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Ubukata, To – Expansion (Mardock-Trilogie 2)

Band 1: [„Kompression“ 2695

_“Lost in Translation“_

„Bei der Übersetzung verloren gegangen“, daran musste ich sofort denken, als ich gelesen habe, dass To Ubukatas „Mardock Scramble“ im Original 1800 Seiten umfasst, dass es die deutsche Übersetzung aber gerade auf knapp die Hälfte bringen wird. Das engagierte Nachwort von Akira Kagami erhärtet den Verdacht, dass das Original eine Tiefe aufweist, die dem westlichen Leser aus sprachlichen Gründen einfach nicht zu vermitteln ist. Trotzdem ist der zweite Teil der Mardock-Trilogie kein flaches Action-Feuerwerk, im Gegenteil:

_Die Ruhe nach dem Pulverdampf._

Rune Balot ist ihrem erzwungenen Dasein als ehemalige Luxus-Geisha schwer verstümmelt entkommen und wurde mit „Scramble-09-Technik“ zu einer lebendigen Waffe umfunktioniert. Ihre Wahrnehmungsfähigkeit geht weit über die der üblichen Sinne hinaus und überdies kann sie „snarken“, also elektronische Geräte mit ihrem Willen manipulieren. Doc Easter ist ihr Anwalt, er versucht Shell Septinos dingfest zu machen, jenes Scheusal, dem Balot ihre Verstümmelungen zu verdanken hat, der aber außerdem eng mit einer unsäglichen Organisation verknüpft ist: die October Company. Dem Doc zur Seite steht Eufcoque, eine Maus, die mit Scramble 09 Technik zu einer intelligenten und universellen Waffe umfunktioniert wurde, die außerdem in der Lage ist, Empfindungen der Menschen zu riechen.

Im ersten Teil von |Mardock| hatte sich Rune Balot gegen Shell Septinos zur Wehr zu setzen. Er versuchte, sein ehemaliges Opfer auszuschalten, und hetzte Dimsdale Boiled auf sie, der wiederum die blutrünstigen Transplatationsfetischisten „Bandersnatch“ auf sie ansetzte.

„Expansion“ beginnt am Ende dieses furios bebilderten Action-Spektakels: Balot hat Bandersnatch beinahe komplett ausradiert und sie kann Dimsdale Boiled entkommen. Aber der Preis ist hoch. Sie war mit Eufcoque zu einer einzigen Waffe verschmolzen, doch um gegen Boiled bestehen zu können, musste sie die Waffenfähigkeiten der goldene Maus gegen deren Willen überstrapazieren und hätte sie dabei beinahe umgebracht. Schwer geschädigt bringt der Doc die beiden in das „Paradies“, eine Einrichtung für Forschungsobjekte der Scramble-09-Technologie.

Die Bewohner des Paradieses sind soziale Kontakte nicht gewohnt und gehen daher mit kindlicher Neugierde auf Balot zu. Tweedledee ist einer von ihnen, er bringt Balot zu seinem Freund Tweedledum, einem durch Scramble 09 veränderten Delphin, der ihr wiederum den Pool zeigt. Der Pool ist zum einen eine gigantische Datenschnittstelle, zum anderen, na ja, ein Pool. Balot taucht in ihn ein und findet dort heraus, dass man Shell Septinos wichtige Informationen auf Chips gespeichert und aus seinem Gehirn entfernt hat.

Diese Computerchips hat Shell versteckt, auf 1-Million-Dollar-Chips eines seiner Casinos. Balot, der Doc und Eufcoque machen sich auf den Weg, um sich diese Chips anzueignen. Aber Dimsdale Boiled bleibt nicht untätig. Zusammen mit einem Bandersnatch-Überlebenden, dringt er in das Paradies ein, um seinen Auftrag endlich zu einem Ende zu bringen …

_Je tiefer die Gewässer, desto ruhiger die Strömung._

Das trifft auch auf den zweiten Teil der |Mardock|-Trilogie zu. Materialschlachten wie im ersten Teil gibt es kaum, stattdessen erfährt der Leser eine Menge an Zusammenhängen, die vorher noch im Dunklen lagen. Verbindungen zwischen der regierungsgesteuerten Scramble-09-Technologie und der October Company, Verbindungen zwischen Eufcoque und Dimsdale Boiled, Verbindungen zwischen Doc Easter und dem Paradies. All das lässt einen großen Gesamtzusammenhang vermuten, der den Leser auf die fehlenden Puzzlestücke brennen lässt, die To Ubukata nur in kleinen Häppchen verteilt, und es verleiht den Figuren zusätzliche Facetten und Tiefe.

Noch immer fliegen stellenweise die Fetzen, aber es sind nur kurze Eruptionen, die das innere Auge der Action-Fans mit Bildern von unverbrauchter aber auch brutaler Ästhetik versorgt. Der Showdown von „Expansion“ findet auf einem komplett anderen Terrain statt: In einem Spielkasino. Wer sich nun gähnend abwendet, lasse sich eines Besseren belehren. Schon mal ein hyperspannendes Pokerduell beobachtet? „Expansion“ schafft dieses Kunststück. Auf höchst originelle Weise führt To Ubukata den Leser in die Welt des Glücksspieles ein und lässt erfahrene Spieler, Trickbetrüger und Meistercroupiers gegen Rune Balot antreten, die ja die Millionen-Dollar-Chips gewinnen muss. Es ist ein faszinierender Blick in eine vollkommen fremde Welt, Roulette ist plötzlich kein nacktes Glücksspiel mehr und die Croupiers werden zu mehr als zu kartenverteilenden Statisten.

_Die Bilderschlacht, die von der Leinwand verbannt wurde._

Dachte man während des ersten Bandes noch, dass man die Story von |Mardock| auf einem Bierdeckel unterbringen könnte, erfährt man plötzlich, dass dem ganz und gar nicht so ist. Plötzlich werden auch philosophische Diskussionen ausgepackt und mit dem besagten Casino-Showdown hat Ubukata bewiesen, dass er sich bei weitem nicht als Produzent von Action-Fast-Food reduzieren lassen muss, so wohlschmeckend er das auch zubereiten kann. Ich kann nicht anders, als „Expansion“ beeindruckt beiseite zu legen und gespannt auf den letzten Teil zu warten. Wieder endet dieses Buch mit einem Cliffhanger, allerdings ist er diesmal nicht ganz so krass wie beim ersten Mal.

Wirklich schade ist allerdings, dass die Anime-Adaption durch die berühmten Gonzo-Studios abgeblasen wurde. Der Trailer sah einfach nur lecker aus, und Manga-Größe Range Murata versprach den Fans einen völlig neuen Animationsstil. Umso überraschender, dass die Produktion ohne nähere Angaben in die Tonne gekickt wurde.

Nun ja, vielleicht bekommt To Ubukata dadurch wenigstens ein paar zusätzliche Leser für sein Buch. Wer sich die |Mardock|-Trilogie entgehen lässt, ist jedenfalls selber schuld! Unbedingt empfehlenswert!

http://www.heyne.de/

Mondfeld, Wolfram zu / Wertheim, Barbara zu – Schule der Gladiatoren, Die

Morituri te salutant – die Totgeweihten grüßen Dich: Diese Parole ist wohlbekannt aber historisch nicht korrekt, denn nur ein einziges Mal ist dieser Gruß an dem herrschenden Cäsar (Kaiser) überliefert worden.

Trotzdem kennen wir Gladiatoren aus Filmen wie „Spartacus“ mit Kirk Douglas oder zuletzt „Gladiator“ mit Russel Crowe, der zwar ein wirklich guter Film war, aber mit der Darstellung einer echten Gladiatur historisch gesehen nichts zu tun hatte. Wenn wir von Gladiatoren hören oder lesen, selbst in „Asterix“, so verbinden wir das immer mit einem Kampf zweier Kontrahenten auf Leben und Tod.

In der Regel stimmt das schon, aber ein solcher Kampf hatte ähnlich wie ein Boxkampf heute feste Regeln, mehrere Schiedsrichter, und ein Kämpfer hatte, wenn er die Gunst des Publikums erlangte, eine große Chance, das Kolosseum oder überhaupt die Arena, durch eine Missio (eine Begnadigung für diesen Kampf) zu verlassen.

Gladiatorenkämpfe gab es von ca. 264 vor Christus bis etwa Anfang des 5. Jahrhunderts. Nicht alle römischen Kaiser waren gewillt, die legitimen und gesetzlichen Kämpfe zwischen zwei Gladiatoren zu befürworten; Augustus, Tiberius und Mark Aurel waren jedoch zweifellos Verfechter dieses Kampfsportes.

Der Roman „Die Schule der Gladiatoren“ von Wolfram zu Mondfeld und seiner Frau Barbara zu Wertheim gibt ein recht gut recherchiertes historisches Bild dieser Epoche und des Berufsstandes der Kämpfer wieder und räumt mit Vorurteilen und falschen Informationen der antiken Welt auf.

_Die Geschichte_

Im Jahre 55 nach Christus im 13. Regierungsjahr des erhabenen Cäsars Claudius wächst der junge Eppor im großen Römischen Reich auf. Seine Familie bewirtschaftet einen eigenen Hof mit Landwirtschaft und Viehzucht und verkauft ihre Waren an die Legionäre (Soldaten) und ihre Familien. Doch es gibt hin und wieder Raufereien zwischen den Einheimischen und den römischen Kindern besserer Herkunft, die sich als Patrizier bezeichneten. Eppor verprügelt und demütigt den Sohn eines angesehen römischen Offiziers, was nicht ohne Folgen bleibt.

Die Geldstrafe würde den Hof der Familie in einen finanziellen Abgrund stürzen und keiner seiner Familienangehörigen dürfte sich danach noch als frei bezeichnen.

Eppor ist stolz und vernünftig, und sieht ein, dass er seine Familie nur retten kann, wenn er in die Sklaverei geht. Auf dem Sklavenmarkt wird er von der Gladiatorenschule „Felix Felix“ gekauft, und für Eppor, der den Namen Scorpio erhält, beginnt eine harte und sehr lehrreiche Ausbildung zum Retiarius – einem Kämpfer, der sich in der Arena mit Dreizack und Netz behaupten muss. In der Schule und während der Ausbildung wird „Felix Felix“ zu seiner neuen Familie. Neue Freundschaften entstehen und er findet Freude am doch oftmals rauen Leben. Nach seinem ersten Kampf gewinnt Scorpio nicht nur die Gunst der Zuschauer, sondern wird auch für seine hervorragenden Leistungen im Gefecht mit einem Lorbeerkranz ausgezeichnet.

Im Laufe der Jahre wird Scorpio einer der bekanntesten Gladiatoren im Römischen Imperium und die Freundschaft des mysteriösen Etruskers Tarquinius, der sich nicht zu Unrecht für einen Gott hält, wird ihn prägen und begleiten. Nach vielen Siegen und dem Gewinn von Preisgeldern kann sich Scorpio nun die Freiheit erkaufen, doch er bleibt der Laufbahn eines Gladiatoren und seiner Schule „Felix Felix“ treu. Der Lanista, der Inhaber der Schule, erkennt in dem jungen Mann viel Potenzial und möchte in ihm seinen Nachfolger sehen, doch Scorpio lehnt zunächst ab.

Als Kaiser Nero in Rom die besten Gladiatoren der Schulen für seine Spiele anfordert, wird auch Scorpio in der Arena kämpfen müssen. Es kommt zu einem ungleichen Kampf, den er trotzdem für sich entscheiden kann. Doch sein Gegner, ein arroganter Senatssohn, kann seine Niederlage nicht verkraften und verletzt Scorpio schwer, als dieser dem Gegner den Rücken kehrt, um von Kaiser Nero den Preis entgegenzunehmen.

Von diesem Tage an ist Scorpio querschnittsgelähmt und verliert fast seinen Lebenswillen. Doch seine Freunde und nicht zuletzt Tarquinius stärken seine Lebensfreude, und schließlich nimmt er das Angebot des Inhabers der Gladiatorenschule an und hilft diesem beim Leiten der Schule und der Ausbildung der neuen Generation von Gladiatoren.

Die Kämpfe in den Arenen Roms fordern von der Schule „Felix Felix“ einen hohen Blutzoll. Viele angesehene und gute Kämpfer sterben im Sand der Arena für die Unterhaltung der römischen Bevölkerung. Doch nach diesen Wettkämpfen gehört die Ausbildungsstätte Felix Felix endgültig zu den Eliteschulen für Gladiatoren.

Scorpio leitet nun die Geschicke der Schule und sein Freund Tarquinius rächt dessen Verletzung und die Tode seiner Freunde schrecklich. Dieser wird zu einer Legende unter den Gladiatoren, ein etruskischer Totengott, der in der Arena tödliche und perfekt einstudierte Schwerttänze aufführt. Er wird zum Schrecken aller Verbrecher unter den Gladiatoren, die regelwidrig kämpfen und Lust am Töten verspüren.

Der 18.07.64 nach Christus wird zu einem historischen Tag im Imperium. Kaiser Nero verfällt immer mehr dem Wahnsinn und gibt den Auftrag, Rom anzuzünden. Die Verantwortlichkeit und Schuld an dem Inferno gibt er einer neuen Sekte, den Christen, die Nero zu Tausenden auf brutale Weise hinrichten lässt. Auch die Gladiatoren von „Felix Felix“ nehmen an den neuen Spielen teil, allerdings ohne sich am Töten der unschuldigen Christen zu beteiligen. Geschockt und verstört verlassen diese das Zentrum der römischen Welt.

Doch mehr und mehr verliert Nero die Gunst des Volkes und des Senats. Wie viele andere Kaiser wird er das Opfer einer Verschwörung und ermordet. Nun beginnt eine unruhige Zeit mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Viele Herrscher werden gewählt und wieder abgesetzt. Es wird Jahre dauern, bis Ruhe einkehrt, und die Gladiatoren der Schule „Felix Felix“ reisen durchs Römische Reich, um nicht den Säuberungen der amtierenden Kaiser zum Opfer zu fallen.

Erst Kaiser Vespasian bringt wieder Stabilität und Vertrauen, so dass die Gladiatoren wieder ganz ihr Leben auf die Schule ausrichten können. Doch auch hier gibt es Intrigen und Feindschaften. Scorpio und Tarquinius leiten beide nun nach dem Tod des Inhabers die Schule mit viel Geschick und Gespür für gute Gladiatoren, die dem Namen der Schule alle Ehren machen.

Erst der Ausbruch des Vesuv und die totale Zerstörung Pompejis verändert das Leben von Scorpio und Tarquinius.

_Kritik_

„Die Schule der Gladiatoren“ des Autorenehepaars Wolfram zu Mondfeld und Barbara zu Wertheim belebt die Welt der literarischen Antike und ist historisch einwandfrei recherchiert. Die Autoren entführen den Leser in eine andere Epoche, die man auch als Zeit von „Brot und Spielen“ umschreiben könnte.

Durch die gewählte Ich-Form des Scorpio, der die Geschichte von Tarquinius erzählt, kann sich der Leser vom Denken und Handeln der Protagonisten im Römischen Imperium ein sehr gutes Bild verschaffen. Das Lebensgefühl eines Sklaven, eines Römers, eines Christen haben die Autoren fabelhaft in Szene gesetzt. Auch die politische Lage mitsamt der Kaiser und Eroberungskriege birgt viel an historischen verbürgten Informationen. Besonders interessant waren für mich die Passagen der Christenverfolgung sowie die Eroberung und Zerstörung von Jerusalem.

Trotzdem kann dem einen oder anderen Leser „Die Schule der Gladiatoren“ manches Mal langatmig vorkommen, da sich die Autoren im religiösen und gesellschaftlichen Leben etwas verrennen.
Die Einstudierung der Charaktere ist bis ins kleinste Detail durchdacht. Den beiden Hauptfiguren Scorpio und Tarquinius, deren Wichtigkeit und Entwicklung dem Leser unterschiedlich viel Freude bereiten, widmen sich die Autoren besonders deutlich. Der Legende rund um die Figur eines Gladiators haben die Autoren viel, viel Zeit und noch mehr Recherche gewidmet. Das allein zeigt schon, wie wichtig es ihnen war, aus einem historischen Roman nicht wie so oft eine Märchenstunde zu machen.

Der Roman ist unterteilt in drei einzelne Bücher, zwischen den Kapiteln verdeutlichen Zeichnungen der verschiedenen Gladiatorentypen dem Leser, was man sich unter den verschieden ausgerüsteten Gladiatoren vorstellen mag. Im Anhang des Romans werden die Rüstungstypen der Gladiatoren, die Besonderheiten und die Regeln eines Kampfes detailliert beschrieben.

Insgesamt kann ich die unterhaltsame und informative Lektüre dieses Romans guten Gewissens empfehlen.

_Das Autorenehepaar_ lebt in der Nähe von Augsburg, dem antiken Augusta Vindelicum. Wolfram zu Mondfeld ist unter anderem bekannt geworden, durch das Werk [„Der Meister des siebten Siegels“. 54 Spezialisiert hat sich der Autor als Verfasser von Geschichten, die mit der Seefahrt zu tun haben, bis zu einem Standardwerk zu historischen Schiffsmodellen. Seine Frau Barbara zu Wertheim ist eine namhafte Hellseherin, die auch an dem Roman „Mose – Sohn der Verheißung“ mitgewirkt hat.

http://www.bastei-luebbe.de

Despentes, Virginie – Bye Bye Blondie

Virginie Despentes hat sich in den letzten Jahren vom Schmuddelkind zu einer der beliebtesten Autorinnen Frankreichs gemausert. Mit „Bye Bye Blondie“ möchte sie diesen Status weiter ausbauen.

Hauptperson ist die Mitdreißigerin Gloria, eine Chaotin, die für ihre Wutanfälle gefürchtet, in ihrer Stammkneipe „Royal“ bei den Stammgästen aber sehr beliebt ist.

Eines Tages, als sie gerade von ihrem Freund rausgeschmissen worden ist, trifft Gloria auf Eric, eine Jugendliebe, die sie damals bei einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik kennengelernt hat. Nachdem sie beide entlassen wurde, verbrachten sie eine glückliche Zeit, bis Eric plötzlich wie vom Erdboden verschwand und sich nicht mehr bei ihr meldete. Das brach Gloria das Herz und als sie ihn, der mittlerweile ein bekannter Fernsehmoderator ist, auf der Straße verheult und außer sich wiedertrifft, hat sie überhaupt keine Lust, sich wieder auf ihn einzulassen.

Trotzdem folgt sie ihm nach Paris in sein schmuckes Appartement und in ein Leben voller Glitzer und Glamour, in dem sie sich als rotzfrecher Altpunk nicht gerade wohlfühlt und das auch zeigt. Ob die beiden trotzdem eine Chance haben?

Das Buch spielt in zwei verschiedenen Welten. Neben dem aktuellen Handlungsstrang erzählt die französische Autorin auch aus der Jugend der Punkerin Gloria aus anständigem Elternhaus, gegen das es sich zu rebellieren lohnte. Sie beschreibt dabei einen ganzen Lebensstil. Von spontanen Fahrten nach Paris, ohne einen einzigen Cent in der Tasche, und dem Leben auf der Straße bis hin zu Prügeleien mit Skinheads ist alles dabei und Gloria präsentiert sich als alles andere als ein liebes, nettes Mädchen. Das stößt den Eltern von Eric, die der höheren Schicht zugehörig sind, natürlich sauer auf, besonders weil Gloria noch nicht mal damit zurückhält, was sie von diesen Spießern hält.

Die Gloria von heute ist vielleicht keine Punkerin mehr, aber ganz normal ist sie trotzdem nicht. Als Sozialhilfeempfängerin mit einem Faible für Alkohol und das Anpöbeln fremder Menschen in der Öffentlichkeit lebt sie bei ihren ständig wechselnden Freunden, die sie zumeist deshalb rausschmeißen, weil sie ihre Wutanfälle nicht mehr ertragen.

Gloria ist nicht glücklich. Sie ist kaputt und gleichzeitig auf der Suche nach ein bisschen Wärme. Diese nicht ganz alltägliche Protagonistin weiß Virginie Despentes sehr schön darzustellen, ohne dabei seitenlange Beschreibungen abzuliefern. Sie beschreibt ihre Figur lieber aus deren Erinnerung heraus, so dass der Leser versteht, wieso sie handelt und was sie schon hinter sich hat.

Auch die anderen Charaktere in dem Buch wissen aufgrund ihrer Authenzität zu gefallen, und trotzdem schleicht sich da eine kleine Frage in den Kopf des Lesers, der gerne mal einen der modernen französischen Autoren wie Pille oder andere Bücher von Despentes liest. Wieso kommt einem die Konstellation eines armen Mädchens, das in die höheren Schichten aufsteigt, weil es irgendeinen neureichen jungen Mann kennenlernt, so bekannt vor? Eine gewisse Klischeehaftigkeit lässt sich folglich nicht verbergen.

Die Handlung ist auch nicht immer so goldig, wie sie laut den Kritiken glänzen sollte. Glorias Jugenderinnerungen, die einen Großteil des Buches einnehmen, sind wirklich sehr gut gelungen. Dicht, ohne Längen und sogar mit einer gewissen zwischenmenschlichen Spannung gewürzt, sorgen sie dafür, dass man das Buch lange nicht aus der Hand legen will. Besonders, wenn man von dem dargestellten Lifestyle weit entfernt ist, ist es sehr interessant zu lesen, wie die junge Gloria ihre Freizeit verbringt.

Der Erzählstrang, der sich mit der aktuellen Beziehung von Gloria und Eric beschäftigt, wirkt dagegen zum größten Teil wie die lästige Pflicht nach der Kür. Arme Sozialhilfeempfängerin trifft schneidigen Moderator und landet auf VIP-Feiern – das ist wirklich nichts Neues mehr und der Großteil der Erlebnisse von Eric und Gloria ist furchtbar vorhersehbar und langweilt dementsprechend ein wenig.

Da hilft teilweise noch nicht einmal der überzeugende Schreibstil Despentes‘. Despentes schreibt einfach, trocken, alltäglich, manchmal obszön, aber immer treffend. Sie gibt den Emotionen ihrer Charaktere nicht wirklich viel Raum, aber gerade das lässt die Emotionen umso authentischer wirken. Sie benutzt auch hier die für sie typischen Beobachtungen der kleinen Dinge des menschlichen Zusammenlebens und schmückt sie oft mit nüchternen, aber passenden Metaphern wie auf Seite 53 aus:

|“Sie nahm wohl wahr, dass sie am ehesten einem durchgeknallten Vogel glich, der für alle anderen unsichtbar Skateboard fuhr und mit gesenktem Kopf gegen alle Wände um sich herum knallte.“|

Derartige rhetorische Mittel lockern das Buch auf, auch wenn die Jugendsprache in der deutschen Übersetzung stellenweise eher grenzwertig ist. (|“Seine Nase ist rot verquollen, voll die Erbeere.“|, Seite 16).

„Bye Bye Blondie“ ist dementsprechend ein durchwachsen anmutendes Buch mit einer positiven Tendenz. Die Handlung hat ihre Höhepunkte, aber auch ihre Tiefpunkte, und die Personen sind, solange sie nicht Gloria heißen und unglaublich gut ausgearbeitet sind, manchmal etwas klischeehaft. Der Schreibstil kann sich dagegen mit seinen feinsinnigen Anspielungen, Metaphern und Beobachtungen lesen lassen.

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Vantrease, Brenda – Illuminator, Der

England um 1380: Das Land befindet sich in großer Unruhe. Nach dem Tod Edward III. folgt ihm sein erst zehnjähriger Enkel Richard II. auf den Thron, eine umstrittene Nachfolge, die für Trubel im Königshaus sorgt. Das Volk ist der Herrschaft von Adel und Klerus ausgeliefert. Aber nicht nur die armen Leute, auch die Höhergestellten leiden unter der Härte und der Willkür der Gesetze. Zu ihnen gehört Lady Kathryn, die Herrin von Blackingham Manor. Vor einem Jahr verstarb ihr ungeliebter Mann Sir Roderick. Seitdem bemüht sie sich, ihren beiden knapp sechzehnjährigen Söhnen Alfred und Colin ein angemessenes Leben zu bieten, obwohl ihre einst reichhaltigen Mittel immer bescheidener werden. Während der selbstbewusste und launische Alfred seinem Vater nachschlägt, handelt es sich bei Colin um einen stillen, verträumten Jungen, der am liebsten auf seiner Laute spielt.

In dieser Zeit des Umbruchs erhält Lady Kathryn einen Auftrag vom Vorsteher der Abtei Broomholm. Der Illuminator Finn wird eine Ausgabe des Johannes-Evangeliums kunstvoll illustrieren. In dieser Zeit soll er im Kloster wohnen, doch der verwitwete Mann will sich nicht von seiner jungen Tochter Rose trennen. Daher soll Lady Kathryn ihnen gegen Bezahlung seitens der Abtei für einige Monate Unterkunft gewähren. Angesichts ihrer schwierigen finanziellen Lage willigt Lady Kathryn ein, ohne zu ahnen, welche Komplikationen damit auf sie zukommen. Zwischen ihr und dem intelligenten Illuminator entwickelt sich nach zögerlichem Beginn eine geheime Liebesbeziehung. Seine Tochter Rose wiederum verliebt sich in den scheuen Colin, während der eifersüchtige Alfred für Zwietracht sorgt.

Doch das ist noch nicht alles: Finn arbeitet insgeheim für den scharf umstrittenen Kirchenkritiker John Wycliff, der die Bibel ins Englische übersetzt, damit auch das einfache lateinunkundige Volk endlich die Heilige Schrift lesen kann. Jedes Bekenntnis für Wycliff wird als Verrat betrachtet und eine Entdeckung von Finns Diensten als Illuminator für ihn wären eine Katastrophe. Als auch noch ein Priester der Abtei nach seinem Besuch auf Blackingham ermordet aufgefunden wird, überschlagen sich die Ereignisse. Lady Kathryn und ihre Söhne schweben genauso in Gefahr wie der Buchmaler Finn und seine Tochter …

In ihrem Debütroman befasst sich Brenda Vantrease mit einem bunten und gefährlichen Zeitalter. Vor dem Hintergrund der beginnenden englischen Reformation und der Bauernaufstände gelingt ihr die Schilderung einer fesselnden Geschichte voller interessanter Schicksale.

|Überwiegend interessante Charaktere|

Im Mittelpunkt stehen sowohl der titelgebende Illuminator Finn als auch die vornehme Lady Kathryn. Lady Kathryn präsentiert sich als starke Frau, die mit allen Kräften bemüht ist, ihren geliebten Söhnen das Erbe zu sichern. Ungern erinnert sie sich an die unglückliche Zwangsehe mit ihrem verstorbenen Mann zurück, sieht ihre Söhne aber als großes Geschenk. Die Einkünfte werden mit der Zeit immer geringer, der hinterhältige Ernteaufseher Simpson scheint sie zu betrügen und es wird immer schwieriger, den einstigen Status aufrechtzuerhalten. Auch wenn es stets für gute Kleidung und genügend Essen reicht, sorgt sich Lady Kathryn mit Recht um die Zukunft des Anwesens. Als Herrin über Blackingham kann sie sich nur wenige Schwachheiten erlauben. Dem ruhigen und intelligenten Illustrator gelingt es zwar, ihr Herz zu gewinnen – doch er bemerkt bald, dass sie sich bei aller Liebe nicht überwinden kann, gewisse Prinzipien zu brechen.

Nur wenige Charaktere sind eindeutig bei Schwarz oder Weiß einzuordnen. Lady Kathryn ist eine sympathische Identifikationsfigur, aber wegen ihrer Liebe zu ihren Söhnen schlägt sie auch opportunistische Wege ein. Der Illuminator wiederum erscheint glatter, idealistischer, durch seine zurückhaltende und nachdenkliche Art dem Leser aber nicht weniger sympathisch. Automatisch bangt man um sein Leben und spürt seine Verzweiflung, als nach und nach die Schwierigkeiten über ihn hereinbrechen: Die Sorge um seine Tochter, die Bedrohung durch die Kirche, Missverständnisse mit Kathryn. Der Mann, der bereits seine geliebte Frau nach der Geburt der Tochter verlor, muss viele Niederlagen einstecken, und es gelingt der Autorin gut, den Leser in seine Lage hineinzuversetzen.

Ein sehr zwiespältiger Charakter ist Kathryns Sohn Alfred. Zweifellos gleicht er seinem dominanten und herrschsüchtigen Vater, doch der Einfluss seiner gütigeren Mutter ist nicht ohne Folgen geblieben. Immer wieder schwankt der junge Mann zwischen seiner Bewunderung für den Vater und seiner Zuneigung für die tapfere Mutter. Einerseits ist er ein Hallodri, der auch die schöne Rose gerne in seinem Besitz hätte und im Gegenzug den sanften Bruder Colin verachtet. Andererseits gelingt es Kathryn in wichtigen Situationen durchaus, ihn an seine kindliche Liebe zu ihr zu erinnern und das fast verschüttete liebevolle Wesen in ihm zum Vorschein zu bringen. Daher bleibt bis zum Schluss offen, welchen Weg der junge Alfred tatsächlich einschlagen wird.

In der alten Köchin Agnes, dem Dienstmädchen Magda und dem Zwerg Halb-Tom finden sich drei ausgesprochen vielschichtige Nebencharaktere, die beim Lesen viel Freude bereiten und fast zu kleinen Hauptfiguren avancieren. Halb-Tom ist ein kleinwüchsiger Mann, der in den Sümpfen lebt und trotz seiner widrigen Lage als Außenseiter den Ärmeren hilft. Seine Verbindung zu Blackingham besteht hauptsächlich in Botengängen, doch darüber hinaus fasst er auch große Zuneigung zu der heranwachsenden Magda. Das aus ärmsten Verhältnissen stammende Mädchen wird wegen seiner Schweigsamkeit lange Zeit für zurückgeblieben gehalten, aber es kristallisiert sich heraus, dass man sein liebes, naturverbundenes Wesen damit gründlich unterschätzt. Die aufkeimende Zuneigung zwischen dem Zwerg und dem kindlichen Mädchen bildet einen kleinen aber feinen Nebenstrang, den man gerne verfolgt. Für humorvolle Szenen sorgt vor allem die alte Agnes, die nicht nur gegenüber Kathryn eine vertraute und fast mütterliche Stellung einnimmt, sondern auch gelegentlich deftige Bemerkungen von sich gibt. Ihre brummelige und oft derbe Art sorgt bei Kathryn zwar zeitweilig für Verstimmung, beim Leser jedoch für Erheiterung.

Rose Finn, die Tochter des Illuminators, ist genau wie Colin über weite Strecken zu glatt und zu harmlos geraten. Gottesfürchtig, demütig und scheu, wie sie sind, verhalten sie sich insgesamt zu vorhersehbar und langweilig. Ebenfalls ausnehmend gut, aber viel interessanter ist die Figur der Einsiedlerin Julian, die ebenfalls in die Fronten zwischen Kirche und Volk gerät. Die gütige Frau mit dem tiefen Glauben wird trotz oder gerade wegen ihrer Hingabe für das einfache Volk von der Kirche misstrauisch beäugt und schwebt kaum weniger in Gefahr als Lady Kathryn und Finn.

|Spannung in mehrfacher Hinsicht|

Spannung erfüllt die Geschichte gleich auf mehreren Ebenen: Zum einen verfolgt man natürlich mit großem Interesse die schwankende Entwicklung der Liebesbeziehung zwischen Lady Kathryn und Finn. Lady Kathryn befindet sich im ersten Witwenjahr, sollte also nach Ansicht der Außenwelt angemessen um ihren Ehemann trauern, sodass eine neue Beziehung gesellschaftlich undenkbar wäre. Dazu kommt die für damalige Verhältnisse erschreckende Enthüllung, dass Finns verstorbene Frau eine Jüdin war. In einer Zeit, in der die Juden für alles denkbare Übel inklusive der Pest verantwortlich gemacht wurden, tut der Illustrator gut daran, dieses Detail seiner Vergangenheit geheim zu halten. Selbst die gütige Lady Kathryn empfindet diese Tatsache als Schock, der ein dunkles Licht auf ihr Verhältnis wirft. Als wären dies nicht bereits Schwierigkeiten genug, bedeutet auch der Standesunterschied zwischen dem bürgerlichen Finn und der adligen Frau ein Gegenargument zu ihrer Verbindung.

Zu diesen äußeren Komplikationen gesellt sich auch die Angst vor den Reaktionen sowohl seitens des eifersüchtigen Alfreds, der das Ansehen seines Vaters verteidigt, als auch des schmierigen Sheriffs Sir Guy, der Heiratsabsichten mit Kathryn hegt. Die möglichen politischen und persönlichen Konsequenzen schweben folglich wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen und halten die Spannung aufrecht. Das gilt, wenn auch in abgeschwächter Form, ebenfalls für das nicht minder intime und geheime Verhältnis zwischen Colin und Rose. Die beiden haben zwar nicht so schlimme Konsequenzen zu befürchten, doch Finn vertraut auf die Tugend der beiden, während Lady Kathryn eher von Alfred fürchtet, dass er Rose zu nahe tritt.

Ein wenig Krimiflair erhält die Handlung durch den Mord an dem Priester. Bei den ersten Ermittlungen verneint Lady Kathryn vorsichtshalber, den Priester am fraglichen Tag gesehenen zu haben, doch ihre Lüge wird entlarvt und lenkt den Verdacht auf Blackinghams Bewohner. Bis zum Schluss muss der Leser fürchten, dass ein Unschuldiger für die Tat büßt, während man Lady Kathryns grausamen Zwiespalt verfolgt, sich zwischen Finn und einem ihrer Söhne entscheiden zu müssen.

|Viele historische Details|

Eine Vielzahl von historischen Personen lässt die Historienfreunde voll auf ihre Kosten kommen. Die sanfte Einsiedlerin Julian von Norwich hat es ebenso gegeben wie den Kirchenkritiker John Wycliff und den despotischen Bischof Henry Despenser, ganz zu schweigen natürlich von den Mitgliedern des Königshauses. Der Illuminator ist zwar fiktiv, doch die Autorin verwebt seine Geschichte geschickt mit der realen Existenz einer Paneele mit der Passion Christi, deren Künstler bis heute unbekannt ist. Auch bei der Figur von Julian von Norwich, über die man nur sehr wenige Zeugnisse besitzt, musste mit viel Phantasie ausgeschmückt werden, und das geschieht so überzeugend, dass man gerne gewillt ist, sich die Einsiedlerin so vorzustellen, wie Brenda Vantrease sie dargestellt hat.

Darüber hinaus besticht der Roman durch Sachkenntnis und realistische Details aus der damaligen Zeit, bei denen wenig beschönigt wird. Das Elend der armen Leute wird dem Leser deutlich vor Augen geführt, aber auch die Konflikte und Schwierigkeiten von scheinbar Begünstigteren wie Lady Kathryn, die ebenfalls unter den Bedingungen leiden. Allerdings bleiben vor allem die herrschaftlichen Hintergründe etwas im Dunkel. Der Leser erfährt nicht viele Angaben zum regierenden Richard II. und seinen Vorgänger. Daher empfiehlt es sich, parallel zum Roman auch ein paar Blicke in Geschichtsbücher zu werfen, um sich mit der politischen Situation vertraut zu machen. Für das Verständnis des Inhalts ist es nicht notwendig, aber zur besseren Gesamtbeurteilung der Epoche anzuraten, wenn keine Vorkenntnisse vorhanden sind. Etwas schade ist außerdem die negative Darstellung von John of Gaunt, des Herzogs von Lancester, der nicht eigenständig in Erscheinung tritt, aber oft von Beteiligten erwähnt wird. Der Sohn von Edward III. fungierte als Berater seines Neffen, des kindlichen König Richard II., und unterstützte den aufrührerischen John Wycliff. Doch nicht nur Johns Gegner, auch Wycliff selber sieht im Roman vor allem den Eigennutz von John of Gaunt, der durchweg negativ beschrieben wird. Tatsächlich war der historische John of Gaunt beim Volk unbeliebt, doch im Ausland und in der heutigen Forschung bewundert man ihn eher für seine Reformen und seine politische Weitsicht, die zu seiner Zeit verkannt wurde.

Die edle Aufmachung der deutschen Ausgabe passt exzellent zur thematisierten Buchkunst und dürfte Bibliophilen das Herz höher schlagen lassen. Im Gegensatz zu manch anderen Historienromanen verwendet die Autorin hier zudem angenehmerweise keine allzu geschwollene Sprache, sondern benutzt einen sehr gut lesbaren Stil, der nicht anspruchslos, aber unschwer zu verfolgen ist.

_Als Fazit_ bleibt zu sagen, dass der von den Medien herangezogenen Vergleich mit Umberto Ecos Meisterwerk „Der Name der Rose“ übertrieben ist, aber dennoch können Freunde von historischen Romanen hier bedenkenlos zugreifen. Das Werk besticht durch eine spannende Handlung, berührende Schicksale, interessante Charaktere und detaillierte Sachkenntnis. Die wenigen Schwächen haben keinen großen Einfluss auf den positiven Gesamteindruck dieses gelungenen Erstlings.

_Die Autorin_ Brenda Vantrease, Jahrgang 1945, studierte und promovierte in Tennessee in englischer Literatur. Anschließend arbeitete sie als Englischlehrerin und Bibliothekarin. Auf ausgiebigen Reisen nach Großbritannien und Irland erkundete sie die Schauplätze der Geschichte und verfasste zahlreiche Essays und Kurzgeschichten. „Der Illuminator“ ist ihr Romandebüt. Gegenwärtig arbeitete die Autorin an ihrem nächsten historischen Werk.

|Originaltitel: The Illuminator
Originalverlag: St. Martin’s Press 2005
Aus dem Amerikanischen von Gloria Ernst
Taschenbuch, 576 Seiten, 12,5 x 18,3 cm|
http://www.blanvalet.de

Crisse, Didier / Besson, Fred – Ishanti, Band 1: Die Tränen der Isis

_Story_

Im Tempel der Isis herrscht Hochbetrieb; der Pharao hat sich zu Besuch angekündigt und will die Jubiläumsfeierlichkeiten in der Stadt der tausend Wunder durch sein Kommen bereichern. Anlässlich der Festlichkeiten wollen auch die Schülerinnen des Tempeltanzes ihr neuestes Stück aufführen. Unter ihnen befindet sich auch die junge Ishanti, die aufgrund ihrer bäuerlichen Herkunft von ihren Mitschülerinnen meist nur geschmäht wird. Dennoch träumt sie davon, eines Tages über den Tanz die Freiheit zu erlangen und sich auch außerhalb der Tempelanlagen bewegen zu dürfen.

Dort lebt auch der herumstreunende Taugenichts Tyi, ein Jüngling, der ständig um die Gunst der hübschen Ishanti buhlt und sie schließlich auch zum ersten Mal ohne Aufsicht aus ihrem behüteten Leben im Umfeld des Palastes entführt. Gemeinsam brechen sie in eine altertümliche Grabstätte ein, die Tyi unlängst entdeckt hatte und deren Geheimnis er nun mit seiner großen Liebe teilen möchte. Allerdings bleibt ihr Kommen nicht unentdeckt. Inmitten der riesigen Grabkammer sind nämlich auch einige Götter der Unterwelt aktiv, die gerade mit ihrem neuen Geschäftspartner über das Scheitern eines Deals streiten. Und als sie die ungebetenen Gäste sehen, sind sie nicht sonderlich erfreut …

_Meine Meinung_

Es ist schlichtweg unglaublich, mit welch tollen neuen Comic-Serien der bislang noch unauffällige |Splitter|-Verlag in den letzten Monaten an die Öffentlichkeit tritt. Nach dem grandiosen Start mit Serien wie „Das verlorene Paradies“, „Canari“ und „Die Legende der Drachenritter“ bietet man nun mit „Ishtari“ auch schon das nächste Highlight und wiederum den Auftakt einer äußerst vielversprechenden, jugendlich-frischen Serie, deren Schauplatz in diesem Fall das alte Ägypten ist.

Verantwortlich für den Plot ist einmal mehr Didier Crisse, der verlagsintern schon mit seinen Beiträgen zu „Kookaburra“ und besagter „Canari“-Serie auf sich aufmerksam machen konnte und seinen Status als einer der besten aufstrebenden Comic-Autoren Frankreichs mit diesem Werk endgültig manifestiert. An seiner Seite steht mit Fred Besson ein enorm talentierter Partner, der mit seinen teils humorvollen und dabei jederzeit dynamischen Zeichnungen das Ägypten der Pharaonenzeit mit erfrischenden Mitteln zu neuem Leben erweckt – und mit ihm einige richtig sympathische Charaktere, wie sie mit solch durchdringlichen Augen eigentlich nur von einem Franzosen stammen können.

Und wie es oft so ist, wird zu Beginn auch wieder der Vergleich mit Frankreichs Vorzeige-Comic „Asterix“ herangezogen, der jedoch nur in illustratorischer Hinsicht halbwegs gerechtfertigt ist. Stilistisch unterscheiden sich Goscinny und Besson zwar vor allem im Bereich der Farbgebung – „Ishtari“ zehrt vor allem von seinen kräftigen Farben mitsamt des auffällig prägnanten Rotstichs – doch was die Konturen anbelangt, da sind einige Parallelen nicht abzustreiten. Aber das scheint bei unseren westlichen Nachbarn eigentlich eh ein markantes Charakteristikum, welches der hier angetretene Zeichner ebenso abschütteln können wird wie das Gros seiner Landsmänner.

Kommen wir zur Geschichte, in der eine geschlossene Episode um die Titelheldin erzählt wird. Crisse beweist sich einmal mehr als Meister origineller Handlungsstränge und kombiniert einige junge Charaktere mit einem humorvoll verdrehten Plot um betrügerische Unterwelt-Götter. Ishanti und ihr hartnäckiger Freund Tyi geraten in ein bis dahin verschwiegenes, intrigantes Spiel und wollen eigentlich nur ein bisschen Abenteuerluft in einer verlassenen Königsgruft schnuppern. Tyi wollte seiner Herzdame von seinen großen Entdeckungen berichten und ihr Dinge zeigen, die sie von ihrer Meinung, dass er ein nutzloser, fauler Tunichtgut ist, abbringen sollen. Doch der Schuss geht nach hinten los.

Die Götter hatten vom gierigen Razor verlangt, dass er einige wichtige Artefakte stiehlt, und der hat diesen Auftrag auch zur vollen Zufriedenheit ausgeführt und die ersuchten Krüge im großen Grabmal bereitgestellt. Doch als Tyi, Ishanti und ihr Kater Ramses dort auftauchen, kommt die Katze vom Weg ab, versteckt eher versehentlich den wichtigsten Krug mit der Lacrima (dort bewahrte die Göttin Isis ihre Tränen auf) und entfacht damit ein undurchschaubares Chaos, das der berüchtigste Tagedieb des Landes nutzt, um kurzerhand das Artefakt zu stehlen und sich gemeinsam mit den beiden Jugendlichen sowie dem Wächter der Tempeltänzerinnen aus dem Staub zu machen. Und irgendwie wissen die Protagonisten des Plots bis zum Ende kaum, wie ihnen geschieht. Lediglich den Nutzen, den die jüngsten Aktionen mit sich bringen, nehmen sie spürbar wahr, besonders Ishanti, die sich in ihrer Berufung als Tänzerin immer deutlicher gegen ihre Kolleginnen behaupten und durchsetzen kann.

Besson und Crisse haben einen wahrhaftig wunderschönen Comic geschrieben, mit vielen versteckten Witzen, die manchmal auch aus der Masse an Fußnoten hervorgehen, und genialen Seitenhieben (zum Beispiel wird an einer Stelle statt eines ägyptischen Gottes der Hausgott eines beliebten Gallierstammes, ein gewisser Teutates, angebetet), die sich mit dem toll zusammengepuzzelten Handlungskonstrukt sehr harmonisch arrangieren. „Ishanti“ ist frisch, frech, bunt und einfach nur sympathisch. Wenn man sich schon nicht in die hübsch anmutende Titelfigur verliebt, dann auf jeden Fall in den tollen Plot, der in diesem ersten Band feilgeboten wird. Mit Comics wie „Ishanti“ sollte der |Splitter|-Verlag schon in Kürze wieder eine wegweisende Stellung einnehmen!

http://www.splitter-verlag.de

Delaney, Matthew – Dämon

Schwarz und Weiß, Tag und Nacht, Gut und Böse, Engel und Dämonen. Zu jedem Positiven existiert das Negative Pendant in dieser Welt, um ein Gleichgewicht herzustellen oder um eine Weiterentwicklung durch dynamische Prozesse zu ermöglichen.

Weiß die katholische Kirche mehr über die aus dem Himmel gestürzten Engel, die in fast jeder Kultur und auf jedem Kontinent als böse Geister oder Dämonen bekannt sind? Gibt es Überlieferungen, nicht nur im Alten Testament, gibt es Beschwörungen, um sich einen Dämon zu Willen zu machen? Gibt es Exorzisten? Das Thema „Dämonen“ ist so alt wie die Menschheit und Inhalt unzähliger Erzählungen, Fabeln und Mythen, Überlieferungen und nicht zuletzt der faustischen Literatur und des Filmes.

Zuletzt habe ich zu diesem Thema den Roman „Dämon“ von Matthew Delaney geradezu verschlungen:

_Die Geschichte_

1943. Der zweite Weltkrieg findet nicht nur in Europa statt, auch auf den nördlichen Pazifikinseln wird gekämpft; auf zumeist kleinen, strategisch oftmals unwichtigen Inseln stehen sich die kaiserlichen Soldaten Japans und die amerikanischen Truppen gegenüber.

Bei der Invasion dieser von Japanern besetzten Inseln kommt es zu unerklärlichen Zwischenfällen. Die ersten gewaltsamen Tode lassen die erfahrenden Soldaten angsterfüllt zurück. Wer ist der geheimnisvolle Feind, der ein ganzes Lager von Japanern auslöscht und eine Brutalität an den Tag legt, die nie zuvor jemand erlebt hat? Wer tötet so bestialisch und hinterlässt geheimnisvolle Schriftzeichen und Sätze, die niemand versteht?

Die amerikanische Einheit wird fast aufgerieben und nach und nach fallen die Soldaten einem Wesen zum Opfer das über unnatürliche Kräfte verfügt. Trotzdem überleben Teile der Einheit und werden von nachrückenden Soldaten auf dem Truppentransporter |Galla| in Sicherheit gebracht. Doch nicht nur verletzte Soldaten finden Zuflucht auf diesen Schiff … Bei einem Flugzeugangriff der Japaner wird die |Galla| versenkt und findet in mehreren tausend Metern unter dem Meeresspiegel vorerst ihre letzte Ruhestätte, wie so viele Schiffe im umkämpften Pazifik.

Fast 75 Jahre später unternimmt ein privates Forschungsschiff eine Expedition in diese Gewässer. Die Meeresforscher finden den gesunkenen Truppentransporter |Galla|, bergen einen Großteil des Wracks, das merkwürdig gut erhalten ist, und bringen ihren Fund in das Meeresmuseum in Boston.

Kurz darauf geschehen in der Stadt bizarre Morde, brutal und immer nach gleichem Muster. Die Opfer weisen immer drei Schnitte auf, die kein Mensch verursachen könnte, und immer wieder begegnen den Kriminalbeamten merkwürdige und offenbar mit einem verborgenen Sinn behaftete Sätze. Hinweise oder Warnungen – |mea est ultio|.

Der Kreis um die Opfer schließt sich immer mehr. In einem getöteten Körper findet ein Gerichtsmediziner DNA-Spuren nichtmenschlichen Ursprungs. Die Strukturen der DNA weisen keine Elemente auf, die Erbanlagen tragen bzw. diese weitergeben können – es scheint fast so, als würde die DNA im Stande sein, sich individuell und aus sich selbst heraus zu verändern.

Der Gerichtsmediziner vertraut sich den ermittelnden Beamten an und weist darauf hin, dass in den Zwanzigerjahren ein Skelett gefunden wurde, dessen DNA identisch ist. In St. Petersburg liegen die Überreste des Skelettes, der Öffentlichkeit nicht zugänglich, weil jeder logisch denkende Wissenschaftler der Ansicht ist, es könne nur eine perfekte Fälschung sein. Denn dieses Skelett ist teilweise menschlich, teilweise gleicht es einem Raubtier mit Fangzähnen und einer erschreckenden Knochenstruktur.

In St. Petersburg erklärt der Museumsdirektor den erschreckten Beamten seine Theorie von vier Dämonen, gefallenen Engeln, die seit der menschlichen Zeitrechnung auf Erden wandeln. Diese Dämonen wurden um 1187 von Tempelrittern besiegt und getötet, ihre Überreste auf verschiedenen Kontinente vergraben, versteckt in der Hoffnung, dass diese niemals gefunden werden. In Bann geschlagen durch vier Grabtuchteile Christi – zusammen mit Pergamenten, welche die Geschichte der Dämonen überliefern. Diese gefallenen Engel können, wenn sie von Menschen „eingeladen“ werden, deren Körper übernehmen; dadurch erschienen sie mit ihren übernatürlichen Kräften als perfekte Krieger, die aber an ihre Körper gebunden sind, auch nach deren natürlichem oder unnatürlichem Tod.

Diese Dämonen, ihre bösen Seelen, suchen einander in teilweise unkörperlicher Gestalt und wechseln ihren Körper nach belieben. Es ist so ähnlich wie bei den drei Musketieren: Einer für alle, alle für einen.

In den Katakomben befindet sich aber auch die letzte Ruhestätte eines der Tempelritter, der die Dämonen besiegt hat. In diesem Grab befinden sich die Aufzeichnungen über die Kämpfe mit den „Engeln des Bösen“ und darüber, wie man diese vielleicht besiegen kann. Aber die letzten Seiten dieses Manuskript fehlen. Wer hat außerdem Interesse an den Dämonen?

_Kritik_

Es mag erscheinen, als hätte ich vieles schon verraten. Dem ist nicht so, denn allein Delaneys Theorie um die gefallenen Engel würde diese Rezension sprengen. Der Schriftsteller erzählt diesen theoretischen Aufbau spannend und detailreich genug, um neugierig auf mehr Hintergrundwissen zu machen.

Matthew Delaney beschreibt in „Dämon“ seine Hauptcharaktere nicht als übermenschlich gute, ohne dunkle Momente handelnde Menschen, sondern lässt diesen auch durchaus Zeit und Raum, ihre eigenen Dämonen und Geschichten zu erklären, und auf keiner der 764 Seiten lässt das erzählerische Talent Delaneys nach.

Als Kritikpunkt sei allerdings anzumerken, dass der Autor sich teilweise in seinen Theorien widerspricht, und leider hatte ich oftmals auch den Eindruck, dass er verschiedene Gedankensprünge etwas verwirrend erklären wollte und dabei den eigentlichen Weg ein wenig aus dem Blick verloren hat. Trotzdem kann ich jedem Leser, der spannende Geschichten rund um das Okkulte liebt, diesen Roman empfehlen.

http://www.bastei-luebbe.de
|Siehe ergänzend die [Rezension 1108 von Dr. Michael Drewniok.|

Sassenberg, Volker – Abseits der Wege. Kapitel 1: Unweit

Hörspiele liegen voll im Trend. Ob entspannt im Wohnzimmer, als Alternative zur Nachtlektüre im Bett oder nebenbei während der Autofahrt, ihr Einsatzgebiet ist äußerst variabel und mittlerweile zu einer Alternative des Buchs oder Fernsehprogramms geworden. Während der Bedarf des Mystery- und Krimigenres durch zahlreiche, qualitativ hochwertige Hörspielserien weitgehend gedeckt ist, sieht es auf dem Fantasy-Sektor noch eher mager aus. Doch hier stehen bereits zwei Produkte in den Startlöchern. Während die Umsetzung Robert A. Salvatores [Saga vom Dunkelelf 2978 schon eine die breite Leserschar hinter sich weiß und speziell die |Dungeons & Dragons|-Fans anspricht, muss „Abseits der Wege“ aufgrund fehlender literarischer Vorlage ohne eine solche Basis anfangen. Bewusst spärlich sind die Vorabinformationen gesät, geheimnisvoll die wenigen Sätze, die die Handlung der Pilotfolge „Kapitel 1 – Unweit“ auf der CD-Rückseite umschreiben. Ein Blick auf den Regisseur klärt jedoch schnell auf, denn der zuständige Volker Sassenberg ist mit der Horrorreihe „Gabriel Burns“, die auch bei null anfangen musste, schon ein großer Erfolg gelungen, nicht zu vergessen „Point Whitmark“. Wird ihm dies mit „Abseits der Wege“ auch gelingen?

_Inhalt_

Die knapp 80 Minuten lange erste Folge beginnt betont düster und unheimlich. Erst ertönt eine hauchende, liebliche Frauenstimme und kündet mit verschwörenden Worten von drohenden Zeiten, dann unterhalten sich zwei anfänglich noch unbekannte Männer über ein nahendes Grauen, das sich an den Grenzen des Landes zusammenzieht. Das Weltenwerk breitet sich aus. Der Hörer bleibt im Unklaren, vieles ist beim ersten Durchgang verwirrend und kaum nachzuvollziehen. Doch die Grundstimmung, und damit das wesentliche Element dieser Pilotfolge, kommt klar und deutlich rüber: Etwas Großes wird geschehen und die Welt für immer verändern.

Nach dem Intro, von einer orchestralen Filmmusik unterlegt, geschieht ein Bruch und die Perspektive wird auf die Hauptperson Gaston Glück gelegt, gesprochen von Timmo Niesner (u. a. deutsche Synchronstimme von Frodo/Elijah Wood). Gaston ist der Sohn des Wirtes Tebald, der im Dörfchen Tiefensee ein gut besuchtes Gasthaus führt. Tiefensse ist mitten in den Vorbereitungen zu einem großen Fest und das ganze Dorf dementsprechend in Aufruhr. Von den Geschehnissen draußen in der Welt und den großen Städten des Landes bekommen die Dörfler kaum etwas mit, denn ihr Zuhause liegt weit abseits der Handelsrouten im Wald versteckt. So haben sich die Bewohner ihre kleine, naiv anmutende Welt erhalten und kümmern sich nicht um das, was ihnen von einsameren Wanderern ab und an über den König und seine Taten an die Ohren dringt.

Gaston ist in bester Laune. Er will an dem großen Rennen, dem Höhepunkt des Festes, teilnehmen und hat sich daher seine Freunde Dunring (Stefan Krause, Synchronstimme von Pippin/Billy Boyd) und Halmir (Hannes Maurer) geschnappt, um mit ihnen auf Gnomjagd zu gehen. Diese Geschöpfe sind zwar schwer zu fangen, aber mit einem flinken und gewitzten Gnom hätte Gaston gute Chancen, bei dem Rennen zu gewinnen. Tatsächlich finden die drei Jungen schließlich einen Knorpelgnom (gesprochen von Volker Sassenberg persönlich), ein hässlich aussehendes Wesen, und bringen ihn in einem Sack versteckt zum Dorf zurück. Doch Gaston kommt nicht dazu, sich über seinen Fund zu freuen, denn die Ereignisse überschlagen sich plötzlich. Ein Purpurner Prüfer ist nach Tiefensee gekommen und verlangt einen Führer, der ihn ins nahe gelegene Dorf Katenbrunnen bringt. Gaston kann sich nicht erinnern, jemals einer solchen Gestalt begegnet zu sein. Von Geschichten am Kamin weiß er lediglich, dass solche Prüfer vom König geschickt werden, um nach Spuren des Weltenwerks zu suchen. Nur warum sollte so einer, denkt sich Gaston, ausgerechnet nach Tiefensee gekommen sein, wo es noch nie merkwürdige Vorkommnisse gab? Gaston bleibt nichts anderes übrig, als den Purpurnen Prüfer auf Wunsch seines Vaters nach Kaltenbrunnen zu führen, während sich seine Freunde um die Vorbereitungen für das Fest kümmern. Wenn er schnell genug zurück ist, verspricht ihm sein Vater, wird er die Feierlichkeiten noch von Anfang an mitbekommen.

Der Purpurne Prüfer gibt sich bedeckt ob seines Auftrags, und so kann ihm Gaston auf seinem Weg zum Nachbardorf keine Geheimnisse entlocken. In Kaltenbrunnen angekommen, ändert sich jedoch die Situation. Das Dorf ist verlassen, überall liegt kniehohes Laub verstreut. Können das die Faiyen gewesen sein, Gestalten von kreideweißer Haut und silbernen Augen, die hier in der Nähe hausen sollen? Noch bevor Gaston Rückschlüsse ziehen kann, findet der Prüfer unter dem Laub einen abgetrennten Arm – den eines Unlichs, der wie ein abgestorbener Baum verrottet und sich in Laub verwandelt. Der Prüfer hat das Unheil, das Weltenwerk gefunden. Während dieser die Spuren begutachtet, stolpert Gaston über den entlaufenen Knorpelgnom. Hat er etwas mit dem Weltenwerk zu tun? Bevor Gaston aus dem Dorf Hilfe holen kann, wird er überrumpelt und in einen Strudel von Ereignissen hineingezogen, die sein Schicksal besiegeln. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als sich den Gefahren zu stellen und sich dem Weltenwerk entgegenzustellen.

_Umsetzung_

„Abseits der Wege“ ist technisch brillant umgesetzt worden. Wie man es von |Universal| gewöhnt ist, gehen hier die guten Leistungen der Synchronsprecher mit überzeugenden Soundeffekten und einer passenden musikalischen Untermalung einher. Volker Sassenberg hat für sein Fantasyprojekt eine Vielzahl bekannter und weniger bekannter Sprecher versammelt, die die Welt zum Leben erwecken. Von dieser Seite hat man alles richtig gemacht.

Obwohl es sich um ein Hörspiel handelt, wird dem Erzähler eine große Rolle eingeräumt. Die meisten gesprochenen Passagen übernehmen natürlich die Sprecher der einzelnen Figuren. Für die deskriptiven Elemente sowie zahlreiche Zwischenpassagen zeichnet sich allerdings der Erzähler aus, der durchaus eine eigene Figur innerhalb der Geschichte darstellt und als eine Art Chronist angesehen werden kann. Mehrmals greift er Ereignisse vor und hält dramaturgisch geschickt die Spannung aufrecht. Ein sinnvolles Mittel, denn die Geschichte selbst ist trotz einiger Actionszenen recht langsam aufgebaut. Dies ist nicht im negativen Sinne, sondern eher als Betonung darauf zu verstehen, dass sich „Abseits der Wege“ mehr an einen kontinuierlich aufgebauten Buchplot denn als einen schnell geschnittenen Film anlehnt.

Die Welt ist, auch wenn nach der ersten Folge nur ein kurzer Blick auf sie erfolgt, von Menschen besiedelt, die die Geschicke des Landes leiten. Dennoch beheimatet sie eine Vielzahl unterschiedlichster Geschöpfe, die von albinoartigen Faiyen bis hin zu den gefährlichen Unlichen reichen. Insgesamt vermittelt die Welt einen realistisch-düsteren Ton. Von abgelutschten Fantasy-Klischees wie herumzaubernden Magiern und mürrischen Zwergen ist in „Abseits der Wege“ glücklicherweise nichts zu spüren. Trotzdem bleibt ein schaler Nachgeschmack, denn die Anleihen an die Vorlage [„Der Herr der Ringe“ 1330 sind nicht zu übersehen. Dies beginnt bereits bei den Stimmen von Gaston und Dunring, die im Kinofilm die Hobbits Frodo und Pippin synchronisieren. Der Aufbau des Handlungsortes, ein abgelegenes Dorf, welches plötzlich von den Geschehnissen überrollt wird, führt zwangsläufig zu einem Vergleich mit dem Auenland. Und dass gerade ein Dorffest stattfindet, ebenso pompös wie Bilbos 111. Geburtstag, setzt dem Ganzen die Krone auf. Es bleibt für die späteren Folgen zu hoffen, dass die Serie hier einen eigenen Weg findet.

_Fazit_

„Abseits der Wege. Kapitel 1 – Unweit“ ist ein gelungener Hörspielauftakt geworden, der Lust auf mehr macht und seinem Anliegen gerecht wird, indem er zahlreiche Fragen aufwirft, die es für die kommenden Folgen zu beantworten gilt. Trotz des etwas dreisten Ideenklaus bei Tolkien versprüht die Pilotfolge bereits ihren eigenen Charme und sollte, sofern sich die Handlung der kommenden Teile noch steigert, eine große Fanbasis finden. Für Hörspiel-Anhänger definitiv zu empfehlen. Fantasyleser, die bisher aus Mangel an guten Hörspielen einen Bogen um dieses Genre gemacht haben, sollten ebenfalls einen Blick, pardon Hörgang wagen.

Erzähler: Heinz Ostermann
Gaston Glück: Timmo Niesner
Dungring: Stefan Krause
Halmir: Hannes Maurer
Myrell: Diana S. Borgwardt
Purpurner Prüfer: Karl Schulz
Tebald Glück: Jürgen Kluckert
Orton Wasserpforte: Reiner Schöne
Motzblatter: Martina Treger
Knorpelgnom Po: Volker Sassenberg
Hauptmann Heldentod: Heinz-Werner Krähkamp
Calypso: Tim Moeseritz
Chronist: Raimund Krone
Lyssandrer: Valentina Singott
Novize: Christian Gaul
Träumende: Maria Sumner

ISBN 3-8291-1863-7
ASIN B000J0SUQC

http://www.abseitsderwege.info
http://www.abseits-der-wege.net
http://www.dg-literatur.de
http://www.karussell.de

[„Kapitel 2: Stromabwärts“ 4207

Stroud, Jonathan – Bartimäus – Das Amulett von Samarkand

Nach dem Erscheinen von Harry Potter in der Welt der Jugendromane geht dieser Trend nun weiter und etabliert das Genre der All-ages-Literatur. Das von mir vorgestellte Buch „Bartimäus – Das Amulett vom Samarkand“ des englischen Autors Jonathan Stroud gehört in dieses Fantasygenre und weiß zu begeistern:

_Die Story_

Bartimäus ist ein Dämon, ein Geist der mittleren Stufe, was die magische Welt angeht, 5000 Jahre alt, was für einen Dämon noch recht jung ist, und er hat wirklich ein gesundes Selbstbewusstsein. Bartimäus ist arrogant, selbstsicher und recht rücksichtslos, eben nicht gerade jemand, der wirkliche Minderwertigkeitskomplexe erkennen lässt. Er kannte die Pharaonin Nofretete und ihr magisches Fußkettchen, war mit König Salomo per Du und ist in seinen Jahren so ziemlich durch die Epochen gewandert, immer wieder beschworen von mächtigen Zaubern.

Nur Zauberer können Dämonen herbeirufen; sie selbst verfügen nicht über Zauberkräfte, sondern versklaven die Geister, um sich ihrer magischen Mächte zu bedienen. Für den egozentrischen Bartimäus ist es ein herber und sensibler Schlag, dass ausgerechnet ein kleiner Zauberlehrling, ein Junge namens Nathanael, ihn beschwört und er sich seinen Befehlen beugen muss. Da kann die Grabesstimme schon mal just verrutschen …

Der Zauberlehrling Nathanael befiehlt Bartimäus, dem Zauberer Simon Lovelace das Amulett von Samarkand zu stehlen, und das nur, weil dieser ihn ein wenig gedemütigt hat. Was Anfangs als kleiner Streich gedacht war, entwickelt sich im Britannischen Empire, denn dort spielt die Geschichte, zu einer wahren Regierungskrise und bietet Stoff für die eine oder andere Verschwörung. Auf einmal lauern überall Gefahren für Bartimäus und Nathanael: Auftragskiller, Dämonen und der Widerstand der gewöhnlichen Menschen (also die nicht magischen) gegen die Regierung Englands – jede Fraktion hat ihre eigenen Interessen.

Nathanael und Bartimäus erkennen, dass das mächtige Amulett eine wichtige Rolle zu spielen hat und dass Simon Lovelace, der als Zauberer für die Regierung arbeitet (die Regierung besteht nur aus Zauberern), über Leichen geht, und nicht nur über die von Zauberlehrlingen und egozentrischen Dämonen …

_Kritik_

Eine wunderbare Geschichte, rasant und eindrucksvoll. Jonathan Stroud hat als Hauptfigur ebenso wie Rowling einen Zauberlehrling gewählt, aber dieser hat mit Harry Potter auch im Entferntesten keine Ähnlichkeit. Im Gegenteil, Nathanael ist nicht der nette, moralische junge Mann, sondern immer nur auf seinen eigenen Vorteil und seine eigene Karriere bedacht.

Die Geschichte ist immer in der jeweiligen Ich-Form des Charakters geschrieben. Von Kapitel zu Kapitel geben sich Nathanael und Bartimäus die Klinke in die Hand. Temporeicher Witz, Sarkasmus und Ironie (ich verweise hier auf die Fußnoten) vor allem von Bartimäus zeichnen die Handlung aus. Seine Erklärungen und Erzählungen vergangener Zeiten aus dem Blickwinkel eines Jahrhunderte alten Dämons sind mehr als amüsant – ohne diese wäre das Buch eher Durchschnitt. Bartimäus ist nicht gut gesinnt, aber als Dämon auch nicht ungemein böse; ein vielschichtiger Charakter, der sich nicht nur in einer Richtung bewegt.

Der Zauberlehrling Nathanael ist ein schüchterner und ängstlicher Charakter, der aber trotzdem in den magischen Künsten nicht untalentiert ist. Er ist im Roman natürlich auch eine wichtige Person, obwohl er die zweite Geige spielt, was in den beiden nächsten Teilen hoffentlich auch nicht anders sein wird.

Die Handlung entwickelt sich vornehmlich dadurch weiter, dass die beiden Perspektiven von Bartimäus und Nathanael trotz aller Abhängigkeit voneinander Hand in Hand gehen. Die Spannung, die dadurch aufkommt, lässt keine Langweile zu und produziert eine gelunegene stilistische Abwechslung in der Literaturszene für junge und jung gebliebene Leser. Jonathan Stroud hat mit dem ersten Teil der bisherigen Trilogie eine Geschichte und Charaktere entwickelt, die wirklich originell sind und den Vergleich zum Harry-Potter-Boom nicht zu scheuen brauchen.

All das macht die Lektüre spannend und abwechslungsreich und bietet pures Lesevergnügen, das ich nur weiterempfehlen kann. Die Filmrechte sind auch schon verkauft worden – |Miramax| verfilmt die Trilogie derzeit.

_Der Autor_

Jonathan Stroud wurde 1970 in Bedford geboren. Er schreibt Geschichten, seit er sieben Jahre alt ist. Als Lektor für Kindersachbücher erschloss sich sein schriftstellerisches Talent, indem er anfangs Kinderbücher veröffentlichte. Nach kleinen Erfolgen beschloss er, Autor in größerem Stil zu werden. Zusammen mit seiner Frau Gina und seiner Tochter Isabelle lebt er in der Nähe von London.

http://www.bartimaeus.de/

Ellroy, James – Black Dahlia – Die schwarze Dahlie

James Ellroy gehört zu den großen Kriminalautoren unserer Zeit, und so ist es kein Wunder, dass sein Erfolgsbuch „Die schwarze Dahlie“ im letzten Jahr mit einer Starbesetzung und unter der Regie von Brian de Palma in die Kinos kam. Für |Ullstein| ist das Grund genug, um den Roman von 1988 nochmals herauszubringen.

Im Mittelpunkt steht Ich-Erzähler Bucky Bleichert, Polizist in Los Angeles, der in Lee Blanchard, einem hochgewachsenen, meist skrupellosen Polizisten, der mit der ehemaligen Freundin eines Gangsters zusammenwohnt, nicht nur einen Partner, sondern auch einen guten Freund findet.

Das Ermittlungsgeschick der beiden ist gefragt, als 1947 die schrecklich zugerichtete Leiche einer 22-jährigen vor einem heruntergekommenen Haus gefunden wird. Bei der Toten handelt es sich um die naive Elizabeth Short, die nach L. A. gekommen war, um beim Film groß herauszukommen – wie so viele andere Mädchen. Tatsächlich landete sie ständig in den Betten anderer Männer und verstrickte sich in Lügengeschichten von Ehen mit tapferen Soldaten anstatt ein Filmstudio auch nur von außen gesehen zu haben.

Der gesamte Polizeiapparat steht unter großem Druck, denn einen Fall, der so hohe Wellen in der Öffentlichkeit schlägt, sollte man nicht ungelöst lassen. Doch obwohl Bleichert und Blanchard ihr gesamtes Repertoire an legalen und illegalen Ermittlungsmethoden ausschöpfen, kommen sie nicht voran. Währenddessen wird der Fall für Blanchard eine Art Obsession, da ihn die Tote, die aufgrund ihres exzentrischen Aussehens – sie färbte sich die Haare schwarz und trug nur schwarze Kleider – von der Presse als Schwarze Dahlie bezeichnet wird, an seine verschwundene kleine Schwester erinnert.

Und auch Bucky verliert den Bezug zur Realität. Er fühlt sich nicht nur von Kay, der Freundin Blanchards, angezogen, sondern beginnt auch ein Verhältnis mit der verwöhnten Unternehmertochter Madeleine Sprague, die sich auffällig für den Fall der Schwarzen Dahlie interessiert …

Was Ellroys Roman vor allem auszeichnet, sind der hohe Realismus und das hohe Maß an Misstrauen, das er seinen Charakteren entgegenbringt. In „Black Dahlia – Die schwarze Dahlie“ gibt es keinen strahlenden Protagonisten – jeder hat Dreck am Stecken und das, obwohl die meisten Personen Gesetzeshüter sind. Aber gerade dieser Dreck am Stecken lässt die Charaktere unglaublich authentisch aussehen und ihre undurchsichtigen Verwicklungen sorgen innerhalb der Handlung immer wieder für Überraschungsmomente.

Diese Überraschungsmomente kann die Handlung ab und an ganz gut gebrauchen. Obwohl die Atmosphäre des Buches stimmt, zieht sich die Handlung an einigen Stellen etwas zu sehr in die Länge. An anderen Stellen weiß sie dagegen zu überraschen und ein beträchtliches Maß an Spannung aufzubauen. Allerdings ist gerade die Auflösung des Falls, die zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr im Vordergrund steht, ein wenig zu haarsträubend geworden.

Was steht denn dann im Vordergrund, wenn nicht der Kriminalfall? Ganz einfach. Es ist Buckys Leben nach dem Verschwinden seines Partners Lee Blanchard. Denn „Black Dahlia – Die schwarze Dahlie“ ist mehr als ein Kriminalfall und geht weit über den stereotypen Ermittlerroman hinaus. Es behandelt viel mehr das Leben von Bleichert, zusammen mit seinen Frauengeschichten und der Männerfreundschaft zu Blanchard. Dadurch bekommt das Buch sehr viel psychologische Tiefe und hebt sich wohltuend von anderen Kriminalromanen ab.

Der Autor zeichnet folglich ein sehr düsteres Bild vom L. A. der 40er Jahre, das er mit dem ebenfalls recht düsteren Ich-Erzählerschreibstil noch eindrücklicher gestaltet. Bucky Bleichert zeichnet sich auch sprachlich nicht gerade durch Überkorrektheit aus, was zu einigen Flüchen und politisch unkorrekten Äußerungen führt. Dadurch und durch die lakonische Schreibweise entsteht eine beinahe schon filmische Atmosphäre, die an alte Ermittlerstreifen erinnert. Da sowohl Bleichert als auch Blanchard früher leidenschaftliche Boxer waren (und auch mal gegeneinander im Ring standen), würzt Ellroy seine Schreibe noch mit ein wenig Boxerslang, was das Ganze noch verruchter erscheinen lässt.

In der Summe ist „Black Dahlia – Die schwarze Dahlie“ das gestochen scharfe Portrait der Traumfabrik L. A. in den 40er Jahren und eines Ermittlerpaares, das sowohl im dienstlichen als auch im privaten Leben keine weiße Weste aufweist. Auch wenn der Kriminalroman an einigen Stellen in der Handlung schwächelt, tut er sich mit einer wunderbar düsteren Atmosphäre, großartigen Charakteren und einem dreckig-authentischen Schreibstil hervor.

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Morvan, Jean-David / Buchet, Philippe – Wolverine – Saudade (Marvel Graphic Novels 10)

_Story_

Auf Geheiß von Charles Xavier reist Wolverine in die brasilianischen Slums, um dort einen verborgenen Mutanten auszumachen. Doch schon nach wenigen Stunden wird er von einer Gang Jugendlicher überfallen und attackiert, ohne dass er dabei etwas ausrichten kann. Einer der Kids verfügt dabei tatsächlich über Superkräfte, entpuppt sich später aber nicht als der Gesuchte. Auf der Suche nach seinem gestohlenen Motorrad trifft Wolverine alsbald wieder auf die Gangster-Kids, muss sie aber dieses Mal aus der Gefangenschaft einer organisierten Verbrecherbande befreien, die noch eine Stufe gefährlicher erscheint als die vergleichsweise harmlosen Kinder. Mit einem solch brutalen Szenario hätte Wolverine vor seiner Abreise nach Brasilien nicht gerechnet. Nichtsdestotrotz ist er motivierter denn je, den kompromisslosen Schurken das Handwerk zu legen und etwas gegen die fürchterlichen Umstände auf den Straßen der Slums zu unternehmen.

_Story_

Eine Premiere für die Welt der |Marvel|-Comics: der französische Star-Autor Jean-David Morvan hat sich dazu hinreißen lassen, eines der brutalsten und spannendsten „Wolverine“-Abenteuer überhaupt zu schreiben und den Beliebtesten der X-Men mal aus einer ganz anderen Perspektive darzustellen. Morvan, unter anderem durch seine Arbeit an „Spirou“ bekannt geworden, hat sich hierfür die Mithilfe des ebenfalls nicht gänzlich unbekannten Landsmanns Philippe Buchet gesichert, mit dem er eine recht eigenwillige Version eines „Wolverine“-Comics kreiert hat. „Saudade“ ist nämlich in vielerlei Hinsicht komplett anders als all das, was man bis dato vom |Marvel|-Actionhelden gesehen und gehört hat.

Die besonderen Akzente setzt dabei Zeichner Buchet, der die Figur und ihre markanten Gesichtszüge für diesen Comic erheblich modifiziert hat. Rein äußerlich ist Wolverine kaum noch wiederzuerkennen und gleicht in der peppigen Aufmachung in gewisser Weise einem Elvis-Imitat, nicht aber einem der wichtigsten Superhelden, die die Comic-Industrie je hervorgebracht hat. Dies ist aber jetzt nicht als Kritik zu verstehen; es ist halt nur ein wenig ungewöhnlich, eine so oft dargestellte Figur wie eben Logan alias Wolverine zeichnerisch einmal von einer völlig unbekannten Seite zu sehen.

Aus diesem Grund ist es zunächst auch schwierig, sich überhaupt auf den Plot einzulassen. Die Rahmenbedingungen sind verändert, und bevor man erst einmal realisiert, wie stark die Geschichte eigentlich ist, merkt man, dass man schon fast zu viel Zeit damit verbracht hat, sich an die neuen Begebenheiten zu gewöhnen. Okay, das ist vielleicht jetzt auch wieder übertrieben. Halten wir fest: „Wolverine – Saudade“ ist kein typischer Comic um den Titelhelden, aber gerade deswegen auch wieder sehr interessant und bezogen auf den Inhalt sogar echt spitze.

Apropos Inhalt: Morvan zeigt sich als Freund kaltherziger Handlungen und brutaler Inhalte. Schonungslos hat er seine Story um das Leben in den niederträchtigsten Slums aufgebaut, blutige Szenen ebenso wenig gescheut wie Gewaltdarstellungen am Beispiel von verbrecherischen Kindern, und er hat letztendlich sowohl die Schockeffekte als auch die zahlreichen Überraschungen auf seiner Seite. Die Geschichte ist zwar linear und enorm straight aufgebaut, doch der Autor hat an den entscheidenden Stellen einige unverhoffte Wendungen eingebaut, seien es nun die vereinzelten Niederlagen, die Wolverine im Kampf einstecken muss, die vielfältigen Fähigkeiten des gesuchten Helden oder die überraschende Auflösung der Aura, die den verborgenen Mutanten umgibt. Buchet schließt sich dem unnachgiebig an; immer wieder ist man erstaunt von seinen Illustrationen um Wolverine, die jedes Mal wieder das andersartige Charakterbild des Superhelden unterlegen. Zudem passt er die Zeichnungen dem landeseigenen, mittlerweile als typisch französisch anerkannten Zeichenstil an, was einen schon von der ersten Seite an verblüfft. Damit verpasst er der Story den richtigen, teils mysteriös anmutenden Rahmen und bestätigt gleichzeitig die Harmonie, die sein Werk mit dem Morvans verbindet.

Eine außergewöhnliche, wunderbare, dennoch aber auch sehr harte Erzählung, die den zehnten Part der Graphic Novels aus dem Hause |Marvel| schmückt – aber, und das möchte ich hier noch einmal betonen, ein super-interessantes, von allen „Wolverine“-Geschichten völlig losgelöstes Album, das einem von Anfang bis Ende eine Menge Freude bereitet.

http://www.paninicomics.de

Collins, Max Allan / Clemens, Matthew V. / Reichs, Kathy – Bones – Die Knochenjägerin: Tief begraben

In diesen heißen Herbsttagen hält sich Special Agent Seeley Booth vom FBI in Chicago auf, wo er hofft, endlich den Fall Gianelli zum Abschluss zu bringen. Vater Raymond und Sohn Vincent üben seit vielen Jahren ihr mafiöses Terrorregime aus, ohne dass sie jemals zur Rechenschaft gezogen werden konnten. Nun hat sie ausgerechnet Stewart Musetti, ihr Auftragskiller, verraten und sich den Behörden gestellt. Booth und seine Kollegen haben sich allerdings zu früh gefreut: Aus seinem angeblich geheimen Versteck verschwindet Musetti mitsamt den vier FBI-Männern, die ihn beschützen sollten, spurlos. Die Gianellis werden wohl wieder einmal triumphieren, was Booth schier in den Wahnsinn treibt.

Nun wird ihm der Fall auch noch entzogen, denn ein Unbekannter legte ein „Geschenk“ ausgerechnet vor dem FBI-Büro in Chicago ab: ein Skelett, dessen Knochen sorgfältig mit Draht fixiert wurden. Sind dies die Überreste des Überläufers Musetti? Booth will sichergehen und fordert Dr. Temperance Brennan an. Die berühmte Anthropologin arbeitet für das Jeffersonian Museum in Washington, D. C., und hat dem FBI und Booth schon mehrfach hilfreich zur Seite gestanden.

Auch dieses Mal kann sie helfen, obwohl ihre Untersuchung für Schrecken und Missmut sorgt: Das Skelett setzt sich aus den Knochen von mindestens vier Menschen zusammen, die in einem Zeitraum von vier Jahrzehnten starben! Der potenzielle Mörder schickt einen Brief, in dem er sich seiner Taten brüstet und das FBI auffordert, ihn zu fangen. Er erhöht den Einsatz, indem er wenig später einen weiteren Skelett-„Bausatz“ auslegt.

Dank eines aufmerksamen Polizeibeamten kann ein Serienmörder gefasst werden, unter dessen Haus sich viele Leichen finden. So gilt dieser Fall als abgeschlossen, doch dann taucht ein drittes Skelett auf. Nichts ist wirklich geklärt, es gibt immer noch mehrere offene Fälle, von denen einer bis in die Ära des legendären Chicagoer Gangsterbosses Al Capone zurückreicht …

Die TV-Serie „Bones“ gehört zu jenen heute sehr beliebten Pathologenkrimis, die ihr Stück vom „CSI“-Kuchen zu ergattern suchen, indem sie die Schraube in Sachen Mord & Totschlag noch einige Umdrehungen anziehen. Nie sind es einfach „nur“ Leichen, die der Forensikerin Temperance Brennan auf den Untersuchungstisch gelegt werden. Stets ist etwas seltsam oder bizarr, sehr gern präsentieren sich die Überreste optisch spektakulär, d. h. sind scheußlich anzusehen.

An das aus dem Fernsehen bekannte Schema hält sich Autor Collins, der abermals einen seiner überdurchschnittlichen „Romane zur Serie“ vorlegt (statt eigenständige Werke zu verfassen, die seine Klasse eindrucksvoll unterstreichen). Wie es seine Art ist, kupfert er nicht die Vorlagen ab, sondern erweitert das vor allem in der Figurenzeichnung etwas stereotype Bild (s. u.) durch eigene Ergänzungen, die auch der Story sehr gut stehen.

Schon der Prolog stimmt auf eine mysteriöse Geschichte ein. Er führt zurück in die Jahre des II. Weltkriegs, die Chicago weiterhin als „Revier“ des organisierten Verbrechens zeigen, das einst Al Capone in die Stadt gebracht hatte. Collins profitiert hier von seinen Recherchen zu einer eigenen Serie historischer Krimis um den Privatdetektiv Nate Heller, die sicherlich zum Besten gehören, was das Genre zu bieten hat.

Der Forderung nach möglichst kniffligen Mordfällen leistet der Autor Folge, indem er einen Serienmörder ins Spiel bringt, der Skelettpuzzles fabriziert. Damit sind ideale Voraussetzungen für den Auftritt von „Bones“ Brennan gegeben, die zwar ständig darüber schimpft, dass man sie von dringlichen Eigenforschungen abhält, um sogleich mit Feuereifer an den Ermittlungen teilzunehmen.

Die Plots der TV-Serie zeichnen sich nicht durch besonderen Realismus aus, was der Unterhaltsamkeit wenig Abbruch tut. Collins bleibt auch hier in der Spur, ist jedoch Profi genug, die Gesetze der kriminalistischen Logik zu wahren. Das Ergebnis ist ein Roman, der als Krimi wesentlich überzeugender wirkt als die meisten Fernseh-Episoden. Dabei setzt uns Collins ziemlich starken Tobak vor, der die Grenze zum reinen Horror mehr als einmal schrammt. Vor allem die finale Abrechnung mit dem Mörder lässt an Schauerlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Max Allan Collins präsentiert mit „seiner“ Temperance Brennan eine Figur, die nicht seinem Hirn entsprungen ist. Das ist für ihn, der schon mehrere TV-Serien für Romane adaptiert hat, nicht neu, doch dieses Mal klinkt er sich in eine Reihe ein, die bereits in Buchform Bestseller-Geschichte geschrieben hat. Temperance Brennan ist eine Schöpfung der Schriftstellerin Kathy Reichs und als solche seit 1997 auf den Buchmärkten der westlichen Welt omnipräsent. Während Collins seine „Bones“-Romane zur Fernsehserie schreibt, verfasst Reichs selbst weitere Brennan-Abenteuer.

Das ermöglicht den Vergleich zwischen beiden Versionen und ist spannend, da sowohl Reichs als auch Collins zu den Großen des Genres Kriminalroman gehören. Allerdings stellt sich rasch heraus, dass die Gegenüberstellung schwierig wird. Die Temperance Brennan der Reichs-Romane ist mit der „Bones“ aus dem Fernsehen nicht wirklich identisch. Literatur und Film/Fernsehen sind unterschiedliche Medien mit eigenen Regeln. „Bones“ ist daher eine deutlich simplifizierte Brennan-Version. Auch sie wird von diversen Selbstzweifeln und Problemen geplagt, doch diese bleiben der spannenden Handlung, die möglichst viele Zuschauer bannen soll, eindeutig untergeordnet.

An dieses Konzept hält sich Collins, und zumindest Ihr Rezensent hält das für eine gute Entscheidung, denn Kathy Reichs ist nicht die psychologisch begabte Verfasserin, für die sie sich hält. Sie stürzt „ihre“ Brennan in Irrungen & Wirrungen, die in dieser Intensität einfach langweilen, weil sie nie das Niveau einer Seifenoper übersteigen. Collins hält sich an das zuschauerkompatible Modell der „Bones“-Brennan und gibt ihm nur dort Tiefe, wo es die Handlung fördert.

Allerdings zwingt ihn das Korsett der Vorlage an anderer Stelle zu Kompromissen. Eine Grundkonstante der „Bones“-Serie ist die Konzentration auf das Paar Booth und Brennan. Ihr Verhältnis lässt sich mit dem alten Sprichwort „Was sich liebt, das neckt sich“ erschöpfend beschreiben. Tatsächlich werden in „Bones“ entsprechende Pseudo-Gags und dramatische Verwicklungen (vor allem im Vergleich mit den „CSI“-Serien) ebenso zahlreich wie plump eingesetzt, dass daraus einerseits Lächerlichkeit und andererseits Verdruss entsteht. Collins arbeitet die Wesenszüge der beiden Hauptpersonen wesentlich behutsamer heraus und kann auf diese Weise einigen Schaden ausbügeln, den diese in ihren Fernseh-Inkarnationen nahmen.

In einem Punkt konnte sich Collings den Fallstricken der Vorlage entziehen: „Tief begraben“ spielt in Chicago und damit weit entfernt von Brennans Forschungszentrale in Washington. Nur am Rande tauchen deshalb die nervenden weil klischeehaft überzeichneten Sidekicks der Serie – die kupplerische Gesichtsrekonstrukteurin Angela Montenegro, der verschwörungssüchtige Jack Hodgins, der Genietrottel Zack Addy und der pompöse Museumsleiter Goodman – auf. Dem Roman kommt das auf jeden Fall zugute. „Tief begraben“ setzt als Thriller zwar trotzdem keine Maßstäbe. Dennoch ist dieses Buch nicht nur für den „Bones“-Fan, sondern auch für den „normalen“ Krimifreund gut lesbar, weil spannend, planvoll konstruiert und mit routinierter Meisterschaft geschrieben.

Max Allan Collins wurde 1948 in Muscatine, US-Staat Iowa, geboren. Er entwickelte wie viele Kinder ein ausgeprägtes Interesse an Comics, entdeckte aber auch generell seine Liebe zur Populärkultur: zum Thriller, zur Musik, zum Fernsehen und für den Film. In den ersten beiden Jahren als Student arbeitete Collins als Reporter. Ab 1971 unterrichtete er Englisch an einem College. 1977 gab er dies auf und etablierte sich als freier Schriftsteller. Sechs Jahre zuvor hatte er seinen ersten Roman verkaufen können: „Bait Money“ (dt. „Köder für Nolan“) wurde zugleich das Debüt seines ersten Serienhelden Nolan, der als professioneller Dieb ständig mit der Polizei wie mit der Unterwelt in Konflikt gerät.

1975 schuf Collins seine bisher bekannteste und erfolgreichste Figur. Ursprünglich war der Privatdetektiv Nathan Heller als Held einer Comic-Serie geplant, die jedoch ihre Premiere nicht mehr erlebte. Die aufwändigen Recherchen versetzten den Schriftsteller in die Lage, Heller 1983 mit „True Detective“ (dt. „Chicago 1933“) einen ebenso voluminösen wie eindrucksvollen ersten Auftritt zu verschaffen. Wie selten zuvor im Genre gelang Collins die Einbettung des klassischen „Schnüfflers“ in das historische Umfeld der frühen 1930er Jahre.

Im Comic-Bereich feierte Collins erste Erfolge als Texter für den Klassiker „Dick Tracy“, der seit 1931 läuft. Collins führte die Serie an ihre Ursprünge zurück und zu neuem Ansehen. Er textete auch für „Batman“ und schuf mit dem Zeichner Terry Beatty die erfolgreiche Comic-Serie „Ms. Tree“ um eine weibliche Privatdetektivin.

1990 entdeckte Collins ein neues Betätigungsfeld: Als „Dick Tracy“-Spezialist wurde er engagiert, das Buch zum Film von und mit Warren Beatty zu verfassen. Auch zwei Fortsetzungen flossen aus seiner Feder. Der Damm war gebrochen, seitdem schreibt Collins (unterstützt von Co-Autoren; im vorliegenden Buch ist es Matthew V. Clemens) immer wieder „tie-ins“, die gegenüber den allzu oft minderwertigen, weil als „Nebenprodukt“ zum Film produzierten Romanen weniger talentierter bzw. inspirierter Kollegen durch ihre sorgfältige Machart und ihre Lesbarkeit auffallen.

Die Schaffenskraft des fleißigen Schriftstellers ist mit den beschriebenen Aktivitäten längst nicht erschöpft. Max Allan Collins schreibt und spielt seit den 1970er Jahren Rockmusik und gehörte verschiedenen Bands an, die durchaus kleinere Erfolge verzeichnen konnten. Im Film ist er inzwischen als Drehbuchautor („A Matter of Principa“, 2003), Produzent und Regisseur (u. a. die Independant-B-Thriller „Mommy“, 1995, und die Fortsetzung „Mommy’s Day“, 1997) aktiv, wenn auch auf diesem Gebiet (noch) nicht gerade berühmt.

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Williams, Rob / Badeaux, Brandon – Star Wars 59: Rebellion 3

_Story_

Mit Hilfe der übrigen Rebellen unter der Führung von Prinzessin Leia ist es Luke, Deena und dem befreiten Janek Sumber alias ‚Tank‘ gelungen, dem Hinterhalt des Imperiums zu entfliehen und damit den Übertritt des einstigen Imperiumsmannes Sumber zu ermöglichen. Doch für Luke und Deena hat die unangekündigte Befreiungsmission ernste Folgen; sie wandern vorübergehend ins Gefängnis und dürfen später nicht mehr alle Ebenen der Basis betreten. Just in dem Moment, in dem Luke Leia ein weiteres Mal davon überzeugen möchte, dass sein Handeln angebracht war, taucht Jorin Sol wieder auf und meldet sich zum Kriegsdienst zurück. Aber der junge Architekt steht weiterhin unter dem Einfluss Vaders und gibt einen unkontrollierten Schuss auf Leia ab. Luke eilt zur Hilfe, doch da taucht auch schon wieder ‚Tank‘ auf, der nach wie vor mit seiner wahren Bestimmung hadert und nun erneut droht, etwas Unüberlegtes zu tun …

In einer weiteren Geschichte wird das Schicksal des ehemaligen Klonkriegers Nas Ghent erzählt. Seit einiger Zeit bereits arbeitet er als Schmuggler und ist dem Imperium zuletzt schon wieder aufgrund seiner ausgeprägten Flugfähigkeiten aufgefallen. Vader nimmt sich seiner an und gewinnt ihn für seine Seite. Doch auf dem imperialen Schiff, auf dem Ghent aufgenommen werden soll, entwickelt sich schon bald eine gehörige Missstimmung gegen den Mann, der einst unter den Separatisten kämpfte. Jedoch genießt Ghent die volle Rückendeckung Vaders und hat somit auch die Vorteile auf seiner Seite, als ihm der Kommandant des Schiffes einen Hinterhalt stellen will.

_Meine Meinung_

Der dritte und eigentlich auch letzte Teil der Mini-Serie „Rebellion“ war für die 59. Ausgabe der „Star Wars“-Comics anberaumt und auch sehnlichst erwartet worden, doch plötzlich prangt auf dem Cover der kleine Ausschnitt „3 von 4“. Hat man da etwa kurzfristig die Veröffentlichungspläne verändert? Oder unterlag die ganze Sache doch eher einem Versehen? Wie auch immer, so mancher Fan hat wahrscheinlich genauso erstaunt dreingeschaut, als er erfahren musste, dass das heiß ersehnte Finale der Reihe noch einmal aufgeschoben wurde. Wirklich fanfreundlich ist diese Aktion jedenfalls nicht …

Dementsprechend ärgerlich ist auch, dass der Anteil von „Rebellion“ nur die Hälfte des Comics ausmacht und man statt des pompösen Endes noch eine weitere, wenn auch wirklich lesenswerte Geschichte eingefügt hat. Kurz und knapp hat man hier die logische Fortsetzung der jüngsten Ereignisse abgehandelt und die Detailverliebtheit der vergangenen beiden Episoden fast gänzlich auf der Strecke gelassen. Bezogen auf die Spannung muss man deswegen zwar jetzt keine Abstriche machen, aber der plötzliche Sinneswandel zweier Hauptcharaktere hätte schon etwas deutlicher ausgeschmückt werden können, um das Ganze einfach etwas runder zu machen. Zumindest die Geschichte um Janek Sumber wirkt so letzten Endes ein wenig unglaubwürdig, auch wenn Autor Rob Williams sich bemüht, durch einen kurzen Blick in Sumbers Psyche die Hintergründe für die gespaltene Persönlichkeit aufzudecken.

Dann ist natürlich seltsam, dass diese zweite Geschichte sich an den eigentlichen Plot angliedert. Gerade wenn man bedenkt, dass manche Handlungsaspekte inhaltlich ein wenig zu kurz kommen, fällt es schwer, ein Verständnis für die merkwürdige Zusammenstellung und die irgendwie geschrumpft erscheinende „Rebellion“-Story aufzubringen.

Andererseits sollte man sich jetzt an diesem kleinen Verständnisproblem nicht zu sehr festbeißen, schließlich bleiben die Geschichte bzw. beide Plots richtig gut und liefern zumindest im Bezug auf die Handlung keinen Grund zur Kritik. Bis vielleicht auf die Tatsache, dass die zweite Erzählung am Ende ein wenig überstürzt erscheint. Ansonsten ist das Geld hier aber wieder gut angelegt, und das gilt nicht bloß für die beiden Comic-Plots, sondern auch für die vielen Extras wie zum Beispiel das Special über das „Star Wars Miniatures“-Tabletop.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Der letzte Teil der „Rebellion“-Saga folgt in Heft Nr. 60. Und es verspricht ein verdammt actionreiches, spannendes Finale zu werden.

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Mueller-Stahl, Armin – Hannah

„Hannah“ handelt von einer sowohl tiefen, innigen und wahren als auch falschen Liebe.

In einem Hotel treffen sich zwei alte Schulfreunde, um nach dem Tod der jungen und inzwischen sehr bekannten und ungewöhnlich begabten Musikerin Hannah ihrer zu gedenken und manches Geheimnis dem anderen erklären zu können. Für beide Männer wird das Gespräch zu einer Art von Lebensbeichte. Der Vater Hermann Krämer, von Beruf ein erfolgreicher Schriftsteller, und sein Jugendfreund Arnold erzählen von ihrem Leben mit Hannah.

Hermann Krämer übernimmt das Wort und erzählt unter Trauer von seiner Tochter. Hannah war immer musikalisch hochbegabt und verstand es bereits mit vier Jahren, eine Viertelgeige perfekt zu spielen. So selbstverständlich und harmonisch, so individuell begabt, entwickelte sie ihren ganz eigenen Stil. Über Bach sagte sie: „Wenn ich Bach spiele, weiß ich, was Unendlichkeit ist. Es ist die Unendlichkeit selbst. Bei Bach gibt es keinen Tod.“

Hannah war eine selbstbewusste, stets neugierige Frau. Ihre Melancholie, ihre Philosophie kompensierte sie mit ihrem Geigenspiel. Die Musik schien ihre Seele zu reinigen. Hannah war auch immer das Kind ihres Vaters. Die Ehe von Hermann Krämer war schwierig, durch seine schriftstellerische Arbeit distanzierte er sich immer mehr von seiner Frau, aber nicht von Hannah selbst.

Arnold, sein Freund, hört still die Beichte seines Freundes. Es ist eine Lebensbeichte, die Auflösung aller Schwierigkeiten, aller Geheimnisse, die vielleicht beide irgendwo teilen. Hermann erzählt von seinem Verhältnis zu seiner Frau Hellen, die schwer erkrankte und kurz nach Hannahs Tod selbst starb. Hermann ist einsam, er fühlt sich im Stich gelassen und stellt fest, dass er einiges einfach nicht wahrgenommen hat oder wahrnehmen wollte. Kurz vor Hannahs Tod offenbarte er ihr die Wahrheit über ihr Leben. Trägt er eine Mitschuld am Tode seiner Frau und Hannahs?

In stolzem Bewusstsein und Trauer hört Arnold still zu; kritisch und aller Illusionen beraubend präsentiert er seinem Freund die harte, melancholische Wahrheit. Zum ersten Mal seit ihrer Jugend erzählt er von seinem Verhältnis zu Hermanns Frau und Hannah. Der Kreis des Lebens scheint sich zu schließen, und Geheimnisse werden zum ersten und wohl zum letzten Mal gelüftet.

Der Roman ist unglaublich faszinierend geschrieben. Armin Mueller-Stahl beschreibt die verschiedenen Verhältnisse der beiden Männer zu Hannah in stiller Melancholie. Die Geschichte ist akribisch, detailliert erzählt. In einer ganz eigenen poetischen Stimmung und Spannung entführt uns Armin Mueller-Stahl in unterschiedliche, aber auch gemeinsame Lebensläufe seiner Charaktere. Der Roman ist in der Ich-Form des Hermann Krämer geschrieben. Man spürt förmlich die Trauer und das tiefe Schuldbewusstsein der Vaterfigur.

Dies ist der erste Roman, den ich von Armin Müller-Stahl gelesen habe, und er macht Lust auf mehr. Der Roman ist leider nur 134 Seiten stark, aber jedes Kapitel ist eine Geschichte für sich. Als Schauspieler hat er mich schon längst überzeugt, sein schriftstellerisches Talent kann ich nur als ebenso brillant beschreiben.

Als einzigen negativen Punkt kann nicht nur anmerken, dass der Schluss des Romans vorhersehbar ist, aber doch wegen der einen oder anderen Erklärung der beiden Hauptpersonen nicht uninteressant. Letztlich geht es auch nicht darum, die Spannung bis zum Schlusssatz aufzusparen, denn die ganze Geschichte wirkt in sich einmalig.

Für die Leserschaft wird dieser Roman unterschiedlich interessant sein. Der Roman regt zum Nachdenken an. Der Leser stellt fest, dass die Wahrheit nicht immer die bessere Lösung sein muss, denn diese kann vernichtendes Potenzial haben. „Warnend“ sei gesagt, dass dieser Roman nicht unterhaltsam oder durch Handlung spannend sein will. Diese Geschichte gehört dafür nicht zu den Erzählungen, die man liest und gleich wieder vergessen hat.

_Armin Mueller-Stahl_ ist bekannt geworden durch Film- und Theaterschauspiel. Geboren 1930 in Tilset, gehört er inzwischen zu den erfolgreichsten deutschen Künstlern. Er ist neben der Schauspielerei noch ausgebildeter Konzertgeiger, Maler und Schriftsteller. Armin Mueller-Stahl schreibt seit vielen Jahren und hat noch einige andere Romane veröffentlicht, u. a. „Der verordnete Sonntag“ (1981) (leider vergriffen), „Drehtage“ (1991), „Unterwegs nach Hause“ (1997) und „In Gedanken an Marie Louise“ (1998).

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Garfield, Richard – Magic: The Gathering – Haupt-Set – Themendeck »Armee der Gerechtigkeit«

_Der nächste Schritt in die Welt von „Magic: The Gathering“_

Anlässlich der mittlerweile neunten Edition des Sammelkartenspiels „Magic: The Gathering“ hat der amerikanische Hersteller |Wizards of the Coast| einige so genannte Themendecks veröffentlicht, die sich jeweils mit einer Form des Mana-Zaubers beschäftigen. Insgesamt besteht ein solches Deck aus 40 sofort spielbereiten Karten der aktuellen Edition, die allerdings jeweils nur einer Farbe (dem Mana entsprechend) angehören. Gerade für den Einstieg sind solche Decks absolut lohnenswert, weil sie einem nicht nur einige Basiskarten des neuen Gesamtsets näherbringen, sondern auch Neulingen die Möglichkeit geben, die grundlegenden Elemente des Spiels zu festigen und Inhalte, die im Schnellstart-Set noch nicht enthalten waren, nun in kleinen Schritten kennen zu lernen.

Aus diesem Grund empfiehlt sich auch, mit zwei Themendecks gegeneinander zu spielen, weil so ungefähr gleiche Voraussetzungen herrschen und man weiterhin ein Gefühl dafür bekommt, worauf es in den einzelnen Spielzügen tatsächlich ankommt. Die einzelnen Decks sind dabei schon ziemlich gut bestückt, enthalten dazu ein reichhaltiges Repertoire an Standardländern und außerdem Karten, auf denen neue Grundeigenschaften zum Tragen kommen. Kurz gesagt: genau der richtige Übergang zum professionelleren Spiel.

_Die gute Seite des Mana_

Das Themendeck „Armee der Gerechtigkeit“ befasst sich mit der Farbe weiß und damit verbundenen Attributen wie Licht, Ordnung und Hoffnung. Das Gros der weißen Karten besteht aus rechtschaffenen Soldaten und Rittern, lebenserhaltenden Engeln und ehrwürdigen Mönchen, die sich für das Gute einsetzen und damit den krassen Kontrast zum schwarzen Mana darstellen.

Die weißen Zaubersprüche indes befreien die Kreaturen von Verzauberungen, fördern ihre Kampf- und Lebenskraft und haben insgesamt eine durchweg heilende Wirkung. Es handelt sich dabei um eine große Zahl defensiver Karten, die dem Gegner schwerwiegende Übergriffe kaum ermöglichen und größeren Schaden häufig ungeschehen machen. Um dennoch erfolgreich angreifen zu können, sind viele günstige Kreaturen verfügbar, mit denen man den Gegner direkt zu Beginn in Enge treiben kann, während man im Hintergrund einen Verteidigungswall aufbaut, der später nur noch schwer zu durchbrechen ist.

_Karteninhalt_

• 16x Standardländer
• 1x Erfahrener Fußsoldat (common)
• 2x Sonnenschwanz-Falken (common)
• 3x Armbrustträger (common)
• 2x Meisterhafte Köder (common)
• 2 erfahrene Rittmeister (common)
• 1x Himmeljäger-Streife (common)
• 1x Ehrwürdiger Mönch (common)
• 1x Ballistaeinheit (uncommon)
• 1x Engel der Gnade (uncommon)
• 1x Phryexianischer Moloch (uncommon)
• 1x Flickende Finger (common)
• 1x Rechtschaffenheit (rare)
• 1x Pazifismus (common)
• 1x Glorreiche Hymne (rare)
• 1x Züchtigen (uncommon)
• 1x Engelsfeder (uncommon)

_So spielt man das weiße Deck_

Der zentrale Punkt des weißen Themendecks besteht darin, im Kampf die Kontrolle zu übernehmen und das Geschehen fortan zu lenken. Mit mächtigen Verteidigungszaubern wie beispielsweise die ‚Glorreiche Hymne‘ kann man erst einmal das gesamte Team stärken, wohingegen sich der Spontanzauber ‚Rechtschaffenheit‘ prima dazu eignet, einen Block zu unterstützen und mit einem +7/+7-Gegenangriff den überraschten Gegner in die Schranken zu weisen. Mit der ‚Pazfismus‘-Verzauberung kann man darüber hinaus einzelne Kreaturen für die Angriffs- und Blocken-Phase erstarren lassen und wiederum kontern oder einen Überraschungsangriff starten. Und dann wäre da noch ein weiterer Spontanzauber namens ‚Züchtigen‘, der einen Angreifer direkt zerstört und die Stärke der unerwartet besiegten Kreatur in Lebenspunkten an sich reißt.

Den Mangel an offensiven Karten gleicht das Deck schließlich mit Kreaturen wie dem Engel der Gnade und dem ehrwürdigen Mönch aus, die einem sofort 3 bzw. 2 Lebenspunkte schenken, sobald sie ins Spiel kommen. Insgesamt kann man so selbst schwerere Rückschläge in wenigen Runden wieder kompensieren und ist aufgrund der starken Verteidigung auch für stärkere Gegner bestens gerüstet.

Die beste Taktik besteht meines Erachtens darin, den Gegner direkt zu Beginn mit einigen verhältnismäßig billigen Kreaturen wie dem Sonnenschwanz-Falken (dieser kann nur von fliegenden Kreaturen geblockt werden) zu schwächen, zur gleichen Zeit die nützlichen Verzauberungen nach und nach ins Spiel zu bringen und schließlich die Lebenspunkte derart zu erhöhen, dass es für den Gegner kaum noch möglich ist, einem alle Lebenspunkte zu rauben. Standardländer zur permanenten Verwendung von Angriffstaktiken und Zaubersprüchen sind reichlich enthalten und drohen wegen mächtiger Kreaturen wie der Ballistaeinheit, die für jede umgedrehte Standardland/Mana-Karte einen weiteren Schadenspunkt mehr auf den Feind einprasseln lässt, auch nicht wegen mangelnder Nutzung verloren zu gehen.

_Fazit_

Die „Armee der Gerechtigkeit“ ist zum Einstieg vielleicht sogar das beste Themendeck, weil es einen lehrt, den Wert einer starken Verteidigung zu schätzen. Ein blinder Angriff ist selbst mit unterschiedlichen Zusammensetzungen nicht möglich, und selbst ein Fehlzug kann durch entsprechende Kreaturen und Sprüche schnell wieder aufgefangen werden. Die Zusammenstellung des Sets ist ebenfalls gelungen und gewährt einen repräsentativen Überblick über die meisten weißen Common-Karten (also diejenigen, die häufiger vertreten sind) sowie auch kurze Einblicke in besonders wertvolle Karten wie ‚Phyrexianischer Moloch‘, ‚Ballistaeinheit‘ sowie die beiden |Rares| ‚Rechtschaffenheit‘ und ‚Glorreiche Hymne‘. Außerdem ist auch schon ein vernünftiges Repertoire an Standardländer-Karten enthalten, für die man sonst wirklich mühsam sparen muss.

Für den Start und insbesondere als Vorbereitung auf das professionelle Spiel mit 60 Karten ist dieses Themendeck also absolut empfehlenswert, wobei sich besonders die Konfrontation mit dem ebenfalls aus dieser Edition stammenden schwarzen Deck lohnt, in dem viele Kreaturen und Zauber gegensätzlich aufgebaut sind. Ohne dass man sich schon größere Gedanken über den Aufbau des eigenen Decks machen muss, erlernt man hier die noch unbekannten Spielmechanismen samt Zaubern und selteneren Kreaturen und wappnet sich damit ein letztes Mal, bevor man dann mit den einzelnen Boostern sein Deck aufwertet. Es erscheint schlussendlich also nichts sinnvoller, als nach dem [Schnellstart-Einstieg 3335 oder überhaupt nach dem Wechsel zur neunten Edition mit den Themendecks, vor allem mit diesem, zu beginnen.

http://www.magicthegathering.de/
http://www.universal-cards.com
http://www.wizards.com/

Japrisot, Sébastien – Mord im Fahrpreis inbegriffen

Sébastien Japrisot, dessen bürgerlicher Name eigentlich Jean-Baptiste Rossi lautete, hat sich in seiner französischen Heimat durchaus den Ruf eines guten und beachtenswerten Autors erarbeitet. Japrisots Werke wurden teilweise verfilmt. Hierzulande dürfte sein bekanntestes Werk „Mathilde“ sein, eine Geschichte, die Jean-Pierre Jeunet vor ein paar Jahren Audrey Tautou in der Hauptrolle auf Zelluloid gebannt hat. Japrisot starb 2003. „Mord im Fahrpreis inbegriffen“ ist ein Krimi, den Japrisot 1962 schrieb und der nun im |Aufbau Taschenbuch Verlag| auf Deutsch erschienen ist.

Die Handlung ist schnell erzählt: Es ist 07.50 Uhr, als der Nachtzug aus Marseille in Paris ankommt. Alle Fahrgäste steigen aus, bis auf eine: Georgette Thomas, die erwürgt in ihrer Schlafwagenkoje liegt. Inspektor Grazziano macht sich zusammen mit seinem smarten Kollegen Gabert an die Arbeit. Es gilt, die fünf anderen Fahrgäste des Schlafwagenabteils Nr. 4 zu finden. Doch Grazziano und Gabert sind immer einen Schritt zu langsam. Ein Zeuge nach dem anderen wird ermordet, bevor die Polizei seine Aussage aufnehmen kann. Den beiden ermittelnden Beamten läuft die Zeit davon …

Japrisot strickt einen sehr klassisch anmutenden Krimiplot. Sehr direkt und unvermittelt steigt er in die Handlung ein. Kaum ist die Leiche gefunden, nimmt Grazziano auch schon seine Ermittlungen auf und schon wenig später gibt es die zweite Leiche. Japrisot schildert die Ereignisse in einem sehr schlichten Stil. Beschränkt auf das Wesentliche, beobachtet er die Figuren präzise und schildert den Plot punktgenau.

Sein Erzählstil wirkt dabei mitunter seltsam distanziert. Man braucht seine Zeit um damit warm zu werden, wird dann mit zunehmender Seitenzahl dennoch durch den spannenden Plot und die offene Frage nach dem Täter gefesselt. Scheinbar unbeteiligt gibt Japrisot die Ereignisse aus stetig wechselnden Perspektiven wieder und ist dabei doch mitten im Zentrum des Geschehens. Mit einem Tempo, wie es einer Agathe Christie würdig wäre, liefert er seine Opfer ans Messer und lässt die ermittelnden Beamten dabei anfangs ziemlich dumm aussehen. Bis diese überhaupt merken, was passiert, ist der Mörder richtig warmgelaufen und schon etwa die Hälfte der Fahrgäste aus Schlafwagenabteil Nr. 4 dahingemeuchelt.

Japrisot setzt in der Erzählweise immer wieder neu an, wechselt den Betrachtungswinkel und serviert dem Leser eine Rückschau der Ereignisse in besagtem Schlafwagenabteil aus unterschiedlichen Sichtweisen. Mit jedem Mal verändert sich das Bild, doch lässt Japrisot den Leser genauso im Dunkeln tappen wie Grazziano und Gabert, was Motiv und Täter angeht.

Erst ganz am Ende lässt Japrisot die Bombe platzen, präsentiert den Täter und sorgt damit definitiv für eine Überraschung. Raffiniert löst er die Geschichte auf und liefert einen Täter, auf den man von selbst nicht so schnell kommt. Selbst versierte Krimileser dürften sich an dieser harten Nuss die Zähne ausbeißen. Japrisots Auflösung kommt wirklich überraschend und lässt sich auch nicht mit dem sonst meist sehr erfolgsversprechenden kritischen Suchen nach dem unverdächtigsten (Nicht-)Verdächtigen entlarven. Das Motiv hat mich dabei zwar nicht bis in den letzten Winkel überzeugt, aber raffiniert und ungewöhnlich ist die Auflösung allemal.

Die Ahnungslosigkeit, mit der der Leser über weite Strecken durch das Buch wandelt, sorgt in jedem Fall dafür, dass keine Langeweile aufkommt. Japrisots Stil ist ohnehin sehr kalkuliert und präzise. Kein Satz ist zu viel, und so läuft der Autor keine Gefahr den Leser mit Spannungsabfällen zu langweilen. Kontinuierlich dreht er an der Spannungsschraube, um sie zum Ende hin, wenn der Leser sich schon ganz nah an der Lösung glaubt, noch einmal kräftig anzuziehen.

Was obendrein fasziniert, ist, wie Japrisot die Protagonisten skizziert. Oft wirkt die Betrachtung im ersten Moment eher oberflächlich, zumal Japrisots Wortwahl oft so klingt, als schildere er Dinge, die er von jemand gehört hat, die dieser von jemand anderem gehört hat. Dennoch kann man sich von so manchen Figuren ein erstaunlich deutliches Bild machen. Trotz seiner distanziert wirkenden Erzählweise schafft Japrisot also eine erstaunlich dichte Atmosphäre, und auch wenn er am Ende nicht in allen Aspekten seine Sache hundertprozentig gut macht, so bleibt doch ein überwiegend positiver Eindruck zurück.

Fazit: Japrisot schafft es, mit einer raffinierten Auflösung zu überraschen und erzählt seine Geschichte spannend und stets mit wechselnden Blickwinkeln. Wer klassische, flott und präzise erzählte Krimis mag, dem sei Sébastien Japrisots „Mord im Fahrpreis inbegriffen“ durchaus ans Herz gelegt.

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Gear, Kathleen / Gear, Michael – Lucifers Erbe

Genetik. DNS. Replikation. Chromosomen. Alles Begriffe der Vererbungslehre, die spätestens seit dem Klonschaf „Dolly“ in der Diskussion stehen. Genetik ist immer wieder gern der Hauptdarsteller einer phantastischen Handlung, sei es nun im Film oder in Romanen. Aber nicht nur in negativ behafteten Anwendungen und Forschungen: Ein genetischer Fingerabdruck ermöglicht es in der Kriminologie, den schuldigen Täter anhand seines genetischen Codes zu überführen. Erbkrankheiten können verstanden und behandelt werden. Diese Bausteine des Lebens sind dabei, erforscht und gegebenenfalls manipuliert zu werden.

Wissenschaftler in aller Welt sind dabei, Gottes Puzzleteilchen verändern und bauen zu wollen. Wo aber bleiben der ethische und moralische Aspekt? Einerseits kann man durch die Erforschung von Erb- und Zellkrankheiten völlig neue Therapien und Lösungsansätze erwarten. Ein Segen, eine Hilfe für die Menschheit? Oder werden spätere Generationen das „Leben“ nicht mehr zu schätzen wissen, eben weil man es geschafft hat, eine relative Unsterblichkeit zu erwirken, indem man Krankheiten gar nicht mehr ausbrechen lässt oder durch eine Zelldusche eliminiert? Wird es oder gibt es bereits privatisierte Forschungen, die jegliche Gesetze umgehen, da sie staatlich nicht kontrolliert werden?

In dem hier besprochenen Roman von Gear & Gear, „Lucifers Erbe“, ist die Genetik wieder einmal der Hauptdarsteller in der komplexen und sehr spannenden Handlung. Der Roman ist, und dazu komme ich am Ende meiner Rezension, inhaltlich gar nicht so abwegig, zudem wird er sicherlich zum Nachdenken anregen.

_Die Story_

Dr. Jim Dutton ist ein bekannter und inzwischen recht berühmter Anthropologe mit einem eigenen Forschungsbereich. Im Rahmen einer Langzeitstudie hat dieser an einer von dem privaten Pharmakonzern SAC finanzierten Forschung teilgenommen. Dreizehn Jahre lang war die Bonobo-Schimpansin „Umber“ vollwertiges Mitglied einer kleinen Familie und wuchs mit der etwa gleichaltrigen Brett Dutton auf. Umber ist für Dr. Dutton mehr Tochter als Tier und für Brett mehr Schwester als einfacher Affe.

Umbers Entwicklungsfortschritte wurden von ihrem Jim Dutton dokumentiert und in regelmäßigen Abständen dem rechtmäßigen Besitzer von Umber, SAC, gemeldet. Doch Dr. Dutton manipuliert die Ergebnisse, um den tatsächlichen Fortschritt Umbers nicht erklären zu müssen, denn die Ergebnisse sind alles andere als die erwartete Norm und sprengen damit alle anderen Versuchsreihen.

Umber verfügt über einen Sprachsynthesizer, auf dem sie komplexe Sätze verfassen kann, weiterhin über eine komplizierte Gebärdensprache und sie kann lesen und schreiben. Selbst abstrakte Gedanken über sich selbst und die Gegenwart Gottes sind ihr nicht fremd. Zwar ist sie Besitz des Pharmakonzerns SAC, aber Dutton und seine Tochter sehen sie mehr denn je als menschlich an.

Als SAC dahinter kommt, dass das Entwicklungsstadium von Umber sich außerhalb der kalkulierten Werte befindet, üben sie harten Druck auf Dr. Dutton aus. Schließlich ist dieses Projekt ein milliardenschweres, und sollte etwas an die Öffentlichkeit gelangen, so könnte dies unangenehme Folgen haben und natürlich staatliche Nachforschungen nach sich ziehen. Dies will man in jedem Fall vermeiden, egal mit welchen Mitteln, egal, ob legale oder illegale.

Dr. Dutton soll Umber ihrem „rechtmäßigen“ Besitzer zurückbringen beziehungsweise im Kongo-Gebiet in der Wildnis ansiedeln. Zusammen mit seiner Tochter Brett und der Bonobo-Schimpansin reist er nach Afrika in ein recht geheimgehaltenes Forschungslabor des Konzerns.

Dabei kommt es heraus, dass es noch mehr genetische Versuchsreihen gegeben hat. Nicht immer mit dem gleichen Ergebnis wie bei Umber. Bei einigen Versuchstieren wurde nicht nur die Intelligenz gefördert, sondern auch die Aggressivität kam hierbei nicht zu kurz. Als die ersten Menschen innerhalb des Gebietes vermisst werden, läuft SAC Gefahr, dass die schon skeptische Presse Fragen stellt.

Warum sind die Affen auf einmal so gefährlich und was steckt hinter den genetischen Versuchsreihen? Wo ist noch der Unterschied zwischen einem emotional reagierenden Menschen und einem intelligenten Tier, das jenseits aller Moralvorstellungen reagiert, weil es diese gar nicht kennt?

_Kritik_

Vom ersten Augenblick an ist die Handlung sehr, sehr spannend gehalten und entwickelt sich logisch weiter. Selbst wissenschaftliche und genetische Forschungen werden dem Leser plausibel erklärt. Interessant ist, dass dem Leser die moralische und ethische Verantwortung immer wieder vor Augen geführt wird und dabei nicht ins Reich der Fantasie übergeht.

Der wissenschaftliche Hintergrund zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Roman und lässt nicht viele Fragen offen. Das Autorenduo Gear & Gear, und wahrscheinlich hier besonders W. Michael Gear, der Anthropologie studierte, setzt sein erlangtes Fachwissen genial um. Forensik und die Evolution von Primaten werden dem Leser auf sehr spannende Weise erklärt.

Der private Pharmakonzern wird dabei im Roman sehr negativ dargestellt und nur nach Profitgier der Manager gemessen, die sich der Verantwortung entziehen wollen. Die Tiere, die Bonobos, allen voran natürlich die sympathische Umber, werden dem Leser als sehr menschlich skizziert. Mit all ihren Schwächen und Stärken, ohne aber in irgendwelchen Klischees und Vorurteilen zu münden.

Ich bin recht begeistert von diesem Buch; für mich eines der besten der Autoren. Der Roman ist absolut empfehlenswert, nicht nur aufgrund der Spannungskurve, sondern auch wegen der guten Mischung von Thriller und Wissenschaft.

_Die Autoren_

Die Eheleute W. Michael Gear und Kathleen O’Neal Gear sind beide Wissenschaftler. Wie schon erwähnt, ist W. Michael Gear Anthropologe und Mitglied der American Association of Physikal Anthrologie. Einige Studien aus den Bereichen der menschlichen Osteologie, Forensik und Evolution von Primaten stammen von ihm.

Seine Frau Kathleen O’Neal Gear war Referentin für Archäologie und Geschichte im US-Innenministerium. Zweimal wurde sie für herausragende Arbeiten mit dem Regierungspreis geehrt.

|Anmerkungen und Hintergrund|

Schon bei intensiver Lektüre wurde mir wieder bewusst, wie gefährlich die genetische Forschung sein könnte und wie sie vielleicht auch hinter versteckten Labortüren, in geheimen, nicht unbedingt staatlichen Instituten ausgeübt wird.

Es gibt sicherlich Wissenschaftler, die in einer moralischen und ethischen Grauzone operieren, finanziert von Pharmafirmen, die auf der Suche nach einer Spur Gottes sind. Sicherlich sind ihre Ideen und ihre Motivation nicht nur negativer Natur, es gibt viele Möglichkeiten in der Gentechnologie: Hier könnten Krankheiten wie Krebs oder AIDS besiegt werden, Erbkrankheiten wie Diabetes ausgelöscht. Nahrungsmittel könnten oder werden schon optimiert, und zu guter Letzt die Reproduktion von Nutztieren. Auch die Militärs hätten das eine oder andere Wunschprogramm.

Wie alles im Leben hat auch diese Forschung und Entwicklung an den kleinsten Bausteinen des Lebens immer zwei Seiten. Im Grunde verstehen wir Durchschnittsbürger die rechtlichen Hintergründe nicht, wir kennen sie gar nicht, genauso wenig lesen wir das (ohnehin nur unvollständige) Kleingedruckte auf unseren Lebensmitteln. Noch weniger wissen wir über die medizinischen Präparate, die wir beim kleinsten Wehwehchen für eine rasche Linderung zu uns nehmen. Im Laufe der nächsten fünfzig Jahre werden alle unsere Hoffnungen und manche unserer Ängste uns vielleicht einholen und jeden Tag Einfluss auf unser Leben nehmen.

Ich hoffe, dass der Leser sich am Ende des Romans ein wenig mit dem Thema beschäftigen wird, denn das ist es wirklich wert. Selten hat mich ein wissenschaftlich gut recherchierter Roman so in den Bann ziehen können.

Als einzigen Kritikpunkt muss ich allerdings das rasche Ende erwähnen. Hier hätte ich mir noch einige Erklärungen gewünscht. Aber vielleicht, so hoffe ich, folgt da noch ein weiterer Teil. Ich würde gerne erfahren, wie es mit den Experimenten weitergeht.

|Bonobos (Zwergschimpansen)|

98.4 %. Nur eine Zahl – aber genau dieser Prozentsatz sagt aus, dass Schimpansen unsere engsten Verwandten sind, denn zu 98.4 % verfügen wir über das gleiche Genom.

Im Roman wurde beschrieben, dass die Affen einen begrenzten Wortschatz haben; das ist durchaus wissenschaftlich belegt. Etwa 500 Wörter können die Tiere intelligent anwenden, genau wie der Gebrauch von Werkzeugen und Kreide ihnen möglich ist.

Einige Forscher setzen sich zudem dafür ein, den Tieren individuelle Rechte geben zu dürfen. Die These, die also im Roman dargestellt wird, ist auch in diesem Punkt nicht so abwegig, denn sollte man wirklich genetische Experimente durchführen, so sind diese uns nahen Verwandten prädestiniert dazu.

Bonobos (Zwergschimpansen) gehören der Gattung der Menschenaffen an und leben zumeist in größeren Gruppen im Kongo-Gebiet. Ihre Art ist aber stark dezimiert worden und gehört damit zu den gefährdeten Tierarten.

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Marv Wolfman, Gene Colan, Tom Palmer – Die Gruft von Dracula – Band 11

Story

Draculas Blutdurst nimmt mal wieder überdimensionale Formen an. Kein satanischer oder vampiresker Akt, in den das Oberhaupt der Vampire nicht eingeschaltet ist. Dies ruft jedoch auch erneut seine Widersacher und Jäger auf den Plan, allen voran Blade und den rätselhaften Lupeski. Letzterer scheitert bei einem Attentat auf Dracula nur knapp, tötet stattdessen jedoch seinen Sohn Janus und treibt das untröstliche Vampiroberhaupt dabei in den Wahnsinn. Getrieben von Racheplänen, kehrt Dracula alsbald zurück und macht Jagd auf den Mörder seines Sohnes. Doch der Schmerz über den Verlust sitzt tief, und er wünscht sich nichts sehnlicher, als diese Tragödie ungeschehen zu machen. Seine Angetraute Domini erhört schließlich die Wünsche ihres Herren und Gemahls. Sie sorgt für Janus‘ Wiederbelebung und damit auch für Draculas größte Bedrohung. Die übermächtige Reinkarnation des Sohnes hat nämlich nur ein Ziel vor Augen: Janus‘ Bestimmung ist es nämlich, Dracula zu töten, und hierzu kann er selbst aus Liebe keine Rücksicht nehmen.

Eindruck

Der elfte Band der Comic-Reihe „Die Gruft von Dracula“ ist zugleich meine erste Erfahrung mit der Gruselserie aus dem Hause |Marvel| und markiert leider auch schon den Anfang vom Ende. Mit dem nächsten Sammelband ist nämlich leider Schluss, weil die amerikanische Serie dann komplett abgeschlossen und das Schicksal Draculas besiegelt wird. Allerdings können sich treue Sammler dann auch auf die Fahne schreiben, eine ziemlich umfangreiche Serie vollständig zu besitzen.

Nun, der erste Eindruck, den diese Reihe bei mir hinterlassen hat, ist nach einigen skeptischen Zwischeneindrücken wirklich gut. Es ist zwar nicht so, dass die Serie irgendwie spannend geschrieben wäre noch irgendwelche echten Spannungsmomente aufweist, doch irgendwie packen einen die Hauptfiguren dann doch, allen voran natürlich der Vampirfürst himself, dessen wahnsinnige Gedankenzüge auch den Leser ein ums andere Mal um den Verstand bringen. Zunächst jedoch muss man sich mit einigen belanglosen Kurzgeschichten auseinandersetzen.

So zum Beispiel mit der über den verträumten Harold, der von seiner ersten Produktion träumt, in der er in der Hauptrolle der größte Widersacher Draculas ist und ihm anschließend auch das Handwerk legt. Wie sich jedoch herausstellt, bleibt es nur bei diesem realitätsfernen Traum, denn in Wirklichkeit könnte der schmächtige Harold Dracula wirklich nichts entgegensetzen. Auch die Geschichte mit Blade als coolem Vampirjäger ist nicht sonderlich spektakulär, die Auflösung des Falles sogar ziemlich unglücklich gelöst.

Dann jedoch bahnt sich über mehrere Kurzgeschichten das Finale um die Tragödie von Dracula und dessen Sohn an, und obwohl inhaltlich jetzt absolut nichts Besonderes geschieht, zieht einen das Ganze irgendwie in seinen Bann, vergleichbar wie einst die legendären „Gespenster“-Comics, deren sinnentleerter, kultiger Inhalt ebenfalls eher mit einem Schmunzeln betrachtet werden musste.

Was jetzt so besonders an „Die Gruft von Dracula“ ist – nun, ich kann es selber schwer sagen. Sicher spielt die Atmosphäre der Geschichten eine wichtige Rolle, weil dieses düster-bedrohliche irgendwie auch auf die Stimmung des Lesers überschlägt. Aber es macht auch irgendwie etwas her, dass in einem Comic mit einigen Tabus gebrochen wird, ohne dass man sich darüber Gedanken machen muss. Die grässlichsten Monster fallen hier über wehrlose Opfer her, Dracula bringt in seinem Blutdurst auch so manche Person skrupellos um, egal ob es nun eine hübsche junge Dame oder eine alte Witwe ist, und spielt letztendlich sogar mit dem Leben anderer. Der Tod ist natürlich auch ein zentrales Thema, nicht zuletzt wegen des Dahinscheidens Janus‘, wird aber hier als selbstverständliches Ereignis hingenommen, um die Erhabenheit der Titelfigur verstärkt zu demonstrieren und das Horror-Flair zu unterlegen.

Genau jenes Horror-Flair, welches einerseits gar nicht so ernst genommen wird, andererseits vielleicht aber auch gerade deswegen seine Wirkung zeigt, mache ich letzten Endes auch dafür verantwortlich, dass der elfte Sammelband dieser Serie trotz inhaltlich nicht wirklich umwerfender Ereignisse überzeugt hat. Die Comic-Variante von „Dracula“ hat etwas – was genau das ist, erfährt man allerdings erst beim Lesen. Und weil dies so ist und ich kaum von diesen sieben Minigeschichten ablassen konnte, möchte ich schon fast Begriffe wie ‚Kult‘ ins Rennen schicken. So schnell kann das gehen …

Eine Anmerkung zum Schluss: „Die Gruft von Dracula“ mag zwar bald zu Ende gehen, doch der Hauptdarsteller ist damit noch lange nicht vom Tisch. In den Staaten ist gerade die Mini-Serie „X-Men: Apocalypse vs. Dracula“ erschienen. Wir können uns also noch auf so einiges gefasst machen!

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Ellery Queen – Die siamesischen Zwillinge

Queen Zwillinge Cover 1958 kleinDetektiv Ellery Queen und sein Vater Richard stranden in einer einsamen Villa auf der Spitze eines hohen Berges. Der Hausherr bastelt in seinem Labor schauerliche Kreaturen. Als er einem profanen Mord zum Opfer fällt, erwacht in den Queens kriminalistischer Ehrgeiz … – Ungewöhnlicher Ellery Queen-Thriller, der sich der in den frühen 1930er Jahren aktuellen Stimmung der ”Universal”-Horrorfilme bedient. Trotz des bizarren Ambientes werden die Regeln des Genres elegant verbogen, aber nicht gebrochen: Das Böse ist ganz von dieser Welt. Ein Meisterwerk für die Anhänger des klassischen Kriminalromans.
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Selinker, Mike / Ernest, James – Fiese Verliese

_Im Dungeon ist die Hölle los_

In Blutbadhausen irren einige völlig durchgeknallte, verrückte Zauberer herum und streiten sich darum, wessen Verlies nun das tödlichste ist. Um den eigenen Kerker auf die tatsächliche Mortalität zu prüfen, heuern die Zauberer einige mutige Abenteuer an und locken sie geradewegs in die verschiedenen Verliese. Doch erst wenn sie lebend aus den Gefängnissen ihrer Gegner entronnen sind, können sie den Beweis antreten, dass die feindlichen Verliese bei weitem nicht so finster sind, wie ihre Besitzer es behaupten. Und Ortschaften wie die Eishöhle oder das Ork-Lager lebend zu verlassen, ist mitunter gar nicht mal so einfach …

Mit „Fiese Verliese“ hat sich der |Pegasus|-Verlag ein weiteres Spiel des amerikanischen Spielautors Mike Selinker gesichert, der gemeinschaftlich mit James Ernest die Idee hinter diesem lustigen Brettspiel entwickelt hat. Für die Illustration des Spielmaterials war indes niemand Geringerer als John Kovalic zuständig, der bei Kultspielen wie [„Chez Geek“ 3261 schon den Pinsel schwang. Große Namen für ein erneut merkwürdig witziges und mal wieder ganz anderes Spielsystem – in der jüngeren Vergangenheit hat sich dieses Prinzip bei |Pegasus| bewährt. Warum also nicht auch bei „Fiese Verliese“? Und ja, im Nachhinein stellt sich diese Frage noch einmal. Warum eigentlich nicht hier?

_Spielidee_

In „Fiese Verliese“ übernimmt jeder Spieler die Rolle eines Zauberers und Verlieswächters. Allerdings ist den übrigen Spielern nicht bekannt, über welches Verlies man in einer Partie das Regiment hat, so dass man im Grunde genommen hoffen muss, dass die Konkurrenten möglicht oft das eigene Verlies aufsuchen, dort ihr Leben lassen und einem jedes Mal wieder einen der heiß begehrten Blutpunkte hinterlegen. Natürlich darf man sich die Freude darüber nicht anmerken lassen, schließlich soll ja keiner wissen, welches Verlies man besitzt. Wenn tatsächlich sieben fremde Abenteurer ihren Aufenthalt im eigenen Verlies mit dem Leben bezahlt haben oder aber im Kampf gegen einen eigenen Abenteurer gefallen sind und man gleichzeitig keinen Abenteurer im eigenen Verlies verloren hat (das gibt nämlich Minuspunkte), darf man das Geheimnis lüften, denn wer als Erster sieben Blutpunkte gesammelt hat, darf sich als glücklicher Sieger preisen.

_Spielmaterial_

• 1 Spielplan
• 5 Spielfiguren
• 1 Startspieler-Figur
• 75 Blutpunkte
• 5 Besitzkarten
• Jeweils 32 Verlieskarten in 5 Farben
• 64 Abenteurerkarten

Den Packungsinhalt des Spiels muss man unter zweierlei Aspekten betrachten, einmal die optische Aufarbeitung und dann noch die Qualität der einzelnen Spielmittel. Während sich „Fiese Verliese“ nämlich wieder als ein weiteres illustratorisches Meisterwerk etabliert, gilt es bei Figuren, Blutpunkten und Spielbrett doch einige Mängel hinzunehmen. Bei den Spielfiguren ist zum Beispiel ziemlich ärgerlich, dass ihr Pappkorpus nicht in den Plastikstandfuß passen möchte. Man könnte ihn zwar mit Gewalt hineinschieben, aber das kann ja nicht Sinn und Zweck der Sache sein. Also verzichtet man besser auf den Standfuß, um so die schönen Bilder der Zauberer nicht zu beschädigen. Die als Tropfen geformten Blutpunkte hingegen sind zwar eigentlich aus solidem Karton, knicken aber an ihrer Spitze recht schnell über. Bereits beim Auspacken des Materials waren hier kleine Schäden zu beklagen. Dann das Spielbrett: Dieses ist so unglücklich gefaltet, dass man große Schwierigkeiten hat, es später wieder glatt zu bekommen. Ein Spiel auf zwei Ebenen ist leider die Folge.

_Vorbereitungen_

Zu Beginn des Spiels werden die Verlieskarten auf ihre jeweiligen Felder abgelegt und noch einmal gründlich gemischt. Gleiches geschieht mit den Abenteurern. Anschließend zieht man die obersten fünf Abenteurerkarten und legt sie nach ihrem Wert sortiert auf die Stadtfelder. Die Karte mit dem geringsten Wert wird dabei auf das Feld mit dem niedrigsten Goldpreis gelegt, usw. Als Letztes erhält jeder Spieler eine Besitzkarte, auf der angezeigt ist, über welches Verlies er in dieser Partie verfügen wird. Diese Karte nimmt man verdeckt auf die Hand. Sollte man mit weniger als fünf Spielern spielen, gehen die verbleibenden Besitzkarten auf das ‚Notariat‘-Feld. Schließlich wird die Startspieler-Figur an den blutrünstigsten aller Beteiligten vergeben, der danach das Spiel eröffnet.

_Spielablauf_

Jede Spielrunde besteht aus insgesamt fünf Spielphasen, in denen die Zauberer neue Abenteurer anheuern, mit ihnen ein Team aus maximal drei Mitgliedern bilden, sie ins Abenteuer entsenden, mit ihnen ein Verlies erkunden und gegebenenfalls Gold und Gegenstände von dort einsammeln. Jede Spielphase wird dabei von allen Spielern gespielt und dann Schritt für Schritt eine neue Phase gestartet. Eine komplette Spielrunde ist wie folgt aufgebaut:

|1.) Neue Abenteurer anheuern|

Am Anfang dieser Phase werden fünf Abenteurer vom Nachziehstapel auf die einzelnen Stadtfelder verteilt, und zwar so, dass der Abenteurer mit dem niedrigsten Rangwert auf das Stadtfeld mit dem niedrigsten Preis gelegt wird, etc. Beginnend mit dem Startspieler zieht nun jeder eine dieser Karten und bezahlt den angegebenen Preis in Goldstücken. Im direkten Anschluss wird das leer gewordene Feld wieder mit einer neuen Abenteurerkarte aufgefüllt und eventuell auch die Reihenfolge verändert. Solange man noch nicht im Besitz eines kompletten Abenteurerteams mit drei Karten ist, muss man in dieser Phase einen Abenteurer anheuern. In der ersten Spielrunde hat man als Starthilfe ein einmaliges Kapital von 40 Goldmünzen, welches man auch nur in dieser Runde ausspielen darf. Im nächsten Zug wird nur noch mit eventuell erwirtschafteten Goldwerten bezahlt bzw. auf die kostenlose Karte auf dem billigsten Stadtfeld zurückgegriffen.

|2.) Abenteurer aussenden|

In dieser Phase schicken alle Spieler ihre Abenteurer in eines der Verliese, um es später zu erkunden. Dazu stellt nun jeder Spieler seine Spielfigur auf ein beliebiges Verlies, wobei er natürlich beachten muss, welches davon am günstigsten ist, das heißt, in welchem Verlies die Wahrscheinlichkeit am geringsten ist, dass die Abenteurergruppe sterben oder dezimiert wird.

|3.) Kampf|

Es besteht die Möglichkeit, dass zwei Abenteurergruppen in ein Verlies drängen; in diesem Fall wird in einer Schlacht entschieden, welche Abenteurergruppe nun dort verweilen darf. Pro Verlies ist immer nur eine Gruppe erlaubt. Die betroffenen Spieler legen nun in einer vorab bestimmten Reihenfolge ihre Abenteurerkarten verdeckt ab und decken sie anschließend eine nach der anderen auf. Karte für Karte wird nun eine Schlacht ausgetragen, die jeweils der Spieler mit dem höchsten Rang seines Abenteurers gewinnt. Die anderen Spieler verlieren ihre Karten dabei entweder an den gewinnenden Mitspieler (sofern die Farbe der Karte gleich ist, dann darf der Sieger der Schlacht ihn in seine Abenteurergruppe aufnehmen) oder sofort an den Friedhof. Die Unterlegenen müssen zudem einen Blutpunkt an den Sieger der Schlacht entrichten. Dieser Kampf wird nun für alle der maximal drei Abenteurer ausgespielt. Wer die meisten Siege errungen hat, darf auf dem Verliesfeld stehen bleiben. Bei einem Unentschieden gewinnt derjenige, der den Abenteurer mit dem höchsten Rang in die Schlacht geschickt hat.

|4.) Erkunden|

In der Erkundungsphase müssen die Abenteurer nun die Verliese auf ihre tatsächliche Bedrohung überprüfen. Hierzu ziehen sie die oberste Karte des Verliesstapels, in dem sich ihre Figur gerade befindet. Sollte dabei ein Buchstabe gezogen werden, wird er mit den Buchstabenwerten auf den Karten der Abenteurer verglichen. Sobald Übereinstimmungen auftreten, muss der Spieler seinen Abenteurer dem Verlies opfern, ihn anschließend auf den Friedhof legen und zu guter Letzt auch noch einen Blutpunkt auf dieses Verlies legen. Zieht er indes einen Gegenstand, darf er diesen vorerst auf die Hand nehmen und muss nun weitere Karten ziehen, bis er auf einen Buchstaben stößt. Wenn er nun den Aufenthalt im Verlies mit mindestens einem Abenteurer überlebt, darf er die Gegenstände und auch die Buchstabenkarte behalten. Damit sind entweder spezielle Fähigkeiten oder einfach nur ein bestimmter Goldwert verbunden.

Ein Spieler bleibt so lange im Verlies, bis er eine der bedrohlichen Buchstabenkarten überlebt hat. Danach kann er entscheiden, ob er weitere Karten aufdeckt und so auch mögliches neues Gold oder sogar einen der raren Gegenstände einsammelt und dabei auch das Leben seiner Abenteurer riskiert, oder ob er lieber auf Nummer Sicher geht und aus dem Verlies lebend flieht. Nur wer lebend aus dem Verlies flieht, behält auch die dort eingesammelten Gegenstände und Goldstücke. Der nächste Spieler ist auch erst dann am Zuge, wenn entweder eine Abenteurergruppe den Aufenthalt im Verlies nicht überlebt oder ebenjene erfolgreich das Verlies verlassen hat.

|5.) Einsammeln|

Falls man mit mindestens einem überlebenden Abenteurer wieder aus dem Verlies flüchten kann, erhält man in der „Einsammeln“-Phase nun die Früchte der Mühe, sprich alle Karten, die im Verlies ausgespielt wurden. Später kann man sie dann als Gold oder Gegenstand wieder einsetzen. Als Letztes übergibt man nun die Startspieler-Figur an den Mitspieler zur Linken. Die nächste Runde beginnt.

_Spielende_

Sobald ein Spieler nun sieben Blutpunkte seiner Gegner im eigenen Verlies ausliegen hat, meldet er sich lautstark zu Wort. Wem dies nämlich als Erstem gelingt, der hat „Fiese Verliese“ gewonnen.

_Meine Meinung_

Ich bin mir nicht sicher, was ich nun von diesem Spiel halten soll. Die Idee an sich ist ganz nett, die Illustrationen von Meister Kovalic tragen ebenfalls dazu bei, dass man mit guter Laune in die Partie geht, doch irgendwie will der Aufbau nicht so recht überzeugen. Richtig spannend ist „Fiese Verliese“ nämlich erst, wenn man tatsächlich mit vier oder fünf Spielern antritt, weil der Mechanismus des Spiels mit weniger Beteiligten nicht so recht in die Gänge kommt. Bei zwei Spielern zum Beispiel ist gar nicht mal gewährleistet, dass überhaupt jemand sieben Blutpunkte seines Gegners erhält. Selbst die Option, über das Notariat sein Verlies zu wechseln, ist in diesem Falle keine wirklich überzeugende Idee, weil man somit sofort herausbekommt, über welches Verlies der Gegner verfügt, und dem steckt man dann sicherlich nicht freizügig sein Blut in den Rachen.

Davon abgesehen hängt bei „Fiese Verliese“ auch vieles vom Glück ab. Man wird zwar ständig versuchen, seine Blutpunkte gleichmäßig zu verteilen und damit keinen einzelnen Spieler zu begünstigen, doch realistisch betrachtet führt der einzige Weg zum Sieg über den Kampf, und wenn man nur ein bisschen Pech bei der Auswahl der Abenteurerkarten hat und somit leichter einem Konkurrenten unterliegt, hat man schon alle Chancen vertan, um den Sieg mitzuspielen. Und wenn man es von dieser Warte betrachtet, hat man selber eigentlich nur geringen Einfluss darauf, welchen Verlauf die Partie nimmt.

Für nette Unterhaltung zwischendurch ist „Fiese Verliese“ allerdings schon geeignet. Das Spiel ist leicht zu verstehen und eine Partie im Grunde genommen auch recht schnell bewältigt. Und irgendwie ist ja auch das optische Drumherum ganz witzig und sicher die große Stärke des Spiels. Doch der Aufbau ist in manchen Punkten nicht ganz ausgeprägt, das Material zudem von Mängeln gezeichnet, so dass der optimale Spielspaß, den die vielen geistreich dargestellten Figuren schon beim Öffnen der Schachtel suggerieren, sich nur bedingt einstellen will. Deshalb kann ich mir zwar immer noch vorstellen, das Spiel hin und wieder noch mal auf den Tisch zu bringen, doch alleine schon wegen manch ähnlicher, spieltechnisch jedoch überzeugenderer Alternative wird dies im direkten Vergleich eher selten der Fall sein. Große Namen und ein merkwürdiges, witziges Spielsystem? Tja, bei „Fiese Verliese“ ist diese Rechnung leider nur bedingt aufgegangen.

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Williams, Rob / Badeaux, Brandon – Star Wars 58: Rebellion 2

[Band 1 3339

_Story_

Wedge und Luke führen die X-Wing-Staffel bei einem Raubüberfall auf imperiale Schiffe an und erobern dabei gleich vier Einheiten der Feinde. Auf einem dieser Schiffe wird auch Jorin Sol gefangen gehalten, der in der Zwischenzeit etliche Folterungen über sich ergehen lassen musste und vollkommen gebrochen in die Reihen der Rebellen zurückkehrt. Als er in der fremden Umgebung endlich aufwacht, stellt sich heraus, dass er noch immer sehr stark unter dem Einfluss von Vader und seinen Gefolgsleuten steht. Sein starker Wille bewahrt ihn jedoch davor, einer befreundeten Rebellin das Leben zu nehmen.

Währenddessen fangen Luke und seine Gefährten einen Funkspruch von Tank auf, der nach langer Einsicht zu der Erkenntnis gekommen zu sein scheint, dass der Weg zum Frieden nur über eine Rückkehr zu den Rebellen geebnet werden kann. Obwohl sich eigentlich alle sicher sind, dass es sich bei der Aufforderung, ihn auf einem fernen Planeten aufzugreifen, um eine Falle handelt, reist Luke ohne das Einverständnis und Wissen von Leia und ihren Männern zu den angegebenen Koordinaten und trifft dort tatsächlich auf Tank. Doch nicht nur auf ihn …

_Meine Meinung_

Nachdem im vorangegangenen Band der „Star Wars“-Comics die Vorgeschichte aus der Perspektive des Verräters Tank geschildert wurde, ist es nun an Luke, sich der neuen Situation zu stellen und auf die Entführung Jorin Sols zu reagieren. Kurzerhand schnappt er sich sein Geschwader und stürmt die feindlichen Schiffe, um Jorin Sol wieder aus der Gefangenschaft der dunklen Seite der Macht zu befreien. Doch als der Entführte ins Lager der Rebellen zurückkehrt, wirkt er verändert. Zunächst noch geschockt und von den Strapazen geschwächt, regeneriert er sich während eines komatösen Schlafs; doch als er schließlich aufwacht, erinnert er sich in kurzen Episoden an prägende Eindrücke seines Lebens, stoppt dabei bei den jüngsten Begegnungen mit Vader und dem Imperium und führt dessen mental auferlegte Befehle sofort aus. Doch letztendlich ist er stärker als der Wille seiner ehemaligen Peiniger, zum Glück für die gerade erst zur Wache befohlenen Deena, die in der Auseinandersetzung mit Jorin Sol beinahe den Tod findet.

Diese Deena ist eine weitere neue Figur innerhalb der Mini-Serie, die allem Anschein nach ebenfalls eine tragende Rolle übernimmt. Ebenso wie Luke fühlt sie sich von ihren Vorgesetzten nicht ernst genommen, was bei ihr jedoch mehr an ihrem naiven Auftreten festzumachen ist. Doch in Luke findet sie schließlich dennoch einen Verbündeten und begleitet ihn auch auf seiner ungenehmigten Reise, dem Lockruf Tanks folgend. Doch was den ebenfalls sehr gutgläubigen Skywalker in seiner Begegnung mit dem ehemaligen Jugendfreund widerfährt, hätte er sich eigentlich schon vorher ausrechnen können. Doch dies ist schon wieder ein Thema, welches im nächsten Comic bzw. im dritten Teil näher behandelt werden wird und quasi als neuer Cliffhanger eine weitere spannende Überleitung bildet.

Der zweite Teil der Mini-Saga „Rebellion“ hält weiterhin, was die ersten Eindrücke versprochen haben. Mit einigen neuen Charakteren und einer stärkeren Konzentration auf die Kämpfer der Rebellen werden der Story einige neue Komponenten hinzugefügt, die für den Spannungsaufbau von Wichtigkeit sind. Zwar entpuppt sich Luke bislang noch nicht als der Superheld, den man gerne in ihm sehen würde, doch die Geschichte wird ja noch fortgesetzt. Ansonsten kann man nur bestätigen, dass die hohen Erwartungen, die bereits in der einleitenden Erzählung aus dem letzten Band der „Star Wars“-Comics geschürt wurden, voll und ganz erfüllt werden. „Rebellion“ ist bis hierhin eine illustratorisch und inhaltlich richtig starke Geschichte und eines der besten Kapitel, das diese Comic-Reihe bislang veröffentlicht hat.

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