Alan Campbell – Scar Night (Kettenwelt-Chroniken 1)

In Deepgate, der Stadt, die an Ketten über einem tiefen Abgrund schwebt, sorgen Intrigen und Mordanschläge für Unruhen und Aufruhr. Als ein Wahnsinniger einen Privatkrieg gegen die Obrigkeit anzettelt, wird sogar der Höllenschlund unter der Stadt aufgerührt … – „Dark Fantasy“ vom Feinsten: Die an sich bekannte Story wird vor einer grandiosen, ebenso düsteren wie plastisch geschilderten Kulisse entwickelt. Lebendige Figuren fesseln das Interesse zusätzlich.
Alan Campbell – Scar Night (Kettenwelt-Chroniken 1) weiterlesen

Fossum, Karin – Mord an Harriet Krohn, Der

Nach dem Tod seiner geliebten Frau Inga geht es mit Charles Olav Torp nur noch bergab. Seine Spielsucht gerät außer Kontrolle, seine Schulden werden immer höher, er verliert seine Arbeit und der Kontakt zu seiner 16-jährigen Tochter Julie friert ein. Vor allem unter der Distanz zu Julie, die selbstständig in einem Wohnheim lebt, leidet er stark. Als sich seine Spielschulden auf 200.000 Kronen belaufen und er fürchtet, von seinen Gläubigern zusammengeschlagen zu werden, fasst er einen grausigen Entschluss:

Charles sucht sich die alte Harriet Krohn als Opfer aus. Unter einem Vorwand lässt er sich abends in ihre Wohnung bitten und bedroht sie mit einem Revolver. Wider Erwarten wehrt sich die alte Frau und in Panik erschlägt er sie. Anschließend durchsucht er ihre Wohnung, findet 200.000 Kronen in bar und Silberbesteck. Auf dem Heimweg gerät er unverschuldet in einen Autozusammenstoß und flüchtet, um nicht in Tatortnähe gesehen zu werden.

Mit dem Geld bezahlt er seine Schulden, für den Erlös des Silbers kauft er einen stolzen Fuchswallach und schenkt ihn seiner reitbegeisterten Tochter, die ihr Glück kaum fassen kann. Endlich verbringt er wieder regelmäßig Zeit mit Julie, zumal er im Reitstall eine Anstellung findet. Doch die Angst, dass man seine Spur findet, nimmt kein Ende. Täglich verfolgt Charles die neuen Ermittlungen im Fall Harriet Krohn. Die wachsende Paranoia und sein Gewissen setzen ihm immer weiter zu …

Karin Fossums Krimis um Hauptkommissar Konrad Sejer zeichnen sich stets durch einen besonderen Fokus auf die Seelenzustände der Figuren und psychologische Tiefe aus. Bei wohl keinem anderen ihrer Romane trifft dies stärker zu als beim „Mord an Harriet Krohn“.

|Lupenreiner Whydunnit|

Von Beginn an ist der Leser über den Täter im Bilde. Er verfolgt unentwegt Charles‘ Gedankengänge, die Vorbereitungen für den Mord und die Tat selbst sowie sein anschließendes Martyrium, seine ständige Angst vor Entdeckung. In kleinen Rückblicken wird man in seine Vergangenheit geführt. Man erfährt, wie er schon während seiner Ehe allmählich auf die schiefe Bahn geriet und der Faszination des Glücksspiels erlag. Was er damals noch halbwegs unter Kontrolle halten konnte, entglitt ihm nach dem Tod seiner Frau, die seine Stütze war, vollends. Eine kleine Unterschlagung in der Firma kostet ihn den Job, seine Gläubiger drohen ihn mit Gewalt zum Zahlen zu bringen, der Kontakt zu Julie, dem einzigen Menschen, der ihm noch etwas bedeutet, reißt ab. In manchen Momenten empfindet man ansatzweise Mitleid mit Charles. Seine Vorstellung von Glück konzentriert sich auf eine liebevolle Beziehung zu seiner Tochter, nur für sie ist er bereit, buchstäblich über Leichen zu gehen. Anrührend sind die Rückblicke in Julies ersten Ausflug in einen Reitstall, ihre ersten Reitversuche auf dem Pony Snowball, ihre späteren Turniererfolge und Charles‘ Stolz auf seine Tochter, dem er mit einem eigenen Pferd endlich Ausdruck verleihen möchte. Es ist ein verzweifelter Versuch, mit dem edlen und riesigen Fuchswallach „Call me crazy“ die Liebe seiner Tochter zurückzugewinnen, und anfangs scheint diese traurige Rechnung sogar aufzugehen. Auch um Julies Willen, um die junge Frau, die tapfer den Verlust der Mutter erträgt und ihr Leben schon sehr selbstständig meistert, fühlt man sich zerrissen zwischen dem Wunsch, die beiden mögen wieder zusammenfinden, und der Abneigung gegen Charles, der für seine Tochter das Leben einer alten Frau opferte.

Dass man Charles einerseits für den Mord verabscheut und andererseits hin und wieder in Versuchung gerät, ihn wegen seines Schicksals zu bedauern, bildet einen interessanten Spannungspunkt, der den Leser fesselt – obwohl dies keiner der konventionellen Krimis ist, bei denen man den Mörder erraten muss. Dennoch bleiben genug Faktoren übrig, die bis zum Schluss ungewiss sind. Man fragt sich, ob Charles von Kommissar Sejer gefasst werden wird oder sich womöglich selber stellt, ob seine Tochter, bei der der plötzliche Geldsegen natürlich Misstrauen erweckt, hinter die schreckliche Tat kommt, oder ob Charles sogar zusammenbricht und aus Verzweiflung Selbstmord begeht – denn seine verständliche Sorge vor Entdeckung wandeln sich nach und nach in eine ausgewachsene Paranoia. Plötzlich fürchtet Charles an jeder Ecke, entlarvt zu werden. Irgendjemand könnte ihn wider Erwarten beobachtet haben, sein Aussehen ist vielleicht doch nicht so unauffällig und durchschnittlich, wie er glaubt, der Verursacher des Autounfalls könnte ihn identifizieren, nachdem bekannt wurde, dass ganz in der Nähe kurz zuvor ein Mord verübt wurde. Sein sorgfältig ausgearbeiteter Plan bricht in sich zusammen, kleine Patzer und Risiken häufen sich. Charles‘ Leben ist eine einzige Lüge, die Belastung hinterlässt schließlich auch körperliche Spuren. Karin Fossum zeichnet das gelungene Porträt eines Mörders, der sich selber vor allem als Opfer widriger Umstände sieht, und schafft dadurch eine unkonventionelle Krimi-Basis.

|Kleine Schwächen|

Im Gegensatz zu anderen Werken der Autorin taucht der ermittelnde Kommissar Sejer hier nur am Rande auf. Wer die Reihe also vorwiegend wegen seiner Person verfolgt, wird in diesem Band sicher zunächst leicht enttäuscht werden. Bis auf ein paar wenige Begegnungen mit dem Kommissar lebt der Roman alleine durch die Präsenz von Charles. Das ist schade, da Konrad Sejer ein sehr sympathischer und interessanter Ermittler ist. Andere Romane der Reihe gewähren Einblick in sein Gefühlsleben, das vor allem von Einsamkeit geprägt ist nach dem Krebstod seiner Frau, ohne dabei die Krimihandlung zu verdrängen.

Gewöhnungsbedürftig ist auch der Stil des Buches. Karin Fossum neigt grundsätzlich zu einem parataktischen Stil, es dominieren die Hauptsätze, die sich oft anstelle eines Nebensatzes aneinanderreihen. Dies passt natürlich ideal zu den inneren Monologen von Charles, zu seinen sprunghaften Gedanken, die mit vielen Assoziationen durchsetzt sind – aber diese Hektik verleiht dem Text nicht nur Authentizität, sondern macht ihn auch ein wenig schwerer lesbar. Es ist gewiss kein Krimi, den man zur Entspannung liest, vielmehr ruft er den Leser dazu auf, in einem Rutsch verschlungen zu werden, auch da es mühsam sein kann, sich jedesmal aufs Neue in den Stil einzulesen.

_Als Fazit_ bleibt ein interessanter Krimi aus der Kommissar-Sejer-Reihe, in dem man intensiv an der Psyche des Mörders teilnimmt. Obwohl der Täter dem Leser von Beginn an bekannt ist, kommt ausreichend Spannung auf. Nur der hektische Stil ist gewöhnungsbedürftig sowie die Tatsache, dass Kommissar Sejer deutlich weniger Auftritte in der Handlung hat als gewohnt.

_Die Autorin_ Karin Fossum wurde 1954 in Norwegen geboren. 1974 und 1978 erscheinen zwei Gedichtbände von ihr, ehe sie ihre Kinder bekam und eine schriftstellerische Pause einlegte. 1995 erschien ihr Debütroman [„Evas Auge“ 4433 mit dem Ermittler Kommissar Sejer. Es folgten sechs weitere Bände, u. a. „Fremde Blicke“, „Dunkler Schlaf“ und „Stumme Schreie“.

http://www.piper-verlag.de

Keene, Brian – Wurmgötter, Die

Seit mehr als 40 Tagen regnet es auf dem gesamten Erdball. Gewaltige Fluten haben die Küstenregionen sämtlicher Kontinente verwüstet. Das Wasser steigt ständig. Bis auf die bergigen Regionen ist inzwischen auch das Land überflutet und aufgeweicht. Die Zivilisation ist zusammengebrochen, die meisten Menschen sind tot oder auf der Flucht dorthin, wo das Wasser sie nicht erreicht. Wer sich den großen Evakuierungen nicht angeschloss, blieb isoliert und ohne Nachrichten zurück. So wird es auch bleiben, denn ein Kommunikationsnetz existiert nicht mehr.

Im US-Staat West Virginia gehört Teddy Garnett zu denen, die sich störrisch weigerten, ihr Heim zu verlassen. Über 80 Jahre ist er alt und mag dem Wetter nicht weichen. Da er sein Haus hoch auf einem Berg errichtet hat, blieb er von der Flut verschont. Doch Garnett ist einsam, Lebensmittel und Brennstoff für den Stromgenerator drohen ihm auszugehen. Zudem bemerkt er Seltsames im ewigen Regen: Eine aggressive Schimmelart breitet sich aus und befällt Tiere und Pflanzen. Schlimmer ist jedoch eine akute Würmerplage. Garnett führt das zunächst auf die Feuchtigkeit zurück, bekommt es aber mit der Angst zu tun, als er erlebt, wie plötzlich riesenhafte und fleischhungrige Würmer an der Erdoberfläche erscheinen.

Wie gewaltig diese wirklich werden können, weiß eine kleine Menschengruppe, die gerade aus der versunkenen Stadt Baltimore entkommen ist. Dort hatte sie sich in einem Hochhaus verbarrikadiert, denn in den Ruinen lauerten offenbar wahnsinnig gewordene Zeitgenossen, die an eine Rückkehr uralter Götter als Auslöser der neuen Sintflut glaubten und ihnen Menschenopfer brachten. Tatsächlich treiben seltsame Wesen ihr Unwesen in den Fluten, und sie dringen ins Landesinnere vor.

Der Weg der Flüchtlinge endet unweit von Garnetts Hütte, in der man sich erneut einigelt: Aus dem Boden steigen Monsterwürmer, deren Gier auf Menschenfleisch unersättlich ist …

|I.|

Der Mensch teilt diese Erde seit Jahrmillionen mit den Würmern – unzähligen Würmern, die teilweise äußerst unerfreuliche Ernährungsgewohnheiten an den Tag legen, in der Regel schleimig sind und manchmal bemerkenswerte Längen erreichen. Er mag sie nicht oder fürchtet sie, doch in der Regel bleibt die Koexistenz zwischen Mensch und Wurm friedlich, weil Letzterer tief in der Erde oder im Meer lebt und Ersterem erst zu Leibe rückt, wenn er (oder sie) in Friedhofserde ruht.

Was wäre allerdings, blieben Würmer nicht klein und ängstlich, sondern würden riesig und angriffslustig? Keine angenehme Vorstellung; obwohl auch Riesenwürmer vermutlich harmlos wären – ein Lebewesen ohne stützendes Skelett würde unter dem Eigengewicht zusammenbrechen -, lässt die Vorstellung trotzdem schaudern. Zu fremdartig wirken diese Tiere. Kein Wunder, dass Würmer in der Mythologie des Menschen keine sympathischen Rollen besetzen. Den sprichwörtlichen Wurm im Apfel kennt jede/r; er symbolisiert, dass unter einer glänzenden Oberfläche schon die Verderbnis lauern kann. Der Wurm (oder die Schlange) Ouroboros, der sich selbst in den Schwanz beißt, steht für den ewigen Kreislauf des Lebens, dessen Ende immer einen neuen Anfang beinhaltet.

In der Unterhaltungsliteratur dominiert der Wurm als schreckliche Kreatur aus der Unterwelt. Bram Stoker, der Autor von „Dracula“, schrieb 1911 kurz vor seinem Tod „Lair of the White Worm“ (dt. [„Das Schloss der Schlange“); 2987 das Untier weist gewisse Ähnlichkeit mit den „Wurmgöttern“ auf, die Brian Keene über die Menschheit herfallen lässt. Er verschmilzt den Wurm mit dem gallertigen Dämonen-Gott Cthulhu, den H. P. Lovecraft (1890-1937) einst zu ewigem literarischen Leben erweckte. (Eigentlich tritt Cthulhu ja in Tintenfisch-Gestalt auf; Brian Keene ließ sich offenbar vom Lovecraft-Epigonen Brian Lumley ‚inspirieren‘, der in seinem „Titus-Crow“-Zyklus [1974-1989] die Menschheit durch die wurmigen Chtonier terrorisieren ließ.)

|II.|

Allzu genau nimmt es Keene indes weder mit der Mythologie noch mit dem Cthulhu-Mythos. Die Herkunft seiner Wurmgötter deutet er nur an und tut gut daran, denn eine Klärung widerspräche der Intention seiner Geschichte. Der Untergang der Welt findet außerhalb der Sicht seiner Figuren statt, die nur über Ursache und Ausmaß der Katastrophe spekulieren können.

„Die Wurmgötter“ ist in doppelter Hinsicht ein episodenhafter Ausschnitt aus einem Geschehen, das auch dem Leser unklar bleibt. Keene verzichtet sogar auf einen stringenten Handlungsbogen. Sein Buch zerfällt in drei Teile – die Geschichte des alten Teddy Garnett, die Abenteuer der Baltimore-Gruppe und der Überlebenskampf der Überlebenden beider schließlich vereinter Gruppen. Die Wirksamkeit dieser Differenzierung bleibt fraglich; stattdessen sinniert der Leser über der Frage, ob Keene überfordert mit der Gestaltung einer durchgängigen Handlung war. Die beiden ersten Teile stehen im Grunde ohne logische Verbindung nebeneinander und werden für das Finale nur notdürftig zusammengeführt. Die Geschichte leidet darunter, weil sie ab Seite 119 mit Teil zwei praktisch neu beginnt. Stilistisch fällt dieser zudem ab: Während sich Keene in Teil eins Zeit für den Aufbau der Ereignisse nimmt, setzt er hier allzu simpel auf Action, Gewalt und Sex.

Viele spannende Episoden hat sich der Verfasser einfallen lassen. Grandios ist indes vor allem sein Gespür für Stimmungen. Das Grauen einer im Wasser versinkenden Welt vermag Keene ausdrucksstark zu schildern. Schlechter schneidet er ab, sobald er seine Protagonisten reden und miteinander agieren lässt. Der Mensch ist kein für die Krise geeignetes Wesen, lautet Keenes Credo; Egoismus und Irrsinn kommen zum Vorschein, wird die dünne Tünche der Zivilisation abgekratzt. Wie sich dies äußert, bleibt bei ihm freilich Klischee. Keenes schlechtester Einfall bleiben in dieser Hinsicht die ‚Satanisten‘ von Baltimore, die sich genauso (dämlich) benehmen wie die Spinner aus 1001 schlechten Hollywood-Streifen.

Das Ende bleibt offen; zumindest in dieser Hinsicht beugt sich der Verfasser nicht der „Happy-End“-Fraktion. Bis es soweit ist, legt er keine Zimperlichkeit an den Tag, wenn es darum geht, die Reihen seiner Figuren zu lichten. Niemand ist sicher, Sympathie keinesfalls eine Garantie für Überleben. Für diese Konsequenz ist man Keene dankbar, denn sie stellt ein angenehmes Gegengewicht zu den genannten Schwächen dar (zu denen sich noch ein Stützen auf plakativen Ekelszenen gesellt, die allzu offensichtlich effekthascherischer Selbstzweck sind.)

Die Zweiteilung der Handlung setzt sich in der Figurenzeichnung fort. Mit Teddy Garrett ist Keene definitiv eine Hauptperson gelungen, die im Gedächtnis bleibt: ein alter Mann aus einfachen Verhältnissen, der ausgiebig über sein Leben reflektiert und zu einer echten Persönlichkeit reift. Flach bleiben dagegen die Flüchtlinge aus Baltimore, deren Denken und Handeln oft nicht nachzuvollziehen ist und eher den Konventionen des Horrorromans als der Logik folgt.

Vor allem die Schwachen und die Bösen gerinnen zum Popanz. Bei Keene werden sie entweder wahnsinnig oder von Dämonen besessen. In beiden Fällen mutieren sie zu Massenmördern und ergehen sich in endlosen Drohreden, in denen sie düster über anstehende Apokalypsen unken und sich auch sonst lächerlich benehmen.

Auf die ‚göttliche‘ Herkunft der Würmer hätte Keene übrigens problemlos verzichten können. Er geht ohnehin nur ansatzweise darauf ein (und produziert dabei primär Kinderbibel-Horror). Letztlich bleibt absolut ungeklärt, wer oder was sich hinter den Würmern verbirgt. Sie könnten durchaus biologische Mutationen sein, die von der Flut an die Oberfläche getrieben wurden. Der große „Behemoth“-Wurm zeigt keine Anzeichen von Intelligenz. „Leviathan“, sein aquatisches Gegenstück, der angebliche Cthulhu, scheint auch keine Ahnung zu haben, was er mit der Erde, die ihm in den Schoß gefallen ist, anfangen soll. Wozu also das mythologische Fundament, wenn Keene nie wirklich auf ihm aufbaut und seine Mammut-Würmer den ganz und gar irdischen Wurmgetümen aus den „Tremors“-Filmen anpasst?

„Die Wurmgötter“ sind unterm Strich die auf dem Fernsehen bekannten „Monster der Woche“, Keenes Roman ist spannender Horror mit nur behauptetem Tiefgang, der allerdings handwerklich sauber präsentiert wird. Dass man zunächst mehr erwartet, liegt an der wirklich schönen Buchgestalt, die der |Otherworld|-Verlag der deutschen Ausgabe dieses Romans spendierte. Sie wurde fest in rotes Leinen gebunden, sauber gedruckt, mit einem handgemalten (!) Cover (von Abrar Ajmal – er lässt seinen Behemoth-Wurm wie einen Shai-Hulud aus den „Dune“-Romanen von Frank Herbert aussehen) versehen und flüssig lesbar (vom Michael Krug) übersetzt. Negativ ins Auge fallen höchstens die sich häufenden falschen Worttrennungen, die auf eine zu hastige Endredaktion hindeuten. Das eigentliche Vergnügen an diesem Werk trübt das freilich nicht.

Brian Keene (geboren 1967) wuchs in den US-Staaten Pennsylvania und West Virginia auf; viele seiner Romane und Geschichten spielen hier und profitieren von seiner Ortkenntnis. Nach der High School ging Keene zur U. S. Navy, wo er als Radiomoderator diente. Nach Ende seiner Dienstzeit versuchte er sich – keine Biografie eines Schriftstellers kommt anscheinend ohne diese Irrfahrt aus – u. a. als Truckfahrer, Dockarbeiter, Diskjockey, Handelsvertreter, Wachmann usw., bevor er als Schriftsteller im Bereich der Phantastik erfolgreich wurde.

Schon für seinen ersten Roman – [„The Rising“ 3368 (2003), eine schwungvolle Wiederbelebung des Zombie-Subgenres – wurde Keene mit einem „Bram Stoker Award“ ausgezeichnet. Ein erstes Mal hatte er diesen Preis schon zwei Jahre zuvor für das Sachbuch „Jobs In Hell“ erhalten. Für seine Romane und Kurzgeschichten ist Keene seitdem noch mehrfach prämiert worden. Sein ohnehin hoher Ausstoß nimmt immer noch zu. Darüber hinaus liefert er Scripts für Comics nach seinen Werken. Außerdem ist Keene in der Horror-Fanszene sehr aktiv. Sein Blog „Hail Saten“ gilt als bester seiner Art; die Einträge wurden in bisher drei Bänden in Buchform veröffentlicht.

Brian Keene hat natürlich eine Website, die sehr ausführlich über sein Werk und seine Auftritte auf Lesereisen informiert (www.briankeene.com). Über den Privatmann erfährt man allerdings nichts; es gibt nicht einmal die obligatorische Kurzbiografie.

http://www.otherworld-verlag.de/

Libor Schaffer – Tod am Galgen

Der Odenwald – das klingt nach einer behaglichen Gegend, in der sich Fuchs und Gans noch gute Nacht sagen. Doch der Odenwald ist neben den beschaulichen Landschaften und den vielen schönen Burgen auch der Ort, an dem Privatdetektiv Tobias Bloch seine Kriminalfälle löst. Dieses Mal beschäftigt ihn ein Mordfall am berühmten Beerfeldener Galgen. An diesem Galgen nämlich hängt eines schönen Morgens eine tote Frau, deren langer Rock an den Knöcheln zusammen gebunden ist, damit ihr auch niemand darunter schauen kann. Denn im Odenwald – da herrschen noch Zucht und Ordnung!

Libor Schaffer – Tod am Galgen weiterlesen

Wes Craven – Identity

Ein für die US-Regierung wertvoller aber todkranker Waffenexperte kommt in den Genuss eines Körpertausches, doch der Geist des ‚Vorgängers‘ ist noch sehr präsent und stürzt den wieder jungen Forscher in eine Krise, die ihn erst seine Identität und dann sein Leben zu kosten droht … – Wissenschaftsthriller mit SF-Elementen, dessen nicht unbedingt originelle Story temporeich und dicht erzählt wird. Längen im Mittelteil werden durch den gefälligen Stil und politisch hübsch unkorrekte Spitzen nur teilweise ausgeglichen: leichte Unterhaltung der zunehmend misslungenen Art.
Wes Craven – Identity weiterlesen

Ackermann, Rolf – Fluch des Diamanten, Der

„Diamonds are a girl’s best friend“, hat Marylin Monroe einst geträllert. Im Falle der Schmuckexpertin Marie-Claire de Vries trifft diese Weisheit allerdings nicht zu. Sie wird in dem Buch „Der Fluch des Diamanten“, wie der Titel schon erkennen lässt, von ein paar Edelsteinen in die Bredouille gebracht.

Die Geschichte beginnt damit, dass von einem Privatbesitz und einem Museum in Florenz zwei verschiedene Diamanten unter Zuhilfenahme brutaler Mittel gestohlen werden. Die Täter waren eindeutig Araber und es geht ein Bekennerschreiben ein, in dem es heißt, dass sie die Edelsteine ihres Landes dorthin zurückholen wollten. Gleichzeitig wird Marie-Claire de Vries beauftragt, über den ‚Florentiner‘ – einen berühmten, aber als verschollen geltenden Diamanten – etwas herauszufinden. Francis Roundell, ihr Auftraggeber und hohes Tier im Auktionshaus Christie’s, möchte, dass sie die Geschichte des Florentiners recherchiert.

Marie-Claire stürzt sich in die Arbeit und stellt bald fest, dass der sagenumwobene Stein von einer Art Fluch umgeben scheint. Seinen bisherigen Besitzern hat er nur Unglück gebracht und es ranken sich viele, teils unveröffentlichte Legenden um ihn. Doch sie ist nicht die Einzige, die sich für diese Geschichten interessiert. Marie-Claire ist mit ihren blonden Haaren und langen Beinen sicherlich alles andere als hässlich, aber bemerkenswert ist es schon, dass sich auf einmal gleich drei Männer um sie bemühen. Drei Männer, von denen nicht jeder ausschließlich an ihr interessiert ist …

Der Roman von Rolf Ackermann beschäftigt sich mit einem nicht alltäglichen Thema, das der Autor gut zu verpacken weiß. Er lässt viele historische Fakten über den Florentiner einfließen und erweist sich als Kenner in Bezug auf das, was er schreibt. Leider reicht das nicht, um „Der Fluch des Diamanten“ zu einem spannenden Thriller zu machen. Dafür tröpfelt die Handlung zu belanglos vor sich hin, außerdem fehlt es an wirklich interessanten Ereignissen und Überraschungen. Ackermann verteilt seine Handlung auf mehrere Länder, doch der Thrill bleibt bei der Jagd rund um die Erdkugel auf der Strecke.

Das könnte mit dem Schreibstil zusammenhängen, der kühl und distanziert, geradezu analytisch berichtet. Der Autor benutzt dazu passend einen gehobenen Wortschatz, weshalb sogar die meisten Dialoge sehr hochgestochen wirken. Das wirkt auf der einen Seite nicht besonders authentisch und distanziert die Charaktere zusätzlich stark vom Leser. Das macht es nicht unbedingt einfach, sich mit ihnen zu identifizieren und mit ihnen zu fiebern. Im Gegenteil wirken Marie-Claire und Co. zu perfekt beziehungsweise ihre Ecken und Kanten bewegen sich immer in einem oberflächlichen Rahmen.

Zudem fällt negativ auf, dass das Buch stark von Klischees durchsetzt ist. Die Frauen sind beispielsweise zum Großteil sehr gutaussehend, im Beruf sehr erfolgreich und in der Liebe eher nicht, was zu aufgestauten sexuellen Energien führt. Die Männer dagegen sind zumeist geschniegelt, intellektuell und echte Verführer, für welche die Frauen nur zu gerne die Hüllen fallen lassen. Der Autor tut nichts dagegen, um diese Stereotypen zu durchbrechen und seine Figuren mit etwas Originalität zu versehen.

Nach der Lektüre von „Der Fluch des Diamanten“ bleibt ein fader Nachgeschmack zurück. Rolf Ackermann schreibt zwar über ein interessantes Thema, bietet diesem jedoch nicht den richtigen Nährboden. Der Handlung fehlt es an Schwung und Spannung, der Schreibstil ist zwar handwerklich gut, aber zu kühl und distanziert, und den Charakteren mangelt es an Tiefe und Originalität.

http://www.knaur.de

Siegner, Ingo – Gustav vor, noch ein Tor

Womit beschäftigen sich Erdmännchen eigentlich den lieben langen Tag? Mit Fußballspielen natürlich – jedenfalls im Hannoveraner Zoo! Dort trainieren Gustav und seine beiden Freunde Pauline und Rocky fleißig Fußball. Platz und Zeit haben sie ja, denn der Zoo ist groß und der Erdmännchen-Tag nicht allzu ausgefüllt. Während des Trainings, zu dem auch Max der Marabu und Zora das Flusspferd hinzustoßen, dichten die Tiere sich ihre Fußballlieder und Schlachtrufe, um sich selbst anzufeuern und gute Aktionen zu feiern. Doch plötzlich taucht Kurt der Maulwurf auf und kommentiert das Spiel. Die Tiere sind verwirrt – was versteht ein Maulwurf schon vom Fußball? Mehr als man denkt, denn Kurt und seine Artgenossen buddeln sich gerne ihren Weg in die AWD-Arena, wo sie den Profis zuschauen können – Hannover 96!

Neugierig wie sie sind, begleiten die drei Erdmännchen die Maulwürfe auf ihrem nächsten Ausflug und finden sich zu ihrem Erstaunen plötzlich in einem riesigen Stadion wieder, wo ganz viele Menschen auf den Tribünen sitzen, um dem Spiel zu folgen. Schnell ist die Idee geboren, einmal gegen diese Profis zu spielen. Zur Ehrenrettung behauptet Rocky, dass die Zoo-Tiere viel besser spielten als 96, woraufhin eine Wette abgeschlossen wird. So wetten die Maulwürfe, dass die Tiere nicht ein einziges Tor gegen die Profis schießen. Da es um die Ehre geht, ist der Ehrgeiz der Tiere sogleich geweckt.

Da ihnen zur Zoo-Elf noch ein paar Mitstreiter fehlen, schreiben die Tiere flugs einen Rundbrief an ihre Zoo-Gefährten. Schon am nächsten Tag melden sich der Marabu, das Flusspferd, die Giraffe, der Orang-Utan, der Strauß, die Schildkröte und das Faultier zum Duell an. Doch noch immer fehlt ein Mitspieler, weswegen die Erdmännchen zum Dschungelpalast laufen und mit der Elefantendame Califa sprechen. Eigentlich war die Elefantendame ja fürs Tor angedacht, doch Califa will lieber Stürmerin sein, worauf die Erdmännchen aber auch gerne eingehen, als sie Califa das erste Mal spielen sehen. Fortan ist der Zooalltag streng durchgeplant, die Tiere machen Ausdauertraining und üben sich in Pässen und Torschüssen, um sich auf den großen Tag vorzubereiten, der dann auch schneller da ist, als die Erdmännchen vorher gedacht hätten …

Der Autor und Zeichner Ingo Siegner wurde in Hannover geboren, wuchs in Großburgwedel auf, lebt und arbeitet heutzutage aber in der niedersächsischen Hauptstadt, wo offensichtlich der regelmäßige Zoobesuch zu seinen liebsten Hobbys zählt. So tragen seine Romanfiguren dann auch die gleichen Namen wie die tatsächlichen Tiere im Hannoveraner Zoo. Elefantendame Califa beispielsweise gehört zu den Jungelefanten, die nach 30-jähriger Wartezeit im Zoo Hannover geboren wurden. Auch die Schauplätze, an denen die Tiere ihre Technik und Ausdauer optimieren, kennt der kundige Zoobesucher, sodass man sich wieder an diesen zauberhaften Ort versetzt fühlt. Für Hannoveraner also ein echter Lesegenuss.

Aber auch die Geschichte überzeugt: Schon auf der ersten Seite schließt man Freundschaft mit den sportlichen drei Erdmännchen, die den mutigen Plan fassen, gegen echte Fußball-Profis zu spielen. Jedes Tier hat seine Eigenarten, die wir im Laufe der Geschichte immer besser kennen lernen; so beliebt das Faultier selbstverständlich zwischendurch einzuschlafen, während Califa ganz undamenhaft den Fußballrasen als Toilette missbraucht, weil das eigentliche Klo für ihren Umfang zu winzig ist. Dass der Orang-Utan mit seinen langen Armen und seinen guten Reaktionen später das Tor hüten muss, wundert dann nicht mehr weiter. Und die Tiere lassen sich nicht unterkriegen, auch wenn die erste Ausdauereinheit mehr schmerzt als vorher angenommen. Doch die Tiere erhalten kompetente Hilfe in Kurt dem Maulwurf, der durch seine regelmäßigen Besuche in der Arena ein echter Fußballkenner ist und den Tieren folglich ihre Strategie unterbreitet und sie in der Spielpause coacht. Das Wichtigste ist und bleibt den Tieren aber immer noch der Spaß an der Freud, weswegen sie sich oft genug lieber damit vergnügen, neue Fußballlieder zu erdichten.

„Gustav vor, noch ein Tor“ ist vor allem optisch eine Pracht, denn jede Seite wird dominiert von hübschen Farbzeichnungen der Tiere in ihren Spielsituationen; da sehen wir das Faultier gemütlich auf dem Fußball schlummern, während das Flusspferd den Ball lieber mit der Schnauze fängt als mit den Beinen, der Maulwurf legt sich an einer Tafel die Taktik für das Spiel zurecht und der Orang-Utan beißt kräftig beim Dauerlauf in seine Wegzehrung, die selbstverständlich in einer leckeren Banane besteht. Auch das Layout ist positiv hervorzuheben; neben der kindgerecht großen Schrift wird es durch die Bilder immer wieder aufgelockert, so sind die Textblöcke oftmals durch kleinere Bilder unterbrochen, sodass meist nicht allzu viel durchgehender Text zu lesen ist.

Das Buch ist wirklich allerliebst und für jeden Hannover-Fan – ob jung oder alt – ein absolutes Muss. Wer sich dann noch für den Zoo oder für Fußball interessiert, sollte die knapp 13 € für dieses hübsche Buch investieren und sich von Ingo Siegner in den Hannoveraner Zoo entführen lassen, um dort Bekanntschaft zu machen mit den Erdmännchen und ihren sportiven Mitstreitern.

http://www.leuenhagen-paris.de/

Buchholz, Michael H. – Atlan – Acht Tage Ewigkeit (Rudyn-Trilogie 3)

Band 1: [„Die Psi-Kämpferin“ 4061
Band 2: [„Das Sphärenrad“ 4093

_Story_

Atlan, Trilith und der verfolgten Neife Varidis ist es mit letzter Kraft gelungen, sich an Bord eines Müllfrachters zu begeben und vom Sphärenrad ZUIM zu fliehen. Jedoch verläuft die weitere Reise alles andere als planmäßig; die Politikerin kommt mit einer giftigen Substanz in Verbindung und erleidet schwere Verletzungen. Atlan sieht sich gezwungen, die verborgene Stellung aufzugeben und Hilfe einzuholen, allerdings muss er hierzu zunächst das Vertrauen von Patty Ochomsova, der Pilotin des Frachters, gewinnen. Diese lässt sich auf einen Deal ein und bringt die Flüchtigen ins Holoi-Gebirge, einen seltsamen Ort, an dem der Arkonide und seine Gefolgsleute jedoch erst einmal sicher sein werden.

Unterdessen treibt der herrschsüchtige Kalfaktor Ponter Nastase seine gewaltigen Pläne für Rudyn und die gesamte Galaxis fort. Acht Tage noch muss er sich gedulden, bis der Zellaktivator und sein Organismus eins werden und sein Leben in die relative Unsterblichkeit übergeht. Mit rücksichtslosen Mitteln räumt er die verbliebenen politischen Gegner und Zweifler aus dem Weg und sichert sich damit eine Vormachtstellung, die ihm nur noch seine schärfste, mittlerweile totgeglaubte Konkurrentin Varidis streitig machen kann. Diese wiederum steht gemeinsam mit Atlan einen ganz anderen Konflikt beim Gebirgsvolk aus und erarbeitet gemeinsam mit dem Arkoniden und der unberechenbaren Trilith einen Plan zum Sturz bzw. zur endgültigen Vernichtung Nastases. Doch die Zeit verrinnt, ohne dass zählbare Ideen das Team voranbringen könnten. Nur noch ein Wunder kann jetzt verhindern, dass Nastase seine teuflischen Pläne in die Tat umsetzen wird.

_Persönlicher Eindruck_

Die „Rudyn“-Trilogie entwickelte sich bereits in den ersten beiden Romanen zu einem würdigen Vertreter der langen Geschichte Atlans und steigerte das Niveau der neuen Serie bei |FanPro| nach der eher mittelmäßigen „Lepso“-Trilogie wieder bis in die Spitzenklasse. Die Story war bislang vielseitig, die Charaktere sehr individuell ausgemalt und die Handlung von zahlreichen Überraschungen und sprunghaften Wendungen gezeichnet. Im Prinzip hatte Michael H. Buchholz, der Autor des letzten Bandes, also lediglich die Aufgabe, die Ernte einzuholen und die guten Voraussetzungen zu einem grandiosen Finale aufzuarbeiten. Nichts leichter als das – oder?

Nun, Buchholz hat bei der Fortentwicklung der Geschichte mitnichten den leichtesten Weg gewählt, wenngleich die Story in ihrem Verlauf keine größeren Überraschungen mehr birgt. Dafür jedoch gelingt es dem Autor über weite Strecken vorzüglich, den Rahmen des Plots weiter auszuschmücken und die Story mit einer ganzen Reihe neuer Personen und Szenarien auszustatten, von denen „Acht Tage Ewigkeit“ besonders zu Beginn mächtig profitiert. So liegt der Fokus im letzten Teil der Trilogie kaum noch auf den eigentlichen Protagonisten Trilith und Atlan, sondern vermehrt auf den Vertretern der feindlichen Parteien. Gerade Ponter Nastase bekommt noch einmal einige neue Helfer zur Seite gestellt, deren Existenz die Geschichte noch abwechslungsreicher macht, deren Handeln darüber hinaus auch noch das Potenzial für einen intensiveren Spannungsaufbau liefert. Dies nutzt Buchholz wiederum, um die Erzählung aus allerlei Perspektiven darzustellen und durch prägnante Cliffhanger an deren Tempo zu arbeiten. In immer kürzeren Abständen wird die Sicht der Dinge speziell auf die wachsende Teilnehmerzahl aufgeteilt und mit gezielten Sprüngen weiter verschärft, bis der Autor schließlich ein ziemlich umfassendes, neues Szenario gestaltet hat, auf Basis dessen schließlich ein spektakuläres, am Ende jedoch leider etwas rasch vorübergehendes Finale gewährleistet ist und wie erwartet auch vollzogen wird.

Lediglich die Beschreibungen und Analysen der ganz unterschiedlichen Charaktere ist in „Acht Tage Ewigkeit“ vergleichsweise weniger intensiv, wobei man hier berücksichtigen muss, dass gerade im ersten Band mit der regelrechten Demonstration der Wesenszüge Triliths Maßstäbe gesetzt wurden, an denen man später angesichts des bereits vorhandenen Wissens um die aggressive Kämpferin zwangsweise scheitern musste. Dennoch: Eine echte Schwäche kann man Buchholz diesbezüglich auch nicht attestieren, weil er Figuren und Story stets in Harmonie bringt und den Fortschritt beider äußerst professionell inszeniert.

Alles in allem ist der letzte Part der „Rudyn“-Trilogie ein weiteres Highlight dieses faszinierenden, sehr überzeugenden Dreiteilers und schlussendlich auch der Beweis dafür, dass die neue Romanserie um den berühmten Arkoniden durchaus in der Lage ist, mit dem Gottvater der Science-Fiction, Perry Rhodan, in den besten Momenten Schritt zu halten. Das perfekte Zusammenspiel von Emotionalität, unterkühlter Härte, Technik und Atmosphäre grenzt jedenfalls in dieser Mini-Serie schon an die Referenz der internationalen Science-Fiction und sollte daher auch in keiner gut sortierten Genre-Sammlung als Lücke klaffen.

http://www.fanpro.com
http://www.perryrhodan.net/

Scalzi, John – Geisterbrigaden

In einer fernen Zukunft verteidigen alte und kranke Rentner die Kolonien der Menschheit gegen unzählige außerirdische Rassen, die mit der Kolonialen Union (KU) im ständigen, blutigen Konflikt um die wenigen bewohnbaren Welten liegen, in einer Galaxis in der Grenzen genauso flexibel sind wie die Moralvorstellungen ihrer Bewohner. Die lebenserfahrenen, aber körperlich alten und kranken Rekruten der Kolonialen Verteidigungsarmee (KVA) hoffen auf eine Verjüngung, wie sie in den Rekrutierungsbüros der KVA auf der Erde versprochen wird. Doch ihr Bewusstsein wird in geklonte Alien-Mensch-Hybridkörper ihrer Selbst mit grüner Haut – stärker, schneller und robuster – transferiert. Bis zum Ende ihres Dienstes, an dem sie wählen können, ob sie auf einer der Kolonien der Menschheit in einem nicht-aufgerüsteten Normalkörper leben wollen. Bis dahin müssen sie sich den Feinden der Menschheit zum Gefecht stellen.

Einige Freiwillige sterben, bevor der Bewusstseinstransfer in den neuen Körper vollzogen werden kann. Ihre Körper dienen der KU als Basis für genetische Experimente, aus denen die |Geisterbrigaden| genannten Spezialeinheiten hervorgehen. Ihre Körper werden aus der DNA der Toten hergestellt, tiefgreifender modifiziert, leistungsfähiger gemacht. Einige wenige sind so spezialisiert, dass ihr Körper keine menschliche Form mehr besitzt. Die Spezialeinheiten haben keinen Bewusstseinsspender. Wenn sie zum Leben erweckt werden, sind sie Kinder, die unheimlich schnell lernen, dank des wie bei allen KVA-Angehörigen im Gehirn implantierten |BrainPals|, eines Minicomputers. Doch die Vernetzung ist weit fortgeschrittener und umfassender als bei normalen Soldaten. Er formt, entwickelt und indoktriniert das junge Bewusstsein. Zu einem Zweck: um mit ihren überlegenen Fähigkeiten Dinge zu tun, die kein |normaler| Mensch könnte. Um Dinge zu tun, die kein |Mensch| mit einem Gewissen tun würde …

Doch die stärksten Krieger der Menschheit erleiden in letzter Zeit verheerende Niederlagen, Raumschiffe der Spezialeinheit verschwinden spurlos. Bis Jane Sagan im Verhör von einer Allianz gegen die Menschheit erfährt. Drei außerirdische Spezies haben sich verbündet – mit einem Menschen: Dr. Charles Boutin. Niemand weiß, was Boutin zum Verräter an der Menschheit gemacht hat. Der Spezialist für Bewusstseinstransfer und BrainPal-Software hat an seiner Stelle einen Boutin-Klon sterben lassen, um seine Desertation zu tarnen. Doch man findet noch etwas, das man bislang für unmöglich gehalten hat: ein gespeichertes Bewusstsein – vermutlich das von Charles Boutin. Da Boutin offiziell für tot erklärt wurde, überstellt man seine Gene der Spezialeinheit, die daraus einen Klon Boutins erschafft, in dem das gespeicherte Bewusstsein transferiert wird.

Doch aus dem geplanten Verhör wird nichts. Zwar gelingt der Transfer, doch das erwachende Bewusstsein ist nicht perfekt. Jared Dirac besitzt Züge der Persönlichkeit Boutins und Erinnerungsfragmente, was den Generälen Mattson und Szilard jedoch nicht weiterhilft. Ähnlich wie ein Amnesiepatient wird er auf eine Reise in die Vergangenheit geschickt, starke Reize wie Kampfeinsätze oder Erinnerungsgegenstände von Boutins toter Tochter Zoë sollen ihn dazu anregen. Jared Dirac erinnert sich, kommt dem Verräter an der Menschheit und seinen Motiven allmählich auf die Spur – und wird ihm immer ähnlicher …

_Der Autor_

John Scalzi (* 10.05.1969, Kalifornien) begann seine Karriere in der Blogger-Szene. [„Krieg der Klone“ 3677 (im Original: „Old Man’s War“) erschien bereits 2002 in Fortsetzungen im Blog seiner Website, bis Patrick Nielsen Hayden, Senior Editor von |Tor Books|, auf ihn aufmerksam wurde. Womit dieser ein ausgezeichnetes Gespür bewiesen hat: Scalzis Debüt war gleichzeitig auch sein Durchbruch, das Buch verkaufte sich in den USA ausgezeichnet und kam bei den Lesern gut an.

Als Sahnehäubchen wurde es 2006 mit dem |John W. Campbell Award| ausgezeichnet und für den |Hugo Award| nominiert. Scalzis „Krieg der Klone“ musste gegen Werke etablierter Autoren wie George R. R. Martin, Charles Stross und Ken MacLeod antreten, und sich nur dem überragenden [„Spin“ 2703 von Robert Charles Wilson geschlagen geben.

_Ein Plädoyer für Entscheidungsfreiheit_

Mittlerweile ist Scalzis Universum rund um die Koloniale Union auf drei Romane („Krieg der Klone“, „Geisterbrigaden“ und „Die letzte Kolonie“ (erscheint im Juni 2008)) und eine Novelle („The Sagan Diary“) angewachsen, gleichzeitig hat er sich weiterentwickelt, weg von den Sternenkriegern à la Altmeister Heinlein. Ein vierter Roman, „Zoe’s Tale“, wird gegen Ende 2008 erscheinen. Die im ersten Band nur sehr leise angedeutete Kritik an der Politik und den Methoden der Kolonialen Union wird insbesondere in „Die letzte Kolonie“ erneut aufgegriffen und Heinleins imperialistische Ideologie durch postmoderne Ideen ersetzt.

Ursprünglich erwartete ich mehr über Jane Sagan zu lesen, doch der Boutin-Klon Jared Dirac ist die Hauptfigur von „Geisterbrigaden“. Zwar geizt Scalzi nicht mit actionreichen Einsätzen der Spezialeinheit, doch der Fokus liegt ganz klar auf dem Verhältnis zwischen den geklonten Frankenstein-Kindersoldaten der Spezialeinheit und dem Rest der Menschheit. Zusätzlich ist der Roman auch eine Detektivgeschichte; neben Jareds Persönlichkeitsproblemen (Bin ich Jared Dirac oder Charles Boutin?) führt Scalzi den Leser zurück in Boutins Vergangenheit, beginnend bei einer Lakritzschnecke, die Erinnerungen und Trauer um Zoë in Jared weckt, eine Tochter, die er nie gehabt hat. So kommt man nach und nach den Motiven Boutins auf die Spur, kann seinen Hass auf die Koloniale Union nachvollziehen. Diese bevormundet die Menschheit, behält ihr wichtige Informationen vor und ist keineswegs nur der Beschützer vor den brutalen Aliens, sondern auch selbst Aggressor und hat einen Großteil ihrer Probleme selbst verschuldet.

Besonders gut gelungen ist Scalzi der Konflikt in Jared Dirac. Als eine |Tabula Rasa| wird er mit einem Minimalbewusstsein in die Welt geworfen und dazu gezwungen, jemand zu werden, der er nicht ist. Eingeweihte, die um seine Geschichte wissen, wie Jane Sagan, begegnen ihm als potenziellen Verräter mit Misstrauen. Unterstützung erfährt er ausgerechnet von Boutins ehemaligem Assistenten und einem gefangenen Alien, die ihm zum ersten Mal in seinem Leben vor die Wahl stellen: Willst du weiter Boutins Spur folgen, mit allen möglichen Konsequenzen, oder nicht? Sie sind die Ersten, die Jared als eigenständige Person respektieren. Im Vergleich zu seinen Gefährten von der Spezialeinheit besitzt Jared einen ausgeprägten Eigensinn, ebenso einen gewissen Sinn für Humor. Dieser ist bei den bereits vor dem Erwachen des Bewusstseins konditionierten Spezialsoldaten sonst eher gering ausgeprägt. Dennoch schildert Scalzi auch die von den Normalgeborenen oft misstrauisch beäugten Klonsoldaten als eigenständige Persönlichkeiten. So besitzt Jareds bevorzugte Geliebte Sarah Pauling einen Sinn für Humor, während Steve Seaborg ein humorloser, eher eifersüchtiger und hinterhältiger Typ ist, der schließlich doch noch mit dem in den Augen der Spezialeinheiten spürbar „anderen“ Jared zurecht kommt. Insbesondere die Textpassagen mit Lieutenant Cloud und Jared Dirac über das etwas andere Humorverständnis der Spezialeinheit und dessen Hintergründe sind in Scalzi-Manier humorvoll, leicht und zugleich tiefsinnig.

_Fazit:_

„Geisterbrigaden“ ist ein gelungener Mix aus actionreicher Science-Fiction, Detektivgeschichte/Krimi, abgemischt mit viel Humor und dennoch tiefsinniger und abwechslungsreicher als „Krieg der Klone“. Die Hauptfigur Jared Dirac ist ein tragischer Held, der Humors Scalzis ist noch genauso trocken, ironisch und erfrischend wie in „Krieg der Klone“, aber auch hier hat er sich gesteigert: Allzu platte, klischeehafte Schenkelklopfer kommen nicht mehr vor. Zudem geht er mehr in die Tiefe, bei komplexeren und düsteren Themen, die er zuvor nur angerissen hat, wie der Ausbeutung der Spezialeinheiten, aber auch der zwielichtigen Rolle der Kolonialen Union. Interessant ist es auch, ab und an über Aktionen der Spezialeinheit aus Sicht der Aliens zu lesen, was dem Buch eine faszinierende neue Perspektive gibt, gerade weil Scalzi den Leser überrumpelt und man die Aliens anfangs oft für Menschen hält, was überrascht und zudem zur Reflexion anregt. Als Schwächen fielen mir nur einige Brüche in der Logik auf: Dass Boutin einen Groll auf die KU hegt, ist nachvollziehbar, der Verrat an der ganzen Menschheit jedoch nicht. Ebenso wenig, warum er eine Bewusstseinskopie zurückgelassen hat. Dieser Zusammenhang, den ich hier nicht vorwegnehmen möchte, wirkte ziemlich konstruiert auf mich. Ebenso unbefriedigend war die Begründung, warum der Boutin-Klon Dirac das Bewusstsein Boutins nicht vollständig angenommen hat – bei den KVA-Klontransfers geschieht prinzipiell nichts anderes.

Das hält mich jedoch nicht von einer uneingeschränkten Kaufempfehlung ab. Humor, Action und trotzdem gehaltvoll – John Scalzi weiß, wie man den Leser unterhält. Das scheint sein Markenzeichen zu werden, denn ohne zu viel verraten zu wollen: Auch der erst 2008 in Übersetzung erscheinende Band „Die letzte Kolonie“ hat mich im Original überzeugen können. Die Übersetzung von Bernhard Kempen verdient ebenfalls ein Lob; er hat den Humor und Stil Scalzis hervorragend ins Deutsche übertragen.

|Originaltitel: The Ghost Brigades
Übersetzt von Bernhard Kempen
Taschenbuch, 432 Seiten|
http://www.scalzi.com/
http://www.heyne.de

Vlcek, Ernst / Effenberger, S. A. / Hagitte, Chr. / Bertling, S. / Sieper, M. – Blut der Veronis, Das (Perry Rhodan – Sternenozean 6)

Die 1. Staffel:

1) [Der Sternenbastard 3030
2) [Die Mascantin 3031
3) [Der Hyperschock 3035
4) [Planet der Mythen 3058
5) [Havarie auf Hayok 3263
6) Das Blut der Veronis

Die 2. Staffel:

7) [Der Gesang der Motana 3627
8) [Sonderkommando Kantiran 3639
9) [Tau Carama 3656
10) [Überfahrt nach Curhafe 3664
11) [Entscheidung in Vhalaum 3682
12) [Die Femesängerin 3699

_Story_

Atlan und Perry Rhodan sind im Sternenozean von Jamondi verschollen und landen dank der ausbleibenden Unterstützung der Superintelligenz ES auf einem abgelegenen Wüstenplaneten, der von der Tyrannei des brutalen Minenbesitzers Rhapid-Kybb-Karter gezeichnet ist. Unter Einsatz seines Lebens opfert das Volk der Mutaner hier willenlos und Tag für Tag seine Kräfte für den Herrscher, und dies lediglich zu dem Zwecke, die Schaumopal-Vorräte des Planeten schnellstmöglich auszuschöpfen.

Auch Perry und Atlan geraten in die Gefangenschaft des kompromisslosen Existenzschinders und müssen sich dem Schicksal in den Schaumopal-Abbaustätten beugen. Alsbald wehrt sich Atlan jedoch gegen die Quotenforderungen, die Kybb-Karter von seinen Bergarbeitern verlangt, und wird hierfür hart bestraft. Dennoch ist der Wille, möglichst schnell einen Fluchtweg vorzubereiten, ungebrochen und macht den Arkoniden trotz ständiger Beobachtung der strengen Aufseherin erfinderisch und mutig. Als dann jedoch ein Teil des Bergwerks einstürzt und zahlreiche Arbeiter unter sich begräbt, verlieren die Flüchtigen jede Hoffnung. Rhodan glaubt sogar, sein Freund und Wegbegleiter an die Ruine oder aber an die schemenhaften Veronis verloren zu haben …

_Persönlicher Eindruck_

Während die ersten Folgen des neuen Mammut-Hörspiel-Zyklus „Sternenozean“ noch mehr oder minder ein gewisses Vorwissen vom Zuhörer verlangten und einander im Wesentlichen doch sehr stark bedingten, zeichnet sich die sechste Episode der Reihen nun als erstes weitestgehend unabhängiges Werk im Rahmen der Serie ab. Dieses Mal hat es den Titelhelden in den Jamondi-Sternenozean verschlagen, einem bislang kaum ergründeten Teil der Galaxis, dessen größter Schatz das übermäßig hohe Schaumopal-Aufkommen ist. Bevor Rhodan und Atlan sich jedoch auf das Landschaftsbild der Planeten, auf dem sie unverhofft landen, einstellen und die Rohstoffvorkommen bewundern können, geraten sie in einen Hinterhalt und werden fortan als Sklaven zur Schaumopalernte herangezogen. Unterdessen erfahren sie auch immer mehr über die Existenz der Veronis, deren Dasein die Mutaner ebenso beunruhigt wie die beiden Helden. Als sich die Dinge schließlich überschlagen und die Flucht zum mittelschweren Desaster wird, wissen Atlan und Perry auch, warum dem so ist.

Die nunmehr sechste Episode des „Sternenozean“-Zyklus erweist sich inhaltlich sicherlich als der gradlinigste Vertreter seiner Zunft. Die Story wird zügig vorangetrieben, die Geschichte selber bietet trotz der verhältnismäßigen Armut an überraschenden Wendepunkten genügend Substanz für einen kontinuierlichen Spannungsaufbau. Das Setting ist hingegen ein altbekanntes; Rhodan und seine Gefährte landen in einer sadistischen Gefängnislandschaft und erleben in direkter Nähe die schreckliche Gewaltbereitschaft der Wärter, die jeden einzelnen umbringen, der die erforderliche Tagesquote beim Abbau des Schaumopals nicht erfüllt. Derartiges fand man zuletzt noch in der ersten Trilogie der neuen Atlan-Romanreihe und darüber hinaus in zahlreichen Heftromanen des wohl berühmtesten Weltraumabenteurers der Literaturwelt.

Allerdings ist die Aufarbeitung des Stoffes maßgeblich, und die wiederum ist in „Das Blut der Veronis“ in weitestem Sinne vorzüglich. Das Hörspiel ist dynamisch und temporeich und zu guter Letzt auch noch mit der passenden, beklemmenden Atmosphäre ausgestattet. Lediglich die Entwicklung der Charaktere ist für Rhodan-Verhältnisse ein wenig ungewöhnlich, gerade was seinen Sidekick Atlan betrifft, der hier gleich mehrfach unbedacht handelt und somit seinen üblichen Maximen des Öfteren widerspricht. Fast schon kindlich stellt er sich gegen den Tyrannen und muss für sein naives Heißspornverhalten einen schwerwiegenden Tribut zahlen. Dies gleicht der Titelgeber, gesprochen von einem souveränen Volker Lichtenbrink, zwar wieder durch seine ruhige Natur und Ausstrahlung aus, jedoch will der Auftritt des Arkoniden nicht ganz mit dem ursprünglichen Erscheinungsbild Atlans harmonieren.

Davon abgesehen sind weder inhaltliche noch Defizite in Aufarbeitung und Umsetzung festzumachen; „Das Blut der Veronis“ ist bezogen auf Struktur, Spannung und Story vielleicht das beste bisherige Hörspiel aus der neu gestarteten Serie. Außerdem bietet es auch Neueinsteigern die Chance, sich in den Kosmos Rhodans hineinzuarbeiten. Episode Nr. 6 ist nämlich recht unabhängig und erfordert keine ausgeprägten Kenntnisse zu Figuren und Background. In diesem Sinne: Ein dickes Lob für Lichtenbrink und Co., die hier definitiv ganze Arbeit geleistet haben!

_Besetzung:_

Erzähler: Joachim Höppner
Perry Rhodan: Volker Lechtenbrink
Atlan: Volker Brandt
Jadyel: Andreas Fröhlich
Gorlin: Peter Groeger
Rhapid-Kybb-Karter: Jürgen Thormann
Aicha: Regina Lemnitz
Fahrdin: Andreas Bisowski
In weiteren Rollen: Antje von der Ahe, Christian Sander, Hochmeisterchor Berlin

Regie, Musik, Ton und Programmierung: Christian Hagitte und Simon Bertling
Schnitt, Sounddesign und Special FX: Sonja Harth
Regieassistentin: Cornelia Schilling
Produktionsassistentin: Katalin Hartke
Produktion: STIL im Auftrag von Lübbe Audio
Executive Producer: Marc Sieper

Die Musik wurde exklusiv für die Perry-Rhodan-Hörspiele komponiert und vom Berliner Filmorchester unter der Leitung von Christian Hagitte live eingespielt. Die elektronischen Klänge und Effekte wurden speziell für die Hörspiele vom STIL-Team durch den Einsatz von Computertechnik generiert.

http://www.perryrhodan.org
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stil.name/

Meister, Derek – Rungholts Ehre

[Lübeck,]http://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCbeck weltbekannt durch das Marzipan von Niederegger und natürlich durch das alte Festungstor, auch Holstentor genannt – das eigentliche Wahrzeichen der damaligen „Königin der Hanse“, wie die Stadt stolz von sich sagen kann. Es gibt in Deutschland wenige so gut erhaltene Altstädte, in denen man noch einen Hauch von Mittelalter spürt, wenn man die kleinen Gassen betritt, durch die engen Gänge schleicht oder sich in einem wunderschönen Hof wiederfindet.

Gebäude, Straßennamen und die übrig gebliebenen Gänge und Höfe zeugen noch immer von der Macht und dem Wohlstand, den die Lübecker in ihrer für sie wichtigsten Zeit aufgebaut haben. Im 14. Jahrhundert war sie für den Seeverkehr im östlichen Raum um Brügge, London und Nowgorod das Zentrum für Handel, Kredite und die Macht der [Hanse.]http://de.wikipedia.org/wiki/Hanse Das Mittelalter war nicht nur eine dunkle Zeit; diese Epoche trug wesentlich dazu bei, den Wohlstand in den Städten und Gemeinden zu festigen. Berufe und ihre Zünfte, Handelsvereinigungen, die sich auch über die Grenzen Europas hinweg ausbreiteten, sowie Kunstwerke, Literatur und auch die Medizin hatten für den deutschsprachigen Raum in dieser Epoche ihren Nährboden.

Der in Berlin lebende Schriftsteller Derek Meister hat mit seinem Debütroman „Rungholts Ehre“ ein wundervolles Stück Mittelalter geschrieben, das in der damaligen [Hansestadt]http://de.wikipedia.org/wiki/Hansestadt Lübeck spielt.

_Story_

1390, Hansestadt Lübeck. Der Lübecker Kaufmann und Ratsherr Rungholt bereitet die Hochzeit seiner dritten Tochter Mirke vor. Mit ihren 13 Jahren soll sie den ehemaligen Bürgermeister und Kaufmann Attdorn ehelichen. Die Mitgift wurde ausgehandelt, der Vertrag aufgesetzt und liegt schon zur Unterschrift bereit, doch das junge Mädchen Mirke liebt jemanden anderen. Seit ihren frühen Kindheitstagen kennt sie den jungen Lehrling ihres Vaters, Daniel, der zwar wie ein Bruder für sie ist, aber inzwischen haben sie mehr als nur geschwisterliche Gefühle füreinander entwickelt, welche die ganze Situation nun etwas verkomplizieren.

Eines Tages, als sie sich heimlich an der [Trave]http://de.wikipedia.org/wiki/Trave treffen, entdecken dort beide eine übel zugerichtete Leiche, die auf dem Wasser treibt. Erschreckt und überrascht erkennt Daniel den Toten. Am Abend zuvor hat dieser doch mit ihm zusammen im Wirtshaus die Würfel rollen lassen; der Fremde hatte verloren und wollte seine Schuld nicht begleichen. Ein Prügelei entstand und der Fremde suchte das Weite …

Daniel verzweifelt, und voller Angst davor, dass man ihn nun für den Mörder halten wird, flüchtet er Hals über Kopf quer durch die ganze Innenstadt. Rungholt erfährt nur wenig später, dass Daniel festgenommen und damit für friedlos erklärt wurde. Rungholt, der sich in der Pflicht sieht, die Ehre seines Hauses wiederherzustellen, und der überhaupt nicht an die Schuld seines Schützlings und Lehrlings glaubt, erreicht einen Aufschub von zwei Tagen, bevor es zur Gerichtsverhandlung unter Leitung des jungen Richters Kerkings kommen kann. Die Zeit drängt und Rungholt beginnt zu ermitteln, stellt dabei aber schnell fest, dass Beweismittel verschwinden und man nicht wirklich ehrlich zu ihm ist, wenn er bohrende Fragen stellt und natürlich klärende Antworten erwartet.

Der Rat der Stadt Lübeck hat aber auch seine ganz eigenen Sorgen. Immer mehr Koggen der Hanse werden von den [Vitalienbrüdern]http://de.wikipedia.org/wiki/Vitalienbr%C3%BCder (Piraten) aufgebracht, geplündert und versenkt. Der ältere Ratsherr Winfried der Kahle will mit aller Macht gegen die Freibeuter vorgehen und versucht den Rat davon zu überzeugen, „Friedeschiffe“ bauen zu lassen, um diese bekämpfen zu können. Die beiden Hansestädte Wismar und Rostock hingegen gewähren den Freibeutern freien Zugang zu ihren Häfen, da diese auch dänische Schiffe aufbringen. Hieraus könnte ein gefährlicher Konflikt mit Mecklenburg entstehen, das eine Bekämpfung der Piraten als Unterstützung Dänemarks auffassen würde – eine politische Zwickmühle, und dazu noch eine sehr risikoreiche.

Den aufstrebenden Lübecker Kaufmann Hinrich Calve, der von den Vorkommnissen in seiner Heimatstadt nichts ahnt und sich wegen seiner Geschäfte in Stralsund aufhält, erreicht eine Hiobsbotschaft – sein ältester Sohn Egbert ist mit seinem Schiff ein Opfer der Piraten geworden und hat dabei den Tod gefunden. Sofort bricht Calve zusammen mit seinem jüngsten Sohn und einigen Söldnern auf, um die Heimreise anzutreten. Doch ihre Reise wird durch einen Überfall unterbrochen, Johannes wird von einer Armbrust schwer verletzt und die Räuber haben es scheinbar nicht auf die wertvolle Fracht abgesehen, sondern auf Calve selbst …

Rungholt findet trotz aller sich vor ihm auftuenden Schwierigkeiten erste Spuren und wird in Momentaufnahmen mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert, mit der er sich lieber nicht auseinandersetzen will und die er lieber bewusst verdrängt. Die Spuren führen zusammen und enden bei Hinrich Calve, der etwas von seinem Haus entfernt einen Keller gemietet hat, in dem der ermordete Fremde lebte und scheinbar studierte und forschte. Rungholt kann mit den für ihn fremden Zeichen und Berechnungen wenig anfangen, erkennt aber recht schnell, dass diese nicht europäischen Ursprungs sind.

Als Rungholt sich mit dem inzwischen in Lübeck eingetroffenen Kaufmann Calve treffen will, wird er Zeuge davon, wie dieser von einem unbekannten Mann erdolcht und ebenfalls in den Fluss geworfen wird … Bedeutet das nun einen Tag vor der Gerichtsverhandlung den Tod durch den Galgen für Daniel und für Rungholts Ehre eine tiefe Schmach? Zusammen mit seinem Kapitän Marek tritt er die Flucht nach vorne an und beginnt zu verstehen, dass nicht nur das Leben Daniels auf dem Spiel steht, sondern auch er selbst in größter Gefahr schwebt …

_Kritik_

Derek Meister hat dem Mittelalter der Hansezeit ein wertvolles Geschenk vermacht. Nicht nur, dass die Geschichte spannend erzählt und die Handlungsstränge ineinander verworren, aber gleichmäßig fesselnd zu Ende gedacht und beschrieben werden; ebenso erfährt der Leser eine Menge vom alltäglichen Leben des Mittelalters in einer Stadt der Hanse.

Die Atmosphäre eines historischen Romans ist für die Authentizität absolut wichtig, und bei „Rungholts Ehre“ meint man als Leser direkt am Geschehen teilzuhaben, man spürt das pulsierende Leben auf dem Marktplatz, im Rathaus oder in den finsteren und schmuddeligen Gassen des damaligen Lübecks. Besonders gut und überhaupt nicht verwirrend oder einschränkend fand ich die Entscheidung des Autors, dass verschiedene alltägliche Gegenstände und Gepflogenheiten ihre eigentümliche Begrifflichkeit nicht verloren haben, wie z. B. Misericord, Toslach, Trippe u. ä. Diese sind im Anhang detailliert aufgeführt und erklärt und tragen viel dazu bei, dass der historische Kriminalroman lebensecht wirkt.

Traditionen und Lebensart, Handel und Handwerk, das Leben und der Tod werden in dieser Geschichte abwechslungsreich und lehrreich geschildert. Wie nur wenige Autoren findet Derek Meister den richtigen Weg, um dem Leser ein farbenprächtiges Leben des Mittelalters zu vermitteln. Der Spannungsbogen entwickelt sich dabei ebenso immer weiter wie die Charaktere. Besonders die Person des Patriziers Rungholt wird mit all ihren guten wie auch schlechten Eigenschaften charakterisiert. Der Leser leidet förmlich mit, wenn der gutherzige, aber immer jähzornige und aufbrausende Kaufmann vor Zahnschmerzen nicht mehr ein noch aus weiß.

Das Schicksal seiner Vergangenheit hinterlässt deutliche Spuren in der Erzählung. Rungholts Eigenheit, immer mit dem Kopf voran durch die Wand rennen zu wollen und auch dabei mal schmerzlich abzuprallen, machen ihn sehr sympathisch, und er hat das Herz über seinem stattlichen Bauch am rechten Fleck. Er sorgt sich um die Seinen, übernimmt Verantwortung, wo andere vielleicht eher wegschauen würden, und handelt oftmals ohne Rücksicht auf Verluste. Seiner Tochter Mirke möchte Rungholt ein guter Vater sein, doch hinterfragt er sein Handeln und kommt nicht wenige Male selbstkritisch ins Nachdenken.

Im Laufe der Geschichte wird dem Leser schnell klar, dass Rungholt mit den Schatten seiner Vergangenheit leben muss und diese ihn immer wieder belasten. Wie ein roter Faden zieht sich dies durch den Roman, ohne aber letztlich erklärt zu werden. Das nimmt dem Roman jedoch nichts an Spannung, im Gegenteil, macht es doch gleich noch mehr Lust darauf, den Nachfolger „Rungholts Sünde“ lesen zu wollen. Auch bei den vielen Nebenfiguren gibt sich der Autor die größte Mühe, diese detailfreudig zu entwerfen, bis der Leser fast glaubt, es mit guten, alten Bekannten zu tun zu haben.

Es gibt nur wenige Kritikpunkte anzumerken, ansonsten ist dieses Erstlingswerk durchweg grandios. Am Ende der Geschichte verliert sie ein wenig an Wendigkeit und endet zwar konsequent und schlüssig, aber nicht überraschend. Die dramatische Liebesgeschichte von Mirke und Daniel wird pragmatisch zu Ende erzählt, es bleibt allerdings noch viel Stoff übrig, um diese konventionell in den nächsten Büchern weiterzuführen.

Der Autor nimmt sich viel Raum und Zeit, um dem Leser das Mittelalter vor Augen zu halten, und dabei liegt es auch nahe, dass er aus dramaturgischen Gründen ein wenig die historischen Gegebenheiten verändert hat. Es sei ihm verziehen, denn im Nachwort ist dies im Detail noch einmal kurz erklärt und ggf. mit echten Daten aufgeführt.

Lobenswert bleibt noch zu erwähnen, dass es im Buch noch eine kleine historische Stadtkarte von der Altstadt Lübecks des Jahres 1390 gibt, die uns Nicht-Lübeckern die Straßen, Plätze, Gänge und wichtigen Standorte aufzeigt. Allerdings hätte ich mir noch ein Personenregister gewünscht, wie es oftmals gerade in historischen Romanen bereitgestellt wird.

_Fazit_

„Rungholts Ehre“ von Derek Meister kann ich nur empfehlen. Eine historische Kriminalgeschichte vor den Kulissen einer wundervollen und bedeuteten Stadt Lübeck spielen zu lassen und beides solcherart gekonnt miteinander zu kombinieren, verdient Hochachtung. Zwar geht es nicht unbedingt blutig zur Sache, bleibt also gänzlich ohne Schlachten und Kriege, aber auch Rungholt hat die Gelegenheit, seinen Jähzorn mit dem Schwert auszutoben. Die Dialoge zwischen den Figuren sind nicht häufig humorvoll und bilden mitunter den Kern des Romans, das Gleichgewicht zwischen Dialog und etwas Action wirkt belebend und frisch, nicht einseitig oder übertrieben.

Dieser Roman wird nicht nur die Herzen der Liebhaber historischer Geschichten höher schlagen lassen, auch der Krimiinteressierte wird unter Garantie nicht zu kurz kommen und seine helle Freude an den spannenden Verwicklungen haben. Prädikat wertvoll, und das in vielerlei Hinsicht, und damit freue ich mich schon auf die nächsten Romane mit dem dickköpfigen und aufbrausenden, aber doch herzlichen Kaufmann und Ratsherr Rungholt.

_Der Autor_

Derek Meister wurde 1973 in Hannover geboren. Schon früh entdeckte er seine Leidenschaft für das Geschichtenerzählen und den Film. So entstanden in den 1980er Jahren mit Freunden erste Spielfilme auf Super-8 im Wald hinter dem Haus.

Die frühen Versuche verschlugen ihn 1995 an die Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam/Babelsberg. Dort studierte er Film- und Fernsehdramaturgie. Schon während des Studiums wurden erste Drehbücher unter anderem vom ZDF realisiert. 2003 beendete Derek Meister sein Studium zum Film- und Fernsehdramaturgen mit Diplom.

Derek Meister schreibt für diverse Produktionsfirmen und Sender, darunter das |ZDF|, |RTL|, |Sat.1| und |Pro7|. Er entwickelte die Krimiserie „Mit Herz und Handschellen“ mit, die 2003 erfolgreich auf |Sat.1| lief, und wurde mit „Weg!“ für den FirstSteps-Preis nominiert. Außerdem gewann das Spiel „Wiggles“, für das er das Drehbuch verfasste, zahlreiche Branchenpreise.

Derek Meister arbeitet seit 1999 als freier Autor in Berlin. Neben der „Rungholt“-Reihe schreibt Derek Meister zusammen mit seiner Frau die Reihe „Drachenhof Feuerfels“, die im |Loewe|-Verlag erschienen ist.

http://www.rungholt-das-buch.de/

inhalt


http://www.blanvalet.de
[Unser Interview mit dem Autor]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=88

Hodgson, William Hope – Carnacki der Geisterfinder

Zum ersten Mal werden in deutscher Sprache alle neun Kurzgeschichten um den „Geisterfinder“ Carnacki gesammelt, mit dem William Hope Hodgson (1877-1918) einen der ersten der heute in der Phantastik so beliebten Erforscher übernatürlicher Phänomene schuf:

– _Das Tor des Monsters_ („The Gateway of the Monster“, 1910): Um ein verfluchtes Familienerbstück hat sich aus fremddimensionaler Essenz ein groteskes Ungeheuer geformt, das auf unvorsichtige Besucher lauert – aktuell ist dies Geisterfinder Carnacki, der im entscheidenden Moment seines Kampfes einen ganz dummen Fehler macht …

– _Das Haus in den Lorbeeren_ („The House Among the Laurels“, 1910): Blut tropft von den Decken und macht deutlich, dass es in diesem Haus umgeht. Mit einigen mutigen Männern und scharfen Hunden will Carnacki das Geheimnis lüften, was ihm nach vielen Gefahren mit unerwartetem Ergebnis gelingt …

– _Das pfeifende Zimmer_ („The Whistling Room“, 1910): In einer alten irischen Burg hat sich eine dämonische Macht eingenistet. Carnacki muss sein eindrucksvolles Instrumentarium altbewährter und hochmoderner Abwehrmittel einsetzen, um dem heimtückischen und gemeingefährlichen Spuk ein Ende zu bereiten …

– _Das Pferd aus dem Unsichtbaren_ („The Horse of the Invisible“, 1910): Mary Higgins wird vom Familienfluch heimgesucht – ein unsichtbares Gespensterpferd verfolgt und peinigt sie. Carnacki eilt zur Hilfe und deckt eine sehr irdische Verschwörung auf, doch dahinter kommt ein sehr echter Spuk zum Vorschein …

– _Das letzte Haus_ („The Searcher of the End House“, 1910): Dieses Mal sucht ein Spuk das Haus von Carnackis Mutter heim. Der Vermieter gibt ungern preis, dass hier einst der Schmuggler Captain Tobias logierte. In der Nacht entdeckt Carnacki allerdings die geisterhaften Gestalten einer Frau und eines nackten Kindes, was den Ereignissen eine neue Richtung gibt …

– _Das unsichtbare Ding_ („The Thing Invisible“, 1912): In der Kapelle eines alten Landhauses sorgt ein verfluchter Dolch für nächtlichen Schrecken. Carnacki wagt sich an den Ort des Grauens und deckt ein historisches Rätsel auf …

– _Spuk auf der Jarvee_ („The Haunted ‚Jarvee'“, 1929): Dieses Schiff ist verflucht. Selbst Carnacki, den sein Freund, Kapitän Thompson, an Bord bittet, kann sein schreckliches Ende nicht verhindern, aber immerhin erklären …

– _Das Schwein_ („The Hog“, 1947): Die Schutzschicht, die unsere Welt von wahrlich fremden Dimensionen trennt, ist um den unglücklichen Mr. Bains reichlich dünn geworden. Finstere Existenzen haben es auf seine Seele abgesehen, mit denen sich der zu Hilfe gerufene Carnacki einen heroischen Kampf auf Leben und Tod liefert …

– _Der Fund_ („The Find“, 1947): Auch als Fachmann für historische Geheimnisse weiß sich Carnacki zu bewähren, als in einem Londoner Museum die mysteriöse Kopie eines berüchtigten Manuskriptes auftaucht, das einst am Hofe der Königin Elizabeth I. für gewaltiges Aufsehen sorgte …

_Einige Anmerkungen zu dieser Sammlung_

|I.|

Der „Geisterfinder“ Thomas Carnacki, ein früher Anhänger Sigmund Freuds und C. G. Jungs, geht das Übernatürliche streng wissenschaftlich bzw. deduktiv an: Carnacki ist eine Art Sherlock Holmes des Übernatürlichen. Zwar verschmäht er die alten Meister der Magie nicht, die er indes eher als Repräsentanten inzwischen vergessenen Wissens denn als Zauberer oder Alchimisten betrachtet. Als Mann des 20. Jahrhunderts zieht Carnacki nicht mehr nur mit Bannsprüchen und Amuletten, sondern auch mit Mikrofon und Fotoapparat in die Geisterschlacht. Modernstes Geisterspür-Gerät, entwickelt auf der Basis aktueller Erkenntnisse der Physik und anderer Naturwissenschaften, trägt er im Gepäck. Besonders sein mit Elektrizität beleuchtetes Pentagramm bleibt dem Leser im Gedächtnis.

Wobei das nicht so lächerlich wirkt, wie es zunächst klingen mag. Carnacki bekommt es durchaus nicht mit den Gespenstern bekannter Machart zu tun. Rächende Leichen und andere Untote erledigt er zwar auch. Eigentlich jagt er jedoch größeres Wild. Neben der Welt, wie wir sie kennen, gibt es andere Welten. Damit ist nicht zwangsläufig das Jenseits als Reich der Toten gemeint. Carnacki weiß um die Mehrdimensionalität des Universums. Dort, wo die Grenzen manchmal brüchig werden, besuchen uns fremde Wesenheiten, die unter den Menschen partout nichts zu suchen haben und vertrieben werden müssen. Das ist Carnackis Job.

Hier wildert Hodgson eigentlich auf dem Feld der Science-Fiction. Es wirkt nicht so, weil er seine ‚Außerirdischen‘ im Ambiente der klassischen englischen Gruselliteratur auftreten lässt. Zwanzig Jahre später hätte Hodgson das vermutlich viel zugänglicher im Stil der „Pulp“-Magazine gestaltet; er war ein Schriftsteller, dem der Publikumserfolg am Herzen (und an der Geldbörse) lag.

Der recht kritische H. P. Lovecraft (1890-1937) rühmte jedenfalls Hodgsons Idee des „kosmischen Schreckens“ und ließ sich für die eigene Cthulhu-Saga inspirieren. Wäre Hodgson ein längeres Leben vergönnt gewesen, hätte er vielleicht wie Lovecraft Bezüge zwischen seinen literarischen Welten hergestellt und einen Kosmos mit eigenen Regeln geschaffen. Ansätze dazu finden wir z. B. in den mysteriösen Schweinewesen, die nicht nur Carnacki zu schaffen machen. In Hodgsons eindrucksvoller Novelle [„Das Haus an der Grenze“ 416 (1908) treten sie ebenfalls als zwar bösartige aber vor allem fremde Wesen in die Handlung. Der Idee von der ‚Durchlässigkeit‘ der Realität, die Carnacki in „Spuk auf der Jarvee“ entwickelt, bediente sich Hodgson schon 1909 in seiner bemerkenswerten Novelle „Ghost Pirates“ (dt. „Geisterpiraten“).

|II.|

Dem heutigen Leser mögen die Carnacki-Storys ereignisarm und umständlich geschrieben erscheinen. Vor hundert Jahren definierte man Spannung ein wenig anders als heute. Sie stellt sich ein, wenn man dies berücksichtigt und sich auf Zeit und Stil einlässt. Dabei hilft, dass die Atmosphäre nicht gelitten hat: Hodgson war sicherlich kein Autor, der ‚Action‘-Szenen schreiben konnte. Dafür hatte er einen ausgeprägten Sinn für das Unheimliche bzw. Fremdartige, das er außerordentlich stimmungsvoll heraufbeschwören konnte.

Carnacki ist zwar der „Geisterfinder“, doch er ist als Wissenschaftler offen für alle Erklärungsmöglichkeiten und geht nicht zwangsläufig von ‚übernatürlichen‘ Ursachen aus. Diese Objektivität gehört zu seinem Wesen, was zumindest den deutschen Lesern bisher vorenthalten blieb, da ausschließlich diejenigen Carnacki-Storys veröffentlicht wurden, die den Ermittler tatsächlich Geister finden ließen. Wie diese Sammlung nunmehr zeigt, beobachtet man Carnacki auch dann gern bei seiner Arbeit, wenn er scheinbar Irreales als menschliches Blendwerk entlarvt.

|III.|

W. H. Hodgson gehört zu den großen Klassikern der Phantastik. Auch in Deutschland wurden seine wichtigsten Werke zwischen 1970 und 1987 gut übersetzt in drei Bänden vom |Suhrkamp|-Verlag veröffentlicht. „Das Haus an der Grenze“ ist 2004 im |Festa|-Verlag neu erschienen. Hier sollte im April 2008 auch eine Sammlung aller Carnacki-Storys auf den Buchmarkt gebracht werden. Dieser Titel wurde inzwischen aus dem Programm gestrichen, denn Martin Clauß, der seine Sammlung sowohl herausgab als auch neu übersetzte, ist dem zuvorgekommen.

„Carnacki der Geisterfinder“ ist freilich nicht als ‚richtiges‘ Buch, sondern als „book on demand“ (bod) erhältlich. Dies schränkt die Zahl der potenziellen Leser – groß dürfte ihr Kreis ohnehin nicht sein, da Hodgson anders als z. B. H. P. Lovecraft hierzulande keinerlei Kultstatus besitzt – ein. Das „bod“ hat außerdem weiterhin keinen besonders guten Ruf. Bücher wie dieses könnten dies relativieren. Diverse Fehler im Schriftbild deuten auf die Abwesenheit einer fachmännischen Endredaktion, halten sich jedoch im Rahmen. Die Übersetzung liest sich flüssig, und die Ausgabe ist zudem vollständig: Auf absehbare Zeit ist keine „Carnacki“-Sammlung mehr zu erwarten, und diese schließt eine echte Lücke in den Sammlungen derer, die für die klassische Phantastik schwärmen.

_William Hope Hodgson_ wurde am 15. November 1877 in Blackmore End, Essex, England, als eines von zwölf Kindern geboren. Sein Elternhaus verließ er früh, um zur Handelsmarine zu gehen. Zwischen 1891 und 1904 fuhr er zur See, konnte sich aber nie an die Brutalitäten und Ungerechtigkeiten an Bord, den Schmutz oder die Gefahren gewöhnen. So musterte er ab und eröffnete in Blackburn nahe Liverpool ein Studio für Bodybuilder. Das Geschäft lief schlecht, aber Hodgson schrieb viele Artikel über seine Arbeit und begann über eine Karriere als Schriftsteller nachzudenken. Seine Jahre auf den Weltmeeren lieferten ihm genug Stoff für phantastische Seespukgeschichten. Mit „A Tropical Horror“ debütierte Hodgson 1905 in „The Grand Magazine“.

1907 folgte der Episodenroman „The Boats of the ‚Glen Carrig'“ (dt. in [„Stimme in der Nacht“, 255 |Suhrkamp| Taschenbuch Nr. 749/64, neu aufgelegt als Nr. 2709/340), ein erstes längeres Werk. 1908 erschien „The House on the Borderland“ (dt. „Das Haus an der Grenze“), mit dem Hodgson bewies, dass er auch auf dem trockenen Land Angst & Schrecken zu verbreiten wusste. „Carnacki, the Ghost Finder“ betrat die literarische Bühne 1910. Zwei Jahre später erschien Hodgsons episches Hauptwerk: „The Night Land“, eine Geschichte aus fernster Zukunft, die viele brillante Stimmungsbilder aus „The House on the Borderland“ aufgreift und vertieft.

Hodgson heiratete 1913 und zog mit seiner Gattin nach Südfrankreich. Er schrieb nur noch wenig. Bei Kriegsausbruch 1914 ging er nach England zurück und wurde als Offizier der Royal Field Artillery zugeteilt. Eine schwere Kopfverletzung auf dem Schlachtfeld überlebte er knapp und kehrte an die Front zurück. Hier traf ihn am 17. April 1918 ein deutsches Artilleriegeschoss. Er war sofort tot.

Eine ausführliche Beschreibung von Leben und Werk des William Hope Hodgson gibt: http://www.creative.net/~alang/lit/horror/hodgson.sht.

Einen großartige Sammlung relevanter Fakten speziell zu Hodgsons Carnacki-Storys sowie deren vollständige E-Text-Wiedergabe in englischer Sprache liefert Marcus L. Rowland: http://www.forgottenfutures.com/game/ff4/worldbk4.htm („Forgotten Futures IV: The Carnacki Cylinders. A Role Playing Sourcebook For William Hope Hodgson’s ‚Carnacki The Ghost-Finder'“).

Tufts, Gayle – Weihnacht at Tiffany\’s

Gayle Tufts schafft es immer wieder, mit ihrem sympathischen Denglisch-Kauderwelsch die kulturellen Unterschiede zwischen ihrer Ex-Heimat Amerika und ihrer Neu-Heimat Deutschland herauszukehren. Dabei kriegen stets beide Seiten ihr Fett weg, Deutsche mit all ihren kulturellen Absonderlichkeiten genauso wie die den Deutschen in nichts nachstehenden Amerikaner. Auch beim Thema Weihnachten scheiden sich zwischen Amerika und Deutschland die Geister: Lebkuchen und Christkindlmarkt diesseits des Atlantiks, Lamettawahn und Kitschalarm auf der anderen Seite.

In „Weihnacht at Tiffany’s“ schildert Gayle Tufts nun also ihre Erfahrungen mit dem Weihnachtsfest beiderseits des Atlantiks, und wer Gayle Tufts kennt, der weiß, dass das keine trockene Angelegenheit ist, sondern reichlich Stoff zum Schmunzeln birgt. Dabei ist Gayle Tufts ein bekennender Weihnachts-Fan, und so liegt der Humor auch mehr im Kleinen, als dass Tufts sich eines unsentimentalen Brachial-Humors bedienen müsste, der in einem einzigen Rundumschlag alles an Weihnachten durch den Kakao zieht.

Dass Gayle Tufts das ganze Drumherum an Weihnachten sehr schätzt, lässt sie immer wieder deutlich werden. Sie ist mit den großen „Christmas Shows“ des amerikanischen Fernsehens groß geworden, und das hat ihre Weihnachtseinstellung sehr mitgeprägt, ohne dass sie dabei den Bezug zur Realität verloren hätte. Immer wieder streut sie Anekdoten ein, erzählt von ihren diversen Weihnachtserlebnissen in Deutschland und mit ihrer Familie in Amerika. Sie versteht es, die Komik der Situation herauszukehren, und das auf eine verschmitzte, schwarzhumorige Art, die sie sehr sympathisch wirken lässt.

Ein Teil des Buches schildert Gayles Tufts Erlebnisse während ihrer eigenen „Christmas Show“, die unter dem Titel „White Christmas“ vor einiger Zeit in Berlin lief. Sie berichtet von den Vorbereitungen, den Arbeiten vor und hinter der Bühne, und von den unterschiedlichen Dingen, die Weihnachten für die an der Show beteiligten Menschen bedeutet. Das ist für den Leser nicht zu jedem Zeitpunkt gleichermaßen interessant, vor allem, weil mir bei „Weihnacht at Tiffany’s“ die Gagdichte nicht ganz so hoch zu sein scheint, wie es noch bei [„Miss Amerika“ 2557 der Fall war.

Dennoch macht die Lektüre von „Weihnacht at Tiffany’s“ in der Summe wirklich Spaß. Dass nicht jede Seite vor Schenkelklopfern überquillt, sorgt immerhin auch dafür, dass Gayle Tufts mit ihrer Hommage an das Weihnachtsfest auch ein wenig weihnachtliche Stimmung hervorzaubert. Das Buch an einem verregneten Adventssonntag mit der Kuscheldecke auf dem Sofa zu lesen, trägt wirklich dazu bei, dem Leser ein bisschen weihnachtlich ums Herz werden zu lassen.

Zusätzlich serviert Gayle Tufts im Laufe des Buches immer wieder Auszüge aus dem „Holiday Songbook“: Weihnachtslieder, die in ihren Anekdoten eine Rolle spielen. Meistens ist einfach nur der englische Text abgedruckt, teilweise gibt’s eine Übersetzung von Gayle Tufts und in einigen wenigen Fällen hat sie die Texte in ihr ganz eigenes, so sympathisches Denglisch-Kauderwelsch umgedichtet.

Mit das Schönste an „Weihnacht at Tiffany’s“ aber sind „Gayles ultimative Christmas Top Ten“: die zehn besten Weihnachtssongs, die zehn besten Weihnachtsoutfits, zehn Dinge, die man Kindern auf keinen Fall schenken sollte, die zehn besten Weihnachtsfilme oder zehn Dinge, die man unbedingt an Weihnachten tun sollte – alles fundiert begründet und mit einen Augenzwinkern erzählt.

Mit dieser bunten Mischung aus Anekdoten, Songs und Gags schafft Gayle Tufts es in jedem Fall, dem Leser ein bisschen Weihnachtsstimmung zu bereiten – und das auf eine gleichermaßen charmante wie humorvolle Art. „Weihnacht at Tiffany’s“ ist schöne, locker-leichte Unterhaltungslektüre zur Weihnachtszeit.

http://www.aufbau-verlag.de/

Godderidge, Ulrig / Floch, Adrien – Slhoka 3 – Die weiße Welt

Band 1: [„Die vergessene Insel“ 3795
Band 2: [„Die Gärten der Sangali“ 4090

_Story_

Im siebten Jahr des Krieges der Flammen befinden sich Slhoka und Svendai noch immer auf der Flucht vor den kompromisslosen Okranern. Lediglich dieses unberechenbare Duo scheint nämlich noch imstande, das von Coroner Kraal unter Gewalteinfluss geführte Volk davon abzuhalten, die Superwaffe endgültig zu errichten und das fehlende Element, das Xhodium, als Katalysator in das Zerstörungsprojekt einzubauen. Nun jedoch sind die beiden mit ihrem Flugzeug in der Nähe der Front abgestürzt und müssen sich sowohl vor den Herrschern und Armeen aus Zeide als auch vor den Okranern rechtfertigen. Gleich mehrfach entrinnen sie in letzter Sekunde der Gefangenschaft und ihrem sicheren Ende. Kraal zeigt sich indes erfinderisch und belebt Slhokas umgekommene Geliebte Leidjill, um sie unter Hypnose für seine Zwecke zu manipulieren. Trotz heftigen Widerstands gelingt es schließlich, das Xhodium an Ort und Stelle zu bringen und den Befehl für den Einsatz der Waffe zu geben – mit einem unerwarteten Ziel …

_Persönlicher Eindruck_

Man spürt im dritten Band des Vierteilers aus den Federn von Godderidge und Floch, dass die Geschichte langsam aber sicher zielgerichtet aufs Finale zusteuert. Das Tempo wird in „Die weiße Welt“ von Beginn an verschärft, aber auch die einzelnen Beziehungsgeflechte nehmen noch einmal an Brisanz zu und machen den Plot wesentlicher schwerer durchschaubar, als er es zunächst war. Vor allem die unterschiedlichsten Bündnisse avancieren mit zunehmender Dauer zu kaum durchdringbaren Mysterien. Auf Seiten der Okraner scheint man sich vorerst wie ein Fähnchen im Wind zu drehen, zeigt indes später die wahre Seite der tyrannischen Führung, während auch die Zeider sich mit aller Macht gegen alles und jeden stellen, Zweckverbindungen knüpfen und sie unverhofft und plötzlich wieder für den eigenen Profit brutal zerschlagen.

Ergo entwickelt sich die Story zu einem heftigen, rasanten Wechselspiel, in dem die sehr individuell strukturierten Charaktere oftmals das überraschende Zünglein an der Waage abgeben. Das Handeln der Protagonisten ist ebenso unvorhersehbar wie das ihrer Gegner, die Transparenz wird mitunter völlig verdeckt, was angesichts der zahlreichen spannungsfördernden Wendungen jedoch nachhaltig zu begrüßen ist. Lediglich der Grad der wachsenden Komplexität hätte etwas gediegener ansteigen können, da diese neue Undurchschaubarkeit der Storyline und in diesem Sinne die Verschärfung der verschachtelten Inhalte nach dem eher gradlinigen Beginn der Serie nunmehr nur noch schwierig zu verarbeiten sind.

Dennoch: Der Fortschritt der Geschichte im Geschwindigkeitsrauschist fabelhaft inszeniert, die Individualität von „Slhoka“ wird durch die enorme Vielschichtigkeit der Erzählung ein weiteres Mal eindrucksvoll forciert. Allerdings stellt genau dieser Umstand das Dream-Team Godderidge/Floch vor ein erhebliches Problem: Mit dem nächsten Band soll die Geschichte bereits enden, dabei sind noch eine ganze Reihe nur dezent ausgearbeiteter Stränge bis auf weiteres offen. Mit anderen Worten: Es wird für die beiden Männer hinter dem Comic-Projekt „Slhoka“ ungleich schwieriger sein, einerseits das erneut erhöhte Niveau zu halten und andererseits die Geschichte zufriedenstellend zu Ende zu bringen und dabei besagte Handlungsaspekte ausreichend abzuschließen. Angesichts des bislang besten, hier vorliegenden Bandes darf man aber selbst diesbezüglich guter Dinge sein. „Slhoka“ hat sich in kürzester Zeit zu einer der besten Publikationen aus dem |Splitter|-Verlag gemausert und erlebt nun den vorläufigen inhaltlichen Höhepunkt. So dicht, so farbenfroh, so schnell und so abwechslungsreich – dieser Comic hat es wirklich in sich!

http://www.splitter-verlag.de/

Kalkofe, Oliver / Welke, Oliver / Pastewka, Bastian / Baumann, Tobi – Wixxer, Der. Das Hörspiel zum Film

_Besetzung_

Even Longer / Erzähler: Oliver Kalkofe
Very Long: Bastian Pastewka
Earl of Cockwood: Thomas Fritsch
Dieter Dubinsky: Olli Dittrich
Butler Hatler: Christoph Maria Herbst
Miss Pennymarket: Tanja Wenzel
Doris Dubinsky: Anke Engelke
Sir John: Wolfgang Völz
Dr. Brinkman: Oliver Welke
Smeerlap: Lars Rudolph
Miss Drycunt: Eva Ebner / Ingeborg Lapsin
Rather Short: Thomas Heinze
Fritti: Daniel Steiner
Pommi: André Meyer

_Story_

London graut es vor der nächsten Attacke des gefürchteten neuen Serienkillers. Die Unterwelt erschaudert seit geraumer Zeit vor dem Wixxer, einem skrupellosen Unbekannten, dessen Spezialität der Mord an Schwerverbrechern und zweifelhaften Subjekten ist. Im aktuellen Fall begeht der Killer jedoch einen großen Fehler; er mordet vor den Augen eines ostdeutschen Ehepaars und kann sein Antlitz nicht länger vor der Öffentlichkeit verbergen. Die Eheleute Dubinsky zahlen jedoch einen hohen Preis für die Beobachtung des Attentats auf den Mönch mit der Peitsche; die Hausdame Doris wird verschleppt und lässt den völlig orientierungslosen Dieter hilflos zurück.

Als Scotland Yard die Ermittlungen ein weiteres Mal startet, entsendet Sir John seine besten Männer, zum einen den tollpatschigen Very Long, zum anderen den rücksichtslosen Even Longer, der immer noch nicht über den Verlust seines vormaligen Kollegen Rather Short hinweggekommen ist. Ihr Weg führt zunächst nach Blackwhite Castle, zum Anwesen des anrüchigen Earl Of Cockwood, der in diesem mysteriösen Gemäuer seine Mopszucht vorantreibt, insgeheim aber seine Brötchen mit dem illegalen Handel mit Girlgroups verdient. Allerdings scheint der Adlige eine weiße Weste zu haben und selbst vom Wixxer bedroht zu werden. Als sich schließlich selbst legendäre Gauner wie der Frosch mit der Maske öffentlich gegen eine Zusammenarbeit mit dem gesuchten Serienkiller bekennen, droht die Situation zu eskalieren. Long und Longer stehen unter Zugzwang: Wer wird das nächste Opfer sein? Und welcher verruchte Misanthrop verbirgt sich tatsächlich hinter der Maske des Wixxers?

_Persönlicher Eindruck_

Wenn die Elite der deutschen TV-Comedy zusammentrifft und sich an geschichtsträchtiges Material heran begibt, darf die wachsende Fangemeinde wahrlich Großes erwarten! Dementsprechend war es auch kaum verwunderlich, dass der erste Teil der Edgar-Wallace-Parodie „Der Wixxer“ auch über die Landesgrenzen hinaus ein großer Erfolg war und mit noch größeren Albereien den Produktionen von Michael Herbig gehörige Konkurrenz machte. Nun treiben Kalkofe und Co. auch im Hörspielsektor als Long und Longer ihr Unwesen und bringen mit der leicht gekürzten Audio-Fassung des Stücks ein zweites Mal die Lachmuskeln in Wallung. Und siehe da, die Umsetzung ist keinen Deut schwächer als die cineastische Fassung, was schlicht und einfach daran liegt, dass „Der Wixxer“ vermehrt auf seine Dialoge und nicht so sehr auf Szenen- und Situationskomik ausgelegt ist. Humor ist schließlich auch nur dann schön, wenn er gleichzeitig anstößig und intelligent ist!

Die Story ist dabei ein echter Kracher und gleichsam eine unrespektable Aufarbeitung des Werkes von Edgar Wallace. Regisseur Tobi Baumann lässt unzählige Zitate der alten Krimi-Klassiker in parodierter Form neu aufleben, erschöpft einen Großteil des humoristischen Potenzials, welches die legendären Streifen und Bücher einst aufboten und schafft es dabei dennoch, eine spannende Kriminal-Inszenierung zu erschaffen, die auch ohne den albernen Unterton prima funktionieren würde.

Andererseits lebt „Der Wixxer“ natürlich beinahe ausschließlich von den kaum mehr zählbaren Schenkelklopfern. Alleine schon das brutal komische Sammelsurium unterschiedlichster Antihelden mit solch zensurwürdigen Namen lässt den Comedy-Liebhaber zu Beginn aufhorchen. Long, Longer oder doch Short, hier wird mit sinnbildlich primitiven Mitteln aus dem Vollen geschöpft und erfolgreich adaptiert. Unterdessen wagen sich die Macher auch an einige zweifelhafte Themen heran; Christoph Maria Herbst als Hitler-Soundalike ist gewagt, aber sicher einer der Höhepunkte des Hörspiels, wohingegen die beiden ostdeutschen Gestrandeten eine echte Wucht sind, zumindest aber ein Fünftel der hiesigen Bevölkerung vor den Kopf stoßen. In diesem Sinne ist das Ganze durchaus mit den Kultwerken eines David Zucker vergleichbar; der Mann hinter Filmen wie „Die unglaubliche Reise in einem total verrückten Flugzeug“ und „Die nackte Kanone“ setzte ebenfalls auf versteckt intelligente Dialoge im Rahmen einer aberwitzigen, zunächst sinnentleert anmutenden Handlung und agierte derweil so effizient wie kaum ein anderer im internationalen Comedy-Mainstream. Und auf seinen Werken fußen indirekt auch die Schandtaten der merkwürdigen Detektive Pastewka und Kalkofe, die netten Seitenhiebe in Richtung Medien, Klatschpresse, Trends und Hyes sowie die kluge, einerseits alberne, andererseits aber dann doch überraschend spannende Story.

Das Hörspiel steht dem Filmvergnügen daher auch abgesehen von der fehlenden Videospur in nichts nach; die Atmosphäre der Leinwand-Parodie stellt sich ohne langes Hadern ein, der Witz ist auch ohne die vertrauenswürdigen Gesichter der deutschen Genre-Elite unschlagbar und die auditive Umsetzung an sich macht nicht weniger Spaß als die cineastische Fassung. „Der Wixxer“ ist ein astreines Beispiel dafür, dass Hörspiele und Kinostreifen durchaus auf einem Level agieren können! So vergnügt und originell ist Humor in diesem Bereich selten adaptiert worden.

http://www.natuerlichvoneuropa.de

Tess Gerritsen – In der Schwebe

Als in einer um die Erde kreisenden Raumstation versehentlich Mikroorganismen freikommen, erweisen sie sich als mutiert und lebensgefährlich. Während an Bord fieberhaft nach einem Gegenmittel gesucht wird, werden ‚unten‘ schon Raketen in Stellung gebracht … – Schwammige Mischung aus (Medizin-) Thriller und Science Fiction, wobei ersterer unter zu vielen zwischenmenschlichen Problemchen und letzte unter sichtlicher Genre-Unsicherheiten leidet: wohl eher ein Werk für die Leser/innen von „Lady-Thrillern“.
Tess Gerritsen – In der Schwebe weiterlesen

Anne Fine – Schwesternliebe

So verschieden sie auch sind, die vier Schwestern Liddy, Heather, Stella und Bridie, alle um die vierzig, halten seit ihrer Kindheit zusammen wie Pech und Schwefel. Fast jedes Wochenende verbringen sie gemeinsam. Die sensible, grundehrliche Liddy ist geschieden und hat zwei kleine Kinder, Bridie ist verheiratet und engagierte Sozialarbeiterin, Heather ist der unterkühlte Single und Stella die brave Harmoniesüchtige, die in ihrem Mann Neil das perfekte Gegenstück gefunden hat. Als Liddy den netten George kennenlernt und eine Beziehung eingeht, freuen sich ihre Schwestern für ihr neues Glück.

Anne Fine – Schwesternliebe weiterlesen

Martin, George R. R. / Crowell, Mike / Avery, Ben / Miller, Mike S. – Heckenritter, Der

_Story_

Als Knappe des respektierten Heckenritters Ser Arlan ist der wagemutige Dunk in seiner Jugend durch alle Lande gezogen. Stolz vertrat er seinen Meister und gelangte an seiner Seite selber zu Ritterehren. Als Ser Arlan am Wegesrand infolge einer Erkrankung tot zurückbleiben muss, beschließt Dunk, sein Erbe anzutreten und an seiner statt am Turnier in Ashford teilzunehmen. Doch der einstige Knappe hat seine neue Mission völlig unterschätzt; als er in den königlichen Gefilden eintrifft, wirkt er ohne würdige Ausrüstung geradezu hilflos und muss sein Pferd gegen die benötigten Silberstücke eintauschen. In dem jungen Burschen Egg hat er allerdings einen würdigen Stallburschen gefunden, der Dunk alias Duncan der Große treu ergeben ist.

Während die ersten Kämpfe schließlich das Publikum unterhalten, begeht der etwas unbeholfene Heckenritter eine riesige Torheit. Dunk hatte schon längere Zeit die Augen auf eine Puppenspielerin geworfen, der er auch die Bemalung seines Schildes anvertraut hatte. Als diese öffentlich des Verrats an der Krone bezichtigt wird, weil sie in einer ihrer Vorführungen das Wappen des Throns beschmutzt habe, greift Duncan der Große ein. Er schlägt dem Prinzen in seiner Wut ins Gesicht und wird mit sofortiger Wirkung vor Gericht gestellt. Unter gemilderten Umständen wird ein Gottesurteil gefällt. Duncan muss sich Prinz Aerion im ‚Urteil der Sieben‘ im Kampfe stellen. In nur einer Nacht ist es an ihm, sechs Gefährten zusammenzusuchen, um seine Unschuld mit Lanze und Schild zu beweisen. Doch in diesen schweren Zeiten fühlt sich niemand dem törichten Neuling verbunden …

_Persönlicher Eindruck_

Im permanent wachsenden, verlagseigenen Fantasy-Repertoire hat Deutschlands wohl renommierteste Comic-Schmiede |Panini| in den vergangenen Monaten bereits einige echte Meisterwerke hervorgebracht, man denke nur an die fantastischen Adaptionen von Salvatores „Saga vom Dunkelelf“ oder den meisterhaften Transfer von Howards legendärer Sagengestalt „Conan“. Nun jedoch hat man die Messlatte noch ein weiteres Mal nach oben gesetzt. Mit „Der Heckenritter“ folgt jetzt eine Geschichte aus dem Umfeld der sieben Königreiche, der Sagenwelt von George R. R. Martins modernem Fantasy-Klassiker [„Das Lied von Eis und Feuer“, 3651 welches ja nach Meinung nicht weniger Genre-Liebhaber das bislang beste Werk der phantastischen Literatur ist. Dementsprechend schwierig war natürlich auch die Umsetzung dieser illustrierten Erzählung, vor allem bedingt durch die enorm hohen Erwartungen, an denen jüngst ja auch schon die gezeichnete Fassung von Michael Moorcocks „Elric – Die Erschaffung eines Hexers“ scheiterte. Doch Ben Avery, hierzulande noch ein Greenhorn in der Comic-Abteilung, hat bei dieser Adaption fantastische Arbeit geleistet und nicht nur in seinem Genre, sondern generell in der illustrierten Literatur einen echten Meilenstein geschaffen – ganz so wie einst Martin, als er seine ersten Geschichten aus dem Land der sieben Königreiche zum ersten Mal dem Publikum vorstellte.

Dabei nimmt sich Martins Erbe die erforderliche Zeit, um die Detailfülle der Originalvorlage würdig auszudehnen. Ganz langsam kreiert er die faszinierende Sagenwelt, zehrt aber von Beginn an von der fantastischen Atmosphäre, die sowohl die Charaktere als auch die grandiosen Schauplätze umgibt. Schwierigkeiten bekommt man als Neuling lediglich bei der Ansammlung der teils gleich klingenden Ritternamen, was man jedoch nicht kritisch auslegen kann, schließlich handelt es sich hierbei ausschließlich um eine Frage der Orientierung, die spätestens zur Mitte der Story tadellos gemeistert werden kann. An derartige Unwegsamkeiten denkt man aber eigentlich schon ab dem Moment nicht mehr, an dem Dunk Ashford erreicht und seine Prüfung als Ritter vorbereitet. Von dort an entwickelt sich die zunehmend spannendere Geschichte behäbig aber sehr bestimmt fort, scheut bei der Darstellung von phantastischen bzw. transferierten mittelalterlichen Themen und emotionalen Inhalten nicht zurück und setzt alle Hebel in Bewegung, um die majestätische Erzählung mit einem bezaubernden Finale zu beenden. 160 Seiten voller erhabener Schlachten, hinterhältiger Intrigen und zwischenmenschlicher Dramen später ist man sich schließlich gewiss: Avery hat dem Verlag sein bisheriges Fantasy-Meisterstück beschert und – natürlich auch dank der genialen Vorlage – mit diesem Werk neue Maßstäbe gesetzt.

In diesem Sinne bleibt natürlich zu hoffen, dass der Autor mit der offiziellen Vorgeschichte zum „Lied von Eis und Feuer“ erst den Anfang einer neuen, darauf basierenden Comic-Serie geschaffen hat. Im Zweigespann mit seinem zeichnenden Kollegen Mike S. Miller wäre er jedenfalls sicherlich imstande, das grandiose Vorwerk von Fantasy-Ikone R. A. Salvatore noch zu übertreffen und das gesamten Genre maßgeblich zu beeinflussen. Dass Martins Originalromane hierzu das nötige Potenzial besitzen, steht außer Frage, ebenso wie Averys Qualitäten, schwere Lasten wie den Erwartungsdruck zu seinen Gunsten auszuspielen. Mit „Das verschworene Schwert“ steht eine weitere Adaption schon in den Startlöchern. Nach den überwältigenden Eindrücken von „Der Heckenritter“ ist die Vorfreude auf alles noch Folgende jedenfalls unermesslich groß!

http://www.paninicomics.de

Scholl-Latour, Peter – Zwischen den Fronten

Man sollte auf keinen Fall das Vorwort übergehen. Im nur halbseitigen Vorwort von Peter Scholl-Latours neuem Buch „Zwischen den Fronten“ steht als zentraler Satz das Zitat Leopold von Rankes: „Der Historiker muss alt werden, da man große Veränderungen nur verstehen kann, wenn man persönlich welche erlebt hat.“ Gemäß diesem Motto hat der 83-jährige Scholl-Latour dieses Mal keinen Reisebericht, sondern einen Essay geschrieben, und er will dabei die Gegenwart aufschließen wie ein Historiker die Vergangenheit. Die gelegentlichen lateinischen Zitate mag man als Wink verstehen, dass der Autor dabei vielleicht einige spätrömische Zeithistoriker als Vorbild im Sinn hatte. Seine teils schonungs- und illusionslosen Urteile etwa, die quer zum unbekümmerten Zeitgeist stehen, erinnern gelegentlich an Sallust.

„Zwischen den Fronten“ besteht aus vier Aufsätzen über die USA, den Orient, China und – für den weltweit Reisenden bemerkenswert – Europa. Auch wenn Scholl-Latour 2007 wieder ausgiebig gereist ist und dabei gewonnene Erkenntnisse in den Text einfließen lässt, ist das Buch insgesamt eine auf die lange Sicht angelegte Betrachtung unserer heutigen Welt. Viele Erlebnisse von früheren Reisen in den letzten Jahrzehnten und Verweise auf die entfernte Geschichte finden sich ebenso wie kleine Beobachtungen und Gespräche aus diesem Jahr, die symptomatisch große Entwicklungen verdeutlichen sollen. Dabei legt der Autor wirkmächtige Einflussgrößen hinter den bewussten Absichten der Politik bloß: typische historische Abläufe, wirtschaftliche Gesetzmäßigkeiten, geopolitische Konstanten und nicht zuletzt die überlieferte Kultur und Religion.

Besonders die Religion: Die erstaunliche Unterstützung des jüdischen Staates durch die in Europa mindestens als aufdringlich geltenden amerikanischen Christen des Bible Belt beruht auf der Erwartung, dass die Anwesenheit der Juden auf biblischem Boden eine Voraussetzung für die Wiederkehr des Messias sei. Der Orientkenner Scholl-Latour führt die Feindschaft zwischen den Juden und den arabischen – also ebenfalls semitischen – Moslems auf die biblische Rivalität der Abrahamssöhne Isaak und Ismael zurück. Der Hass zwischen Sunniten und Schiiten geht auf verschiedene religiöse Autoritäten zurück, die bereits in der frühesten islamischen Geschichte kurz nach dem Tod Mohammeds in blutigen Fehden lagen. Eine ferne, teils mythische Vergangenheit ist also eine mächtige Größe der Gegenwart. Die Erlahmung der Religion in der alten Welt mag, so Scholl-Latour, ein Grund für die geistige und politische Schwäche Europas sein.

Die meisten deutschen Auslandsjournalisten wirken nur als Beobachter, nicht als Analysten. Für das Thema China heißt das, die rasante technische und wirtschaftliche Entwicklung wird berichtet, aber nicht zu erklären versucht. Peter Scholl-Latour bietet dagegen eine Deutung, die die heutige chinesische Mentalität als ein Produkt aus sozialistischem Gemeinschaftssinn, kapitalistischem Initiativgeist und einer Rückbesinnung auf konfuzianische Ordnungs- und Staatsbegriffe betrachtet. Die vor allem vom Westen betriebene Globalisierung und die damit einhergehende Verknappung, also Verteuerung der Güter richtet sich durch ein China aus diesem Geist als Waffe gegen sich selbst. Die autoritäre Führung Pekings sichert sich mit ihrer bescheidenen und „emsigen“ Bevölkerung afrikanische Bodenschätze, indem sie in rohstoffreichen Gebieten Afrikas eine effiziente Aufbauarbeit leistet, die die nordamerikanischen und europäischen Volkswirtschaften so günstig gar nicht mehr erbringen könnten. Wie eine Ouvertüre zu diesem Thema erwähnt der Autor schon im ersten Kapitel die chinesischen Gemeinden in Amerika mit ihrem schnell wachsenden Wohlstand.

Amerika sieht Scholl-Latour ohnehin sehr schwarz. Er erwähnt nicht nur die bekannten außenpolitischen und geheimdienstlichen Schlappen der letzten Jahre. Wenn es um Präsident Bush geht, zeigt sich der sonst so nüchterne Autor schon etwas polemisch. Bemerkenswert ist, dass er im Amerika-Kapitel auf drei selbst erlebte, schwere militärische Niederlagen zurückblickt, nämlich die der deutschen Wehrmacht 1945 sowie der französischen Kolonialtruppen in Indochina und Algerien. Auch die hier aufkommende Untergangsstimmung mag den Leser an spätantike Vorbilder denken lassen.

Im Kapitel über Europa legt Scholl-Latour, bekanntermaßen ein Bewunderer Charles de Gaulles, einen Schwerpunkt auf Frankreich. Einige Hoffnung scheint er dabei auf die außenpolitischen Konzepte (Mittelmeer-Union) des neuen Präsidenten Sarkozy zu setzen. Dessen Darstellung ist etwas blass, Scholl-Latour räumt ein, ihn nicht persönlich zu kennen. Es bleibt abzuwarten, ob Sarkozy, der die Wahl u. a. durch seine entschiedene Ablehnung der von den USA forcierten türkischen EU-Mitgliedschaft gewann, zu seinem Wort stehen wird. Die deutsche Politik, die sich nur noch in Wahlkampfkrämerei erschöpft, wird durch wenige, aber treffende Beispiele in ihrer Substanzlosigkeit vorgeführt. „Eine deutsche Außenpolitik, die diesen Namen verdient, gibt es ebenso wenig wie ein deutsches strategisches Konzept.“ (S. 284) Das deutsche Wunschdenken von einem Orient nach westlichem Vorbild wird allein durch die entgegengesetzte geschichtliche Entwicklung widerlegt. Sowohl die Türkei als auch der Iran waren in der Vergangenheit westlich orientierter und in religiöser Hinsicht toleranter als heute. Selbst im Irak des Diktators Saddam Hussein waren Christen vor religiöser Verfolgung sicher, während sie heute trotz amerikanischer Besatzung am helllichten Tag ermordet werden.

Im erwähnten Vorwort weist der immer noch aktive Peter Scholl-Latour es weit von sich, schon eine Autobiographie geschrieben zu haben. Aber dennoch ist der Großessay „Zwischen den Fronten“ so etwas wie ein Vermächtnis. Der weitgereiste Autor, der mehrere Jahrzehnte Zeitgeschichte hautnah miterlebt hat, gibt aus seinen Erfahrungen einen Überblick über die weltpolitische Lage. Neben dem Hauptthema machen zudem die ereignis- und geistesgeschichtlichen Exkurse und die Anekdoten am Rande die Lektüre lohnend.

http://www.propylaeen-verlag.de

Hein, Corinna – Jules Suche

Jule braucht nicht viel zum Leben. Alvus ist ihr Zuhause, ein kleines gottverlassenes Dorf irgendwo im Nichts. Das zumindest glaubt Jule, denn für sie existiert nur das: der kleine Teich, die Ziegen, mit denen sie den Stall teilt, die Dorfbewohner, die Mücken, die ihr den Arm zerstechen. Ihre Welt ist klein, sie reicht nur so weit, wie Jule blicken kann, und doch führt sie ein überaus zufriedenes Leben.

Im Dorf dagegen hält man sie für verrückt. Ist einfach eines Tages aufgetaucht, mit dieser riesigen Narbe am Kopf, und kann sich an nichts erinnern. Trotzdem scheint niemand beunruhigt genug, die Polizei zu rufen. Man kümmert sich um sein eigenes Leben, Jule wird geduldet, und keiner kommt auf die Idee, dass jemand sie vermissen könnte. Am allerwenigsten Jule selbst.

Jule könnte bis an ihr Lebensende so weiterleben, in ihrem eigenen kleinen Paradies, in dem sich alles fügt und die Dinge ihren Platz haben. Wäre da nicht … natürlich ein Mann. Wostok kommt aus dem Wald, aus diesem dunklen Nichts, direkt auf Jule zu. Sie verbringen eine gemeinsame Nacht und am nächsten Morgen schnappt er sich sein Moped und verschwindet wieder. Ohne ein Wort.

Doch Jule ist erwacht. Sie will diesen Wostok wiederfinden, will wissen, woher er gekommen ist, was sich hinter dem Wald befindet. Und so beginnt sie zu laufen. Der Waldweg wird bald zu einer asphaltierten Straße, die asphaltierte Straße führt in eine Stadt und als der LKW-Fahrer, der sie freundlicherweise mitgenommen hat, sie in diesem Betondschungel ausspuckt, weiß sie zunächst nicht, wohin sich wenden.

Jule jedoch ist ein Glückskind. Ihr scheint das Schicksal immer hold. Und so landet sie zunächst bei einer Gruppe Hausbesetzern, später dann bei einem Schnellimbiss. Die Jahre vergehen und aus dem Schnellimbiss wird ein Restaurant. Sie versteckt ihr verdientes Geld in einer Keksdose, weil sie nicht weiß, was damit anfangen, aber sie vergisst nie ihre Suche.

„Jules Suche“, der Debütroman einer jungen Schriftstellerin aus dem allertiefsten Osten, ist auf nur reichlich hundert Seiten vieles auf einmal, ohne je überfrachtet zu wirken. Er ist Entwicklungsroman, verfolgt er doch das Erwachsenwerden dieser geheimnisvollen Jule. Er ist Wenderoman, spielt sich doch die Handlung in den frühen 90er Jahren ab. Da sind die Anklänge des magischen Realismus, die Jules Geschichte zuweilen fast märchenhaft wirken lassen. Selbst einige versteckte religiöse Motive sind zu finden, wenn Jule zu Anfang des Buches in diesem paradiesischen Zustand von gleichzeitiger Ahnungslosigkeit und völliger Zufriedenheit lebt. Doch wie in der Bibel auch, kann es so nicht bleiben. Bei Jule zerstört der Einbruch von außen, nämlich Wostoks plötzliches Auftauchen, das Gleichgewicht ihres Lebens. Das Ereignis lässt sie erwachen – Wostoks Gegenwart erweckt ihren Geist, seine Berührung ihren Körper – und schickt sie auf die Suche.

Diese Suche scheint zunächst etwas diffus – sie sucht nach diesem Mann und nach dem, was sich außer ihrem Dorf in der Welt befindet –, doch wird bald klar, dass der Sinn ihrer Suche ein ganz anderer ist. Sie sucht ihren Platz und letztendlich sich selbst. Denn was ihr nicht bewusst war, ist die Tatsache, dass sie selbst verloren war.

Die Autorin erzählt die Geschichte einer jungen Frau vor dem Hintergrund der Wendezeit. Vieles ist mittlerweile über die DDR und über den Fall der Mauer geschrieben worden. Im Vergleich mit all den kuriosen, kritischen, reflektierenden, erschöpfenden Ansichten über die DDR und die Wendezeit wirkt „Jules Suche“ geradezu zurückhaltend. Die deutsch-deutsche Geschichte drängt sich nie in den Vordergrund, gleichzeitig fungiert sie aber auch nicht nur als Schablone, vor der die Charaktere agieren sollen. Die Wende ist etwas, das einfach passiert, das die Menschen überrollt, an Jule jedoch vorbeirollt. Für sie finden Politik und gesellschaftliches Leben nicht statt, und so nimmt sie zwar Veränderungen wahr, kann sie auch benennen, sie ist jedoch nicht fähig, diese Veränderungen bis zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen.

Ungemein knapp und ökonomisch werden Prozesse nachgezeichnet, die in den Jahren nach der Wende überall in Ostdeutschland zu beobachten waren: der rückkehrende Wessi, der die unbedarften Zonis übers Ohr hauen und den großen Schnitt machen will, der ABV, der plötzlich nichts mehr zu beobachten hat, der Aufsteiger, der die Gunst der Stunde nutzt. Sie alle sind versammelt und der Leser darf ihren Aufstieg (und Niedergang) verfolgen. Geradezu als Überdosis gestaltet Corinna Hein hier den ganzen Wahnsinn der 90er Jahre, konzentriert auf ein unbedeutendes Dorf irgendwo in Ostdeutschland.

Corinna Hein, Jahrgang 1977, hat einige Veröffentlichungen im Kurzgeschichten- und Lyrikbereich vorzuweisen. Ihr erster Roman, „Jules Suche“, hat im |Ronald Hande|-Verlag ein Zuhause gefunden, der einige Titel zum Thema DDR-Geschichte im Programm hat. Wie so oft bei kleinen Verlagen, darf man auch vom RH-Verlag keine Perfektion verlangen. Ein fähiger Lektor hätte den Text sicherlich noch an der ein oder anderen Stelle abrunden und schlichte Satzfehler korrigieren können. Trotzdem vermag das schmale Bändchen den Leser zu fesseln. Sprachlich einfach traumhaft, spickt Corinna Hein ihren Text mit Bildern, die erst im Kopf des Lesers ihre ganze Farbenpracht entfalten werden. Fast meint man, der Nebel der Geschichte würde schon über Jule und ihrem Dorf Alvus hängen, so verträumt und märchenhaft kommen manche Passagen daher. Doch dann werden lakonisch und mit messerscharfer Zunge Lebensschicksale rezitiert und man realisiert, dass man sich doch fast noch im Hier und Heute befindet.

Jule hat ihre Unschuld verloren, und diesen Riss kann auch alles spätere Glück nicht kitten. Ihre Reise ist exemplarisch für eine ganze Generation, und doch bleibt sie als Einzelschicksal märchenhaft schön. Definitive Leseempfehlung!

http://www.rh-verlag.de
http://www.corinnahein.net