den Schwerpunkt und Born nie enden wollender Geheimniskrämerei und mutmaßlicher Verstrickungen liefert (wer auch sonst?) die CIA. Das mag zum einen daran liegen, dass der US-Geheimdienst praktisch überall seine Finger im Spiel haben soll. Zumindest wird ihm das ja – von JFK bis Monicagate – gerne unterstellt. Zum zweiten liegt es daran, dass das Autorenteam aus den USA stammt. Da sind solche CIA-Themen natürlich präsenter als die Machenschaften von Geheimdiensten und -kulten des alten Europa. Gegenüber der Originalausgabe wurde vom |HEEL|-Verlag (wo das Buch zuerst erschien) die deutsche Fassung unverständlicherweise um 20 Theorien gekürzt, dort sind es ganze 70.

Dennoch finden sich hier auch Kuriositäten mit Rang und Namen aus anderen Teilen der Welt. Etwa das Mysterium des Turiner Grabtuchs, die niederländische Bilderberger-Gruppe, die Illuminati um Adam Weishaupt, die Freimaurer (und in diesem Kontext auch Jack the Ripper), die Prieuré de Sion, der nationalsozialistische Thule-Orden um Heinrich Himmler und Adolf Hitler, und nicht zuletzt der tragische Tod von Prinzessin Diana. Die Roswell-UFO-Legende nebst den „richtigen“ MIB (Men in Black) darf selbstverständlich auch nicht fehlen, ebenso wenig natürlich wie JFK und auch das Lockerbie-Attentat. – ein kunterbuntes und illustres Gemisch. Hier ist fast alles vertreten, was die moderne, konspirative Gift- und Gerüchteküche eben hergibt.

_Eindrücke_

Heute wäre die Liste um ein paar entscheidende Punkte länger. Die Autoren konnten jedoch kaum ahnen, dass im Jahr 2001 mit den Terror-Anschlägen einige ihrer hier behandelten Verschwörungstheorien regelrecht zu kumulieren scheinen. Zum Nine-Eleven gibt es übrigens seit 2006 ein eigenes Buch von Vankin und Whalen. Es ist schon interessant zu lesen, dass bereits vor Ground Zero & Co. immer wieder die gleichen Namen, Gruppierungen und Zusammenhänge Erwähnung finden und wie weit manch eine der unterstellten Seilschaften mächtiger Menschen und Organisationen zurückreicht. Bemerkenswerte Parallelen mit dem verhängnisvollen Nine-Eleven tun sich auf, und das bereits einige Jahre vorher. Die Erstveröffentlichung des Buches fand 1995 statt, die letzte überarbeitete Ausgabe datiert auf 1998.

Logischerweise reichen die sicher nicht immer ganz ernst gemeinten Recherchen und verschmitzten Kommentare zu den 50 „beliebtesten“ Verchwörungstheorien auch nur bis zu diesem Jahr. Dabei werden offizielle Darstellung und die Gerüchteküche für jeden der streiflichartig behandelten Vorfälle munter durch bissige Einschübe miteinander vermengt. Eher humorvoll präsentiert sich der Stil, doch das kann nicht davon ablenken, dass die Autoren im Kern durchaus richtige und kritische Fragen stellen. Rein psychologisch ist es übrigens sehr geschickt, dies in Frageform zu gestalten; so gerät man weniger in die Schusslinie des vermeintlichen Establishments. Wer zu strittigen Themen nur „mal dumm“ fragt, der verbrennt sich die Zunge weniger als jemand, der seine Meinung im Imperativ formuliert.

_Fazit_

Dank der flockigen Schreibe bietet das ursprünglich im |HEEL|-Verlag erschienene und bei |Area| neu aufgelegte Buch einige vergnügliche Lesestunden, kann und will aber dem mündigen Leser weder das Denken noch das eigene Recherchieren abnehmen. Das heißt, wenn dieser sich annähernd für den ganzen Geheimniskram interessiert. Was bleibt, ist ein nicht besonders aktueller Überblick über 50 populäre Verschwörungstheorien, dem allerdings gegenüber dem amerikanischen Original ganze 20 (!) zum Teil sehr skurrile Themenkomplexe fehlen, welche leider nicht in die deutsche Version übernommen wurden – warum auch immer.

|Originaltitel: The 70 Greatest Conspiracies Of All Time, Citadel Press 1995|

Williams, Rob / Badeaux, Brandon – Star Wars 60: Rebellion 4

[Band 1 3339
[Band 2 3340
[Band 3 3341

_Inhalt_

|“Rebellion – Das Finale“|

Die Allianz steht unmittelbar vor einer bitteren Niederlage. Nachdem die Rebellenflotte vom Imperium hintergangen und verraten wurde, haben die Kräfte der dunklen Seite der Macht den Standort von Skywalker und Co. entdeckt und entsenden eine gewaltige Streitmacht dorthin. Während draußen eine unbarmherzige Schlacht tobt, kämpfen Luke und sein ehemaliger Jugendfreund Janek Sunber im Inneren eines Raumkreuzers gegeneinander für ihre Ideale. Und Luke bleibt kaum noch Zeit, seinen verräterischen Gefährten zu besiegen, denn direkt neben den beiden liegt Prinzessin Leia im Sterben.

|“Wedge Antilles in: Glück“|

Wedge Antilles war an den tapfersten Schlachten der Rebellen beteiligt. Er überlebte Yavin und die Gefechte auf dem Eisplaneten Hoth und war auch an der Zerstörung des Todessterns beteiligt. Während viele seiner Gefährten ihr Leben im Kampf gegen das Imperium lassen mussten, war er stets vom Glück verfolgt. Und dennoch hängt ihm die Erinnerung an die bitterste Stunde seines Heimatplaneten Gus Talon immer noch nach. Während seiner Abwesenheit hatten die imperialen Streitkräfte in einem Rachefeldzug gegen den Vater von Wedges Freundin Mala kurzerhand alles vernichtet und einen Großteil der Bevölkerung in Gefangenschaft genommen. Jederzeit war Wedge ein Glückspilz, nur seine zerstörte Liebe zur nie mehr aufgetauchten Mala, die macht ihn bis heute nicht glücklich.

|“Gestrandet“|

13 Monate nach der Schlacht auf Endor begegnen sich ein gestrandeter Kämpfer der Rebellen sowie ein Trooper des Imperiums auf dem Planeten der Ewoks. Nachdem sie widerwillig Waffenstillstand beschlossen haben, versuchen sie, sich gegenseitig von den Idealen ihrer Seite zu überzeugen. Doch schon nach kurzer Zeit stellen sie fest, dass Imperiale und Rebellen nicht gemeinsam existieren können.

_Meine Meinung_

Im letzten Teil der vierteiligen Mini-Serie „Rebellion“ entscheidet sich, ob es Janek Sunber und Jorin Sol gelingt, den imperialen Mächten und ihrem Einfluss zu entsagen, oder ob sie ihren Verrat bis zum bitteren Ende durchziehen werden. Inmitten einer riesigen Sternenschlacht kämpfen sie an Bord eines kleinen Kreuzers für die zweifelhafte Moral, die ihnen von der dunklen Seite eingegeben wurde. Doch Luke und die Rebellen kennen von nun an auch keine Kompromisse mehr, und aus der ehemaligen Freundschaft, an die der junge Skywalker bis dato immer noch glaubte, wird ein endgültiger Kampf auf Leben und Tod.

Der letzte Teil der „Rebellion“-Saga ist leider nicht ganz so spektakulär wie erhofft und schließt mit einem eher nüchternen, fast schon nichts sagenden Ende. Andererseits führt Rob Williams die Story auch konsequent und strikt zu Ende, und dies ohne Rücksicht auf Verluste. Es ist ein teilweise recht brutales Finale, welches bis zum Schluss reich an Action ist und deswegen auch nicht enttäuscht. Nur rein inhaltlich hätte man sich einen etwas ambitionierteren Ausgang der Fehde zwischen Sunber und Skywalker gewünscht.

Dieses kleine Manko wird allerdings im weiteren Verlauf von den beiden zusätzlichen Geschichten wieder ausgeglichen. Besonders der emotionale Rückblick des X-Wing-Piloten Wedge, ebenfalls von Rob Williams geschrieben, ist eine brillante Anekdote über die Gemeinheiten der Truppen des Imperators und für eine derartig kurze Geschichte enorm gehaltreich. Es wäre darüber hinaus auch sehr gut vorstellbar, dass der Autor den hier gesponnenen Faden irgendwann in naher Zukunft wieder aufgreift, um noch weiter auf die Trennung zwischen Wedge und Mala einzugehen.

Die dritte Erzählung im Bunde ist eine allzu typische für die „Star Wars“-Comics. In einem relativ kurzen, teils auch recht witzigen Plot versuchen zwei feindliche Kämpfer, bei ihrem Gegenüber Überzeugungsarbeit zu leisten, um sie zum Wechsel der Seiten zu bewegen. Zwar ist die Kurzgeschichte nicht mehr als eine nette Ergänzung, als solche aber echt lesenswert und für den runden Abschluss des 60. „Star Wars“-Comics auch bestens geeignet.

Halten wir also fest: Das Ende der Mini-Serie ist etwas zu kompakt geraten und zieht einen Schritt zu schnell am Leser vorüber. Einige Details mehr, und niemand hätte gemeckert. Einen guten Ausgleich liefern indes die beiden Zusatzstorys und der tolle Infoteil am Ende des Magazins. Hier erfährt man übrigens auch schon Näheres über die künftigen Veröffentlichungen der verschiedenen Editionen der „Star Wars“-Illustrationen. Und glaubt man dem hier Geschriebenen, erwartet Fans schon im Frühjahr wieder etwas ganz Großes. Aber bis dorthin ist man mit dem Finale von „Rebellion“ noch ganz gut bedient.

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Birgit Erwin – Neun Leben

Die junge Catherine strotzt vor Unternehmungsgeist und Selbstsicherheit und sieht toll aus. Sie ist ein Profi als Privatdetektivin und Tochter einer reichen, adligen Familie in Nordengland. An ihrem Geburtstag besucht sie das Anwesen ihrer Eltern, und für ihren bodenständigen Freund Michael zeigt sich die Gesellschaft so intellektuell und spröde wie im Mittelalter. Der Haussegen hängt schief, Catherines Zwillingsbruder ist nicht gekommen und die alten Geschichten über ihren Berufsweg werden ausgegraben. Catherine und Michael verschwinden so bald wie möglich.

Ein anonymes Schreiben ruft sie an einen sehr persönlichen Ort der Freundschaft zwischen ihrem Zwillingsbruder und ihr, den sonst niemand kennt. Catherine und Michael besuchen ihn in der Nacht, in der Hoffnung auf ein heimliches Treffen mit dem Bruder. Sie finden ihn auch, ermordet.

Die Beziehungen, die Catherine über ihre Familie nutzt, führen dazu, dass ein Freund und Verehrer aus der schottischen Polizei (der Mord geschah knapp in Schottland) den Fall übernimmt. Catherine selbst stürzt sich auf ihren aktuellen Auftrag, der sich mit einer Sekte beschäftigt. Sie hat den Tod ihres Bruders noch nicht verarbeitet und grübelt über ihre Beziehung und setzt alle neuen Erlebnisse mit ihm in Verbindung.

Catherine wird im Zuge ihrer Ermittlungen plötzlich gehäuft in Unfälle verwickelt, aus denen sie immer wie durch ein Wunder nur leicht verletzt hervorgeht. Ihr Arzt wird misstrauisch und befürchtet Verbindungen zu ihrer Arbeit, aber sie glaubt nicht an Mordversuche. Erst ihre Ermittlungen bei der Sekte bewirken eine schleichende Veränderung.

Und während ihr Fall immer mehr unerwartete Verbindungen mit ihrem Bruder bekommt, sie selbst mit den Ansichten der Sekte konfrontiert wird und die Polizei in ihrer Ermittlung nicht vorankommt, macht sich ihr Freund Michael Sorgen und ermittelt auf eigene Faust und auf seine Art als Journalist. Er kommt der Wahrheit auf die Spur und sieht seine Freundin sich immer tiefer verstricken, immer weiter zurückziehen und immer stärker entfremden. Er bekommt ernsthaft Angst, sie zu verlieren.

Wie schon in ihrem Erstling »Lichtscheu« greift Birgit Erwin auf ein verbreitetes unerklärliches Phänomen und einen Glauben zurück, um ihrer Geschichte die phantastische Note zu verleihen. Waren es dort Vampire, sind es hier die ägyptischen Mythen, aus denen Erwin ein Detail aufgegriffen hat. Die Göttin Isis, Schwester des Obergottes Osiris und gleichzeitig seine Frau und Liebesgefährtin, steht als Pate für die Sekte, in deren Fänge es Catherine treibt. Diese Sekte besteht aus sogenannten Kriegern und Kriegerinnen der Isis, die weiterhin ihre Ziele verfolgen und in ihrem Sinne kämpfen. Sie sollen nach dem Glauben der Sekte neun Leben besitzen, um ihren gefährlichen Aufgaben gerecht werden zu können. In einer recht schnellen Wandlung gelangt Catherine von ihrer spöttisch-herablassenden Art, die sie vor allem ihrer sterndeutenden Mutter gegenüber hervorkehrt, zu der Überzeugung, selbst eine Kriegerin mit neun Leben zu sein. Mit diesem Glauben erscheinen die vielen Unfälle in ihrem Leben in einem ganz neuen Licht: Überlebte sie nur aufgrund ihrer Eigenschaften? Überlebte sie also gar nicht, sondern verlor lediglich ein Leben?

Man könnte die Wandlung in ihrer Schnelligkeit kritisieren. Erwin hat geschickt den Tod des Bruders als Erklärungsansatz für Catherines Labilität geliefert, andere Agonisten spekulieren im Laufe der Geschichte, dass sie gar nicht so selbstsicher sei, sondern durch ihre Entwicklung und selbst durch die Beziehung zu ihrem Bruder in ihrer Psyche geschwächt sei.

Michael hat ebenfalls seine Probleme. Er ist sich weder seiner Liebe zu Catherine noch ihrer Liebe zu sich sicher. Wenn er auch nicht als Alkoholiker bezeichnet wird, kommt man doch nicht umhin zu sehen, dass er seine Probleme in Bier ertränkt. So wie der zur Flasche greift, ist das jedenfalls nicht völlig normal. Das gemeinsame Leben der beiden zeugt bis zu dieser Situation auch nicht gerade von Harmonie. Und in dieser »heißen Phase« kommunizieren sie über gekritzelte Notizen und leben aneinander vorbei, statt die Probleme miteinander anzugehen. Seine Neigung zum Alkohol lässt auch ihn nicht gerade als Sympathieträger auftreten.

Erwins Stil ist persönlich und modern, trifft damit sicher den Geschmack vieler Leser und stößt andere vielleicht ab. Flüche, wie sie sonst oft vermieden oder dezent eingesetzt werden (zum Beispiel »Scheiße«) kommen in naturalistischer Häufung vor, und wahrscheinlich wird im normalen Leben noch mehr geflucht und geschimpft. Spannend und unterhaltsam ist die Geschichte auf jeden Fall, flüssig zu lesen, weitgehend glaubwürdig. Vor allem in die Überlegungen von Catherine kann man sich hineinversetzen, man kann sogar den Schwenk in die Übernatürlichkeit mit vollziehen. Nochmal bedacht, ergibt er sich aus der Angst und dem großen Verlust, den Catherine erfahren und der ihrem Leben eine gleichmäßige Stütze genommen hat. In dieser Phase erkennt sie ihren Lebensgefährten nicht als Hilfe.

So steuert der Roman einem beinahe klassischen Finale entgegen, wobei man sich über weite Strecken fragen könnte, wohin der Weg führt. Lange bleibt der Sinn des Titels verborgen, so dass er sogar aus dem Bewusstsein verschwindet. Schließlich wird alles mit einem Schlag deutlich und das Ende ist absehbar, aber in seiner Dramatik doch überraschend.

Gerade der Epilog befriedigt die Spannung, die sich über den Roman aufbaut und in unerwarteter Tragik entlädt. Er kann aber nicht verschleiern, dass die Geschichte lange ohne Ziel verläuft und so nur die Hoffnung auf ein gutes Ende bleibt.

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McGough, Scott / Girke, Hanno – Hüterin, Die (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 3)

[Outlaw 1864 (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 1)
[Der Ketzer 2645 (The Gathering: Kamigawa-Zyklus, Band 2)

Die politische und militärische Lage in Towabara wird täglich brisanter, denn die Soratami haben unter Führung des Mondgeistes Mochi den übrigen Völkern offen den Krieg erklärt und beginnen mit der systematischen Ausrottung der Schlangenmenschen in den Wäldern des Jukai. Derweil ist Daimyo Konda an der Spitze eines riesigen Geisterheeres auf der Suche nach dem seltsamen Artefakt, welches Toshi im Auftrag des “Myojin des Griffs der Nacht” aus Eiganjo entwenden konnte (vgl. Band 2: Der Ketzer); und auch O-Kagachi, der uralte Geisterdrache, will den gestohlenen Gegenstand zurück ins Geisterreich holen.

Vor diesem Hintergrund fällt es Toshi zunehmend schwerer, die Wünsche seines Gottes zu erfüllen und dabei zu überleben. Zuerst muss er „Es, das genommen wurde“ aus der Minamo-Akademie, wo er das Artefakt versteckte, vor dem todbringenden Wüten seines ehemaligen Eidbruders Hidetsugu, den Yamabushi und dem „Alles verzehrenden Oni des Chaos“ in Sicherheit bringen, dann der Yuki-Ona die Freiheit schenken und schließlich verhindern, dass die Steinscheibe Konda und O-Kagachi in die Hände fällt. Da er jedoch erstens nicht länger durch den Hyozan-Eid vor dem Troll-Schamanen geschützt ist, ihm zweitens sein Myojin verboten hat, „Es“ in sein Reich zu bringen, womit Toshi ein Flucht- und Reiseweg durch die Schatten verschlossen ist, und drittens das Artefakt zunehmend ein Eigenleben entwickelt, bedarf er aller seiner Künste als Dieb und Magier, um der Lage Herr zu werden.

Da er aber auch nur ein Mensch ist und sowieso dazu tendiert, Regeln sehr großzügig auszulegen, muss er zwangsläufig versagen. In einer äußerst brenzligen Situation flieht er durch das Reich seines Gottes, das Artefakt im Gepäck. Wutentbrannt entzieht ihm daraufhin der Myojin seine Gunst. Kampfentscheidender Fähigkeiten – Unsichtbarkeit, Schattenwandeln, Tödliche Kälte – beraubt, sieht Toshi nur einen Ausweg: Er muss die Scheibe zu den Fuchsmenschen und Prinzessin Michiko bringen, in der Hoffnung, dass deren Magie das, was im Inneren schlummert, erwecken kann, damit es sich selbst schütze.

McGough legt in seinem abschließenden Band das Hauptaugenmerk darauf, die bisherigen Handlungsstränge zu verknüpfen und zu einem überzeugenden Ende zu führen. Obwohl das Tempo hoch und die Seitenzahl knapp ist, leiden weder die Atmosphäre noch die Zeichnung der Charaktere, denn nach wie vor stehen nicht so sehr die Kämpfe selbst im Vordergrund als vielmehr Toshis Umezawas listiges und überlegtes Handeln. Stärker noch als im zweiten Roman dominiert dieser Charakter die nach wie vor exotische und fesselnde Geschichte und – wie gehabt – erwächst ein großer Teil der Faszination aus seiner Interaktion mit den anderen Protagonisten. Durch beißenden Spott, Schmeicheleien, Lügen und – zur Abwechslung auch mal der Wahrheit – entfaltet der Dieb eine manipulative Kraft, die ihresgleichen sucht. Dass er dabei nicht von Bosheit getrieben wird, sondern lediglich einen bequemen Platz in einer teils archaischen, teils sehr strukturierten und hoch zivilisierten Gesellschaft sucht, prägt sein Bild als sympathischen Non-Konformisten.

In der Figur Toshis manifestiert sich ein großer Vorzug aller Kamigawa-Romane besonders offensichtlich: Es gibt kein Schwarz und Weiß, keine engelhaft guten und keine teuflisch bösen Charaktere. Jeder, von Konda über Michiko bis hin zu Hidetsugu, hat eine helle und eine dunkle Seite. Konda strebt Macht nicht nur um ihrer selbst Willen an, sondern ist bemüht, seine Macht auch zum Wohle und zum Schutze seiner Untertanen in die Waagschale zu werfen, wobei er seinen Platz in der ersten Reihe der Kämpfer sieht. Michiko hingegen ist nicht nur naiv und freundlich, sondern auch zu äußerster Grausamkeit fähig, wie sie im finalen Kampf unter Beweis stellt. Doch trotz dieser Komplexität sind die Charaktere nicht beliebig, sondern durch und durch stringent in ihrem Handeln, gehen jeweils ihren eigenen, unverwechselbaren Weg. Genau dies spiegeln in herausragender Weise die letzten beiden Seiten eines Epilogs wider, welchen ich – ohne etwas verraten zu wollen und ohne zu zögern – zu den stimmigsten und besten zähle, denen ich bisher begegnet bin.

Fazit: Der würdige Abschluss einer erstklassigen Trilogie, die mit ihrer Originalität nicht nur ein – wenn nicht sogar das – Aushängeschild der Magic-Roman-Reihe ist, sondern auch das Fantasy-Genre im Allgemeinen bereichert.

© _Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|

Farmer, Nancy – Skorpionenhaus, Das

_Story_

Der erst fünfjährige Matt lebt in einer abgeschiedenen Hütte inmitten einiger Mohnfelder bei seiner Ziehmutter Celia und dem aus Schottland stammenden Tam-Lin. Allerdings lebt er dort auch ziemlich einsam; er darf das Haus nicht verlassen und auch jeglicher sonstige Kontakt zur Außenwelt wird ihm nicht gewährt. Eines Tages, während Celias Abwesenheit, nutzt Matt jedoch eine Gelegenheit, sich seiner einengenden Lage zu entziehen. Er flüchtet aus dem Fenster, um draußen mit einigen Kindern zu spielen, die er bereits zuvor erblickt hatte. Allerdings verletzt Matt sich bei dieser Aktion und muss umgehend vom ortsansässigen Arzt behandelt werden. Erst dort wird ihm nach und nach die Wahrheit über sein Dasein bewusst. Er ist einst als Klon des mächtigen Drogenbarons Matteo Alacran geschaffen worden und sollte den alternden Gauner ursprünglich mit frischen Organen versorgen. Während die übrigen Klone sofort nach ihrer Herstellung willenlos versklavt werden, hat El Patron für sein zweites Ich ein anderes Schicksal vorgesehen. Er soll eine glückliche Kindheit erleben und erst später auf Abruf bereitstehen.

Mit wachsendem Alter erfährt Matt immer mehr von seiner zweifelhaften Herkunft und den Machenschaften des brutalen Clanoberhaupts, erkennt dabei aber auch, dass Alacran eines Tages nach ihm suchen wird, um sich bei seinem persönlichen Ersatzteillager zu bedienen. Im Jugendalter ist es schließlich so weit: Der Drogenbaron leidet unter Herzschwäche und benötigt dringend Unterstützung von seinem Klon. Der jedoch hat sich inzwischen makellos entwickelt und ist unter seinesgleichen nicht mehr als Sonderling zu erkennen. Umso schlimmer wird die Situation für ihn, als er realisiert, dass Alacran und seine Handlanger genau jetzt nach ihm verlangen …

_Meine Meinung_

„Das Skorpionenhaus“ aus der Feder von Nancy Farmer ist ein recht eigenartiger, gleichzeitig aber auch sehr bewegender Roman, in dem die Autorin die Entwicklungen der modernen Technologie zum Anlass nimmt, massive, wenn auch gut versteckte Kritik an Gesellschaft und Politik zu äußern. Anhand der Geschichte des kleinen Matt, der trotz allzu menschlicher Züge letztendlich nur Produkt einer niederträchtigen Manipulation ist, erörtert sie moralische Aspekte der modernen Forschung und bindet sie in einen spannenden, wohl auch eher auf ein jüngeres Publikum zugeschnittenen Abenteuerroman ein. Das Schicksal dieses Jungen, der einem als Sympathieträger auch sofort ans Herz wächst, ist dabei jedoch nicht bewusst melancholisch beschrieben. Tatsachen wie die Abgeschiedenheit des Jungen und sein Leben in der völligen Verborgenheit werden als kalte Fakten vorausgesetzt, ebenso die Abscheu derjenigen, die seine Herkunft kennen und sich regelrecht von ihm angewidert fühlen, als er nach seinem Unfall behandelt werden soll.

Es ist allerdings auch keinem der hier auftretenden Charaktere zu verdenken, dass die Meinung über den Klon des mächtigen Drogenbarons von gefühlskaltem, rationalem Denken geprägt ist. Matt ist kein echter Mensch, sondern ein Produkt einer Generation, die nach wie vor nur Privilegien für die erlesene Oberklasse offen hält. Er gehört zu einer Gruppe manipulierter Individuen, deren einzige Aufgabe darin besteht, das Laben der Reichen und Mächtigen zu verlängern und darüber hinaus deren mächtige Stellung in der Gesellschaft zu symbolisieren. Und obwohl er eigentlich auch nur Opfer ist, kann man ihm seinen Status nicht verzeihen, weil er letztendlich in naher oder ferner Zukunft für das Leben der verarmten Menschen in den Mohnfeldern schädlich sein wird.

Ein anderer Aspekt der Geschichte ist dementgegen die Arroganz, mit der Clans wie die Alcarans auftreten. Mit allen Mitteln, die ihnen ihre Macht gewährt, beschaffen sie sich die Dinge, die für ihr Glück erforderlich sind und setzen sich dabei über Gesetze und jegliche Moral hinweg. Im Falle von El Patron ist damit auch ein Widerspruch verbunden. Er hat nämlich einerseits das klare Ziel vor Augen, irgendwann von Matt mit Organen versorgt zu werden, will ihn aber andererseits auch am Leben lassen, um ihm zumindest die Kindheit zu gewähren. Er gibt ihm das Leben, obwohl er es ihm eines Tages unter Garantie nehmen wird – oder möchte. Diese erschreckende Kaltschnäuzigkeit und die nicht existente Trennlinie zwischen echtem und gefälschtem Leben machen den Leser (oder in diesem Fall den Zuhörer) sehr betroffen und verdeutlichen auch noch einmal, wie berechnend und gefühlsarm die diesseitige Komponente der modernen Technologie ist. Das wichtigste Gut des Menschen, das Leben selber, wird als Spielball benutzt und letztlich jeder Vernunft und Ethik beraubt.

All diese kritischen Punkte hat die Autorin peu à peu in die Handlung eingebaut, ohne dabei den Spannungsaufbau zu vernachlässigen. Die Geschichte schreitet stringent voran, hält jedoch für derartige Details unheimlich viel Raum frei, ohne dass man einen zwischenzeitlichen tempobezogenen Hänger befürchten muss – und dies bis zum rührenden Schluss, der sich jedoch nicht anmaßt, gewollt rührselig zu sein. Fabelhaft!

Gleichermaßen bewegend wird das gleichnamige Hörbuch auch von Hans Löw vorgetragen. Der 2004 mit dem Boy-Gobert-Preis prämierte Schauspieler hatte bereits in [„Echtzeit“ 3059 einen fabelhaften Job abgeliefert und bestätigt sein Talent als charismatische Sprecher hier einmal mehr. Den Konflikt zwischen eiskalter Erzählbasis und emotional-rührenden Inhalten bewältigt er unheimlich elegant und wirkt dabei jedoch jederzeit nahbar und sympathisch. Ein echter Volltreffer für den Hörbuchverlag, der den hohen Erwartungen an seine Person vollends gerecht wird.

Das Fazit kann also auch nur eine Meinung vertreten, nämlich die, dass „Das Skorpionenhaus“ eine der empfehlenswertesten Verbindungen aus Fiktion und erzählter Zeitgeschichte ist. Dank der warmen Erzählstimme Löws ist diese preisgekrönte Geschichte auch als Lesung aller Ehren wert und definitiv ein heißer Tipp für den nächsten Einkauf beim einschlägigen Buchversand – und dies im Grunde genommen für alle Altersklassen.

http://www.jumboverlag.de/

|Siehe ergänzend dazu unsere [Rezension 1737 zur Buchausgabe.|

Dübell, Richard – Spiel des Alchimisten, Das

[„Der Tuchhändler“ 2750
[„Eine Messe für die Medici“ 3288
[„Die schwarzen Wasser von San Marco“ 3323

Der Kaufmann Peter Bernward und seine Gefährtin Jana Duglosz befinden sich noch immer auf der Heimreise von Italien nach Polen. Bernward legt einen Abstecher nach Augsburg ein, um seine Tochter Maria zu besuchen. Er möchte ihr die wahren Hintergründe des Todes ihres Mannes in Florenz erklären. Kleinschmidt wurde als Beteiligter des Attentates auf die Medici hingerichtet und Bernward selbst hatte seinen Schwiegersohn ans Messer geliefert, um Jana zu retten.

Da sein Schwiegersohn im Dienste des Handelshauses der Hoechstetter stand, sucht Bernward als Erstes deren Verwalter Stinglhammer auf, um zu erfahren, wo seine Tochter wohnhaft ist. Und als käme er wie gerufen, findet er den Mann unter seltsamen Umständen ermordet auf. Der Tatort, das Büro des Verwalters, war von innen verschlossen, ebenso die Fenster, und ein seltsames, heidnisches Symbol verziert den Fußboden. Schnell zieht die Angst vor einem Dämon, einem Todesengel durch die Stadt. Doch Bernward kennt das Symbol. Vor mehr als dreizehn Jahren, als er noch der Untersuchungsbeamte des Bischofs Peter von Schaumberg war, gab es ähnliche Mordfälle mit dem gleichen Symbol. Die Geister der Vergangenheit dringen wieder in seinen Kopf ein und vor allem sein ehemaliger Freund, der Bischof selbst, mischt kräftig mit.

Hinzu kommt, dass sein damaliger Partner Gregor von Welden, nun der Burggraf des jetzigen Bischofs, seine Hilfe bei der Aufklärung erbittet. Bernward ist alles andere als begeistert. Erst als seine Tochter bei dem Begräbnis eines zweiten, unter identischen Umständen getöteten Mannes auftaucht und danach wieder verschwindet, übernimmt er die Ermittlung. Er ahnt bereits früh, dass seine Tochter irgendwie in die Morde verwickelt sein muss, und hofft, sie während der Untersuchung zu finden und beschützen zu können. Zur Seite stehen ihm dabei der alte, ehemalige Kutscher des Bischofs Albert und dessen Enkeltochter Elisabeth, als Gegner finden sich die reichen und mächtigen Herren des Handelshauses Hoechstetter und vor allem deren Prügelnabe Lutz, der Bernward kräftig zusetzt. Doch was Bernward noch mehr zu schaffen macht, ist der Alchimist Hilarius Wilhelm, der immer wieder beteuert, den Dämon mit Hilfe seines schwachsinnigen Helfers in die Hölle zurückschicken zu können …

Die Krimireihe um Peter Bernward geht mit „Das Spiel des Alchimisten“ in die vierte Runde. Und dieses Mal wird der Schleier über der Vergangenheit des sympathischen Charakters deutlich durchsichtiger. In Augsburg hatte Bernward jahrelang im Dienste des Bischofs gestanden, der schließlich sein Freund wurde. Nun kehrt er in die ehemalige Heimatstadt zurück und ermittelt in einem ähnlichen Fall wie dem, der ihm damals keine Ruhe ließ. Und was viel schlimmer ist: Seine Tochter steckt in der ganzen Sache mit drin und ist nicht einen Funken bereit, mit ihrem Vater zu reden oder sich gar von ihm helfen zu lassen. Der Konflikt zwischen den beiden muss nun bearbeitet werden; Bernward hatte nach dem Tod seiner Frau seine Kinder allesamt extrem vernachlässigt und seine Beteiligung um den Tod von Marias Mann macht seine Mission nicht einfacher. Beide Charaktere kämpfen um das, was sie als Recht empfinden. Die Tochter ist verbittert und vergrämt ob des Vaters früheren Verhaltens, der Vater will seine vergangenen Sünden wieder rückgängig machen. Klärungsbedarf und große Emotionen sowie die Verwicklung in die Morde stehen jedoch im Weg.

Dübell hat mit „Das Spiel des Alchimisten“ erneut einen spannenden und mitreißenden historischen Krimi geschaffen, dessen Charaktere eine einzigartige Ausstrahlung und Lebhaftigkeit besitzen. Wie immer zeigen seine genauen und bildhaften Beschreibungen nicht nur die Umgebung, sondern auch das Innenleben der Protagonisten. Und natürlich enttäuscht die Auflösung der Morde nicht im Geringsten, es wäre auch zu simpel, einfach einen Dämon töten zu lassen. Viel spannender ist doch eine Verbindung zwischen namhaften Handelshäusern, dem Medici-Attentat und Geld!

Im angefügten Nachwort gibt Dübell Erläuterungen zu den historischen Persönlichkeiten, die in seinem Roman vorkommen. Und natürlich erklärt er wieder, welche Ereignisse in der Geschichte tatsächlich geschehen sind. Dieses Mal waren es die Hinrichtung des Augsburger Bürgermeisters und die Ermordung seines Nachfolgers im Jahr 1478, die den Autor zu dieser Story führten. Schön finde ich ebenfalls, dass Dübell immer wieder eine Verbindung zu den vorherigen Büchern aufbaut; hier zieht sich die Linie zu „Eine Messe für die Medici“, in dem Bernward und seine Gefährtin mitten in das Medici-Attentat geraten.

Wie alle bisherigen Dübell-Romane ist auch „Das Spiel des Alchimisten“ absolut lesens- und empfehlenswert! Noch ein Hinweis: Man sollte unbedingt die Reihenfolge der Bücher beachten, um die erwähnten Rückblicke auf vorangegangene Geschehnisse zu verstehen. Dann steht dem Lesevergnügen nichts mehr im Wege.

Homepage des Autors: http://www.duebell.de
http://www.bastei-luebbe.de

C. W. Ceram – Götter, Gräber und Gelehrte. Roman der Antike

Die frühen Hochkulturen der Erde, ihre (Wieder-) Entdeckung und die Geschichte/n jener Wissenschaftler, die sich um die Erforschung der Vergangenheit bemühten, stellt Autor Ceram in einer Mischung aus Faktenschilderung und Roman vor. Kurz nach dem II. Weltkrieg entstanden, bewahrt dieses überaus lebendig geschriebene Buch trotz nachträglicher (aber oberflächlicher) Aktualisierung seines Inhalts vor allem in seiner Sprache den Geist der Entstehungszeit, was weder ohne Folgen noch Probleme bleibt: eine ebenso interessante wie zwiespältige Neuveröffentlichung.
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Hyung, Min-Woo – Priest – Band 15

[Band 1 1704
[Band 2 1705
[Band 3 1707
[Band 4 1709
[Band 5 1720
[Band 6 2515
[Band 7 2516
[Band 8 2575
[Band 9 2618
[Band 10 2701
[Band 11 2854
[Band 12 3002
[Band 13 3004
[Band 14 3022

_Story_

Ivan Isaacs hat sich vom schweren Schlag, den ihm Armand zugefügt hat, noch immer nicht erholt. Doch Temozarelas Schergen ziehen sich daraufhin überraschenderweise zurück und lassen den untoten Priester seines Weges ziehen. Auch Netraphim lässt von Isaacs ab und kümmert sich zunächst in der Gestalt von Nera um ihren beschützten Hort Windtale. Dort plant sie, mit den Gauklern ihres Zirkus‘ ein Haus zu bauen, um endlich eine angemessene Behausung für die entstellten Kinder zur Verfügung zu stellen. Doch Bürgermeister Dudley ist überhaupt nicht damit einverstanden, dass die Zigeunergruppe sich langfristig in Windtale sesshaft macht, und entsendet einige seiner Leute, um die unerwünschten Besucher ein für allemal aus dem Weg zu räumen. Dudleys Sohn Ashley bekommt Wind von der Sache und stellt sich den Handlangern seines Vaters in den Weg; doch obwohl sie strikte Order haben, ihn zu verschonen, richten die Gauner Ashley gemeinsam mit dem Gros der Kinder hin und starten so einen teuflischen Kreislauf, dem sich später auch Nera freiwillig hingibt. Und während das Schicksal von Netraphim und seiner ungeliebten Gefolgschaft seinen Lauf nimmt, versammeln sich um die Tore Windtales langsam aber sicher alle Parteien, die in den bestialischen Konflikt eingeschaltet sind.

_Meine Meinung_

Ich weiß gar nicht, in wie vielen Rezensionen zu dieser Serie ich bereits davon gesprochen habe, dass sich das große Finale anbahnt, doch dieses Mal scheint es offensichtlich, dass die letzte große Schlacht bevorsteht. Alle prägenden Charaktere schlagen um das verschlagene Örtchen Windtale ihre Zelte auf, beginnend natürlich mit Ivan Isaacs, der in einen erneuten Konflikt mit seiner Bestimmung als Sklave Belials gerät, über Marshall Coburn, der sich kurzerhand in die korrupten Machenschaften von Bürgermeister Dudley einschaltet, bis hin zu den rachedürstigen Indianern, die nach wie vor nach Vergeltung streben. Natürlich ist auch Temozarela nicht mehr weit, allerdings muss er mit ansehen, wie sich Nera alias Netraphim bereitwillig opfert und somit nicht Seite an Seite mit ihm auf den sicheren Sieg zusteuert. Ihre Hinrichtung ist mitunter auch das größte, bezogen auf die bisherige Handlung unlogischste Rätsel, weil kaum verständlich ist, warum sie die Rolle der Schutzpatronin aufgibt. Gerade jetzt, wo man ihr eine wichtige Lebensaufgabe genommen und unzählige ihrer geliebten Missgeburten getötet hat, hätte man von ihr erwartet, dass sie sich der Rachsucht Temozarelas hingibt und Selbstjustiz übt. Doch ebenso , wie sie einst Isaacs nicht ausgelöscht hat, folgt sie auch hier einem vorerst unverständlichen Weg.

Jedoch ist ihre Bestimmung nicht die einzige große Unbekannte in diesem 15. Band. Unter anderem kommen auch wieder Zweifel zu Ivan Isaacs weiterem Weg auf, denn erneut ist er sich nicht sicher, ob der Weg Belials auch der seine sein wird. Ganz allgemein wird die Rollenverteilung immer komplexer, gerade jetzt, wo ein direktes Aufeinandertreffen aller tragenden Charaktere bevorsteht. Und als wäre dies nicht noch genug, wird quasi als Epilog noch eine Mini-Geschichte über die Machenschaften des Vatikans angefügt, die in Verbindung mit den Motiven der einzelnen Beteiligten – ganz besonders den Abgesandten des Vatikans, die ebenfalls vor Windtale stehen – weitere Fragen aufwirft.

Man kann sicher sein, dass es im folgenden Band richtig krachen wird. Die Begegnung der unabhängigen Gruppierungen und Einzelkämpfer sowie Temozarela und seinem Gefolge versprechen Action auf höchstem, aber auch auf brutalstem Niveau. Womit wir wieder beim einzigen markanten Schwachpunkt von „Priest“ angekommen wären: Die Serie ist auch im aktuellen Band unheimlich brutal, und Autor Min-Woo Hyung neigt zwischenzeitlich augenscheinlich dazu, es mit seinen Gewaltdarstellungen zu übertreiben. In Nr. 15 läuft diesbezüglich zwar auch viel auf mentaler Ebene ab, doch wirklich jugendfrei ist das nicht mehr, was einem hier in den blutigen Skizzierungen offenbart wird. Dies berücksichtigend, ist diese Ausgabe dennoch ein weiteres Highlight der sich dem Schluss nähernden Serie. Teil 16 steht bereits in den Regalen und wurde nach den jüngsten Geschehnissen auch sehnlichst erwartet. Ich denke, das sagt alles!

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Donzowa, Darja – Spiele niemals mit dem Tod

Das Leben als Schriftsteller muss wunderbar sein. Ruhig und friedlich, den ganzen Tag nur am Schreibtisch sitzen und schreiben. Die Russin Darja Donzowa ist da allerdings anderer Ansicht.

Die vierzigjährige, aufgeweckte Tanja ist gerade als Haushälterin im Haus des berühmten Krimi-Autors Kondrat Rasumow und seiner jüngeren, schönen Frau eingestellt worden, als der Autor bei dem allabendlichen Kriegsspiel mit seinem vierjährigen Sohn plötzlich zusammenbricht – tot, wie sich herausstellt. Erschossen mit einer Waffe, die jemandem dem spielzeugwaffenvernarrten Wanja in die Hand gedrückt hat. Es ist ganz klar, dass der Vierjährige seinen Vater nicht mit Absicht ermordet hat, aber wer hatte dem Jungen die scharfe Waffe zugesteckt?

Für die Miliz ist der Fall klar. Es war Lena, denn Rasumow war ein ziemlicher Schürzenjäger und sie nicht sonderlich glücklich darüber. Die Einzige, die an Lenas Unschuld zu glauben scheint, ist Tanja, und die macht sich jetzt auf die Suche nach dem wahren Täter. Anhaltspunkte findet sie im letzten, noch unveröffentlichten Werk von Rasumow, in dem er über einige Menschen aus seinem Leben herzieht. Tanja beschließt, diese Leute aufzusuchen und sie darüber auszufragen, wie sie zu dem Schriftsteller standen, doch irgendwie scheinen all diese potenziellen Zeugen ums Leben zu kommen …

Einer der großen Boni von „Spiele niemals mit dem Tod“ ist die unglaublich sympathische Hauptperson Tanja, die mit ihrer resoluten Art den Haushalt des Schriftstellers auch nach seinem Tod zusammenhält. Gleichzeitig kümmert sie sich aber auch noch mit einer großen Portion Herz um die Tochter und auch um den Nachbarn Andrej, ein ehemaliger Gangster, der ihr während ihren Ermittlungen zur Seite steht.

Tanja weiß genau, wie sie an die Zeugen herankommt, und sie ist sehr geschickt, wenn es darum geht, Lügen zu erfinden, um die Leute zu treffen. Trotzdem schafft Donzowa es, Tanjas heimliche Ermittlungsarbeiten sehr authentisch wirken zu lassen, da sie nicht auf Superheldenkräfte setzt, sondern in so kleinen, nachvollziehbaren Schritten vorgeht, dass es tatsächlich real wirkt. Dabei ist ja gerade die Frage nach der Realität diejenige, die man sich in Büchern, bei denen der Normalbürger ermittelt, gerne stellt.

Donzowa meistert diese Hürde unglaublich gut und schafft es dabei auch noch, eine Menge Spannung aufzubauen. In Tanjas Leben tauchen plötzlich so viele fremde Menschen auf, dass weder sie noch der Leser wissen, wem sie jetzt eigentlich vertrauen können. Die Autorin schafft es dadurch, einige falsche Spuren auszulegen und Tanja immer tiefer in einen Sumpf geraten zu lassen, bei dem man nicht immer zwischen aufrichtigem, aber illegalem Angebot und Bosheit unterscheiden kann.

Wer ist der Mörder des Schriftstellers? Lange wird diese Frage noch nicht mal ansatzweise beantwortet, aber schlussendlich, nach vielen Wendungen und Überraschungen kommt die Wahrheit ans Licht – und ist vielleicht das Überraschendste am ganzen Buch.

Neben Tanja als Hauptperson, die aus der Ich-Perspektive erzählt, ist aber vor allem Donzowas Schreibstil bezeichnend für „Spiele niemals mit dem Tod“. Nicht umsonst wird sie auf dem Buchrücken als „Die große Satirikerin unter den Krimi-Frauen“ (|Literaturen|) bezeichnet. Gewitzt und nicht unkritisch lässt sie Tanja das Leben in Moskau beschreiben. Dabei schafft sie es auf der einen Seite, sehr liebevoll und sauber zu schreiben, so dass sich ein flüssig zu lesendes Ganzes ergibt, und auf der anderen Seite unterhält sie den Leser mit ihren kleinen Witzchen, Bemerkungen, Anspielungen, die manchmal beinahe sarkastisch klingen. Der Roman ist also in einem frischen, flüssigen, manchmal zum Lachen animierenden Stil geschrieben ist, den man sofort ins Herz schließt.

Genau wie das ganze Buch. „Spiele niemals mit dem Tod“ hebt sich schon deshalb von anderen Kriminalromanen ab, weil im Mittelpunkt eine Frau aus dem gewöhnlichen Volk steht, die gelernte Harfenistin ist, aber als Haushälterin arbeitet und dabei in eine Sache schlittert, die eigentlich eine Nummer zu groß für sie ist. Eine sympathische Protagonistin, ein Fall mit Winkeln und Ecken und ein unterhaltsamer Schreibstil – diese Zutaten sorgen dafür, dass „Spiele niemals mit dem Tod“ ein richtig gutes Buch ist!

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Toledo, Camille de – Goodbye Tristesse

Der Klappentext zu „Goodbye Tristesse“ lässt auf wirklich Gutes hoffen. |“Das atemloseste Politpamphlet des Jahres“| verspricht die |Welt am Sonntag|. Das |Süddeutsche Zeitung Magazin| sieht in „Goodbye Tristesse“ |“die Antwort auf ‚Generation Golf‘, aber leidenschaftlicher und politischer.“|

Das Lebensgefühl einer Generation soll hier analysiert werden, und zwar der Generation, die Autor Camille de Toledo selbst liebevoll die Kinder des Doppelkollaps nennt – die Generation also, deren Jugendjahre zwischen die beiden markantesten Eckdaten der heutigen Zeit fallen: 11/9 und 9/11. Der Fall der Mauer und der Fall der Zwillingstürme als Eckpfeiler einer Generation.

Auch Camille de Toledo ist ein Kind des Doppelkollaps. Geboren wurde der Franzose 1976. „Goodbye Tristesse“ erschien 2002 in Frankreich und fand dort eine große Leserschaft. Gerade auch für die Presse war das Werk ein gefundenes Fressen, denn Camille de Toledo ist nicht irgendein Linker, der irgendein neues Antiglobalisierungspamphlet geschrieben hat.

Mit bürgerlichem Namen heißt er Alexis Mital und er ist der Enkel des Gründers der Danone-Gruppe. Der Spross eines Großindustriellen, vermutlich des wichtigsten und größten in Frankreich, übt sich in Kapitalismuskritik. Doch das Ganze ist nur auf den ersten Blick so spektakulär, wie Presse und Verlag es gerne hätten. De Toledo spricht nicht gerne über seinen Großvater, lässt seine Familie außen vor (er outet sich erst im Epilog) und will viel lieber über seine Ideen und Gedanken zu Globalisierung, Kapitalismus und die Auflehnung dagegen sprechen, als die ewig gleichen Fragen nach seinen Wurzeln zu beantworten.

„Goodbye Tristesse“ ist dabei letztlich eine Bestandsaufnahme der heutigen Zeit, des vorherrschenden Geistes und eine Antwort auf die Frage, wie man heute, in Zeiten politischen Desinteresses, noch vernünftig protestieren kann. De Toledo beginnt seine Analyse in den späten Achtzigern und differenziert in der Zeit zwischen Mauerfall und 11. September drei verschiedene Stadien der Revolte, die den Kern seiner Analyse ausmachen.

|“Das Stadium des neuen Rückzugs“| markiert den Beginn seiner Analyse und damit definiert de Toledo eine Zeit, die geprägt ist von der schuldbeladenen Erinnerung an den Holocaust und die enttäuschte Erinnerung an die verratenen Ideen und Ideale der 68er. Der Kapitalismus nimmt alles in sich auf. Er absorbiert die Subkultur und damit auch immer wieder die Revolte selbst. De Toledo beschreibt, wie diese Aspekte im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren zu Resignation und Zynismus führen, die das Stadium des neuen Rückzugs charakterisieren.

|“Das Stadium des neuen Einflusses“| sieht de Toledo von der Verflüssigung geprägt. Markantestes Merkmal ist in dieser Phase die zunehmende Vernetzung. Kunst, Kapitalismus, Intelligenz – alle diese Dinge sieht de Toledo vereint, die Menschen als Bestandteile eines großen zusammenhängenden Netzes.

Die letzte Phase ist |“das Stadium des neuen Körpers“|. In dieser Phase sieht de Toledo eine Wiederbelebung des poetischen Menschen, der einen Kontrapunkt zum Marktmenschen markiert. Als Form der Revolte sieht er in dieser Phase einen Übergang von einer bewaffneten zu einer semantischen Guerilla. Subcomandante Marcos, den de Toledo gerne als Beispiel für diese Phase der Revolte heranzieht, hat das so ausgedrückt: |“Wir sind eine Armee von Träumern und deswegen sind wir unbesiegbar.“| Die Idee der semantischen Guerilla des Subcommandante Marcos verknüpft de Toledo mit der Idee eines „provisorischen Außerhalb“ der Gesellschaft, aus dem heraus der Protest formiert wird. Oberste Zielsetzung ist für ihn eine |“Romantik der offenen Augen“|, die er von direkten und gewaltlosen Aktionen geprägt sieht und von einer offenen Auseinandersetzung mit den schier unendlichen Möglichkeiten des Protestes.

Allein schon diese grobe, stark vereinfachte Inhaltsbetrachtung offenbart, dass de Toledo zur Verdeutlichung seiner Ideen einen sehr philosophischen Ansatz wählt. Wer das Buch also kauft, weil er eine politische Variante von „Generation Golf“ erwartet, der dürfte am Ende enttäuscht sein. So geht es auch mir. Die Pressestimmen klingen wunderbar und der Klappentext absolut verführerisch, aber das, was sich dann zwischen den Buchdeckeln offenbart, ist ein äußerst sperriger, schwer verdaulicher Brocken, der so abstrakt und verkopft daherkommt, dass man bei der Lektüre immer wieder Zweifel an der eigenen Intelligenz bekommt. Trotz Abitur und Fachhochschulabschluss waren viele Passagen des Buches für mich schlichtweg unverständlich.

Die Aufmachung des Buches und der Tenor der Pressestimmen suggerieren Leichtigkeit und einen lockeren, aber gleichzeitig ernsthaften Diskurs. Doch dieser Eindruck täuscht. De Toledos Ideen überhaupt grundsätzlich nachvollziehen zu können, ist ohne Sekundärliteratur für den eher rudimentär philosophisch bewanderten Leser ein Drahtseilakt. Wer noch nie zuvor von der „Situationistischen Internationale“ oder von der „Gesellschaft des Spektakels“ gehört hat, wer die Werke von Guy Debord oder Gilles Châtelet nicht kennt oder noch nie den „Anti-Ödipus“ gelesen hat, der wird so manches nicht nachvollziehen können, was de Toledo schreibt.

Er macht sich nicht einmal die Mühe, sich verständlich auszudrücken – zumindest drängt sich der Eindruck im Laufe der Lektüre auf. De Toledo jongliert eben nicht nur mit abstrakten Gedankenkonstrukten, sondern verschanzt diese auch noch hinter einem Wortschatz, der mit Fremdwörtern gespickt ist. Dabei mag man dem Autor keinesfalls unterstellen, dass er das absichtlich macht, um sich wichtig zu tun. De Toledo studiert seit seiner Jugend philosophische Werke, insbesondere offensichtlich die französischer Philosophen. Für ihn sind abstrakte Denkspiele nichts Ungewöhnliches, aber wer nicht auf einen ähnlichen Erfahrungsschatz bauen kann, für den wird wohl so manches im Dunkeln bleiben.

Dabei wirkt de Toledos Buch in jedem Fall hochgradig leidenschaftlich. Man spürt immer wieder, dass er sehr viel Herzblut in sein Werk gesteckt hat und immer dann, wenn sich mal ein Lichtblick auftut und man zu begreifen beginnt, worauf er hinaus will, geht von de Toledos Leidenschaft etwas Ansteckendes aus. So gesehen, ist es außerordentlich schade, dass durch die abstrakten und schwer verdaulichen Gedanken so viel von dieser leidenschaftlichen Energie verpufft.

Und so bleibt am Ende ein außerordentlich blasser Eindruck zurück. Vieles bleibt diffus und unklar und so bleibt auch die kritische Auseinandersetzung mit de Toledos Thesen letztlich auf der Strecke. Wie soll man schließlich etwas kritisch betrachten können, das man kaum verstanden hat und das so seltsam abstrakt bleibt, dass man kaum einen Gedanken festhalten kann?

Fazit: Ein Buch vor allem für den philosophisch geschulten und interessierten Leser. Mit einem „atemlosen Politpamphlet“, einer politischen Variante von |“Generation Golf“| oder der Leichtigkeit verheißenden Umschreibung „Lebensgefühl der Thirty-Somethings“ hat „Goodbye Tristesse“ wenig bis gar nichts zu tun, und so sind Pressestimmen und Klappentext prädestiniert dazu, einen falschen Eindruck zu erwecken und eine enttäuschte Leserschaft zurückzulassen.

Bleibt die sympathische Ironie, dass die Taschenbuchausgabe zu „Goodbye Tristesse“ gerade in einem Verlag erscheint, der selbst Teil eines multinationalen Konzerns ist, und das bestätigt dann schon irgendwie, dass Camille de Toledo mit seiner Beschreibung des „Stadiums des neuen Rückzugs“ Recht hat …

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Clark, Robert – Verbrechen des Mr. White, Das

Herbert White gehört zu jenen unauffälligen Zeitgenossen, die ihr gesamtes Leben am Rande der Gesellschaft verbringen und dort von ihren Mitmenschen kaum zur Kenntnis genommen werden. Dabei ist es nicht einfach, ihn zu übersehen, ist er doch auffällig groß und kräftig und trotz seiner Jugend mit einer spiegelblanken Glatze geschlagen. Mit ruhiger Regelmäßigkeit geht er seinem farblosen Angestelltenjob nach und verbringt die Feierabende und Wochenende daheim. Dort schneidet er Zeitungsartikel aus, die über Neues in der Welt berichten. Für White ist das wichtig, denn er leidet an Gedächtnisstörungen und kann sich schlecht merken, was in den letzten Tagen und Wochen geschehen ist oder er selbst getan hat.

Das ist fatal, denn es sichert ihm zusammen mit seinem zweiten Zeitvertreib die ungeteilte Aufmerksamkeit der örtlichen Polizei. Herbert White fotografiert gern – am liebsten junge und schöne Frauen. Dafür ist er schon bekannt bei den Tänzerinnen der „White Castle“-Bar, denen seine harmlose Obsession eine schöne Nebenerwerbsquelle erschließt. Doch wir schreiben das Jahr 1939, und St. Paul, Whites Heimatort, ist keine weltoffene Großstadt, sondern ein kleines Nest irgendwo im US-Staat Minnesota. Hier gelten eigene, oft ungeschriebene Regeln, deren wichtigste lautet, dass jeder als verdächtig gilt, der sich „anders“ verhält als die braven Bürger.

Und Verdächtige sind Männern wie den Polizisten Welshinger und Trent vom Sittendezernat des Städtchens St. Paul ausgeliefert – selbstherrlichen, rassistischen und korrupten Männern, die gern Landstreicher, Schwarze, Juden und andere Minderheiten, die sich nicht wehren können, schurigeln, demütigen oder erpressen. Die meisten ihrer Kollegen sind aus demselben Holz geschnitzt. Lieutenant Wesley Horner ist allerdings anders – ein beruflich integerer Mensch, dem privat viel Schlimmes widerfahren ist. Seine Ehefrau ist nach langer Krankheit gestorben, die Tochter fortgezogen. Nun ist er allein und grübelt zu viel. Der Dienst leidet aber nicht darunter, was nur gut ist, als in einer lauen Spätsommernacht die Leiche der Tänzerin Charlene Mortensen entdeckt wird; die junge Frau wurde erschlagen. Mord ist ein seltenes Delikt in St. Paul. Die Polizisten schwärmen aus, doch Eifer ersetzt solide Fahndungsarbeit. Ein Täter muss her, und das möglich rasch, denn Presse und Öffentlichkeit werten jede Verzögerung als Schwäche. Da ist die Versuchung groß, die Ermittlungen ein wenig abzukürzen. Es dauert auch nicht lange, bis Herbert White ins Visier der Beamten gerät. Er passt nicht nur gar zu gut in ihr beschränktes Weltbild, sondern eignet sich auch hervorragend als Hauptverdächtiger. Sein umständliches Verhalten, seine angeblichen Gedächtnislücken und sein ungewöhnliches Hobby verschaffen ihm einen schweren Stand. Gar zu gern würden Welshinger und Trent ihm die Bluttat anhängen. Zwar ist die Indizienkette mehr als dünn, doch dem ließe sich nachhelfen …

Als „Mr. White’s Confession“ 1999 von den ehrwürdigen „Mystery Writers of America“ als bester Kriminalroman des Jahres mit dem „Edgar Allan Poe Award“ ausgezeichnet wurde, war niemand erstaunter als Robert Clark, der niemals einen klassischen Thriller im Sinn hatte, als er die traurige Geschichte des Herbert White niederschrieb. Nachdem man sie gelesen hat, versteht man ihn gut, denn in der Tat steht „Das Verbrechen …“ zwischen den Genres: Krimi, Liebesgeschichte, historischer Rückblick, psychologische Studie – das alles und noch mehr steckt in der Geschichte, die trotzdem ein harmonisches und sehr stimmiges Ganzes ergibt und glänzend ihren Verfasser bestätigt, der es ablehnt, sich in literarische Schubladen sperren zu lassen.

Ist der Leser bereit, über seinen (oder ihren) Schatten zu springen und sich auf die Geschichte einzulassen, bleibt die Belohnung nicht aus. Ja, es ist wahr: In diesem Roman geschieht nicht gerade viel, und es gibt eigentliche keine Figur, die wirklich sympathisch wäre. Das schließt Herbert White, den tragischen Anti-Helden, ausdrücklich mit ein. Sogar die wenigen Polizisten, die sich tatsächlich bemühen, Recht und Ordnung zu vertreten, sind recht unbedarft und leicht auf falsche Fährten zu locken. Das mindert jedoch in keiner Weise die Wirkung einer ganz spezifischen Rekonstruktion des Jahres 1939. Dabei beschränkt sich Robert Clark auf ganz wenige Pinselstriche, wenn er das St. Paul von einst wiedererstehen lässt. Er hat es nicht nötig, Authentizität durch ausufernde historische Reiseberichte zu erzwingen. Die Vergangenheit wird nur dort beschworen, wo sie für die Handlung relevant ist.

Die scheint wiederum Jim Thompson Recht zu geben, der stets der Meinung war, die scheinbare Idylle der kleinen Stadt, in der jeder jeden kennt und man sich stets untereinander hilft, könne sich als arger Saustall entpuppen, in dem es genauso schmutzig zugeht wie in der verluderten Metropolis. Doch Clark ist kein Zyniker wie Thompson, und St. Paul kein Höllenpfuhl, sondern einfach ein Ort, bewohnt von Menschen, die grundsätzlich bemüht sind, ihr Leben regelkonform zu führen. Das schützt sie nicht vor dem Scheitern: „Das Verbrechen des Mr. White“ ist eine ganz einfache Geschichte, wie sie das Leben tatsächlich manchmal schreibt, und weil ihr Verfasser sein Handwerk versteht, liest sie sich trotzdem spannend. Das Ausbleiben einer Auflösung ändert daran gar nichts. Wer zwischen den Zeilen liest, wird den wahren Mörder ohnehin selbst erkennen. Gewissheit gibt es allerdings nicht: Clark verstreut sehr geschickt Andeutungen und Indizien über den ganzen Text, die neben dem boshaften Welshinger noch andere Verdächtige zulassen. Auch Herbert White wird nie völlig entlastet. So bleibt dem Leser die Entscheidung überlassen.

St. Paul ist übrigens kein fiktiver Ort; er existiert tatsächlich, und Robert Clark ist dort geboren und aufgewachsen. Inzwischen ist er mit Ehefrau und zwei Kindern in Seattle ansässig.

Ali, Tariq – Sultan von Palermo, Der

Muhammad al-Idrisi ist ein islamischer Gelehrter aus Sizilien. Gerade kehrt er von seiner letzten Reise zurück, deren Ziel es war, ein umfassendes geographisches Werk zu schreiben, inklusive Landkarten und allem, was sonst noch so dazugehört. Nun ist sein Werk nahezu abgeschlossen, doch er weiß, dass er nicht in dieselbe Welt zurückkehrt, aus der er aufgebrochen ist. Sein Freund und Gönner, Sultan Rujari II. von Palermo, ist krank und dem Tode nahe. Und mit dem Tod des toleranten, weltoffenen Herrschers wird in Sizilien eine Ära zu Ende gehen …

„Der Sultan von Palermo“ ist, wie ich leider erst im Nachhinein feststellte, der vierte Band einer fünfteiligen Romanreihe. Zwar ist das Buch in sich abgeschlossen, außerdem spielt der erste Band „Im Schatten des Granatapfelbaums“ circa dreihundert Jahre später als „Der Sultan von Palermo“. Falls es dennoch irgendwelche Bezüge zwischen den Romanen gibt außer dem offensichtlichen, dass sie stets die Berührungspunkte zwischen Islam und Christentum in einer Zeit des Umbruchs zum Thema haben, dann muss dieser Aspekt hier leider unberücksichtigt bleiben.

Aber auch für sich allein genommen bietet „Der Sultan von Palermo“ einen überraschenden Blick auf eine besondere Welt. Sizilien war zu dieser Zeit ein eigenständiges Königreich, zu dem außer der Insel auch noch Teile in Süditalien gehörten. Die Eroberung durch die Normannen lag gerade mal eine Generation zurück, die Mehrheit der Bevölkerung war noch immer islamisch.

Roger II., der sich selbst gern Rujari nennt, fließend arabisch spricht und trotz seines christlichen Bekenntnisses einen Harem mit mehreren Frauen unterhält, hat ein ausgeprägtes Faible für Kultur und Philosophie. Er nutzte die Wirren des Kirchenschismas, um sich vor der Teilnahme an den Kreuzzügen ins Heilige Land zu drücken, und eroberte stattdessen Gebiete im nördliche Afrika. Unter seiner Herrschaft leben Christen, Moslems und Juden friedlich nebeneinander.

Mit der wachsenden Schwäche des Herrschers wuchs allerdings die Macht der Kirche in Sizilien, damit einher gingen Übergriffe gegen die islamische Bevölkerung. Nur wenige Jahre nach Rogers Tod begann die Vertreibung aller Andersgläubigen, die nicht zum Christentum übertreten wollten.

Vor diesem historischen Hintergrund erzählt Tariq Ali aus dem Leben von al-Idrisi, seinem Familienleben, seinen Interessen und Ansichten.
Al-Idrisi ist gläubiger Moslem. Im Vergleich zu dem, was wir heute unter gläubigen Moslems verstehen, wirkt er allerdings etwas lax. Er geht beileibe nicht jeden Freitag in die Moschee, lässt gelegentlich Gebete ausfallen, wenn er keine Lust hat, und empfiehlt den Bauern auf seinem Gut, zum Christentum zu konvertieren – wenigstens zum Schein -, um sich vor der zunehmenden Bedrohung durch die Nazaräer zu schützen. Er zitiert amüsiert anstößige Verse über Homosexualität, schwärmt für alkoholische Getränke und begeht Ehebruch mit seiner Schwägerin, die eigentlich mit dem Emir von Syrakus verheiratet ist. An einer Stelle erwähnt er sogar, dass der Stellvertreter des Propheten sich gelegentlich überrascht darüber geäußert haben soll, dass seine vertraulichen Ratschläge später öfters als göttliche Offenbarung verkündet wurden, während die Ehefrau des Propheten eine erstaunliche Übereinstimmung der göttlichen Offenbarungen bezüglich der Frauen mit den Wünschen ihres Gemahls festgestellt habe. Was für gotteslästerliche Gedanken! – Dennoch ist al-Idrisi ein ernsthafter Mann, dem trotz aller Kritik zu keiner Zeit in den Sinn kam, seinen Glauben zu wechseln, nicht einmal zum Schein, wie es in jener Zeit so viele taten.

Aus den Äußerungen al-Idrisis über seinen Glauben und seine Heimat entsteht ein ungewöhnliches Bild, das heutige Moslems womöglich entsetzen würde. Die Freizügigkeit in sexuellen Dingen fand ich dabei am erstaunlichsten. Al-Idrisi hat sich von seiner Frau getrennt, seine große Liebe Mayya aber lebt im Harem des Sultans. Trotzdem besucht er sie dort und zeugt eine Tochter. Der Sultan weiß es und drückt ein Auge zu! Gegen Ende seines Lebens schickt er Mayya samt Tochter zu al-Idrisi, der Mayya sofort heiratet. Gleichzeitig aber fängt der Gelehrte die Affäre mit Mayyas Schwester an, die unbedingt ein Kind will, deren Mann aber offenbar zeugungsunfähig ist. Mayya unterstützt dies sogar! Ihre Schwester wird schwanger, kehrt aber vor der Geburt zu ihrem Mann zurück, um ihm keine Hörner aufzusetzen. Der Mann weiß um al-Idrisis Vaterschaft und freut sich sogar darüber, dass er nun einen eigenen Erben bekommt! Er bietet al-Idrisi an, ihm seine Frau nach der Geburt erneut zu schicken, falls sie noch weitere Kinder möchte! Keiner der Beteiligten scheint mit diesem Chaos ein größeres Problem zu haben, auch wenn sie alle dafür sorgen, dass nichts davon nach außen dringt. Erstaunlich ist auch, dass die treibenden Kräfte des Ehebruchs die Frauen waren!

Einen weiteren Punkt werden wir heutzutage als untypisch empfinden, nämlich den, dass es die Moslems waren, die in dem aufkeimenden Konflikt zwischen Christen und Andersgläubigen diejenigen waren, die die Gewaltspirale bremsten, um einen Bürgerkrieg zu vermeiden. Der beherrschende Gedanke war der Schutz von Leben, nicht das ruhmreiche Sterben für Allah und den Propheten. Allerdings war der von Tariq Ali beschriebene Islam kein homogenes Gebilde. Al-Idrisi stellt vielmehr fest, dass der Glaube der Wüstenvölker noch weit fanatischer ausgeprägt ist als der der Stadtbevölkerung, die sich weniger mit dem Jihad als mit Handel und Wissenschaft beschäftigt. Vor allem Letztere führte zur Öffnung des Islam gegenüber anderen Kulturen. Die Kultur aus der Wüste hat trotz aller Gegensätze von den Hinterlassenschaften der Römer und Griechen ebenso gelernt wie die Normannen von den Moslems. Der Austausch von Wissen hat nach al-Idrisis Überzeugung den Islam groß gemacht, deshalb reagiert er äußerst ärgerlich auf die Zerstörung von Büchern und Schriftrollen durch fanatische Glaubensbrüder.

Vielleicht ist das der Punkt, der dieses Buch am meisten auszeichnet. Tariq Alis Protagonist ist ein sehr sachlicher und unvoreingenommener Beobachter, dessen Kritik beide Seiten in gleicher Weise trifft, ohne dabei jemals in Anschuldigungen oder Beschimpfungen zu verfallen. Hier soll niemand denunziert oder schlecht gemacht oder verdammt werden. Es wird lediglich ein Bild gezeichnet, wie golden zumindest ein Teil der Welt einmal war, und wie er mit der entsprechenden Einstellung auf beiden Seiten auch wieder werden könnte.

Der Autor erzählt in sehr ruhigen, unaufgeregten Worten. Spannung findet sich kaum in diesem Buch, nicht einmal angesichts des unaufhaltsam näher rückenden Endes dieser goldenen Ära. Dieses Buch fällt weniger in die Kategorie „Historienroman“ als in die eines „Sittengemäldes“, es ist kein monumentales Geschichtsepos, sondern eher ein Stilleben, leise und unaufdringlich und auch ein wenig frivol. Wer sich vorwiegend für fremde Kulturen interessiert und eine leichte, luftige Erzählweise schätzt, ist hier gut aufgehoben. Wer es dagegen eher dramatisch oder lebhaft mag, sollte vielleicht lieber zu einem anderen Buch greifen.

Tariq Ali wurde 1943 in Lahore geboren und studierte an der Punjab-Universität. Wegen politischer Aktivitäten gegen Pakistans Militärdiktatur musste er schließlich nach England emigrieren. In Oxford setzte er sowohl sein Studium als auch seine politischen Unternehmungen fort. Er war eine der führenden Personen der Studentenbewegung 1968, bezog Stellung gegen den Vietnamkrieg unter anderem in öffentlichen Debatten mit Henry Kissinger oder Michael Stewart. Tariq Ali versteht sich als Sozialist und Antiimperialist, ist Mitherausgeber einer Zeitung der internationalen Linken, ansonsten aber hauptsächlich Filmemacher und Autor. Aus seiner Feder stammen unter anderem die Romane „Das Buch Saladin“ und „Die steinerne Frau“ sowie „Fundamentalismus im Kampf um die Weltordnung: Die Krisenherde unserer Zeit und ihre historischen Wurzeln“ und „Bush in Babylon“.

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Wolf, Stefan – TKKG – Es geschah in einer Regennacht (Folge 153) (Hörspiel)

_Besetzung_

Erzähler – Wolfgang Kaven
Tim – Sascha Draeger
Karl – Niki Nowotny
Klößchen – Manou Lubowski
Gaby – Veronika Neugebauer
Wespe – CÄSAR
Markus Dilch – Rainer Schmidt
Olaf Zackler – Miachael Bideller
Gehrmann – Helgo Liebig
Dr. Lohm – Herbert Tenningkeit
Kassiererin – Halla von der Osten
Martens – Eric Schaeffler

Regie: Hekedine Körting

_Story_

Tim und Gaby werden bei einem nächtlichen Spaziergang unbewusst mit einem Einbruch ins Kunstmuseum konfrontiert, als Tim den just entlaufenen Oscar auf einer nahe gelegenen Baustelle sucht. Die beiden Diebe gehen kein Risiko ein und strecken den überraschten Tim kurzerhand nieder, bevor dieser realisieren kann, was überhaupt geschieht. ALs er wieder bei vollem Bewusstsein ist, entdeckt er am Tatort einen kleinen Zettel, den die Verbrecher bei ihrem Raub verloren hatten. Es handelt sich dabei um einen Abholschein für die Wäscherei, den die TKKG-Bande schließlich als ersten Hinweis an sich nimmt, um in diesem neuen Fall zu ermitteln. Doch schon bald stellen sie fest, dass hinter dem Diebstahl mehr steckt als das Interesse an den Bildern. Das Diebesgut stammt ursprünglich von einem längst tot geglaubten Maler, der nach seinem letzten Aufenthalt in Südtirol spurlos verschwunden war.

Als kurze Zeit später weitere Gemälde dieses Künstlers auftauchen, macht Karl eine wertvolle Entdeckung; ein Bild aus dem Herzen Veronas enthält Details, die dem Künstler nur dann bekannt sein können, wenn er diesen Ort nach seinem Verschwinden aufgesucht hat. Möglicherweise ist der Mann sogar noch am Leben, was das charmante Detektiv-Quartett dazu veranlasst, die Ermittlungen zu verschärfen. Allerdings sind ihre Gegner dieses Mal gemeingefährlich …

_Meine Meinung_

Ehrlich gesagt bin ich vom neuesten Hörspiel der TKKG-Serie ziemlich enttäuscht. Die Story ist zwar zu Beginn noch recht vielversprechend und in den ersten Minuten auch reich an Action, doch schon nach kurzer Zeit schleicht sich gepflegte Langeweile ein, unter anderem, weil einfach zu viele Ereignisse vom Zufall geprägt und deshalb nicht mehr glaubwürdig erscheinen. Nimmt man die Geschichte mit dem Zettel aus der Wäscherei noch als Künstlerpech (nomen est omen) hin, ist Stefan Wolf bei der weiteren Fährtensuche seiner vier Detektive nicht mehr sonderlich erfinderisch gewesen und stellt den Hörer dabei gleich mehrfach vor vollendete Tatsachen. Neue Spuren entsteigen urplötzlich dem Nichts und bauen nur selten auch konsequent auf vorherigen Situationen auf. Darüber hinaus spielt sich das Hauptelement der Handlung in nur fünf Minuten ab; der Rest besteht aus zweifelhaftem Geplänkel, für die Erzählung unvorteilhaften Dialogen und dem permanenten Versuch, die vielen Defizite wieder auszugleichen. Doch leider gelingt dies nicht. Die Story endet ähnlich unschlüssig wie die Überleitung zwischen den vielen Erzähleinheiten inmitten des Plots. Ein schier rasantes, aber irgendwie völlig aus dem Handlungsstrang losgelöstes Action-Szenario unter Einbeziehung bis dato eher unscheinbarer und kaum vorgestellter Charaktere, danach ein Geständnis, und schon ist’s aus – ohne dass man den Eindruck vermittelt bekommen hat, die Geschichte wäre fertig zu Ende erzählt.

Den Sprechern kann man indes keine Vorwürfe machen; sowohl die Protagonisten als auch die Nebendarsteller haben einen makellosen Auftritt und verleihen dem Hörspiel auch ausnahmslos den erforderlichen Unterbau. Sieht man mal von manchen platten, sprachlich etwas sehr lockeren Dialogen ab – besonders Veronika Neugebauer alias Gaby bedient sich eines vermehrt umgangssprachlichen Wortschatzes – ist zumindest dies noch auf normalem Niveau. Das Problem ist einzig und allein die Geschichte, die inhaltlich zwar interessant sein könnte, insgesamt aber einfach zu holprig erzählt wird und schlussendlich fast eindruckslos am Hörer vorbeirauscht. Wie heißt es so schön: Ein Satz mit X – das war wohl nix. „Es geschah in einer Regennacht“ ist definitiv einer der schwächsten Fälle der TKKG-Reihe.

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Marzi, Christoph – Malfuria

Nachdem Christoph Marzis „Lycidas“-Trilogie zu Ende erzählt ist und auf ihre im März anstehende Hörbuchpremiere bei |Audible.de| wartet, ist der Autor aus dem Saarland nun mit einer neuen Fantasy-Trilogie am Start. Zugeschnitten auf eine etwas jüngere Zielgruppe, erscheint die Reihe im Jugendbuchverlag |Arena|. Mit „Malfuria“ legt Marzi für diese Reihe den Grundstein.

„Malfuria“ spielt in Barcelona und wie schon bei [„Lycidas“ 1081 bleibt die Zeit etwas unergründlich. Die Stadt wirkt altertümlich und (post)modern zugleich, eine Zeit voller Wunder und so unergründlich, dass sie für sich genommen schon sehr reizvoll wirkt.

Hier begleitet der Leser die junge, angehende Kartenmacherin Catalina und den Lichterjungen Jordi. Jordi sieht als Sohn des Leuchtturmwärters als Erster, was Unheilvolles auf Barcelona zusteuert: die |Meduza|, ein fliegendes Schiff, das die Schatten in die Stadt bringt.

Schon bald verlassen unheimliche Gestalten das Schiff: Schatten, die ihr Gesicht hinter einer Harlekin-Maske verbergen. Sie bringen Kälte und Dunkelheit in die Stadt und sind auf der Suche nach jemandem – nach Catalina, die in der Windmühle des alten Kartenmachers Marquéz lebt.

Und so muss Catalina fliehen. Unterwegs trifft sie auf Jordi, den sie unfreiwillig mit in die Geschichte hineinzieht. Zusammen versuchen sie den Schatten zu entkommen und machen dabei so manche abenteuerliche Bekanntschaft. Sie treffen El Cuento, den Wind, der ihnen bei der Flucht hilft, sie besuchen das mysteriöse Haus der Nadeln und sie entdecken ein lange gehütetes Geheimnis, das eng mit Catalinas Schicksal verknüpft ist: Malfuria.

„Malfuria“ ist eine Fantasygeschichte, die für Jugendliche wie Erwachsene gleichermaßen interessant ist. Dass Marzi über eine ausgesprochen rege Phantasie verfügt, hat er mit seiner „Lycidas“-Reihe hinlänglich bewiesen. Auch in „Malfuria“ gibt er wieder wunderbare Einfälle zum Besten, kreiert eine fantastische Atmosphäre und erzählt eine Geschichte voller Spannung und Magie.

Während „Lycidas“ zusammen mit seinen beiden Nachfolgebänden [„Lilith“ 2070 und „Lumen“ recht ausführlich und weitschweifig erzählt ist, kommt „Malfuria“ eher kompakt daher. Gradlinig und in flottem Tempo wird die Geschichte erzählt. Trotz der Kompaktheit entwickelt der Plot eine charakteristische Atmosphäre, die vielleicht nicht ganz so dicht ist, wie man es von „Lycidas“ kennt, aber dennoch spannend.

Die Figuren wirken lebendig und wachsen dem Leser schnell ans Herz. Die Welt, durch die sie sich bewegen, ist farbenprächtig und gespickt mit wundersamen Kreaturen und Orten. Ein erstes Highlight der Geschichte ist das Auftreten der Eistreter, die schattenähnlichen Kreaturen mit den Harlekin-Masken. Sie hätten auch gut in die uralte Metropole gepasst, die Marzi in „Lycidas“ beschreibt, und ähneln ein wenig dem Nebel, der in [„Lumen“ 3036 auftaucht und Unheil verbreitet. Sie wirken düster und unheimlich und sorgen für reichlich Spannung.

Obwohl sich nicht nur anhand der Eistreter Parallelen zu Marzis Vorgängerwerken ziehen lassen, ist „Malfuria“ kein „Lycidas“-Abklatsch. Zwar werden bestimmte Themen variiert, wie die Eistreter oder auch die Menschen mit den Münzenaugen, die an die Kinder mit Spiegelscherbenaugen in der Hölle von „Lycidas“ erinnern, dennoch ist „Malfuria“ ein eigenständiges Werk. Die Atmosphäre ist eben doch eine andere und Barcelona hat als Handlungsort noch einmal einen ganz eigenen Charme.

Der Plot ist gut aufgebaut. Nachdem Marzi die beiden Protagonisten Jordi und Catalina in die Handlung eingeführt hat, zieht er mit Catalinas überstürzter Flucht aus der Windmühle gleich die Spannungsschraube kräftig an. Was folgt, ist eine Flucht kreuz und quer durch Barcelona, auf der Catalina und Jordi sowohl unheimliche wie auch freundliche Begegnungen machen und die zum Ende hin geradezu rasant wird. Die unheimlichen Häscher sind den beiden dicht auf den Fersen, und für Catalina gibt es so manche schmerzhafte Erkenntnis zu verkraften.

Insgesamt schafft Marzi eine Ausgangslage, die für die im Juli anstehende Fortsetzung vielversprechend aussieht. Die Geschichte enthält noch einiges an Potenzial und die Weiterentwicklung der Hauptfiguren, insbesondere Catalina, verspricht interessant zu werden.

Alles in allem also ein durchaus vielversprechender Trilogieauftakt: sympathische Figuren, ein schöner Plot voller fantastischer Ideen, die beweisen, dass mit Marzi auch nach „Lycidas“ weiterhin zu rechnen ist. In der Riege deutscher Fantasyautoren verschafft er sich so ein hübsches Logenplätzchen. „Malfuria“ ist eine farbenprächtige und spannend erzählte Fantasygeschichte, der man eine große Leserschaft wünscht und die im Juli hoffentlich ebenso schön weitergeht.

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Peinkofer, Michael – Erben der schwarzen Flagge, Die

Seit dem Film [„Fluch der Karibik“]http://www.powermetal.de/video/review-369.html mit Johnny Depp in seiner hervorragenden schauspielerischen Darstellung des etwas schrulligen und sonderbaren Käpt’n Jack Sparrow hat das Piratengenre eine wahre Wiederbelebung durchgemacht. In der Literatur kennen wir natürlich den Piraten „John Long Silver“ von Stevensons „Schatzinsel“, auch der immer bekanntere Freibeuter Klaus Störtebecker entführt den Leser in eine wilde, freie und ab und an romantische Abenteuergeschichte voller Gefahren, Schätze und Liebe.

Trotzdem bleibt dabei immer etwas Mystisches und Sagenhaftes im Verborgenen. Die Geschichtsschreibung weiß im Grunde nicht viel über die Piraterie, auch wenn es diese schon seit Anbeginn der Seefahrt geben mag. Fakten und Mythen vermengen sich unzertrennlich und bilden so den Stoff für Romane und Filme, die fast schon zur Tradition nicht nur unserer Kindheit gehören.
Einige Romane lassen sowohl den historischen Kontext als auch die klassische Abenteuergeschichte geradezu aufblühen, und schon entstehen Erzählungen, die geradezu Seemannsgarn sind.

Die karibische See ist oft und gerne Schauplatz einer Piratengeschichte, siehe „Fluch der Karibik“. Auch der Film beherbergt durchaus historisch einwandfreie Fakten. Tortuga und Port Royal waren im späten 17. Jahrhundert wirklich Piratenstädte, fernab von der Zivilisation mitsamt ihren Gesetzen und ihrer Gerichtsbarkeit.

Der deutsche Autor Michael Peinkofer hat mit „Die Erben der schwarzen Flagge“ einen solchen Piratenroman veröffentlicht.

_Die Story_

Die karibische See im späten 17. Jahrhundert. Spanien ist zur Weltmacht geworden, auch zu einer beeindruckenden Seemacht und führt immer wieder Kriege mit anderen europäischen Ländern, um die alleinige Macht in den Weltmeeren zu erreichen. Spanien hält verschiedene Kolonien in der Karibik, wo Kriegsgefangene und Sklaven brutale Frondienste leisten müssen.

Nick Flanagan ist einer dieser Sklaven, und zusammen mit vielen anderen Männern aus aller Herren Länder muss er für die Spanier Silber abbauen. Ein Menschenleben zählt nichts in den Sklavencamps von Maracaibo, und die meisten Gefangengen verlassen das Lager nicht lebend. An Flucht von dieser Insel ist nicht zu denken, und so geben sich die gefangenen Sklaven selbst auf.

Nick Flanagan, der schon seit seiner Kindheit ein Sklave ist, verfolgt nur ein einziges Ziel: die Flucht aus dem Sklavencamp. Als sein Vater durch die körperliche Anstrengungen und brutalen Misshandlungen durch die Aufseher immer schwächer wird, tötet Nick einen der Peiniger. Der Gouverneur der Insel lässt die Tat nicht ungestraft und den Vater von Nick zu Tode foltern, als Strafe und Mahnung für die anderen.

Kurz vor der Folter, im Gefängnis, löst der Ziehvater die Geheimnisse um die Herkunft von Nicks Träumen und Erinnerungen auf, und nimmt ihm das Versprechen ab, seiner Bestimmung zu folgen, um herauszufinden, wer seine wirklichen Eltern waren. Nick gelingt eines Tages zusammen mit seinem besten Freund die Flucht aus dem Sklavencamp und sie treffen auf Bukaniere – auf Piraten, denen sie sich anschließen.

In der karibischen See erzählt man sich von einem Fluch, einen Piraten mit dem Namen Bricassart, der unsterblich sein soll und im Besitz eines schwarzen Schiffes ist, der |Leviathan|. Dieser ist eine große Gefahr für die Galeonen, welche die Schätze der Neuen Welt ins spanische Königreich bringen sollen, und auch Nick, der inzwischen für die Spanier zu einer ernsthaften Gefahr auf den Handelsrouten geworden ist, wird zum Ziel des geheimnisumwitterteren Freibeuters.

Nick, inzwischen zum gewählten Kapitän bei den Bukanieren geworden, kann die zwölf Jahre in Sklaverei nicht vergessen und fasst einen Entschluss. Zusammen mit seiner Mannschaft will er zurück nach Maraciabo, um die Sklaven zu befreien und den Gouverneur der Insel seines wertvollsten Schatzes zu berauben, seiner Tochter Elena; diese soll im Austausch für Lösegeld als Geisel der Seeräuber dienen.

Der Gouverneur aber ist nicht gewillt, das Lösegeld zu zahlen, stattdessen verbündet sich dieser mit dem berüchtigten Seeräuber Bricassart, um Nicks habhaft zu werden, doch Bricassart hat seine ganz eigenen Pläne.

_Kritik_

Es gibt durchaus Parallelen zu „Fluch der Karibik“, wie man leider deutlich erkennen kann. Der Autor Michael Peinkofer bediente sich dafür bei den klassischen Instrumenten dieses Genres: Rache, Leidenschaft, Liebe und auch des schwarzen Zaubers des Voodoo.

„Die Erben der schwarzen Flagge“ ist ein unterhaltsamer Abenteuerroman, den man zwischendurch lesen mag, aber den man genauso schnell auch wieder vergisst. Die Charaktere, allen voran Nick Flanagan, sind gar typisch gezeichnet – schwarz und weiß, gut und böse. Die Erzählungen rund um die Piraterie mitsamt ihrer Gefechte auf See, ihrer Fechteinlagen und den unverzichtbaren Liebesschwüren sind pure Unterhaltung, ohne wirklich den Leser fesseln zu können.

Einzig und allein die Passagen, in denen der Pirat Bricassart die Hauptrolle spielt, haben mich fasziniert und ein wenig fesseln können. Dieser Charakter hätte meiner Meinung nach viel weiter und noch mysteriöser ausgebaut werden können.

Der Roman birgt keine Überraschungen, nicht einmal bezieht er sich auf wirklich gut recherchiertes Material. Gerade ein historischer Roman sollte doch dieser Erwartungshaltung gerecht werden. Einzig und allein die Schauplätze und Regionen hat Michael Peinkofer gut recherchieren können. Wie schon in der Einleitung erwähnt – Port Royal und Tortuga waren Piratenstädte, doch keine Person in „Die Erben der schwarzen Flagge“ ist historisch verbürgt.

Die Geschichte entwickelt sich von Kapitel zu Kapitel haarsträubend voraussehbar und übertreibt zum Schluss des Romans noch mit aberwitzigen, phantastischen Einlagen, die mich noch mehr enttäuscht haben.

Für einen Piratenroman ist „Die Erben der schwarzen Flagge“ abschließend beurteilt eher schlecht und wenig kurzweilig. Es gibt weitaus bessere, z. B. von Wilbur Smith. Hier wird man eher fündig.

_Michael Peinkofer_ studierte in München Germanistik, Geschichte und Kommunikationswissenschaft. Ab 1995 arbeitet er als freier Übersetzer, Autor und Filmjournalist. Bekannt wurde Michael Peinkofer durch den Roman [„Die Bruderschaft der Runen“. 1024

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Sidor, Steven – Skin River

Seit anderthalb Jahren ist Buddy Bayes Besitzer der Black Chimney Tavern. Außerhalb Gunnars, einer kleinen Stadt im Nordosten des US-Staates Wisconsin einsam gelegen, ist die Kneipe ein beliebter Treffpunkt für Urlauber, Jäger und Fischer. Sie ist aber auch ein Versteck für Bayes, der in seiner Heimatstadt Chicago den Gangster Red um viel Geld betrogen hat und sich nun verborgen halten muss, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Buddy hat sich eingelebt und in der jungen Mutter Margot auch eine Freundin gefunden; er ist zufrieden.

Natürlich meidet er tunlichst öffentliche Aufmerksamkeit. Daher ist es schlecht, dass ausgerechnet er die Überreste der jungen Melissa Teagles im Skin River treibend findet. Sie ist dem „Ziegenhäuter“ in die Hände gefallen, einem psychopatischen Serienkiller, der seine Opfer mit dem Messer jagt und zerlegt. Die Existenz eines unsichtbar bleibenden Killers, der womöglich zu den Einheimischen gehört, übersteigt das Verständnis des kriminalistisch nur bedingt fähigen Sheriffs Glen Rafferty. Er hält sich an Buddy Bayes, den Neuling in der Gemeinde, der sich ihm als Verdächtiger anbietet.

Notgedrungen muss sich Bayes selbst als Detektiv versuchen. Leider fehlt ihm jede Erfahrung. Seine ungeschickten Ermittlungen bringen den düpierten Red und seine Schergen auf seine Spur. Sie wollen das unterschlagene Geld, und sie wollen Bayes strafen. So wird der Kneipenwirt plötzlich von zwei Seiten unter Druck gesetzt. Zu allem Überfluss wird der „Ziegenhäuter“ auf Bayer aufmerksam. Er stellt ihm eine Falle und plant seine Form von Vergeltung, denn er hat ein Auge auf Margot geworfen …

Solche Thriller liest man gern: Eine einfache und bewährte Story wird mit diversen Hakenschlägen in einen rasanten Thriller verwandelt. „Skin River“ ist stets für eine Überraschung gut. Der Plot wird ordentlich gegen den Strich gebürstet: Die Hauptfigur selbst ist es, die ihren Untergang einleitet. Längst hat der von ihm gefoppte Gangster seine Niederlage als böse Erfahrung abgehakt – er denkt gar nicht daran, seine Zeit damit zu vergeuden, nach Buddy zu suchen. Der hat sich völlig unnötig in der Wildnis eingegraben und tritt jetzt denkbar ungeschickt seinem Gegner noch einmal auf die Füße.

Auf dieser Welt geht eben schief, was schiefgehen kann. „Murphys Gesetz“ ist ein wichtiges Element dieses Romans. Kein Zufall ist so irrwitzig, dass es ihn nicht geben könnte. Bemerkenswerterweise erscheint dem Leser dies nie seltsam, übertrieben oder unlogisch: Sidor hat seine Geschichte vor allem in ihren ersten beiden Dritteln fest im Griff.

Danach wird das bisher so dichte Handlungsgefüge ein wenig löchrig. Der Verfasser muss einen Weg finden, die einzelnen Fäden seiner Story, die er so kundig gesponnen hat, für das Finale zu einem soliden Knoten zu verknüpfen. Hier zeigen sich leichte Schwächen, denn Sidor wählt den einfachen Weg und inszeniert eine wilde Verfolgungsjagd, die einerseits in eine mörderische Abrechnung zwischen Bayes und dem Gangster und andererseits in der Entlarvung des „Ziegenhäuters“ mündet. Das ist wiederum sehr spannend, aber nicht raffiniert.

Das trifft auch auf die Figurenzeichnung zu. Selten treten uns die Protagonisten eines Thrillers so plastisch vor das innere Auge wie hier. Mit Buddy Bayes hat Sidor einen zwielichtigen „Helden“ geschaffen. Anfänglich schildert er uns einen sympathischen Zeitgenossen, der mit seiner verbrecherischen Vergangenheit abgeschlossen hat. Bayes hat einen Schurken betrogen, das ist ja nicht so „schlimm“. Nun führt er eine Kneipe, kommt gut mit seinen Gästen aus und knüpft sogar zarte Bande zu einer schönen Frau.

Dann holt besagte Vergangenheit ihn nicht etwa ein. Bayes weckt sie, denn er hat noch eine zweite, deutlich düsterere Seite. Wenn er in Chicago prüft, ob man ihm auf den Fersen ist, kommt plötzlich der „alte“ Bayes zum Vorschein – ein gewiefter Krimineller, für den Gewalt ein alltägliches „Instrument“ ist. Dieser Bayes droht, schlägt und schießt. Er ist deshalb kein Psychopath, sondern erledigt nüchtern seinen „Job“. Erst weil wir diesen Bayes kennen gelernt haben, erscheint uns die gewaltige Schießerei in und um Buddys Kneipe nicht unwahrscheinlich: Die Situation ist nicht unbedingt neu für unseren bedrängten Mann, und deshalb meistert er sie.

Die zweite zentrale Gestalt des „Skin River“-Dramas ist der „Ziegenhäuter“, ein Psychopath der ganz finsteren Sorte. Sidor schildert ihn erfreulich realistisch nicht als diabolisch genialen Übermenschen, der auf überkomplizierte Art killt und quasi nebenbei die verfolgende Polizei mit sardonischen Scherzen neckt. Sein „Ziegenhäuter“ ist ein Mensch, der von seinem dunklen Trieb beherrscht wird. Mit diesem Drang hat er sich arrangiert, er ist ein „organisierter“ Serienmörder, der seine Spuren verwischt und es im Laufe vieler Jahre auf eine bedrückend beeindruckende Jagdstrecke gebracht hat, ohne auch nur in Verdacht zu geraten.

Doch seine psychische Situation ändert sich. Sidor schildert einen „Ziegenhäuter“, der die Kontrolle über sich zu verlieren beginnt. Die inneren Stimmen in seinem Kopf werden so laut, dass er sich nicht mehr darauf konzentrieren kann, seine Tarnung als liebenswert unkonventioneller Außenseiter in der Gemeinde Gunnar aufrechtzuerhalten. Er wird schlampig, versteckt seine Opfer nicht mehr, sondern präsentiert sie. Größenwahn erfüllt ihn. So würde er sich irgendwann sogar dem engstirnigen Sheriff Rafferty verraten, doch da ist Buddy Bayes. Zwar ist der „Ziegenhäuter“ verrückt, doch dumm ist er nicht. Deshalb legt er falsche Spuren, die Bayes in Verdacht geraten lassen.

Schließlich erfolgt der geistige Zusammenbruch so schnell, dass dem „Ziegenhäuter“ solche Schlichen und seine Maske gleichgültig werden. Der Wahn beherrscht ihn vollständig. Diesen Prozess weiß Sidor eindringlich zu schildern. Der „Ziegenhäuter“ ist auf der einen Seite selbst ein Opfer. Die berühmt-berüchtigte „gestörte Kindheit“ hat ihn geprägt und die Saat für seinen Krankheit gelegt. Auf der anderen Seite ist der „Ziegenhäuter“ womöglich ein Psychopath von Geburt an. Sidor legt sich hier nicht fest und folgt damit der Forschung, die weiterhin nicht wirklich weiß, wie ein Serienmörder „entsteht“ oder „funktioniert“.

Zu guter Letzt bleibt vom „Ziegenhäuter“ nur das groteske Zerrbild eines Menschen. Sidor schildert ihn etwa wie den alten Ed Gein, den berüchtigten Mörder und Leichenschänder, der u. a. als Vorbild für den Horrorfilmklassiker [„Texas Chainsaw Massacre“]http://www.powermetal.de/video/review-58.html diente. Seine letzten Jahre verbrachte Gein in einem Sanatorium für geisteskranke Kriminelle: ein geistig zerbrochener, täuschend friedlicher Mann, der nach Ansicht seiner Ärzte jedoch weiterhin von seinen Dämonen getrieben wurde. Der „Ziegenhäuter“ ist so wahnsinnig geworden, dass sich die in ihm aufgestaute Gewalt nicht mehr gegen unschuldige Opfer, sondern gegen sich selbst entlädt: Die Bestie zerstört sich selbst.

Auch den Randfiguren schafft Sidor detaillierte Biografien. Hier übertreibt er es in seinem Eifer allerdings, denn der Aufwand lohnt sich nur bedingt. So wichtig werden Figuren wie Sheriff Rafferty, Margot oder Gangster Red nicht, dass sie uns so aufwändig vorgestellt werden müssten. Andererseits fällt auch hier auf, wie geschickt der Autor Klischees vermeidet. Er vervollständigt damit das erfreuliche Bild eines Thrillers, der es keineswegs verdient, im Meer jener Durchschnittskrimis zu versinken, die Monat für Monat auf den deutschen Buchmarkt geworfen werden. Das kann leider leicht geschehen, denn sowohl die Aufmachung als auch der alles und gleichzeitig nichts sagende Covertext verschleiern erfolgreich, welches Kleinod hier auf seine Leser wartet!

Viel ist noch nicht bekannt über Steven Sidor, der bisher nur zwei Romane geschrieben hat und ein drittes Werk für 2007 ankündigt. Auch seine [Website]http://www.stevensidor.com zeichnet sich in biografischer Hinsicht durch bestürzende Kargheit aus. Den knappen Verlagsinfos lässt sich entnehmen, dass Sidor das Grinnell College besuchte und an der University of North Carolina in Chapel Hill studierte. Er arbeitete anschließend in der Betreuung psychisch kranker Menschen. Heute lebt Sidor mit seiner Familie in der Nähe von Chicago.

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Gardner, Craig Shaw – Battlestar Galactica: Das Geheimnis der Zylonen (Band 2)

Passend zur Neuauflage der legendären Science-Fiction-Serie „Kampfstern Galactica“ erscheint nun bei |Panini Books| auch eine Buchserie, die sich mit neuen Schlachten zwischen Menschen und Zylonen beschäftigt. Nachdem vor kurzem bereits die offizielle Vorgeschichte in Romanform veröffentlicht wurde, beginnt die neue Reihe nun mit dem ersten Band „Das Geheimnis der Zylonen“. Allerdings beginnt sie auch schwächer als erwartet …

_Story_

20 Jahre nach dem Krieg gegen die Zylonen befinden sich die Kolonien immer noch in der Phase des Wiederaufbaus. Diese wird seit einiger Zeit verstärkt von einzelnen Plünderern genutzt, die quer durchs Universum ihre Beutezüge starten und vor allem bei den Vertretern der Kolonien auf Ablehnung stoßen. Einer von ihnen ist Tom Zarek, ein Verlierertyp, dessen letzter Ausweg ihn auf das Schiff des störrischen Kapitäns Nadu gebracht hat. Unter seiner Regie soll Zarek schon bald eine Mission zu einer seltsamen Raumstation machen, auf der zwei Piloten Nadus plötzlich verschwunden sind. Allerdings endet Toms erster Auftritt als Führungskraft in einer Katastrophe: Auf der merkwürdigen Forschungsstation befinden sich neben einem alternden Wissenschaftler auch einige Zylonen, die sofort durchschaut haben, dass die Plünderer Böses im Schilde führen und daraufhin kurzen Prozess machen. Als einzigem Überlebendem gelingt es Tom, seinen Transporter an einen entlegenen Winkel des Planeten, auf dem die Forschungsstation angesiedelt ist, zu fliegen, doch bevor er notlanden muss, kann er noch einen letzten Funkspruch übermitteln, der schließlich den Kampfstern Galactica auf den Plan ruft.

Dieser begibt sich mit voller Besatzung auf sofortigem Wege zu diesem versteckten Außenposten und schickt unter der Leitung von Admiral Sing erfahrene Leute wie Adama und Tigh zum Ort des Geschehens. Obwohl sich die zylonischen Kräfte ihnen gegenüber bei der Ankunft friedlich verhalten, spüren die beiden, dass hier etwas verdammt faul ist. Spätestens als dann ein längst tot geglaubter Zerstörer am Himmel erscheint und in Adama und Tigh Erinnerungen an die unerbittliche Schlacht gegen die Zylonen weckt, wird ihnen bewusst, dass ein weiterer Krieg gegen die Kampfroboter unmittelbar bevorsteht …

_Meine Meinung_

Nach den sehr positiven Eindrücken der kürzlich angelaufenen TV-Serie hatte ich mir von diesem Roman wirklich einiges erwartet. Und Craig Shaw Gardner lässt sich anfangs auch nicht lange bitten und kommt in allen drei untergeordneten Handlungseinheiten schnell auf den Punkt – bis zu der Stelle, an dem schließlich alle Beteiligten sich auf bzw. in der näheren Umgebung der Raumbasis befinden. Dann jedoch mangelt es an geschickten Überleitungen, um die zuvor ausgelöste Spannung aufrechtzuerhalten. In einem zähen Geplänkel marschieren Adama und Tigh durch die fremde Station, in der seit Jahren Zylonen und Menschen Seite an Seite gelebt haben, und immer wieder bekunden sie dabei ihr Misstrauen. Doch die Handlung wird parallel nicht mehr entsprechend vorangetrieben. Ähnlich verläuft es in der Geschichte um Tom Zarek. Kurz nachdem er das blutige Gemetzel zwischen seine ehemaligen Gefährten und den plötzlich auftauchenden Zylonen bezeugen musste und anschließend gerade noch flüchten konnte, werden seine Aktionen nach und nach belangloser und haben mehr etwas von einer permanenten Hinhaltetaktik als von einem spannungsvollen Sub-Plot, der nur darauf wartet, wieder in die Hauptgeschichte eingebunden zu werden.

Generell kippt die Handlung in der Mitte der Story mit der Abnahme der Action. Ging es zuvor noch mehrmals richtig rund, werden die Dialoge im zweiten Abschnitt des Buches stets langweiliger, weil sie einfach keine Informationen hergeben, die für die Geschichte wichtig sein könnten. Immerzu zeigt die eine Seite ihre Zweifel, während die andere beteuert, ihre Forschungen in friedlicher Absicht zu betreiben. Dieses permanente Hickhack hätte man sicher kürzer gestalten können, zumal dem Autor am Ende die Zeit fehlt, um den actionlastigen Höhepunkt gebührend auszukosten. Nachdem alle Stränge zusammengeführt wurden, kommt es nämlich erwartungsgemäß zum großen Aufeinandertreffen zwischen den Zylonen des Zerstörers und den Menschen von der Galactica, doch statt hier die epischen Ausmaße der Original-Vorlage aus den späten Siebzigern zu wählen, rasselt man zum Ende hin nur noch Fakten herunter und vernachlässigt somit sowohl die zunächst demonstrierte Detailverliebtheit als auch den wichtigsten Aspekt, die Spannung an sich. Zwar mögen die Dinge, die als Überleitung zum nächsten Roman berichtet werden, recht vielversprechend klingen, aber wenn dieser schwierige Weg es sein muss, der für einen solchen Cliffhanger erforderlich ist, dann wurde hier das Ziel verfehlt.

Immerhin, „Das Geheimnis der Zylonen“ hat seine Momente und lässt den begeisterten Galactica-Fan zumindest teilweise auf seine Kosten kommen. Der Moment zum Beispiel, als plötzlich ein ganzes Zylonen-Battalion auftaucht und die Plünderer alles andere als gebührend empfängt, bewirkt eine kurze Gänsehaut-Situation, weil man hier sofort ein entsprechendes Bild vor Augen hat. Aber von diesen kurzen Blitzlichtern kann leider nicht die komplette Geschichte zehren.

Dementsprechend enttäuscht darf man letzten Endes auch von diesem schwachen Auftakt sein, wenngleich nach den Ereignissen der letzten Seiten von „Das Geheimnis der Zylonen“ der kleine Hoffnungsfunke bestehen bleibt, dass man in der Fortsetzung dann richtig loslegt. Hoffentlich – es wäre wirklich schade, wenn das Qualitätssiegel Galactica durch eine vergleichbar schwache Romanserie getrübt würde.

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Gillian Flynn – Cry Baby

Die Werbekampagne des Scherz-Verlages für den Debütroman der hübschen Autorin Gillian Flynn war groß und edel angelegt: Im Börsenblatt blickte einem eine dunkelrote zweiseitige Anzeige entgegen, das Buch wird in einem ansprechend bedruckten Pappkarton und mit einem schicken Schutzumschlag angeliefert und ist schon auf den ersten Blick ein Hingucker. Doch auch wenn man in das Buch hineinschaut und -liest, wird man feststellen, dass einem nicht zu viel versprochen wird durch die schicke Optik, sondern dass dieses Werk in der Tat etwas ganz Besonderes ist…

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