Schlagwort-Archive: Hörbuch Hamburg

Frederick Forsyth – Der Lotse (Lesung)

Weihnachtsgeschichte für Flugfreunde

Der bekannte Thrillerautor Forsyth war in jungen Jahren Jetpilot der Royal Air Force. Er erzählt hier eine Weihnachtsgeschichte, die sich in seiner Karriere hätte zutragen können. Mit dem Unterschied, dass der Lotse, der darin vorkommt, gar nicht existieren kann.

Der Autor

Frederick Forsyth, geboren am 25. August 1938 in der Grafschaft Kent, war mit 19 Jahren der jüngste Jetpilot der Royal Air Force. Nach seinem Ausscheiden 1958 wurde er Journalist und war als Auslandskorrespondent tätig. Ab 1965 arbeitete er als Fernsehreporter der BBC und berichtete aus Krisen- und Kriegsgebieten. Heute lebt er als freier Autor in London. Bereits mit seinem ersten Roman „Der Schakal“, der zweimal verfilmt wurde, erreichte er weltweit Bekanntheit. Wichtig sind auch seine Romane „Die Akte ODESSA“ und „Das vierte Protokoll“. Kürzlich erschien „Der Rächer“.
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Melvin Burgess – Doing it (Lesung)

Mal im Ernst: „Harte Jungs“ schwer in der Bredouille

Der Roman erzählt von drei Jungs, die zu einer Schülerclique an einer englischen Schule gehören. Die Primaner haben mehr Probleme mit dem anderen Geschlecht als mit ihren schulischen Leistungen. Allerdings hat das eine mit dem anderen zu tun.

Ben hätte es sich nie träumen lassen, eine Affäre mit seiner Lehrerin zu haben. Jonathan wird von der „dicken Kuh“ Deborah angemacht. Der beliebte Dino geht zwar mit Jackie, doch die will ihn nicht ranlassen. Dafür rächt er sich mit Siobhan, die in Wahrheit Zoe heißt. Als man Zoe steckt, dass Dino sie mit Jackie betrügt, dreht sie den Spieß um. Schon sehr bald breitet sich um Dino das Chaos wie ein Virus aus.
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Hans Kruppa – Der gefundene Schatz & Die ewige Blüte

Märchen für Seelensucher und New-Age-Jünger

Die CD bietet zwei „spirituelle Märchen“, in denen sich Weisheit findet und die zur Lebensfreude ermuntern. Der Autor liest die Texte selbst und lieferte auch die drei Musikstücke, die am Anfang, am Schluss und zwischen den beiden Texte erklingen. Die Texte versetzen den Hörer in ein „Land, in dem die Worte der Weisen noch Macht haben und das Wünschen auch den Machtlosen hilft.“ Empfehlenswert ab 12 Jahren.

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Chris Mooney – Victim (Hörbuch)

Frauen als Wild und Beute

Darby McCormicks Jugend endet abrupt, als sie und ihre Freundinnen Mel und Stacey Zeugen eines Mordes werden. Doch der Mörder sieht auch die Mädchen. Drei Tage später ist Stacey tot und Mel spurlos verschwunden. 20 Jahre später muss die Polizistin Darby McCormick ein verschwundenes Mädchen suchen. Sie stößt auf die völlig verstörte Rachel Swanson, die seit fünf Jahren vermisst wird. Darby stößt bei der Ermittlung der Hintergründe auf ein Netz aus Lügen. Und dass ihr der Mörder von damals immer noch auf den Fersen ist. (abgewandelte Verlagsinfo)
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Philip Pullman – Der Rubin im Rauch (Sally Lockhart 1) (Lesung)

Clever und schön: junger, weiblicher Sherlock Holmes

London 1872. Ein typisches Mädchen ihrer Zeit ist Sally Lockhart wahrhaftig nicht. Im Notfall kann sie mit einer Pistole umgehen. Außerdem versteht die 16-Jährige etwas von Zahlen und Finanzgeschäften. Mut und ihren Verstand braucht Sally unbedingt, denn nachdem ihr Vater im Südchinesischen Meer ertrunken ist, erreicht Sally ein rätselhafter Brief, in dem von den „sieben Wohltaten“ die Rede ist. Mit Hilfe des Fotografen Frederick Garland und des Botenjungen Jim Taylor findet sie heraus, dass ihr Vater wegen eines ganz besonderen Rubins ermordet wurde. Doch die Zeit läuft dem Trio davon, denn die „Sieben Wohltaten“ und ihre Diener sind Sally bereits auf der Spur.
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Friedrich Ani – Wie Licht schmeckt (Lesung)

Nahtod und der Preis der Coolness

Eigentlich braucht er niemanden, findet der 14-jährige Lukas. Alleine, aber glücklich streift er durch die Stadt. Doch dann trifft er Sonja, ein blindes Mädchen, das ihn völlig aus der Fassung bringt. Selbstbewusst lädt sie ihn zum Schwimmen und in ein Restaurant ein und zeigt ihm eine Welt, wie er sie noch nie gesehen hat.

Plötzlich spürt Lukas alles viel intensiver: das Licht in den Straßen, die Stimmen der Menschen, den Wein auf seiner Zunge, das heiße Wasser einer Dusche, eine zarte Berührung. Lukas weiß, dass er Sonja nicht mehr verlieren will, nur wie er das schaffen kann, weiß er noch nicht.

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Henning Mankell – Hunde von Riga (Lesung)

Wallander goes East: Liebe und Verschwörung

An einem kalten Februartag des Jahres 1991 wird ein Rettungsboot bei Mossby Strand an die schwedische Küste getrieben. Darin liegen zwei Männer, beide tot, und wie Kurt Wallander feststellt, schon vor Tagen ermordet. Die Spuren führen ihn nach Riga, wo er Baiba Liepa kennen lernt, die Frau eines ermordeten Polizisten, der zu viel wusste über die Verbrechen in seinem Land. Wallander verliebt sich in Baiba, und sie hilft ihm bei seinen waghalsigen Ermittlungen, die ihn tief hineinführen in ein perfides Komplott

Der Autor

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Frank Cottrell Boyce – Millionen (Lesung)

Money – what is it good for?

Zugegeben: Es passiert eher selten, dass Geld vom Himmel fällt. Doch eines Abends landen Millionen vor Damians Füßen. Um genau zu sein: 22 Millionen und 937.000 englische Pence, das sind 229.937 Pfund Sterling. Damian glaubt, dass das Geld nur von Gott sein kann, denn schließlich hat er dem gerade gesagt, dass seine Mutter tot ist. Und von seinem großen Bruder Anthony weiß er, dass die Leute einem immer etwas geben, wenn du ihnen erzählst: „Meine Mum ist tot!“ Außerdem: Wer sonst hätte so einen Haufen Geld? Aber es ist nicht immer nur erquicklich, so reich zu sein. Die beiden Brüder, die das Geheimnis des göttlichen Geldgeschenks für sich behalten, haben nur 17 Tage Zeit, es auszugeben. Denn dann wird in England der Euro eingeführt … (abgewandelte Verlagsinformation)

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Andreas Steinhöfel – Die Mitte der Welt (Lesung)

Phil wächst in einem süddeutschen Dorf auf, aber nicht in dessen Mitte, sondern am Rande. Seine Mutter ist Amerikanerin, sein unbekannter Vater Amerikaner. Seine Entwicklung am Rande der Gesellschaft ist gekennzeichnet von Auseinandersetzungen, seine Liebe zu einem anderen Jungen bedeutet deshalb für ihn Anerkennung und Befreiung. Aus dieser Spannung zwischen Ausgrenzung einerseits und Liebe andererseits bezieht der Roman seine Spannung. Und da viele Geheimnisse erst am Schluss gelüftet werden, bleibt der Hörer bzw. Leser von Geschichte bis zum Schluss gefesselt.

Der Autor

Andreas Steinhöfel, geboren 1962 in Battenberg, studierte Amerikanistik, Anglistik und Medienwissenschaften. Er schreibt Drehbücher, Rezensionen und seit 1991 zahlreiche Kinder- und Jugendbücher.

Der Sprecher

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Wolfsmehl – Königshaut (Hörspiel)

Das musikreiche Hörspiel „Königshaut“ ist ein Gegenstück zum „Jedermann“, in dem die Zeit, und nicht der Tod, die Hauptrolle spielt. Es ist aber auch eine phantastische Zeitreise in die umgekehrte Richtung – ein Märchen für Erwachsene.

Der Autor

Wolfsmehl, geboren 1960, wuchs auf Schloss Fronberg im Oberpfälzischen auf und schrieb Lyrik, Romane, Satire und Theaterstücke. 2004 wurde ihm der Nordgaupreis des Oberpfälzer Kulturbundes für Dichtung zuerkannt. Zusammen mit Sabine Goller führte er auch Regie bei diesem Hörspiel.

Die Sprecher und ihre Rollen

Walter Schmidinger: König, Königshaut
Klaus Maria Brandauer: Die ZEIT
Isabella Grothe: die Königin
Konrad Halver: Erzähler
Rolf Jülich: Bauer, Vater von Allegra
Uli Krohm: Hauptmann
Miriam Maertens: Allegra
Helmut Markwort: Räuber
Dietmar Mues: Narr
Ursula Pages: Wahrsagerin
Jan Hendrik Richter: Prinz, Allegras & Königshauts Sohn

Hier sind also einige namhafte Schauspieler versammelt. Etwas erstaunlich ist der Auftritt von Helmut Markwort, einem Journalisten.

Musik und Lieder

Die Musik sowie die zahlreichen Songs komponierte Hans Kraus-Hübner. Sechs Musiker setzten sie um. Den Gesang zu dem Lied „Ein Stern“ steuerte Bhawani Moennsad bei.

Handlung

Die ZEIT tritt auf: „Im Osten bin ich losgegangen. Nach Westen treibt mich mein Verlagen. Norden und Süden durchquerte ich, verpasse der Welt ein zeitliches Gerüst. Und niemals bleib‘ ich dabei stehn, doch ist es hier und heut‘ geschehn.“

Die ZEIT besucht den jungen König, der sich zu einem Despoten entwickelt hat. Der ZEIT hält er Macht und Stärke entgegen, doch die ZEIT zeigt ihm, dass Alter und Gram Furcht erregende Gegner sein können. Ein Blick über die Mauer zeigt dem König lediglich Gräber. Um ihre Macht zu demonstrieren, belegt die ZEIT den König mit einem Bann. Worin dieser besteht, wird erst allmählich klar.

Seine Gattin, die noch ziemlich knackig sein muss, zeigt sich besorgt über den körperlichen Zustand ihres Mannes, der plötzlich zum Greis geworden ist, und will ihm die Ärzte schicken. Doch ihm steht der Sinn nach handfesteren Dingen: Er weiß, dass sie ihn mit dem Narren betrogen hat. Die Königin fürchtet um ihr Leben und das ihres Geliebten und verleumdet ihn bei seinen Männern. Diese verkennen den alt gewordenen König und verhaften den „Thronräuber“. Obwohl er beteuert, dass die Königin lüge, lassen sie ihn ans Kreuz schlagen. Dort hängt er neben seinem Nebenbuhler, dem Narren.

Die neue Herrscherin ruft zum Krieg auf. Sie hat ihre Rache dafür vollendet, dass er ihren Geliebten ans Kreuz hat schlagen lassen. Als Gnadenbezeigung lässt sie den Alten in die Gosse werfen, während sie ihren Geliebten zu heiraten gedenkt.

Die ZEIT mahnt den Alten, nicht aufzugeben. Auch eine Wahrsagerin prophezeit ihm eine Zukunft. „Nur Mut! Krieche weiter!“ Ein Räuber singt über das sprichwörtliche letzte Hemd und verflucht den Alten als erbärmlichen Bettler, der doch glatt die Frechheit besitzt zu behaupten, der König zu sein. Offenbar ist er auf einmal jünger geworden! Jahre vergehen, bis er in der Mitte des Lebens angelangt ist.

Hälfte des Lebens: Sonnenschein

Das Bauernmädchen Allegra singt von Liebessehnsucht, als ein Mann auftaucht und auf dem Hof ihres Vaters Arbeit als Knecht sucht. Er stellt sich mit einem ellenlangen Namen vor, den sich kein normaler Mensch merken kann, daher nennt ihn Allegra kurzerhand „Königshaut“. Er und Allegra werden zunächst Freunde, dann ein Liebespaar und sie schenkt ihm einen Knaben, den sie einfach „Prinz“ nennen. Man hört, wie ein Kleinkind eine Uhr aufzieht. Jahre vergehen, und die Familie ist glücklich, nachdem Königshaut den Hof geerbt hat.

Doch eines Tages wird ein Spion der grausamen Königin auf die Familie aufmerksam. In einem Streit sterben sowohl der Spion als auch Allegra, und der Bauernhof geht verloren. Er muss mit Prinz auf die Straße und sich dort als Tagelöhner durchschlagen. Während Prinz abenteuerlustiger wird, empört sich Königshaut immer mehr über die Zustände in seinem früheren Königreich, das sie nun betreten haben. Prinz will das Reich der „Großen Spinne“ brennen sehen, sobald er die Wahrheit darüber erfahren hat, wie seine Mutter ermordet wurde. Diese Worte jedoch vernimmt ein weiterer Spion, der die beiden Männer verhaften und in den Kerker werfen lässt.

Ironischerweise trifft Königshaut hier seinen früheren und wirklich alt gewordenen Nebenbuhler wieder, den Narren. Er liegt in Ketten, genau wie seine neuen Gefährten, und beklagt, dass er zwar König geworden war, aber quasi nur für einen Tag. Denn er zeugte der Königin keinen Thronfolger, und so wandte sie sich nach ein paar Jahren einem Jüngeren zu. Sie ließ den Narren blenden und einsperren. Dass Königshaut der frühere König gewesen sei, kann er angesichts der jünglingshaften Stimme nicht glauben.

Da erscheint eines Tages die Königin zu Besuch im Kerker. Da das Volk aufrührerisch geworden sei, seit der sehr beliebte Narr fehle, wolle sie ihn zurückhaben. Dumme Sache: Der besagte Herr hat bereits den Löffel abgegeben. Na schön, kriegt er eben ein Staatsbegräbnis, was soll’s. Sie bietet Königshaut und Prinz die Freiheit, wenn er, Königshaut, bereit sei, die Rolle des Narren zu spielen, um das Volk zu beruhigen. Also macht sie ein „Angebot, das er nicht ablehnen kann“: Sie droht, Prinz zu kreuzigen. Okay, überredet.

Später bittet sie Königshaut, ihr Gemahl zu werden und bereitet die Krönung vor. Prinz, der Thronfolger werden soll, wünscht jedoch etwas ganz anderes: die Freiheit nämlich. Sein Vater zeigt ihm einen Geheimgang, durch den er entkommt. Danach zählt Königshaut die Stunden, bis die Königin ihn holen kommt, um ihn zu krönen. Wird er den Fluch von Hass und Verrat durchbrechen?

Da tritt die ZEIT wieder auf. Diesmal nennt sie sich anders: TOD.

Mein Eindruck

Bei diesem besonders musikorientierten Hörspiel möchte ich mich vor allem auf die Sprecher und die Musik konzentrieren. Deshalb wird dieser Abschnitt hier vergleichsweise kurz ausfallen.

Instant Karma

Der Aufbau der Handlung gleicht einem Kreis, ist aber in Wahrheit eine Spirale. Denn wenn der König wieder in seinen Palast, aus dem er verstoßen worden war, zurückkehrt, dann nicht in den Thronsaal, sondern in den Kerker. Und es handelt sich keineswegs um den gleichen König, was seine Weisheit anbelangt. Anfangs war er ein unwissender Despot, nun ist er ein weiser alter Mann in einem jungen Körper. Würde die ZEIT ihm einen weiteren Zyklus, ein weiteres Karma sozusagen, gönnen, so würde dabei wieder nur eine Spirale daraus. Doch all dies gehört zum „Rad der Zeit“, das des Öfteren beschworen wird.

Leben im Rückwärtsgang

Der Fluch der ZEIT, mit dem sie des Königs Schicksal aus sämtlichen Bahnen wirft, erweist sich nicht als so deprimierend, wie der Zuhörer anfangs befürchtet. Es sieht zwar lange so aus, als ob dieser zweite King Lear alsbald den Löffel abgeben würde, doch so wie der rückwärts in der Zeit lebende Zauberer Merlin (bei T. H. White) auch eine Geliebte (je nach Legende heißt sie Viviane oder Nimue) findet, so wird auch dem jung gewordenen Königshaut die Gnade der Liebe zuteil, in Gestalt der Allegra.

Gnade der Liebe

Sie ist keineswegs eine „Buhle“ wie im „Jedermann“, sondern eine reine Seele, die sich gerne mit Königshaut zusammentut. Allerdings wird nicht thematisiert, wenn ich mich recht entsinne, dass sie sich über seine fortschreitende Verjüngung wundert. Immerhin sind sie ein paar Jährchen zusammen, bis der junge „Prinz“ groß genug ist, um mit seinem Vater auf Wanderschaft zu gehen. Auch der Tod Allegras wird viel zu kurz zur Sprache gebracht, finde ich, gerade so, als ob eine lästige Wendung der Handlung schnell bewältigt werden müsse. Dabei hatte Allegra doch mit ihrem hoffnungsvollen Stern-Lied sämtliche Sympathien des Hörers auf sich ziehen können. Ein ziemlich schnödes Abservieren seitens des Autors.

Die Rache des Narren

Sehr ironisch ist dann jedoch wieder die Begegnung mit seinem Nebenbuhler, dem Narren. Dieser abgelegte Lover der Queen fristet nun im Kerker seine letzten Tage, und da er von ihr buchstäblich und metaphorisch geblendet wurde, kann er auch nicht erkennen, wen ihm nun das Schicksal wieder in seine Zelle geworfen hat: seinen einstigen Rivalen nämlich. Sie haben einander einiges zu sagen über die Gunst von Königinnen und die Vergänglichkeit der Liebe.

Geradezu zynisch wird die Angelegenheit, als der einstige Lover im Interesse der Macht noch einmal wiederauferstehen soll, um das Volk zu beruhigen, das unter den Kriegen der Königin Hunger leidet. Das erinnert an das Finale von „El Cid“, als die Spanier dessen Leiche aufs Pferd binden, damit er die Truppen gegen die Mauren anführe. Allerdings macht der Narr eben keine heroische Figur dabei, sondern eben eine närrische – wie könnte es anders sein. Aber dazu kommt es ja nicht, denn der Narr hat seine Schuldigkeit getan und gibt den Löffel vorzeitig ab, sicher zum Verdruss der Königin – seine letzte posthume Rache sozusagen für die Behandlung, die sie ihm zuteil werden ließ. Es gibt also poetische Gerechtigkeit.

|Märchen oder Fantasy?|

Warum wird eigentlich nicht die Königin eines Besseren belehrt? Nun ja, das wäre doch etwas abgedroschen gewesen. Schließlich haben das ja schon die alten Griechen zur Genüge besorgt. Arachne wurde in eine Spinne verwandelt, Niobe wurde mitsamt ihren Kindern gestraft und viele weitere Frauen bekamen von diversen Göttinen (meistens von Jupiters Göttergattin Hera/Juno) eins aufs Haupt. Diese Variante wäre also gezwungen, eine der alten Sagen zu wiederholen, was doch etwas witzlos wäre.

Stattdessen bekommen wir mit „Königshaut“ die Story von Shakespeares King Lear und T. H. Whites Merlin im Doppelpack, angereichert mit einem ganz eigenen Schluss. Dies ist übrigens keine Fantasy, denn in der Fantasy – jedenfalls nach Tolkien – treten keine Allegorien auf: Verkörperungen abstrakter Begriffe wie Zeit. Eine Ausnahme bildet jedoch TOD. Er hat eine wichtige und nicht mehr wegzudenkende Hauptrolle in vielen der parodistischen Scheibenwelt-Romane von Terry Pratchett – und spricht stets in GROSSBUCHSTABEN. Außer Pratchett traut sich niemand, Allegorien auftreten zu lassen. Das macht „Königshaut“ zu einem modernen Kunstmärchen.

Die Sprecher & die Inszenierung

Ich muss zugeben, dass ich große Probleme hatte, Walter Schmidingers tiefe, alte, raue Stimme zunächst mit einem jungen König zu verbinden. Das hat mich völlig aus dem Konzept gebracht und ich musste diese Passage noch einmal hören, um schlau daraus zu werden. Aber auch die Königin ist keine junge Hüpferin, sondern klingt schon etwas reifer, sagen wir mal, um die vierzig. Das haut aber ebenfalls nicht hin, denn vom Konzept her ist ihre Figur zwischen 20 und 25 Jahren alt. Das passt auch besser zum Rest der Entwicklung ihrer Figur.

Die ZEIT wird von Klaus Maria Brandauer gewohnt ironisch gesprochen und fand bei mir sehr viel Anklang, selbst dann, wenn Brandauer mal singt. Dann wieder tiefste Verwirrung, als Helmut Markwort, der ehemalige Chefredakteur des Nachrichtenmagazins FOCUS, anfängt, ein Lied zu schmettern und ich ihn deshalb für einen Bänkelsänger halte. Ist er aber mitnichten, sondern er stellt einen Räuber dar.

Alle anderen Darsteller passen gut zu den jeweiligen Figuren, sei es nun die junge Allegra, der junge Prinz oder der alte Bauer Sepp, Allegras Vater. Gewöhnungsbedürftig dann wieder die Figur des Narren: Wenn er (am Anfang) jung ist und neben dem König am Kreuz hängt, hat er dieselbe Stimme wie im Kerker, an seinem Lebensende nach etlichen Jahren. Natürlich wäre es etwas schwierig gewesen, seinen Sprecher Dietmar Mues mal ruckzuck auszutauschen, denn das hätte den Hörer vielleicht noch mehr verwirrt.

Musik und Songs

Sehr gut fand ich hingegen, dass zumindest eine Figur eine Erkennungsmelodie vorweisen kann: Das ist die Königin. Stets verblüffte mich das Tempo ihrer Erkennungsmelodie, die mindestens aus Achtel- und Sechzehntelnoten besteht und ganz schön flott daherkommt.

Der Großteil der Songs beschäftigt sich auf nachdenkliche oder auch ironische Weise mit aktuellen Themen, wie etwa den verschiedenen Aspekten der Zeit. Bei den Songs handelt es sich nicht um Moritaten, denn diese würden jeweils eine moralisch lehrreiche Erzählung beinhalten. Doch hier sind es einfach sehr schön komponierte Lieder, deren Herkunft man eher aus der Ecke Brecht/Weill („Dreigroschenoper“) vermuten würde.

Einzige Ausnahme davon ist die sehnsüchtige Liebesballade der Allegra. Sie singt von „einem Stern“, dem all ihre Träume und Wünsche gelten. Diese Ballade würde in jedes Musical passen.

Apropos Musical: Für ein modernes Musical fehlt „Königshaut“ erstens die richtige Thematik und zweitens der Glamour. Zeit / Lebenszeit – das ist eine wohl zu abstrakte Materie, um sie in ein Musical zu packen. Und der Glamour stellt sich schon deswegen nicht ein, weil Story und Musik dem entgegenstehen. Brecht/Weill haben ja auch kein Liebeslied für Mäckie Messer geschrieben, sondern stattdessen von einem „Haifisch“ erzählt. Dennoch fehlt am Schluss auch der obligatorische Rausschmeißer nicht, ein fetziger Song für das gesamte Ensemble, bei dem jeder Zuhörer mitsingen darf.

Will also „Königshaut“ unterhalten oder belehren? Es will beides: unterhaltende Belehrung – oder zumindest Erkenntnis. Schließlich handelt es sich um ein Märchen, und der Zweck von Märchen ist, so unterhaltsam sie auch daherkommen mögen, stets auch etwas belehrend. Mal warnen sie, mal loben sie Tugenden. Und Königshaut zeigt, was passieren könnte, wenn …

Unterm Strich

Die Vorlage für das Hörspiel ist eine durchdachte Kombination verschiedener Vorbilder, die eine große Wirkung auf den Leser/Hörer auszuüben vermag. Die Umsetzung im Hörspiel jedoch weist mehrere Ecken und Kanten auf, die das Stück nicht einfach aufzunehmen machen. In erster Linie sind dafür die Stimmen der Sprecher verantwortlich. Ich finde, hier hätte man subtiler und verständnisorientiert besetzen müssen.

Die Songs haben mir gut gefallen, obwohl sie zur Handlung nichts beitragen, sondern lediglich eine Metaebene des Verständnisses bilden: Was eben die Figuren über das Thema Zeit usw. denken und empfinden. Es gibt mehrere Motive wie die Erkennungsmelodie der Königin, und Songs wie den von Allegra, die mir sehr gut gefallen haben. Die meisten Lieder stehen in der Tradition von Brecht/Weill und vielleicht Georg Kreisler („Gehma Tauben vergiften im Park“). Auf einer Bühne dürften sie ihre volle Wirkung entfalten.

„Königshaut“ ist ein Märchen für Erwachsene. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kinder und Jugendliche mit den harten Realitäten, die hier verhandelt werden (Ehebruch, Krieg, Kreuzigung, Raub und Mord) etwas anfangen können. Spaß bereitet das Zuhören wohl erst nach mehrmaligem Anhören.

|84 Minuten auf 2 CDs
Hörbuch Hamburg|

Larsson, Åsa/Asa – Bis dein Zorn sich legt

_Tödliches Geheimnis unterm Eis_

Ein unbeschwertes Liebespaar: Im Sommer haben sie beim Tauchen ein Flugzeugwrack entdeckt. Jetzt ist der Vittangjärvi-See zugefroren. Niemand stört sie, als sie ein Loch in das dicke Eis sägen und sich in die Tiefe hinunterlassen. Niemand? Plötzlich ein geisterhafter Schatten: Die Markierungsleine wird gekappt, die Öffnung ins Freie durch eine Holztür versperrt. Die beiden haben keine Chance.

Die Polizistin Rebecka Martinsson übernimmt den Fall. Schnell wird klar, dass das Paar einem Geheimnis auf der Spur war. Das Flugzeug ist nämlich eine deutsche Junkers aus dem II. Weltkrieg. Was mag sie wohl bergen? Rebecka entdeckt ein gefährliches Netz aus Schuld, Angst und Verrat, in das die Bewohner ihres Heimatortes verstrickt sind. Und eine Geschichte, die nicht vergehen will.

_Die Autorin_

Åsa Larsson wurde 1966 in Kiruna geboren. Sie arbeitete als Steueranwältin, bis sie beschloss, Autorin zu werden. Mit ihrem ersten Krimi „Sommersturm“, der 2003 ausgezeichnet wurde, machte sie in Schweden Furore. Der zweite Roman „Weiße Nacht“ erhielt den Schwedischen Krimipreis 2004 und stand lange auf der Bestsellerliste.

Mehr von Åsa Larsson auf |Buchwurm.info|:

[„Weiße Nacht“ 3918
[„Der schwarze Steg“ 4919

_Die Sprecher_

Nina Petri gab ihr Schauspieldebüt in der TV-Serie „Rote Erde“ und war seitdem in vielen Erfolgsfilmen zu sehen, unter anderem in „Lola rennt“ und „Emmas Glück“. Sie wurde mit dem Bayerischen Filmpreis und dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet.

Ulrike Grote spielte nach der Schauspielausbildung im Ensemble des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg und an der Wiener Burg. Seit 2001 ist sie in diversen Film- und Fernsehrollen zu sehen, wie etwa „Das Kanzleramt“ und „Tatort“. Seit 2003 arbeitet sie auch als Regisseurin. Für ihren Kurzfilm „Ausreißer“ gewann sie 2005 den Internationalen Studenten-Oscar in der Kategorie Bester ausländischer Film; ein Jahr später erhielt der Kurzfilm eine Oscar-Nominierung.

Stephan Schad, 1964 in Pforzheim geboren, lernte an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Danach spielte er auf verschiedenen deutschen Bühnen und gehört seit 1998 dem Ensemble des Hamburger Thalia-Theaters an. Außerdem arbeitet Schad für Film und Fernsehen sowie als Sprecher. Für |Hörbuch Hamburg| hat er unter anderem von Alan Weisman „Die Welt ohne uns“, von Rolf Lappert „Nach Hause schwimmen“ (mit Peter Jordan) und von Anna Gavalda [„Alles Glück kommt nie“ 5414 (mit Nina Petri) gelesen.

Bei den Aufnahmen in den Eimsbütteler Tonstudios führte Gabriele Kreis Regie.

_Handlung_

Dies erfahren wir von dem schwebenden Geist, der uns die Geschichte erzählt …

Am 9. Oktober fahren sie, die 17-jährige Wilma, und ihr Freund Simon, 18, zu dem zugefrorenen See, um zu tauchen. Sie vermuten, dass im See das Wrack eines deutschen Flugzeugs der Wehrmacht liegt, das vom schwedischen Kiruna nach Norwegen wollte. Das Wrack liegt zwar in nur 17 Metern Tiefe, aber dort unten ist es stockdunkel, findet Wilma.

Nur die Sicherheitsleine verbindet sie und den ins Wrack tauchenden Simon mit Licht und Luft. Sie haben die Leine an einem Holzkreuz befestigt, das über dem Luftloch in der Eisdecke liegt. Plötzlich merkt sie, dass die Leine schlaff wird und zu ihr herunterfällt. Als sie auftaucht, liegt eine Tür über dem Luftloch und jemand steht darauf. Ihr geht der Sauerstoff aus, als der Atemregler vereist. Welcher Wahnsinnige hat ihr den einzigen Ausgang zum Leben versperrt?

Es ist Donnerstag, der 16. April, als Östen Marjavaara aus dem Eisloch im Fluss Wasser holen will und eine Leiche entdeckt. Sie steckt in einem Taucheranzug. Östen alarmiert die Polizei. Staatsanwältin Rebecka Martinsson ist in ihr Elternhaus in der Heimat zurückgekehrt und schläft wie ein Murmeltier. Bis sie um vier Uhr morgens von einem jungen Mädchen geweckt wird, dem Wasser aus Mund und Nase läuft. Es sagt: „Es war kein Unfall, ich bin nicht im Fluss gestorben, er hat mich hingetragen.“ Dann läuft die Gestalt weg. Rebecka erwacht. Nur ein Traum.

Am nächsten Tag steht Rebecka neben den zwei Polizisten Sven Erik Skolnake und Annamaria Mälla. Die Leiche der jungen Frau sei schon ziemlich angeknabbert, lag also schon lange im Wasser. Das Auto der Taucherin habe man gefunden, aber man vermisse noch ihren Begleiter. Seltsam ist nur, dass der Tank fast leer ist. Die Taucher hätten es nicht mal bis zur nächsten Tankstelle geschafft. Mälla benachrichtigt die achtzigjährige Anni, die Urgroßmutter Wilma Perssons. Rebecka erfährt bei der Obduktion, dass sich unter Wilmas Fingernägeln grüne Lackreste befinden. Als ob sie an lackiertem Holz gekratzt hätte. Der Gerichtsmediziner ist erstaunt, als sie ihn fragt, ob er feststellen könne, ob Wilma woanders als im Fluss gestorben sei. Eine Woche später kann er dies bestätigen: Wilma starb in einem See.

Von ihrem Nachbarn erfährt Rebecka , dass im Dorf, wo Wilma bei Anni lebte, die Fuhrunternehmerfamilie Kräkola eine despotische Herrschaft ausübe. Doch vor einer Woche habe Isaak, der Patriarch, einen Herzinfarkt erlitten. Von Anni erfährt Annamaria Mälla, dass Wilma eine Verwandte der Kräkolas war und sie des Öfteren besuchte. Doch die Kräkolas sind auf „Bullenbräute“ wie Annamaria überhaupt nicht gut zu sprechen. Sie zerstechen ihre Reifen und klauen ihr Handy. Rebecka verbietet ihr, Rache zu üben, sondern schaltet die Medien ein. Ein Mann meldet sich, der eine Tür auf dem Eis des Sees gesehen hat. Kein Wunder: Sie wurde ihm geklaut.

Silfors gibt ihnen den Hinweis auf Jörleifur Arnasson, einen Einsiedler, der am See lebt. Vielleicht habe der was gesehen oder gefunden? Arnasson stellt sich als freundlicher Ökobauer heraus, der einen süßen Hund hat. Doch ob er mit der Polizei reden will, weiß er noch nicht. Als sie am nächsten Tag wiederkommen, liegt Arnasson tot auf dem Boden seiner Hütte. Alles wurde so arrangiert, dass es wie ein Unfall aussieht. Doch Rebecka und Annamaria fallen mehrere Ungereimtheiten auf.

Jemand will nicht, dass sie die Wahrheit über und den wahren Grund für Wilmas und Simons Tod herausfinden. Und derjenige geht dabei über Leichen, um sein schreckliches Geheimnis zu hüten …

_Mein Eindruck_

In einer kunstvollen verschlungenen Abfolge von realer Gegenwart, Geisterpräsenz und zahlreichen Rückblenden bis ins Jahr 1943 entfaltet die Autorin vor dem geistigen Auge des Lesers (und Hörers) ein Panorama von Beziehungen sowie ein Drama der verhängnisvollen Verstrickungen. Die beiden ahnungslosen Taucher rühren an ein Geheimnis, das niemals das Licht des Tages erblicken darf.

Denn es bedeutet die bleibende Schande über eine ganz bestimmte Familie, eine ganz bestimmte Frau. Die Schande besteht vor allem in der Kollaboration mit der deutschen Wehrmacht und Angehörigen der SS während der letzten Jahre des II. Weltkriegs. Damals kollaborierten Schweden aus Kiruna mit den Deutschen aus Profitgier gegen die norwegische Widerstandsbewegung.

Nicht nur wiegt die Schuld am Tod der Widerständler und Flüchtlinge schwer auf dem Gewissen der Frau. Die Furcht vor den Folgen der Entdeckung ihres Geheimnisses wiegt noch viel schwerer und veranlasst sie zu Kurzschlussreaktionen. In der Folge müssen ihre beiden Söhne, die selbst in Schuld verstrickt sind, dafür büßen, indem sie immer wieder dafür sorgen, dass das Geheimnis unentdeckt bleibt.

Als Rebecka Martinsson und Annamaria Mälla in der Vergangenheit des Dorfes am See stochern, stechen sie in ein Wespennest. Schließlich geraten sie aus der Schusslinie mitten ins Visier der Mörder. Es kommt zu einem packenden und zugleich tragischen Finale an den Ufern des verhängnisvollen Sees. Mehr darf nicht verraten werden.

Zugleich ist dies wieder mal eine Geistergeschichte, wie schon „Der schwarze Steg“. Der Geist der toten Wilma Persson erzählt uns von ihrem traurigen Geschick. Doch zugleich greift der Geist der Ungerächten ins Geschehen ein, indem er sich den Schlüsselfiguren zeigt und an ihr Gewissen appelliert. Wilma verkörpert nicht nur das schlechte Gewissen, sondern auch den Schrei nach Gerechtigkeit, auf dass ihr schändlicher Tod (und der ihres Freundes Simon) endlich gesühnt werde.

Der Autorin gelingt durch die Schichtung der Zeitebenen und des Berichterstatter-Ensembles – sie braucht nicht weniger als drei – ein Gewebe aus Beziehungen, das sich aus vereinzelten Anfängen entwickelt und bis zu einer Krise verdichtet: Etwas muss nachgeben. Doch welche Figur das sein wird, ist noch völlig offen. Besonders gefiel mir die Darstellung des Hjalmar Kräkola, eines unterdrückten Mathematikgenies aus der Provinz. Auf schicksalhafte Weise an seinen kriminellen Bruder Tuure gekettet, strebt er nach Ausbruch, doch stets gibt er den Befehlen seiner Mutter und seines Bruders nach. Gibt es für ihn eine Hoffnung auf Freiheit?

|Die Sprecher|

Nina Petri, die für die Gegenwart und die realistische Schilderung zuständig ist, beschreitet einen Mittelweg aus kontrolliertem Sprechen und emotionaler Aufladung dieses Sprechens in bestimmten Situationen, so etwa besonders in heiteren Szenen. Die Charakterisierung durch besondere stimmliche Charakteristik ist Petris Stärke hingegen nicht. Nicht jeder kann ein Rufus Beck sein.

Ulrike Grotes Stärke ist die Umsetzung von Emotionen in Sprechweisen. Ihr fällt es leicht, eine Figur durch die Art, wie sie sich ausdrückt und in bestimmen Situationen verhält, zu charakterisieren. Sie ist zuständig für die Szenen, in denen die Person und der Geist von Wilma Persson auftritt.

Stephan Schad ist für die Rückblenden auf Hjalmar und Tuure Kräkola zuständig. Dabei erzählt er vor allem jene folgenreiche Episode im Jahr 1956, als Hjalmar seinen jüngeren Bruder Tuure „verlor“, wie man ihm danach vorwarf, obwohl doch in Wahrheit Tuure sich von ihm getrennt hatte. Alle weiteren Szenen zwischen den zwei Brüdern werden von Schad vorgetragen, durchaus angemessen und mit einem rechten Maß an Realismus, Innenschau und Emotion. Schad ist ein guter Erzähler mit einem Timbre in der Stimme, das mich gefesselt hat.

_Unterm Strich_

Die Wahrheit aufzudecken ist gefährlich. Das müssen die Staatsanwältin und ihre Polizisten immer wieder erfahren, als sie den mysteriösen Fall der toten Eistaucherin lösen wollen. Denn dies geht nur durch das tiefe Graben in der fernen Vergangenheit vor 60 Jahren, als hier in der Ödnis der Bergbaulandschaft um Kiruna deutsche Soldaten und SS-Offiziere Jagd auf norwegische Widerständler und dänische Flüchtlinge machten – unterstützt von schwedischen Kollaborateuren.

Ist dies ein Geheimnis, für das noch heute gemordet werden muss? Rebecka Martinsson will es herausfinden. Doch wer nun einen Thriller nach dem Vorbild von Dan Browns „Meteor“ oder Indridasons „Gletschergrab“ erwartet, ist auf dem Holzweg. Die Autorin Larsson verfügt über ganz andere Stärken und hat ein ganz anderes Interesse als die genannten Herren. Dennoch ist das Finale ebenso spannend und dramatisch.

|Das Hörbuch|

Die Sprecherin Ulrike Grote verleiht den Szenen ihre emotionale Tiefe und erweckt die Figuren zum Leben, indem sie möglichst emotional vorliest. Zum Glück nicht so, dass sie übertrieben wirkt, sondern so, dass sie hinter den Figuren zurücktritt. Nina Petri ist für die realistischen Szenen aus der Gegenwart zuständig, und Stefan Schad nimmt sich des Blickwinkels von Hjalmar Kräkola an.

Diese Aufteilung mag zwar ein wenig teurer als der standardmäßige Einfrau- oder Einmannerzähler gewesen sein, wertet das Hörbuch aber fast schon zu einem Hörspiel auf, denn es gilt ja, verschiedene Rollen zu interpretieren. Ich fand diesen Wechsel fesselnd, denn er hielt ständig meine Aufmerksamkeit wach und hielt mich dazu an, die anderen Blickwinkel zu beurteilen. Eine Geschichte, die sich über 60 Jahre erstreckt, erfährt viele Interpretationen, und das meiste wird verschwiegen. Das Erzählen bedeutet also auch Entdecken. Und das fand ich spannend.

|Originaltitel: Till dess din vrede upphör
Originalverlag: Albert Bonniers Forlag, Stockholm 2008
Aus dem Schwedischen übersetzt von Gabriele Haefs
301 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-89903-641-1|
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Jules Verne – Die Jagd nach dem Meteor (Lesung)

Satirisch: der Fang des Goldmeteors

Ein Meteor, aus reinem Gold nähert sich der Erde. Ein Wettrennen aller Staaten und Mächte nach diesem Wertobjekt setzt ein. Der geniale Privatmann Xirdal aber hält den Trumpf in der Hand: Er konstruiert einen Apparat, mit dem er den Meteor lenken kann. Und er lenkt ihn auf ein zuvor gekauftes Stückchen Land. Truppen rücken an, gesteuert von der Macht und Goldgier ihrer Befehlshaber. Ob das wohl gut geht?

Der Autor

Jules-Gabriel Verne, in Deutschland anfänglich Julius Verne (* 8. Februar 1828 in Nantes; † 24. März 1905 in Amiens), war ein französischer Schriftsteller. Er wurde vor allem durch seine Romane „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ (1864), „20.000 Meilen unter dem Meer“ (1869–1870) sowie „Reise um die Erde in 80 Tagen“ (1873) bekannt. Neben Hugo Gernsback, Kurd Laßwitz und H. G. Wells gilt Jules Verne als einer der Begründer der Science-Fiction-Literatur. (Wikipedia.de)

Mit „Die Eissphinx“ schrieb er eine Fortsetzung von E. A. Poes Horrorerzählung „The Narrative of Arthur Gordon Pym„. Sein erster Zukunftsroman „Paris im 20. Jahrhundert“ lag lange Zeit verschollen in einem Tresor und wurde erst 1994 veröffentlicht. Die Lektüre lohnt sich, auch wegen der erhellenden Erläuterungen der Herausgeberin. „Die Jagd nach dem Meteor“ erschien ebenfalls erst nach Vernes Tod (siehe unten).

Der Sprecher

Rufus Beck, geboren 1957, spielte im Ensemble und als Gast auf deutschsprachigen Bühnen, wurde durch Sönke Wortmanns Film „Der bewegte Mann“ populär und gilt seit seinen einmaligen Interpretationen aller Harry-Potter-Romane als einer der besten, engagiertesten Hörbuchsprecher („-leser“ kann man wohl nicht mehr sagen).

Auffällig ist sein Engagement für Werke, in denen Jungs und Mädchen auf ungewöhnlichen Wegen ihre Identität suchen und finden. Dazu gehören „Der Fliegenfänger“ von Willy Russell sowie [„Die Mitte der Welt“ 804 von Andreas Steinhöfel, um nur zwei neuere Beispiele zu nennen. Auch Eoin Colfers jugendlichen Helden Artemis Fowl sowie die beinahe ebenbürtige Meg Finn hat er uns bereits zu Gehör gebracht.

Rufus Beck liest die ungekürzte Fassung, die dennoch lediglich drei Stunden lang ist.

Handlung

Die meiste Zeit spielt die Handlung in der braven Stadt Weston im US-Bundesstaat Virginia. Das genaue Jahr ist unbestimmt, doch es gibt einen kleinen Hinweis: Die US-Flagge hat zu diesem Zeitpunkt nur 43 Sterne statt der heutigen 50. Und es ist Frühling. März, um genau zu sein.

Prolog

Obwohl es wenig zur Haupthandlung beiträgt, sei doch erwähnt, dass die Geschichte mit einer Blitztrauung beginnt. Miss Arcadia Walker, 24 und ebenso schön wie wohlhabend, heiratet Seth Stanford, einen Globetrotter, und zwar vor dem Haus des ehrenwerten Friedensrichters John Proth – zu Pferde. Will heißen, keiner der beiden Brautleute fühlt sich bemüßigt, vom Ross zu steigen. Im Pferdeland Virginia werden diese Dinge eben pragmatisch erledigt. Es kann aber auch ganz anders laufen. Im späteren Verlauf der Handlung begegnen wir den beiden wieder, so etwa bei ihrer – ebenso rasch erledigten – Scheidung. Richter John Proth fällt eine wichtige Rolle im nun folgenden Drama zu.

Die Entdeckung des Meteors

Das bis dato noch friedliche Weston beherbergt zwei Hobbyastronomen: Dean Forsyte, 45, und Dr. Sidney Huddleson. Forsytes Neffe Francis Gordon gedenkt am 18. Mai die hübsche Jenny, Huddlesons Tochter, zur Frau zu nehmen. Durch die Ereignisse an und nach diesem 16. März scheint sich dieses freudige Ereignis jedoch in ernster Gefahr zu befinden, niemals stattfinden zu können. Morgens um sieben beobachten die beiden Astronomen unabhängig voneinander einen Meteor, der die Erde umkreist.

Nach dieser epochalen Beobachtung gehen dem Direktor der Sternwarte von Pittsburgh am 24. März zwei Briefe beinahe identischen Inhalts zu: Sowohl Forsyte als auch Huddleson beanspruchen das Recht, den Meteor entdeckt zu haben, jeweils für sich. Diese Tatsache ist auch umgehend Gegenstand eines Artikels in der Lokalzeitung Westons. Noch bleibt alles friedlich, wenn sich auch die beiden Entdecker nicht mehr grün sind. Schon bald macht sich die Satirezeitschrift „Punch“ über ihren Ruhmeseifer lustig.

Goldrausch

Die Lage ändert sich, als die Sternwarte von Paris in alle Welt hinausposaunt, der gesichtete Meteor bestehe aus purem Gold. Natürlich nicht in geschmolzener Form, sondern durchsetzt mit Löchern und Rissen. Zunächst schätzen die Amateure einen falschen Durchmesser, doch dann entscheidet Pittsburgh: Wenn die Masse des Himmelskörpers 1,867 Mio. Tonnen beträgt, so liegt sein Goldwert bei nicht weniger als 5,8 Trillionen Dollar!

Milliardäre

Sofort erklären sich Forsythe und Huddleson zum Besitzer des Meteors und zu Multimilliardären. Wäre die Bevölkerung von Weston nicht schon längst in zwei Parteien zerfallen, spätestens jetzt gingen der Streit und die Schlägereien los. Wenigstens kommt keiner der beiden an das Gold heran, sonst wäre alles noch viel schlimmer. Aber jeder fragt sich jetzt: Wo wird der Meteor abstürzen? Der eine sagt: Japan, der andere sagt: Patagonien. Die Sternwarte Boston mischt sich ein und sagt: Alles Blödsinn! Für die Besitzansprüche der Astronomen auf noch nicht abgestürzte Flugkörper erklärt sich das Westoner Gericht unter dem wackeren Richter John Proth nicht zuständig.

Unerhörte Tricks

In Paris gibt es einen wohlhabenden jungen Erfinder namens Zehyrine Xirdal, der nicht nur ein Genie ist, sondern auch beste Beziehungen zur Bank seines „Onkels“ Monsieur Lecoeur unterhält, welchselbiger die Ehre hat, sein Geld verwalten zu dürfen. Nachdem er aus der Zeitung vom Meteor erfahren hat, fordert Xirdal vom Onkel 10.000 Francs und ein Grundstück. Und wo, bitteschön? Dort, wo der Meteor abstürzen wird. Woher er diesen Punkt bereits kenne? Xirdal antwortet: Ich werde es so einrichten.

Gesagt, getan. Xirdal baut ein mysteröses Maschinchen, das der Banker nicht versteht, aber das dennoch seinen Zweck erfüllt: Durch bis dato unbekannte Gravitationsstrahlen gelingt es Xirdal, die Bahn des Meteors nach seinen Wünschen abzulenken. Dadurch gerät der Leiter der Sternwarte Boston, der ansonsten so reputierliche Mr. J.B.R. Loewenthal, schwer in die Bredouille, denn alle seine Berechnungen und Voraussagen erweisen sich plötzlich als Makulatur.

Huddleson und Forsyte sehen sich veranlasst, ihre angebrochenen Reisen nach Japan und Patagonien abzubrechen und heimzukehren. An die Hochzeit von Francis und Jenny ist natürlich nicht mehr zu denken: König Chaos regiert. Aber noch lassen die Verlobten die Hoffnung nicht fahren, denn irgendwann MUSS der Meteor doch fallen, oder?

Der Tag des Absturzes

Unterdessen ist eine internationale Konferenz einberufen worden, die entscheiden soll, wie mit dem zu erwartenden Goldsegen zu verfahren sei. Xirdal schickt den Diplomaten zwar ein Telegramm, er sei der Besitzer des Meteor, doch vergesslich, wie er ist, unterlässt er es, seinen Namen darunterzusetzen. Es wird nicht weiter beachtet. Da verkündet Boston, der Meteor werden etwa am 19. August bei Uppernarvik in Westgrönland niedergehen. Dänemark, die Kolonialmacht Grönlands, jubelt und entsendet als Bevollmächtigten Erich von Schnack ins Polargebiet.

Innerhalb weniger Wochen findet sich trotz schneidender Kälte rund 3000 Ausländer in dem kleinen Städtchen ein. Sie erleben eine Überraschung: Uppernarvik liegt auf einer Insel und ist ringsum von Meer umgeben, das bis in eine Tiefe von 2000 bis 3000 Metern reicht. Was, wenn der himmlische Goldklumpen ins Wasser fiele? Huddleson, Forsyte und alle Abenteurer, die sich hier eingefunden haben, beginnen nervös und trotz der Kälte zu schwitzen.

Doch sie bleiben nicht lange allein. Nach dem Absturz des Meteors um exakt 6:57:35 Uhr am 19.8. finden sich unvermittelt mehrere Kriegsschiffe aller wichtigen Nationen des Erdballs ein. Da wird Herr von Schnack viel protestieren müssen. Doch man stelle sich seine Überraschung vor, als er mit einer Horde von 3000 Neugierigen (darunter den Erstentdeckern) durch Eis, Wind und Schnee zur Absturzstelle eilt – und von einem Drahtzaun gestoppt wird, auf dem ein Schild prangt: „Privatgrundstück! Zutritt verboten!“

Mein Eindruck

„Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles!“ Mit diesem Goethevers ließe sich die Handlung, die Verne in einem seiner letzten Romane ausgearbeitet hat, im Groben umschreiben. Es ist nicht nur eine Kritik an der verbreiteten Gier nach materialistischer Werten. Verne starb 1905, als sich die Nationalstaaten nicht nur Westeuropas so ziemlich den ganzen Rest der Welt angeeignet hatten. Nur noch neun Jahre bis zum großen Knall, dem Ersten Weltkrieg. Der Roman lässt sich als Warnung auffassen.

Was Verne voraussah, waren der Zank um den Besitz fremder Menschen, Völker oder Länder, der sich im Zuge des Kolonialismus über die ganze Welt ausgebreitet hatte. Überall sah er Zwist statt Einigkeit, sogar auf den internationalen Konferenzen, von denen er eine in seinem Roman stattfinden lässt und die ergebnislos im Sande verläuft, da die Teilnehmer hoffnungslos zerstritten sind.

Die Parabel

Er braucht für seine warnende Parabel nur noch zwei Faktoren: ein Ding von ungeheurem Wert und jemanden, der es sich zu beschaffen weiß. Schon geht das schönste Wettrennen los, wie es die Welt anlässlich des Goldrausches in Alaska anno 1890 erlebt hatte. Und was, wenn sich jemand diesen Reichtum mit Hilfe einer genialen Erfindung unter den Nagel reißen könnte? Würde er mit seinem Fang glücklich werden?

Es lebe der Kapitalismus!

Na ja, wenn nicht Xirdal selbst, so doch zumindest sein findiger Onkel, der Bankier, der die Aktienmärkte zu manipulieren weiß wie kein zweiter. Schon damals also sah Verne die virtuellen Werte, die die Aktien darstellen, beziehungsweise die entsprechenden Insiderinformationen als eine Gefahr für die Weltwirtschaft an. 24 Jahre nach seinem Tod kam der große Börsenkrach an der Wall Street und ließ seine schlimmsten Befürchtungen wahr werden.

Untergang des Mikrokosmos

Dies ist der Makrokosmos, doch der Mikrokosmos eines Gemeinwesens wie Weston kann ebenso in Mitleidenschaft gezogen werden. Der Astronomenstreit spaltet die Stadt ebenso wie die Familien und lässt Francis‘ und Jennys Vermählung zunehmend unwahrscheinlich erscheinen. Auf einmal ist die private Zukunft unmittelbar gefährdet: Es ist eine andere Art von Krieg, die hier stattfindet, die aber dennoch eine klare Folge hat: Zwar nicht den Tod von Menschen (noch ist niemand bei den Schlägereien zu Tode gekommen), aber zumindest das Ausbleiben von Nachwuchs. Und was wird dann aus den Alten?

Die Figuren

Sprachlich ist der Text recht einfach gehalten, er weicht auch in Sachen Charakterisierung nicht von Vernes Methode ab, seine Figuren kurz und knapp zu definieren (es fehlen nur noch die Playmate-Maße von Jenny Huddleson und Arcadia Walker). Aber durchweg ist Vernes geradezu sarkastischer Humor zu spüren, wenn er die Figuren einem Wechselbad von Gefühlen aussetzt. Jenny und ihre Schwester weinen „Wasserfälle“, und selbstredend raufen sich die Entdecker die ergrauenden Haare. Es geht sehr emotional zu, besonders als sich die Entdecker dem Objekt ihrer Begierden und Träume selbst gegenübersehen und ob der glühenden Hitze des Meteoriten schier verzweifeln.

Im völligen Kontrast dazu steht der verantwortungslose junge Erfinder Xirdal. Schon sein säuselnder Vorname Zephyrine erinnert an den antiken Südwind Zephyr und beschreibt den moralischen Ernst seiner Lebensauffassung genau. Als ihn ein Kumpel zu einem Strandurlaub einlädt, überlegt Xirdal nicht lange und sagt zu. Er macht sich einen faulen Lenz, während sich die restliche Welt im freien Fall Richtung Chaos befindet. Dass er obendrein vergesslich ist, überrascht uns nicht.

Kritisiert Verne in Xirdals Figur die Fin-de-siècle-Stimmung seiner Zeit: das Dandytum, die Sorglosigkeit, den Tanz auf dem Vulkan? Es erscheint nicht unwahrscheinlich. Leider gibt es keine moralische Instanz, die Xirdal in die Hand fällt. Denn Richter Proth weilt fern von Grönland und Paris.

Der Sprecher

Rufus Beck macht sich mal wieder einen Spaß daraus, die Figuren durch ihre Sprechweise zu charakterisieren – je kurioser sie sich ausdrücken, desto schöner. Denn dies ist immer noch ein Jugendbuch, wohlgemerkt, und so sollen auch Jugendliche ab zwölf Jahren ihre Freude daran haben. Der Vortrag darf nicht monoton und dröge sein, sondern muss ihre Aufmerksamkeit fesseln.

Denn wenn man’s recht bedenkt, so passiert in der Tat nicht allzu viel Action. Die Zusammenhänge und Reaktionen sind daher deutlich darzustellen, um ihre Signifikanz hervorzuheben: Wieso sollten Zeitungsberichte oder Bulletins von irgendwelchen Sternwarten wichtig sein? Game-Junkies wissen mit so etwas wohl nur wenig anzufangen, wohl aber hoffentlich Leute, die etwas für Bücher übrig haben, und nicht nur für Bücher: für das gedruckte Wort überhaupt.

Diesen jungen Bücherfreunden kommt Becks Vortrag entgegen. Und wenn es sich um Fans der Geschichten des Jules Verne handelt – umso besser. Man vermag sich anhand Becks Darstellung plastisch vorzustellen, wie flatterhaft das Wesen von Z. Xirdal ist, wie ernsthaft und jähzornig der Charakter von Dean Forsyte, wie hochnäsig die ehrenwerte Miss Arcadia Walker dahergeritten kommt und wie charmant ihr Noch-Ehemann, der unstete Tausendsassa Seth Stanford. Da loben wir uns doch den standhaften Richter John Proth, der für Recht und Ordnung sorgt, nicht nur in Weston, sondern auch in seinem Garten.

Unterm Strich

Auch eine warnende Parabel wie „Die Jagd nach dem Meteor“ kann Spaß machen, wenn sie richtig erzählt und dargeboten wird. Für Vernes Oevre ist dieser Roman ja nicht gerade der erste Versuch, einen Weltherrscher in spe zu porträtieren. Neu ist hingegen, dass dieser potentielle Weltherrscher, nämlich Z. Xirdal, ein verspielter, vergesslicher junger Mann ist, dem jegliches Verantwortungsbewusstsein abgeht.

Auch der Grund, warum er den Zankapfel, nach dem alle Welt giert, aus eben dieser Welt schafft, passt genau zu ihm: Es ist ihm zu viel Stress und davon hat er bald die Nase voll. Er lebt nach dem Lustprinzip und kennt keine Pflicht. Das Gold ist ihm schnuppe, denn er braucht es nicht, lebt er doch vom Erbe seiner Vorfahren. Er wollte nur zeigen, dass er ein Genie ist. Dumm nur, dass genau dieser Punkt niemanden zu interessieren scheint. Die Welt, sie ist nun mal undankbar.

Rufus Becks Vortrag charakterisiert nicht nur Xirdal genau, sondern auch viele andere Figuren, allen voran die beiden Streithähne Forsyte und Huddleson. Obwohl die Action sich stark in Grenzen hält, macht das Hörbuch dank seiner Vortragskunst Spaß. Der einzige Punkt, der mich erheblich stört, ist der hohe Preis für 180 Minuten Hörbuch. Bei anderen Verlagen bekommt man für 24 Euronen doppelt so viel Sprechzeit.

Werksverzeichnis: Romane

Joyeuses Misères de trois voyageurs en Scandinavie (Romanfragment). 1861
Die fröhlichen Leiden dreier Reisender in Skandinavien. 2020
Cinq Semaines en ballon. 1863
Fünf Wochen im Ballon. 1875
Voyage au centre de la Terre. 1864
Die Reise zum Mittelpunkt der Erde. 1873
De la Terre à la Lune, trajet direct en 97 heures 20 minutes. 1865
Von der Erde zum Mond. 1873
Voyages et Aventures du capitaine Hatteras. 1866
Abenteuer des Kapitän Hatteras. 1875
Les Enfants du capitaine Grant. 1867 und 1868
Die Kinder des Kapitän Grant. 1875
Vingt mille lieues sous les mers. 1869 und 1870
Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer. 1874
Autour de la Lune. 1870
Reise um den Mond. 1873
Une ville flottante. 1871
Eine schwimmende Stadt. 1875
Aventures de trois Russes et de trois Anglais dans l’Afrique australe. 1872
Abenteuer von drei Russen und drei Engländern in Südafrika. 1875
Le Pays des fourrures. 1873
Das Land der Pelze. 1875
Le Tour du monde en quatre-vingts jours. 1873
Reise um die Erde in 80 Tagen. 1873
L’Île mystérieuse. 1874 und 1875
Die geheimnisvolle Insel. 1875 und 1876
Le Chancellor. 1875
Der Chancellor. 1875
Michel Strogoff. 1876
Der Kurier des Zaren. 1876
Hector Servadac. 1877
Reise durch die Sonnenwelt. 1878
Les Indes noires. 1877
Die Stadt unter der Erde. 1878
Un capitaine de quinze ans. 1878
Ein Kapitän von 15 Jahren. 1879
Les Cinq Cents Millions de la Bégum. 1879
Die 500 Millionen der Begum. 1880
Les Tribulations d’un Chinois en Chine. 1879
Die Leiden eines Chinesen in China. 1880
La Maison à vapeur. 1880
Das Dampfhaus. 1881
La Jangada. Huit cents lieues sur l’Amazone. 1881
Die „Jangada“. 1882
L’École des Robinsons. 1882
Die Schule der Robinsons. 1885
Le Rayon-vert. 1882
Der grüne Strahl. 1885
Kéraban-le-têtu. 1883
Keraban der Starrkopf. 1885
L’Étoile du sud. 1884
Der Südstern oder Das Land der Diamanten. 1886
L’Archipel en feu. 1884
Der Archipel in Flammen. 1886
Mathias Sandorf. 1885
Mathias Sandorf. 1887
Un billet de loterie. 1886
Ein Lotterie-Los. 1887
Robur-le-conquérant. 1886
Robur der Sieger. 1887
Le Chemin de France. 1887
Der Weg nach Frankreich. 2012
Nord contre Sud. 1887
Nord gegen Süd. 1888
Deux ans de vacances. 1888
Zwei Jahre Ferien. 1889
Famille-sans-nom. 1889
Die Familie ohne Namen. 1891
Sans dessus-dessous. 1889
Kein Durcheinander – auch bekannt unter: Alles in Ordnung und Der Schuss am Kilimandscharo. 1891
César Cascabel. 1890
Cäsar Cascabel. 1891
Mistress Branican. 1891
Mistress Branican. 1891
Le Château des Carpathes. 1892
Das Karpatenschloss. 1893
Claudius Bombarnac. 1892
Claudius Bombarnac. 1893
P’tit-bonhomme. 1893
Der Findling. 1894
Mirifiques Aventures de Maître Antifer. 1894
Meister Antifers wunderbare Abenteuer. 1894
L’Île à hélice. 1895
Die Propellerinsel. 1895
Face au drapeau. 1896
Vor der Flagge des Vaterlandes. 1896
bekannter unter dem Titel Die Erfindung des Verderbens.
Clovis Dardentor. 1896
Clovis Dardentor. 1896
Le Sphinx des glaces. 1897
Die Eissphinx. 1897
Le Superbe Orénoque. 1898
Der stolze Orinoco. 1898
Le Testament d’un excentrique. 1899
Das Testament eines Exzentrischen. 1899
Seconde Patrie. 1900
Das zweite Vaterland. 1901
als Fortsetzung der Robinsonade Der Schweizerische Robinson von Johann David Wyss geschrieben.
Le Village aérien. 1901
Das Dorf in den Lüften. 1901
Les Histoires de Jean-Marie Cabidoulin. 1901
Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin. 1901
Les Frères Kip. 1902
Die Gebrüder Kip 1903
Bourses de voyage. 1903
Reisestipendien. 1903
Un drame en Livonie. 1904
Ein Drama in Livland. 1904
Maître-du-monde. 1904
Der Herr der Welt. 1904
L’Invasion de la mer. 1905
Der Einbruch des Meeres. 1905

Die folgenden Werke aus dem Nachlass Jules Vernes wurden von seinem Sohn Michel Verne mehr oder weniger stark überarbeitet und veröffentlicht:

Le Phare du bout du monde. 1906
Der Leuchtturm am Ende der Welt. 1906
Le Volcan d’or. 1906
Der Goldvulkan. 1906
L’Agence Thompson and Co. 1907
Das Reisebüro Thompson & Co. 1907
La Chasse au météore. 1908
Die Jagd nach dem Meteor. 1908
Le Pilote du Danube. 1908
Der Pilot von der Donau. 1908
Les Naufragés du Jonathan. 1909
Die Schiffbrüchigen der „Jonathan“. 1909
Le Secret de Wilhelm Storitz. 1910
Wilhelm Storitz’ Geheimnis. 1910
Hier et demain. 1910
Gestern und morgen. 1910
Ein Sammelband, der mehrere der Kurzgeschichten enthält.
L’Etonnante Aventure de la mission Barsac. 1919, geschrieben von Michel Verne
Das erstaunliche Abenteuer der Expedition Barsac. 1978

Ebenfalls aus dem Nachlass Jules Vernes stammen folgende Werke:

Voyage à reculons en Angleterre et Écosse. 1859 bis 1860 geschrieben, 1989 veröffentlicht
Reise mit Hindernissen nach England und Schottland, 1997
L’Oncle Robinson. etwa um 1870 bis 1871 geschrieben, 1991 als Fragment veröffentlicht
Onkel Robinson
Paris au 20e siècle. 1863 geschrieben, 1994
Paris im 20. Jahrhundert. 1996

(Quelle: Wikipedia.de; zu fast allen diesen Titel bitet die Wikipedia eine Inhaltsangabe!)

|181 Minuten auf 3 CDs
übersetzt von Stefan Reisner|

Schenkel, Andrea Maria – Kalteis. Das Hörspiel

_Geheime Reichssache: der Frauenmörder Kalteis_

Anfang der 1930er Jahre werden junge Frauen vergewaltigt und umgebracht. Josef Kalteis ist verhaftet worden, aber gehen wirklich alle Verbrechen auf sein Konto? In diesem Hörspiel kommen Täter wie Opfer zu Wort. Es basiert auf einem authentischen Fall. Josef Kalteis alias Johann Eichhorn wurde von den Nationalsozialisten zum Tode verurteilt, alle Akten zur Geheimen Verschlusssache erklärt.

_Die Autorin_

Andrea Maria Schenkel, 1962 geboren, ist verheiratet und Mutter von drei Kindern. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Regensburg. Für ihren Bestseller „Tannöd“ erhielt sie den Friedrich-Glauser-Preis 2007. Die Lesung von Monica Bleibtreu wurde mit dem Dt. Hörbuchpreis 2007 ausgezeichnet. Der Roman wird zur Zeit verfilmt. Inzwischen ist ihr dritter Roman „Bunker“ erschienen, auch als Hörbuch.

Andrea Maria Schenkel auf |Buchwurm.info|:

[„Tannöd“ 4057 (Hörspiel)
[„Tannöd“ 2348 (Buchausgabe)

_Die Inszenierung_

|Die Rollen und ihre Sprecher|

Kathie: Laura Maire
Hofmann, Passantin: Andrea-Marie Wildner
Kathie als Kind: Linda Marie Schenkel
Kalteis: Ulrich Noethen
Und weitere.

|Der Regisseur und Bearbeiter|

Norbert Schaeffer, geboren 1949 in Saarbrücken, ist ein renommierter Hörspielregisseur. Er studierte Germanistik, Soziologe und Politologie. 1979 bis 1981 machte er eine Ausbildung zum Rundfunkjournalisten beim Saarländischen Rundfunk und arbeitete schließlich als Regieassistent. Von 1984 bis 2006 war er als freier Regisseur und Bearbeiter tätig. Seit März 2006 ist er Leiter der Hörspielabteilung des NDR in Hamburg. Hier hat er u. a. „Schnee“ von Orhan Pamuk und „Tannöd“ inszeniert.

|Die Musik| trug wie bei „Tannöd“ wieder Martina Eisenreich bei.

_Handlung_

Es ist der 29. Oktober 1939. Der Volksdeutsche Josef Kalteis wird zum Volksschädling erklärt und nicht begnadigt, also zum Tode verurteilt. Weil der Angeklagte ein Mitglied der NSDAP ist, wird die Prozessakte zur Geheimen Reichssache erklärt. Damit findet ein langes Verfahren seinen Abschluss. Aber hat man den Richtigen verurteilt?

Josef Kalteis gibt im Februar 1939 vorm Staatsanwalt zu Protokoll, er sei seit 1937 mit Walburga Pfafflinger verheiratet und habe mit ihr zwei Söhne, die mit ihnen in Aubing wohnen. Er arbeite als Rangierer bei der Bahn. Er sei aber kein Kostverächter, sondern schaue schon mal auch andere Frauen an, so etwa in bestimmten Gasthäusern. Die Schwarzhaarigen mit einem breiten Hintern mochte er am liebsten. Und er hat auch eine Methode, sie zu behandeln …

Seine Frau hat er erst nach der zweiten Schwangerschaft geheiratet, um Unterhaltszahlungen zu vermeiden. Auf die Behauptung, er habe seine Frau geschlagen, leugnet der Angeklagte erst, dann gibt er es zu. 1938 war er in Obermenzing bei München beim Schlachten einer Sau. Er kann alle Handgriffe kann genau beschreiben und erklären sowie Tipps geben.

Anwohner bemerken, wie ein Pärchen im Schnee liegt, wenig später kommt die Frau zur Tür getorkelt und erklärt, sie sei vergewaltigt worden. Die Anwohnerin radelt dem Kerl nach, doch er versteckt sich hinter einem Gartnhaus. Frau Schreiber stellt ihn zur Rede, aber er läuft davon. Sie radelt ihm hartnäckig weiter nach, aber er hört nicht zu. Nur der Gastwirt Schmied eilt ihm nach und verfolgt ihn über die Felder. Kalteis erinnert sich an ein Mädchen auf dem Gehweg vor Aubing, seinem Wohnort. Er packte es, aber an den Rest will er sich nicht mehr erinnern können. Zwei Frau verfolgten ihn, so viel weiß er noch, und dass ihn auf den Wiesen die Gendarmen festgenommen haben.

|Ein Opfer?|

Am Samstag, den 3. Oktober 1931, bricht Kathi Hertl aus Wolnzach auf nach München, um es in der großen Stadt zu etwas zu bringen, wie die tollen Schauspielerinnen. Sie geht zuerst zur Firma Hofmann und deren Direktorin, aber die hat keinen Bedarf, und ein Dienstmädchen bei einem Rechtsanwalt will Kathie auch nicht gern sein.

Am nächsten Tag fragt sie ihre Tante, aber die hat auch keinen Platz, deshalb kriecht sie bei einer Freundin unter, für ein paar Tage. Sie denkt über die Gustl nach, die ein Model wurde und dann die Syphilis bekam. Am 5. Oktober wirft die Freundin die Kathi hinaus. Sie soll in die Marienherberge. Abends kehrt Kathie wieder im Gasthaus Soller ein. Dort lernt sie den Blonden kennen. Aber sie geht mit einem anderen und küsst ihn zum Abschied. Am 9. Oktober, einem Freitag, trifft sie ihn mittags und geht mit in sein Haus in Waldperlach. Aber sie gibt sich ihm nicht hin, sie sei ja noch Jungfrau und kein Flittchen. In seiner Brieftasche findet sie grausame Fotos, die sie aber verdrängt. Am nächsten Tag wartet sie vergeblich, und am Sonntag hat er schon eine andere.

Auf der Wiesn wurde ein etwa 16- bis 18-jähriges Mädchen zuletzt gesehen, wie es sich von einem Mann Mitte 20 ansprechen ließ und mit ihm ging, Richtung Krankenhausanlagen. Der Mann, so die Zeugin, sah aus wie ein Kraftfahrer, so kräftig. Josef Kalteis erinnert sich ebenfalls an die Kathi Hertl, denn sie gefiel ihm…

|Vermisst|

Mehrere Zeugen beschreiben einen Mann mit Sportmütze, zwischen Germering, westlich von München, und südlich von Starnberg mehrfach beobachtet wurde, wie er Radfahrerinnen auflauerte. Manche von ihnen entkamen seinen Nachstellungen, doch einige auch nicht. So etwa Marlies, verheiratet seit dem 7.5.1934, 26 Jahre alt, für die am 30. Mai 1934 im Radio eine Vermisstenmeldung ausgegeben wurde …

_Mein Eindruck_

Diese Inhaltsübersicht habe ich aus den verschiedenen Einzelszenen des Hörspiels zusammengestellt. Da es von der Autorin (oder nur vom Verlag?) eine „Stimmencollage“ genannt wird, konnte ich nicht erwarten, so etwas wie eine Thrillerhandlung zu erhalten. Aber das, was ich am Ende bekam, waren gerade mal Bruchstücke von Szenen, die ich zusammensetzen musste – so ähnlich erging es wohl auch den Polizisten, die die Mordfälle zu untersuchen hatten.

Es ist ein Puzzle aus Impressionen, aber es gibt wenigstens zwei rote Fäden. Der eine ist Josef Kalteis selbst, der vor dem Staatsanwalt aussagen muss. Der Vorgang, dass er erst nach Leugnen die Wahrheit eingesteht, ist einfach zu verstehen. Leider kommt er im letzten Drittel nur einmal vor. Der zweite Handlungsstrang dreht sich – minutiös protokolliert wie ein Tagebuch – um Kathi Hertl aus Wolnzach in Bayern, die in München und Umgebung gerade mal eine Woche überlebt, bevor sie umgebracht wird.

Ihr Schicksal wird nun verallgemeinert. Was diese zwei klaren Bilder im Bewusstsein des Hörers verwischt, sind die drei oder vier anderen Mordopfer wie etwa Melanie aus dem Jahr 1934. Zum Glück gibt es hier gemeinsame Nenner wie etwa den, dass alle Opfer Rad fuhren, allein waren und ziemlich lange Strecken über flaches Land zurücklegten, welches damals viel weniger dicht besiedelt war als heute. Sie waren folglich ihrem Jäger ziemlich stark ausgesetzt. Ob dieser Jäger nun Josef Kalteis war oder auch ein „Kraftfahrer“ (LKW-Fahrer), bleibt offen.

Leider erfahren wir auch über die Psyche des Mörders Kalteis herzlich wenig, zumindest im Hörspiel – im Buch könnte hierzu viel mehr stehen. Dass er ein Triebtäter ist, macht er selbst klar, als er den Staatsanwalt um Hilfe wegen seines Triebs anfleht, dem er immer wieder ausgesetzt sei. Und als er seine bevorzugten Opfer beschreibt – mollige Schwarzhaarige – wird ebenfalls klar, dass hinter seiner Gier nicht nur Sexgier steht, sondern noch etwas Schlimmeres: ein Wille zur Vernichtung des Opfers. Ohne weiter in Details gehen zu wollen, sei hier nur auf Kalteis‘ kundige Schilderung einer Sauschlachtung verwiesen. Es genügte ihm nicht, „nur“ zu töten; der Tod musste einer Schlachtung gleichkommen.

Man fragt sich unwillkürlich nach den tiefenpsychologischen Gründen für ein solches Verhalten. Davon ist im Hörspiel jedoch an keiner Stelle die Rede. Das ist sehr schade. Denn nun kann man keine Parallele ziehen von Kalteis‘ Verhalten zu dem der Nationalsozialisten, die ab 1938 über die umliegenden Völker herfielen und deren Juden sowie andere unerwünschte Gruppen vernichteten.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Das Hörspiel eröffnet mit der Verkündung des Urteils über Kalteis. Die Atmosphäre ist unpersönlich, funktional, der Richter oder Staatsanwalt anonym. Die erste richtige Figurenstellung betrifft Kathie Hertl, die ihre Gedanken sprechen lässt. Laura Maire und Linda Marie Schenkel sprechen diesen Part, mal Kathie als Kind, mal als jugendliche Kindfrau. Sie unterscheidet sich in keiner Weise von Millionen anderer junger Frauen jener Zeit und ist als Individuum uninteressant, sondern lediglich als Exemplar, als Typ. Das ist schade, denn so hält sich die Anteilnahme des Hörers in Grenzen. Lediglich Begegnungen mit Ima und Freundin etc. zeichnen ein diffuses Bild von ihr.

Auch das Bild, das Kalteis abgibt, ist diffus, wie schon oben angedeutet. Ulrich Noethen verleiht ihm mit seiner Stimme aber eine Glaubhaftigkeit, die Kathies Rolle fehlt: Diese Stimme ist nicht die eines abweisenden Despoten, sondern die eines Ehemanns, Familienvaters, Wirtshausgastes. Und dann ist da noch die andere Sache. Hier wird Noethen richtig emotional, bis es am Schluss aus ihm herausbricht, man möge ihn vor „dem Trieb“ retten.

Der Rest der Rollen verteilt sich auf Nebenfiguren, hauptsächlich Zeugen und Angehörige von Opfern. Hier wird zuweilen das Zeitkolorit eingefangen, so etwa als Mussolini, der Duce, München besucht und alles Volk herbeiströmt, um den Staatsbesucher zu begaffen.

|Geräusche und Soundeffekte|

In der Szene der Urteilsverkündung hören wir eine Schreibmaschine ihren bürokratischen Takt hämmern. Klar ist, dass hier ein Menschenleben zu Ende gebracht wird. Sogleich folgt als Kontrastprogramm das Läuten von Kirchenglocken, als Kathie nach München aufbricht. Sie ist behütet und religiös aufgewachsen, nun sehnt sie sich nach dem Glamour der Stadt, und romantische Geigen unterstreichen ihre Phantasien. Später kommt noch Caféhausmusik hinzu, nie jedoch die Wirtshaus-Blasmusik, die man von Bayern erwarten würde. Einmal läuft im Hintergrund aus dem Radio schmalzige Popmusik jener Zeit.

Das Kontrastprogramm zu diesen Phantasien liefert die Vergewaltigung vor Frau Schreibers Garten, die Verfolgung (wieder per Rad) und das abschließende Kreischen von Krähen. Diese Szene ist quasi die kalte Dusche für den Hörer und lässt für Kathies Phantasien nichts Gutes erwarten.

Immer wieder fiel mir ein unterschwelliges Rumpeln auf, das an unheilverkündenden Textstellen – Szene wäre zu viel gesagt – eingesetzt wird. Das Rumpeln taucht zuerst am Ende der Sauschlachtungsschilderung durch Kalteis auf, dann wieder bei Erwähnung der ermordeten Hertha und schließlich bei der Erwähnung der Zeitungsartikel, die Kalteis aufhob. Der tiefe Soundeffekt fällt nur dem aufmerksamen Hörer auf, verfehlt aber kaum seine Wirkung: das der Beunruhigung.

|Die Musik|

Die Musik von Martina Eisenreich hält sich gänzlich fern von Melodien und Kadenzen, sondern beschränkt sich auf die Erzeugung von Stimmungen und einer unheimlichen Atmosphäre. Es ist nicht einmal eine Kirchenorgel zu hören, allenfalls eine Kirchenglocke. Dafür wirkt die Musik aber unterschwellig umso stärker. Niemand kann sich ihren subliminal wirkenden Klängen entziehen.

Ergänzt wird die Originalmusik mit Konserven, die ein wenig verzerrt aus dem Radio in den Haushalten dringen. Es ist Friedenszeit, Vorkriegszeit, eigentlich eine ländliche Idylle. Wenn da nur nicht Kalteis wäre.

_Unterm Strich_

Das Hörspiel ist die Aufarbeitung einer langen Mordserie, die mindestens drei Jahre währte und das Münchner Umland unsicher machte. Dass man von diesem obsessiven Serientäter noch nie gehört hat, liegt wohl an dem Umstand, dass es sich um eine Geheime Reichssache handelt.

Es wäre interessant gewesen, mehr über die Recherche und die Motivation der Autorin zu erfahren, aber das Hörspiel ist als dritte Verwertung dieses Materials wohl nicht der rechte Ort für solche Informationen. Wer sich für dieses Thema interessiert, sollte zunächst zum Buch greifen. Spannend genug ist die Ermittlung ja. Die Frage, ob Kalteis der einzige Täter war, bleibt leider unbeantwortet. Aus verschiedenen Andeutungen geht hervor, dass er es nicht war.

|Das Hörbuch|

Die Sprecher sind ausgezeichnet für ihre Rollen geeignet, wenn mir auch die Rolle der Kathie ein wenig zu zurückgenommen vorkam. Dafür ist Kalteis relativ dominant, und er hat sogar das letzte Wort. Was ich mir unter „Britschn“ vorstellen soll, die er (seinem Opfer) „rausgeschnitten“ habe, wage ich mir allerdings gar nicht vorzustellen.

Realistische Geräusche ergänzen die Soundeffekte und die Orginalmusik sowie die Musikkonserven aus den 1930er Jahren. So wird das Geschehen sowohl in eine reale Zeit und Region gebunden als auch mit einer psychologischen Dimension vertieft. Die Ermittlung mit all ihren Zeugenschilderungen ist nur ein Drittel der Wahrheitsfindung, und die anderen beiden Drittel bestehen aus Kalteis‘ Aussagen und Kathis persönlichem Erleben, das sie aus subjektiver Sicht erzählt. Diese Darstellungsweise ist ein bewährtes ästhetisches Konzept, und es gibt nichts daran auszusetzen. Was noch fehlt, ist eine tiefere psychologische Dimension in der Figur des Kalteis. Vielleicht bietet das Buch mehr in dieser Hinsicht.

Dass selbst ein Hörspiel von nur 81 Minuten (inkl. einer Minute Absage der Mitwirkenden) rund 20 Euro kostet, ist schon ziemlich happig. Ich finde das zu teuer. Man sollte sich vielleicht die CD gebraucht zulegen, oder noch besser die Lesung kaufen, die von Monica Bleibtreu ausgezeichnet vorgetragen wird.

|81 Minuten auf 2 CDs
ISBN-13: 978-3-89903-639-8|
http://www.hoerbuch-hamburg.de
http://www.andreaschenkel.de

Márai, Sándor – Glut, Die (Lesung)

_Die Glut der verborgenen Leidenschaft_

Im Jahre 1999 wurde dieses erzählerische Meisterwerk des ungarischen Schriftstellers Sándor Márai wiederentdeckt. Im Mittelpunkt stehen eine tragische Dreiecksbeziehung und Fragen nach Freundschaft und Treue, nach Stolz und Noblesse.

_Der Autor_

Der ungarischer Erzähler Sándor Márai (ausgesprochen „schandor maroi“) lebte von 1900 bis 1989. Sein Roman „Die Glut“ erschien 1942. Jahrzehntelang war das umfangreiche schriftstellerische Werk des Ungarn in seiner Heimat verboten. Er hatte 1948 Ungarn verlassen und setzte – wie der ebenfalls ins Exil gegangene Stefan Zweig (gestorben 1942) – seinem Leben 1989 in San Diego ein Ende. Zu früh, so kurz vor der politischen Wende des Ostblocks. (Mehr Details am Schluss.)

_Die Sprecher_

Das Hörspiel von Sebastian Goy wurde von verschiedenen Rundfunkanstalten in Kooperation umgesetzt, darunter Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk. Regie führte Walter Adler. Das Hörbuch entstand im Jahr 2000, ist also nicht das jüngste.

General: Thomas Holtzmann. Über ihn ist mir nichts bekannt.

Konrad: Rolf Boysen – er spielte den kaiserlich-böhmischen General Wallenstein in der gleichnamigen TV-Verfilmung von Golo Manns Roman, die immer noch eine der besten Leistungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens der BRD darstellt.

Weitere Rollen wurden mit Doris Schade, Michael König, Susanne Lothar und Hans-Peter Hallwachs besetzt. Letzterer trat inzwischen auch als Sprecher von Hörbüchern hervor.

Das schöne Titelbild zeigt ein Gemälde von Alexandre Cabanet, mit dem er „Die Comtesse de Keller“ porträtierte, eine schwarzhaarige Schönheit in grünem Kleid und mit Perlenohrringen.

_Handlung_

Das Geschehen spielt an nur einem Abend des Jahres 1940, doch geht es im eigentlichen Sinn um eine kurze Zeitspanne vor exakt 41 Jahren und 43 Tagen, also im Jahre 1899. Henrik, dem General, der mittlerweile 75 Jahre alt ist, sind solche Zahlen immer noch sehr wichtig. Seine Amme Nini, die immerhin schon 91 ist, weiß das nur zu gut. Und deshalb widerspricht sie seinen Anordnungen nicht. Genauso wenig, wie seinerzeit die Generalsgattin Krisztina ihm widersprach. Sie starb 1907, dreißigjährig, vor 32 Jahren. Und doch ist es, als wäre es erst gestern geschehen.

Heute ist ein besonderer Tag: Henriks Jugendfreund Konrad hat sich angekündigt. Der General beschließt, diesen Tag zu einem Tag der Rache und Abrechnung zu machen, für das, was Konrad getan hat.

Konrad, der seit jenem Schicksalstag in Singapur und London gelebt hat, war im Alter von zehn Jahren zum besten Freund des Generals geworden, als beide die Kadettenschule von Wien besuchten. Aufgenommen in Henriks Familie, blieb er das auch 24 Jahre hindurch, bis 1899. Doch Konrad liebte im Gegensatz zum General die Musik, empfand in ihr Lust und Befreiung. Diese Leidenschaft blieb dem pflichtbewussten General verschlossen, doch den Frauen gefiel sie. Warum dann ging Konrad weg, warum floh er an jenem Schicksalstag, trat aus dem Militär aus und wanderte in die feuchten Tropen aus?

Konrad ist keineswegs der Gesprächigste und rückt mit keinerlei Bekenntnissen heraus. Ist er zu feige oder zu rücksichtsvoll, um die Lebenden und die Toten (Krisztina) zu beschuldigen?

Daher erinnert der General ihn an jenen Morgen auf der Hirschjagd im Wald, als Konrad sein Gewehr auf den General, seinen besten Freund, anlegte und zielte. Warum schoss er nicht? Konrad ging weg und kehrte erst am Abend wieder, um mit Krisztina, die ein Buch über die Tropen (!) las, intensiv zu plaudern, so intensiv, dass sich ihr Mann ausgeschlossen fühlte.

Am nächsten Tag sucht er Krisztinas Tagebuch, in das er sonst immer Einblick erhalten hat: Es ist verschwunden. Bis heute. Heute hat der General das Tagebuch wieder und legt es Konrad ungeöffnet als Kronzeugen vor, quasi an Krisztinas Stelle. Wird Konrad sich verteidigen? Krisztina hatte ihn damals bereits angeklagt, als er verschwand: „Er ist geflohen. Der Feigling.“ Hatte sie etwa mit Konrad aus der Ehe ausbrechen und abreisen wollen? War das der Grund für Konrads „Flucht“? Danach sprach sie kein Wort mehr mit Henrik. Ein altes Rätsel, das gelöst werden muss.

Wird Konrad sich endlich verteidigen, oder wird der General das Tagebuch in die wartende Glut des Kaminfeuers werfen, auf dass die Wahrheit für immer begraben sei?

_Mein Eindruck_

Henrik, der General eines untergegangenen Reiches (das der Habsburger), hält einen beeindruckenden Monolog, in dem sich Rachegelüste, Enttäuschung und ein inniger Glaube an die Macht der Gefühle vermengen. Doch eine tiefe Kluft ist spürbar, ein kafkaesker Abgrund zwischen ihm und dem, was aktuelle politische Realität ist. Henrik ist ein Fossil.

Sein Jugendfreund Konrád hat dem nicht viel entgegenzusetzen, denn er schweigt meistens. Doch in dem Ringen um die Wahrheit verschiebt sich wiederholt die Perspektive. Am Ende steht zumindest bei Henrik die traurige Erkenntnis, dass dieses Ringen sinnlos ist. Die von beiden geliebte Frau ist seit Jahrzehnten tot; Henrik hat nach dem Vorfall nie wieder mit ihr gesprochen. War sie Konrads Komplizin und Geliebte? Henrik und Konrad haben – jeder auf seine Art – die Liebe verraten und damit ihrem Leben den Sinn geraubt.

Die Handlung verläuft quasi in drei Stufen: Zunächst das Warten des Hausherrn auf den Besuch des Jugendfreundes, dann folgt die Begegnung der beiden und schließlich der lange Monolog Henriks, nur wenige Male von Anmerkungen Konráds unterbrochen.

Die enorme Spannung, die der Text über die gesamte Länge aufrecht erhalten kann, speist sich aus der Neugier auf den Fortgang beziehungsweise die Auflösung der Geschichte. Sie lebt aber vor allem aus den aufgegriffenen Themen, aus der Tatsache, dass es die existenziellen, die letzten Fragen sind, die in diesem Buch gestellt werden. Treue zu Freund und Ehefrau, wechselseitiger Verrat der beiden, Suche nach Klarheit in der Aufklärung einer moralischen Katastrophe, die 41 Jahre zurückliegt, in einer anderen Welt, als das Reich noch in Ordnung war.

Nach und nach erweitern geschickt gesetzte Rückblenden im Zuhörer die Ahnung von dem Geschehen in dieser dramatischen Dreiecksgeschichte. Da jedoch alles aus der Perspektive der Hauptfigur des Generals geschildert wird, kann man nicht entscheiden, ob seine im Monolog entfaltete Version der Wirklichkeit entspricht. Es könnte auch ganz anders gewesen sein. Warum hatte Konrad nicht abgedrückt und seinen Freund erschossen? War dies die einzige Möglichkeit, sowohl Freund als auch Geliebte zu behalten? Im Ergebnis jedoch verlor er beide, lebten alle drei ein Scheinleben der Unerfülltheit.

Das Leben des Generals entscheidet sich an nur zwei Tagen des Jahres 1899. Aber angelegt ist dieses Schicksal schon viel früher. Der die militärische Laufbahn einschlagende General, seinem Vater wesensnäher als seiner Mutter, fühlt sich schon von Kindheit an von der Musik und mit ihr vom Zugang zu seiner eigenen Emotionalität getrennt. So kann er weder seinen Freund noch seine Frau begreifen, deren geheime und verbotene Leidenschaft zueinander ihm den Boden unter den Füßen entzieht.

Urplötzlich befindet sich Henrik auf einer emotionalen Insel, separiert von Frau und Freund, genau wie er sich zeitlich nach dem Untergang des Reiches auch gesellschaftlich-politisch auf einer Insel des Gestern befindet, dem persönlichen Untergang entgegentreibend. Und so wird aus der Abrechnung mit Konrad zugleich auch eine Abrechnung mit der vergangenen Kultur der kaiserlichen und königlichen Monarchie. Der Glanz ist vergangen, genau wie die Glut der Leidenschaft des Jahres 1899.

|Empfehlung|

Man sollte diese Geschichte gleich mehrmals erleben, denn sie besteht aus mehreren Schichten der Bedeutung. Jede Rückblende häuft eine weitere Dimension zum bereits Gesagten hinzu. Erkenntnis überlagert Erkenntnis. Ich habe mir wie immer Notizen gemacht – nicht nur, um die vertrackte Zeitstruktur auf die Reihe zu bekommen und mir die Namen zu merken, sondern auch um Henriks Argumente festzuhalten, die er gegen Konrad und seine Frau vorbringt. Doch am Ende steht der Eindruck, dass es um Dinge und Taten geht, die nicht in Worten ausgesprochen werden. Daher nochmals meine Empfehlung, das Hörspiel mehrmals anzuhören, um die Zwischentöne aufzuspüren.

|Die Sprecher|

Meist sprechen hier alte Männer, im Monolog dominiert Thomas Holtzmann als der alte General. Er spricht nuancenreich, wechselt oft das Tempo, je nachdem, ob er sich erinnert oder Konrad direkt anspricht. Die anderen bekannten Sprecher wie etwa Hans-Peter Hallwachs spielen eine sehr untergeordnete Rolle.

Dramaturgisch ist das Hörspiel aufgrund des dominierenden Monologs wenig attraktiv: Es passiert rein gar nichts, und nur die Psychologie des Augenblicks erschafft die Spannung aus der Frage, ob es am Ende Mord und Totschlag geben wird.

_Unterm Strich_

„Die Glut“ ist ein sehr ruhiges, absolut aktionsloses Hörspiel. Der Zuhörer ist gezwungen, genau hinzuhören, um zu erfassen, welches psychologische Drama sich entfaltet. Zudem finden viele Rückblenden Eingang in die psychologische Aufladung des Augenblicks, und die entscheidenden Zeitebenen liegen 41 Jahre auseinander. Dennoch mag das Hörspiel seinen hochliterarischen Reiz entfalten für denjenigen, der bereit ist, es sich mehrmals anzuhören. Es eignet sich definitv nicht für lange Autofahrten. Vielmehr sind in den Tiefen zwischen den Sätzen die Geheimnisse und Rätsel erst bei genauem Hinhören aufzuspüren. Dass sie existieren, können Millionen Leser in aller Welt bezeugen. „Die Glut“ war die literarischen Sensation der neunziger Jahre.

|Mehr Details über den Autor|

Sándor Márai, geboren am 11. April 1900 in Ungarn, studierte Philologie. Sein erster Gedichtband erschien 1918. Nach dem Ersten Weltkrieg lebte Márai als Student und literarischer Feuilletonist in Deutschland und Paris. 1928 kehrte er zurück in die ungarische Heimat und erlebte dort in den dreißiger Jahren eine Zeit größter Schaffenskraft und literarischer Erfolge. 1948 floh er in den Westen und lebte in der Schweiz, in Italien und in Amerika. Nach dem Tod seiner Frau nahm Márai sich im Februar 1989 in San Diego, Kalifornien, das Leben.

Mehr dazu bei| [wikipedia.]http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%A1ndor__M%C3%A1rai |

|Originaltitel: A gyertyák csonkig égnek
Originalausgabe 1942, Dt. Erstausgabe 1950, neu 1999 bei Piper
übersetzt von Christina Viragh|

Roche, Charles (Zeller, Bernd) – Trockenzonen

_Vorsicht: Parodie mit Ekel- und Gähnfaktor!_

„Feuchtgebiete“ war für Mädchen. „Trockenzonen“ ist für Männer. Echte Männer. Schluss mit Schönheitswahn, Waschzwang und Duft-Terror! Männer müssen wieder Männer sein – und auch so riechen! (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Charles Roche ist ein Pseudonym. Dahinter verbirgt sich der vielfache Buchautor und frühere „Pardon“-Herausgeber Bernd Zeller.

_Der Sprecher_

Oliver Korittke, 1968 in Berlin geboren, trat schon als Sechsjähriger in der „Sesamstraße“ auf. Nach ersten Bühnen-Engagements folgte schließlich der endgültige Sprung zum Film. Bis heute hat er in über 50 Filmen mitgewirkt. Im Jahr 2000 erhielt er den Adolf-Grimme-Preis. (Verlagsinfo).

Regie führte Margrit Osterwold. Die Aufnahme erfolgte im Eimsbütteler Tonstudio, Hamburg.

_Inhalt_

|Vorwort|

Der Autor bezieht sich auf das Buch von Charlotte Roche und erklärt sein (satorisches) Gegenprogramm: „Nur ein Mann, der auch riecht, ist wirklich einer.“

|Das Hauptprogramm|

Helen aus „Feuchtgebiete“ macht die Bekanntschaft des neuen Patienten, der uns nie seinen Namen verrät und als Ich-Erzähler auftritt. Helen imponiert ihm mordsmäßig, weil sie Staub ohne Höschen, sondern mit dem Po wischt. Sie lehnt die Tyrannei der Hygiene bekanntlich ab, genau wie er. Er hat von Kindesbeinen an Parodontose gehabt, dass das Zahnfleisch blutete. Er schluckte das Blut natürlich. Das Zahnfleisch sieht jetzt aufgequollen wie eine Artischocke aus: seine Gesichtsmuschi. Doch jetzt steht eine Notoperation an: Auch seine Stoßzähne müssen raus. Und weil er schon mal dabei ist, entfernt ihm der Chirurg auch gleich den ungehinderten Bartwuchs.

Schon als Baby wäre er am liebsten gleich wieder ins Fruchtwasser zurückgeglitten und pinkelte stattdessen ins Badewasser. Zähneputzen und Unterhosetragen kam ebenso wenig infrage wie Abschütteln beim Pinkeln. Gelobt sei der Pissfleck. Daheim legt er sich in seine Trockenzone: eine Badewanne voll Moos und Dreck, den er sich extra von der Straße gesaugt hat. Sowohl das Geschirr in der Spüle wie auch das Moos im Flur bilden eine Feuchtbiotop, das gerne von Fröschen genutzt wird, die den Fliegen nachstellen.

Nachdem er einen Toleranzkurs an der VHS besucht hat, begibt er sich auf Mission, um die hygieneunterdrückten Männer seines Volkes zu befreien. Er muss sie vom Waschzwang befreien, damit sie richtige Männer sein können. In erstaunlich kurzer Zeit hat er es von Klubs und dem Rathausfoyer bis in die Talkshows und Trendmagazine geschafft. Botschaft: „Du bist dein eigenes Deo!“

|Bonusmaterial|

A) Fundstücke aus der Presse

– Riechen wie die Stars;
– Das aktuelle Interview mit Dr. Axel Fußpilz, einem Seifenforscher;
– Mode: Interview mit Yves St. Paint wider die Zweitunterhose;
– Abstimmung über die ultimative Geruchsquelle, moderiert von G. Jauche;
– Infos über die größten Hygieneirrtümer;
– Trendberichte über Dirk Bach und Amy Winehouse;
– In- und Out-Liste
– Tier und Mensch: In- und Out-Liste; Mega-in ist der Moschusochse;
– Lyrikecke mit einem Text von Charlotta Roche-Grünbein;
– Leser fragen, Experten antworten

B) Service: Was tun im Schwimmbad?

C) Verbrauchertipp: Shapoorückrufaktion durch alle Hersteller

D) Buchtipp: „Schmuddel-Ich“ von Constanze Ölich. Plot: Eine Frau bekennt sich, nach anfänglichen Vorbehalten, zu ihrem ungewaschenen Mann, die Kommunikation läuft ja jetzt nonverbal, und zu guter Letzt bauen sie ihr Bad zu einem Hobbyraum um.

_Mein Eindruck_

Man sollte sich immer vor Augen halten, dass dieser Text a) nicht ernst gemeint ist und b) eine Antwort auf Charlotte Roches Buch „Feuchtgebiete“ sein soll. Wer also den Text für bare Münze nimmt UND zugleich „Feuchtgebiete“ NICHT kennt, steht auf verlorenem Posten und darf sich mit einem Sechser im Klassenbuch setzen. Oder als Esel in die Ecke stellen, um sich zu schämen.

Ich rief mir zwar ins Gedächtnis, dass der Schreiber dieser Texte – sie kommen ja aus unterschiedlichen Verwendungsbereichen – von einer Satire-Zeitschrift kommt, doch was er mir dann vorsetzte, schlug auch mir gehörig auf den Magen: blutendes Zahnfleisch, Sperma, Kotze und dergleichen mehr, was ich gar nicht aufzählen will. Das Leben des Ich-Erzählers mutet dann schon eher putzig an: Feuchtgebiete und Trockenzonen.

Etwas bissiger fand ich dann schon die ironischen Angriffe des Autors auf die Mediengrößen hierzulande. Der Geruchsmissionar wird zum Politpromi, wie es ja schon mehreren Leuten widerfahren ist. Reinhold Beckmann erklärt sich solidarisch, ebenso Klaus Wowereit und Oskar Lafontaine. Nur Katja Riemann wagt es bei Johannes B. Kerner, Vorbehalte gegen den ungewaschenen Mann zu äußern, wird aber zur willkommenen Front, an der sich der Rebell mit dem Fußpilz profilieren kann. Was wäre ein Revoluzzer ohne seine Feinde? Eben: nichts.

Diesem amüsanten Teil schließen sich die obligatorischen Fingerübungen eines Parodisten an. Wer so etwas schon kennt, wird nicht überrascht werden. Und auch sonst bietet das Bonusmaterial wenig Überraschungen, vom Ekelfaktor ganz zu schweigen.

|Der Sprecher|

Oliver Korittke ist ja schon als Schauspieler nicht gerade eine Offenbarung, als Sprecher bietet er in dieser Hinsicht keine Überraschung. Er schafft es gerade mal, den Text fehlerfrei vorzutragen, ohne sich ständig zu verhaspeln. Aber von ihm dann auch noch zu erwarten, unterhaltsam und sogar WITZISCH zu sein, das wäre wirklich daneben.

Immerhin gelingen ihn ein paar emotionale Darstellungen, so etwa der schmerzerfüllte Ausdruck eines Türstehers, dem der Ich-Erzähler seine ungewaschenen Füße präsentiert. Auch die demagogischen Sprüche des Missionars der Antihygiene kommen so gut zur Geltung wie das laut johlende Volk seiner Jüngerschaft. Am besten sind noch der französisch näselnde Modeschöpfer Yves St. Paint und der ernst und tief daherdozierende Experte Dr. Axel Fußpilz.

Es gibt weder Musik noch Geräusche, was für eine solche Miniproduktion wahrscheinlich auch ein Overkill wäre.

_Unterm Strich_

Der Haupttext verschießt sein Pulver bereits in der ersten Viertelstunde, danach kommt nichts mehr, das den Ekelfaktor und Einfallsreichtum dieses Anfangs noch toppen kann. Die Missionarstour kennt man von etlichen Weltbekehrungswerken her. Über eine individuelle Psychologie, die über das Antibild, welches der ungewaschene Mann abgibt, hinausginge, kann man wohl kaum sprechen. Wieso er sich überhaupt auf eine Mission begibt, ist völlig unmotiviert.

Was entschieden fehlt, ist die Integration der Helen in einer menschlich interessanten Beziehung. Hier hätte es einen Konflikt geben müssen, wie ihn beispielsweise „Schmuddel-Ich“ ganz am Schluss andeutet. Hätte der Autor diesen Plot geschrieben, wäre die Story zwar platter, aber wesentlich unterhaltsamer geworden. Und man muss ja nicht unbedingt das Bad zum Hobbyraum umbauen. Man kann ja auch eine Party der Ungewaschenen darin veranstalten. Motto: Zurück ins Neanderthal!

|44 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3869090108|
http://www.hoerbuch-hamburg.de

Nothomb, Amélie – Professor, Der (Lesung)

Die alten Eheleute Juliette und Emile Hazel sehnen sich nach einem friedlichen Lebensabend auf dem Land. Als sie ihr kleines Traumhaus beziehen, dürfte ihrem Glück eigentlich nichts mehr im Weg stehen. Doch dann lernen sie ihren Nachbarn, den Arzt Bernardin, kennen. Pünktlich um 16:00 Uhr kommt er und will seinen Kaffee. Jeden Tag. Die Hazels denken, man könne sich mit dem Quälgeist arrangieren. Aber sie haben noch nicht Madame Bernardin kennen gelernt.

|Die Autorin|

Amélie Nothomb, 1967 in Kobe/Japan geboren, verbrachte ihre Kindheit als Tochter eines belgischen Diplomaten in Japan und China. Nach ihrem Philologiestudium begann sie zu schreiben. Besonders in Frankreich feiert sie Erfolge. Sie lebt in Paris. „Mit Staunen und Zittern“ trug ihr den „Prix de l’Académie Francaise“ ein. Bei |Hörbuch Hamburg| sind bereits ihre Romane „Mit Staunen und Zittern“, „Quecksilber“ und „Metaphysik der Röhren“ erschienen.

|Der Sprecher|

Walter Kreye ist dem Hörer nicht nur durch zahlreiche Film- und TV-Rollen bekannt. Seine Stimme war in den verschiedensten Hörspiel- und Hörbuchproduktionen zu hören. Für |Hörbuch Hamburg| hat er beispielsweise [„Der Trudeau-Vektor“ 1020 von Juris Jurjevics gesprochen.

_Handlung_

Der 66 Jahre alte Emile Hazel erzählt, wie alles vor etwa einem Jahr anfing. Der pensionierte Gymnasiallehrer für Latein und Griechisch und seine Frau Juliette waren aufs Land gezogen, wo sie ihr Traumhaus gefunden hatten. Es liegt am Rande einer Waldlichtung, die von einem Bach durchflossen wird. Auf der anderen Seite des Baches liegt das Haus der Nachbarn. Dort wohnte ein etwa 70-jähriger Arzt, Bernardin, mit seiner Frau. Jetzt wohnt er nicht mehr da, nur noch seine Frau.

Der Ärger begann, wie gesagt, vor etwa einem Jahr, im Winter, bei Schneefall. Emile versuchte vergeblich, im Herd ein Feuer anzufachen. Da kommt nachmittags der Nachbar zu Besuch. Er klopft an, tritt ein, setzt sich in einen Sessel im Wohnzimmer, schweigt. Das ist das Markanteste an Bernardin: Sein verdrossenes Schweigen. Aber er vermag durchaus zu sprechen. Allerdings braucht er immer exakt 15 Sekunden Zeit, bis er das Wort geformt hat: Ja, meistens ist es aber Nein. Erstaunlich, was er alles mit diesem Wortpaar auszudrücken vermag. Immerhin erweist es sich, dass er einen Vornamen hat: Pallamède. Ah, Pallamedes, der ja in der „Ilias“ das Würfelspiel erfand! Der Professor hat zu jedem und allem eine Erinnerung aus seinen Unterrichtsfächern, den alten Sprachen.

Fortan kommt Bernardin täglich exakt um 16:00 Uhr zu den Hazels, keine Minute früher oder später. Sie können ihre Uhr nach ihm stellen. Doch die „pallamedische Invasion“, wie Emile die schweigsamen Besuche zu nennen beginnt, haben beileibe nicht nur ihre gute Seite. Sie bringen die dunklen Seiten des Ehepaars, das seit 56 Jahren zusammen und seit 43 Jahren verheiratet ist, zum Vorschein. Spott und Parodie sind Emiles erprobte Kritikmethoden, um den ungebetenen Gast wieder zu vertreiben. Denn Bernardin treibt einen Keil zwischen die beiden. Und Juliette wird immer leicht krank, wenn Unstimmigkeiten in ihrer Umgebung auftreten.

Emile erkennt an sich befremdet, dass er ein wohlerzogener Hasenfuß ist. Er bringt es nicht fertig, dem Eindringling die Tür zu weisen. Als er einmal das Klopfen um 16 Uhr ignoriert, donnert Bernardin so lange gegen die Haustür, dass die Eheleute es nicht mehr aushalten. Die Zugbrücke wird heruntergelassen.

Der Gipfel des Masochismus ist wohl jener denkwürdige Tag, als Bernardin seine Frau Bernadette mitbringt. Sie ist nicht bloß ein Fettkloß, ein Fleischberg, nein, sondern viel mehr als das: Emile nennt sie eine Zyste. Und ihre Arme stehen ab wie „Tentakel“. Was sie artikuliert, sind unverständliche Laute. Nur ein Wort ist zu erkennen: „Sup-pe!“ Sie meint die Schokoladensoße. Nach drei Stunden ist auch dieses Abenteuer überstanden. Die Hazels sind fix und fertig.

Als Claire, Emiles Lieblingsschülerin, zu Besuch kommt und Bernardin begegnet, den sie für einen Freund des Paares halten muss, erkennt Emile, dass er viel verloren hat. Ja, dass das Böse bei ihnen Einzug gehalten hat. Denn Claire wird, auch wenn sie das Gegenteil beteuert, nicht wiederkommen. Sie haben quasi eine Enkeltochter verloren. Bernardin sieht triumphierend drein. Emile schäumt.

Etwas muss geschehen, Emile weiß es, und als er erkannt hat, was das sein muss, überschlagen sich die Ereignisse. Erst spät, fast schon zu spät erkennt Emile, welche geheime, unausgesprochene Absicht hinter dem Verhalten des Nachbars stehen muss.

_Mein Eindruck_

Juliette und Emile sind ein ungewöhnliches Ehepaar. Sie kennen sich, seit sie sechs Jahre alt waren, und daher betrachtet Emile seine Frau als seine Schwester, ja sogar als Tochter. Sie sind kinderlos, wen wundert’s, und bilden anscheinend eine Einheit, sozial wie auch mental. Und dann kommt da dieser Quälgeist über sie, Bernardin. Er erweist sich als Spaltpilz, bis es so weit kommt, dass Emile seine bessere Hälfte anlügt und noch Schlimmeres tut.

|Die Natur des Bösen|

Emile liebt es zu räsonnieren, Überlegungen über andere und sich selbst anzustellen. Als Gymnasiallehrer für alte Sprachen verfügt er über ein ausgedehntes Repertoire an Vergleichen und Gedankenfiguren. So bemerkt er, dass sich das Böse, wie Bernardin es verkörpert, wie ein Gas verhält. Es ist unsichtbar, durchdringt alles, lässt sich nicht vertreiben, wohl aber verdichten. Das Gute ist nur an bestimmten Stellen feststellbar, doch das Böse ist überall, sobald man es einmal eingelassen hat.

An sich selbst bemerkt Emile mit Befremden, dass er eine Art zweite Natur in sich verbirgt: seine Nachtseite. Er ist wie Penelope, die tagsüber gesittet die Gastgeberin für die Freier auf Ithaka spielt, nachts aber als Verkörperung der Negation das Gewebe, das sie tagsüber gesponnen hat, wieder aufdröselt, um auf diese Weise ihren ehelichen Treueschwur, den sie Odysseus gegeben hat, halten zu können. Aber auch die alte Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde kommt Emile als passender Vergleich in den Sinn. Am Schluss weiß Emile nicht mehr, wer er eigentlich ist.

|Ein moderner Catilina?|

Auch die Autorin selbst gibt uns einen Hinweis darauf, was die ganze Geschichte soll. Sie nannte ihren Roman „Les Catilinaires“. Das verweist auf jenen Catilina, den der berühmte Staatsmann und Konsul Cicero zu Zeiten der römischen Republik bekämpfte. Catilina hatte eine Verschwörung organisiert, um einen Umsturz herbeizuführen. Nach Ciceros Aufdeckung der Catilinischen Verschwörung musste sich sein Gegner selbst töten.

An einer dramatischen Stelle der Erzählung findet sich genau dieser historische Sachverhalt erwähnt: Emile spielt die Rolle des wütenden, wetternden Cicero, der Bernardin als seinen Catilina in die Schranken weist. Dass es so weit kommen konnte, erschüttert Emile, den sanften Schöngeist, am meisten. Doch welcher Natur ist die Verschwörung diesmal? Wie Emile fast zu spät erkennt, besteht sie nicht in der „Pallamedischen Invasion“, das wäre ja viel zu oberflächlich und simpel, sondern in etwas weitaus Profunderem, bei dem es um Leben und Tod geht.

|Lebenslüge|

Als alles vorüber ist und der Schnee ein Jahr später wieder fällt, scheint draußen alles beim Alten geblieben zu sein, doch innen sieht es ganz anders aus. In Emile hat sich alles verändert, denn er ist sich selbst ein Fremder geworden. Seine Nachtseite hat gehandelt, und die Tagseite muss damit zurecht kommen. Fortan wird er tagsüber für die liebe Juliette eine Lüge leben und nachts schlecht schlafen. Genau wie Penelope. Doch kein Odysseus weit und breit, der zur Erlösung eilt.

|Der Sprecher|

Walter Kreye verfügt über eine sehr angenehme, tiefe Stimme, die er facettenreich zu modulieren versteht. Er verändert das Tempo seines Vortrags, macht Kunstpausen, wo er Erstaunen oder Zögern ausdrücken möchte. Da seine Stimme immer etwa gleich tief ist, verändert er die Lautstärke, um anzudeuten, dass eine Frau (wie etwa Juliette) spricht. Juliette klingt immer ziemlich leise und zurückgenommen, manchmal zu leise – das klingt sehr einfühlsam, aber auch ein wenig ängstlich Ansonsten sind die Stimmen fast aller anderen Figuren die von Männern und entsprechend tief und von „normaler“ Lautstärke. Insgesamt eignet sich Kreyes Vortrag ausgezeichnet dazu, die Figuren zu charakterisieren und einer Szene die spezifische Stimmung zu verleihen.

_Unterm Strich_

Die Geschichte des belagerten Ehepaars ist streng symmetrisch aufgebaut und folgt den Vorgaben wie eine Versuchsanordnung. Zwischen Winter und Winter liegt exakt in der Mitte die Katstrophe (die ich hier nicht verraten darf), und sie findet exakt zur Sonnenwende am 21. Juni statt. Zeit ist die bestimmende Konstante des Geschehens und der Psychologie. Wie ein Uhrwerk läuft Bernardins Leben ab – er hat 25 Uhren in seinem Haus! – und übernimmt die Kontrolle über das seiner Nachbarn, der Hazels. Doch jede Uhr ist auch ein Gehäuse und das Gehäuse ein Gefängnis. Aus einem Gefängnis gibt es jedoch nur sehr wenige Ausgänge, und um einen davon zu erreichen, braucht man manchmal fremde Hilfe.

|Süße Glasur über bitterer Pille|

„Der Professor“ klingt an vielen Stellen heiter und ironisch, doch dahinter verbirgt sich eine todtraurige Wahrheit, die Professor Emile erst nach und nach anerkennt: Die Zeit macht uns erst schwach und ängstlich, bevor sie uns vollends umbringt. Alles, was uns übrig bleibt, wenn wir uns diesem Vorgang verweigern, ist, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. With a little help from our friends.

|Feinfühliger Vortrag|

Walter Kreye erweckt die Figuren mit seinem fein modulierten, der Situation bewussten Vortrag zum Leben. Hier das lebensfrohe, in seinen monadischen Traum vom Frieden versponnene Ehepaar Hazel, dort der in seiner privaten Hölle eingesperrte Bernardin. Und als die beiden Welten aufeinandertreffen, muss sich alles ändern, um gleich bleiben zu können. „Der zunächst harmlose Kleinkrieg steigert sich zum makabren Schauspiel“, schreibt der „Spiegel“. Und es ist zunächst eine Lust, diese spannende Entwicklung zu verfolgen. Doch zunehmend werden Schichten der Realität enthüllt, die eine makaberer als die nächste sind. Kreye macht dies zum Erlebnis.

|Nichts für Ungeduldige und Kulturbanausen|

Weil die Handlung aber so wenig Handlung aufweist und vieles nur innerlich abläuft, ist dies kein Hörbuch für Ungeduldige. Angesichts der zahlreichen Verweise auf die literarische Antike erweist es sich zudem als sehr nützlich, entweder selbst über eine entsprechende Bildung zu verfügen oder einen Führer in die Antike zur Hand zu haben. Zudem stört mich der hohe Preis: 25 Euronen für drei Silberscheiben ist schon heftig, und man sollte versuchen, dieses schöne Hörbuch günstiger zu bekommen.

|Originaltitel: Les Catilinaires, 1995
Aus dem Französischen von Wolfgang Krege
232 Minuten auf 3 CDs|

Mooney, Chris – Missing (Lesung)

_Spannender Entführungskrimi: Nicht ohne meine Tochter!_

Die kleine Sarah ist überglücklich. Obwohl es ihre Mutter verboten hat, darf sie endlich auch zum Schlittenfahren. Wie ihre Freundinnen, auf dem großen Hügel der Stadt. Der Vater hat es erlaubt. Denn so richtig ernst nimmt der die Angst seiner Frau nicht, die alles untersagt, was „riskant“ ist. Doch plötzlich ist Sarah spurlos verschwunden.

Fünf Jahre später liegt ihr vermeintlicher Entführer im Sterben. Obwohl dem ehemaligen Priester auch das Verschwinden anderer Mädchen angelastet wird, hat die Polizei seine Schuld nie beweisen können. Sarahs Vater, der nicht an ihren Tod glaubt, versucht verzweifelt, den „Täter“ zum Reden zu bringen, bevor es zu spät ist. (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Chris Mooney, aufgewachsen in Lynn, Massachusetts, ist laut Verlag einer der erfolgreichsten neuen amerikanischen Thrillerautoren. [„Victim“ 5226 sorgte in den USA für großes Aufsehen. Er lebt mit seiner Familie in Boston und veröffentlichte mit „Secret“ den nächsten Roman um Darby McCormick.

_Der Sprecher_

Boris Aljinovic, geboren 1967 in Berlin, war nach dem Schauspielstudium an der Hochschule „Ernst Busch“ am Berliner Renaissance-Theater und am Staatstheater Schwerin engagiert. Es folgten zahlreiche Rollen in Film und Fernsehen, so etwa 1999 in „Drei Chinesen mit dem Kontrabaß“ und 2004 in Otto Waalkes‘ Filmerfolg „Sieben Zwerge – Männer allein im Wald“. Seit 2001 spielt er den Kommissar Felix Stark an der Seite von Dominic Raacke im Berliner „Tatort“. Der Schauspieler lebt in Berlin. Er liest eine gekürzte Fassung.

Regie führte Gabriele Kreis im Eimsbütteler Tonstudio, Hamburg Januar 2009.

_Handlung_

Mike Sullivans Leben ist von Verlusten gekennzeichnet. Als er acht Jahre alt war, verließ seine Mutter seinen Vater Lou und verschwand grußlos nach Paris, von woher sie stammte. Sie schickte von dort lediglich eine Postkarte. Bevor sie ging, schenkte sie Mike eine Goldkette mit einem Anhänger des Hl. Antonius, der für verlorene Dinge zuständig ist.

1999 verliert Mike seine sechsjährige Tochter Sarah. Entgegen dem Verbot seiner Frau Jessica nimmt er Sarah mit zum Schlittenfahren. Aber es herrscht dichtes Schneetreiben auf dem Rodelhügel. Mike gibt Sarah in die Obhut von Paula, der Tochter seines besten Freundes Bill O’Malley, der zugleich Sarahs Taufpate ist. Doch Minuten später taucht Paula ohne Sarah auf. Die Suche nach dem Mädchen fördert nur ihre Brille zutage – sie hat sie verloren, neben ihrem Schlitten. Er bittet zwei Polizisten um Hilfe, doch sie berichten ihm, dass sein Vater Lou in der Stadt Bellham gesehen worden sei. Ob er sich wohl Sarah geschnappt hat? Als Jessica davon erfährt, reagiert sie erst ängstlich, dann wütend auf Mike. Das verheißt nichts Gutes für ihre Ehe.

Der zehnjährige Sammy Pinkerton, Sohn eines Polizisten, war ebenfalls auf dem Rodelhügel. Er gibt zu Protokoll, dass Sarah mit einem großen Mann fortgegangen sei, der ihr eine Decke um die Schultern legte. Sammy dachte, er sei Sarahs Vater. Im Schneetreiben konnte das nicht so genau sehen. Als Mike von dieser Aussage erfährt, besuchte er Detective Merrick von der Kripo. Es ist ja immerhin möglich, dass ein Gewaltverbrechen oder eine Entführung vorliegt.

|Fünf Jahre später|

Anno 2004 leben Jessica und Mike getrennt. Es ist der Jahrestag von Sarahs Verschwinden. Im Gegensatz zu Jess hat Mike die Hoffnung nicht aufgegeben, Sarah wiederzufinden, und legt einen Strauß Flieder auf dem Hügel, wo Sarah verschwand, nieder. Dann geht er zu seiner Therapeutin Dr. Rachel Tyler, die ihn nach Frank Jona fragt, dem mutmaßlichen Mörder Sarahs und zweier anderer kleiner Mädchen. Der ehemalige katholische Priester ist krebskrank und wird bald sterben.

Mike hat ihn einmal attackiert, als er angetrunken war. Er ist jetzt aber seit zwei Jahren trocken, arbeitet als Handwerker, doch er muss sich weiterhin auf gerichtliche Anordnung hin von Jona und seinem Haus fernhalten. Mikes Bewährungshelfer nimmt ihm regelmäßig eine Urinprobe ab. Der Richter hat Mike fünf Jahre Bewährung aufgebrummt, aber wenigstens hat Jona auf eine Anzeige verzichtet. Mike hat Kontakt zu Rose Giroux, der Mutter der verschwundenen Ashley. Rose hat ihm und Jess viel geholfen, und er hält sie über Jona auf dem Laufenden. Mike behauptet, Jona habe auch Caroline Lanville auf dem Gewissen.

Diese unerträgliche Lage, die über Jahre hinweg in der Schwebe gewesen ist, gerät eines Tages in Bewegung. Detective Francis Merrick von der Kripo führt Mike zu einer Fundstelle. Da hängt eindeutig Sarahs kleiner Anorak – über einem Holzkreuz. Eine Zeugin hat Frank Jona neben dem Kreuz zusammenbrechen sehen. Doch statt Jona zu verhaften, wartet Merrick die DNS-Tests ab. Am Abend taucht Lou, Mikes Vater, bei ihm auf. Er hat Jonas Haus verwanzt und weiß alles über ihn, z. B. dass er zwei Leibwächter hat und eine Pflegerin. Mike weigert sich, ihm ein Alibi zu geben, für was auch immer.

Am nächsten Tag ruft Merrick an: Auf Frank Jona ist ein Brandanschlag verübt worden, bei dem durch eine Verwechslung nicht Jona, sondern einer seiner Leibwächter schwer verletzt wurde. Ob Mike ein Alibi habe? Sein Haus wird durchsucht, doch Mike war bei Bill O’Malley. Als der Leibwächter seinen Verletzungen erliegt, gerät Mike dennoch unter Mordverdacht. Mike bittet die Rechtsanwältin Samantha Ellis, die vor 15 Jahren seine Sommerliebe war, um Hilfe: Kann sie ihm die Laborberichte des FBI beschaffen? Sie kann sogar mehr als das – sie engagiert für ihn eine Privatdetektivin, Nancy Childs. Im Laborbericht sind Blutflecken erwähnt.

Wenige Tage später wecken ihn die Stimme Sarahs und das Bellen seines Hundes Fang. Beide laufen in den nahen Wald. Wieder hört er Sarahs kindliche Stimme. Warum klingt sie immer noch wie vor fünf Jahren? Sie ist doch schon elf. Da entdeckt er den Kassettenrekorder neben einem Baum. An dem Baum baumelt Frank Jona …

Während Lou Sullivan wegen des Brandanschlags verhaftet wird, beginnt Mike mit Nancy Childs und Samantha Ellis seine eigene Ermittlung. Schon bald stößt er auf beunruhigende Zusammenhänge, die bislang noch niemand gesehen hat …

_Mein Eindruck_

Der Autor legte mit „Victim“ einen fulminanten Thriller als Debüt vor, dem mit „Secret“ ein weitaus weniger überzeugendes Sequel folgte. Dabei bemerkte ich zum ersten Mal die Abneigung des Autors gegen den Katholizismus in Neu-England. Angesichts der großen irischen Gemeinde in Boston gibt es dort auch viele Katholiken.

Offenbar hat der Autor negative Erfahrungen mit ihnen gemacht und eine Art Feindbild aufgebaut. Dieses kommt auch in „Missing“ negativ zur Geltung. Ich weiß ja nicht, welcher Konfession der Autor angehört, aber er muss ja nicht gleich eine bestimmte Konfession angreifen. Allerdings wirkt dadurch sein Vermissten-Thriller umso realistischer.

Es geht um eine Organisation aus der christlich-fundamentalistischen Ecke, die Kinder entführt, um sie bei Mitgliedern ihrer Organisation heranwachsen zu lassen. Der Grund besteht darin, dass die Mütter der Entführten zuvor haben abtreiben lassen und sich so als „gute Mütter“ disqualifizierten. Jedenfalls in den Augen dieser Superchristen. Mike Sullivan kann es kaum fassen, dass auch seine Jessica in diese Kategorie fallen soll. Nun ja, auch Jessica hatte wie er ein Leben vor der Ehe …

Mindestens ebenso spannend wie diese Ermittlung fand ich jedoch Mikes Nachforschungen in der eigenen Familie. Lebt seine Mutter noch – oder hat sein Vater sie bei seinem Besuch in Paris getötet? Sie ist wie Sarah eine in Mikes Leben schmerzliche vermisste Person – auch ihr gilt der Titel „Missing“. Lou ist in Mikes Augen bis zuletzt eine zwielichtige Gestalt, halb Verbrecher, halb Marinesoldat, und auf jeden Fall ein Rabenvater, der Mike im Stich ließ. Bis jetzt jedenfalls.

Als er den Spuren seiner Mutter folgt, die offenbar in Bostons bestem Viertel eine Affäre unterhielt, kreuzen sich die Spuren seiner Mutter mit der anderen Ermittlung. Alles scheint mit allem verknüpft zu sein. Und Nancy Childs, die er ebenfalls auf diesen Fall angesetzt hat, wundert sich, wieso ihr Klient ihr ständig in die Quere kommt. Aber als es darauf ankommt, können sie wenigstens parallel ermitteln.

Bevor alles gut wird, muss es erst einmal viel schlimmer werden. Unvermittelt entwickelt das letzte Drittel des Romans richtige Actiondramatik, in der Mike alles abverlangt wird, was er aufbieten kann. Und natürlich im unwahrscheinlichsten Moment.

|Der Sprecher|

Dass Boris Aljinovic einen „Tatort“-Kommissar spielt, gereicht ihm in vielerlei Hinsicht zum Vorteil. Die Aufgabe, die verschiedenen Figuren stimmlich und sprachlich auf erkennbare Weise zu charakterisieren, bewältigt der Sprecher mit Bravour – ohne sich jedoch zu Karikaturen hinreißen zu lassen. Ich bewundere, wie es ihm gelingt, die einzelnen Figuren auseinanderzuhalten und stets die gleiche Ausdrucksweise für die jeweilige Figur zu finden.

Die Männer sprechen völlig anders als die Frauen, nicht nur rauer und weniger emotional, sondern auch voller Andeutungen, insbesondere Lou Sullivan. Die Cops klingen irgendwie alle gleich, nämlich hart und autoritär, was in scharfem Kontrast zu dem einfühlsamen Mike Sullivan steht. Eine große Ausnahme bildet der todkranke Frank Jona. Da er Asthmatiker ist, spricht ihn Aljinovic mit einem ständigen Keuchen und Röcheln, was besonders in der Begegnung Jonas mit Mike dramatische Ausmaße annimmt. Denn Mike würde den mutmaßlichen Mörder seiner Tochter ja am liebsten verrecken lassen.

Die Frauen haben stets die gleiche höhere Stimmlage, so dass man sie leicht von den männlichen Figuren unterscheiden kann. Die Rechtsanwältin Samantha Ellis ist nicht die taffe Karrierefrau, wie man erwarten würde, sondern so hilfreich und einfühlsam wie eine Krankenschwester – allerdings ohne professionelle Distanz. Sie würde am liebsten Mike gleich wieder in die Arme schließen.

Völlig anders hingegen ihre Privatdetektivin Nancy Childs. Die Schnüfflerin ist taff, wenn es drauf ankommt, und einfühlsam in den seltensten Momenten. In scharfem Kontrast dazu steht Terry Russell, die Krankenpflegerin Frank Jonas, die ein verhuschtes, nervöses Wesen an den Tag legt. Aber das ist möglicherweise nur Tarnung. Man sollte auf der Hut sein. Am besten gefiel mit der französische Akzent von Mikes Mutter, den Aljinovic wunderbar nachahmt.

Alle Figuren verändern ihre Redeweise außerdem je nach Situation. Mal flüstern, mal schreien sie, mal sind sie abgeklärt, mal aufgeregt. Einmal gibt es Rundfunknachrichten, dann erklingt wieder Sarahs kindlich hohe Stimme. Alles in allem dürften sich von diesem Vortrag eher Frauen angesprochen fühlen, aber ich fand mich auch ganz gut unterhalten.

_Unterm Strich_

Vordergründig geht es in diesem Thriller darum, vermisste Menschen zu finden. Aber das eigentliche Thema besteht darin, wie Mike Sullivan es schafft, sein zerbrochenes Leben wieder zu kitten. Er muss parallel zu Polizei und Privatdetektivin zwei Ermittlungen durchführen und das Äußerste geben, um zum Erfolg zu gelangen. Die Ausgangslage ist sowohl emotional als auch kenntnisreich geschildert, und auch über sein Seelenleben erfahren wir viel, so dass wir ihn uns gut als Individuum vorstellen können.

Die Begründung für die Kindesentführung erinnert mich an einen Krimi namens [„Schwesternmord“ 1859 von Tess Gerritsen. Auch dort geht es um eine geheime Organisation, die mit Kindern Profite machen will. Doch Mooneys Superchristen sind noch viel schlimmer, weil sie nicht nur die Kinder entführen, sondern sie auch noch in einer völlig anderen Kultur als Superchristen erziehen. Das erinnert an den Bestseller „Nicht ohne meine Tochter“, der in den achtziger Jahren für Furore sorgte. Das Thema ist in Zeiten der Globalisierung stets virulent.

|Das Hörbuch|

Mit den vorherigen Sprechern der Thriller von Chris Mooney war ich nicht hundertprozentig zufrieden, aber Boris Aljinovic, der schon drei Romane des Schweden Åke Edwardson vorgetragen hat, hat mich nicht nur gut unterhalten, sondern auch emotional bewegen können.

Als Erzählerstimme nimmt er sich völlig zurück, und nur in den Dialogen der Figuren zeigt er seine wahre Kunst. Er erweckt die Figuren wirklich zum Leben. Besonders die verhuschte Terry Russell konnte ich mir gut vorstellen, denn solche scheinbar passiven alten Frauen gibt es jede Menge. Und sie sind manchmal zu allem fähig.

|Originaltitel: Remembering Sarah, 2004
Aus dem US-Englischen übersetzt von Michael Windgassen
286 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3869090061|
http://www.chrismooneybooks.com
http://www.hoerbuch-hamburg.de

Colfer, Eoin – Artemis Fowl IV – Die Rache (Lesung)

Eine Erzfeindin von Artemis Fowl ist aus ihrem Gefängnis in der Privatklinik des Prof. Argon ausgebrochen: Opal Koboi hat nur einen Wunsch – sich an Artemis und Holly Short von der Elfen-Polizei für das verlorene Jahr zu rächen. Bei Artemis, der gerade dabei ist, ein seltenes Gemälde aus einer Münchner Bank zu stehlen, macht sie gleich einen erfolgreichen Anfang.

_Der Autor_

Eoin Colfer, geboren 1968, ist Lehrer und lebt mit seiner Frau und seinem Sohn in Wexford, Irland. Er hat mehrere Jahre in Saudi-Arabien, Tunesien und Italien unterrichtet. 2011 erhielt er den Children’s Book Award, den wichtigsten Kinder- und Jugendbuchpreis Großbritanniens, und 2004 den Deutschen Bücherpreis in der Kategorie „Kinder- und Jugendbuch“. Seine bislang drei „Artemis Fowl“-Romane wurden allesamt Bestseller und sind von Rufus Beck kongenial ins Medium Hörbuch übertragen worden.

_Der Sprecher_

Rufus Beck, geboren 1957, ist Bühnen-, Film- und Fernsehschauspieler und hat als deutsche Stimme der „Harry Potter“-Hörbücher mit seiner vollendeten Sprechkunst die Herzen zahlreicher HP-Fans erobert. Er hat aber auch alle Bücher des Iren Eoin Colfer als Hörbücher aufgenommen, insbesondere die über „Artemis Fowl“.

Beck liest den gekürzten Text. Regie führte Margit Osterwold.

_Handlung_

Der Ärger beginnt damit, dass es Opal Koboi, einer milliardenschweren Wichtelin, gelingt, aus der Privatklinik von Professor Argon auszubrechen. Unbemerkt. Und das, obwohl sie von der Zentralen Untergrund-Polizei (ZUP) rund um die Uhr bewacht wurde und der Professor ständig um den Erhalt seiner wichtigsten Geldquelle, Miss Caboys Fonds, besorgt war. Laufend hatte er ihr DNS-Proben entnommen, denn er ist sicher, dass DNS nie lügt. Falsch gedacht! Insgeheim hatte die Milliardärin einen Klon von sich züchten lassen, der natürlich die gleiche DNS wie sie besitzt – und nach einem raffiniert eingefädelten Austausch anstatt der echten Koboi in der Klinik liegt – und Prof. Argon arglistig täuscht.

Das Kunststück gelingt Koboi mit Hilfe zweier Wichtel, mit deren Assistenz sie ihre finsteren Pläne zu verwirklichen gedenkt. Denn schon ein ganz Jahr ihrer kostbaren Lebenszeit musste sie in dieser öden Klinik verbringen, weil der Menschenjunge Artemis Fowl und die Elfin Captain Holly Short von der ZUP sie hinter Gitter gebracht hatten. Opal gedenkt, sich bitter zu rächen. Und zwar nicht nur an Artemis und Short, sondern an der gesamten Erdbevölkerung, sowohl über als auch unter der Erde.

So, so, Artemis Fowl ist also in Deutschland, genauer gesagt: in München. Bestimmt heckt er dort wieder etwas aus. Ganz genau! In Begleitung seines Leibwächters Butler (von dem nur zwei Menschen den Vornamen kennen) betritt Artemis gerade eine Filiale der Internationalen Bank. Er hat vor, ein seit langem verschwundenes Gemälde zu stehlen, das vor hundert Jahren von einem gewissen Pascal Hervé gemalt wurde und den seltsamen Titel „Der Elfendieb“ trägt. Kontrolle um Kontrolle passieren die beiden, die unter falschem Namen reisen, bis sie endlich im Raum der Schließfächer anlangen. Hier wird’s knifflig, denn der Raum wird natürlich rund um die Uhr per Video überwacht. Sie haben genau 180 Sekunden Zeit. Jede Menge, denkt Artemis.

Unterdessen bereitet sich Captain Holly Short bei der ZUP auf ihre Beförderung zum ersten weiblichen Major in der Geschichte der Polizei der Unterirdischen vor. Ihr Mentor, Commander Julius Root, hat sie dafür vorgeschlagen. Doch etwas kommt dazwischen. Der inhaftierte General Scaleen ist aus der Haftanstalt Howler’s Peak entwichen. Wie er das geschafft hat, ist dem Überwachungsoffizier Foley, einem Zentauren, ein Rätsel. Holly kennt sich jedoch mit Kobolden wie Scaleen aus: Sie können sich häuten, und als Scaleens Neffe Boon ihn besuchte, ließ dieser einfach seine alte Haut dort, so dass Scaleen sie überziehen und unbemerkt hinausspazieren konnte. Jemand hätte aber merken müssen, dass zwei Boones das Gefängnis verließen.

Scaleen und Co. melden sich aus Paris. Sie verlangen, Holly Short zu sprechen, die sich nicht lange bitten lässt. Zusammen mit Captain Kelp und Commander Root macht sie sich durch die Tunnel per Überschall-Shuttle auf den Weg, bis an die Zähne mit Hightech-Ausrüstung bewaffnet.

Leider nützt ihr und ihren Kollegen alle Hightech nichts, denn sie tappen direkt in eine von Opal Koboi teuflisch aufgestellte Falle, die einen von ihnen das Leben kosten wird. Und das, so viel ist sicher, ist natürlich erst der Anfang.

_Mein Eindruck_

Wer etwas genauer hinschaut, wird in den Strukturen der Handlung das Vorbild erkennen: James Bond. Nur mit dem Unterschied, dass Bond diesmal weiblich ist und über magische Heilkräfte verfügt. Aber sonst ist alles da: Hightech mit jeder Menge Gadgets und natürlich ein Schurke bzw. eine Schurkin, die nichts Geringeres als die Weltherrschaft anstrebt, um sich an ihren Widersachern zu rächen. Wie Opal Koboi dies zu Wege bringen will, ist schon ziemlich abgefahren, darf hier aber nicht verraten werden. Folgerichtig findet der Showdown weit, sehr weit unter der Erdoberfläche statt, ist aber um keinen Deut weniger explosiv als der eines jeden ordentlich gemachten Bond-Streifens.

Was die Artemis-Fowl-Romane von Bond und Harry Schotter unterscheidet, ist ja gerade die Kombination beider Welten: auf der einen Seite die Science-Fiction-mäßige Ausstattung der Guten und Bösen, auf der anderen das Personal, das jeder Fantasy entsprungen sein könnte, aber in Irland besonders natürlich wirkt. Denn dort phantasierten schon die eingewanderten Kelten anno dunnemals vom Kleinen Volk im Land Tirnanog unter den Hügeln – und genau darunter haben die Elfen von der ZUP ihr größtes Shuttle-Terminal eingerichtet. Eine ziemlich ironische Wendung der irischen Folklore, die Eoin Colfer da für die heutige technikverliebte Jugend zustande gebracht hat.

In menschlicher Hinsicht ist das Buch diesmal jedoch nur in einem Punkt interessant: Artemis Fowl ändert seinen Charakter. Kenner und Liebhaber dieser Figur dürfte das ziemlich umhauen, aber alles halb so wild. „Aurum potestas est“ lautet das Motto derer von Fowl: „Gold ist Macht“. Und das war bislang Arties Leitspruch, an den er sich bei jeder unpassenden Gelegenheit hielt.

Nun jedoch findet er seine alten Erinnerungen wieder und erkennt in Holly Short und Mulch Diggums zwei sehr nette alte Bekannte, die er diesmal nicht mit einer Rechnung traktiert, sondern mit seiner Freundschaft beehrt. Denn – tatsächlich! – sogar ein eingefleischter Fowl wie Artie hat Gefühle statt eines Steinherzens – wer hätte das gedacht! Zu behaupten, er hätte ein Herz aus Gold, würde allerdings wegen seiner Vorliebe für das gelbe Metall weit in die Irre führen.

_Der Sprecher_

Rufus Beck erhält wieder einmal Gelegenheit, seine sprachakrobatische Kunst voll auszuspielen. Während Holly und Artemis doch recht „normal“ – was ist schon normal? – sprechen, ertönt Butler in tiefstem, grollendem Bass, und Opal Koboi malträtiert mitunter in kreischendem Diskant die Hörnerven des Zuhörers.

Auch Mulch Diggums, der Held der zweiten Epiosde, ist wieder mit von der Partie und erfreut uns mit seinem beinahe (aber nur beinahe) schon urbayerischen Tonfall. Was die oberen Ränge der Zentralen Untergrund-Polizei (ZUP) angeht, so werden alle Klischees von brummigen, Befehle brüllenden oder raunzenden Vorgesetzten erfüllt. Das trifft aber auf den Zentauren Foley nicht zu, der ja nur ein Untergebener ist. Er kann es sich allzu oft nicht verkneifen, dass seine Pferdenatur durch- und er in herzliches Wiehern ausbricht.

Klangfilter bekommen wir wegen der überall eingesetzten modernen Technik allenthalben zu hören. Sei es ein Telefon, ein „Soundchip“, ein Übertragungsmonitor oder nur ein ordinäres Walkie-Talkie – stets erklingt die Stimme des jeweiligen Sprechers entsprechend blechern verzerrt. Na ja, da sind die Telefon- und Handyhersteller doch schon ein wenig weiter, will ich mal unterstellen. Aber es muss halt nach Tonübertragung klingen, und deshalb ist dieser Filter nötig.

Vor allem Jugendliche und Kinder ab 12 Jahren (Handyalter!) dürften an dieser Art der Darbietung dieser Story Gefallen finden. Erwachsene könnte es ein wenig übertrieben vorkommen.

_Unterm Strich_

Der vierte Band von Artemis Fowls Abenteuer im Umgang mit den unterirdischen Völkerschaften erfreut durch eine überschaubare Handlung mit einem eindeutigen Spannungsbogen und einigen Happy-Ends. Auch wenn immer wieder unbekannte Eigenschaften erfundener Gerätschaften das Publikum verblüffen, so ist das Verständnis der Story dadurch nicht getrübt. Das war ja in Band 3 mit seinem „Matrix“-ähnlichen Plot doch relativ frustrierend. Diesmal kennt das Publikum die meisten Elemente schon und hat weniger Mühe, sich das Geschehen vorzustellen.

Nicht nur James Bond stand Pate am neuen Plot, sondern auch die modischen Kunst-und-Klerus-Thriller à la „Sakrileg“ von Dan Brown. Daher darf Artemis diesmal auch ein Bild klauen, und die Tresor-Szene könnte direkt aus „Sakrileg“ stammen, in der Sophie und Robert Langdon vor ein neues Rätsel auf ihrer Schnitzeljagd gestellt werden. Man sieht also, dass Eoin Colfer auch nur mit Wasser kocht, das andere schon vorgewärmt haben. Dennoch bietet das Buch gute Unterhaltung.

Die Zuhörer können sich zusätzlich noch an der Stimmakrobatik eines Rufus Beck erfreuen. Sehr schön charakterisiert er die einzelnen Figuren, von denen die meisten dem Artemis-Fan bereits bekannt sind. Wie Beck es schafft, selbst nach einem Jahr noch die gleiche Klangfarbe wie beim letzten Mal zuzuweisen, ist nicht schwer zu erraten. Er muss sich einfach nur die alte Aufnahme anhören, bevor er loslegt. Und die hat sich ja bekanntlich prächtig verkauft, kann also nicht schlecht gewesen sein.

|Originaltitel: Artemis Fowl – The Opal Deception, 2005
374 Minuten auf 5 CDs|

Meyer, Stephenie – Bis(s) zum Morgengrauen (Bella und Edward 1, Hörbuch)

_Keusche Vampire und verliebte Jungfrauen_

Damit hat Bella, das Mauerblümchen, nicht gerechnet, als sie aus dem sonnigen Arizona in das verregnete Nest an der Nordwestküste umzog: Der Star der ganzen Klasse wirbt um sie. Edward Cullen sieht einfach fabelhaft aus, ist witzig und – gefährlich. Er fasziniert sie, obwohl hinter seinen veränderlichen Augen ein düsteres Geheimnis verborgen liegt. Wer ist er? Was meint er mit seiner Warnung: „Ich bin kein guter Freund für dich“? Doch bevor sie ihm auf die Spur kommen kann, ist es bereits um sie geschehen. Rettungslos hat sie sich in ihn verliebt. Und er? Hat er sie nur zum Fressen gern – oder steckt mehr dahinter? (abgewandelte Verlagsinfo)

_Die Autorin_

Stephenie Meyer, 1973 geboren, lebt mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in Arizona, USA. „Bis(s) zum Morgengrauen“ ist ihr erstes Buch und wurde 2008 unter dem Titel „Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen“ verfilmt. Das Buch ist der Auftakt zu ihrer Vampirtrilogie. Außerdem veröffentlichte sie den Zukunftsroman [„Seelen“, 5363 den es ebenfalls als Hörbuch gibt.

Die Vampirquadrologie:

1) [Bis(s) zum Morgengrauen 4600
2) [Bis(s) zur Mittagsstunde 4647
3) [Bis(s) zum Abendrot 5456
4) [Bis(s) zum Ende der Nacht 5508

_Die Sprecherin_

Ulrike Grote spielte nach der Schauspielausbildung im Ensemble des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg und an der Wiener Burg. Seit 2001 ist sie in diversen Film- und Fernsehrollen zu sehen, wie etwa „Das Kanzleramt“ und „Tatort“. Seit 2003 arbeitet sie auch als Regisseurin. Für ihren Kurzfilm „Ausreißer“ gewann sie 2005 den Internationalen Studenten-Oscar in der Kategorie Bester ausländischer Film; ein Jahr später erhielt der Kurzfilm eine Oscar-Nominierung.

Regie führte Gabriele Kreis. Die Aufnahme erfolgte im Eimsbütteler Tonstudio, Hamburg, im Jahr 2007.

_Handlung_

Isabella Swan ist gerade mal siebzehn, als ihre Mutter Renee sie zu ihrem getrennt lebenden Vater Charlie schickt. Das bedeutet eine Reise aus dem sonnigen Phoenix, Arizona, ins regnerische Fawkes an der Nordwestküste. Charlie, der hier als Sheriff arbeitet, hat ihr einen gebrauchten Wagen gekauft, damit sie leicht zur Schule kommt. Bellas Haut ist elfenbeinweiß und ihr Körper von zarter Konstitution, außerdem, glaubt sie, hat sie zwei linke Hände und fällt über jedes Hindernis, das ihr nicht aus dem Weg geht.

|Die Schule|

Fawkes Highschool hat immerhin 358 Schüler, ist also recht groß. Die Verwaltung schickt sie in die nächste Klasse auf ihrem Stundenplan. Was man hier im Englischunterricht durchnimmt, kennt sie alles schon, und sie langweilt sich. Immerhin sind alle Klassenkameraden hilfsbereit und auskunftsfreudig. In der Schulkantine bemerkt sie eine abseits sitzende Gruppe von fünf Schülern. Sie essen nicht und reden nicht, diese drei Jungs und zwei Mädchen. Sehr merkwürdig. Alle sind kreidebleich, haben dunkle Augen mit Schatten darunter. Bella fragt nach ihnen und erfährt, dass die Fünf alle bei Dr. Cullen leben, einem brillanten Chirurgen in der Stadt. Er habe sie alle adoptiert.

|Ein seltsamer Mitschüler|

In der nächsten Stunde sitzt Edward Cullen neben ihr, hält aber Abstand zu ihr. Sein Blick scheint voller Abscheu zu sein, und kaum klingt die Glocke, verduftet er. Sie fragt ihren Mitschüler Mike Newton, ob sie etwas verbrochen habe. Natürlich nicht. Die Cullens sind alle etwas komisch. Mike ist sehr nett und hilfsbereit. Aber Edward ist interessanter. Als er am folgenden Montag wieder in die Schule kommt, hat er sich völlig verändert: Er ist nicht nur freundlich und zuvorkommend, sondern hat auch andere Augen. Waren sie zuvor schwarz, so sind sie nun ockerfarben, passend zu seinem rötlich blonden Haar. Leider sind seine Finger eiskalt, was Bella ziemlich nervös macht. So nervös, dass sie auf dem Schulparkplatz fast einen Unfall baut.

|Wundersame Rettung|

Am folgenden Tag liegt Glatteis auf den Straßen, doch ihr Wagen verfügt über Schneeketten. So vorsichtig wie möglich parkt sie auf dem Schulparkplatz ein und steigt aus. Auf einmal hört sie ein hohes Kreischen, und sie sieht, wie Edward sie anstarrt. Was ist los? Da erst sieht sie, wie ein Wagen unaufhaltsam auf sie zuschlittert und der Fahrer vergeblich versucht, den drohenden Crash zu vermeiden: Sie wird zerquetscht werden! Bella ist wie erstarrt.

Doch in Windeseile schnappt Edward sie aus dem Weg der Gefahr und schiebt sogar noch den anderen Wagen von ihr Weg. Ein Scheppern und Klirren signalisiert den Zusammenstoß. Edward beugt sich über Bella: Sie ist in Ordnung, aber auch völlig erstaunt über seine Rettungsaktion. In Nullkommanix liegt sie im Krankenhaus, wo sein Adoptivvater ihre Behandlung überwacht. Dr. Cullen sieht ebenso gut aus wie Edward. Aber ein paar Fragen drängen sich in Bellas Hirn und wollen ausgesprochen werden: Wie ist es Edward nur gelungen, so rasend schnell zu ihr zu gelangen und dann auch noch den heranrollenden Wagen zur Seite zu lenken? Edward vertröstet sie auf später. Erstmals träumt sie auch von ihm.

Bald ist Frühlingsball, und alle Schüler suchen einen Tanzpartner. Doch obwohl Bella von allen netten Jungs gebeten wird, gibt sie allen einen Korb. Doch der eine, dem sie zugesagt hätte, fragt sie erst gar nicht: Edward. Verdrossen behauptet sie, am Balltag in Seattle zu sein. Am nächsten Tag bietet er ihr an, sie dorthin mitzunehmen. Im Biologieunterricht kippt sie beim Anblick eines einzigen Blutstropfens um. Edward bringt sie zur Krankenstation. Mike ist eifersüchtig. Erst später erinnert sie sich, dass sie das Blut des anderen Patienten riechen konnte.

|Die Kalten Wesen|

Mike lädt sie und andere Freunde zu einer Strandparty an der Küste ein. Dort lernt sie ein paar junge Lapash-Indianer kennen. Der 15-jährige Jacob Black, der Häuptlingssohn, gefällt ihr besonders und es gelingt ihr, mit ihm allein spazierenzugehen. Er kennt die Cullens und erzählt ihr eine interessante Legende, die ihm sein Urgroßvater erzählte.

Als vor tausenden von Jahren die Sintflut die Landbrücke zwischen Asien und Alaska unterbrach, auf der die ersten Menschen nach Amerika gelangt waren, kamen neben den befreundeten Wölfen auch die „kalten Wesen“, die die Feinde der Wölfe waren. Sie waren immer selten, aber damit sie den Wölfen und Menschen nicht nachstellten, schloss sein Urgroßvater einen Pakt mit ihnen. Er würde sie vor den Weißen schützen, wenn sie dafür keine Menschen mehr jagten und aussaugten. Dieser Pakt gelte bis heute. Die Cullens seien eine größere Gruppe dieser kalten Wesen, und Carlyle Cullen ihr Anführer. Er sei sehr alt. Bella ist erschüttert. Auf was hat sie sich da bloß eingelassen?

Die Websuche nach dem Begriff „Vampire“ ergibt, dass es sowohl böse als auch gutartige Vampire geben soll. Die guten heißen stragorni benefici. Zu welcher Sorte gehört wohl Edward? Nun, er hat ihr immerhin das Leben gerettet. Wie böse kann er also sein? Und doch sagt er immer, es sei besser für sie, Bella, wenn sie nicht mit ihm befreundet sei. Doch sie verlieren will sie ihn auch nicht. Nicht mehr, denn sie ist bereits Hals über Kopf in ihn verliebt, ohne es gemerkt zu haben.

Sie ahnt nicht, welche Feinde ihr geliebter Edward hat und dass diese auch ihr gefährlich werden können.

_Mein Eindruck_

Na, das ist doch mal Vampirromantik, mit der auch zwölfjährige pubertierende Teeniegirls etwas anfangen können! Hier brauchten sie sich nicht den Kopf über das Ausgesaugtwerden zu zerbrechen und oder darüber, welche Folgen es haben könnte, mit einem solchen Vampir intim zu werden, von einem dicken Bauch ganz zu schweigen. Bei der Mormonin Stephenie Meyer sind die zahnlosen Vampire gesittet und rücksichtsvoll, die verliebte Heldin mit 17 Jahren immer noch Jungfrau und obendrein auf ihre Unschuld bedacht. Man kommt sich glatt ins viktorianische Zeitalter versetzt vor. Bei fundamentalistischen Christen in den USA und Keuschheitsfanatikern dürfte dieser Aspekt auf große Zustimmung treffen.

Edward ist in vielerlei Hinsicht ein Übermensch. Er kann ewig lange an sich halten und fällt nie über sein wehrloses Opfer Bella her. Er weiß ganz genau, dass sein Biss und Aussaugen das Einzige, was er liebt, zerstören würde. Na, das nenne ich einen rücksichtsvollen Gentleman. Eine seiner faszinierenden Eigenschaften als Angehöriger der Kalten Wesen, vulgo: Vampire, besteht darin, sein Opfer durch Schönheit und Pheromone anzuziehen und willenlos zu machen. Da hat er bei der schwachen Bella ja leichtes Spiel. Außerdem versteht er sich auch noch auf Telepathie und Fernortung. Kein Wunder, dass die junge Bella auf diesen Superman abfährt.

Für jugendliche Leserinnen besteht sicher ein großer Reiz darin, für den schönen und geheimnisvollen Edward zu schwärmen und mit Bella seine Geheimnisse zu ergründen. Aber man sollte auch beachten, dass Bella, die Heldin, aus einer zerbrochenen Familie stammt und nun in den Cullens eine Ersatzfamilie findet. Sie wird sozusagen adoptiert. Und das, obwohl Edward weiß, dass sie ein paar Eigenschaften hat, die sie ungeeignet machen: Sie ist zwar anämisch wie die Cullens, kann aber kein Blut sehen, ohne in Ohnmacht zu fallen. Die Cullens werden nicht nur eine Ersatzfamilie, sondern auch eine Sekte, denn sie ziehen Bella in einen eigenen Kreis von Lebensgesetzen und Beziehungen. Daraus resultiert der finale Konflikt.

Das Auftauchen „normaler“ Kalter Wesen rückt nämlich die wahren Verhältnisse zurecht: Die Cullens sind die Ausnahme, nicht die Regel. Sie sind die domestizierte, fast schon zivilisierte Variante der wilden Bestie. Der Grund dafür liegt offenbar in dem Pakt, den Jacob Blacks Urgroßvater mit ihnen abgeschlossen hat. Die Cullens jagen nur wilde Tiere wie etwa Bären statt Menschen.

Solche Skrupel haben ihre Feinde nicht. Diese entführen Bella kurzerhand, um alle möglichen schweinischen Sachen mit ihr zu machen, die sie nicht überleben dürfte. Klar, dass Edward & Co. nun zur Rettung eilen müssen. Ob sie noch rechtzeitig eintreffen können, soll hier nicht verraten werden, aber da die Serie ja noch weitergeht, ist wohl davon auszugehen. Auf dass irgendwann Hochzeit gefeiert werden kann.

|Die Sprecherin|

Ulrike Grotes Stärke ist die Umsetzung von Emotionen in Sprechweisen. Ihr fällt es leicht, eine Figur durch die Art, wie sie sich ausdrückt und in bestimmen Situationen verhält, zu charakterisieren. Edward ist meist sehr zurückhaltend, es sei, denn, er ist irgendwie besorgt oder verärgert. Bella hat sehr viel weniger Selbstbewusstsein gegen ihn aufzubieten, und so werden Ed und seine adoptierten Verwandten zu ihrer Ersatzfamilie.

Sehr lustig fand ich, wenn sie so nervös ist, dass ihre Stimme nur piepsig artikuliert werden kann. Das bedeutet nicht, dass sie nicht auch schnippisch oder gereizt klingen kann. Je weiter die Handlung jedoch fortschreitet und sich ihrem dramatischen Höhepunkt nähert, desto tiefer werden Bellas Emotionen, so dass sie auch mal verzweifelt klingt. Das steht im Gegensatz zu dem meist beherrschten Edward, der nur selten besorgt oder zärtlich um sie bemüht klingt.

Mit der englischen Aussprache hat Ulrike Grote allerdings noch Probleme, wie so viele deutsche Sprecher. Schon in der ersten Viertelstunde verwirrte sie mich mit ihrer Aussprache von Bellas Nachnamen. Swan spricht sie nicht [swån] aus, sondern mit einem Ä: [swän]. Darauf muss man erst mal kommen.

Auch die korrekte Aussprache des Wortes „wilderness“ sollte Ulrike Grote noch lernen. Es sollte nicht [waild(e)nes] ausgesprochen werden, sondern mit einem i, also [wild(e)nes].

_Unterm Strich_

Auf der dargestellten Art von Schulmädchen-Vampirismus baut Stephenie Meyer ein romantisches Märchen auf, das nur in seiner eigenen abgeschlossenen Welt funktioniert. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange man das Märchen als solches erkennt: die Geschichte vom Aschenputtel, das den Prinzen kriegt, und was für einen! Den Wolf gibt’s nämlich gratis dazu.

Die Spannung ergibt sich zunächst aus dem Geheimnis, das Edward umgibt, dann aus der Frage, ob er Bella zu seinem Opfer machen wird, und schließlich aus dem finalen Konflikt mit den undomestizierten Kalten Wesen, bei dem Bellas Leben auf dem Spiel steht. Stets ist Bella das Zentrum des Begehrens, und die Frage kann nicht ausbleiben, was sie denn so ungeheuer besonders und anziehend macht. Diese Frage wird im ersten Band nur ansatzweise beantwortet, weitere Erklärungen müssen in den Folgebänden folgen.

Mich hat an diesem Plot am meisten die Lebensgeschichte der Cullen-Vampire interessiert. Carlyle, der Chef, stammt beispielsweise aus dem 17. Jahrhundert, einer Zeit zahlreicher religiöser Konflikte. Edward stammt vom Anfang des 20. Jahrhunderts und hat keine so interessante Zeit, bevor er zum Vampir wurde. Durch diese Biografien bekommt die abgedroschene Story eine historische Tiefe, die dem amerikanischen Leser wenigstens ein wenig Sinn für Geschichte und Herkunft vermittelt.

|Das Hörbuch|

Die Sprecherin Ulrike Grote verleiht den Szenen ihre emotionale Tiefe und erweckt die Figuren zum Leben, indem sie möglichst emotional vorliest. Zum Glück nicht so, dass sie übertrieben wirkt, sondern so, dass sie hinter den Figuren zurücktritt. Leider unterlaufen ihr Aussprachefehler, die mich etwas irritiert haben.

|Originaltitel: Twilight, 2005
Aus dem Englischen übersetzt von Karsten Kredel
471 Minuten auf 6 CDs
ISBN-13: 978-3-89903-826-2|

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Verne, Jules – Reise um den Mond (Lesung)

_Von der Mondrepublik und ihren flüchtigen Bewohnern_

Die Eroberung des Erdtrabanten war in der Literatur schon seit der Antike – etwa bei Lukian – ein gängiges Motiv. Die meisten Autoren ließen sich irgendwelche fantastischen Tricks einfallen, um von A nach B zu gelangen, was ihre Geschichte denn auch als Fabel auswies. Doch erst Verne strengte sich an, eine plausible technische Lösung für das Problem der Personenbeförderung zum Erdmond zu suchen. Und er fand sie in Gestalt einer 300 Meter langen Superkanone. Sie funktioniert allerdings auch nur in seiner Geschichte. Das Projektil trägt die drei Insassen bis zum Mond und noch darüber hinaus …

_Der Autor_

Jules Verne wurde 1828 in Nantes geboren und starb 1905 in Amiens. Bereits während seines Jurastudiums schrieb er nebenher, manchmal mit einem Freund, Theaterstücke und Erzählungen. Sein erster Erfolgsroman „Fünf Wochen im Ballon“ erschien 1863. Seine großen Romane waren in der Folge Bestseller. Heute wird er neben H. G. Wells als einer der Begründer der modernen Science-Fiction-Literatur angesehen.

Mit „Die Eissphinx“ schrieb er eine Fortsetzung von E. A. Poes Horrorerzählung „The Narrative of Arthur Gordon Pym“. Sein erster Zukunftsroman „Paris im 20. Jahrhundert“ lag lange Zeit verschollen in einem Tresor und wurde erst vor ca. 20 Jahren veröffentlicht. Die Lektüre lohnt sich, auch wegen der erhellenden Erläuterungen der Herausgeberin.

_Das Hörbuch_

|Der Sprecher: Rufus Beck|

Rufus Beck, geboren 1957, ist Bühnen-, Film- und Fernsehschauspieler und hat als deutsche Stimme der „Harry Potter“-Hörbücher mit seiner vollendeten Sprechkunst die Herzen zahlreicher HP-Fans erobert. Er hat aber auch alle Bücher des Iren Eoin Colfer als Hörbücher aufgenommen, insbesondere die über „Artemis Fowl“.

|Der Komponist und Musiker: Parviz Mir-Ali|

Parviz Mir-Ali, geboren 1967, lebt in Frankfurt/M., wo er als Komponist arbeitet. Er hat unter anderem mit André Heller an „Yume“, mit Matthias Hartmann am Schauspielhaus Bochum und mit Gerhard Mortier an „Deutschland deine Lieder“ (Ruhrtriennale 2002) zusammengearbeitet.

_Handlung_

Den Abschuss aus der Riesenkanone in Florida haben die Mondreisenden mit heilen Knochen überstanden, nur Barbicane hat sich leicht verletzt. Aber wo befinden sie sich? Sind sie noch am Boden, oder am Boden des Ozeans, oder doch im All? Sie haben keinen Knall gehört – wie seltsam. Als sie die Luke öffnen, erkennen sie, sie fliegen im All. Klarer Fall: Wieder einmal muss Captain Nicholl blechen. Er hat eine weitere Wette verloren.

Doch es ist keine Zeit, sich in Sicherheit zu wiegen, denn das All ist alles andere als leer. Bug voraus fliegt ein weiterer Erdtrabant vorbei und eine Kollision droht. Dessen Existenz hat ein Franzose errechnet, und tatsächlich saust er in einer Distanz von 8140 km an der Kapsel vorbei. Endlich wird Barbicane der Grund klar, warum sie keinen Abschussknall gehört haben: Sie sind schneller als der Schall geflogen!

Zu ihrer Verblüffung reicht diese Geschwindigkeit nicht aus. Barbicanes Berechnungen führen Nicholl und Ardan die entsetzliche Wahrheit vor Augen: Sie werden den Mond nicht treffen. Schuld daran sind wieder einmal die trotteligen Astronomen der Sternwarte Cambridge, die – abgehobene Geister, die sie sind – einfach den Luftwiderstand in der Erdatmosphäre außer Acht gelassen haben. Daher ist die Kapsel jetzt 6000 Meter pro Sekunde zu langsam.

Doch wenn sie den Mond verfehlen, wo werden sie dann landen? Werden sie ewig weiterschweben, bis ein glücklicher Zufall sie auf die Jupitermonde verschlägt oder ein Komet ihr kleines Gefährt zerschmettert?

_Mein Eindruck_

|Eine Mondfahrt, die ist lustig|

Nun, so weit kommt es bekanntlich nicht. Der Autor hat das Motto ausgegeben „Eine Mondfahrt, die ist lustig“. Weil der schwärmerische Franzmann nicht darauf geachtet hat, dass nicht zu viel Sauerstoff in die Atemluft gerät (sie haben dafür einen Gasaustauschapparat), geraten unsere drei Lunatiker in einen lustigen Gasrausch, der sie von allerlei Luftschlössern auf dem Erdtrabanten fabulieren lässt, darunter natürlich auch von einer Mondrepublik. Wie könnte es auch bei Republikanern wie Franzosen und Amis anders sein, haben doch die meisten anderen Staaten immer noch diese drögen, völlig überholten Monarchien.

|Der Trabantentrabant|

Auch das regelmäßige Frühstücken lässt sich Ardan nicht vermiesen, und lediglich die Tatsache, dass einer seiner zwei Hunde das Zeitliche segnet, stimmt ihn etwas traurig. Zu seiner Verblüffung begleitet der aus hygienischen Gründen im Weltraum bestattete Hundekörper das Projektil wie ein eigener Trabant. Richtig lustig wird auch dies, als die Kapsel zum Trabanten des Erdtrabanten wird, und dabei selbst von einem Trabant umflogen wird. Selbstredend hieß der Hund von Anfang auch so: „Trabant“. (Der andere Hund heißt „Diana“, nach der römischen Mondgöttin.) Wer will, kann sich mit infantilen Sprachspielen austoben.

|Die Kardinalfrage|

Die Kardinalfrage ist jedoch: Ist der Mond bewohnt und wenn nicht, ist er wenigstens bewohnbar? Bei ihrer Umrundung finden die drei Forscher so manches Phänomen, das den irdischen Wissenschaftlern und Mondguckern Kopfzerbrechen bereitet, so etwa Rillen und womöglich Kanäle. Ardan vermeint auch einmal, Ruinen zu erblicken. Während ihm die Mondoberfläche wie eine Märchenlandschaft erscheint, hegen die beiden Amis eine weitaus prosaischere Betrachtungsweise. Sie frönen dem „verdammten Positivismus“, wie Ardan klagt. Der Einschlag eines Meteoriten, der zum Glück von einer direkten Kollision mit der Kapsel absieht, erhellt die Mondoberfläche wie ein Feuerwerk. Doch als der „Lichtspuk“ vorüber ist, meinen sie, einen Traum gesehen zu haben …

Die Euphorie wird vom prosaischen Barbicane im Handumdrehen wieder vertrieben. Er erklärt, dass der Mond zugleich älter als die Erdoberfläche sei, aber auch die Zukunft der Erde darstelle. Sie werde in, äh, ungefähr 400.000 Jahren den absoluten Kältetod sterben. Na, dann ist ja noch ein wenig Zeit für ein Frühstück, seufzt der Franzose erleichtert.

Natürlich wird allmählich die verdrängte Frage, wo bzw. ob sie landen werden, ein wenig relevant. Um so mehr, als sie den Himmelskörper komplett umrundet haben und nun vor der Wahl stehen, entweder zu landen, bis in die Unendlichkeit zu segeln oder zurück zur Erde zu fallen. Leider würde der Aufprall auf der Erde sie auf jeden Fall umbringen. Oder?

Der Autor gibt mit diesem Roman schon den Rahmen vor, wie künftig die Annäherungen an fremde Welten beschrieben werden: entweder ganz nüchtern nach Art amerikanischer Militärs und Ingenieure – oder so romantisch verklärend und vermenschlichend wie der Franzose es tut. Erst Frank Herbert wird 1965 mit seinem Roman „Der Wüstenplanet“ eine weitere Herangehensweise einführen: die wissenschaftlich fundierte Space-Opera, wobei die relevante Wissenschaft in diesem Fall die Ökologie ist.

Welche Tücken die physikalischen Gesetze für den damit unvertrauten Menschen bereit halten, müssen auch die Kameraden Barbicanes erfahren, die zur Bergung der Kapsel herbeigeeilt sind, sie aber tagelang vergeblich suchen. Sie haben einfach simpelste Fakten außer Acht gelassen. Dieser Umstand aber sorgt für gehörige Spannung, bangt das Publikum – egal ob Leser oder Hörer – um den Verbleib der Mondfahrer. Nur wer genauso schlau ist wie der Autor, wird von diesem Finale angeödet sein, da er ja schon alles weiß.

_Das Hörbuch_

Rufus Beck ist ja am bekanntesten dafür, über mindestens 125 Stimmen zu verfügen. (Wahrscheinlich eine Untertreibung.) Anders als in seinen Lesungen von Harry-Potter- und Artemis-Fowl-Büchern hält er sich bei Jules Verne etwas zurück. Das heißt aber nicht, dass all die Sprecher nicht mehr voneinander zu unterscheiden wären – im Gegenteil. Der pingelige Nicholl ist ebenso gut herauszuhören wie der beflissene Maston und der würdevolle Barbicane. Alle jedoch beherrscht die Stimme Michel Ardans. Er „schbrischd“ stets mit französischem Akzent, und zwar nicht nur in der Aussprache der Wörter, sondern auch im Tonfall. Da kann die Stimme schon mal ziemlich in die Höhe schnellen. Es ist ein Vergnügen, ihm zuzuhören. Wenn man kein Ingenieur ist.

_Die Musik_

Ich weiß ja nicht, auf welchem vielseitigen Instrument der Komponist Parviz Mir-Ali seine Musik produziert hat, aber sie passt genau in die damalige Zeit: Es klingt wie eine Dampforgel oder, wie man damals sagte, ein Orchestrion. Wir hören verschiedene Kombinationen aus Bläsern (viel Tuba), Marschtrommeln und Flöten. Laut Booklet handelt es sich dabei um Kompositionen des bekannten amerikanischen Musikers John Philip Sousa, der auch von einigen Autoren der Science-Fiction-Szene geschätzt wird.

Was hier aber so martialisch klingt, das tönt doch mitunter eher verspielt, so als befände sich der Hörer auf einem Jahrmarkt statt bei einem Truppendefilee. Aber in Amerika ist der Übergang fließend, wie man in vielen Hollywoodfilmen sehen kann. Diese Musik ist stets in den Pausen, aber auch als Auftakt und Ausklang zu hören.

Dies gilt jedoch nur für die Szenen, die am Anfang und im letzten Drittel auf der Erdoberfläche stattfinden. Alle anderen Szenen weisen eine ruhige Sphärenmusik auf, die es durchaus mit den ruhigsten Kompositionen von Pink Floyd aufnehmen kann – oder mit Gustav Holsts Planeten-Suite, wenn man Klassik lieber mag.

_Unterm Strich_

Nicht nur, weil das Hörbuch mit gut drei Stunden wesentlich kürzer ist als sein Vorgänger „Von der Erde zum Mond“, vergeht die Zeit beim Anhören wie im, ähem, Flug. Auch die zahlreichen Wechselfälle des Schicksals sorgen für Abwechslung und Spannung. Die Entdeckungen über die Irrtümer bei den Berechnungen, die Sprachspielereien, der Gasrausch und schließlich der Meteoriteneinschlag mit seinem Feuerwerk – für die Unterhaltung der Lunatiker und ihres Publikums ist jedenfalls bestens gesorgt.

Was nun die Voraussagen über die Bewohnbarkeit des Mondes angeht, so hält sich der Autor immer ein Hintertürchen offen. Haben oder haben sie nicht Wälder und Ozeane gesehen, als das „Feuerwerk“ explodierte? Vermutlich war’s nur ein Traum – oder nicht? Spätere Autorengenerationen werden sich alles Mögliche in dieser Hinsicht einfallen lassen. Bei H. G. Wells leben die „Seleniten“ natürlich nicht auf der gefährdeten Oberfläche, sondern in Höhlen und Tunneln unter der Oberfläche. Daher heißt sein Roman ja auch „First Men in the Moon“, und nicht „on the Moon“.

Und was das Vorhandensein von Wasser als Voraussetzung für Leben anbelangt, so fabuliert Wells‘ literarischer Nachfolger Stephen Baxter in seinem rasanten Roman „Anti-Eis“ von der Existenz von Wassereis – allerdings nur auf der Rückseite des Erdtrabanten, wo man’s bekanntlich nicht sieht. Ansonsten ließen sich Autoren wie Heinlein, Asimov, Clarke und Jack Vance etliche Möglichkeiten einfallen, um die kahle Oberfläche interessant zu machen. Bei Niven schließlich zerbricht der Erdtrabant daran, dass er seinem Muttergestirn zu nahe kommt: „Inconstant Moon“. Die Gravitationskräfte lassen eben nicht mit sich spaßen. Das müssen – zu ihrem Vorteil – auch Vernes Mondfahrer anerkennen.

Die inszenatorische Leistung ist bei Sprecher Rufus Beck und Komponist Parviz Mir-Ali ebenso gut gelungen wie im Vorgänger „Von der Erde zum Mond“, so dass der Hörer durchaus zufrieden sein kann. Lediglich der hohe Preis von 23,90 Euronen für drei CDs trübt die Freude etwas.

|Umfang: 221 Minuten auf 3 CDs|